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Der Nordwest-Raum: Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb Prof. Dr. Rolf G. Heinze Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Wirtschaftssoziologie Überarbeitete Fassung eines Vortrags am 15. November 2004 in der Bremer Landesbank

Der Nordwest-Raum: Eine Region formiert sich für den ... · Wolfsburg. Hier zeigt sich komplementär zur regionalen Orientierung in den letzten Jahren eine enorme Profilierung als

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Der Nordwest-Raum:

Eine Region formiert sich für

den Standortwettbewerb

Prof. Dr. Rolf G. Heinze

Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Wirtschaftssoziologie

Überarbeitete Fassung eines Vortrags am

15. November 2004 in der Bremer Landesbank

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Herausgeber: Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg - Girozentrale - Domshof 26, D - 28195 Bremen Alle Rechte vorbehalten. 3. Januar 2005

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VORWORT

Im Herbst 2004 wurde Herr Prof. Heinze von der Bremer Landesbank beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, das die Bedeutung und die Chancen der Region Nord-west analysiert. Im Fokus dieses Auftrags stand vor allem die Frage, was die Region Nordwest von anderen regionalen Erfolgsmodellen lernen kann und welche konkreten Ansätze sich daraus für eine koordinierte Standortpolitik im Nordwesten ergeben.

Der Autor ist Lehrstuhlinhaber für den Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftssozio-logie an der Ruhr-Universität Bochum. Herr Prof. Heinze hat in den letzten Jahren verschiedene Forschungsprojekte zum Strukturwandel der Existenzgründungsför-derung und zur Sozial- und Beschäftigungspolitik geleitet. Seit rund 20 Jahren ist er in der Politikberatung auf Länder- und Bundesebene aktiv (u. a. in Enquete- und Expertenkommissionen und seit 1998 als Mitglied der Benchmarkinggruppe beim „Bündnis für Arbeit“). Sein derzeitiger Arbeitsschwerpunkt liegt in den Themenfel-dern regionale Innovationssysteme und Wachstumscluster im Dienstleistungssek-tor.

Am 15. November 2004 wurden die Ergebnisse der Untersuchung im Rahmen einer Gremiensitzung in der Bremer Landesbank erstmalig vorgestellt und disku-tiert. Das vorliegende Gutachten mit dem Titel „Der Nordwest-Raum: eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb“ soll einen Beitrag zu den europaweit laufenden Regionalisierungsprozessen leisten, in denen sich regionale Standorte nationenübergreifend für den Wettbewerb der Zukunft positionieren.

Als traditionsreiches Bankhaus an den Standorten Bremen und Oldenburg hat die Nähe zur Region Nordwest, zu den Kunden und zu den Märkten für die Bremer Landesbank schon immer einen sehr hohen Stellenwert besessen. Unser Enga-gement für Bremen, Bremerhaven und unser benachbartes niedersächsisches Umland geht weit über das eines erfolgreichen Wirtschaftsunternehmens, bedeu-tenden Arbeitgebers und Förderer des sozialen und kulturellen Lebens hinaus.

Je größer die Räume in einem wachsenden Europa und einer globalisierten Welt werden, um so wichtiger werden Identität, Orientierung und Engagement der Menschen und ihrer Institutionen in ihren Erlebnisräumen, in ihrer Stadt, in ihrer Region. Unsere Wirtschaftsregion steht vor neuen Herausforderungen – und damit vor neuen Chancen und Perspektiven. Den notwendigen Entwicklungsprozess aktiv mit zu gestalten, ist uns eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung, der wir uns engagiert stellen wollen.

Bremen, im Januar 2005

(Thomas Christian Buchbinder)

Vorsitzender des Vorstandes Bremer Landesbank Kreditanstalt Oldenburg - Girozentrale -

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INHALT

VORWORT ............................................................................................................... II

INHALT .....................................................................................................................V

Kurzfassung .............................................................................................................. 6

Wettbewerb der Regionen ........................................................................................ 8

Der Nordwest-Raum: eine Bestandsaufnahme ...................................................... 14

Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt ............................................................. 14

Demographischer Wandel .................................................................................. 15

Anmerkungen zu Rankings ................................................................................ 16

Zwischenfazit ...................................................................................................... 19

Zukunftschancen und -konzepte ........................................................................ 20

Profilierungschancen der Region Nordwest durch eine

Kompetenzfeldstrategie .......................................................................................... 25

Definition von Kompetenzfeldern ....................................................................... 25

Konkrete Aufgaben des Standortmanagements und „Meilensteine“ ................. 30

LITERATUR .............................................................................................................VI

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Der Nordwest-Raum: Prof. Dr. Rolf G. Heinze Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb

Kurzfassung

In allen europäischen Ländern wird eine auf die Regionen zielende Wirtschafts-

und Strukturpolitik bedeutsamer und dies gilt auch für den Nordwestraum. Die

neue Qualität besteht darin, dass nicht mehr nur einzelne nationale Volkswirtschaf-

ten miteinander konkurrieren, sondern zunehmend Wirtschaftsregionen im Wett-

bewerb stehen.

Für den Nordwestraum bedeutet dies: Regionale Profilierung, um sich als attrakti-

ver Standort mit Zukunft zu präsentieren. Die überregionale Aufmerksamkeit wird

vor allem dann gelingen, wenn die in den letzten Jahren überdurchschnittliche

wirtschaftliche Dynamik stabilisiert wird und weitere regionale Verflechtungen in

zukunftsfähigen Kompetenzprojekten realisiert werden.

Ausgangspunkt der regionalen Standort- und Handlungskonzepte ist zumeist die

Entwicklung einer Vision für die Region, um darüber die zentralen Akteure zu

sammeln und auf die anstehenden Aufgaben (etwa die Gründung einer Umset-

zungsorganisation) zu konzentrieren.

Die strategische Leitüberlegung zur regionalen Standortpolitik manifestiert sich

darin, wie aus den traditionellen Wertschöpfungsketten im zunehmenden Maße

Wertschöpfungsnetze („Cluster“) werden. Gefragt sind also fruchtbare Allianzen

zwischen Politik und Verwaltung, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen,

Wirtschaftsunternehmen, Kreditinstituten sowie der Wissenschaft und Forschung.

Der Standortvergleich herausragender innovativer Standorte hebt durchgängig die

Existenz solcher Kooperationsstrukturen hervor: nur die Standorte werden im

globalisierten Wettbewerb überleben, die anspruchsvolle Produkte und Dienstleis-

tungen in Zukunftsfeldern anbieten und auch eine "Kultur der Selbstständigkeit"

etabliert haben.

Die im Nordwestraum zweifellos vorhandenen regionalen Kompetenzen, die auch

in den guten „Quoten“ in Standort-Rankings erkennbar sind, müssen deshalb zum

einen noch weiter profiliert und zum anderen in manchen Fällen noch entwickelt

werden.

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Dafür ist vor allem ein integriertes und effizientes Standortmanagement notwendig,

das sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt (so ist an die Gründung

einer regionalen Startorganisation zu denken). Die beteiligten Partner sollten

Gebietskörperschaften sowie Akteure aus der Wirtschaft (auch Banken) sein,

wobei die aktivierende Rolle der regionalen Führungspersönlichkeiten genutzt

werden kann.

Ein erster Meilenstein - neben der Erarbeitung einer regionalen Vision - ist ein

zielgenaues Marketing zur besseren Positionierung im Standortwettbewerb sowie

darauf aufbauend eine weitere Profilierung in zukunftsfähigen Wachstumsfeldern.

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Wettbewerb der Regionen

In allen europäischen Ländern nimmt die Bedeutung einer auf die Regionen abge-

stellten Wirtschafts- und Strukturpolitik zu. Diese Renaissance der regionalen

Standortpolitik gilt auch für Niedersachsen und Bremen, die mit ihren historisch

gewachsenen Wirtschaftsregionen vor neuen Herausforderungen, aber auch

Chancen stehen. Zurückzuführen ist der Regionalisierungstrend auf die seit den

90er Jahren immer deutlicher hervortretenden Auswirkungen des weltweiten Glo-

balisierungsprozesses einerseits und den durch die EU initiierten Regionenbil-

dungsprozess andererseits. Beide Entwicklungstendenzen führen zu einem

verstärkten regionalen Standortwettbewerb.

Die neue Qualität besteht darin, dass nicht mehr nur einzelne nationale Volkswirt-

schaften miteinander konkurrieren, sondern zunehmend internationale und

nationale Wirtschaftsregionen im Wettbewerb stehen. Für Bremen und

Niedersachsen bzw. den Nordwest-Raum bedeutet dies: regionale Profilierung, um

sich als attraktiver Standort mit Zukunft zu präsentieren. Vor dem Hintergrund der

verschärften Konkurrenz der Regionen und dem Zusammenwachsen Europas

müssen dafür auch administrative Grenzziehungen überwunden werden. Die

überregionale Aufmerksamkeit wird vor allem dann gelingen, wenn die in den

letzten Jahren überdurchschnittliche wirtschaftliche Dynamik des Nordwest-

Raums stabilisiert wird und weitere regionale Verflechtungen in zukunftsfähigen

Kompetenzprojekten realisiert werden. Die Nordwest-Region soll im Folgenden

nicht exakt und trennscharf abgegrenzt werden, da sie sich aus verschiedenen

(historisch-kulturell gewachsenen) Teilräumen zusammensetzt, die eine eigene

regionale Identität besitzen (bspw. Ostfriesland). Zum Nordwest-Raum wird der

Weserraum (mit Bremen als Metropole, aber auch den Kreisen Diepholz, Verden

etc.), der Ems-Dollart-Raum, die Hafenstädte (Emden, Wilhelmshaven,

Bremerhaven) sowie die Binnenstädte Oldenburg, Delmenhorst und der Raum

Osnabrück / Cloppenburg / Vechta gezählt.

Die Verschärfung des Standortwettbewerbs hat bereits zu einer wachsenden

Regionsformierung geführt. Schaut man nach Norddeutschland, dann präsentie-

ren sich inzwischen die großen Standorte wie Hamburg oder Hannover als „Metro-

polregionen“ und auch andere Regionen formieren sich (etwa Wolfsburg). Hinzu

kommen weitere – auch politisch-institutionelle Verflechtungen zwischen Ham-

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burg und Schleswig-Holstein, die insgesamt darauf hinweisen, dass sich hier neue

regionalpolitische Player aufstellen und Regionalmarketing sowie Regionalmana-

gement immer bedeutsamer werden. Vor diesem Hintergrund muss sich auch der

Nordwest-Raum mit einem innovationsorientierten Standortmarketing sowie

konkreten Kooperationsprojekten beschäftigen. Die Konkurrenz in anderen Regio-

nen schläft nicht; dies gilt sowohl für die Nachbarländer im Norden und Westen

(auch Nordrhein-Westfalen setzt seit Jahren auf eine Regionalisierung der Struk-

turpolitik) als auch für Niedersachsen selbst.

In Niedersachsen formieren sich einerseits die großen Standorte wie bspw. Han-

nover. Dort wurde Ende 2001 die „Region Hannover“, eine Gebietskörperschaft,

gegründet, die alle wesentlichen regionalen Zuständigkeiten bündelt. Zentrales

Organ ist die Regionalversammlung, es gibt aber auch einen Regionenausschuss

und einen Regionspräsidenten. Die Bildung der Region Hannover mit ihrer „stadt-

regionalen“ Verwaltungsstruktur geht deutlich weiter als alle anderen regionalen

Verwaltungsstrukturen deutscher Großstädte und deren Umfeld – ist allerdings für

den Nordwest-Raum als Best-Practice-Beispiel kaum geeignet.

Aber nicht nur die großen Standorte wie Hannover, sondern auch bislang noch

namenlose Regionen, wie bspw. im Südosten von Niedersachsen (also die Städte

Braunschweig, Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel, Wolfs-

burg etc.), haben inzwischen ein gemeinsames Regionenmarketing gestartet mit

dem Ziel, die Attraktivität der Region für Unternehmen, Wissenschaft sowie qualifi-

zierte Erwerbstätige zu erhöhen und insgesamt den Standort zu profilieren. Auch

wenn noch kein gemeinsamer Name gefunden werden konnte, so hat man sich

schon auf einige Handlungsfelder im Regionalisierungsprozess verständigt:

• Kommunales Marketing mit Konzentration auf öffentliche Einrichtungen

• Wirtschaftsförderung mit Blick auf Investoren

• Stadt- und Citymarketing

Um diese Ziele umzusetzen, wollen die Akteure in der Region eine regionale

Entwicklungsorganisation aufbauen, die folgende Funktionen erfüllen soll:

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• Forschung und Wissensmanagement

• Projektmanagement (von der Idee bis zur Marktreife)

• Marketing und Vertrieb (Aufbau eines neuen Images)

Diese regionalen Formierungsprozesse sollten auch im Nordwest-Raum genau

studiert werden, zumal sich auch weitere Kreise in Niedersachsen in neuen regio-

nalen Kooperationsallianzen zusammenfinden (jüngst die Wachstumsinitiative

Weserbergland AG). Interessant ist an den regionalen Formierungs- und Instituti-

onalisierungsprozessen (gerade auch in Südostniedersachsen) die Überlappung

regionaler und lokaler Initiativen, die auf neue regionale Akteursbildungen explizit

hinweist und klassische Grenzen überspringt. Gemeinsam ist diesen regionalen

Standort- und Handlungskonzepten die Orientierung an der wirtschaftlichen Leis-

tungsfähigkeit und die Identifizierung und Stärkung zukunftsorientierter Branchen.

Ausgangspunkt ist zumeist die Entwicklung einer Vision für die Region, um darüber

die zentralen Akteure zu sammeln und sich auf die anstehenden Aufgaben (etwa

die Gründung einer Umsetzungsorganisation) zu konzentrieren.

Dies gilt auch für das sich formierende Projekt Region Braunschweig; hier arbei-

tet man an einer „Projektlandschaft“, die ein Wachstumskonzept für die Region

umsetzen soll und sich im Kern um drei Themenbereiche kümmert:

• Mobilität,

• Wissen und

• Umwelt.

Bis Ende des Jahres sollen die wesentlichen Meilensteine auf dem Weg zu einer

gemeinsamen regionalen Gesellschaft abgeschlossen sein. Derzeit geht es um die

Absicherung der Umsetzung, die Klärung der rechtlichen und finanziellen Fragen,

die Aktivitäten der „Startorganisation“ und die konkrete Durchführung der Grün-

dung.

Räumlich und auch wirtschaftsstrukturell eng verbunden mit Braunschweig ist

Wolfsburg. Hier zeigt sich komplementär zur regionalen Orientierung in den

letzten Jahren eine enorme Profilierung als eigner Wirtschaftsstandort, der natür-

lich abhängig ist vom VW-Konzern. Die Profilierungsversuche haben sich bereits in

hohen Platzierungen in aktuellen Wirtschaftsrankings niedergeschlagen (etwa im

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Technologieatlas von Prognos etc.). Dem Standort Wolfsburg ist es gelungen, als

„Best-Practice-Beispiel“ für aktive Restrukturierungsprozesse und regionale Inno-

vationssysteme erwähnt zu werden. Hier gibt es auch durch die Neuausrichtung

des VW-Konzerns in den 90er Jahren im räumlichen Umfeld neue interessante

Schnittstellen und Vernetzungen. Die regionale Profilierung konnte hier deshalb

gut gelingen, weil das Kernthema vorhanden ist und jetzt konstruktiv in weitere

Zukunftsmärkte (wie Freizeit und die Gesundheitswirtschaft) verlängert wird.

Interessant für den Nordwest-Raum, der sich aus zwei Bundesländern zusammen-

setzt, sind natürlich die Erfahrungen mit Regionalisierungsprozessen in anderen

vergleichbaren Regionen (etwa Schleswig-Holstein und Hamburg) oder auch im

Rhein-Neckar-Raum. Die Regionsbildung im Umfeld von Hamburg („Metropolregi-

on Hamburg“) bekommt derzeit ein „Gesicht“. In den letzten Jahren hat sich zwi-

schen den beiden Bundesländern eine Zusammenarbeit entwickelt, die in

verschiedenen Vorhaben umgesetzt wird. Es wird inzwischen auch offiziell von der

Landesregierung Schleswig-Holstein anerkannt, dass das Hamburger Umland und

die Freie und Hansestadt Hamburg auch ein „Kraftzentrum“ für Schleswig-Holstein

ist. Positive Entwicklungstrends im Bereich der Wirtschaft sowie von Forschung

und Entwicklung haben positive Auswirkungen auf das gesamte Land. Für die

gemeinsame Zusammenarbeit wurde ein „Regionsrat“ und ein „Lenkungsaus-

schuss“ eingerichtet. Es ist den politischen Akteuren klar, dass im zukünftigen

Standortwettbewerb die erfolgreichen Regionen tendenziell größer sein werden

und über mehr „kritische Masse“ an Forschung und Entwicklung, verfügbaren

Qualifikationen sowie leistungsfähigen und vernetzten Unternehmen verfügen

müssen. Die gemeinsame wirtschaftspolitische Kooperation soll sich in folgenden

„Zukunftsclustern“ abspielen:

• Life Science

• Luftfahrt und Logistik

• Wissenschafts- und Forschungsbereich

• Ostseekooperation

• Gemeinsame internationale Vermarktung

Neben diesem Beispiel für eine Kooperation zwischen zwei Bundesländern gibt es

auch die regionalen Netzwerkbildungen in Berlin/Brandenburg; hier entwickelt

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sich einiges in Richtung einer gemeinsamen Landesplanung sowie anderer ge-

meinsamer Projekte und gemeinsamer administrativer Strukturen.

Aber auch ein Blick in den Rhein-Neckar-Raum ist aus Regionalisierungssicht

interessant. Der achtgrößte Ballungsraum Deutschlands mit den zentralen Städten

Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg (und rund 2,3 Millionen Einwohnern)

verteilt sich auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hes-

sen. Die derzeitigen regionalen Steuerungsversuche können sich auf eine gemein-

same Geschichte als „Kurpfalz“ und damit eine gewisse regionale Identität

beziehen, die auch seit 1969 durch einen Staatsvertrag der drei Bundesländer

vertragsrechtlich festgeschrieben wurde. Zudem gibt es eine öffentlich-rechtliche

Körperschaft „Raumordnungsverband Rhein-Neckar“, der sich um die gemeinsa-

men Belange im Sozial- und Gesundheitswesen, Bildung und Wissenschaft sowie

Kultur und Sport kümmert. Im Bereich Wirtschaftsförderung/Standortmarketing wird

derzeit eine regionale Public-Private-Partnership neu konstituiert, um auch die

Kooperationsbeziehungen zu steigern und die regionalen Kompetenzen so zu

bündeln. Ziel ist eine konsequente Nutzung der Potenziale, um so in die „Spitzen-klasse europäischer Regionen“ zu gelangen.

Man sieht auch hier, dass die Zersplitterung in Bundesländer, verschiedene kom-

munale Kompetenzen etc. kein Hindernis darstellen müssen, um eine Regionsbil-

dung einzuleiten!

Im Mittelpunkt (auch gerade der ausländischen Regionalisierungsbeispiele) steht

immer wieder an erster Stelle: „From Concept to Reality“. Dies ist in einer so in

Konzepte und Grundsatzdebatten „verliebten“, aber auch rechtlich hoch regulierten

Republik wie Deutschland allerdings etwas schwieriger umzusetzen. Der Pragma-

tismus als kulturelle Leitorientierung sollte aber bei allen Diskussionen um eine

Effektivierung des regionalen Standortmanagements nicht vergessen werden. Der

Erfolgsfaktor Kooperation und regionales Standortmarketing wird im Standortver-

gleich wachstumsstarker Wirtschaftsstandorte durchgängig hervorgehoben. Gera-

de im europäischen Kontext ist auffällig, wie sich aufgrund der neuen politischen

Architektur viele Regionen neu formieren, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Die These, der zufolge die Förderung von Kompetenzfeldern weitere Wertschöp-

fung in die Region bringt, wird nicht nur konzeptionell angedacht, sondern auch

umgesetzt!

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Auch bei einer Betrachtung des Nordwest-Raums muss zur Kenntnis genommen

werden, dass sich europaweit in den letzten Jahren Wirtschaftsregionen als

Standorte herauskristallisiert haben, die ein hohes Maß interregionaler Verflech-

tung realisiert haben. Und dies gilt nicht nur für die „Metropolregionen“ im Groß-

raum von London, Paris oder Amsterdam; interessant sind vor allem die regionalen

Formierungsprozesse in vergleichbaren Regionen wie etwa das „Medicon Valley“

in der Region Kopenhagen/Malmö, eine „cross-border region“, die darauf hin-

weist, dass auch der Nordwest-Raum über engere Kooperationsnetzwerke mit den

niederländischen Grenzregionen zusammenarbeiten sollte. Im „Medicon Valley“

kommt ein Spezifikum der neueren international ausgerichteten Standortprofilie-

rungen hinzu: die Orientierung an Kompetenzfeldern oder Clustern und die hohe

Bedeutung der Vernetzung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.

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Der Nordwest-Raum: eine Bestandsaufnahme

Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt

Schaut man auf die wirtschaftlichen Wachstumsraten der letzten Jahre, dann sind

einige Landkreise aus dem Nordwest-Raum (vor allem Cloppenburg, Vechta und

Emsland) auf den vorderen Plätzen zu finden und gelten durchaus inzwischen als

„Best-Practice-Beispiele“ für eine erfolgreiche Regionalpolitik in ländlichen

Regionen. Gute Wachstumsraten in der Beschäftigung zeigen aber auch die Land-

kreise im näheren Umfeld von Bremen (etwa die Landkreise Diepholz, Rotenburg

und Verden). Aber auch die Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung in ande-

ren Teilen des Nordwest-Raums (etwa in Ostfriesland) ist wesentlich günstiger als

noch in den 80er Jahren; allerdings zeigen sich hier gravierende Unterschiede

zwischen einzelnen Zentren (etwa Wilhelmshaven und Emden). Problematischer

stellt sich die Wirtschaftsentwicklung in Teilen des Küstenraums, im Unterweser-

raum sowie in der Jaderegion und speziell in Wilhelmshaven dar.

Schaut man sich die Arbeitsmarktentwicklung an, dann ist es in Niedersachsen

in den letzten Jahren nicht gelungen, die Differenz zum westdeutschen Durch-

schnitt abzubauen (im Oktober 2004 lag die Quote in Niedersachsen bei 9,3 Pro-

zent, im „Bund West“ bei 8,2 Prozent). Die Arbeitslosenquote liegt damit noch

immer über dem westdeutschen Durchschnitt (gegenüber Oktober 2003 allerdings

eine positive Veränderung von 3,8 Prozent, im „Bund West“ nur von 2,1 Prozent),

wobei sich innerhalb des Bundeslandes Disparitäten hinsichtlich der Arbeitsmark-

tungleichgewichte zeigen: So liegen etwa viele Arbeitslosenquoten aus dem Nord-

westen (etwa die Arbeitsamtbezirke Nordhorn und Osnabrück noch unter dem

Bundesniveau). Etwas anders sieht es demgegenüber im Arbeitsamtbezirk Leer

und in den Küstenstädten sowie Bremen aus. Hier liegt die Arbeitslosenquote auch

im Herbst 2004 weiterhin hoch (13 Prozent), wobei vor allem der hohe Anteil der

Langzeitarbeitslosen auf strukturelle Arbeitsmarktprobleme hinweist. Einzelne

Regionen an der Küste haben zudem große saisonale Schwankungen der Arbeits-

losigkeit aufgrund der starken Prägung durch den Tourismus und das Baugewer-

be. Die geringsten Beschäftigungsprobleme im Nordwest-Raum haben

zusammengenommen die ländlichen Regionen im westlichen Niedersachsen

sowie im Umlandbereich von Bremen. Dies zeigt sich auch am Pro-Kopf-

Einkommen der Bevölkerung in diesen Regionen: So haben die Landkreise Clop-

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penburg und Emsland ihre Einkommenspositionen wesentlich ausbauen können.

Parallel zur relativ guten Arbeitsmarktsituation und dem starken Bevölkerungs-

wachstum verzeichnen sie auch einen weit überdurchschnittlichen Zuwachs des

verfügbaren Einkommens.

In der NIW-Studie zur Positionsbestimmung Niedersachsens von 2004 werden aus

dem Nordwest-Raum nur der Küstenraum, (insbesondere der Unterweserraum mit

den Landkreisen Wesermarsch und Cuxhaven wie auch die struktur- und entwick-

lungsschwache Stadt Bremerhaven) als Regionen mit besonderen Struktur- und

Entwicklungsproblemen charakterisiert.

Demographischer Wandel

Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass in neueren demographischen

Studien einerseits die Stadt Bremerhaven als ein Standort mit nicht gerade rosigen

Aussichten bezeichnet wurde, andererseits aber andere Landkreise aus dem

Nordwest-Raum zu den „Boomer-Regionen“ gehören. Die ländlichen Regionen

im westlichen Niedersachsen haben in den letzen Jahren anhaltend hohe Wand-

lungsgewinne gehabt; zusammen mit den Geborenenüberschüssen erreichen sie

fast die Dynamik der unmittelbaren großstädtischen Umlandkreise. Einzelne Land-

kreise stechen besonders hervor, etwa die Region um Cloppenburg, die durch die

Zuwanderung von Russlanddeutschen eine besondere Bevölkerungsdynamik hat.

Durch die überdurchschnittlich hohe Geburtenrate in diesen Regionen gibt es auch

viele Kinder und Jugendliche, und damit wächst ein Arbeitskräftepotenzial heran,

das sich in Zukunft durchaus als Standortvorteil herausstellen könnte. In der Studie

des Berlin-Institutes für Weltbevölkerung und globale Entwicklung („Deutschland

2020 – Die demographische Zukunft der Nation“) wird der Kreis Cloppenburg als

eine geburtenstarke Region skizziert, in der die „Welt demographisch noch weitge-

hend intakt“ ist. Im Kreis Cloppenburg gibt es eine für deutsche Verhältnisse rela-tiv einmalige Situation: Die Bevölkerungszahl könnte in den nächsten

Jahrzehnten selbst ohne Zuwanderung fast stabil bleiben (dort hat auch eine Frau

durchschnittlich 1,92 Kinder).

Anders sieht es dagegen in Bremen aus: Hier ist in den nächsten Jahren mit einer

Schrumpfung (bis 2020 vermutlich ein Zehntel der Einwohner) zu rechnen. Noch

intensiver schrumpft Bremerhaven. Die Geburtenrate liegt in Bremen bei 1,35%

und die Bevölkerungsprognose bis 2020 beträgt für das Bundesland Bremen

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minus 11,3%. Allerdings sind die Pendelverflechtungen relativ hoch: Täglich pen-

deln 160.000 Erwerbspersonen zwischen Bremen und dem niedersächsischen

Umland; rund 40 Prozent der Beschäftigten in Bremen kommen hierher (in Ham-

burg nur 30).

Anmerkungen zu Rankings

Da Rankings in den letzten Jahren (auch aufgrund des verstärkten Standortwett-

bewerbs) in Mode gekommen sind, vielfach die Gemüter erregen und auch die

Politiker herausfordern, gibt es inzwischen verschiedene Vergleiche der Bundes-

länder (u.a. von Mitte 2003 mit dem Titel „Wer wirtschaftet am besten?“). Das

zentrale Ergebnis lautete hier: Bremen ist hinsichtlich der Dynamik auf Platz zwei

hinter dem Saarland, Niedersachsen rangiert auf Platz fünf. Das Ergebnis ist

deshalb überraschend, weil beide Länder mit erheblichen Haushaltsproblemen zu

kämpfen haben und wirtschaftsstrukturelle Probleme aufweisen. Aber beide Län-

der haben nach dieser Studie beträchtlich aufgeholt. Im August 2004 wurde von

der gleichen Forschergruppe erneut ein Ranking der Bundesländer hinsichtlich

Dynamik, Wirtschaftskraft und Zukunftspotenzial vorgelegt; Bremen landete in der

Gesamtschau jetzt auf Platz sechs, während Niedersachsen auf Rang zwei vor-

rückte (Spitzenreiter ist Sachsen) (vgl. Wirtschaftswoche v. 10.8.04). In ähnlicher

„Trägerschaft“ wurde im Frühjahr 2004 ein Großstadtvergleich publiziert; Bremen

erreichte Platz 19, im „Dynamik-Ranking 1998/2003“ sogar Platz drei. Auch im

Standortranking der Bertelsmann Stiftung rangiert Bremen in den letzten Jahren im

oberen Mittelfeld (vor Niedersachsen); allerdings wird auch explizit darauf verwie-

sen, dass nur über die Kooperation mit dem Umland der Entwicklungsrückstand

Bremens (im Vergleich etwa zu Hamburg) aufgeholt werden kann.

Zusammenfassend kann aus den Rankings der Standorte abgeleitet werden,

dass erstens Bremen in letzter Zeit immer im oberen Mittelfeld gehandelt wird,

von der wirtschaftlichen Dynamik her sogar in der Spitzengruppe liegt. Nieder-

sachsen steht als großes Flächenland zumeist etwas schwächer dar, scheint aber

nach dieser Methode des Standortrankings an „Fahrt zu gewinnen“.

Das Nord-Süd-Gefälle wird auch in einer im Herbst 2004 veröffentlichten Studie

von Ernst & Young bestätigt: im „Mittelstandsbarometer 2004“ (beruhend auf einer

Befragung von 1.600 mittelständischen Betrieben) liegt beispielsweise die Zufrie-denheit des Mittelstands im Ländervergleich in Bremen deutlich unter dem Durch-

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schnitt, in Niedersachsen besser (Platz 6 gegenüber Platz 12). Unter dem Durch-

schnitt liegen auch die Bewertungen von Bremen und Niedersachsen bei der

Infrastruktur, während hier Hessen, Hamburg und Bayern vorn liegen. Sogar an

drittletzter Stelle bei den Bundesländern landet Bremen bei der regionalen För-derpolitik, Niedersachsen liegt mit Platz 6 relativ gut. Und auch hinsichtlich der

Prognose, wie sich die Geschäftslage in den kommenden sechs Monaten entwi-

ckeln wird, ist es nicht überraschend, dass Niedersachsen und Bremen die Plätze

12 und 13 einnehmen. Bei der aktuellen Geschäftslage ist die Bewertung demge-

genüber etwas positiver (Platz 11 für Bremen und Platz 7 für Niedersachsen).

Ebenfalls sehr breit wurde in den Medien der Zukunftsatlas 2004 von Prognos

diskutiert. Auch hier wurde ein Ranking der Standorte vorgelegt, wobei – wie in all

diesen Benchmarkingstudien – die Rangfolge auf ausgewählten Indikatoren beru-

hen und oft unterschiedliche Themenfelder bewertet bzw. gleiche Felder mit unter-

schiedlichen Indikatoren belegt werden. Beispielsweise besteht das GEO-Ranking

zu Deutschlands Zukunft (bei dem die Landkreise Cloppenburg und Vechta sehr

gut abschneiden) aus 22 Einzelindikatoren, während der Zukunftsatlas von

Prognos und Handelsblatt 29 Indikatoren umfasst. Schon von daher wird der

gleiche Standort in den unterschiedlichen Rankings sehr verschieden bewertet

(etwa Harburg im GEO-Ranking auf Platz 3 und im Prognos-Ranking unter den

niedersächsischen Regionen auf Platz 15!). Neben der Indikatorenproblematik gibt

es noch die bekannten statistischen Ausreißer, so dass zur Überprüfung der eige-

nen Stärken und Schwächen diese Standortrankings nur erste Hinweise geben

können, vertiefend bearbeitet werden müssen und zudem verglichen werden

müssen.

Mit Standortvergleichen sollte man deshalb einerseits vorsichtig sein, andererseits

bieten sie durch die aufbereiteten Informationen durchaus Aufklärung über die

eigene sozioökonomische Situation, Stärken und Schwächen im Benchmarking

und können so zur Schärfung des Bewusstseins hilfreich sein. Trotz dieser Ein-

schränkungen sollten also die in letzter Zeit publizierten Rankings für eine Neuaus-

richtung und Profilierung der Regionen durchaus genutzt werden. Dies betrifft vor

allem die bereits positiv erwähnten Wirtschaftsregionen im Nordwesten (wie Vech-

ta, Oldenburg und Emden), die auch in der Prognos-Studie als Regionen mit

Zukunftschancen gesehen werden. Bremen und die anderen Regionen im Nord-

westen gelten als Regionen mit ausgeglichenem Chancen-Risiko-Mix, während

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Der Nordwest-Raum: Prof. Dr. Rolf G. Heinze Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb

Bremerhaven und der Landkreis Wittmund zu den Regionen mit hohen Zukunftsri-

siken gezählt werden.

Es gibt aber auch gerade im Nordwesten „Winner“ des Strukturwandels. Interes-

sant ist, dass unter den Regionen mit „hohen Zukunftschancen“ der Landkreis

Vechta (58. Rang), die Stadt Osnabrück sowie die Städte Oldenburg (82. Rang)

und Emden (89.) gelistet werden. Im ausgeglichenen Chancen-Risiken-Mix werden

die meisten Standorte im Nordwest-Raum geführt: Cloppenburg (184), Bremen

(190), Osterholz (196), Leer (197), Ammerland (211), Wilhelmshaven (230) und

Diepholz (253) sowie Aurich (294). Zukunftsrisiken werden Bremerhaven zuge-

schrieben (Platz 367 von 439, aber an letzter Stelle westdeutscher Standorte!).

Schon anhand dieser relativ neuen Benchmarkingstudien werden Stärken und

Schwächen deutlich. Auch andere Institute (etwa das Institut für Wirtschaftsfor-

schung „BAW“ aus Bremen) haben den Standort Nord-West näher untersucht und

festgestellt, dass die Fläche durchaus wirtschaftlich floriert, während die meisten

Städte als Wachstumspole sich abschwächen und manche Städte sogar drohen

„auszubluten“.

Hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung ist festzustellen, dass sich im Zeitraum

von 1990 bis 2000 ein leicht überdurchschnittlicher Zuwachs mit einem Plus von

knapp 10% zeigt, wobei diese Entwicklung primär auf den Raum Cloppen-

burg/Osnabrück und den Ems-Dollart-Raum beschränkt bleibt. Dieses regionale

Entwicklungsmuster zeigt sich auch im Zeitraum 2000 bis 2003 fast unverändert:

Rückläufigen Einwohnerzahlen, vor allem in den Hafenstädten, stehen Zuwächse

in den westlichen Landkreisen gegenüber.

Parallel zur Entwicklung der Bevölkerung hat sich auch die Beschäftigung entwi-

ckelt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist von 1990 bis 2000

stärker angestiegen als in Gesamt-Niedersachsen und lag auch über dem Be-

schäftigungszuwachs in der alten Bundesrepublik (wobei vor allem der Raum

Cloppenburg/Osnabrück wieder hervorragt). Diese positive Beschäftigungsentwick-

lung zeigt sich auch in den letzten Jahren; als einzige Teilregion konnte sie Ar-

beitsplatzgewinne verbuchen.

Bezogen auf die Verflechtungen der Stadt Bremen mit dem Umland verweisen

auch die Autoren auf eine zunehmende Vernetzung innerhalb der Region, die sich

am Einpendlerüberschuss in Bremen stark zeigt. Insgesamt zeigt sich also durch-

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Der Nordwest-Raum: Prof. Dr. Rolf G. Heinze Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb

aus gerade in den ländlichen Regionen des Nordwest-Raums eine relativ positive

Wachstums-, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklung. Diese Dynamik

kann einerseits über die gute verkehrsstrukturelle Anbindung und die Nähe zu den

Metropolen erklärt werden, hinzu kommt – und dies gilt vor allem für die ländlichen

Regionen im Nordwesten – die diversifizierte und mittelständisch geprägte Unter-

nehmensstruktur und -kultur (eine „Selbstständigkeitskultur“). Diese positive wirt-

schaftsstrukturelle und beschäftigungspolitische Entwicklung muss allerdings vor

dem Hintergrund eines verschärften Standortwettbewerbs abgesichert werden,

und deshalb wird auch hier dringend eine gemeinsame regionale Programmatik

und die Bildung von Clustern angemahnt. Die Begriffe Kompetenzfelder und

Cluster werden in den meisten strukturpolitischen Diskussionen und auch generell

in der Öffentlichkeit zumeist nicht scharf voneinander abgegrenzt; sie sollen kurz

folgendermaßen definiert werden. Cluster können als regionale Konzentrationen

von Wertschöpfungsketten definiert werden, Kompetenzfelder thematisieren die

regionalen Konzentrationen. Die regionalpolitische Ausrichtung zielt in diesem

Zusammenhang auf Innovation und Wachstum sowie die bessere Nutzung techno-

logischer Potenziale.

Zwischenfazit

Viele Regionen im Nordwesten, vor allem die ländlichen Regionen und im Umfeld

von Bremen, erzielten in den letzten Jahren durch ihr gutes Bevölkerungs- und

Wirtschaftswachstum sehr gute Platzierungen in verschiedenen Standortverglei-

chen und Rankings. Dies liegt vor allem an der „robusteren“ Wirtschaftsstruktur

und der stärkeren Mittelstandsprägung. Einige Teilräume werden sogar in demo-

graphischer Sicht als „Outperfomer“ gesehen. Diese wirtschaftlichen Potenziale

werden leider „außen“ nicht adäquat wahrgenommen, und auch vielen Akteuren im

Nordwest-Raum sind diese „Outperformer-Qualitäten“ nicht hinreichend bewusst.

Das wirtschaftliche Potenzial muss deshalb stärker verdeutlicht, mit einem besse-

ren regionalen Standortmarketing und insgesamt mit einer zu intensivierenden

regionalen Selbststeuerung verbunden werden.

Regionale Clusterbildungen sind in den letzten Jahren in sehr vielen Wirtschafts-

regionen zur Anwendung gekommen und werden durch EU-Programme massiv

unterstützt. Inzwischen liegen auch Erfahrungen aus verschiedenen westeuropäi-

schen Regionen mit dem Clusteransatz vor, die eine Varianz aufzeigen. Von einer

schlichten Kopie ist also abzuraten, vielmehr sollten die Grundzüge der strategi-

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Der Nordwest-Raum: Prof. Dr. Rolf G. Heinze Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb

schen Neuausrichtung „verstanden“ und sodann die spezifischen Entwicklungs-potenziale der Region identifiziert und profiliert werden. Dabei müssen die rele-

vanten Akteure in regionale Netzwerke zur Entwicklung und Absicherung von

Beschäftigung eingebunden werden. Cluster und Netzwerke leben zwar von der

Interaktion, dürfen aber nicht zum Selbstzweck werden! Aus „runden Tischen“

dürfen keine „langen Bänke“ werden (wie in manchen Regionen), vielmehr gilt es,

ein begleitendes und „kontrollierendes“ regionales Standortmanagement aufzu-

bauen. Dieses muss auf einer Stärken- und Schwächenanalyse basieren, wettbe-

werbsfähige Kompetenzpotenziale ermitteln und eine starke Projektorientierung

haben. Zudem gilt es – gerade aufgrund der oft auch in der Region selbst nicht

erkannten Stärken im Benchmark mit anderen Standorten – eine Kommunikations-

strategie aufzubauen, die auf die „Outperformer-Qualitäten“ und die spezifischen

Alleinstellungsmerkmale der regionalen Kompetenzfelder hinweist. „Abgerundet“

wird das regionale Standortmanagement durch ein Controlling und eine Erfolgs-

kontrolle.

Zukunftschancen und -konzepte

Eine leitende These für strategische Überlegungen zur regionalen Standortpolitik

ist die Frage, inwieweit aus den traditionellen Wertschöpfungsketten in zunehmen-

dem Maße Wertschöpfungsnetze (vor allem in zukunftsfähigen Clustern) werden.

Eine derartige Fokussierung ergibt sich auch direkt aus den Erfahrungen mit der

regionalisierten Strukturpolitik: Fast alle Landesregierungen haben mit verschiede-

nen regionalen Wachstumsinitiativen und einer Neustrukturierung der Wirtschafts-

förderung seit Anfang der 90er Jahre durchaus Lernprozesse in den Regionen

ausgelöst. Die Potenziale und Kompetenzen der Regionen werden nun themati-

siert, regionale Entwicklungskonzepte sind entstanden, es gibt allerdings hier und

da hinsichtlich der Umsetzung Probleme.

Um ein positives Klima für Innovationen zu entwickeln, braucht man neben den

Infrastrukturen und den „harten“ Faktoren wie die Anbindung an Verkehrswege,

Gewerbeflächen, Bildungseinrichtungen etc. auch die „weichen“ Faktoren. Gefragt

sind also fruchtbare Allianzen zwischen Wirtschaftsunternehmen, der Politik und

Verwaltung sowie der Wissenschaft. Der Standortvergleich herausragender inno-

vativer Standorte hebt durchgängig die Existenz solcher Kooperationsstrukturen

hervor, verweist aber auch auf die Bedeutung von regionalen Visionen. Nur die

Standorte werden im globalisierten Wettbewerb überleben, die anspruchsvolle

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Der Nordwest-Raum: Prof. Dr. Rolf G. Heinze Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb

Produkte und Dienstleistungen in Zukunftsfeldern anbieten und vor allem eine

„Kultur der Selbstständigkeit“ etabliert haben. Dabei stellen folgende Faktoren den

„Schlüssel“ zu einer erfolgreichen und wettbewerbsfähigen Region dar:

• eine gute Verkehrsinfrastruktur mit Zugang zu einem internationalen Flugha-

fen und einem modernen Telekommunikationsnetz,

• eine unternehmerische Kultur, die Forschung und Praxis in Kooperationen

zu verbinden vermag,

• die räumliche Konzentration von branchengleichen Unternehmen – dabei ist

räumliche Nähe nur in Verbindung mit einer Vernetzung der Unternehmen

und einem gemeinsamen Lernprozess ein Schlüsselfaktor,

• schließlich eine kollektive Vision der regionalen Verantwortung, die von

privater und öffentlicher Hand gemeinsam getragen und in institutionalisier-

ten, kooperativen Strukturen gebündelt wird.

Zusammenfassend wächst die Bedeutung der Region als wirtschaftspolitisches

Handlungssubjekt! Regionale Innovationsnetzwerke können aber weder politisch

von oben verordnet werden, noch entfaltet sich das endogene Potenzial einer

Region von allein. Externe Hilfestellungen sind oft notwendig, um Innovationen

voranzubringen. So sind einerseits die zentralen Akteure (Kammern, Verwaltung

und Politik, aber auch Kreditinstitute) gefordert, die Initiierung und Organisation

eines Dialogs über regionale Zukunftsentwicklungen zu übernehmen, andererseits

sind aber auch „Führungspersönlichkeiten“ in der Region eminent wichtig. Hier

sind in wachsendem Maße auch die Unternehmen gefordert und aufgrund der

Handlungsrestriktionen der Politik (nicht nur aufgrund der finanziellen Krisen und

Engpässe, sondern auch der Vertrauensverluste der politischen Parteien) dürfte

diese aktive Rolle der Unternehmen und damit auch der Unternehmensführungen

für die „Absicherung“ der Region und den Aufbau zukunfts- und wettbewerbsfähi-

ger Geschäftsfelder noch größere Bedeutung bekommen.

Die regionalen Wissens- und Bildungsinstitutionen und die Organisationen der

Wirtschaftsförderung können die Bedingungen für ein leistungsfähiges Innovations-

und Gründerklima positiv beeinflussen. So kann eine Profilierung als Energietech-

nik-, Gesundheits- und Tourismus- oder auch maritime Technologie-Region nur

gelingen, wenn bereits spezifische regionale Kompetenzen und Profile vorhanden

sind und systematisch weiterentwickelt werden. Hierbei spielt das regionale Bil-

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dungs- und Forschungssystem eine herausragende Rolle: Erfolgreiche Regionen

zeichnen sich dadurch aus, dass über Ausbildung und Forschung Humankapital

und Wissen bereitgestellt wird, welches den Schwerpunkten und Erfordernissen

der Region entspricht. Anhand von verschiedenen „Best-Practice-Beispielen“

erfolgreicher Regionalentwicklung kann studiert werden, wie wichtig die enge

Kooperation zwischen Wirtschaft auf der einen und Bildung und Wissenschaft auf

der anderen Seite ist. Die Verbreitung stabiler Netzwerkbeziehungen und die

Herausbildung eines innovativen Kompetenzfeldes ist aber auf Vertrauen ange-

wiesen und diese These gilt auch bei zunehmender Internationalisierung und

Globalisierung der Wirtschaft. Gerade global agierende Unternehmen suchen sich

für ihre Produktions- und Forschungsvorhaben Wirtschaftsregionen aus, die ein

Bündel von attraktiven Infrastrukturen und Innovationspotenzialen (Forschung,

Qualifikationen etc.) zu bieten haben. Diese Netzwerkstruktur zwischen Wirtschaft,

Forschung und staatlicher Förderung mit regionalen Kompetenzzentren zeigt sich

zentral in den zukünftig interessanten Wachstumsfeldern. In einzelnen regionalen

Standorten haben wir in Deutschland durchaus wettbewerbsstarke Strukturen

aufgebaut, allerdings ist auch in den innovativen Branchen derzeit ein enormer

Ausleseprozess zu beobachten.

Der wirtschaftliche und damit beschäftigungspolitische Erfolg einzelner Wirtschafts-

regionen hängt zukünftig immer stärker davon ab, ob es den Standorten gelingt,

die bestehenden endogenen Potenziale – von den Bildungs- und Wissenschafts-

einrichtungen bis hin zu den Wirtschaftsunternehmen – in leistungsfähigen Innova-

tionssystemen zusammenzufassen und auch am Markt erfolgreich zu halten.

Dabei kommt dem Gründungsgeschehen in zukunftsweisenden Branchen eine

tragende Rolle zu, um den strukturellen Wandel in den Regionen zu forcieren. Von

Bedeutung sind hierbei vor allem auch Existenzgründungen aus Universitäten und

Fachhochschulen. In diesen Einrichtungen wird das Wissen um Ideen vermutet,

das in vermarktungsfähige Produkte und Technologien umgesetzt werden kann.

Gerade weil nicht mehr darauf vertraut werden kann, dass im großen Umfang von

außen Neuansiedlungen die beschäftigungspolitischen Probleme lösen werden

und auch keine neue Wachstumsbranche quasi aus dem Boden gestampft werden

kann, müssen die bereits vorhandenen Kernbestände der Region und vor allem die

synergetischen Potenziale der Wirtschaft und der Wissenschaft mobilisiert und in

„Kompetenzprojekten“ umgesetzt werden. Diese Empfehlung leitet sich sowohl aus

der internationalen Forschung über die Wettbewerbsfähigkeit von Standorten als

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auch direkt aus den Erfahrungen mit der regionalisierten Strukturpolitik in ver-

schiedenen westeuropäischen Regionen ab.

Entscheidend für den Erfolg einer solchen clusterorientierten und regional ausge-

richteten Strukturpolitik wird es sein, ob eine Vermittlung zwischen den verschie-

denen Kulturen der einzelnen Akteure (von den Unternehmen, den Hochschulen,

der politischen Verwaltung, den Banken, den Industrie- und Handelskammern, den

Handwerkskammern etc.) nicht nur verbal gelingt, sondern sich auch in funktions-fähigen Projekten und Strukturen realisiert. Dies ist auch deshalb schwierig, weil

sich in modernen „Wissensgesellschaften“ Vertrauen immer weniger selbstver-

ständlich herstellt, sondern durch bewusst geschaffene soziale Nähe und instituti-

onelle Netzwerke konstruiert werden muss.

Da es keinen verallgemeinerbaren Bauplan gibt, nach dem eine erfolgreiche Wirt-

schafts- und Beschäftigungsförderung durch die Kompetenzfeldstrategie abläuft,

weil eine solche Strategie von Region zu Region und von Branche zu Branche

unterschiedlich ist und auch sein muss, ist der Prozess der innovativen Restruktu-

rierung offen und bietet damit neben allen Risiken auch Profilierungschancen für

die einzelnen Wirtschaftsregionen. Ein konzertiertes Vorgehen ist weiterhin

erforderlich, wobei die spezifischen Verflechtungen und Netzwerkstrukturen in den

Regionen sowie die besonderen Akteursstrukturen zu beachten sind. So sollte

auch das bei den „key players“ der Wirtschaft angesiedelte Kompetenzpotenzial

als „soziales Kapital“ betrachtet werden, das über strategische Allianzen für das

regionale Umfeld genutzt werden kann.

Dass Wirtschaftsstandorte nur dann im Wettbewerb der Regionen überleben

können, wenn sie eine Praxis der regionalen Kooperation und eine intensive Ver-

netzung von Wirtschaft und Wissenschaft in Kompetenzfeldern realisieren – dies

ist der Tenor aller neueren regionalpolitischen Diskussionen. Die alleinige Tatsa-

che, dass ein Potenzial von Kompetenzen in einer Region vorhanden ist, reicht

nicht aus, um kooperative Problemlösungsansätze zu realisieren. Zudem sollte

man sich nicht zu stark ausschließlich auf „Modebranchen“ stützen (bspw. auf den

Dienstleistungssektor); gerade im Nordwesten gibt es eine Reihe von Unterneh-

men aus dem verarbeitenden Gewerbe, die konkurrenzfähig sind und deren Kom-

petenzen durch bessere Vernetzungen etwa mit wissenschaftlichen Einrichtungen

weiter gestärkt werden können.

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Der Nordwest-Raum: Prof. Dr. Rolf G. Heinze Eine Region formiert sich für den Standortwettbewerb

Ganz allgemein sollten die zweifellos vorhandenen regionalen Kompetenzen und

„Highlights“ (die sich in den guten „Quoten“ in den Rankings manifestieren) zum

einen noch weiter profiliert werden, um zukunftsfähig zu bleiben, und zum anderen

in manchen Fällen noch „wachgeküsst“ werden. Dafür ist vor allem ein integriertes

und effizientes Standortmanagement notwendig, das sich aus verschiedenen

Bausteinen zusammensetzt. Konkret bedeutet dies aus regional- und strukturpoliti-

scher Sicht:

• Die vorhandenen Stärken und Kompetenzen des Nordwest-Raums müs-

sen deutlich besser sichtbar gemacht und kommuniziert werden. Das

Standortmarketing ist zu verbessern!

• Durch einen „Benchmarkingprozess“ muss von den erfolgreichen Regionen

gelernt werden (und wenn auch die Voraussetzungen anders waren, gibt es

trotzdem aus anderen Regionen Hinweise auf innovative regionalpolitische

Strategien).

• Die Schwachpunkte des Wirtschafts- und Sozialstandortes müssen nicht nur

identifiziert werden, sondern es müssen sichtbare Signale für mehr Effi-

zienz und Zukunftsorientierung gesetzt werden!

• Der Nordwest-Raum muss an den vorhandenen Kompetenzen ansetzen,

Leitbranchen und Wirtschaftscluster definieren, und darauf aufbauend zu-

sammen mit der Wirtschaft zukunftsweisende Projekte umsetzen.

• Gerade die Einbindung von Wirtschaftsunternehmen und Banken in die

neuen Formen regionaler Selbststeuerung ist für den standortpolitischen Er-

folg von zentraler Bedeutung.

• Ziel muss sein, eine Transformation der Wirtschaftsstrukturen weiterzu-

führen, die die Region zum Topstandort in spezifischen innovativen Feldern

macht! Statt Gießkannenpolitik sollen wachstumsstarke Zukunftscluster ge-

fördert werden.

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Profilierungschancen der Region Nordwest durch eine Kompetenzfeldstrategie

Ausgangspunkt jeder Profilierungsstrategie ist die Stärkung der Wettbewerbsfähig-

keit und Standortattraktivität durch eine explizite Regionalorientierung an der

„Nordwest-Region“ und ein regionales Steuerungsmodell jenseits von administra-

tiven Neugliederungen.

Vor dem Hintergrund eines verschärften Standortwettbewerbs und den konkreten

Profilierungsprojekten in Norddeutschland muss es dem Nordwest-Raum um die

Umsetzung folgender regionalpolitischer Ziele gehen:

• Entwicklung einer alle Teilräume umfassenden standortpolitischen Vision

• Schaffung einer regionalen Identität

• Verbesserung des „Außenauftritts“/Regionalmarketing

• Kommunikation muss „zentralisiert“ und durch Führungspersönlichkeiten vertreten werden („Impulsgeber“)

• Aufbau einer Umsetzungsorganisation

• Bündelung der regionalen Ressourcen, ggf. Erstellung eines Masterplans

und Aufstellung konkreter Meilensteine

• Identifizierung von Stärken und Schwächen in der Wirtschaftsstruktur

• Förderung sowohl konventioneller als auch innovativer Kompetenz- und Handlungsfelder

Definition von Kompetenzfeldern

In der schon erwähnten Studie des Bremer Instituts für Wirtschaftsforschung wird

ebenfalls auf die Clusterstrategie und die Profilierung in folgenden drei Kompetenz-

feldern gesetzt:

• Maritime Logistik

Durch die Verabschiedung eines gemeinsamen Hafenkonzepts können die

bestehenden Infrastrukturen gestärkt und die Potenziale noch besser ge-

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nutzt werden. Durch die spezialisierten Gewerbeflächenangebote können

die Logistikangebote noch ausgebaut werden, wobei das Logistikcluster sei-

ne Potenziale nur entfalten kann vor dem Hintergrund einer Verbesserung

der Verkehrsinfrastruktur (vor allem des Fernstraßennetzes).

• Forschung und Entwicklung

Auch hier sollten sich die Schwerpunkte auf maritime Fragen beziehen (u.a.

auch durch Gründung von anwendungsorientierten Forschungsinstituten,

Science Parks, industriell-gewerbliche Transfersysteme etc.).

• Tourismus

Hier zielt man auf ein Cluster, bestehend aus See-, Land- und Städtetouris-

mus. Ziel ist der Aufbau eines gemeinsamen Marketings für den Tourismus-

standort Nordwest!

Komplementär zur maritimen Wirtschaft, die sich immer stärker auch als Logistikc-

luster darstellt, ist insgesamt das Kompetenzfeld Logistik/Mobilität für den

Nordwest-Raum interessant, zumal hier spezifisch profilierte Unternehmen (etwa

Speditionen) als auch branchenqualifizierte Arbeitskräfte vorhanden sind und auch

die Verkehrsinfrastruktur einen guten Rahmen bildet. Die Kontakte zu den Hoch-

schulen und Forschungseinrichtungen müssten erfasst und ein regelmäßiger Austausch zwischen den Akteuren initiiert werden.

Dies gilt auch für andere Kompetenzfelder; ohne eine Verstärkung der wechselsei-

tigen Kontakte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft wird die in Rankings immer

wieder bestätigte gute Position des Nordwestens nicht zu halten sein!

Schaut man noch einmal in die Metropolregion Hamburg mit seinem Umfeld aus

Niedersachsen und Schleswig-Holstein, dann werden dort weitere zukunftsfähige

Cluster (neben der maritimen Wirtschaft und dem Tourismus) gesehen, von denen

zwei auch für den Nordwest-Raum zu überprüfen wären:

• Windenergie, regenerative Energien

• Life Science

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Aufgrund der agrarischen Prägung vieler Landkreise im Nordwesten müsste auch

das Kompetenzfeld „Nachwachsende Rohstoffe“ hinsichtlich der regionalspezifi-

schen Potenziale näher betrachtet werden. Vor dem Hintergrund des agrarstruktu-

rellen Wandels und des Übergangs von Teilen der Landwirte zu Energiewirten (die

bspw. eine Bioenergieanlage betreiben) oder Möglichkeiten im Bereich der Faser-

weiterverarbeitung scheinen hier interessante Anknüpfungspunkte in der Region

für ein solches Cluster zu bestehen. Agrarisch gefärbte Kompetenzprofile treten

auch im Bereich der Ernährungsmittelproduktion auf; hier sind bedeutsame

Unternehmen seit Jahren erfolgreich im Wettbewerb tätig. Gerade aufgrund des

Wandels der Nahrungsmittel zu „Wellness-Produkten“ und dem Trend zu mehr

Lebensqualität und gesünderen Konsumstrukturen könnte dieser Sektor – in Kom-

bination mit der Gesundheitswirtschaft – sich noch weiter profilieren.

Auch in anderen Studien (etwa aus dem Niedersächsischen Institut für Wirtschafts-

forschung) wird das Kompetenzfeld Life Science oder (in einer anderen Definition)

Gesundheitswirtschaft genannt. Gerade in einer über den Kernbereich der Ge-

sundheitsversorgung erweiterten Gesundheitswirtschaft, zu der u.a. auch die

Medizintechnik, Teile der Ernährungswirtschaft sowie große Teile der touristischen

Infrastruktur zu zählen sind, lassen sich noch Potenziale entfalten. Der Gesund-

heitsmarkt spielt eine zentrale Rolle auch bei der wirtschaftlichen Zukunft Deutsch-

lands und deshalb müssen die Wachstumspotenziale in diesem Sektor entfaltet

werden.

Niedersachsen und Bremen sind vom Potenzial her gut in der Gesundheitswirt-

schaft aufgestellt (für den Landkreis Osnabrück wurde vor kurzem eine Studie zur

Gesundheitswirtschaft vorgestellt, die auf die große Bedeutung dieses Clusters für

die Wirtschaftsstruktur mit rund 14 Prozent der Beschäftigten hinweist), allerdings

gibt es noch viele ungenutzte Entwicklungsmöglichkeiten in den an sich dafür

prädestinierten Regionen. Die Notwendigkeit für zügiges, regional koordiniertes

Handeln, um die Potenziale aktiv zu nutzen, muss auch hier betont werden, da

sich dieses Branchencluster im Umbruch befindet und auch die Konkurrenzregio-nen ihre Kräfte bündeln. Gerade Schleswig-Holstein profiliert sich hier. (Es gibt

sogar einen Schwerpunkt in der Landespolitik mit dem Thema „Demographischer

Wandel“.) In Schleswig-Holstein sind rund 16 Prozent aller Erwerbstätigen in der

Gesundheitswirtschaft tätig und auch deshalb hat für die Landesregierung die

Entwicklung der Gesundheitswirtschaft Priorität.

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Auch im Nordwest-Raum gibt es eine hohe Dichte von Krankenhäusern, Ärzten,

therapeutischen und rehabilitativen Einrichtungen und auch einiges im Bereich

Wellness. Hier müssen jedoch innovative und leistungsstarke Geschäftsmodelle im

Wachstumsmarkt Gesundheit oder Life Science weiterentwickelt werden.

Ein weiteres Kompetenzfeld, das schon heute mit dem Norden Deutschlands

verknüpft wird, ist der Energiebereich, vor allem die Energietechnik. Hier gibt es

im Nordwest-Raum verschiedene Unternehmen, Forschungs- und Lehreinrichtun-

gen (vor allem im Bereich der Windenergie). Diese stehen aber auch im Wettbe-

werb mit anderen Regionen; und auch hier gilt deshalb – und dies ist wiederum ein

Zwischenfazit: Um national (in der „Bundesliga“) als auch international (in der

„Champions League“) mitmischen zu können, müssen Forschung, Qualifizierung

und Wirtschaft noch intensiver miteinander in ausgewählten Kompetenzfeldern

kooperieren. Der Ausgangspunkt von regionalen „Leuchtturmprojekten“ bleibt:

Betriebliche und auch wirtschaftspolitische Aktivitäten finden nicht in einem luftlee-

ren Raum statt, sondern sind sozial umrahmt und „eingebettet“. Voraussetzung für

den Erfolg ist aber ein relativ hohes Maß an Selbststeuerungsfähigkeit in der

Region; ohne die Fähigkeit zur „regional governance“ (d.h. auch, sich auf neue

Problemkonstellationen und Aufgaben einzustellen) und ein gewachsenes Ver-

trauen zwischen den Akteuren werden sich „Best-Practice-Beispiele“ kaum entwi-

ckeln. Zudem werden regionale „entrepreneurs“ benötigt, um die Innovationskraft

der Regionen in ausgewählten Kompetenzfeldern zu erschließen.

Der verschärfte Standortwettbewerb ist nur dann erfolgreich zu bewältigen, wenn

die Kompetenzen und Akteure ihre Kräfte bündeln. Vielleicht kann hier auch noch

aus anderen Regionen „gelernt“ werden. Bereits Mitte 2000 ist die „Metropolregion

Hamburg“ beim Bundeswettbewerb „Regionen der Zukunft – regionale Agenden

für eine nachhaltige Raum- und Siedlungsentwicklung“ angetreten; in den letzten

Jahren haben sich – wie bereits betont – weitere gemeinsame Leit- und Modellpro-

jekte herausgebildet und es wurden sogar einzelne Verwaltungseinheiten zusam-

mengelegt.

Das gemeinsame Interesse der beiden Länder verbindet sich darin, diese län-

derübergreifende Wirtschaftsregion noch stärker zu profilieren, um so an der

Entfaltung der Wachstumspotenziale teilzuhaben. Es besteht also ein beiderseiti-

ges Interesse an der Prosperität dieser länderübergreifenden Wirtschaftsregion. Es

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ist den politischen Akteuren klar, dass im zukünftigen Standortwettbewerb die

erfolgreichen Regionen tendenziell größer sein werden und über mehr „kritische

Masse“ an Forschung und Entwicklung, notwendige Qualifikationen sowie leis-

tungsfähigen und vernetzten Unternehmen verfügen müssen. Aber auch vor dem

härter werdenden Standortwettbewerb der Länder ist die intensivere Zusammen-

arbeit in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum von zentralem Interesse.

Vor allem im Bereich der „Life Sciences“ wollen die beiden Länder beschleunigt die

Entwicklung zu einer spezifischen norddeutschen Kompetenzregion in diesem Feld

ausweiten. Konkrete Kooperationsprojekte bewegen sich im Bereich der „Innovati-

ven Medizin“, etwa medizinische Biotechnologie, Medizintechnik etc.; im April 2004

wurde ein Gesellschaftsvertrag für die Norgenta (North-German-Life-Science-

Agency) als länderübergreifende Agentur für die „Life Sciences“ von den Ländern

Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg gegründet. Auch im

Bereich der Luftfahrtindustrie gibt es eine enge Zusammenarbeit, die sich etwa bei

der Ansiedlung der Produktionslinie für den Airbus 380 am Luftfahrtstandort Ham-

burg gezeigt hat.

Da viele Erwerbstätige im Umland von Hamburg (und damit auch in schleswig-

holsteinischen Landkreisen) wohnen, ergeben sich große gemeinsame Schnittflä-chen. In eine ähnliche Richtung gehen die Kooperationsbemühungen im Bereich

der Häfen, die sich auch im Nordwest-Raum in letzter Zeit zu einer intensiveren

Kooperation entschlossen haben (sehr gut am Beispiel Wilhelmshavens zu studie-

ren). Im Juni 2004 haben über Schleswig-Holstein und Hamburg hinaus auch

Niedersachsen und Bremen in einer gemeinsamen Erklärung ihre Absicht bekräf-

tigt, sich für eine gemeinsame norddeutsche Hafen-Infrastrukturpolitik stark zu

machen. Die gemeinsame Vorgehensweise zeigt sich auch bei der Entwicklung

des deutschen Werftenverbundes, der sich im Herbst 2004 gebildet hat.

In dem Themenbereich Wissenschaft und Forschung gibt es bereits vielfältige

Formen der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtun-

gen aus Niedersachsen und Bremen (etwa die Universitäten Oldenburg und Bre-

men), die in den nächsten Jahren weiter vertieft und ausgeweitet werden sollen.

Anzustreben ist eine engere Kooperation mit Wirtschaftsunternehmen. Dies gilt

auch in der Verkehrspolitik, die aufgrund der hohen Pendlerströme aus den Bre-

mer Umlandkreisen von großer Bedeutung gerade für die Bevölkerung ist. Die

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Umlandkreise aus Niedersachsen können noch besser in den Verkehrsverbund

einbezogen werden; beim weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur (bspw. der

geplanten Küstenautobahn) funktioniert die regionale Kooperation recht gut.

Auch im Bereich der Wirtschaftsförderung (etwa hinsichtlich des Aufbaus eines

Gewerbeflächeninformationssystems) oder im Bereich des Tourismus gibt es in

den Teilregionen verschiedene gemeinsame Projektvorhaben, diese müssen aber

ausgebaut werden. Dies gilt auch für die Präsentation eines gemeinsamen Logos

als ersten Teilschritt einer geplanten gemeinsamen Regionalmarketingkampagne.

In der Region Hamburg steht für die Jahre 2004/2005 die „Neuaufstellung der

Metropolregion Hamburg“ im Mittelpunkt der Arbeit der beiden Landesregierungen,

wobei ein gemeinsamer Lenkungsausschuss eingerichtet wurde, der sich an

folgenden Zielen orientieren soll:

• Aufbau einer Internationalisierungsstrategie

• Aufbau eines wirkungsvollen Regionalmarketings, das die Aktivitäten der

regionalen Wirtschaftsförderung bündelt

• Koordination der Vorhaben im Hinblick auf die EU-Politik und EU-Projekte

• Stärkung der Kooperation über Verwaltungsgrenzen hinweg (dazu gehört

auch die Fusion etwa der Statistischen Landesämter etc.)

• Zusammenführung der Förderfonds und des Flächenmanagements

Um diese Aufgaben zu bewältigen, ist der schrittweise Aufbau einer gemeinsamen

Geschäftsstelle vorgesehen, hinzu kommt der Aufbau eines effizienten Controlling

bei der Umsetzung.

Konkrete Aufgaben des Standortmanagements und „Meilensteine“

Das Oberziel einer regionalen Standortpolitik ist die langfristige Stärkung der

wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Qualität des regionalen Umfelds war schon

immer ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen, bekommt aber durch die ver-

änderten Wettbewerbsbedingungen eine erhöhte Bedeutung. International anset-

zende Strategien zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität

setzen deshalb auf das Unternehmens- und Wirtschaftsumfeld und die Integration

in Cluster bzw. Kompetenzfelder. Bezogen auf die Nordwest-Region bedeutet dies

ganz konkret neue Aufgaben im regionalen Standortmanagement. Dafür wird die

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Gründung einer Startorganisation notwendig sein, die eine regionale Gesellschaft

aufbaut (wobei die Rechtsform und die Finanzierung im „ersten Meilenstein“ zu

klären sind sowie auch die weitere Rolle bspw. der RAG). Die beteiligten Partner

sollten Gebietskörperschaften sowie Akteure aus der Wirtschaft sein, die sich auch

um Sponsoren und andere Ressourcen kümmern müssen. Wichtig ist die aktivie-

rende Rolle der regionalen Führungspersönlichkeiten. Es wird – so zeigen auch

die Erfahrungen in anderen erfolgreichen Regionen – ein hochrangiges Team

gebraucht, das die Standort- und Wettbewerbsvorteile erkennt, gezielt Netzwerke

aufbaut (also optimiert) und diese Aktivitäten insgesamt in Wachstum ummünzt.

Für den Nordwesten heißt dies, die skizzierten wettbewerbsfähigen Kompetenzfel-

der auszubauen, wobei die verschiedenen Städte und ländlichen Teilräume inner-

halb der regionalen Netzwerke durchaus weiterhin verschiedene Rollen spielen

werden. Zentral ist jedoch die verstärkte Interaktion, allerdings dürfen die Koopera-

tionsstrukturen nicht zum Selbstzweck werden.

In der Startphase ist vor allem der gemeinsame Wille zum Regionalprojekt zu

stärken (Mobilisierungsphase), um dann die Umsetzungsorganisation aufzubau-

en. Als nächstes steht eine neu organisierte Regionalkooperation in Feldern wie

der Wirtschaftsförderung, Abfallentsorgung, dem Gesundheitswesen und öffentli-

chen Personennahverkehr an sowie die Erarbeitung von kompetenzfeldorientierten

Wachstumskonzepten (auch in konkreten „Businessplänen“). Als erster Meilenstein

steht aber die Entwicklung und Realisierung einer Vision für alle Teilräume der

Region Nordwest an. Hierauf kann dann auch ein zielgenaues Marketing zur

besseren Positionierung der Region durch Messeauftritte, eine zu intensivierende

Kommunikationsstrategie, der Aufbau eines Datenbank-Service (einer Business-

Plattform), ein Forschungs- und Wissensmanagement etc. aufsetzen.

Eine solche Zukunftsvision sollte ein Alleinstellungsmerkmal enthalten und eine

„Dachmarke“ für die Region kreieren, die kurz und einprägsam und möglichst offen

für alle Zielgruppen ist. Zudem gilt es, Bodenhaftung zu haben und „Heimat“ und

globale Ausrichtung miteinander zu verbinden. Lassen Sie mich zum Abschluss

eine Idee präsentieren, die aus einer Diskussion in der Bremer Landesbank her-

vorgegangen ist:

ZUKUNFTSREGION NORDWEST: WACHSTUM DURCH WEITSICHT

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