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Der Planet Mechanica

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Nr. 120Der Planet MechanicaMaschinen kämpfen gegen Maschinen - die Erbauer sind längst tot ...von K. H. Scheer

Auf dem Planeten Snarfot, über 33000 Lichtjahre von der Erde entfernt, konnten von den Terranern zweifremde Raumschiffe gestellt und aktionsunfähig gemacht werden: der Raumscout, der bisher geeigneteSauerstoffwelten für die Aussaat des sogenannten »Speckmooses« ausfindig gemacht hatte, und das riesigeSaatschiff, dessen zigtausend Flugroboter die »Saat des Verderbens« abzusprühen pflegten.Die Terraner unter der Führung von Perry Rhodan entdeckten zu ihrer Überraschung, daß die beiden Gegnerrobotischer Natur sind und sich strikt nach den Befehlen der »Erbauer« richten, die sich von den Spuren des»Speckmooses« ernähren - oder ernährt hatten, denn, daß die mysteriösen »Erbauer« noch existieren,erscheint nach den angestellten Ermittlungen äußerst zweifelhaft ...Die Welt der Erbauer - das ist DER PLANET MECHANICA!Doch um diesen Planeten zu finden, bedarf es kompliziertester Funkpeilungen und des vollen Einsatzes desarkonidischen Robotregenten ...Reginald Bull -- Er glaubt, eine einzigartige Idee zu haben.Professor Arno Kalup - Offiziell Hyperphysiker - inoffiziell Choleriker.Oberst Jefe Claudrin - Kommandant der IRONDUKE.Leutnant Brazo Alkher - Leiter eines Einsatzkommandos.

Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Ein Reparaturroboter möchte den Imperator auseinandernehmen.Perry Rhodan - Administrator des Solaren Imperiums.Gucky - Rückhaltlose Offenheit und Ehrlichkeit ist des Mausbibers Stärke.

1.

Es war still in der Zentrale des Raumschiffes,dessen Einrichtungen wir nicht verstanden.

Professor Kalup, der zur Zeit bedeutendsteHyperphysiker des Planeten Erde, lehnte mitverschränkten Armen an der Wand. SeineWangenmuskeln waren gestrafft. Ich stellte fest, daßseine Wangen ausnahmsweise nicht Hamsterbackenglichen.

Die Männer des Technikerteams verhielten sichschweigsam; jeder blickte jedoch zu der Stahlkuppelhinüber, die Perry Rhodan die »koordinierendeSchaltstation« genannt hatte.

Vom Ersten Administrator des Solaren Imperiumswaren augenblicklich nur die Waden und die Füße zusehen. Die anderen Teile seines Körpers steckten inden mechanischen Eingeweiden eines Roboters, vondem wir nur wußten, daß er stationär und daherunbeweglich war. Außerdem hatten wir nocherfahren, wie folgerichtig der Automat vor seinerStillegung gehandelt hatte.

»Nun ...?«Ich schrak zusammen. Kalups Stimme hatte noch

nie einschmeichelnd geklungen. Das Wörtchen»Nun« hatte dem Knurren eines gereizten Hundesgeglichen.

Der Mathematiker Riebsam stand neben mir. Von

Natur aus zurückhaltend, warf er seinem berühmtenKollegen nur einen forschen Blick zu.

Kalup stieß sich mit den Schultern von der Wandab. Schwerfällig ging er um einen Schaltblock herumund blieb vor den erkennbaren Waden stehen.

Kalup schnaufte, als er seinen fettleibigen Körpernach vorn beugte. Riebsams Stirn runzelte sich. Ichfragte mich, ob das ein Zeichen von Heiterkeit odervon innerer Sammlung war.

Kalup krümmte seine Knie. So gelang es ihm, mitdem ausgestreckten Zeigefinger Rhodans Beine zuberühren.

»Haben Sie den Stein der Weisen entdeckt?«fragte er in seiner lauten Art. »Oder bilden Sie sichwirklich ein mit Ihrem Kosmonautenverstand Dingeenträtseln zu können, vor denen Fachleute kapitulierthaben?«

Ich fand es erheiternd, in Riebsams Gesicht zulesen. Der Ausdruck seiner Augen veränderte sichnie, da er unter den Folgeerscheinungen einerNetzhautkorrektur litt. Dafür aber gelang ihm dasKunststück, mit der Oberlippe zu lächeln, ohne dabeidie Unterlippe zu bewegen.

Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter undVertrauter, lachte mich an. Das Verhältnis zwischenKalup und Rhodan wirkte auf Außenstehendegespannt. Tatsächlich aber wußten beide Männer,was sie voneinander zu halten hatten.

»Ob Sie den Stein der Weisen entdeckt haben?«

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erkundigte sich Kalup noch lauter.Rhodans Beine bewegten sich, und der

Hyperphysiker wich vor den umherschlagendenFüßen zurück.

Ich bückte mich, umfaßte die Fußgelenke undzerrte den höchsten Staatsmann des Solaren Reichesaus dem Behälter.

Rhodan war verschwitzt. Die Haare hingen inseine Stirn. Er blieb auf dem Stahlboden sitzen,schaute sich gelassen um und meinte:

»Ich bin sicher, daß es sich bei dieser Öffnung umein Reparaturschott handelt.« Kalup lief rot an.

»Und um das festzustellen, fuhrwerken Siefünfundvierzig Minuten lang in einer Konstruktion,die für die Wissenschaft unersetzlich ist? Herr -meine Zeit ist kostbar. Was haben Sie da drinnenangestellt?«

»Kleine Kalups gefangen«, warf Bully ein. »Wassonst?«

Rhodan sah mich starr an. Dann brachen wirgleichzeitig in ein entspannendes Gelächter aus.Kalup war sprachlos; aber ich erkannte, daß sich indem Moment die seit Tagen auf uns lastendeNervosität gelegt hatte.

Der Wissenschaftler ging. Ich wußte, daß erinnerlich mitlachte. Niemals jedoch hätte er sich dazubereitgefunden, durch eine offeneHeiterkeitsbezeugung seinen Ruf als Choleriker zuuntergraben.

Ich reichte Rhodan die Hand, und er richtete sichauf. Sinnend klopfte er seine verschmutzte Uniformab.

Ich wirkte äußerlich nicht viel besser, da auch ichden Versuch unternommen hatte, die Geheimnissedes sogenannten »Saatschiffes« zu enträtseln.

Die Würdenträger des arkonidischen Hofes hatteich nach meiner Ankunft entlassen. Nach ihrenAuffassungen über die Rechte und Pflichten einesregierenden Herrschers wäre es für mich unmöglichgewesen, die maschinelle Anlage selbst zuuntersuchen.

»Gehen wir«, entschied Rhodan nach einemRundblick. Er zuckte mit den Schultern. »Du gibstauf?«

»Es bleibt mir keine andere Wahl. Du bist mitdeinem arkonidischen Wissen wohl auch am Ende,oder?«

Ich musterte ihn argwöhnisch. Der kleine Barbarhatte das Wörtchen »arkonidisch« etwas seltsamausgesprochen. Gewohnheitsmäßig machte ich ihndarauf aufmerksam, daß meine Vorfahren bereits denüberlichtschnellen Raumflug beherrschten, als dieseinen noch in Höhlen hausten.

»Stimmt«, nickte er. In seinen grauen Augenfunkelte es humorvoll. »Außerdem haben wir voneuch Arkoniden alles gelernt, was wir heute wissen,

nicht wahr?«Ich verzichtete auf eine Entgegnung. Diese

Probleme waren schon zu oft erörtert worden.»Euer Helm, Euer Erhabenheit«, sagte Rhodan

ironisch.Ich nahm die prunkvolle Kopfbedeckung entgegen

und klemmte sie unter den Arm.Anschließend gingen wir. Die Schleusen waren

geöffnet. In diesem Schiffskörper hatte es noch nieechtes Leben gegeben. Hier und da begegneten wireinem Forschungskommando. Rhodans Spezialistenwaren bemüht, wenigstens die Art des Antriebs zuklären.

Wohin wir auch schauten: Wir erblickten eineRobottechnik, wie sie in dieser Vollendung weder aufder Erde noch im arkonidischen Imperium bekanntwar.

Gedankenverloren durchschritten wir die langenGänge, rutschten in stillgelegten Antigravschächtennach unten, um schließlich in einer Materialschleuseanzukommen.

Hier hatten die terranischen Kybernetiker ihrHauptquartier aufgeschlagen. Rhodan stellte einigeFragen, die jedoch nicht beantwortet werden konnten.Vor den offenstehenden Außentoren war dieurweltliche Vegetation des Planeten Snarfot zusehen. Wir wußten, daß sich in dieser feuchtheißenAtmosphäre in Kürze etwas entwickeln würde, wasvon den Terranern treffend »Speckmoos« genanntwurde.

Ich hatte von den Vorgängen auf Azgola ersterfahren, als die dort lebenden Intelligenzenevakuiert werden mußten.

Die von der natürlichen Veranlagung herspindeldürren Eingeborenen hatten sich in kurzer Zeitin fettleibige Wesen verwandelt.

Fast zu spät war ich darüber informiert worden,daß man in der Lufthülle dieser Welt kalorienreicheSporen entdeckt hatte, die über die Luftwege in dieKörper gelangten, wo sie ihren unglaublichenFettgehalt ablagerten.

Experimente hatten ergeben, daß ein normalerMensch im Zeitraum von knapp vier Wochen zueinem Koloß wurde, falls er ununterbrochen auf einervon Speckmoossporen verseuchten Welt lebenmußte. Jeder Atemzug glich einer Mahlzeit, derenNährwert je nach der Dichte des Sporenflugeszwischen zwanzig und elfhundertzehn Kalorienschwankte.

Besorgniserregend war dabei die Tatsache, daß dienahrhaften Mikrosporen zu achtzig Prozent aushochaktiven Fetten und nur zu zwanzig Prozent ausKohlenhydraten und Eiweiß bestanden.Spurenelemente und Vitamine waren nicht entdecktworden.

Ich hatte Rhodans Angaben nicht eher geglaubt,

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bis ich persönlich einen Eingeborenen von Azgolagesehen hatte. Der Azgone hatte fast hundertfünfzigKilogramm gewogen. Seine Verdauungsorganehatten stillgelegen, da die Speckmoossporenausschließlich über die Atmungswege in den Körpergelangt waren.

Rhodan und mir war keine andere Wahl geblieben,als die gefährdeten Eingeborenen in Sicherheit zubringen. Die Evakuierung war erst vor wenigenTagen abgeschlossen worden.

Der Planet Azgola hatte sich unterdessenverändert. Von oben betrachtet, glich er einenblühenden Welt, deren Oberfläche von einemfugenlosen Teppich überzogen wurde. DasSpeckmoos hatte vor keinem Bodenriß haltgemacht.Die Fortpflanzungsfähigkeit war erstaunlich, und derSporenflug nicht kontrollierbar.

Wir glaubte jedoch, die Existenz dieser Pflanzekönne weder für die Terraner noch für die Arkonidengefahrbringend sein, da wir den Urheber desWachstums bald gefunden hatten.

Kurz nach den Geschehnissen auf Azgola hatte dieFunküberwachungsschaltung des Robotregentenseltsame Impulse aufgefangen. Wir hatten denSender angepeilt und ein Raumschiff entdeckt, dasein größeres Fahrzeug herbeigerufen hatte.

Rhodan hatte abgewartet, bis dieser Raumer ausdem Hyperraum gekommen war. Danach stand esfest, daß das kleine Fahrzeug ein Scout war, diegroße Einheit jedoch ein Einsatzschiff mitverblüffenden Funktionen.

Viele tausend Spezialroboter hatten die Lukenverlassen. Sie hatten die Oberfläche des PlanetenSnarfot überflogen und dabei in regelmäßiger Folgedie Speckmoos-Sporen ausgestreut.

Nach einem harten Gefecht war es gelungen, beideFremdraumschiffe lahmzulegen.

Für uns warf sich jetzt die Frage auf, wer diebeiden vollrobotisierten Schiffe ausgeschickt hatteund wer Wert darauf legte, mit Hilfe dieserFahrzeuge die warmen Sauerstoffatmosphären vongalaktischen Himmelskörpern zu verseuchen.

Terranische und arkonidische Forschungsteamsarbeiteten ununterbrochen an der Klärung diesesRätsels. Feststand bisher nur, daß die Sporen relativharmlos waren. Nahrungsmittelchemiker behauptetensogar, mit Hilfe des Mooses sämtlicheErnährungsprobleme überwinden zu können.Voraussetzung dazu sei allerdings die technischeBeherrschung des Wachstums und die Aberntung.

Es lag in der Eigenart des Speckmooses, seinekalorienreichen Bestandteile in der Form vonwinzigen Sporen abzublasen. Ein Teil davon rieselteauf die Oberfläche der betroffenen Welten zurück,wo ein neuer Moosteppich entstand.

Dennoch war auf Azgola die Lufthülle so gesättigt

worden, daß man auf dieser Welt nicht existierenkonnte, ohne Gefahr zu laufen, pro Atemzug einigehundert Kalorien aufzunehmen.

Die Sporen selbst konnten nicht vernichtet werden.Sie trieben in freier Form in den warmenLuftströmungen umher, rieselten ab oder stiegen auf,so wie es die Witterungsverhältnisse bedingten.

Also hatten wir versucht, das Speckmoos alsQuelle des Sporenfluges abzutöten. Wenn wir einenKontinent gesäubert hatten, war auf einem vorherbestrahlten Streifen schon wieder das Blaugrün derPflanze zu sehen. Azgola war zu einer Weltgeworden, die ein unbekanntes Gewächs in einefetttriefende Kugel verwandelt hatte. Die dortheimische Tierwelt war an Überernährungeingegangen.

Insofern barg das Moos erhebliche Gefahren insich, vorausgesetztes wurde auf einem bewohntenPlaneten ausgesät. Um diesen Vorgang verhindern zukönnen, hatten wir das Saatschiff unschädlichgemacht. Es lag seit wenigen Tagen auf dem zweitenPlaneten der Sonne Snarf, aber das Wachstumbegann bereits. Die Saatroboter hatten vor ihrerZerstörung noch lange genug arbeiten können, wasuns nach drei Wochen klargeworden war.

Rhodan sah sich um. Mißtrauisch schnüffelndlegte er den Kopf in den Nacken.

»Die Sporen sind schon in der Luft«, behaupteteer. »Es wird Zeit, Snarfot zu verlassen. Dieses Schiffwird nicht mehr aufsteigen, um nach denPositionsangaben des Späher-Raumers auf einemSauerstoffplaneten die Aussaat vorzunehmen. DieLogikauswertung besagt, daß es noch ein drittes,ebenfalls sehr großes Fahrzeug geben muß, das dieAufgabe hat, die Planetenwelten abzuernten. Wo istes?«

Er sah mich an. Sein Gesicht wirkte entspannt, unddoch fühlte ich die in ihm herrschende Unruhe.Rhodan gehörte zu jenen Terranern, denen einungelöstes Rätsel innere Qualen bereitete.

Ich ging einige Schritte weiter, drehte mich umund blickte zu dem Saatschiff zurück.

Es war eine Walze von etwa achtzehnhundert malfünfhundert Metern. Ich konnte mir vorstellen,wieviel Tonnen Saatgut in den riesigen Laderäumenuntergebracht waren. Ich machte einedementsprechende Bemerkung.

Rhodan wiegte den Kopf. Einige Offiziere desgelandeten Linearschlachtschiffes IRONDUKE eiltenvorbei. Sie grüßten flüchtig, aber respektvoll.

»Du wirst überrascht sein, Imperator! MeineExperten schätzen den Vorrat auf höchstensfünfzigtausend Tonnen. Gemessen an derLadekapazität dieses Giganten ist das wenig.«

Ich war verblüfft. Zugleich stieg in mir wieder jeneUnruhe auf, die mich wochenlang beherrscht hatte.

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»Fünfzigtausend Tonnen?«»Eher noch weniger. Hast du die

Tonaufzeichnungen über die Befragung desRobotschiffes studiert?«

»Genau.«»Wir haben daraus Schlüsse gezogen. Der Robot,

identisch mit der Masse des Schiffes, behauptet,seine Erbauer hätten ihn zum Zwecke der Aussaatkonstruiert und in den Raum starten lassen. Daswesentlich kleinere Scoutschiff sucht Welten mitwarmen Sauerstoffatmosphären aus, ruft dasirgendwo wartende. Saatschiff an, das ohne zuzögern mit seiner Tätigkeit beginnt. Auf diese Artsind wahrscheinlich schon viele tausend Planetenverseucht worden, ohne, daß wir davon erfuhren.«

»Die Galaxis ist noch lange nicht erforscht,Freund.«

»Stimmt, aber wir schauen trotzdem schon überdie Grenzen unserer Milchstraße hinaus. Das aber nurnebenbei.«

Ich lachte still in mich hinein. So waren sie nuneinmal, diese tollkühnen Terraner! Sie hatten in denSechzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts nachden Sternen gegriffen, obwohl Millionen MenschenHunger litten, die Abgründe der Weltmeere nochnicht erforscht waren und riesige Urwälder Dingebargen, die eines Menschen Augen noch nie gesehenhatten.

Sie hatten weder die Geheimnisse des Lebens nochdie ihrer Umwelt lösen können, und doch hatten siesich in zerbrechliche Raketen gesetzt, mit denen siezum irdischen Mond geflogen waren. Nun schautensie schon über die Grenzen der Galaxis hinweg; einergigantischen Sterneninsel, die kein raumfahrendesVolk annähernd genau kannte.

Rhodan schmunzelte. Er schien meine Gedankenzu ahnen.

»Vergiß es«, bat er, »es war nur eine Bemerkung.Viel wichtiger ist es festzustellen, wer die Erbauerder drei Robotschiffe sind. Die Auskünfte warenungenügend. Auf meine Frage, wie dieseIntelligenzen aussehen, wurde geantwortet, sie sähennicht aus, sondern sie wären.«

»Eine bemerkenswerte Formulierung«, gab ich zu.»Eben! Angeblich ist das befragte Saatschiff

gestern gebaut worden. Was eine mechanischeEinheit unter gestern verstehen kann, wissen wir.«

»Vielleicht hunderttausend Jahre.«»Der Auffassung sind wir auch. Auf keinen Fall ist

der Begriff gestern in unserem Sinne zu bewerten.Klar wurde uns nur, daß die geheimnisvollen Erbaueranscheinend in Not gerieten. Sie schicktenSpezialschiffe aus. Die dritte Einheit, nämlich dasErnteschiff, soll verschollen sein. Meiner Meinungnach ist es das wichtigste Glied in dieser Dreierkette.Die Erbauer des Robots besaßen einen

eigentümlichen Stoffwechsel. EinenVerdauungsapparat in unserem Sinne scheinen sienicht gekannt zu haben. Auf ihrer Heimatwelt wuchsdas Speckmoos so lange, bis der Planet erkaltete unddie empfindliche Pflanze nicht mehr gedeihenkonnte. Man ernährte sich nur durch die Atmung.Eine bequeme Art zu leben.«

Ich nickte sinnend. Mit diesen Erkenntnissenwaren die Probleme noch nicht gelöst. Ich fragtemich, weshalb es die Unbekannten nicht vorgezogenhatten, mit Hilfe ihrer vorzüglichen Raumflugtechnikeine andere Welt aufzusuchen, um dort in gewohnterWeise zu leben. Warum hatten sie drei Spezialschiffekonstruiert und ihnen die Aufgabe erteilt, allemöglichen Welten anzufliegen, zu säen und zu erntenund den Extrakt nach Hause zu bringen? DieseMaßnahme war verblüffend unlogisch. Keine mirbekannte Intelligenz wäre auf einen solchenGedanken gekommen. Bei den Erbauern mußte essich um eine Rasse mit unbegreiflich fremdartigerMentalität handeln. Sie hatten versucht, ihreHeimatwelt und die Nährstoffe zu importieren. Aufdie Frage, in welcher Form sie den abgeerntetenExtrakt zu sich genommen hatten, fand niemand eineAntwort. Wenn die Rätselhaften keinenVerdauungsapparat besaßen, mußten sie einen Weggefunden haben, die Früchte einer technischaufwendigen Tätigkeit einzuatmen. Wie war dasgeschehen?

Prinzipiell war das Auftauchen des Scouts und desSaatschiffes interessant, politisch und militärischgesehen gegenstandslos. Mit der teilweisenZerstörung beider Einheiten war die Gefahr gebannt.Ich überlegte, warum wir uns mit diesen Dingenbeschäftigten. Im Raum der Galaxis gab es genug zutun.

»Neugierde!« teilte mir mein Extrahirn mit.Ich lachte unwillkürlich. Rhodan sah mich

forschend an, dann hatte er verstanden.»Was sagt der Logiksektor?« erkundigte er sich.»Nur einen Begriff, und der heißt Neugierde.«Seine Stirn runzelte sich. Wieder legte er den Kopf

in den Nacken und sog die schwüle Luft des Planetenein.

»Die Tiere werden auch hier nicht zu retten sein,es sei denn, es gelänge uns, das Ernteschiffherbeizulocken. Wie werden die Sporeneingesammelt? Das Speckmoos an sich ist vielweniger ertragreich, als man annehmen könnte. DieVersuche zeigten erstaunliche Ergebnisse. DiePflanze ist kalorienreich, aber wenn man sie aus demBoden entfernt, strahlt sie keine Sporen mehr ab.Man gewinnt nur das, was sie selbst enthält, und dasist nicht viel. Demnach muß sich der Erntevorgangauf das Einsammeln der Sporen spezialisieren. Wennman einen Quadratmeter Moos weiterleben läßt, bläst

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es in nur vierundzwanzig Stunden mehr Nährstoffeab, als man aus hundert QuadratmeternPflanzenwuchs bei einer einmaligen Extrahierunggewinnen kann. Mit dieser Erklärung bin ich amEnde meines Wissens angelangt.«

Wir schritten über den von zahlreichen Stiefelnausgetretenen Pfad zur IRONDUKE hinüber. DasSchlachtschiff hatte bei dem Landemanöver einenTeil des tropischen Urwaldes zerstört. Selbst diehöchsten Bäume wirkten neben ihm wie Grashalme.

Ich war mit einem Leichten Kreuzer derRobotflotte eingetroffen, obwohl dieZeremonienmeister des Hofes der Meinung gewesenwaren, dies wäre für den Imperator des GroßenImperiums nicht würdevoll genug. Ich sah aber nichtein, warum ich ständig mit einem Superschlachtschiffden Raum durchkreuzen sollte.

Vor einem im Schlammboden versunkenenLandebein der IRONDUKE blieb Rhodan stehen. Ichsah auf das Brustteil seiner Uniform, unter der seitwenigen Monaten ein lebenserhaltender Zellaktivatorhing. Er und ich - wir waren zu relativ Unsterblichengeworden. Seitdem sein Sohn auf tragische Weiseums Leben gekommen war, hatten wir uns nichtmehr darüber unterhalten. Als er mich am Armfesthielt, glaubte ich, er würde nun auf die letztenGeschehnisse zu sprechen kommen. Ich hatte michaber geirrt! Perry Rhodan gehörte zu jenenMenschen, die grundsätzlich nach vorn blickten.

»Die Auskunft deines Logiksektors über den Sinnunserer Forschungen war falsch«, erklärte er. »DasSaatschiff sendete bei unserem Angriff Notrufe aus,die von einer Station empfangen und durchKurzimpulse bestätigt wurden.«

Damit hatte er den schwachen Punkt in meinerRechnung berührt. Ich betrachtete meinen Funkhelmso interessiert, als hätte ich ihn noch nie gesehen. »Ja- und?«

»Woher kam die Antwort? Worauf haben wir unsvorzubereiten? Bist du dir darüber klar, daß dieExistenz des Speckmooses völlig nebensächlich istim Verhältnis zu der Gefahr, die plötzlich aus einemunbekannten Raumsektor auftauchen kann? DasArkonidenimperium ist nur äußerlich stark. ImInnern verrottet es täglich mehr. Der Regent begehtschwere psychologische Fehler, und du bist nicht inder Lage, aus eigener Kraft das Reich zu lenken.Deine ohnehin schwankende Position als Imperatorläßt es nicht zu, mehrere Millionen Terraner in dieÄmter und Ministerien des Reiches zu setzen. EineRevolte wäre die Folge. Selbst Schlafmützen werdenmunter, wenn man es wagt, ihre überliefertenPrivilegien zu beschneiden.«

Er brauchte mir nicht zu sagen, wie schlecht es umdas Imperium stand. Die Degeneration schritt fort.Der geistige Zerfall unter den Arkoniden war nicht

mehr aufzuhalten. Ich regierte ein Sternenreich, dassich bei näherem Hinsehen als Schrotthaufenentpuppte.

Rhodan wischte sich mit dem Handrücken über dieLippen. Weiter nördlich donnerten dieWaffenstrahler der Vernichtungskommandos. Dieabgeschossenen Saatroboter wurden aufgelöst.

»Wir sollten herausfinden, von wem und wo dieRobotschiffe gebaut wurden.

Intelligenzen, die solche Meisterwerke erzeugenkönnen, dürften auch fähig sein, eine schlagkräftigeFlotte auf den Weg zu bringen. Wie lauten dieErgebnisse des Regenten?«

»Ergebnisse?« staunte ich. »Freund, das Gehirn istdabei, unter zirka zwanzig Milliarden Möglichkeitendie richtigen Werte zu finden. Mehr alsvierzigtausend Spezialschiffe meiner Flotte stehen imRaum, aber bisher ist kein unerklärlicher Funkimpulsaufgefangen worden.«

»Kann der Regent feststellen, woher die Signalekamen?«

»Wahrscheinlich. Ich erwarte annähernde Daten.Du siehst zu schwarz, Barbar.«

Er zuckte mit den Schultern und erklärte mirnochmals, das Speckmoos sei harmlos. Er behauptetees so lange, bis der Mausbiber Gucky vor unsrematerialisierte.

Das körperliche Entstehen aus dem Nichts; dasÜberspringen einer Distanz allein mit Hilfeparamechanischer und auch parapsychischer Kräftefaszinierte mich immer wieder.

Ich griff unwillkürlich zur Waffe. Ein Mann inmeiner Stellung tat gut daran, kein Ereignis fürzufällig und kein anderes Wesen für friedfertig zuhalten. Erst wenige Tage vor meinem Abflug zumPlaneten Snarfot hatte man auf dem Kristallplanetenwieder einmal versucht, mir auf raffinierte Art dasLebenslicht auszublasen.

Als ich Gucky erkannte, zwang ich mir einLächeln ab. Er winkte mit seiner Greifhand undwatschelte auf seinen kurzen Beinen auf uns zu.

»Ihr habt eure Gedankenausstrahlungen blockiert«,sagte er mit seiner schrillen Stimme. »Warum? Wiesoll man euch finden, wenn kein Hirnimpulsdurchkommt? Außerdem - wofür gibt esMikrofunkgeräte? Wir rufen seit fünfzehn Minuten.«

»Wer ist wir, Leutnant Guck?« Der Mausbiberöffnete den Mund und entblößte seinen Nagezahn. Inden großen Augen funkelte es angriffslustig.

»Ja, Leutnant Guck! Leutnant, aber nicht mehr!Jeder ist schon befördert worden, nur ich nicht.Warum?«

Er stemmte die Arme in die Seite, stützte sich aufseinen aus der Uniform herausragenden Biberschweifund sah uns von unten her an. Ich hüstelte dezent.Rhodan schmunzelte.

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»Das war eine klare Frage, Kleiner. Wir redenspäter darüber. Was willst du?«

Guckys Haltung änderte sich. Ich wurdeaufmerksam. Ich kannte den Kleinen gut genug, umeinigermaßen in seiner Mimik lesen zu können.Obwohl nicht menschlich, besaß sein Gesicht eineüberraschende Ausdruckskraft.

»Nicht viel. Nur eine Mitteilung.Forschungsschiffe der Aras und Springer haben zweiverseuchte Planeten gefunden. Der Regent hat sichauch gemeldet. Ein Robotschiff entdeckte eine dritte,diesmal aber besiedelte Welt, auf der die Bewohnerschon im eigenen Fett schmoren. Sporenflug! Dervierte, ebenfalls eingesäte Planet wurde von MajorSchopendust bei einem Patrouillenflug ausgemacht.Auch bewohnt. Was nun?«

Rhodan stand wie erstarrt. Es dauerte eine Weile,bis er sich nach mir umdrehte.

Ich konnte mir nicht verkneifen, ironisch zu sagen:»So, so! Vier Planeten auf einmal. Ich dachte, das

Speckmoos wäre so harmlos?«Er ballte die Fäuste und schritt davon. Gucky und

ich sahen ihm nach. Ich fühlte seine kleine Hand inder meinen. Da nahm ich ihn auf die Arme, fuhr ihmmit den Fingern durch das Nackenfell und stupstemeine Nase gegen die seine.

Sofort brach sein Naturell durch. Er lachte hell undbegann von allerlei Streichen zu berichten, wozu er»spielen« sagte. Jetzt war er wieder der liebenswerteNichtirdische, dem man kaum einen so scharfenVerstand zutraute. Guckys größte Gabe lag aber -abgesehen von seinen paraphysischen Fähigkeiten -in seiner herben Kritik. Er sah die Dinge mit anderenMaßstäben an. »Was hältst du davon, Kleiner?«

»Wovon?«»Von den vier Planeten.«»Hm, zwei davon sind unwichtig. Die anderen

beiden sind aber bewohnt. Willst du etwas für dieEingeborenen tun?«

»Es wird mir keine andere Wahl bleiben. Dieentsprechenden Befehle gehen sofort an denRegenten ab.«

»Evakuiere die Leute in die kalten Gegenden.Beide Planeten sollen eisbedeckte Pole haben. Dasterben die Sporen ab, ehe sie eingeatmet werdenkönnen. Ist das ein Vorschlag?«

Ich kraulte ihm wieder das Fell und nickte.»Du bist ein kluger Bursche, Imperator«, sagte der

Kleine gnädig. »Wenn du nur ein bißchen mehrMacht hättest. Die bildschirmsüchtigenNachtwandler - auf Arkon nehmen dich doch nichternst. Was nützen die schönsten Befehle undAnweisungen, wenn sie nicht ausgeführt werden?Außerdem will man dich umbringen. Ich an deinerStelle hätte den ganzen Kram hingeworfen! Richtigvor die Füße, verstehst du?«

Das war eine typische Gucky-Kritik an Zuständen,die von anderen Leuten mit schönen Wortenumschrieben wurden. Er nannte die Dinge beimNamen, verzichtete auf jedes Pathos und war ingewissem Sinne unersetzbar.

Er fühlte sogar die in mir herrschende Trauer. Erschwieg minutenlang, bis er leise hinzufügte:

»Ich war grob, nicht wahr? Perry sagt immer, ichsollte nicht so spitzfindig sein. Vergiß es, willst du?«

»In Ordnung, Kleiner, es ist vergessen. Außerdembin ich der Meinung, daß du gar nicht spitzfindigbist. Du bist nur auf besondere Art ehrlich, was beivielen Menschen und bei allen Arkoniden nicht gernegesehen wird. Gehen wir. Bleibst du heute bei mir?«

»Du bist allein, oder?«Ich nickte. Ja, ich war allein. »Das ist ein

Herrscher sehr oft, Gucky.«»Quatsch! Auch ein Standpunkt, den ich nie

verstehen werde. Warum machst du nicht, was duwillst? Nun gut, ich rede schon wieder zuviel. Ichbleibe bei dir, bis du deine Befehle gegeben hast.Dann bringe ich dich zur IRONDUKE hinüber. Duspringst doch mit mir?«

Ich rief einen Robotbegleiter meines Kreuzers an.Weit entfernt dröhnte ein terranisches Raumschiff inden hitzeflimmernden Himmel. Dort waren Männerund Freunde an Bord, auf die man sich verlassenkonnte.

Der Plan, das Arkonidenreich eines Tages denMenschen zu überlassen, nahm in mir immer festereFormen an. Es kam nur noch auf das Wie an. Rhodanwartete darauf; ich wußte es. Er würde jedoch nichteher eine dahingehende Bemerkung machen, bis ichselbst davon sprach.

2.

»Nicht, es ist sinnlos!«Rhodans Hand traf meine Rechte. Die schußbereite

Strahlwaffe glitt nach unten.Ich fühlte, daß ich nicht mehr Herr meiner Sinne

war. Vor mir standen sieben Arkoniden; Angehörigedes Großen Rates, der aber längst nicht mehr daswar, was meine ehrwürdigen Vorfahren darunterverstanden hatten.

Ich schaute in die Gesichter von verweichlichtenLebewesen, die ich nur widerwillig »Arkoniden«nannte. Sie dagegen glaubten in der typischen Artnichtstuerischer Hohlköpfe, alle Weisheit der Welt zubesitzen. Sie waren unfähig geworden, im Zuge ihresdurch Staatsmittel finanzierten Wohllebens dieelementarsten Sicherheitsvorkehrungen zu beachten.Sie empfanden es als Zumutung, ihre Luxuslagerverlassen und auf den Genuß eines »schöpferischenFiktivwerkes« verzichten zu müssen. Nie jedochwürden sie begreifen können, wie lächerlich ihr

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Hochmut war und wie erbärmlich sie auf Männer wieRhodan oder mich wirkten.

Es war aussichtslos, ihnen verständlich machen zuwollen, daß sie nicht mehr waren als geistig undmoralisch ausgebrannte Hüllen mit einem Rest vonInitiative.

Diese Herren, sieben führende Mitglieder des ausWissenschaftlern bestehenden Großen Rates vonArkon, hatten die zur Analyse bestimmtenSporenproben des Speckmooses von Azgola sonachlässig behandelt, daß Teile davon in dieAtmosphäre von Arkon II gelangen konnten!

Es mußte schon vor Wochen geschehen sein; aberwir hatten jetzt erst erkannt, was das eigentümlicheWachstum auf der wichtigsten Handels- undIndustriewelt der Galaxis zu bedeuten hatte.

Männer meines Volkes hatten sich verhalten wieterranische Schulbuben.

Arkon II, Wohnsitz von zwei MilliardenArkoniden und Standort planetarischerHandelsniederlassungen von etwa vierhundertraumfahrenden Völkern, wurde zur Fettkugel. DieSporen hatten bereits die Lufthülle verseucht. Es waretwas geschehen, womit wir niemals gerechnethatten.

Ich hatte geschrien wie ein Irrer. Ich hatte dieVerantwortlichen durch Robotkommandos zu mirbringen lassen, sämtliche Raumhäfen gesperrt unddie schwersten Strafen angedroht, die mir das Gesetzder Vorfahren erlaubte. Ich wollte verhindern, daßdie Speckmooskeime auf andere Welten verschlepptwurden.

Die politischen Schwierigkeiten, die sich aus demStartverbot ergaben, wurden von meinen»hervorragenden« Mitarbeitern nicht akzeptiert.Wenn sie die Gefahren infolge ihrer degenerativenDummheit nicht verstanden hätten, wäre der Fall fürmich erledigt gewesen. Gegen Dummheit ist keinKraut gewachsen, sagt man auf der fernen Erde.

So aber verniedlichte man die Folgen einesderartigen Versagens. Diesen Herren, die noch immervon einem unschlagbaren Sternenreich phantasierten,die sich wie Götter fühlten und andere Intelligenzenbeleidigten, waren der Auffassung, die Sache »wäredoch wohl nicht aufregend!«

Mir war die Geduld gerissen. Zu all meinenSorgen um das Reich und die Kolonialwelten kamnun eine Gefahr hinzu, die nur von den Terranernund mir folgerichtig erfaßt wurde. Im Großen Ratschien man das Speckmoos als interessante Pflanzeanzusehen. Das war sie auch, nur begriff man nicht,daß sie das Leben von zahllosen Geschöpfenbedrohte.

Perry stand noch immer neben mir. Seine Handumklammerte meinen Arm. Ich mußte michzusammennehmen, um nicht wie ein Despot die

Männer niederzuschießen.»Es ist sinnlos«, sagte Perry nochmals. Seine

Stimme klang ruhig, aber bestimmt.Zögernd schob ich die Waffe in die Gürteltasche

zurück.Als ich den Chef der Wachdivision anrief, schrie

ich schon wieder. Der dreiäugige Zyklop rutschte aufden Knien herbei.

»Euer Erhabenheit befehlen?«»Abführen, Roboterwachen«, ordnete ich schwer

atmend an. »Die Räte stehen unter Kriegsrecht. Beieinem Fluchtversuch hast du ohne Warnruf das Feuerzu eröffnen, desgleichen auf Personen, die sichunbefugt den Häftlingen nähern. Ich fordere deinLeben, falls meine Anweisungen nicht beachtetwerden.«

Mein Kodegerät begann zu arbeiten. Ich rief denRegenten an, der wiederum das Spezialkommandosteuerte. Tausend Kampfmaschinen marschierten auf.Sie waren unbestechlich, falls es irgendwelchenAttentätern nicht gelungen war, dieProgrammierungen zu ändern. Die Räte wurden vonenergetischen Fesselgittern umspannt und abgeführt.Zornbebend sah ich ihnen nach, bis sie auf demMittelhof der Administratur von Arkon IIverschwunden waren. Als ich vor zwei Tagen vonSnarfot abgeflogen war, hatte ich solcheVerwicklungen nicht voraussehen können.

John Marshall, Chef des terranischenMutantenkorps, hielt mir ein Taschentuch hin.Geistesabwesend starrte ich auf das Gewebe.

»Ich glaube, Sie haben keins, Sir«, meinte er.Ich sah ihn lange an, dann griff ich nach dem

Tuch. Ich fühlte, daß meine Augen tränten; einZeichen hoher Erregung.

»Danke, John. Haben Sie etwas entdeckt?«»Nichts, Sir. Die Naats sind zuverlässig. Ihr

Kommandant hat ihre Drohung folgerichtigaufgefaßt.«

»Und die Räte - was dachten sie?« Der Telepathzögerte. Hilfesuchend blickte er sich um. Gucky warauch anwesend. Er gab mir die Antwort. »Fragenicht, Atlan. Sie hassen dich.« Ich lachte bitter auf.Sie haßten mich! Warum? Was hatte ich ihnen getan?War es von den Herren zuviel verlangt, zweimal imMonat zu einer Sitzung erscheinen zu müssen? Hatteich nicht die Pflicht, vor den Mitgliedern des GroßenRates zu sprechen, Sorgen und Nöte zu unterbreitenund auf Vorschläge zu hoffen?

Ich benötigte noch zehn Minuten, bis ich michwieder gefangen hatte. Mein Logiksektor schwieg.Der aktivierte Gehirnteil schien auch keinen Auswegzu wissen.

»Arkon II ist verloren«, sagte ich stockend. »Inkurzer Zeit wird der Sporengehalt so hoch sein, daßdie Verfettung einsetzt. Was dann? Wenn diese Welt

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aufgegeben werden muß, ist das Imperium endgültigschachmatt. Ahnst du, was das bedeutet?«

Rhodan durchschritt den Saal und blieb vor einemhohen Energiefenster stehen. Die Automatik hatteabgeblendet. Das Licht der weißen Arkonsonnedrang nur gedämpft herein.

Admiral Thekus, zur Zeit Oberbefehlshaber derarkonidischen Kolonialflotte, suchte meinen Blick.Thekus war eine hochgewachsene Erscheinung mitmarkanten Zügen. Er gehörte zu den wenigenMännern meines Volkes, von denen ich nochInitiative erhoffen durfte. Ich wußte, daß er nichtmein Freund war, aber das war augenblicklichnebensächlich. Wichtig war nur, daß Thekus dasWohl des Imperiums am Herzen lag.

»Arkon II darf nicht aufgegeben werden, EuerErhabenheit!«

Rhodan wandte den Kopf. Argwöhnisch musterteer den alten Mann, dessen weiße Arkonidenhaarezum dunklen Schulterumhang kontrastierten. Thekuserinnerte mich an die Soldaten meiner Einsatzflotte.Damals, zehntausend Jahre zuvor, waren wir starkund tatenhungrig gewesen.

»Habt ihr Vorschläge, Thekus?« Er sah mich an.Trotz seiner geistigen Aktivität konnte er sich nichtdazu überwinden, Perry Rhodan und die anderenTerraner als vernunftbegabte Lebewesen annäherndgleicher Intelligenz anzuerkennen. Für einenFlottenchef vom Range eines Thekus war jedeIntelligenz, die nicht auf Arkon geboren worden war,zweitrangig.

»Es sollte versucht werden, Euer Erhabenheit, dieSporen zu vernichten.«

»Wie?« warf Rhodan ein. Er wendete uns wiederden Rücken zu. Die Höflinge der Administraturverhielten sich schweigsam. Ich hatte auch nicht dieAbsicht, sie zu befragen.

Thekus gönnte Rhodan keinen Blick. Ichbemerkte, wie sich Guckys Mausenase wütendrunzelte. Anscheinend hatte er mit seinentelepathischen Gaben einen unfreundlichenGedanken aufgefangen. Der Kleine beherrschte sichjedoch. Alle Mutanten hatten die Anweisungerhalten, ihre Fähigkeiten nicht zu verraten.

»Arkonidische Wissenschaftler werden Tag undNacht an der Lösung dieser Aufgabe arbeiten, EuerErhabenheit«, erklärte Thekus würdevoll.

Er verstand mein verzweifeltes Auflachen richtig.Seine Hände umkrampften den Saum des Umhanges.Das auf der Uniform eingestickte Symbol desImperiums schimmerte golden im einfallenden Licht.

»Sonst habt ihr nichts zu sagen, Thekus?«Er antwortete nicht. Einer meiner Höflinge gefiel

sich mit einem »diplomatischen Lächeln«. Dieuntertänige Verbeugung widerte mich an.

»Euer Erhabenheit wollen gütigst bedenken, wie

sehr die Vertreter der Wissenschaften den Vorfallbedauern. Wir werden ...«

»Ihr werdet nichts«, unterbrach ich ihn schroff.»Ich danke für Eure Ausführungen, Thekus. Ich sehemich gezwungen, im Interesse des Reiches andereMaßnahmen einzuleiten.«

Rhodan fühlte die haßerfüllten Blicke. Man hatteverstanden, was ich hatte sagen wollen. Die Herrenzogen sich zurück. Als sie verschwunden waren,drückte Gucky auf den Öffnungskontakt derAutomatlüftung. »Hier riecht es schlecht«,behauptete er. Er sah sich um. Niemand antwortete.Rhodan marschierte schon wieder durch denEmpfangssaal, dessen Einrichtung von vergangenerPracht zeugte.

»Du hast deine Leute nicht informiert, Atlan?«Ich schüttelte den Kopf. Es wäre sinnlos gewesen,

den Großen Rat über das Auftauchen derRobotschiffe zu unterrichten. Man wußte, daß aufeiner fernen Welt das Speckmoos wuchs. Niemand,auch Thekus nicht, hatte sich nach den Ursachenerkundigt.

Rhodan griff nach seiner Schirmmütze und fuhrmit dem Handrücken über das Schweißband.

»Armer Imperator«, seufzte er. »Also stehen wirwieder einmal allein auf weiter Flur. Gut, dannfangen wir an.«

Wie einfach das klang! Ich stellte die gleicheFrage, die er an Thekus gerichtet hatte. »Wie?«

»Alle Möglichkeiten müssen koordiniert werden.Kann der Wetterhaushalt des Planeten so beeinflußtwerden, daß Temperaturen von minus ein GradCelsius entstehen?«

»Nein. Dafür wurden die Klimastationen nichtvorgesehen. Arkoniden lieben die Wärme.«

»Das merke ich. Die Sporen können danach nichtabgetötet werden. Ich schlage vor, alleWachstumsgebiete mit Ultraviolett zu bestrahlen. DieRobotflotte muß dazu programmiert und eingesetztwerden. Wir starten sofort. Auf Arkon III sind wirdem Regenten näher. Sobald die Auswertung überdie Funkimpulse vorliegt, sehen wir weiter.«

Ich nickte. Mir blieb keine andere Wahl, als zueinem Kompromiß zu greifen. Rhodan konnte sichvorstellen, welche Aufgabe er mir aufgebürdet hatte.Wenn ich - so wie er! - eineKommandeurbesprechung hätte einberufen und dienötigen Anweisungen erteilen können, wäre alleseinfach gewesen. So aber war ich gezwungen, denRegenten von Fall zu Fall einzuweisen. Eine falscheProgrammierung konnte den Einsatz verderben. DasGehirn beging neuerdings Fehler, deren Ursachenniemand beheben konnte. Die mechanische Logikwar zu einseitig.

Wir starteten zwei Stunden später mit derIRONDUKE. Für mich bedeutete es eine Wohltat,

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wieder unter Menschen weilen zu können. Als wirdie obersten Schichten der Arkonatmosphäredurchstießen und in den freien Raum vordrangen,stand ich neben Rhodan in der Zentrale desSchlachtschiffes.

Die Welt des Handels und der Industrieschrumpfte zusammen. Oberst Jefe Claudrin, derKommandant der IRONDUKE, verstand sein Fach.Er raste so dicht an der heißen Arkonsonne vorbei,daß die Schutzschirme zu knistern begannen. Rhodansagte kein Wort. Ich fand es bewundernswerte mitwelcher Gelassenheit er seinen Untergebenen einweitgehend selbständiges Handeln gestattete.

»Angewandte Psychologie!« teilte mir meinLogiksektor mit.

Arkon wanderte schon wieder aus denBildschirmen aus. Der energetische Sturm in denSchirmen ließ nach. Wir folgten dem imaginärenDreieckschenkel auf gerader Linie. Auch Arkon IIIgehörte zu jenen Welten, die meine Vorfahren in eineneue Umlaufbahn gezwungen hatten. DiesesExperiment war bisher einmalig in der Geschichteder Milchstraße.

Wenigstens etwas, was die Terraner noch nichtkönnen, überlegte ich erheitert. Gleich darauf wurdeich jedoch von meinem Extrahirn darüber belehrt, dietechnischen Probleme einer Planetenversetzungkönnten auch von den Menschen beherrscht werden.Wenn sie wollten, wären sie fähig, die solarenPlaneten Venus und Mars in andere Bahnen zubringen.

Meine gelöste Stimmung wich wieder der innerenUnruhe. Es war sinnlos, über die Terranernachzugrübeln. Jetzt ging es - bildlich gesprochen -um die ohnehin fleckig gewordene Haut desArkonidenimperiums.

Rhodans Stimme schreckte mich auf. Er stand vordem Mikrofon der Rundrufanlage.

»Achtung, an alle: Uniformen ablegen, Oberkörperentblößen. An Maschinenleitstand -Beschleunigungsmanöver beenden, übergehen infreien Fall. Klimazentrale - Temperaturen absinkenlassen auf minus zwei Grad Celsius. Wert für zehnMinuten beibehalten, dann wieder hochschalten aufNormaltemperatur. Ausführung ...!«

Niemand fragte nach dem Sinn der Maßnahme.Für Terraner war es selbstverständlich, dieeingeschleppten Sporen durch die Kälteeinwirkungzu vernichten. Es war ein einfaches, aber wirksamesMittel.

Ich fror zehn Minuten lang in der dünnenUnterkleidung. Gucky war das einzige Lebewesen anBord, das die kühle Luft genoß. Er drehte sich mitgeschlossenen Augen vor einem Zentralgebläse undließ sich den Eiswind durch den Pelz wehen.

Als die Schiffsatmosphäre keine lebensfähigen

Sporen mehr aufwies, wurde Arkon III auf denBildschirmen erkennbar. Drei Superschlachtschiffeder Regentflotte nahmen uns in Empfang. Wirbemerkten, daß die Waffentürme ausgefahren waren.Rhodan kniff die Augen zusammen und knirschtewütend mit den Zähnen.

War das Gehirn verrückt geworden, uns durch dreikanonenstarrende Riesenschiffe aufhalten zu lassen?Ich rief den Regenten über mein Kommandogerät anund forderte die Abberufung der Wacheinheiten.

»Regent an Seine Erhabenheit«, klang esmetallisch hart aus dem Mikrolautsprecher.»Sonderschaltung A-1 spricht. Durch das AuftauchenFremder Lebewesen auf Arkon II ist dieGefahrenprogrammierung Teton gültig geworden.Ich bin angewiesen, auch autorisierte Personen nurunter Begleitschutz landen zu lassen. Ende.«

Bully sah mich verblüfft an, bis er stammelte:»Fremde Lebewesen? Ist der Regent

übergeschnappt?«»Er meint die Sporen«, warf Rhodan ein. »Mir

scheint, alter Freund, es wird höchste Zeit, etwasgegen die unsinnigen Sicherheitsschaltungen zuunternehmen. Der Robot sollte zwischen bewußthandelnden Lebewesen und Pflanzensporenunterscheiden können.«

Ich verzichtete auf eine Antwort, aber meineBlässe konnte ich nicht verbergen.

Vor vielen Jahren war mir die SicherheitsschaltungA-1 willkommen gewesen. Damals hatte ichangenommen, mit ihrer Hilfe alle Notständebeseitigen zu können.

Jetzt bewies es sich erneut, daß A-1 eineunbekannte Zahl von Spezialbefehlen erhalten hatte,die ohne wirkliches Begreifen einer Sachlageangewendet wurden. Die Programmierungen warennicht mehr zeitgemäß. Ich begann innerlich zuzittern, wenn ich an das Unheil dachte, das der Robotanzurichten imstande war. Ich kannte elf Fälle vonIrrtümern, die ohne mein rechtzeitiges Eingreifen zurKatastrophe geführt hätten.

Rhodan war besorgt. Bully bot mir eineErfrischung an.

»Sind Sie schon einmal Ihrer Leiche begegnet?Nein ...? Dann schauen Sie in den Spiegel. Mirscheint, als wäre der Regent seit dem Auftauchen derAkonen durchgedreht.«

Bully meinte es gut. Er verletzte mich mit seinenWorten, was er aber erst begriff, als Rhodan schroffdas Thema wechselte. A-1 meldete sich nicht mehr.Wir tauchten in die Lufthülle ein, beantworteten dreiAnrufe mit den vorgeschriebenen Kodezeichen undlandeten nahe des Glockenschutzschirmes, der nachwie vor über dem Robot lag.

Die Triebwerke liefen aus. Ich griff nach meinemHelm und schritt auf die Schleuse zu.

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»Versuche den Regenten zur Eile anzutreiben«,rief mir Rhodan nach. »Wenn wir wissen, woher dieRobotraumer stammen, finden wir auch dasErnteschiff.«

,Zur Eile antreiben - das war leichter gesagt alsgetan. Rhodan hätte wissen sollen, daß ich dasGehirn kaum beeinflussen konnte. Ich schritt zumRundwall hinüber, überstieg ihn und blieb vor derroten Gefahrenlinie stehen. Wieder war ich allein.

Vor mir öffnete sich ein Konturspalt. Ich ging aufden Schirm zu, durchschritt die Öffnung und bestiegden ferngesteuerten Wagen, der mich zumAntigravlift brachte.

Das Labyrinth nahm mich auf. Der Hall meinerSchritte machte mich nervös, und die überallumherhuschenden Reparaturroboter erweckten in mirein Gefühl der Panik.

War der Regent überholungsbedürftig? Erexistierte seit etwa sechstausend Jahren. Wie langekonnte ein so komplizierter Mechanismus ohneKontrolluntersuchungen durch denkende Wesenfehlerfrei funktionieren?

Diese Frage beschäftigte mich seit Jahren. Gefühlund Logik sagten mir, eines Tages müsse es zu einerverschleißbedingten Kurzschlußhandlung kommen.

3.

Die wissenschaftlich-technischen Leistungen derTerraner hatten mich schon mehr als einmalverblüfft. Diesmal begann ich an Wunder zu glauben.Wir schrieben den 24. September 2104 irdischerZeitrechnung.

Hundertvierzig Jahre zuvor hatte man sich auf derErde nur schwache Vorstellungen über denlichtschnellen Raumflug und die damit verbundenenSchwierigkeiten machen können. Man hatte zwar mitdem Gedanken geliebäugelt, aber die durch Einsteinbekanntgewordene Dilatationsproblematik warebenso abschreckend gewesen wie die ungelösteTriebwerksfrage. Man hatte sich mitPhotonenaggregaten beschäftigt, deren technischeBeherrschung und konstruktive Reife noch in weiterFerne gelegen hatten.

Eine Raumreise mit Überlichtgeschwindigkeit warselbst phantasiereichen Wissenschaftlern als reineUtopie erschienen. Wenige Jahre nach derAufstellung dieser Theorien waren zwei Vertretermeines Volkes auf dem irdischen Mond notgelandet.Perry Rhodan hatte sie gefunden, ihr Wissenübernommen und darauf auf gebaut.

Das unförmige Gebilde, das mir Jetzt vorgeführtwurde, war in den Neunzigerjahren des zwanzigstenJahrhunderts erbaut worden. Zu jener Zeit hatte manauf der Erde damit begonnen, die überlichtschnelleHyperkomfunktechnik für die Radioastronomie

auszuwerten. Man hatte sich nicht mehr damitzufriedengegeben, die verschiedenartigen Impulseweit entfernter Radiosterne aufzufangen und eineAuswertung zu versuchen, sondern man war dazuübergegangen, das Funkechoprinzip anzuwenden.

Als Reflektorimpulse dienten die gebräuchlichenHyperkomwellen, die nach einem auf der Erdeentwickelten Verfahren abgestrahlt und von demZielstern reflektiert wurden. Nach meiner Auffassungwar es fast unmöglich, einen räumlich undenergetisch übergeordneten Impulsstrahl einfachzurückwerfen zu lassen. Materie war als Reflektorungeeignet. Es lag in der Struktur paraphysikalischerWellen, auf stoffliche oder normalenergetischeErscheinungen nicht zu reagieren.

Die arkonidische Hyperortung von Raumschiffenwar stets auf artverwandte Triebwerksstrahlungenausgerichtet gewesen. Die Terraner hatten es jedochverstanden, auch massereiche feste Körperanzumessen. Vordringlich bei Sternen war es ihnengelungen, ein Echobild zu erhalten. Auf meine Frage,wie man es machte, hatte man mir ohneÜberheblichkeit geantwortet, die arkonidischenWissenschaftler hätten »eigentlich« auch auf denGedanken kommen müssen, die übergeordneten unddeshalb energetisch identischen Gravitationsfelderder Sterne als Impulsreflektor anzuzapfen.

Ich schloß den Helm meines Raumanzuges,kontrollierte Sauerstoff- und Klimaanlage und griffnach dem Steuerhebel des Mikroimpulsators. DasAußenschott der Steuerbord-Äquatorschleuse wargeöffnet. Vor meinen Augen breitete sich der Raumzwischen den Sterneninseln aus.

»Auf der anderen Seite«, verdeckt durch denKugelkörper der IRONDUKE, flimmerten dieMilliarden Sonnen der Milchstraße. DerKugelsternhaufen M-13, das Heimatsystem meinesVolkes, lag schon an den Grenzbezirken der Galaxis.Nun waren wir aber fünftausend Lichtjahre weit inden interkosmischen Raum vorgestoßen; also in jenesGebiet, wo es keine Sterne mehr gab.

Millionen Lichtjahre entfernt waren zahlloseLeuchtpünktchen erkennbar. Jedes von ihnen waridentisch mit einer anderen Milchstraße, diewiederum viele Milliarden Sonnen enthielt.

Ich schritt hinaus auf den Ringwulst. Dieenergetischen Düsengitter der Triebwerke warenabgeschaltet worden. Eine Reststrahlung warvorhanden, aber nicht gefährlich. Je weiter ich kam,um so mehr nahm die künstlich erzeugte Schwerkraftab. Am Rande des Triebwerkwulstes blieb ich stehen.Meine Magnetsohlen hafteten auf demVerdichtungsstahl der Außenzelle.

Rhodan und die Männer des Sonderkommandoswaren mir gefolgt. Ich achtete kaum auf die fernenSterneninseln. Ich kannte den berauschenden oder

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auch demütigenden Anblick. Vor vielen tausendJahren war ich mit dem Stolz des Eroberers über dieGrenzen der Milchstraße hinausgeflogen. Ich hattemich umgesehen und geglaubt, eines Tages dietrennenden Abgründe überwinden zu können.

Jetzt war ich bescheidener geworden. Jedefühlende Kreatur mußte beim Anblick diesergöttlichen Größe nachdenklich werden, oder sie wares nicht wert, fühlend genannt zu werden.

Ich interessierte mich augenblicklich nur für diekosmische Ortungsstation, die von terranischenIngenieuren aus dem Raumsektor der irdischenSonne herbeigeschafft worden war. Ich hatte diegrößten Flottentender zur Verfügung gestellt, um denTransport zu ermöglichen.

Das Hyperkom-Radioteleskop war imschwerelosen Raum montiert worden. DieRichtstrahlantenne durchmaß etwa fünf Kilometer.Die an ihrem Trichterende hängendeBeobachtungsstation war kugelförmig. Das Gebildesah aus wie ein veralteter Lautsprecher, den man mitseiner Öffnung auf das Zielgebiet gerichtet hatte.

»Wann habt ihr das gebaut?« fragte ich über Funk.»Im Jahre 1998«, klang Rhodans Antwort aus dem

Helmgerät. »Erstaunlich, nicht wahr?«Ich nickte beeindruckt. Sie waren schnell groß

geworden, die liebenswerten Barbaren von Terra.»Es wäre sinnlos gewesen, ein solches Gerät

innerhalb der irdischen Lufthülle aufzustellen«,erklärte ein anderer Mann. »Ganz abgesehen von denunvermeidbaren Störungen, wäre das Gerüst nichtstabil genug, um das Gewicht der Antennen bei einerSchwerkraft von zirka einem Gravo tragen zukönnen. Es ging nur im freien Raum. Die Statik wareinfach; Festigkeitsprobleme konnten gut gelöstwerden. Wollen Sie treiben?«

Ja, ich wollte »treiben«. Ich schaltete den Pulsatorein, stieß mich von der Bordwand ab und segelte ingestreckter Haltung auf die Station zu. Über, unterund neben mir gab es nichts, was man alsMaterieteilchen hätte ansprechen können. Diegewaltige Gravitation der Milchstraße hielt selbstschnelle Partikel fest. Wenn es hier iminterkosmischen Abgrund zwischen den Galaxienüberhaupt etwas gab, so war es nicht mehr meßbar.

Das Gitterwerk der Antenne war bald nicht mehrübersehbar. Es verschwand im Dunkel. Das Schottlukder Strom- und Beobachtungszentrale leuchtete wieein ferner Stern.

Wir erreichten die Schleuse, ließen uns von derenergetischen Transportrampe hineinziehen undwarteten den Druckausgleich ab. Nun, da ich michinnerhalb des kosmischen Radioteleskops befand,wirkte es auf mich nicht mehr erdrückend. ÄhnlicheKonstruktionen waren auch von meinen Vorfahrenim Raum stationiert worden, nur hatten wir nicht auf

der gesteuerten Echobasis gearbeitet.Die Kommandokugel war viel größer als

angenommen. Rhodan erklärte mit berechtigtemStolz, man hätte das »Kaffeesieb« der Einfachheithalber mit der Außenzelle eines Schweren Kreuzersverbunden. Weshalb, so meinte er, hätte man einEnergieaggregat bauen sollen, wenn sich einGroßraumschiff dafür angeboten hätte! Dadurch seidas Teleskop sogar bewegungsfähig geworden.Allerdings ließen sich relativistischeGeschwindigkeiten damit nicht erreichen, da es nichtgelungen sei, die Masse der Außenantenne gegenBeharrungskräfte abzuschirmen.

Das konnte ich mir vorstellen! Da ich trotzRhodans Zurückhaltung wußte, welche Problememan bewältigt hatte, schwieg ich lieber. Meinphotographisches Gedächtnis gaukelte mir einigeBilder aus der irdischen Geschichte vor.

Ich konnte mich gut an die Höhlenwilden erinnern,die bei meiner ersten Expedition in die Nordwälderder Erde mit Steinkeilen auf mich losgegangenwaren. Jahrtausende später hatte ich Akte derGrausamkeit erlebt. Man hatte Andersgläubige undAndersfarbige verfolgt, nur weil man der irrigenAuffassung gewesen war, dies wären keineMenschen.

Nun waren sie erwachsen geworden, die Bewohnerdes Planeten Erde. Ich schüttelte die Erinnerungenvon mir ab und ließ mir die Besatzung der Stationvorstellen. Der Astrophysiker Professor Teitsch warder wissenschaftliche Chef. Die Zentrale enthielteinen der größten Bildschirme, den ich jemalsgesehen hatte. Als wir eintraten, wurden wir vommilitärischen Befehlshaber begrüßt. Major SaghoBenit wußte, worauf es ankam.

Ihm unterstanden die Waffen des SchwerenKreuzers; dazu hatte Benit die Richtungskorrekturenauszuführen.

Die Zentrale war in einem ehemaligenKraftwerksaal eingebaut worden. Nebenan liefen dieastrophysikalischen und astronomischenRechengehirne. Direktverbindungen zu denFeineinstellungen der Richtantenne sicherteneinwandfreie Forschungsergebnisse.

»Nehmen Sie bitte hier hinten Platz, Sir«, meinteTeitsch. »Der Schirm läßt sich so besserüberblicken.«

Ich legte den lästigen Raumanzug ab. Eine Fragebrannte mir auf der Zunge, aber ich wollte nichtunbeherrscht erscheinen. Rhodan schmunzelte.Natürlich ahnte er, wie nervös ich war.

Ich warf ihm einen verweisenden Blick zu undschlug betont gelangweilt die Beine übereinander. Inmeinem Hirn überstürzten sich die Überlegungen. Ichversuchte zu rechnen.

Zwei Tage nach unserer Ankunft auf Arkon II

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hatte der Regent die ersehnten Ergebnisse geliefert.Es sollte festgestellt werden, woher dieBestätigungsimpulse gekommen waren.

Da es sich um Raffersignale gehandelt hatte undeine Winkelpeilung nicht möglich gewesen war,konnte die Auswertung nicht genau sein. Es warschon ein Wunder, daß der Robot annäherndeKoordinaten errechnet hatte. In dieser Beziehung wardas Gehirn unersetzlich.

Den Standort des Senders hatte der Regent nichtfinden können. Es war unbekannt, mit welcherEnergie die Impulse abgestrahlt worden waren. Sowar es nicht gelungen, die Entfernung zu ermitteln.

Dennoch hatten wir eine Gerade festlegen können,die das Sendegebiet mit größer werdender Distanzmehr oder weniger weit verfehlte. Wir rechneten miteinem Vertikal-Horizontalwert von tausendLichtjahren im Mittel.

Noch größere Toleranzen mußten sich ergeben,falls der Sender weiter als dreißigtausend Lichtjahrevom Kugelsternhaufen M-13 entfernt war.

Seit vierzehn Tagen Standardzeit waren alleTeleskope auf den betreffenden Raumsektorgerichtet. Der Sender befand sich jenseits derMilchstraßengrenze im interkosmischen Raum. Wirhatten angenommen, es würde sich um ein großesRaumschiff oder um eine stationäre Plattformhandeln, da die Existenz eines Planetenunwahrscheinlich erschien.

Um so überraschender war der Funkspruch vonMajor Sagho Benit gewesen. Er behauptete, Teitschhätte eine bisher unbekannte Sonne entdeckt, die sichvor undenkbaren Zeiten aus dem Verband derGalaxis herausgelöst hätte, um immer tiefer in denAbgrund hinauszutreiben. Sie besäße drei Planeten,was der Astrophysiker ebenfalls festgestellt habenwollte.

Die Auswertung des Logikgehalts verriet, daß derSender mit viel größerer Wahrscheinlichkeit aufeinem Planeten als auf einem Raumschiff stand.Schließlich suchten wir die Heimatwelt der von demSaatschiff erwähnten »Erbauer«.

Wir waren gestartet, um uns persönlichüberzeugen zu können. An die Zustände auf Arkon IIdurfte ich in diesen Augenblicken nicht denken. EineMassenpanik zeichnete sich ab. Die Arkoniden warenweniger nervös als die Fremden, die sich zur Zeit desStartverbots auf der Heimatwelt aufgehalten hatten.

Um eine von ihnen ausgehende Revolte zuverhindern, hatte ich vor acht Tagen das Startverbotaufgehoben, jedoch dafür gesorgt, daß jedesabfliegende Raumschiff mitsamt seiner Besatzungdesinfiziert wurde. Terranische Truppen hatten dieKommandanten gezwungen, dreißig Minuten langdie Klimaanlagen auf minus zwanzig Grad Celsius zuschalten. Die Bewohner von Hitzewelten hatten

wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen angedroht.Einige von ihnen wären beinahe gestorben. Wirhatten jedoch keine Gnade gekannt und denSicherheitsfaktor auf das Zehnfache deserforderlichen Wertes erhöht. Erst dann hatten wirdie Händler ziehen lassen.

Ich war froh, von nun an nur noch mit denArkoniden auf der zweiten Welt meinesHeimatsystems rechnen zu müssen. Es würde langedauern, bis die aus ihrem Phlegma herausgerissenwurden. Bis dahin, so hoffte ich, würden wir einenWeg zur Vernichtung der Sporen und desSpeckmooses gefunden haben.

»Träume nicht, Freund«, flüsterte mir Rhodan zu.»Teitschs Ausführungen waren interessant.«

Ich erwachte aus meinen Grübeleien.Entschuldigend sah ich mich um. Es war dunkelgeworden. Dafür leuchtete der Bildschirm.

Wir erkannten das scharfgezeichnete Echobild derSonne. Es handelte sich um einen roten Stern, dereinundfünfzigtausend Lichtjahre entfernt im Raumstand. Nachdem er einmal durch Hyperortungentdeckt worden war, war es auch gelungen,Rückschlüsse auf seine Frequenzen zu ziehen. Sogareine Spektralanalyse seines Lichtes war gelungen. Eszeigten sich die üblichen Linien, was uns bewies, daßdiese Sonne ein normaler Stern war. Die Frage, ob ersich aus dem Verband der Milchstraße gelöst oder ober durch eine Fügung des Schöpfungsaktes schonimmer weit draußen geweilt hatte, war für dieKlärung unseres Problems uninteressant.

Professor Teitsch hatte den Stern Outside genannt;eine treffende Bezeichnung. Ich lauschte seinenErklärungen. Sie waren kurz.

»Alle Bemühungen, andere Himmelskörper oderkünstlich erzeugte Gegenstände wie Raumschiffe undRaumstationen in dem angegebenen Sektor zuentdecken, waren ergebnislos«, schloß er. »Wirhaben die vom Regenten geforderten Toleranzwerteüberschritten und zusätzlich einige Gebietegewissenhaft abgesucht. Ich betone gewissenhaft,meine Herren! Da draußen gibt es außer dem neuenStern nichts, was einen Echoimpuls hättezurückstrahlen können. Wenn die Regentauswertungrichtig oder annähernd richtig ist, so steht es außerFrage, daß wir den Standort des Senders gefundenhaben. Outside besitzt drei Planeten. Einer davondürfte für Sie interessant sein.«

»Haben Sie Sprungkoordinaten anfertigen lassen?«fragte Rhodan.

»Jawohl, Sir. Ich würde jedoch raten, die Sonnemit einem Linearraumschiff anzufliegen. Die Distanzist groß. Irrtümer sind nicht ausgeschlossen. Ohneleistungsfähige Spezialgeräte dürfte eineStandortpeilung unmöglich sein.«

Teitsch hatte recht. Kein Raumschiff konnte

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einundfünfzigtausend Lichtjahre mit einem Sprungüberwinden. Die für Materie und Mannschaftenzumutbare Grenze lag bei fünftausend Lichtjahren.Natürlich konnte dieser Wert überschritten werden,was aber katastrophale Ergebnisse mit sich brachte.

Auch Kurzsprünge enthielten schonPositionsfehler. Es war besser, es mit derIRONDUKE zu versuchen.

Rhodan stieß mich an. Ich wendete den Kopf.»Nun?«

»Starten, möglichst sofort.«»Du hast es aber sehr eilig, Imperator.«»Demütige dich nicht selbst durch das häufige

Aussprechen meines Titels, Häuptling der irdischenWilden«, entgegnete ich.

Rhodan riß die Augen auf; Bully lachte. »Aber,aber!« dröhnte die Stimme des Epsalgeborenen JefeClaudrin. Er grinste in Lausejungenart, was seinVierkantgesicht noch mehr in die Breite zog.

Rhodan murmelte etwas, was ich nicht verstehenkonnte. Früher hatten wir uns oftmals aneinander»gerieben«, wie sich Bully ausdrückte. Es war nichtböse gemeint.

Rhodan stand auf und reckte sich. »Du nimmstwahrscheinlich an, die IRONDUKE wäre für eineFernexpedition dieser Art vollständig ausgerüstet?Also Spezialgeräte, Elitetruppen, Mutanten, nicht zuvergessen den Trinkwasservorrat?«

»Wie ich Claudrin kenne, hätte er sich ehervierteilen lassen als auf die Ausrüstung zu verzichten.Wie ist das, Jefe?«

Die gewölbte Brust des Mannes bewegte sich. SeinLachen klang wie das Grollen eines Gewitters.Claudrin wirkte wie ein in der Mittedurchgeschnittener Riese. Er war ebenso breit wiehoch. Seine Schultern waren doppelt so wuchtig wiedie eines gutgewachsenen Terraners. Jefe trug wiederseinen Mikrogravitator, der ihm die gewohnteSchwerkraft von 2,1 Gravos vermittelte. Ich konntemir keinen besseren Kommandanten vorstellen.

»Versteht sich von selbst, Sir. Die IRONDUKE istauf den Einsatz vorbereitet.«

Ich erhob mich ebenfalls. Die Teleskopstationkonnte mich nicht mehr festhalten.

»Langsam, langsam«, mahnte Rhodan. ProfessorTeitsch war zu uns getreten. Ich bedankte mich fürdie Beobachtungsergebnisse.

»Ich hoffe, keine Fehler begangen zu haben«,entgegnete der alte Mann bescheiden.

»Haben Sie Signale aufnehmen können? Etwas,was auf einen gesteuerten Funkverkehr hindeutet?«

»Nein, Sir, nur die üblichen Impulse. Auf denPlaneten rührt sich auch nichts. Es wäre uns nichtentgangen, es sei denn, man arbeitet dort mitnormalschnellen Wellen, die natürlich noch nicht beiuns sein können. Ein Hyperkomverkehr fand auf

keinen Fall statt. Wir arbeiten mitzwanzigmillionenfacher Verstärkung deraufgefangenen Echos.« Ich legte meinen Raumanzugan. Ein Jüngerer Offizier des Teleskops meldete instrammer Haltung, die Tafel sei gedeckt.

Rhodan fuhr sich mit der Zungenspitze über dieLippen. Reginald Bull stieß einen Seufzer aus. Selbstder immer beherrschte John Marshall bekamglänzende Augen. Kosmische Stationen wurden miteiner Luxusverpflegung versorgt. Es waren Dinge,die man auf einem Kampfschiff mit dem bestenWillen nicht einlagern und zubereiten konnte.Außerdem hätte sich jeder Kommandant dafürbedankt, wenn man ihm ein Riesenaufgebot vonKöchen an Bord geschickt hätte. Solche Leckereienließen sich in den üblichen Robotküchen nichtzubereiten.

Plötzlich sahen mich die Terraner an, als wäre ichein knuspriger Braten à la »Imperator«. Ich fühltemich schon halb verspeist, als ich bebend vorErregung sagte:

»Wenn ihr Halunken nur eine Minuteverschwendet, um eure kugelrunden Bäuche mitPasteten, Masthahnschenkeln und edlen Weinenvollzuschlagen, kündige ich euch die Freundschaft.«

Rhodan bedachte mich mit einer Verwünschung.Bully blinzelte mich tückisch an, und derspindeldürre Erste Offizier der IRONDUKEmißhandelte seine Magengegend mit der Spitze desZeigefingers.

»Kugelrunde Bäuche - hast du Töne!« sagte HuntsKrefenbac weinerlich. »Kugelrunde Bäuche! Wo,wenn ich bitten darf haben Sie bei mir eine solcheEntartung festgestellte?«

»Spielverderber!« schrie Gucky. »Hier gibt esbestimmt Erdbeeren.«

»Verschwindet, oder ich werde zum Raubtier«,brüllte ich. Ich kannte die »kleinen Mahlzeiten« zuEhren meiner Person. An Rhodan dachte ich in demMoment nicht. Stunden wären verlorengegangen.

Die Männer der Stationsbesatzung bemühten sichum ihre Fassung. Ich rannte unterdessen wenigwürdevoll im Kreise herum und hielt den mürrischblickenden IRONDUKE-Männern die Faust unter dieNasen. »Ist das Disziplin?« schrie ich weiter.

»Ich lasse euch auf Arkon II aussetzen, damit ihrgenug bekommt.«

»Er zwingt mich zu einem Machtwort, Freunde«,sagte Rhodan mit Grabesstimme. »Der Teufel sollihn holen, einverstanden?«

Sie bejahten einstimmig, aber sie gingen! Ichfolgte ihnen auf dem Fuße, bis sie nacheinander inder Finsternis des Raumes verschwanden. Drübenlockten die erleuchteten Schotts desLinearschlachtschiffes.

In der Schleuse angekommen, höhnte ich:

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»Claudrin hat nicht geschaltet. Wenn er nichtbehauptet hätte, das Schiff sei voll ausgerüstet, dann... hm ...!«

Schadenfroh sah ich mich um. Die giftigen Blickeentlockten mir ein verzeihendes Lächeln.

»Meine Herren, die Konzentratpillen warten«, gabRhodan bekannt. Seine Lippen zuckten verdächtig.»Dieser Arkonide ist ein gerissener Fuchs. Ich bittemir aus, auf ihn ein wachsames Auge zu haben.«

Gucky war mir böse. Ich hatte ihn um seineLieblingsspeise gebracht. Ich hatte den Kleinen zuliebgewonnen, um ihn ungetröstet zu lassen. Ichüberlegte, dann hielt ich ihn am Arm fest.

»Laß mich los, rotäugiger Sklaventreiber«, schrieer. Ich flüsterte rasch:

»Kraft meiner Amtsgewalt befördere ich dich zumMajor der Arkonflotte mit dem Privileg, jederzeit dieVorratskammern des Kristallpalastes plündern zudürfen.«

Guckys Nagezahn wurde sichtbar; aber der Kleinezeigte - so schwer es ihm auch fiel - Charakter.

»Abgelehnt! Immerhin nehme ich deinen gutenWillen zur Kenntnis. In einigen Jahren darfst du michnochmals darum bitten, Major in deinerSchrotthaufenflotte zu werden.«

Ich war fassungslos; Rhodan lachte Tränen. Alldas geschah wenige Stunden vor Beginn desEinsatzes, der - so seltsam es auch erscheinen mochteüber Wohl und Wehe eines Sternenreichesentscheiden konnte. Ohne Arkon II wären etwasechzig Prozent unserer wirtschaftlichen Machtverloren gewesen.

Der Zwischenfall war bald vergessen. Teitsch gabdie Koordinaten durch. Die Rechengehirne derIRONDUKE liefen. Auch bei einem Linearschiffwaren viele Dinge zu beachten.

Ich informierte den Regenten. Meine Befehlemobilisierten die Heimatflotte, die zehn Lichtjahrejenseits der galaktischen Grenzen als Vorpostenliniestationiert wurde.

Die terranischen Einheiten schirmten die wichtigenKolonialplaneten im und nahe de? KugelsternhaufensM-13 ab. Der Funkverkehr nahm hektische Formenan. Wieder machte der Regent Fehler, die ichkorrigieren mußte.

Der 84. terranische Kreuzerverband unterKommodore Alfons Heindl wurde von einemSchlachtschiffgeschwader meiner Flotte angegriffen,da Heindl noch nicht den neuen Identifizierungskodebesaß. Ich konnte das Schlimmste verhüten.

Ein Handelsraumer der Springer gerietversehentlich in den Aufmarsch hinein und wurdevon dem Arkon-Superschlachtschiff CASOLmanövrierunfähig geschossen. Es gab Verwundete,darunter zwei Schwerverletzte. Ich zog einenSchnellen Kreuzer aus der Linie und ließ die

Besatzung mit Höchstfahrt ins nächstePlanetenhospital bringen. Ehe die Springermissionauf der Kristallwelt protestieren konnte, sicherte ichper Hyperfunk vollen Schadenersatz zu.

Rhodan hatte seine Vorbereitungen beendet. DieTerraner wechselten nur noch bezeichnende Blicke,als sie mich wie einen Irren von einem Mikrophonzum anderen rennen sahen.

Nach vier Stunden war ich erschöpft; aber imRaum des Kugelsternhaufens schien nun alles inOrdnung zu sein.

»Wir verzeihen dir«, meinte Rhodan gedämpft.»Ich meine das verpfuschte Essen. Wir sehen ein,warum du es so eilig hattest. Verträgst du ein offenesWort, Atlan?«

Ich winkte mutlos ab. Rhodan war ein wunderbarerMensch, nur schien er jetzt erst erkannt zu haben,was es hieß, Herrscher über ein tatenloses Volk undeine störrische Maschine zu sein.

»Du solltest dich dazu entschließen, eine handlicheAtombombe ins Gehirn zu legen und mir dieFernzündung zu überlassen.«

Ich starrte in eine Ecke. Er ahnte nicht, wie oft ichmit diesem Gedanken gespielt hatte. Ich gab eineErklärung ab, die ich bisher als Geheimnis gehütethatte:

»Freund, das wäre vor einigen Jahren nochmöglich gewesen. Seit dem Auftauchen der Akonenmuß ich sogar meine Handfeuerwaffe ablegen,sobald ich das Gehirn betrete. Ich werdedurchleuchtet, abgetastet und mit Energieorternüberwacht. Wer ist nun eigentlich der Imperator,wie?«

Als ich die Zentrale verließ, herrschtebedrückendes Schweigen. Da ging ich schneller.

»Nur kein Mitleid!« hämmerte es in meinem Hirn,»nur kein Mitleid! Lieber Haß, besser ehrlicheFreundschaft - aber kein Mitleid.«

Ich flüchtete in meine Kabine. Die Menschenwaren taktvoll genug, mich nicht zu stören. DerZellaktivator arbeitete stärker als sonst. Anscheinendbewirkte meine Depression einen gefährlichenZerfall, der durch das Gerät neutralisiert wurde.

Wieder einmal fühlte sich, wie alt ich war. Besaßich, das arkonidische Fossil, das Recht, dieGeschichte der Gegenwart zu lenken? Ich verzichtetedarauf, die Frage beantworten zu wollen. Ich hattenoch nie eine Lösung gefunden. Logik und Gefühlließen sich nicht miteinander vereinbaren.

4.

Das Dröhnen des KalupschenKompensations-Konverters, im Sprachgebrauch»Kalup« genannt, überlagerte alle anderenSinneseindrücke.

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Auch wenn man nicht darauf achten wollte - manhörte doch hin. Es war ein machtvolles Geräusch.Jeder vernahm es, und jeder hoffte, es würde nichtleiser werden.

Der überlichtschnelle Linearflug basierte auf demKompensations- oder Reflektorfeld, das aussechsdimensionalen Feldlinien bestand. Ein Körper,der im kugelförmigen Hohlraum des Kalupfeldesweilte, wurde zuverlässig von den mechanischen undenergetischen Einflüssen des Einsteinraumesabgeschirmt Desgleichen erfolgte eineNeutralisierung der fünfdimensionalenHyperraumeffekte, was zur Folge hatte, daß imtheoretisch gegenstandslosen Kalupfeld ein instabilerZustand herbeigeführt wurde, der mit denGesetzmäßigkeiten des Zwischenraumes artverwandtwar.

Der sogenannte Halbraumsektor, rechnerisch nichterfaßbar, war von den Druuf entdeckt worden. Vonihnen hatten die Terraner das Geheimnis des direktenÜberlichtfluges übernommen.

Infolge dieser »physikalischen Unmöglichkeiten«befanden wir uns in einer unstabilen Zwischenzone,in der weder die zwangsläufige Entstofflichung durchPararaumeinflüsse noch die Effekte desEinstein-Universums wirksam werden konnten. Wirglichen einer Fliege, die im Innern eines auf demWasser treibenden Balles eingeschlossen war. Siekonnte weder von der umgebenden Luft noch vomnassen Element belästigt werden.

Das Kalupfeld war nur wesentlich komplizierter.Ich wußte, daß unsere millionenfacheÜberlichtgeschwindigkeit relativ undbezugsgebunden war. Unsere Bordzeit, nach Einsteinund arkonidischen Altwissenschaftlern relativ, warnicht verzerrt worden. Für uns bedeutete eine Minuteebensoviel wie für einen Menschen auf der Erde. Esgab keine Dilatationserscheinungen; keineVerschiebung eines Faktors, den wir Zeit nannten.

Noch erstaunlicher war die Tatsache, daß man mitHilfe der paramechanischen Reliefortung in denvierdimensionalen Normalraum hineinsehen konnte.

Der hyperschnelle Reliefstrahl wurde von einemisolierenden Feld umgeben, das alsSekundärstrahlung entstand. Es handelte sichebenfalls um eine Kalupsche Energieeinheit, die denOrtungsstrahl gegen normale und paraphysikalischeEinflüsse abschirmte.

Trotz des rasenden Fluges in der Zwischenzonewaren wir in der Lage, das im Kurs liegendeRaumgebiet zu überblicken. Als Folge davon war esmöglich, den fernsten Zielstern im direkten, alsolinearen Flug zu erreichen. Die Korrekturmanövererfolgten nach Sicht.

Die IRONDUKE war ein Wunderwerkterranischer Technik. Rhodan war jedoch ehrlich

genug, zu gestehen, daß diese Triebwerke undFeldkonverter wahrscheinlich erst tausend Jahrespäter entwickelt worden wären, wenn die Druufnicht die Daten geliefert hätten.

Welch ein Unterschied zu dem gewaltsamen»Springen« war das! Die Transitionsschiffe warenmit dem Auftauchen der erstenLinear-Forschungsraumer veraltet gewesen.Trotzdem wurden sie noch überall verwendet, da esnicht möglich war, alle Einheiten in kurzer Zeit aufdas neue System umzurüsten. Selbst die IRONDUKEgalt noch als Prototyp. So war es nichtverwunderlich, daß die Besatzung angespannt auf dasDonnern des Kalups lauschte.

Auf dem Bildschirm der Reliefortung glänzte dieSonne Outside. Die IRONDUKE war mit einerzweiten Ortungszentrale ausgerüstet worden, die nurjene Spezialgeräte enthielt, die zur direkten Sichtwährend des Linearfluges erforderlich waren.

Ich betastete verstohlen meinen Arm. Er war somassiv wie immer. Ich konnte min nicht an denGedanken gewöhnen, nach dem Verlassen desNormalraumes nicht entmaterialisiert zu werden.

Als Admiral des Imperiums hatte ich eineEliteflotte geführt. Niemals hatten wir große Streckenanders überwunden als im zermürbendenTransitionssprung, bei dem der Normalraumgewaltsam durchbrochen wurde. Nun flog icheinfach. Es war so, als würde man mit einemLuftfahrzeug auf eine erkennbare Hügelkette zurasen.Mir war noch nicht einmal übel. Nur das Dröhnenwurde lästig.

Ich preßte die Handflächen gegen die Ohren, aberes nützte nichts. Mir war, als dränge das Geräuschaus mir selbst hervor.

Rhodan und die Offiziere der Manöverwachedurchschritten sogar die Zentrale. Ich bewunderte dieMänner! Sie hatten sich schnell an die neuartigenEffekte gewöhnt; wahrscheinlich schneller, als es einArkonide jemals nachahmen konnte. Diese Terranerwaren hart im Nehmen und noch härter im Geben.Sie besaßen ein Talent, das sie wahrscheinlich selbstnoch nicht erkannt hatten.

Ihre Anpassungsfähigkeit war für andere Völkerein Phänomen. Sie waren von der Natur reichbeschenkt worden. Besonders Perry Rhodan gehörtezu jenen Menschen, die sich sofort auf eine neueSachlage einstellen konnten.

»Man« wunderte sich nicht mehr über denLinearflug; man nahm es nach dem Motto: »Das mußfunktionieren und damit basta« als selbstverständlichhin.

Ich war erleichtert, als niemand meine Bestürzungbemerkte. Oder doch ...?

Argwöhnisch sah ich mich um. Ich staunte erneut,daß ich den Kopf drehen konnte.

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»Degenerationserscheinung!« gab mein Extrahirngefühllos durch. Ich war beschämt. Jefe Claudrin - ersaß neben mir - runzelte die Augenbrauen. Ich hatteihn zornig angesehen.

Mein Lächeln war nicht echt genug, um ihnberuhigen zu können. Ich bemerkte, daß er Rhodanein Zeichen gab. Der Terraner kam auf mich zu.

»Schwierigkeiten?« erkundigte er sich. Seinprüfender Blick regte mich noch mehr auf. »Unsinn.«

»Es ist der Flug, nicht wahr? In Ordnung, keineAufregung. Ich bin glücklich, einemArkonidenhäuptling - Verzeihung, einemArkonidenherrscher imponieren zu können.«

Oberst Claudrin lachte. Rhodans Ironie warverstanden worden. Erbost verließ ich meinen Platzund schritt zu dem Getränkeautomaten hinüber.Rhodan konnte auch zynisch sein. Aber - hatte ernicht Gründe dafür? Wie oft hatte ich ihm früher zuverstehen gegeben, wie klein die Menschen und wiegroß die Arkoniden waren?

Diese Überlegung gab mir meine Ruhe wieder. Alsder grauäugige Barbar nähertrat, konnte ich ihnanlachen.

»Du bist und bleibst ein Wilder. Auch Affenvertrauen sich einem Raumschiff an, ohne Komplexezu bekommen. Wenn du im fünfzehnten Jahrhundertgelebt hättest, wärst du wahrscheinlich Seeräuber,Eroberer oder ein von den Pfeffersäcken bezahlterAdmiral einer Hansestadt geworden. Du hättest dichauf der Heckgalerie einer Kogge gut ausgenommen.«

»Eine seltsame Unterhaltung an Bord einesLinearschlachtschiffes der solaren Raumflotte«,meinte Bully trocken. »Sonst habt ihr euch wohlnichts zu sagen?«

»Von deinen Taten wird später geredet«, mischtesich der Mausbiber ein. Anschließend lachte er soschrill, daß ich den Kalup überhörte.

Die robotgesteuerten Lautsprecher begannen zuplärren. Ich haßte die unmodulierten Laute. DieSonne Outside war schon formatfüllend. DerReliefschirm wurde von ihr bedeckt.

Der Abstand betrug nur noch elfhundertLichtjahre. Claudrins Befehle ließen uns die Plätzeeinnehmen. Die Reise hatte nicht länger gedauert alsein Clipperflug von Berlin nach Tokio im Jahre 1964.Ich fragte mich, ob Rhodan gelegentlich darandachte. Ohne die Arkonidentechnik hätten dieTerraner jetzt bestenfalls Primitivraumschiffe mitkernchemischen Triebwerken besessen. Nun flogenwir mit einem Riesenraumer in den interkosmischenRaum hinaus. Die Synchronautomatik schaltete denKalup ab. Das Dröhnen steigerte sich zu einemAufbrüllen. Dann wurde es still.

Ich fühlte den Schmerz, der während desEintauchens in den Normalraum entstand. Als wirwieder aufgenommen waren, befanden wir uns im

hochrelativistischen Geschwindigkeitsbereich dichtunterhalb der Lichtmauer. Sofort begannen dieDilatationserscheinungen, die uns vorgaukelten,weiterhin mit millionenfacher Überlichtfahrt auf dierote Sonne zuzurasen.

Die Umlenktriebwerke liefen auf Vollschub. ProSekundenquadrat wurden wir um fünfhundertKilometer langsamer.

Die Erscheinungen klangen ab. Obwohl wir jedesZeitgefühl verloren hatten, konnten wir an derBremsschubleistung der Impulstriebwerke ermessen,wie lange wir tatsächlich benötigten, um inerträgliche Fahrtbereiche zurückzukehren.

Vor uns lohte der einsame Stern. Wir stießen mitdreißig Prozent einfacher LG in das System vor.Später ging Rhodan in den freien Fall über. DieMessungen ergaben, daß keine kosmischeMikromaterie vorhanden war.

»Einsatzbesprechung«, dröhnte Rhodans Stimmeaus den Lautsprechern. »Offiziere und Unteroffizierein zehn Minuten in Messe II erscheinen. DieMannschaft hört mit. Das wissenschaftliche Teamerscheint ebenfalls Ende.«

Professor Kalup befand sich in der Zentrale. Rotanlaufend, korrigierte er:

»Das wissenschaftliche Team wird gebeten,ebenfalls zu erscheinen.«

Rhodan verzog keine Miene. Trocken sprach er indas Mikrophon:

»Sie haben den Ausspruch unseres Übermenschengehört. Schön, die Herren werden also gebeten. Nochetwas, junger Mann?«

»Ich verbitte mir diese Anrede!« brüllte derCholeriker.

»Wieso? Ich sagte wiederholt, Ihr Urgroßvaterhätte mein Sohn oder gar mein Enkel sein können.«

»Schon brav sein, Klein-Kalup«, meinte Bully.»Diese Erklärung trifft auch für mich zu. Als wir imJahre 1971 zum Mond starteten, üb erreichte mir IhreUrgroßmutter zwanzig rosa Nelken. Sie war damalsvier Jahre alt, sehr niedlich, trug ein entzückendesOrgandykleidchen und nannte mich Onkel. Waswollen Sie eigentlich?«

»Unverschämtheit!« Der Wissenschaftler stampftehinaus. Wir bemerkten aber noch, daß er imSchleusenraum zu lachen begann. Ich konnte ArnoKalup gut leiden. Er gehörte auch zu jenenMenschen, die sich lieber die Zunge abbissen, als einfreundliches Wort zu sprechen. Sein Zynismus warlängst durchschaut worden.

Ich blickte auf die Uhr, dann auf den Bildschirm.Die IRONDUKE schwenkte ein. Nun waren wir alsoin einem System, das vor uns noch kein Mensch oderArkonide gesehen hatte. Professor Teitsch hatte guteArbeit geleistet. Die Terraner waren Könner, darangab es nichts zu rütteln. Ich hätte freudig auf meine

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hohe Stellung verzichtet, wenn das Imperium nureine Million Arkoniden von der Art eines Rhodan,Teitsch oder Kalup gehabt hätte.

*

Die Einsatzbesprechung war kurz und trotzdeminhaltsvoll; also typisch für Rhodan. Was er infünfzehn Minuten angeordnet hatte, hätte für micheinen Arbeitsaufwand von wenigstens vier Tagenbedeutet. Er brauchte nicht zu programmieren undängstlich auf die sinngemäß richtige Ausführungseiner Befehle zu warten. In der solaren Flotte gab esniemand, der nicht sofort verstanden hätte.

Ehemals hatte ich angenommen, mit einertechnisch vollendeten Robotflotte Ordnung schaffenzu können. Was mir an Qualität gefehlt hatte, wardurch Quantität ersetzt worden. Es war ein schlechterWeg gewesen. Die Terraner faszinierten mich so, wiesie es immer getan hatten.

Das waren die zukünftigen Beherrscher derGalaxis! Zum Wohle aller konnte es nur gut sein,meine illusorische Macht in ihre Hände zu legen, umim Hintergrund als Freund, Berater undUnterbefehlshaber zu wirken. Für Arkon und meinVolk gab es keine bessere Lösung.

Ich hatte mich in diesen fünfzehn Minuten zueinem Entschluß durchgerungen, um den ich vorherjahrelang gekämpft hatte. Man wunderte sich übermich. Ich wirkte plötzlich gelöst und heiter. Rhodanmeinte sinnend, in meinen rötlichen Arkonidenaugenglimme wieder jenes Feuer, das er zur Zeit unseresKennenlernens bemerkt und auch gefürchtet hätte.

»Kennst du die Geschichte von dem Geizkragenund Nörgler, der kurz vor seinem Tode erstmals frohlächelte?«

»Nein!«»Ich kannte einen solchen Mann. Es ist lange her.

Seine Erben stritten sich an seinem Sterbelager. Nureiner wischte ihm den Schweiß von der Stirn undsagte ihm tröstende Worte. Der Nörgler wollte ihmGold und Macht hinterlassen, denn noch nie hattejemand uneigennützig seinen Kopf angehoben, umihm Wasser einzuflößen. Der Helfer lehnte ab. Dalächelte der Nörgler. Er hatte erkannt, wienebensächlich die Dinge waren, die er geschätzt undmit dem Schwert verteidigt hatte. Er war zu einerErkenntnis gekommen, verstehst du! Er zog einenSchlußstrich. Sein neues Leben begann imAugenblick seines Todes.«

Die Menschen sahen mich ernst an. Sie ahntenetwas. »Warst du der Helfer, Atlan?«

»Ja!«»Und wer war der Geizkragen und Nörgler? Wer

kämpfte mit dem Schwert und vergaß dabei die Liebezum anderen?«

»Ein Kaiser des Heiligen Römischen ReichesDeutscher Nation. Der Name ist unwichtig.«

Rhodan atmete tief ein. Seine Wangen hatten sichgerötet.

»Was willst du mit deiner Erzählung sagen?«Ich konnte wieder lachen. Ein Alpdruck war von

mir gewichen.»Später, kleiner Barbar. Auch ich habe einen

Entschluß gefaßt. Ich weiß nicht wie - aber er istunumstößlich. Atlan aus der Familie der Gonozal istnicht wetterwendisch.«

»Das hätte ein Wikingerfürst sagen können«,behauptete Bully.

»Ich war einmal einer«, erklärte ich. »TerranischeFachleute wollen heute noch nicht glauben, daß einnorwegischer Wikingerstamm schon zur Zeit Karlsdes Großen einwandfrei segeln und gegen den Windankreuzen konnte. Im Schlamm eines Nordfjordesliegt sogar ein Dampfschiff begraben. Baujahr 802nach Christi. Was wißt ihr von eurer Geschichte?«

Ich hätte beinahe die Besprechung sabotiert.Rhodan mußte seine Stimme erheben, um dieunsachliche Diskussion in die richtigen Bahnen zulenken.

»Später, Freund«, lächelte er verstehend. »Ich hörees auch gerne. Nanu, Claudrin - Sie haben jaglänzende Augen!«

»Das begeistert mich mehr als die ganzeRaumfahrt, Sir«, meinte der Epsalgeborene. »GroßerJupiter - Segelschiffe! Wie das klingt! Das riechtnach Salzwasser, das es auf Epsal nicht gibt; nachharten Männern mit hölzernen Gerätschaften undeisernen Muskeln. Ich höre das Donnern derBrandung, überschäumender Sturzseen und ...!«

»... ich spüre den Schmerz eines faulenden Zahnes,eines vereiterten Blinddarms und andererKrankheiten, an denen man armselig krepierenmußte. Amputationen ohne Narkose soll es auchgegeben haben, und die Hygiene dieser Zeit hättegerade Sie, Sie Sauberkeitsfanatiker, an den Rand desIrrsinns getrieben. Fragen Sie Atlan, dann vergehenIhnen die Flausen.«

Ich lachte schallend. Jawohl - so war es gewesen!»Darf ich jetzt bitten?« schrie Rhodan aufgebracht.

Die Männer nahmen Haltung an. Die Gesprächewurden abgebrochen.

Leutnant Brazo Alkher, jüngster Offizier derIRONDUKE, träumte mit offenen Augen. Wie leichtsie zu begeistern waren, diese erstklassigenSpezialisten einer spezialisierten Epoche.

»Ich rekapituliere«, fuhr Rhodan fort. »Wirbeginnen mit dem äußeren Planeten. DieFernanalysen laufen. Es wird wahrscheinlich einGasriese sein. Ich tippe auf Nummer II alsHeimatwelt der Erbauer. Die Tätigkeit der beidenRobotschiffe ist rätselhaft. Alles deutet darauf hin,

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als wären sie außer Kontrolle geraten. Dasverschollene Ernteschiff erhärtet diese Theorie.Wahrscheinlich stehen uns einige Überraschungenbevor. Die Technik der Erbauer istbesorgniserregend, und die Auskünfte desSaatschiffes besagen überhaupt nichts. Wir kennendie seltsamen Formulierungen eines Großrobots. Erist undurchsichtig. Sie, meine Herren, haben langegenug an den Einrichtungen des Saatschiffesherumgerätselt.«

Professor Kalup hüstelte. »Sie ebenfalls«,behauptete Rhodan. »Was gibt es da zu brummen?«

»Ich habe mich geräuspert!« erklärte Kalupdrohend. »Reichen Sie demnächst ein Gesuch ein,junger Mann. Handschriftlich, wenn es beliebt.«

Die Leutnants Alkher, Nolinow und MahautSikhra grinsten so, wie es Männer in diesem Altertun. Ich fand es wunderbar.

»Wir gehen vorerst in eine Kreisbahn von Pol zuPol. Angriffe werden nur dann beachtet, wenngefahrdrohende Waffen eingesetzt werden.Umschalten auf Robotautomatik. DenNarkosestrahler des Saatschiffes habe ich noch nichtvergessen. Wenn wir nochmals betäubt werdensollten, muß die IRONDUKE schleunigst aus derGefahrenzone gebracht werden. Das sind diegenerellen Anweisungen. Beachten Sie IhreSpezialbefehle. Noch Fragen?«

Nein, man hatte keine mehr. Rhodan beendete dieUnterredung und kehrte in die Zentrale zurück. DasSchlachtschiff stieß tiefer in das System vor.

Planet Nummer III, war, wie vermutet, einlebensfeindlicher Gasriese. Die Materietasterbrachten Aufschlüsse über die Zusammensetzung derAtmosphäre. Die Mutanten konnten keineparapsychischen Hirnimpulse feststellen. DieErfahrung lehrte, daß auf solchen Welten keinwirklich intelligentes Leben entstand. PrimitiveFormen mochten existieren, aber die interessiertenuns nicht.

Nummer I stand nahe. Der zweite Planet verbargsich hinter der roten Sonne. Also flogen, wir erst deninneren Himmelskörper an. Seine Oberfläche warglutflüssig. Auch hier gab es kein Leben.

Rhodan stoppte die Fahrt und forderte nochmalsKlarmeldungen von jeder Station an. Ich fühlte seineUnruhe. Vor mir konnte er sie nicht durch seinegekünstelte Ruhe verbergen.

Ich dachte über die »Aussprüche« des Saatschiffesnach. Es war ein kybernetisches Ganzes;hochspezialisiert und kompliziert.

Bei solchen Konstruktionen waren Fehler an derTagesordnung. Bei der Befragung, warum dieErbauer nicht ausgewandert seien, um anderswo ihrnahrhaftes Moos anzubauen, wurde geantwortet »siewandern nicht aus - sie sind!«

Was war darunter zu verstehen? Was bedeutete»sie sind«?

Aus anderer Perspektive betrachtet, stand es fest,daß sowohl der Scout als auch das Saatschiffunsinnig handelten. Das Aussäen des Mooses warunlogisch, wenn das Ernteschiff niemals auftauchte,um die Sporen einzusammeln. Was war daraus zufolgern?

Mein Extrahirn sagte mir, die Erbauer hätten diedefekt gewordenen Schiffe aufgegeben und andereEinheiten gleicher Konstruktion ausgeschickt.

Diese Lösung klang einleuchtend, vorausgesetzt,die Unbekannten hatten es nicht doch vorgezogen,eine andere Welt zu besiedeln. Bei längeremNachdenken waren die Auskünfte des von Rhodanlahmgeschossenen Saatschiffes unbedeutend. Wirhatten nur wenige Tatsachen herauskristallisierenkönnen; so die Existenz eines galaktischen Volkes,das sich durch die Atemwege ernährte, weil es keineVerdauungsorgane besaß.

Ferner stand fest, daß die Heimatwelt dieserIntelligenz abgekühlt war - wahrscheinlich durch eineÄnderung der Umlaufbahn. Es konnte auch einekosmische Katastrophe stattgefunden haben oder eineEiszeit, wie sie aus der irdischen Geschichte bekanntwar.

Das waren Faktoren, mit denen wir rechnenkonnten. Die Auskünfte des Großroboters warenunbrauchbar.

Ich wartete, bis die IRONDUKE wieder Fahrtaufnahm. Der zweite Planet lugte als Sichel hinterdem Feuerball der Sonne hervor.

Unsere Ortungsstationen waren doppelt besetzt.Wir empfingen jedoch keine fremden Funksignale.

»Sie werden degeneriert sein«, überlegte Bullylaut. Blinzelnd schaute er auf die Reliefschirme derEchotaster. Die Triebwerke des Schlachtschiffesdröhnten. Wir rasten mit hoher Beschleunigung aufdie Sonne zu. Rhodan wählte den kürzesten Weg.

Die Kraftwerke liefen an. Sie versorgten dieEnergieschirme mit Arbeitsstrom. Wir flogen mitfünfundzwanzig Prozent einfacher LG in einerEntfernung von acht Millionen Kilometern anOutside vorbei. Die magnetischen Stürme imgravitationsmechanischen Prallfeld wurden vonniemand beachtet. Ich zeigte meine Besorgnis nicht.Sie waren etwas zu tollkühn, die Eroberer von Terra.

Das Tosen wurde schwächer, je weiter wir uns vondem kosmischen Atomofen entfernten. Der zweitePlanet wanderte in voller Rundung auf dieFrontbildschirme ein. Die optischeAußenborderfassung arbeitete nun ebenfalls. Soerhielten wir ein farbiges Drei-D-Bild von demHimmelskörper.

Dennoch dauerte es noch zwei Stunden, bis wirnahe genug herankamen. Während dieser Zeit hatten

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wir unablässig beobachtet, gemessen und analysiert.Der Planet bot keine klimatischen, atmosphärischenund geographischen Geheimnisse mehr, obwohl wirihn noch nicht betreten hatten.

Die physikalischen Tastermessungen wurdenbekanntgegeben, als die Umlenktriebwerke mit vollerBremsbeschleunigung eingeschaltet wurden.

Die Rotation betrug nur 13,42 Stunden. Es gabalso rasch wechselnde Tages- und Nachtgleichen.Die Schwerkraft belief sich in Äquatorhöhe auf 0,89Gravos.

Die Sauerstoffatmosphäre glich der irdischen in3000 Metern Höhe. Sie war atembar. Die mittlerenTemperaturen lagen um den Gefrierpunkt. Infolgeder schnellen Rotation konnte es kaum zuklimatischen Extremen kommen.

Meere oder größere Flüsse waren nicht erkennbar.Die eisbedeckten Pole ließen den Planeten noch mehrdem solaren Mars ähneln. Maße, Dichte, Neigung zurBahnebene und was der Dinge mehr waren,beschäftigten uns nur am Rande. Für uns war eswichtig, zu wissen, daß man mit warmer Kleidungund ohne Atemgeräte auskommen konnte.Dementsprechend erhielten die Führer derEinsatzkommandos ihre Anweisungen.

Die geringe Schwerkraft war willkommen. DieAusrüstungen der Landeeinheiten besaßen unterirdischen Verhältnissen ein beachtliches Gewicht.

Dreihunderttausend Kilometer vom zweitenPlaneten entfernt kam die IRONDUKE zur Ruhe. DieFahrt war beendet. Jetzt begannen die Teleskope undRelieftaster zu arbeiten. Die Fernanalyse wurdebestätigt.

Wir entdeckten riesenhafte Wüstengebiete, derenRotbraun auf eine starke Oxydation schließen ließ.Wieder wurde ich an den Mars erinnert. Dieerkennbaren Höhenzüge erreichten nur an wenigenStellen eine Gipfelhöhe von tausend Metern.

Alles in allem handelte es sich um eine Welt, derenZerfall schon vor wenigstens hunderttausend Jahrenbegonnen hatte. Vielleicht waren es Jahrmillionen,wir wußten es nicht.

Sicherlich war Nummer II ehemals ein Lebenzeugender, fruchtbarer Himmelskörper gewesen.Niemand konnte sagen, wieso er sich von seinerSonne entfernt hatte. Die Lufthülle wurde vonWolkenschleiern getrübt. Dazu bemerkten wir hierund da aufgewirbelte Sandmassen, die auf Stürmeschließen ließen.

Als ich noch vor den Bildschirmen stand undversuchte, das Rätsel um die Erbauer zu lösen, gabdie Funkzentrale Alarm. Rhodan drückte auf denSchalter der Interkomanlage. Das Gesicht desDiensthabenden wurde erkennbar.

»Seit einer Minute empfangen wir Funksignale,Sir«, teilte er aufgeregt mit. »Normale

Ultrakurzwellen. Die Zeichen kommen nur schwachdurch, doch dafür nehmen sie kein Ende. Da ist einbeachtlicher Betrieb, Sir.«

»Ultrakurzwellen?« fragte Rhodan ungläubig.»Jawohl, Sir.«

»Sonst nichts? Wie steht es mit anderenImpulsen?«

»Überhaupt keine, Sir. Der Planet besitzt eineReflektorschicht. Die ultrakurzen Wellen sind nochvernehmbar. Einfache Kurzwellen können wir nichtempfangen. Die Frequenzen schwanken, aber sieliegen alle auf UKW. Man scheint hauptsächlich denSprechfunkverkehr anzuwenden.«

»Seltsam! Wirklich keine Hyperkomimpulse ? Sieirren sich nicht?«

»Auf keinen Fall, Sir. Wie gesagt, herrscht dafürauf UKW ein toller Betrieb.«

»Haben Sie eine Dechiffrierung versucht?«»Der Automat läuft, Sir. Bisher handelte es sich

nur um Symbolgruppen. Völlig unverständlich.«Rhodan schaltete ab. Ich sah ihn gespannt an.

Anschließend sprach er jene Worte aus, die ich aufterranischen Kampfschiffen oft gehört hatte. Siewaren schon zu Nelsons Zeiten gebraucht worden.Die solare Flotte hatte sie übernommen.

»Mr. Claudrin, klar Schiff zum Gefecht. Wirwollen den Unbekannten vorsichtshalber dieWaffentürme zeigen.«

»Lassen Sie Klarschiff anschlagen, Mr.Krefenbac«, gab der Kommandant den Befehl an denErsten Offizier weiter.

Der 10 drückte auf den roten Schalter. ImKugelleib des Schlachtschiffes begannen die Sirenenzu heulen. Das waren altvertraute Geräusche. Wie ofthatte ich selbst die Gefechtsbereitschaft angeordnet;wie oft war ich in eine Schlacht geflogen, um ArkonsGegner mit dem Atomfeuer meiner Breitseiten zubegrüßen. Ich wünschte mir in dem Moment, nocheinmal den Befehl über ein Geschwader zu erhalten.

Die IRONDUKE glich jetzt einemAmeisenhaufen. Alles wimmelte eilig durcheinander.Das darin liegende System konnte nur einEingeweihter verstehen. Da glückte jeder Handgriff,jede Schaltung. Ich lauschte auf das Poltern derautomatisch zuschlagenden Panzerschotte, von denendie Zelle in mehr als zweitausend hermetischabgeschlossene Abteilungen aufgegliedert wurde.Eine gute Unterteilung des Schiffskörpers war ebensowichtig wie die Anordnung der Waffen.

Die 43-Zentimeter-Kontrollbildschirme leuchtetenauf. Jeder zeigte eine andere Abteilung. DieZentralebesatzung war jederzeit mit denMannschaften verbunden. Blaulampen wiesen aus,daß die Automatik auf Funksprechverkehrumgeschaltet hatte.

Kabelverbindungen konnten von einem

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Wirkungstreffer zerstört werden. Die Terraner hattenkeine Kosten gespart, um auch diese Fehlerquelle zubeseitigen.

Außenbordkameras nahmen die aus dem Rumpfhervortretenden Panzertürme auf. Sie wurdenhydraulisch ausgefahren, was ich bemerkenswertfand. Auf arkonidischen Kampfschiffen geschah esmit Hilfe von Magnetfeldern. Da sie auf atomareStromquellen angewiesen waren, zeigten Trefferschwere Folgen. Die Türme wurden unbeweglich,selbst wenn sie nicht beschädigt worden waren. DieTerraner wendeten eine uralte, aber narrensichereMethode an. Jeder Kanonenturm besaß eine eigeneHydraulik, die notfalls mit Handpumpen bedientwerden konnte. Das waren Schiffe, die einen altenAdmiral von meiner Art begeistern konnten.

Tradition und modernste Technik waren glücklichvereint worden. Nach zwei Minuten liefen die erstenKlarmeldungen ein. Nach drei Minuten hatte jedeStation die volle Gefechtsbereitschaft mitgeteilt.

Das waren Werte, die Arkoniden niemals erreichthatten. Die Besatzung der IRONDUKE schien ausArtisten zu bestehen. Wie waren die Männer soschnell auf ihre Gefechtsstationen gekommen?Wahrscheinlich ließen sie sich durch Preßluftröhrenschießen.

»Viel zu langsam, villel ... zuuu ... langsam!« sagteder Kommandant gedehnt. »Das habe ich schonbesser gesehen. Machen Sie sich nach dem Einsatzauf verschiedene Übungen gefaßt. Geben Sie dasdurch, Mr. Krefenbac.«

Rhodan schmunzelte; ich war erschüttert.»Fahrtaufnahme in drei Minuten«, ordnete der

Administrator an. »Polbahn,Sechzigminuten-Umlauf. Berechnen, einschwenken.Ausführung ...!«

Ich war der kritischste Beobachter an Bord. Ichzog Vergleiche zwischen Menschen, Arkoniden undallen raumfahrenden Völkern, die ich kannte. DieTerraner schnitten am besten ab.

Die Triebwerke donnerten kurz auf. Fünf Minutenspäter erfolgte schon das Anpassungsmanöver. Unteruns wölbte sich der zweite Planet der Sonne Outside.

Die Kraftwerkstationen rumorten. UnsereEnergieschirme hielten schon ein Atomgewitter aus.-Ich glaubte jedoch nicht mehr daran, mitOffensivwaffen empfangen zu werden.

John Marshall deutete vorwurfsvoll auf meinenRaumanzug. Ich legte ihn an, da es zurDienstordnung gehörte. Jetzt ließ Rhodan sogar dieHelme schließen und auf Funkverkehr umschalten.Der Terraner war sehr vorsichtig. »Na also!« sagtejemand. Ich wollte nach dem Sinn des Ausspruchesfragen, doch da entdeckte ich ebenfalls die Stadt. Siegleißte auf den Schirmen der Fernoptik.»Vergrößern!« forderte Rhodan. Die Stadt schien ins

Schiff hineinzuspringen. Wir erkannten Gebäude vonverschiedenartiger Architektur. Etwas hatten siejedoch gemeinsam: Sie bestanden anscheinend auseinem Gitterwerk von silbern leuchtenden Stäbenoder Tragelementen.

»Hmm ...!« räusperte sich Rhodan. »Fliegen wirweiter. Alle Eindrücke auf Film festhalten.Auswertung vorbereiten.«

Wir umrundeten den Planeten, der infolge seinerEigenrotation unter uns hinwegdrehte. Wenn wirlange genug auf unserer Bahn blieben, mußten wirbald über die gesamte Oberfläche orientiert sein. Ichwunderte mich, daß Perry keine Sonden ausschickte.Die Kartographierung hätte in zwei Stunden erledigtsein können.

Die Ortung teilte mit, es wären Luftfahrzeugeausgemacht worden. Da wußte ich, warum er keineMeßkörper aus den Tuben schoß. Die Energietastersprachen ebenfalls an. Die Auswertung erschrecktemich.

Unter uns wurde mit komplizierten Kernprozessengearbeitet. Rhodans Gesicht war unbewegt, als ersagte:

»Sehr seltsam, meine Herren! Man beherrscht denhochwertigsten Kohlenstoff-Katalyse-Kreislauf, denich kenne, aber man funkt nur mit ultrakurzenWellen, die in keinem Verhältnis zu dieserkernphysikalischen Wissenschaft stehen.Vergleichsweise könnten wir die IRONDUKE mitPfeil und Bogen, anstatt mit Impulsgeschützenbewaffnen. An Mr. Alkher - halten Sie dieFingerkuppen auf den Knöpfen der Feuerorgel!«

5.

Unsere Zielpositronik hatte um eine Mikrosekundeschneller gearbeitet. Ich wurde vom Feuerschlag derBreitseite durchgeschüttelt. Das Donnern ließ dieZelle erbeben; aber der rechtzeitig georteteWaffenstrahl zuckte an der IRONDUKE vorbei.

Unter uns, etwa siebzig Kilometer entfernt,explodierten fünf zuckerhutförmige Geschützkuppelneiner Abwehrfestung wie Atombomben.

Der aufsteigende Pilz bewies, daß ein schnellerKernverschmelzungsprozeß stattgefunden hatte. DieDruckwelle pfiff über das flache Land, erzeugteeinen Stauborkan und zerstörte die Bauwerke in dernäheren Umgebung.

Wir spürten nichts davon. Zehn Sekunden vor derFeuereröffnung hatte der Telepath John Marshallerklärt, auf dieser Welt gäbe es kein lebendes Wesenmehr.

Marshalls Auskünfte waren zuverlässig. Er und dieanderen Mutanten des Korps hatten sich noch niegeirrt. So hatte Rhodan auf das Fort schießen lassen,als dessen Automatik die IRONDUKE angegriffen

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hatte.Auf den Bildschirmen der optischen Erfassung war

außer dem Überbleibsel der Kernreaktion nichts zusehen. Die Luftfahrzeuge, die wir vorher bemerkthatten, waren verschwunden.

Zu meiner Überraschung tauchten sie wieder auf,als die Detonationswolken von dem aufkommendenSturm abgetrieben wurden.

»Sind die Flugkörper unbemannt?« erkundigte sichRhodan.

Marshall und Gucky lauschten erneut mit ihrenunbegreiflichen Sinnen. Die Frauen des Korps flogendiesen Einsatz nicht mit. So fehlten uns mit BettyToufry und Ishy Matsu zwei wertvolle Telepathen.

»Kein Leben«, entgegnete John. »Auf dieser Weltgibt es kein denkendes Gehirn.«

Rhodan sah sich unschlüssig um. DasSchlachtschiff stand fahrtlos über der Wüste. Weiteröstlich erstreckte sich ein Höhenzug. Davor hatte dasFort gelegen. Südlich des Gebirges hatten wir dieBauwerke der Stadt entdeckt. Es war die größte aufeiner Welt, die ich in diesen Augenblicken auf denNamen Mechanica taufte.

Wir hatten die Oberfläche gewissenhaft abgesucht.Die meisten Ansiedlungen waren zerfallen, aber diekleinen Robotschiffe waren überall zu sehen. Sieschienen einer uralten Programmierung zugehorchen. Jede Einheit flog einen Geländesektor ab.Hier und da hatten wir Pulks von kugelförmigenGebilden gesichtet. Man hatte sich nicht um unsgekümmert.

Auch die anderen Abwehrstationen, die wir naheder Städte entdeckt hatten, waren nicht aktivgeworden. Jene, die Rhodan soeben vernichtet hatte,war die einzige gewesen, die eine Spur vonmechanisch gesteuerter vorprogrammierter Aktivitätverraten hatte.

Ich teilte den Terranern mit, wie ich den Planetengenannt hatte.

»Nicht übel, scheint auf den Sandhaufen zupassen«, meinte Bully. »Was nun? Die Sache siehtfür meine Begriffe etwas zu harmlos aus! Noch sindwir in der Luft. Ich würde auf keinen Fall landen.«

Rhodan schaltete die Optik aufVergrößerungsstufe zwanzig. Die Turmbautenwurden größer, aber unscharf in der Bildqualität. Eswaren die typischen Verzerrungseffekte im Bereicheiner Atmosphäre.

»Du sprichst mir aus der Seele. Wir landentrotzdem.«

»Was ...?«»Unser Vorhaben wäre sonst zu schwierig. Wir

sichern das Schiff ab. Dann mag kommen, was will.Marshall ich frage nochmals mit allem Ernst, ob esauf Mechanica organisches Leben gibt oder nicht?«

»Kein Leben, Sir.«

»Ich bestätige«, piepste Gucky, der verlangend aufdie Schirme schaute. Mit einer großartigenBewegung seiner Pfote fügte er hinzu:

»Das sind sture Robots, die genau das tun, wasman ihnen vor vielleicht zehntausend Jahren gesagthat. Die hören nicht eher mit dem Unfug auf, bis sieverrostet abstürzen. Alles ist mechanisch. Ich werdedie Maschinen vom Schiff fernhalten.«

Unsere ironischen Blicke ignorierte er. Der Kleinefühlte sich wieder einmal sehr stark. DerFunkverkehr auf Mechanica hatte sich nichtverändert. Wir empfingen zahllose Zeichen, dieteilweise auch auf Mittel- und Langwelle einliefen.

Es stand fest, daß die Robotschiffe damit gesteuertwurden. Als wir zu dieser Erkenntnis gekommenwaren, hatten wir nach dem Sender gesucht.Anfänglich waren uns Irrtümer unterlaufen, da esüberall Stationen gab. Es waren jedoch nurRelaisblocks, die von einer Zentrale versorgt wurden.

Wir hatten sie zusammen mit der Riesenstadtentdeckt. Es mußte ein Robotsender existieren, dergleichzeitig auf sehr vielen Frequenzen funkte.

Die Funkspezialisten der IRONDUKE schätztendie Gesamtleistung auf etwa fünfzigtausend Kilowatt.Den für die Abstrahlung dieser Befehle notwendigenAntennenwald konnte ich mir vorstellen.Genaugenommen mußte die Zentrale aus zahlreichenSendern bestehen, es sei denn, man hätte einen Weggefunden, um mit einer Anlage gleichzeitig aufeinigen hundert Frequenzen arbeiten zu können. Ichhielt es für unwahrscheinlich. Wenn die Zeichennacheinander gekommen wären, hätte eine Stationgenügt. Auch wir verwendeten elektronische Tasterzur Verschlüsselung bestimmter Nachrichten über diegesamte Länge eines Frequenzbandes hinweg.

Damit wurden ohnehin kurze Rafferimpulsenochmals aufgespalten. Hier war es nicht der Fall.Alle Bordempfänger registrierten die verschiedenenZeichen im gleichen Augenblick. Es mußte eineVielzahl von Stationen geben.

»Wahrscheinlich wird jede Roboteinheit oderspezialisierte Arbeitsgruppe von einer besonderenStation gelenkt«, meinte Rhodan sinnend.

Ich nickte bestätigend. Er hatte ähnlicheÜberlegungen angestellt.

»Energieortung südwestlich der Stadt, Entfernunghundertdreiundzwanzig Kilometer, Standort inhundertzweiundneunzig Grad. Energieart - gesteuerteKernfusion. Anscheinend eine zweite Festung, Sir.«

Rhodan lauschte der Meldung nach. Zögernd griffer zum Mikrophon. Die Zentralebesatzung verhieltsich schweigsam. Oberst Jefe Claudrin umklammerteden Schalter der Notbeschleunigungsautomatik.

Rhodan fragte abermals, ob es hier Leben gäbeoder nicht. Wieder verneinten die Mutanten.

»An Ortung - sind wir im Sichtbereich des Forts?«

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»Jawohl, Sir. Etwa zwanzig Kilometer über demEchohorizont.«

»Angreifen«, riet ich. »An den Maschinen istnichts verloren, und wir ersparen uns einen Treffer.«

»Physikalisches Labor«, meldete sich derMathematiker Riebsam über Interkom. »Dervorbeigegangene Energiestrahl stammte aus einemNarkosegeschütz. Keine thermische Wirksamkeit,keine Reststrahlung im Außenschirm. Vorsicht. DieForts scheinen mit der gleichen Waffe zu arbeiten,die von dem Saatschiff gegen uns verwendet wurde.«

»Sehr human«, sagte ich trocken. »Ich würdetrotzdem angreifen. Wer weiß, was in einem Robotvorgeht.«

Gleich darauf wurde ein drittes Fort ausgemacht.Es lag jedoch weit östlich der Stadt, die demnach voneinem Festungsring umgeben war.

Rhodan erteilte endlich seine Befehle. EinSchubstoß der Triebwerke ließ die IRONDUKE nachoben gleiten. Aus achtzig Kilometern Höhe waren dieGeschütztürme gut sichtbar.

»An Feueroffizier - Ziel liegt in 192 Grad.Erkannt?«

»Ziel erkannt. Sir«, antwortete Brazo Alkher. Ichwunderte mich nicht mehr, daß ein Mann mit denDienstgrad eines Leutnants die Feuerleitzentrale desSchlachtschiffes führte. Alkher war ein Phänomen.Rhodan schien zu wissen, weshalb er Brazo nochnicht befördert hatte. Ich durchschaute PerrysAbsichten. Alkher würde zu jenen Männern gehören,die einmal die Geschichte des Solaren Imperiumsmitlenken würden. Rhodan wollte ihn möglichstlange unter Kontrolle haben.

»Feuer frei.«Perry hatte kaum ausgesprochen, als die

IRONDUKE erneut nach Feuerlee gedrückt wurde.Ich schloß geblendet die Augen, Sonnengluten rastenauf die Festung zu. Sie verging ebenfalls in einerheftigen Explosion.

Wir warteten, bis sich die Druckwellen verlaufenhatten. Die unbekannte Stadt wurde vonemporgerissenen Sandmassen eingehüllt. DieKristalle bildeten eine Reflektorschicht, die jedenOrtungsstrahl zurückwarf.

Eine Stunde später flaute der Sturm ab. DieTurmbauten standen noch. Wenn einige eingestürztwaren, konnten wir es nicht sehen. Die Senderarbeiteten nach wie vor.

Rhodan lehnte sich seufzend zurück. »Jetzt bin ichdavon überzeugt, daß diese Welt den NamenMechanica verdient. Das ließe sich kein Lebewesengefallen. Fliegen die Robotschiffe noch?«

»Große Pulks steigen auf. Andere landen. AmHorizont bewegen sich längliche Flugkörper.«

»Sonst bemerken Sie nichts?« Die Stimme desDiensthabenden klang verzweifelt.

»Nichts, Sir, bestimmt nichts. Niemand kümmertsich um uns.«

Rhodan ging zur Fernbildzentrale hinüber. Erschwenkte die Kameras herum, bis sie einhochliegendes Felsplateau erfaßten.

»Mr. Claudrin, landen Sie am Fuße derHochebene. Die obere Polkuppel des Schiffes wirdwohl noch darüber hinausragen. Trotzdem finden wireine gute Deckung.«

Wir gingen zur Zentrale zurück. Die IRONDUKEnahm Fahrt auf. Auf einem Kontrollschirm sah ichBrazo Alkher. Er saß vor dem Hauptschaltpult derpositronischen Feuerleitanlage. Seine Fingerspitzenruhten auf den Waffenknöpfen. Er konnte Mechanicanotfalls in eine Hölle verwandeln.

Nur noch zweitausend Meter hoch trieben wir überden Boden hin. Dabei geschah es, daß zwei deremsigen Robotschiffe in unsere Schutzschirmegerieten. Sie vergingen in hellenLeuchterscheinungen.

Wir warteten atemlos. Alkher hatte sich weiternach vorn gebeugt. Als nach mehreren Minutennichts geschehen war, entspannten wir uns wieder.Rhodan lachte unsicher auf. »Wenn das nicht dieRuhe vor dem Sturm ist, will ich nicht mehr Rhodanheißen.«

»Und ich schlucke die IRONDUKE alsKopfwehpille«, schrie Gucky. »Man muß uns dochbemerkt haben!«

Die Landebeine wurden ausgefahren. Ohnenachzufedern, setzte das achthundert Meterdurchmessende Riesenschiff auf. Die aufgeklapptenLandeteller versanken im Gelände, bis sie auf Felsstießen. Die Automatik glich die Schräglage aus.Bein IV und VII wurden weiter gestreckt, andereStützen zogen sich zusammen.

Die Schwerkraftneutralisatoren liefen aus. Nur dieLeistungsmeiler der Kraftwerke arbeiteten nach wievor mit Vollast. Unsere Schutzschirme waren aufVerdichtungsstufe XII geschaltet worden. Eng denSchiffskörper umspannend, berührten sie nicht mehrden Boden. Ich kannte keine Energiewaffe, mit derman diese Energieballung hätte durchschlagen oderneutralisieren können.

Terranische Schlachtschiffe waren ohnehin nurdurch volle Breitseiten eines wenigstens dreifachüberlegenen Gegners zu schlagen. Wir waren sicher.

Die Sonne neigte sich dem Horizont zu. Die kurzeNacht des Planeten Mechanica brach an.

Alpträume quälten mich. Zeitweilig fuhr ich auf,um nervös auf etwas zu lauschen, was mir meinekrankhaft erregte Phantasie vorgaukelte. Die Nachtwürde nur fünf Stunden dauern, und ich hatte nochkeine Minute erholsam geschlafen. Schwer atmendlegte ich mich zurück, tastete nach dem Schalter derLüftungsautomatik und ließ die Schaumstoffmatratze

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durchblasen.Meine Kabine war groß und gefällig eingerichtet.

Ich hatte Perry im Verdacht, mir seinen Raumabgetreten zu haben. Das änderte aber nichts daran,daß ich keinen Schlaf fand.

Mein Logiksektor meldete sich alle Augenblickemit Warnimpulsen und Hinweisen. UnserUnternehmen war bisher ergebnislos verlaufen. AnBord der IRONDUKE schien man vergessen zuhaben, weshalb wir gekommen waren. Es ging nichtdarum, einen mechanisierten Himmelskörper zustudieren und mehr oder weniger geschickt seinenGefahren zu begegnen.

Entscheidend wäre die Entdeckung desErnteschiffes. Ich vermutete es auf dieser Welt. Wohätte es sonst sein sollen? Logisch betrachtet, mußtees zu einer vom Saatschiff verseuchten Weltlosfliegen, Um anschließend die Ernte auf Mechanicaabzuliefern.

Dagegen sprach die Tatsache, daß die Erbauerausgestorben waren. Wenn aber sonst noch alles inOrdnung war, warum sollte das Erntefahrzeug nichtmehr einsatzklar sein? Die Sender funkten noch;zahllose Luftfahrzeuge glitten über die Wüstenhinweg, und das Fort hatte ebenfalls reagiert.

Nach einstündigem Grübeln glaubte ich, dieLösung gefunden zu haben. Es stand fest, daß Scoutund Saatschiff nicht mehr nach dem Urprogrammhandelten. Die Positionsdaten wurden nicht mehr anMechanica gefunkt, weshalb das Ernteschiff auchnicht starten konnte. Also mußte es hier sein; hier,auf der toten Welt inmitten des sternenlosenAbgrundes zwischen den Milchstraßen.

Nun konnte ich keine Ruhe mehr finden. Erbostauf mich selbst, schwang ich die Beine über denRand des Lagers. Rhodan schlief nebenan. Ich hattevor, ihn ebenfalls aus der Ruhe zu reißen.

Ich schlüpfte in meine prunkvolleImperator-Uniform und ging auf das Schott zu. Alsich den Öffnungsknopf drücken wollte, schämte ichmich plötzlich. Wie konnte ich nur auf den Gedankenkommen, dem Freund den Schlaf zu rauben.

Ich schimpfte in jener Sprache, die zur Zeit derNormannen gesprochen worden war. Verbittert setzteich mich auf die Kante des Bettes und zerrte anmeinen Fingern, daß die Gelenke knackten.

Anschließend begann ich darüber nachzudenken,mit welchem Trick man die Robotsteuerung desErnteschiffes dazu verführen könne, schleunigstArkon II anzufliegen, um mein Volk zu retten.

Wir mußten einen Schiffssender umbauen, dierichtigen Impulse austüfteln, in den Raum starten undvon dort aus das Saatschiff imitieren. Nur so war eineLösung möglich.

»Möglich ...?« fragte mein Logiksektor höhnischan. Ich preßte die Hände gegen meine Stirn und

verurteilte jene Wissenschaftler, die mein Extrahirnvor vielen Jahrtausenden aktiviert hatten.

»Sinnlos!« sagte der Logiksektor. »Rufe den Arzt.Ein Tiefschlaf wäre angebracht.«

Ich erkannte, daß ich auf dem besten Wege war,durchzudrehen. Ich vertiefte mich in eineYogaübung, wie ich es im alten Tibet gelernt hatte.Es half. Meine Unruhe legte sich.

Ein fürchterliches Brüllen fuhr mir so in dieGlieder, daß ich verstört aufsprang. Die Töne kamenaus dem Lautsprecher der Rundrufanlage. DieAlarmsirenen begannen zu heulen.

Ich durchquerte die Kabine, stolperte über einenWandhocker und fiel zu Boden.

Hastig tastete ich nach dem Lichtschalter. MeinImpulsstrahler lag auf dem Arbeitstisch. Ich legte denGürtel mit der Waffentasche um und rannte zur Tür.

Draußen angekommen, hörte ich das Schreiennoch deutlicher.

»Kommandant spricht, was ist los?« dröhnteClaudrins Stimme aus den Lautsprechern.

Jemand antwortete mit so schriller Stimme, daßkein Wort zu verstehen war.

»Wachoffizier spricht«, mischte sich ein andererMann ein. »Der Posten Gewächshallen sichtet einPhänomen. Sämtliche Pflanzen sind aus demNährboden oder aus den Salzlösungen gerissenworden. Sie hängen an der Decke.«

»Ortung an Kommandant«, fiel ein dritter Mannein. »Ein Pulk von Kugelkörpern streicht über unshinweg. Wir messen eine eigenartige Strahlung. Sieist ungefährlich.«

Rhodan kam aus seiner Kabine. Wortlos rannte eran mir vorbei. Ich folgte ihm mit schußbereiterWaffe.

Wieso konnte man eine unbekannte Strahlunganmessen, wenn die IRONDUKE von den bestenSchutzschirmen der Galaxis eingehüllt war? Esmußte etwas sein, was von den Feldern nichtabsorbiert oder reflektiert werden konnte.

Natürlich befand sich die Besatzung in vollerGefechtsbereitschaft. Alle Stationen waren besetzt.Die Männer, die jetzt in dünner Unterkleidung durchdie Gänge eilten, gehörten zur Freiwache.

Ich konnte mich später nicht erinnern, wie ich vomÄquatordeck hinunter in die Gewächshallengekommen war.

Alle terranischen Raumschiffe waren mitTreibhäusern ausgerüstet, in denen vitaminreicheNutzpflanzen gezüchtet wurden. Frischgemüse warbei langen Reisen unerläßlich, und außerdem dientendie Pflanzen noch zur natürlichen Regulierung derSchiffsatmosphäre.

Die Mutanten waren schon anwesend. DieTeleporter waren natürlich gesprungen, wie mir RasTschubai überflüssigerweise erklärte.

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Jemand lachte hysterisch. Reginald Bull trug einenlila Pyjama, der mit gelben Schmetterlingen und rosaKleeblättern bedruckt war. Das hätte man zur Notnoch ansehen können, wenn er nicht einen armlangenImpulsstrahler in den Händen gehalten hätte. In soabenteuerlicher Aufmachung hatte ich die Besatzungeines terranischen Schlachtschiffes auch noch nichterlebt.

»Ruhe an Bord«, schrie Rhodan. Er hattewenigstens eine Uniformhose an. Auf seiner nacktenBrust baumelte der Zellaktivator, der seinemunglücklichen Sohn zum Verhängnis geworden war.

Der Posten »Gewächshaus«, ein junger Mann mitstrohblonden Stachelhaaren, stotterte immer noch.Bestimmt war er ein hervorragender Soldat, aber diewildgewordenen Pflanzen schienen ihm fast denVerstand geraubt zu haben.

»Kommen Sie zu sich«, sagte Rhodan ruhig. Eswurde still. »Was ist los? Warum haben Sie Alarmgegeben?«

»Sir - ich - sehen Sie selbst!« Wir schritten in dasvordere Treibhaus hinein. Es waren langgestreckteRäume, in denen Kunstsonnen brannten. Die besteMuttererde von Terra wurde dazu verwendet, um denBedarf der Raumfahrer sicherzustellen. In anderenRäumen standen die Behälter mit Nährflüssigkeiten.Man hatte Spezialpflanzen gezüchtet, die inRaumschiffen besser gediehen als auf der Erde selbst.

»Ich werde verrückt!« sagte Bully. Fassungslosstarrte er zur Decke hinauf.

Ich blickte dagegen auf die kahlen Beete, die vonRoboteinrichtungen gepflegt wurden. Hier warenverschiedene Salate und vitaminreiche Karottenangepflanzt worden, aber von dieser Pracht war jetztnichts mehr zu sehen. Die landwirtschaftlichenErzeugnisse klebten an der Decke, als hätte man siefestgeleimt.

»Meine Karotten«, schrie der Mausbiber außersich. »Meine Karotten! Es waren runde, besonderssaftige.«

Rhodan zog mich am Arm zurück. Die nach obengestiegenen Pflanzen zerfielen und verflüssigten sichdann. Wir flüchteten vor dem Saftregen nachdraußen.

»Ortung an Chef - Kugelschiffe entfernen sich. DieStrahlung läßt nach - ist nicht mehr meßbar. Ende.«

Da ahnten wir, was geschehen war. Rhodanhustete. Bull fuhr sich mit dem Handrücken über dieroten Bartstoppeln.

»Merkt ihr etwas?« fragte ich. »Als die Strahlungkam, stiegen die Pflanzen nach oben. Als sie amstärksten spürbar war, zerfielen sie. Dann fielen sieversaftet nach unten, aber da ebbte die Strahlungschon wieder ab. Jetzt rührt sich nichts mehr. Wolltihr wissen, was die vielen Robotflugzeugebedeuten?«

Rhodan konnte auch denken. Er schnitt mir dasWort ab.

»Vielen Dank. Wir haben verstanden. Das merkensogar Menschen, Arkonide!«

»Du impertinenter, kleiner Barbar«, sagte ichwütend.

Er lachte mich an, dann schritt er zur nächstenInterkomanlage und nahm das Mikrophon aus derWandhalterung. »Oberst Claudrin, hören Sie mich?«

»Ich sehe Sie sogar, Sir. Ich habe es vorgezogen,die Zentrale aufzusuchen.«

»Wie es sich für einen Kommandanten von selbstversteht. Jefe. Achtung, generelle Anweisung: Wennsich nochmals solche Kugelkörper nähern sollten,sofort abschießen. Es sind Ernteeinheiten.«

»Wie bitte?«»Kleine, planetarische Ernteeinheiten, die vor

langer Zeit die Aufgabe hatten, die Speckmoossporeneinzusammeln. Warum sie noch immer versuchen,eine Wüstenwelt als Nahrungsquelle für die totenErbauer anzuzapfen, ist unklar. Wahrscheinlichwurde von dem letzten Intelligenzwesen vor seinemTode darauf verzichtet, die mühevoll aufgebauteRoboterkultur abzuschalten. So fliegen dieErnteschiffe weiter, bis sie eines Tages von selbstabstürzen. Alles klar?«

»Überhaupt nicht, Sir«, nörgelte derEpsalgeborene. »Was hat das mit unseren Pflanzenzu tun?«

»Meine Karotten!« schrie Gucky weinerlich.»Halten Sie den Mund, Leutnant!« sagte Rhodan.

Dem Mausbiber verschlug es ausnahmsweise dieSprache.

»Hören Sie noch, Jefe? Die Strahlung, die von derOrtung gemeldet wurde, ist harmlos. Es muß sich umeine Energieeinheit handeln, die auf Pflanzen oderauch nur auf Samenfäden so wirkt wie einMagnetfeld auf Eisen. Jetzt wissen wir, wie dieSpeckmoossporen eingesammelt werden. Man saugtsie einfach an, zerpulvert sie durch eineFrequenzumstellung des Saugfeldes, undanschließend wird das Mehl versaftet.«

»Ich dachte, die Erbauer hätten nichts zu sichnehmen können? Wie kann man Saft einatmen?«

»Ich glaube, man kannte einen Weg, um denExtrakt zu trocknen und wieder in Sporenformabzublasen. Fragen Sie mich aber nicht, wie man dasmachte. Jedenfalls scheint das Rätsel um dieherumirrenden Luftfahrzeuge gelöst zu sein.«

Ich wurde skeptisch, obwohl die Ereignisse keinenanderen Schluß zuließen. Ich versuchte, eine andereLösung zu finden, gelangte aber zu keinem Resultat.

Die Botaniker untersuchten die anderenGewächshallen. Es war nichts verschont worden.Rhodan rief den Kommandanten nochmals an.

»Jefe, beginnen Sie mit der Sauerstoffübernahme.

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Ich möchte auf alles vorbereitet sein.«Nachdenklich sprangen wir in den Achsenlift und

ließen uns vom Antigravfeld nach oben tragen. ImKabinengang wartete Professor Kalup. Er hatte sichin aller Ruhe angezogen.

»Ich werde mich mit diesem Saugfeldbeschäftigen«, versprach er. »Haben Sie eine Idee?«

Ich fühlte mich angesprochen. »Keine Ahnung,Professor, es sei denn. Gewächse strahlen etwas aus,was man mechanisch nutzbar machen kann. Ichvermute, die hiesigen Intelligenzen hatten sich aufdieses Problem spezialisiert. Versuchen Sie es bessernicht, das Saugfeld nachzuahmen. Selbst wenn Ihnendie Lösung gelänge: Sie brauchten auf alle Fälle zuviel Zeit. Die haben wir aber nicht mehr.«

Er schürzte die Lippen und musterte michdurchdringend.

»Wie Sie meinen, Sir. Es geht natürlich nicht vonheute auf morgen.«

Rhodan kam in meine Kabine. Er legte sich auf dasBett und verschränkte die Hände unter dem Nacken.

»Nimm nur nicht an, ich hätte deine Sorgenvergessen. Es sind auch meine. Wenn Arkon IIaufgegeben werden muß, ist die wirtschaftlicheSchwächung des Imperiums nicht mehr aufzuhalten.Die Auswirkungen auf den terranischen Außenhandelwäre fühlbar. Vermutest du das Ernteschiff aufMechanica?« Ich lauschte auf das Singen derTurbopumpen. Claudrin ließ die Außenluft ansaugen,entkeimen und den Sauerstoff von den anderenGasen trennen. Die Tanks für Flüssigsauerstoffwurden aufgefüllt.

»Wir werden es wahrscheinlich auf einemRaumhafen der Stadt aufspüren. Wir wollen zuerstnach der Hyperkomeinrichtung suchen. Haben wirsie entdeckt, muß festgestellt werden, ob man damitdie Robotmechanik des Ernteschiffes beeinflussenkann.«

»Es ist anzunehmen. Und dann?« Sein forschenderBlick machte mich nervös. Ich drückte auf einenKnopf der Erfrischungsautomatik. Der Becher glittaus der Halterung. »Willst du auch etwas trinken?«Er schüttelte den Kopf. »Perry, wir müssen eineLösung finden!«

Er richtete sich auf und reckte sich. »Versuchenoch etwas zu schlafen. In einer Stunde wird es hell.Dann sehen wir weiter. Wenn das Ernteschiff so großist wie das Saatfahrzeug, dürfte es kaum zuübersehen sein.«

Er nickte mir zu und ging, während ich mit meinerWanderung quer durch die Kajüte begann.

6.

Die Jäger der zweiten Gruppe heulten über unshinweg. Siebenundzwanzig Maschinen, jede mit

einer starr eingebauten Impulskanone bewaffnet,griffen einen Pulk Robotschiffe an.

Es handelte sich um die bekanntenKugelkonstruktionen, die zwanzig Minuten nachunserem Ausschleusungsmanöver am Horizontaufgetaucht waren.

Wir waren auf der Kuppe der Hügelkette gelandet.Von dort aus konnten wir das Schlachtschiffbeobachten. Hinter uns standen die beiden Shifts desEinsatzkommandos. Andere Trupps warenunterwegs, um die unbeschädigten Abwehrforts zuuntersuchen. Rhodan wollte Daten über dieNarkosewaffe haben. Die Spezialisten des Schiffeshatten den Auftrag erhalten, unter allen Umständenein betriebsklares Geschütz mit allenNebenaggregaten herbeizuschaffen.

Ich war damit nicht einverstanden gewesen. NachTagesanbruch hatten wir mit einer Gazelle die Stadtüberflogen. Ein Großraumschiff vom Typ desSaatfahrzeuges hatten wir nicht entdecken können,obwohl wir alle Ortungsgeräte eingesetzt hatten.

Die Energietaster verrieten, daß an wenigstens dreiStellen atomare Kraftstationen arbeiteten. Nirgendsaber war etwas von dem Ernteschiff zu bemerkengewesen.

Wir waren zurückgekehrt und hatten unsentschlossen, einen Vorstoß mit Flugpanzern zuwagen. Es handelte sich um verbesserte Modelle derarkonidischen Shifts. Vor allem die Bewaffnung warvervollkommnet worden, was den Einbau stärkererStromaggregate erfordert hatte.

Wir waren hinter den Panzern in Deckunggegangen. Die Impulsgeschütze reckten ihreGleichrichtungsläufe in den blaßblauen Himmel. Wirkonnten gut atmen. Die Temperatur war mit minusdrei Grad Celsius erträglich.

Vor uns stand das tragbare Interkomgerät. Esverband uns mit der IRONDUKE, wo zur Zeit allePositronengehirne liefen. Kurz nach unserem Abflugwar das Schiff angerufen worden. Es handelte sichwieder um die Symbolgruppen, die wir schonkannten. Eine Dechiffrierung konnte nicht schwierigsein.

Rhodan spähte aus verkniffenen Augen nach oben.Wir trugen warme Kampfkombinationen undFunkhelme. Unsere Waffen waren von neuesterKonstruktion. Das Grollen der Triebwerkeverstummte nicht. Wir hörten den Funksprechverkehrmit. Der Jägerführer, Major Campani, flog denEinsatz persönlich mit.

»Drossel an Nest - die Robots bleiben auf Kurs«,meldete sich Campani mit den vorgeschriebenenTarnbezeichnungen.

Rhodan mischte sich nicht ein. Oberst Claudrinwußte, worauf es ankam.

»Nest an Drossel - überhöhen Sie und greifen Sie

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aus der Sonne heraus an. Die Saugstrahlung wirdschon spürbar.«

»Verstandet Nest. Ich greife an.« Ich nickteanerkennend. Auf diese Männer konnte man sichverlassen. Die Jäger schossen teils nach oben,kippten ab und glitten auf die Formation derKugelkörper zu.

Das weiße Glühen vor den Bugnasen kannte ich.Ehe ich die geblendeten Augen schließen konnte,zerplatzten die sieben Robotflugzeuge. Ihrefunkensprühenden Überreste fielen nach unten.

Die Jäger flogen mit wenigstens Mach 20 über unshinweg. Als ich den Kopf drehte, waren sie schonnicht mehr zu sehen.

Sekunden später kamen die Schallwellen an. Ichpreßte die Hände gegen die Lautsprechermuschelndes Helmes und warf mich hinter dem Panzer zuBoden.

Die IRONDUKE hatte keinen Schuß abgegeben.Rhodan wünschte es nicht, solange die Bordjäger inder Lage waren, die Situation zu klären.

Perry richtete sich auf und klopfte den Staub vonder Kombi. Die vierzig Soldaten desEinsatzkommandos umringten uns. Gucky, derTeleporter Ras Tschubai und der Späher WuriuSengu gehörten dazu. Die anderen Mutanten warenteils im Schiff geblieben oder damit beschäftigt, dasFort östlich der Stadt zu untersuchen.

»Neue Pulks aus nördlicher Richtung«, klang esaus den Lautsprechern der Helme. Das Interkomgerätzeigte Claudrins Gesicht. »Was? Schon wieder?«

»Wenigstens fünfzig Schiffe, Sir. Wir haben sieauf den Schirmen. Wollen Sie nicht an Bordkommen? Das sieht nicht schön aus.«

»Sie werden uns doch wohl noch fünfzigFlugzeuge vom Leib halten können?«

»Mein Wort darauf, Sir. - Ich - oh, soeben meldetsich die mathematische Abteilung. Moment, Sir.«

Ich beugte mich gespannt über das Gerät. Wasbedeuteten die Funkanrufe? Wir hatten die Stationangepeilt. Sie stand in der Stadt.

»Hast du Töne?« hörte ich den Ersten Offiziersagen. Wenn Krefenbac seinen Lieblingsausdruckgebrauchte, mußte allerlei geschehen sein.

Claudrins Gesicht wurde wieder erkennbar.»Allerhand, Sir. Die Dechiffrierung war leicht. Die

gleichen Symbolgruppen, die auch von dem Scoutverwendet wurden. Das beweist, daß wir auf demrichtigen Planeten sind.«

»Reden Sie nicht lange! Was gibt es?«»Hier der Wortlaut: Spende deine Wohltat, oder

ich werde dich vernichten!« Der Oberst schwieg. Wirwarteten, aber er sagte nichts mehr. »War das alles?«

»Jawohl, Sir. Die Logikauswertung liegt auchschon vor.«

»Und ...?«

»Die IRONDUKE wurde von einerbefehlsgebenden Roboteinheit mit dem Ernteschiffverwechselt. Diese Kommandostation ist unfähig, dieBesatzung als organisch lebend zu identifizieren. Wirwerden aufgefordert, die Ernte abzusprühen.«

Ich barg das Gesicht in den Händen. Meineschlimmsten Befürchtungen wurden zur Wahrheit.Als wir bei unserem Rundflug das Ernteschiff nichtgefunden hatten, war mein Logiksektor zu demSchluß gekommen, es könne nicht auf Mechanicasein.

Claudrin beendete seinen Bericht. »Diemathematische Abteilung stellt fest, daß derErnteraumer nicht hier ist und auch lange nicht hiergewesen sein kann. Die Aussage des Saatschiffeswird bestätigt. Die dritte Einheit ist tatsächlichverschollen. Noch etwas, Sir! Die Ortung meldet einenergetisches Saugfeld, das sich soeben südlich derStadt gebildet hat. Dort liegen dieTransparentkuppeln, die Sie gefilmt haben. Riebsamvermutet, es wären die Speisesäle der Erbauer. DasErnteschiff sprühte seine Ladung in die aufgeheizteLuft ab. Die ausgestorbenen Intelligenzen gingenhinein und sättigten sich durch Einatmung derSporen.«

Ich konnte meine Verzweiflung kaum verbergen.Es war alles umsonst gewesen! Wie sollte Arkon IIvon der teuflischen Speckmoosplage befreit werden,wenn es kein Ernteschiff mehr gab?

Mein Logiksektor meldete sich. Er kannte keineBedenken. Für ihn war der Fall abgeschlossen.

»Sofort heimfliegen, Evakuierung einleiten. ArkonII ist verloren.«

»Nein!« schrie ich. Rhodan drehte sich um. Dieanderen Terraner sahen mich niedergeschlagen an.

»Dein Extrahirn, Atlan?« fragte Perry leise.Ich nickte, unfähig ein Wort zu sprechen. Gucky

schmiegte sich an mich. Leutnant Nolinow, Führerdes Kommandos, winkte die Männer zur Seite. Siesahen mich mitfühlend an, aber das half mir nicht.

Rhodan überlegte. Ich bemerkte, daß sein Gesichtausdruckslos wurde. Hoffnungsvoll schaute ich ihnan. Was ging im Gehirn dieses genialen Terranersvor?

»Er kramt in seiner Trickkiste«, flüsterte mirGucky zu. »Störe ihn nicht.«

Wir warteten fünfzehn Minuten lang. In dieser Zeitglitten noch zwei Jägergruppen aus denSchleusentuben der IRONDUKE hervor.

Das Tosen der Triebwerke schien die tote Welt zuerschüttern. Die ausgemachten Kugelraumer wurdenabgeschossen, doch diesmal wehrten sie sich.Claudrin meldete den Einsatz eines unbekanntenWaffenstrahls, der beinahe einen Jäger vernichtethätte. Es war eine Energieform, von der Materieaufgelöst wurde.

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»... gleicht unseren Desintegratoren«, schloß derKommandant seinen Bericht ab.

Rhodan reagierte nicht darauf. Dann sprang erplötzlich auf. Als er mich ansprach, zitterte seineStimme.

»Das ist die Lösung!« behauptete er. »LeutnantNolinow, lassen Sie die Männer aufsitzen. Wirfliegen zurück.«

Terraner fragen nicht nach dem Sinn eines Befehls.Vielleicht hätten sie es getan, wenn ein anderer Mannals Perry Rhodan die Anweisung gegeben hätte.

Auch ich kletterte durch die Mannschleuse desFlugpanzers. Die Umformerbank heulte auf. DasAntigravfeld machte uns schwerelos. DieImpulsströme schoben uns durch die dünne Luft.

Ich stellte keine Frage. Rhodan schien seine Ideenoch nicht ausgefeilt zu haben. Arkoniden konntengeduldig sein, wenn es darauf ankam.

Eine halbe Stunde später waren wir an Bord derIRONDUKE, und Rhodan alarmierte daswissenschaftliche Team.

*

Fünf Beiboote der IRONDUKE kreisten in großerHöhe über der Stadt. Ihre Bildaufnahmen wurdenzum Schlachtschiff abgestrahlt. Wir hatten einÜberwachungssystem aufgebaut.

Dreihundert Mann hatten mit Hilfe der Teleporterein Abwehrfort angegriffen. Es war gelungen, dieAnlagen unbeschädigt in unseren Besitz zu bringen.Dazu war es »nur« erforderlich gewesen, dieKraftstromverbindungen zu den Geschützen zuunterbrechen.

Waffenexperten waren dabei, eine Narkosekanoneauszubauen. Der Späher Wuriu Sengu hatte vor derErstürmung des Forts festgestellt, wie das Aggregatarbeitete. Kalup behauptete, die Waffe in kurzer Zeitnachbauen zu können. Das Prinzip sei ihm schonklar.

Rhodans zweites Ziel war damit erreicht worden.Er zog seine Männer aus dem Fort zurück undbeschäftigte sie mit dem Plan, den er entwickelthatte.

Ich war von dem Terraner allerlei gewöhnt; aberdiesmal stockte mir doch der Atem.

Die pausenlosen Angriffe der Robotschiffe störtenihn nicht. Bisher waren wir nur einmal gezwungenworden, die schweren Geschütze der IRONDUKEeinzusetzen. Wir hatten mit einem breitstreuendenFeuerschlag der Impulskanonen etwa achtzigFlugkörper abgeschossen. Sie waren nicht mehr zumAngriff gekommen.

Das bewies erneut, wie wenig die Erbauer mit demAuftauchen feindseliger Fremder gerechnet hatten.Ihre Waffentechnik war vernachlässigt worden. Mehr

als die Narkosegeschütze und die Desintegratorenhatten sie nicht entwickelt.

Warum hätten sie es auch tun sollen? Ihre Sonnewar ein einsamer Stern in den Tiefen desinterkosmischen Raumes. Wahrscheinlich waren sieniemals einer anderen Intelligenz begegnet.Vielleicht hatten sie auch nicht an die Existenzanderer Lebewesen geglaubt. Dies war einweitverbreiteter Irrtum unter den Völkern derMilchstraße. Auch die Menschen waren einmaldavon überzeugt gewesen, außer ihnen könne eskeine vernunftbegabten Geschöpfe geben.

Die Theorien häuften sich. Jede Meinung konntedie richtige sein. Für mich war selbst dieüberzeugendste Argumentation nebensächlich.

Ich wollte Arkon II retten. Rhodan fühlte meineVerbitterung, als man das erbeutete Narkosegeschützmit Antigravschleppern an Bord brachte.

Dabei hatte ich übersehen, wie fieberhaft in denLabors der IRONDUKE gearbeitet wurde. Dieultrakurzen Anrufe des Robots nahmen kein Ende.Alle zehn Minuten sendete er den gleichenSymbolspruch.

Unsere Positronik hatte durch die Auswertung dervielen Funksprüche ein »Wörterbuch« ermittelt. Wirkannten etwa zweitausend Begriffe, die wir auch inrichtiger Form verschlüsseln oder symbolisierenkonnten.

Wir fanden es erstaunlich, daß dieKommandostation die sinnlosen Angriffe nichteinstellen ließ. Ein Gehirn von der Qualität desarkonidischen Regenten hätte längst andereMaßnahmen eingeleitet.

Unsere Jäger befanden sich ununterbrochen imEinsatz, und die Geschütze des Schlachtschiffeskonnten jede Lage klären.

Die Forts waren ungefährlich. Wir befanden unsaußerhalb ihres Schußbereichs. Spezialisten hattenein beschädigtes Robotschiff untersucht. Esdurchmaß etwa zwanzig Meter, bestand zum größtenTeil aus Laderäumen und war untauglich für denRaumflug. Narkosegeschütze waren nicht entdecktworden, dafür aber Waffenstrahler nach demDesintegratorsystem.

Wir hatten den Plan erwogen, etliche dieserFahrzeuge einzufangen und sie nach Arkon zubringen. Er war aber nicht durchführbar gewesen, daalle Ernteeinheiten von einer unbekanntenRobotstation gesteuert wurden. Monate wärenvergangen, bis wir dieses Lenksystem hättennachahmen können.

*

Die Besprechung fand in der Zentrale statt. DieMathematiker legten die ermittelten Unterlagen vor.

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Riebsams Erklärungen klangen einleuchtend.»Zweck des Vorhabens ist es, unter anderem die

Angriffe einstellen zu lassen. Wir werden uns alsErnteschiff ausgeben und durch Symbolimpulsebekanntgeben, wir hätten keine >Wohltat< an Bord.Wir senden auf der Frequenz, auf der wir angerufenwerden. Zugleich fordern wir die Koordinaten vonPlaneten an, auf denen das Saatschiff tätig war.Damit wird sich herausstellen, ob zwischenSaatschiff und Mechanica eine Verbindung besteht.Wenn ja, müssen die Daten gespeichert sein. Wirrufen sie ab, werten sie aus und stellen fest, ob derverseuchte Planet Azgola dabei ist. Nach diesemSchema fertigen wir Unterlagen über Arkon II an.Diese Angaben senden wir per Hyperfunk an dieKommandostation, die sie dem Ernteschiff mitteilenmuß.«

Ich räusperte mich. Hatte Riebsam vergessen, daßman von dem Fahrzeug nichts wußte? Nein, er hattedaran gedacht. Gelassen fuhr er fort:

»Wenn das Ernteschiff durch einen Zufall zerstörtwurde, ist alles sinnlos. Wir sollten es trotzdemversuchen. Mir genügte es schon, von derZentralstation zu hören, wie die Befehlsübermittlunggeschieht und welche Frequenzen und Symboleverwendet werden. Vielleicht können wir aucherfahren, warum das Ernteschiff nicht auftaucht.Wenn es sich um Fehler in denNachrichtenschaltungen handelt, werden wir siebeseitigen.«

»Zu viele Wenn, Doktor«, warf ich ein. »Sicher,Sir. Wir fangen, wie besprochen, an. Dann werdenwir sehen, wie weit wir kommen.«

»Das ist mein Plan«, erklärte Rhodan. »Irgendwomuß es eine Fehlerquelle geben. Wir wissen, daß dieNotrufe des Saatschiffes beantwortet wurden. Alsobesteht noch eine Verbindung. Ich möchte erfahren,warum man uns mit dem Ernteschiff verwechselt undweshalb es nicht auftaucht.«

Wir diskutierten noch zwei Stunden lang.Schließlich stimmte ich zu. Wenn wir folgerichtigvorgingen, konnten wir uns an einem zweifellosvorhandenen imaginären roten Faden entlangtasten.

Ich sah zu, wie ein Automatsender programmiertwurde. Die Symbole waren einwandfrei. Wir teiltenmit, keine »Wohltat« spenden zu können, da wirkeine an Bord hätten.

Dann begannen wir mit dem Betrug an einerMaschine, die wir nicht kannten. Die Kommandantender Beobachtungsschiffe erhielten den Befehl, dieFunkstation des Robots anzupeilen.

Rhodan drückte den Sendeschalter nieder. DieFrequenzaussteuerung schaltete auf die Wellenlängedes Anrufers. Die Symbole wurden abgestrahlt.Anschließend warteten wir.

In der Funkzentrale der IRONDUKE war es noch

niemals so still gewesen. Wir machten uns auf einelange Wartezeit gefaßt. Unsere Automatstationwiederholte die Nachricht ununterbrochen.

Nach vier Minuten sprachen die Empfänger an.Wir zeichneten die Impulse auf, leiteten sie weiter andie Auswertungsgehirne und begannen erneut zuwarten.

»Der Robot hat uns gehört«, stellte Rhodan fest.»Immerhin etwas, Doc, bereiten Sie die nächsteSendung vor. Koordinaten von verseuchten Planetenanfordern.«

Die Dechiffrierung des Spruches gelang aufAnhieb. Der Klartext erschien auf einemLeuchtschirm. Ich beugte mich vor.

»Spenden - spenden - spenden - spenden - spenden...!«

Ich hatte das Gefühl, als müßte ich von innenheraus versteinern. Auf dem Schirm war wenigstensfünfzigmal das Wort spenden zu lesen. Rhodanatmete so laut, daß es mich störte. »KeineAufregung«, sagte er. »Noch ist nichts verloren.Etwas stimmt nicht. Die Aufforderung mußirgendwie sinnvoll sein. Doc, strahlen Sie denzweiten Spruch ab.«

Wieder summte der Automatsender. Diesmalhatten wir länger auf die Antwort zu warten.Unterdessen teilte die Ortungszentrale mit, dieAngriffe seien eingestellt worden. Die Kugelkörperflögen wieder harmlos über die Wüste. Es wurdennur einige Saugfelder ausgemacht.

Eine zweite Mitteilung lief ein. Sie war sehr lang.Allmählich gewöhnten wir uns an die seltsameNachrichtenverbindung. Das Resultat erschien aufdem Schirm.

»Sammler ausgefallen, Daten vorhanden. Spenden- spenden - spenden - spenden ...!«

Rhodan richtete sich aus seiner gebeugten Haltungauf. Kalup bekritzelte einen Patentblock. Wir sahenuns an.

»Ehe Sie reden, lassen Sie mich etwas sagen.«Kalups Stimme hatte sachlich geklungen. Die

Köpfe ruckten herum.»Die Station, die uns anruft und auch angegriffen

hat, ist nur eine planetarische Zentrale. Sie istunfähig, eine Robotlogik im Sinne des Regenten zuentwickeln. Daher werden wir mit dem Ernteschiffverwechselt. Die Programmierungen sind auf dieSteuerung der hiesigen Ernteflotte ausgerichtet.Daher der wiederkehrende Begriff spenden, der auchden Kugelkörpern laufend mitgeteilt wird. Diesinnlose Tätigkeit der Luftfahrzeuge ist damit erklärt.Unser Partner, wenn ich so sagen darf, ist defekt. Eshandelt sich um die interkosmische Zentrale, die alleKoordinaten speichert. Wenn es gelingt, sie inBetrieb zu nehmen, werden wir das erreichen, wasRiebsam vorgeschlagen hat. Worauf warten Sie

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noch?«Die nachfolgenden Diskussion war hektisch.

Draußen war es wieder dunkel geworden. Wirkümmerten uns nicht darum.

Die Peilwerte unserer Gazellen liefen ein. Siehatten den Planetsender auf den Meter genauangemessen. Für uns war er jedoch nebensächlichgeworden. Er konnte nicht im kybernetischen Sinnevollendet sein. Wo aber sollten wir jene Zentralefinden, die Kalup »Partner« genannt hatte? Von demuntergeordneten Robot war sie als »Sammler«bezeichnet worden.

Es war aussichtslos, etwa hunderttausend Gebäudeabzusuchen. Die Stadt konnte niemals Wohnzweckengedient haben. Die Filmaufnahmen bewiesen, daßsich eine technische Anlage an die andere reihte.

Ich hatte eine Idee. Rhodan blickte michauffordernd an.

»Schicke eine Gazelle in den Raum. DerKommandant soll hundert Lichtjahre hinausspringenund von dort aus einen Notruf abstrahlen, wie ihnauch das Saatschiff gesendet hat. Die gleicheHyperfrequenz verwenden. Es müßte uns jetztmöglich sein, eine entsprechende Symbolgruppeaufzustellen. Wir wissen, daß der Sammlerantwortete. Er wird es wieder tun. Dann können wirihn anpeilen.«

»Die Idee des Jahres«, sagte Perry. »MajorKrefenbac, nehmen Sie sich die G-14 und starten Sie.Professor, können wir mit unserem bisherigenWissen einen Notruf nachahmen?«

Kalup bedachte ihn mit einem eisigen Blick.»Wofür halten Sie mich!«

Rhodan lachte erleichtert auf. Neuer Mut erfülltemich. Trotzdem fragte ich mich, wie wir eineortsfremde Robotanlage reparieren sollten. Das wärenicht einmal beim Regenten möglich gewesen, undder war von Arkoniden erbaut worden.

Krefenbac startete nach fünfundvierzig Minuten.Als wir die Strukturerschütterung orteten, hatten wirdie Garantie, daß er gesprungen war. Nach einerStunde sprachen die Hyperkomempfänger an. Wirentzifferten einen Notruf, wie ihn auch das Saatschiffverwendet hatte. Anschließend schlugen dieSicherungen durch.

Der Sammler antwortete mit hoher Sendeenergie.Die im Raum stehenden Gazellen begannen mit ihrerPeilarbeit. Nachdem das letzte Zeichen gegebenworden war, wußten wir, wo wir unseren Partner zusuchen hatten. Er stand nicht - wie angenommen - imZentrum der mechanischen Stadt, sondern amSüdrand.

»Nachricht an Krefenbac - zurückkehren«, befahlRhodan. Er blickte auf die Uhr. »Essen, drei Stundenschlafen, danach Einsatzbesprechung. Die Jägereinschleusen. Jetzt haben wir ihn!«

Wen er mit ihn meinte, war mir klar. Es fragte sichnur, ob er so gutmütig war wie die Planetenzentrale,die anscheinend nur wenig variabel war.

7.

Unser Vorgehen ähnelte einem Feldzug. Rhodanhatte fünfhundert terranische Kampfroboter vom TypPhalanx-13 in den Einsatz geschickt.

Ich amüsierte mich immer wieder über den Hangder Menschen, Namen und Begriffe aus derFrühgeschichte ihres Planeten zu verwenden.

Es war auch eine Phalanx, die von den Robotseingehalten wurde. Allerdings verstanden sie es, imFalle der Gefahr die tiefgestaffelte Angriffsketteaufzulösen, um mit Antigrav-Fluggerätenauszuweichen und in Deckung zu gehen.

Wir folgten mit Allzweckpanzern. Wir waren zurStadt geflogen, hatten die von den Peilschiffenerkannte Hyperstation eingekreist und waren danngelandet.

Augenblicklich glitten wir auf energetischenPrallfeldern über das Gelände hinweg. Hier und dafuhren wir mit dem Kettenantrieb, um dann wieder indie Höhe zu steigen. Von der planetarischenNebenstation waren wir nicht mehr belästigt worden.Sie schien uns als nutzloses Übel zu ignorieren.Rechts und links von uns waren die anderen Wagenzu sehen. Rhodan hatte eine ständige Bildverbindungbefohlen. Die Wachbesetzung der IRONDUKE gabin Abständen von zehn Minuten Lageberichte durch,die uns aber nichts Neues verrieten. Am Landeplatzwar alles ruhig.

Die Stadt war ausgestorben. Die vor der Landungbeobachteten Gittergebäude waren auch hiervorhanden. Sie schienen technischen Zweckengedient zu haben.

Die Architektur war eigenartig. Sie ließ kaum aufdie Körperformen der Erbauer schließen. Treppenoder Aufzüge hatten wir nicht entdeckt. Dafür gab esüberall breite Metallrampen, die sich spiralförmig anden Außenwänden nach oben wanden.

Dr. Gorl Nkolate, unser afroterranischer Spezialistfür Anpassungschirurgie, behauptete allerdings, dieausgestorbenen Intelligenzen wären wahrscheinlichaus einer kriechenden Echsenrasse hervorgegangen.

Die Verbindungsstraßen zwischen den Gebäudenwaren eng. Der Bodenbelag bestand aus verwittertenMetallplatten, die unter dem Gewicht derKettenfahrzeuge zerbrachen oder zu Staub zerfielen.

Die Stadt war uralt. Die meisten technischenAnlagen schienen unbrauchbar geworden zu sein.Anscheinend hatten sie aber ihren Dienst bis zumletzten Augenblick ausgeübt.

Wir hatten eine »Reparatur-Theorie« entwickelt.Offenbar waren die wichtigsten Maschinen gewartet

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worden, oder die Sender und Ernteeinheiten hättennicht mehr arbeiten können. Sie waren wohl nichtjünger als die zerfallenen Nebenaggregate.

Demnach mußte es spezialisierte Robotteamsgeben, die sich um die gefährdeten Senderkümmerten. Fehler schienen aber auch dortunterlaufen zu sein.

Einige Forts hatten wir verrottet vorgefunden,andere hatten tadellos funktioniert.

Der »Sammler«, nach unserer Auffassung diebedeutendste Konstruktion auf Mechanica, hatteebenfalls gelitten.

Nur fragten wir uns, wieso Notrufe promptbeantwortet, andere Aufgaben aber nicht mehrerledigt wurden. Rhodan war der Ansicht, imSammler könne nur ein Teil der Schaltungenverwahrlost sein, was wiederum auf das Versagen derdafür zuständigen Wartungsroboter schließen ließe.

Die Theorien häuften sich, je weiter wir in dieunheimliche Stadt vordrangen. Es gab keine größerenPlätze. Jeder Quadratmeter Bodenfläche warausgenutzt worden.

So verloren wir die anderen Fahrzeuge bald ausden Augen. Trotzdem näherten wir uns dem Ziel.Wenn wir die Orientierung verloren, stiegen wir mitdem Antigravfeld nach oben, sahen uns um undsetzten den Marsch mit den Raupenketten fort.

Rhodan, Bully, die Mutanten Gucky, Ras Tschubaiund Wuriu Sengu befanden sich in unserem Wagen.Führer des Einsatzkommandos von S-1 war LeutnantBrazo Alkher. Ihm unterstanden die zwanzigSoldaten. Die Mutanten hatten nur auf RhodansBefehl einzugreifen.

Der Panzer rollte aus einer Straßenschlucht hervor.Vor uns öffnete sich ein unbebauter Geländestreifen.

Es handelte sich um eine fünfzig Meter breiteRingstraße, die den »Sammler« umgab.

Wir hielten an. Die Telekomberichte bewiesen,daß auch die anderen Wagen ihr Ziel erreicht hatten.Ich beugte mich nach vorn. Die Sichtblenden warennoch nicht geschlossen worden. Aus den Luks desLaderaumes ragten die Köpfe der Männer hervor.

Weiter rechts erschienen die ersten Kampfroboter.Es war ein Trupp von dreißig Maschinen, die sichnun zu einer Doppelkette formierten.

Wir warteten. Die Sonne Outside war vor wenigenMinuten aufgegangen. Der Mechanica-Tag würdeetwa sieben Stunden dauern; Zeit genug, um den Plandurchzuführen.

Rhodan saß neben dem Fahrer. Ich schaute ausdem Schleusenschott nach draußen.

»Seltsam«, meinte Perry. »Es ist so still wie ineiner Gruft. Wuriu - sehen Sie etwas?«

Ich drehte mich nach dem Mutanten um. Er starrtewie ein Blinder nach vorn. Seine Augen warenmilchig. Er besaß die Fähigkeit, feste Materie

durchblicken zu können.»Nur Maschinen, Sir«, entgegnete er langsam. Es

klang, als wäre er weit weg. »Wo? Jenseits derRingstraße?«

»Ja, Sir. Es sieht aus wie ein Robotgehirn. ÜberallSchaltblocks, Umformerstationen und Kabelstränge.Sehr kompliziert, Sir.«

»Sehen Sie Robots? Etwas, was sich bewegt?«»Nein. Alles stationär« Rhodan preßte die Lippen

zusammen. Ich zog die Luftaufnahmen aus derTasche.

Die Ringstraße umgab einen Gebäudekomplex, deretwa tausend Meter durchmaß. Von oben betrachtet,wirkte er wie eine kreisförmig angelegte Festung miteinem Wassergraben.

Im Mittelpunkt hatten wir die Energiestationgeortet. Die dort installierten Reaktoren standen zurZeit still; aber als der Sammler auf den fingiertenNotruf geantwortet hatte, waren sie alle tätiggewesen. Es bewies, daß die Maschinen noch inOrdnung waren.

Die Männer des Einsatzkommandos diskutiertenleise. Die Situation war nervenzermürbend.

»Soll ich springen?« erkundigte sich Gucky. AuchRas Tschubai blickte fragend. Rhodan schütteltezögernd den Kopf.

»Wozu? Wuriu sieht nur Geräte. Ihr könnt dochnicht feststellen, was der Sammler eigentlichvorstellt. Wir fahren weiter, bis etwas passiert.«

»Wird denn etwas passieren?« erkundigte ichmich. Er fühlte meine Unruhe.

»Ich weiß es nicht. Wenn nur noch derHyperkomsender in Betrieb ist, dürfte nichtsgeschehen. Ich kann mir aber nicht vorstellen, daßman diese lebenswichtige Anlage ohneSchutzvorrrichtung erbaute. Weshalb gibt es keineEnergieschirme?«

»Kalup spricht«, dröhnte es aus dem Telekom.»Eine neue Logikauswertung liegt vor. Wenn dieausgestorbenen Intelligenzen echsenhafte Lebewesenwaren, worauf die Kriechrampen hinweisen, sindEnergieschirme in unserem Sinne niemals konstruiertworden. Jede Lebensform besitzt eigeneAuffassungen über die Wirksamkeit einerAbwehranlage. Geschöpfe, die eng mit dem Bodenverwachsen sind, denken in erster Liniezweidimensional. Dementsprechend werden sieplanen und handeln.«

»Zweidimensional?« zweifelte Rhodan. »Siebeherrschen die dritte Dimension mit ihrenFlugzeugen, die vierte und die fünfte mitüberlichtschnellen Raumschiffen. Wie vereinbart sichdas mit Ihrer Theorie?«

»Es ist nicht meine. Die Rechengehirne kamen zudem Ergebnis. Sie sollten aber zwischen einerlebensnotwendigen Raumfahrt und dem

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Normaldasein unterscheiden. Flugzeuge wurdengebaut, um die letzten Sporen einsammeln zukönnen. Drei Raumschiffe wurden konstruiert, als aufdem Planeten gar nichts mehr wuchs. Die Abkühlungder Atmosphäre erstreckte sich wahrscheinlich überJahrtausende. Man hatte nach dem Absterben derFelder keine andere Wahl mehr, als die Ernährunganderweitig sicherzustellen. Die zweidimensionaleLebensauffassung wird von der Tatsacheuntermauert, daß die Erbauer nicht auf die Ideekamen, den Boden ihrer Welt zu verlassen. Sieschickten nur Roboter aus. Haben Sie das Saatschiffgenau untersucht? Die meisten Maschinen sindextrem flache Konstruktionen.«

Wir sahen uns wieder einmal an, bis Reginald Bulldie Geduld riß.

»Wozu das Gerede?« brauste er auf. »Warumfahren wir nicht los? Es wird sich schnellherausstellen, was die Unbekannten hinterlassenhaben. Wenn es noch funktioniert, werden wir etwasdagegen unternehmen. Also ...?«

Ich atmete auf. Die depressive Stimmung wich.Rhodans Befehle wurden in allen Wagen gehört.

»Vorgehen wie geplant. Die Kreisanlage wird vonzahlreichen Gassen durchzogen. Wenn Sie nichthindurchkommen, fliegen Sie darüber hinweg.Captain Nacro - setzen Sie Ihre Roboter in Marsch.«

Unser Panzer fuhr an. Langsam glitten wir auf dieRingstraße hinaus. Rechts und links tauchten dieanderen Einheiten auf. Die Robots stampften nachvorn. Sie hatten ihre Schutzschirme eingeschaltet.

Unser Fahrer tastete nach dem Schalter derDefensivautomatik.

»Lassen Sie das«, fuhr ihn Rhodan an. »Ichmöchte klare Messungen erhalten. Ein Abwehrschirmstört.«

»Keine Energieortung«, teilte der im Hintergrundsitzende Funker mit. »Alle Reaktoren stehen.Schwache Reststrahlung.«

Mir wurde unheimlich. Knapp fünfzig Meterentfernt ragten die Wabenwandungen der Gebäudeempor. An den Außenseiten war kein Spiralaufgangzu bemerken. Die Luftaufnahmen verrieten aber, daßes im Innenhof der Station viele Gleitbahnen gab.

Unter den Raupenketten knirschte Metall. Ichwollte vorschlagen, trotz allem den Abwehrschirmeinzuschalten. Meine ersten Worte wurden übertönt.Der Lautsprecher des Telekoms schien zu bersten.Jetzt brüllten wenigstens zwanzig Männer. Wirstoppten. Zusammen mit Rhodan sprang ich aus derSchleuse und ging hinter dem Wagen in Deckung.

Der rechts von uns fahrende Allzweckpanzerschwebte einige Meter über dem Boden. Eine roteLeuchterscheinung umhüllte ihn. Ehe wir dieSachlage begriffen, begann er um seine kurze Achsezu rotieren. Augenblicke später waren seine

Konturen nicht mehr erkennbar, so schnell drehte ersich. Schließlich glich er einer auf Hochtourenlaufenden Luftschraube. Mehr als eine irisierendeSpirale war nicht mehr wahrzunehmen.

Die Besatzung schrie nur sekundenlang. Innerhalbdes Panzers mußten ungeheure Fliehkräfte wirksamgeworden sein. Wenn es dem Fahrer nicht gelungenwar, die Neutralisatoren einzuschalten, konnteniemand überlebt haben.

Wir bemerkten einen in den Himmel zuckendenBlitz. Der rotierende Körper war plötzlichabgestoßen worden.

Rhodan hatte die gleiche Idee wie ich. Gleichzeitigzogen wir die Kolben unserer Impulsstrahler an dieSchultern und eröffneten das Feuer auf jenen Punkt,wo die rote Strahlung aus dem Boden kam. Dortmußte ein Projektor eingebaut sein.

Das Donnern unserer Waffen riß die Männer ausihrer Erstarrung. Plötzlich war die Hölle los.Sonnenhelle Glutbahnen schlugen spitzwinklig in dasGelände ein, erzeugten blasenwerfende Furchen undexplodierende Krater.

Die schweren Kanonen der Panzer fielen ein. Nurdie Robots stürmten, aus allen Waffenarmen feuernd,auf den verdampfenden Abwehrstreifen zu, in demein Projektor nach dem anderen detonierte.

Rhodan riß mich am Arm zurück. GlühheißeDruckwellen heulten über die Ringstraße.Trümmerstücke regneten herunter. Wir wußten nicht,ob sie von dem hochgeschleuderten Panzer oder vonanderen Körpern stammten.

Ich sprang in die Schleuse unseres Wagens hinein,fiel hin, schlug mit dem Gesicht auf Rhodans Stiefelund klemmte mir überdies die Finger zwischenStahlboden und Waffe.

Hinter mir polterte das Schott zu. Ich gönntegerade noch meine Füße in Sicherheit bringen. Manzog mich in den Panzer hinein, wo ich keuchend undmit blutender Nase auf eine Sitzbank sank.

Wir fuhren zurück bis zur Straßengrenze. DieSichtblenden hatten sich geschlossen. Die heulendeUmformerbank bewies, daß unser Abwehrschirmaufgebaut war.

Es dauerte einige Minuten, bis Rhodans Stimmedurchdrang.

»Ruhe«, schrie er in das Mikrophon. Auf demBildschirm der Außenbordkamera war außer demglühenden Gelände und vier ruiniertenKampfrobotern nichts zu sehen.

Es wurde still. Rhodan verzichtete auf Vorwürfe.»Wo ist die Besatzung des S-5? Melden Sie sich.

Hallo, S-5 melden.«Im Empfänger knackte es; aber wir hofften

vergeblich auf eine Antwort. Der Kommandant einesBeibootes rief an.

»Atomare Explosion in etwa zehn Kilometern

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Höhe, Sir.«»Wann?«»Vor zwei Minuten.« Da wußten wir, was mit S-5

geschehen war. Wir schwiegen, bis sich ProfessorKalup einschaltete. Seine Stimme schwankte, als ersich bemühte, den Vorfall zu erklären.

»Fürchterlich, Sir. Damit hatte niemand gerechnet.Der Wagen rotierte mit wenigstens fünfzigtausendUmdrehungen, anschließend wurde er abgestoßen. Eshandelt sich um ein Antigravfeld, in dem ein Körperzu kreisen beginnt. Die Drehrichtung ist unbekannt,aber sie wird vertikal sein.«

»Danke!« sagte Rhodan. Seine Augen brannten.Ich wußte, daß er an seine Männer dachte. »Achtung,an alle Besatzungen: Feuer mit Desintegratoreneröffnen. Feld darf nicht überflogen werden. Es istnicht sicher, in welcher Höhe die Wirkungsgrenzeliegt. Zerstrahlen Sie das Gelände vor demGebäudewall.«

Die molekülzerstörenden Desintegratorenvergasten die feste Materie. Mehrere unsichtbareProjektoren explodierten.

Wir warteten, bis unsere Kampfrobotern denGefahrenstreifen passiert hatten. Es geschah nichts.

»Angreifen«, ordnete Rhodan an. »Benutzen Siedie Eingänge. Die Robots marschieren vor.«

*

Wir hatten einen Reparaturroboter gefunden; flachund breit wie ein Brett, dazu mit zahlreichenGelenkarmen versehen.

Eine Antenne hatte aus ihm hervorgeragt. Kalupwar der Meinung gewesen, die Maschine wäre inOrdnung, sie hätte nur keinen Arbeitsstrom. DieAntenne diene dem drahtlosen Starkstromempfang.

Er hatte es mit 380 Volt-Drehstrom versucht. ImRobot hatte es gebrummt, dann waren die 15Ampere-Sicherungen durchgeschlagen. Anschließendhatten wir mit 25 Ampere abgesichert, und da hattesich die drei Meter lange Konstruktion bewegt.

Augenblicklich war das Teufelsding drauf unddran, mich kunstgerecht zu zerstückeln. Es hatte sichwie eine Schlange vor mir aufgebäumt, vierStahlarme um mich geschlungen und meine Beinemit einem fünften Hebel angehoben.

Unser Hyperphysiker schien die Angelegenheit fürspaßig zu halten. Er versuchte, mich zu befreien undlachte dabei Tränen.

Sicherlich bot ich keinen ernstzunehmendenAnblick. Wenn ich Rippen wie ein Mensch besessenhätte, wären sie bereits unter dem Druck der Greiferzerbrochen. Da der Brustkorb eines Arkoniden aberaus stabilen Knochenplatten besteht, konnte ich dieTortur aushalten.

Hilflos wie ein Kleinkind hing ich in den Fängen

des Ungeheuers. Die pressenden Metallglieder wärenzur Not noch erträglich gewesen, wenn es am oberenEnde des Robots nicht gezischt hätte. Eine weißeStichflamme bewies mir eindeutig, daß der Burschedie Absicht hatte, etwas an meinem Körper zuschweißen.

Nahe meiner Brust wurde es heißer und heißer,aber Kalup konnte nicht helfen. Sein Gelächter klanganormal; fast glich es einem Schreikrampf.

Ich begann in Todesangst zu brüllen. Rhodan unddie anderen Männer waren weitergegangen. WennKalup nicht wie ein Irrer geschrien hätte, wäre Perrylängst bei mir gewesen. So schien er anzunehmen,ich hätte eine »köstliche« Geschichte erzählt.

Hinter mir begann es zu surren. Meine Armewurden an den Leib gepreßt, aber den Kopf konnteich noch bewegen. So bemerkte ich, daß der Robotplante, mein linkes Schulterblatt anzubohren. Was ersich davon versprach, war mir unklar.

Er kippte nach vorn, und ich genoß den Vorteileiner liegenden Stellung. Zweifellos hatte ich einenLogeplatz, was mir aber wenig gefiel.

Kalup griff sich an die Herzgegend und wurdeohnmächtig. Nun konnte ich wenigstens ungestörtbrüllen. Meine Uniform wurde blasig. DerLichtbogen des Schweißgeräts näherte sich derStelle, wo mein Zellaktivator hing. Wahrscheinlichwar der Reparaturrobot von den Impulsen desGerätes angelockt worden.

Gucky war mein Retter. Er materialisierte nebenmir und begriff sofort. Bei der Anwendung seinertelekinetischen Kräfte vergaß er, daß ich in denFängen der Maschine hin. So wurde ich mit ihrwenigstens zehnmal gegen die Decke geschleudert.

Als sich die Greifarme lockerten, fiel ich nachunten. Über dem Boden fing mich der Kleine auf undlegte mich sanft nieder. Jetzt stöhnte ich nur noch.Die Überreste des Robots wanden sich auf denStahlplatten.

Gucky betrachtete mich interessiert. Kaluperwachte. Sein Keuchen übertönte mein Stöhnen.

»Was war los?« hörte ich Perrys Stimme. Erstürmte mit schußbereiter Waffe um die Gangecke.

Ich begrüßte ihn mit einer Verwünschung.Anschließend erzählte Gucky, in welcher Situation ermich angetroffen hatte.

»Mensch - das ist vielleicht ein Imperator!« schloßer. »Er sah aus wie eine Tomate in der Saftpresse - sorot war er im Gesicht.«

Rhodan brachte es fertig, mich unverschämtanzugrinsen. Diese Terraner besaßen eineneigentümlichen Humor. Ein Arkonide hätte in einersolchen Situation niemals gelacht, aber ein irdischerSpitzenwissenschaftler steigerte sich in einenHerzanfall hinein.

Ächzend richtete ich mich auf und sah nach, ob

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meine Brust eine Schweißnaht aufwies oder nicht.Die Verbrennungen waren schmerzhaft, aber ich warnoch einmal davongekommen.

Kalup schien, den Vorfall schon vergessen zuhaben. Seine Ausführungen waren interessant.

»... ausgeschlossen, die defekte Anlage zuentdecken. Die Station ist nicht groß, für uns aberunübersichtlich.«

»Sehen Sie eine Möglichkeit?« Kalup nickte.»Wir haben einige hundert Reparaturmaschinen

gefunden. Nach dem gelungenen Experiment steht esfest, daß ihre Stromversorgung ausgefallen ist. Dafürempfangen wir etwa vierzig verschiedene Symbole.Es sind Notrufe. Verschiedene Schaltanlagen gebenbekannt, daß in oder an ihnen etwas nicht in Ordnungist. Wir sollten die Robots aktivieren, transportableStromquellen, also Batterien anschließen und jedeMaschine beobachten. Sie müssen uns zwangsläufigzu den Fehlerquellen führen, die wir uns dannansehen können. Nur die Spezialgeräte könnenwissen, welche Anlagen überholungsbedürftig sind.«

Die Lösung war einfach und außerdemeinleuchtend. Kalup konnte schnell und folgerichtigdenken.

Rhodan handelte. Die IRONDUKE wurdeangerufen. Oberst Claudrin erhielt die Anweisung,die Batterien zu beschaffen.

Wir sahen uns einen stilliegenden Roboter an.Riebsam meinte, es wäre einfacher gewesen, dieEnergieversorgung zu aktivieren. Rhodan lehnte ab.Wir wußten nicht, welcher Reaktor dafür vorgesehenwar und was an der Stromübertragung nicht mehrfunktionierte.

Eine Stunde später erschienen die Techniker mitden Batterien. Rhodan und ich hielten uns zurück.Die Schwingungen unserer Aktivatoren schienen dieRobots tatsächlich zu reizen.

Fünfhundert Mann standen mit schußbereitenWaffen vor den fremdartigen Maschinen, Wir hattenhundertundelf verschiedene Konstruktionenregistriert.

»Achtung, sie bewegen sich«, flüsterte Perry.Gebannt sahen wir den Hauptgang hinunter, wo wirvierzehn Reparatureinheiten entdeckt hatten.

In der Station rührte sich sonst nichts. DasRotationsfeld schien die einzige Abwehrwaffegewesen zu sein. Der Angriff auf mich war wohl eherals Unfall zu bewerten.

Wir erkannten, daß die WartungsgeräteSpezialgehirne besaßen. Einige blieben reglos liegen,andere setzten sich in Bewegung. Aue aber krochensie mit Hilfe von elastischen Metallbändern, die sichdehnten und verengten und damit die Fortbewegungsicherten. Sie glichen riesigen Raupen.

Nun glaubte ich auch daran, daß die ErbauerEchsen oder Reptilien gewesen waren.

Wir schritten zum Innenhof. Eigentlich bestand eraus einer zweiten Ringstraße, von der dieEnergiezentrale umspannt wurde. DieLeistungsreaktoren rührten sich nicht. Sie schienenmit den Robotinspekteuren nicht in Verbindung zustehen.

Gucky und Ras Tschubai suchten die weitläufigeSendestation ab. Das, was wir als befehlsgebendePositronik ansahen, beanspruchte nur wenig Platz.Die größte Bodenfläche nahm der interkosmischeHyperfunksender ein.

Wir schlugen unser Hauptquartier im Innenhof auf.Die Beobachtungskommandos folgten jedemdavonkriechenden Roboter. Die Meldungen häuftensich. Als wir sie auswerteten, stellte es sich heraus,daß genau zweiundvierzig Maschinen die Arbeitaufnahmen. Diese Zahl war identisch mit denaufgefangenen Notrufen. Kalup triumphierte.»Stimmt! Eine von den zweiundvierzig Fehlerquellenbetrifft uns. Jetzt haben wir nur noch das Ernteschiffzu finden.«

»Nur noch!« Ich lachte verzagt. Als meinExtrahirn ansprach, verstummte ich. Kalup hatteetwas übersehen. Hastig drehte ich mich um. Rhodanwurde aufmerksam. »Was ist?«

»Vorsicht«, warnte ich. »Wenn der Sender zuarbeiten beginnt, wird er alle Positionsdatenabstrahlen, die er von dem Saatschiff empfangen undin der Kartei gespeichert hat. Egal, wo dasErnteschiff ist: Wenn es überhaupt noch existiert,wird es die Speckmoosplaneten stur in der genanntenReihenfolge anfliegen. Natürlich nimmt es sich jeneWelt vor, die ihm zuerst genannt wird. Azgola wirdhintenan stehen. Wir müssen den Funkverkehrunterbrechen. Die Kartei wird zu finden sein.«

»Und ...?«Rhodan fieberte. »Wir zapfen sie an. Es muß

möglich sein! Die Positionsangaben von Azgoladürften an vorletzter Stelle stehen, vielleicht auch anletzter. Es ist unklar, ob das Saatschiff über seineTätigkeit auf Snarfot noch berichtete. Wir haben alsonur zwei Möglichkeiten auszuwerten.

Wenn wir wissen, welche Symbole Azgolabetreffen, programmieren wir um und lassen nurdiese Daten von dem Sender abstrahlen. Ist esgeschehen, unterbrechen wir wieder.«

»Eine gewagte Theorie«, meinte Kalup. SeineAugen begannen zu glänzen. »Richtig, wir habenaber keine andere Wahl. Vor allem sollten wirverhindern, daß außer Azgola noch andere Planetengenannt werden. Die Funküberwachung derIRONDUKE muß feststellen, wann der letzteAzgolaimpuls ausgeschickt wird. Dann schalten wirab. Vorausgesetzt, das Ernteschiff fliegt los, wird esdie Aufgabe der terranischen Wissenschaft sein,innerhalb kurzer Zeit eine Symbolgruppe zu

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entwickeln, die für Arkon II richtig ist. Damit lockenwir das Ernteschiff dorthin, wo wir es brauchen istdas durchführbar?«

Er antwortete nicht, doch dafür begann er zurechnen. Riebsam schloß die Augen und lehnte sichin seinem Klappsitz zurück. Mir genügte es schon,daß die Terraner nachdachten. Wahrscheinlichwürden sie noch Verbesserungen zur Grundideevorschlagen.

Rhodan alarmierte die Besatzung desSchlachtschiffes. Unterdessen beobachtetenzweiundvierzig Kommandotrupps ebenso vieleReparaturroboter, von denen einige ihr Ziel erreichthatten.

Die Meldungen häuften sich. Ras Tschubai undGucky waren einsatzklar. Sie sollten springen, sobaldetwas geschah, was auf eine Aktivierung desDatengebers hinwies. In dem Falle konnten wir nichtschnell genug handeln.

Wenn das Ernteschiff nur eine unerwünschtePositionsangabe erhielt konnten wir es nicht mehrdavon abhalten, den falschen Planeten anzufliegenund abzuernten. Ich glaubte nicht mehr daran, daß esverschollen war. Wahrscheinlich lag es nur an demRobotdispatcher, der infolge eines Versagers unfähigwar, die vom Saatschiff eingelaufenen Angabenweiterzuleiten. Wir begannen zu warten.

8.

Es dröhnte, als hätte eine Bombe eingeschlagen.Die Verkleidungsbleche der Gitterbauwerke wölbtensich nach draußen, knallten zurück und erzeugtendabei Geräusche, die uns in Deckung springen ließen.

Die Energiestation war zum Leben erwacht. DasTosen der Meiler übertönte unsere Rufe. MeterlangeEntladungsblitze fuhren aus antennenartigenKugelkörpern hervor. Die Erscheinungenstabilisierten sich zu drahtlosen Kraftstromleitern, dieplötzlich als sonnenhelles Filigrangewirre die innereRingstraße überspannten.

Man konnte sein eigenes Wort nicht mehrverstehen. Eine Verständigung war auch nichterforderlich. Wir wußten, daß dieWartungsmaschinen an der Arbeit waren. VieleAggregate, die bisher durch natürlicheAbnutzungseffekte stillgelegen hatten, funktioniertenwieder.

Die Kraftstation hatte zuerst ihren Dienstaufgenommen. Wenn die anderen Reparatureinheitenebenso schnell die Schäden behoben, konnte dieSituation kritisch werden.

Die Robotinspekteure entwickelten eine hektischeAktivität. Durch das Anlaufen der Energieversorgungwurden auch jene Maschinen mobilisiert, die aufunsere Batterien nicht reagiert hatten.

Sie quirlten durch die Gänge, überrollten einigeunvorsichtige Männer der Einsatzkommandos undverschwanden in aufgleitenden Bodenöffnungen, diewir vorher nicht bemerkt hatten.

Wahrscheinlich handelte es sich umBereitschaftshangars, wo die Spezialisten auf dieNotrufe defekt gewordener Geräte zu warten hatten.Ich rannte in gebückter Haltung zum Funkzelthinüber. Wir hatten es neben dem Haupteingangaufgestellt. Rhodan kniete vor den Bildschirmen derVisiphongeräte.

Das Durcheinander im »Sammler« konnte unserePlanung zunichte machen. Ich sah, daß Perry dieLippen bewegte. Ich zwängte mich an ihm vorbei,ergriff meinen Funkhelm und setzte ihn auf. Sofortvernahm ich die Rufe der Männer. Jemand schrie so,wie ich es wenige Stunden zuvor schon einmal gehörthatte.

»Feuer frei! So schießen Sie doch. Alles, was sichbewegt, kann angegriffen werden«, ordnete Perry an.

Auf den Bildschirmen wurden flachgebauteRobots erkennbar. Sie quollen aus Bodenlukenhervor, glitten in schneller Fahrt auf Spiralrampenherab und griffen unsere Männer an, die bei denInspekteuren standen, um deren Tätigkeit zubeobachten.

An zwei Stellen waren irisierendeLeuchterscheinungen zu bemerken. Sie lösten sichplötzlich auf, und zwei Soldaten warenverschwunden.

»Rotationsfelder«, gab Brazo Alkher durch. »Siesetzen die rote Strahlung ein.«

Captain Nacro, unser marsgeborenerChefingenieur, handelte schon. UnserePhalanx-Robots flogen über das Gelände. WieGeschosse durchschlugen sie die Metallwandungender Gebäude und drangen in die einzelnen Sektorenein. Das Donnern der Impulswaffen vermischte sichmit dem Geschrei der Kommandoführer.

Auch wir wurden unter Beschuß genommen. Eingeistesgegenwärtiger Sergeant raste mit einemPanzer auf das Zelt zu, stoppte davor und schirmte esab. Wir gingen hinter dem Fahrzeug in Deckung underöffneten das Feuer.

Ich hatte meinen Handstrahler auf Feinbündelungeingestellt, da ich die Absicht hatte, denwahrscheinlich anspringenden Hyperkomsenderdurch die Zerstörung einiger Hauptkabelabzuschalten.

Jetzt erwies sich die Waffe als ungeeignet. DieAngreifer waren stabile Konstruktionen, die von demNadelstrahl kaum beschädigt wurden.

Weiter rechts begann wieder ein Panzer zurotieren. Gleichzeitig gab Leutnant Nolinow Alarm.Seine Stimme überschlug sich.

»Sektor VII, kommen Sie, Sektor VII! Ein

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Hyperwellenwandler läuft an. Auf einem Bildschirmist das Modell der Milchstraße zu sehen. Überall sindgrüne Punkte eingestreut. Das müssen dieverseuchten Planeten sein.«

Der Luftdruck der feuernden Panzerkanonewirbelte mich gegen das Zelt. Rhodan hatte jeneRobots aufs Korn nehmen lassen, von denen dieRotationsstrahlung ausging. Der kreisende Panzerkam zur Ruhe und fiel auf den Boden zurück.

»Übernehmen Sie das Funkzelt«, schrie PerryNacro zu.

Zu der Zeit stand ich schon wieder auf den Beinen.Gucky winkte. Er sollte mich zum Einsatzortbringen.

Ich rannte auf ihn zu und nahm ihn auf die Arme.»Festhalten, entspannen.« Ein greller Schmerzdurchzuckte mich. Guckys Teleportergabenerzeugten ein fünfdimensionales Auflösungsfeld, vondem wir als Energieimpuls abgestrahlt wurden.

Wir kamen an Ort und Stelle an, ehe ich dieSchmerzempfindung voll registriert hatte. Vor unswölbte sich eine große Halle. Rhodan und derTeleporter Ras Tschubai materialisierten neben mir.

Eine Wandfläche, die wir bei unserenErkundungsgängen nicht als Bildschirm erkannthatten, zeigte tatsächlich die Milchstraße, unter demSchirm stand der halbrunde Schaltblock einerpositronischen Speicherbank. Wir waren davonüberzeugt, daß in ihm die Positionsangaben desSaatschiffes verankert waren.

Draußen dröhnten die Waffen. Die plötzlichaufgetauchten Robots schienen mit unseremEindringen nicht einverstanden zu sein.

Wir sahen uns um. Ein Teil der Außenwand wurdevom Desintegratorgeschütz eines Allzweckpanzersaufgelöst. Der Fahrer steuerte ihn durch die Lücke.Es war das Fahrzeug mit den Meßinstrumenten. Daswissenschaftliche Team war planmäßigangekommen.

Kalup und Riebsam sprangen aus der Schleuse.Der Hyperphysiker kämpfte schon wieder mit seinerAtemnot.

Wir beobachteten zwei Reparaturroboter, die mitihren Werkzeugarmen an Schaltanlagen arbeiteten.Kurz darauf wurde das Projektionsbild derMilchstraße deutlicher. Die Leuchtpunkte begannenzu flimmern.

Nebenan rumorten Maschinen. Dort war BrazoAlkher mit seinen Leuten stationiert.

Als er sich meldete, klang seine Stimme gefaßt:»Kommen Sie, Sir. Hier geschieht etwas, das ich

nicht verstehe.«Wir rannten erneut. Kalup folgte schnaufend. Im

Verbindungsgang knieten drei Soldaten hinter einemtragbaren Desintegrator. Sobald eine Kampfmaschineauftauchte, eröffneten sie das Feuer.

Gasschwaden umhüllten uns. Es roch nachverbrannten Kunststoffen und schmorendenIsolationen. Hoffentlich wurden nicht unersetzbareLeitungen zerschossen. Wir konnten nicht wissen,was wichtig und was weniger wertvoll war.

Rhodan stieß die Schiebetür auf. Vor uns lag eineZentrale, die wir als »Geberraum« bezeichneten.

Hier standen die Automattaster, von denen dieDaten des Speichers aufgenommen und abgestrahltwurden. Wenigstens nahmen wir an, daß es sich umsolche Aggregate handelte.

Unsere Funkspezialisten hatten behauptet, eineandere Möglichkeit bestünde nicht. EinHyperfunkaggregat sei eine Anlage mit socharakteristischen Merkmalen, daß es nicht mitanderen Geräten zu verwechseln sei.

An der Decke fluoreszierten die feldisoliertenStromleiter. In ihnen floß die Energie der atomarenKraftstation.

Ein Trafo-Verteiler nahm den Arbeitsstrom auf,formte ihn offenbar in andere Spannungen um undgab ihn an armstarke Kabel ab, die in einerSicherungsbank endeten.

Wir wagten es nicht, uns dem Käfig zu nähern. Esstand noch nicht fest, mit welchen Werten gearbeitetwurde.

»Vorsicht«, rief mir Kalup zu. »DerImpulswandler läuft schon.«

Unsere Mechano-Robots stürmten in den»Geberraum«. Sie trugen zwei tragbare Telekoms,die uns mit der IRONDUKE verbanden.

Das Heulen wurde lauter. Mehr und mehrAggregate fielen ein. Die Reparaturarbeiten schienenzu gelingen.

Ich konnte mich kaum zur Ruhe zwingen.Techniker entfalteten ein Isolationsschild, hinter demwir in Deckung gingen.

»Zurück«, rief ich Brazos Männern über Helmfunkzu. »Wenn wir die Leitungen zerschießen, fliegen dieBrocken. Sie haben Ihre Aufgabe erfüllt.«

Perry rief Oberst Claudrin an. Die Großfunkstationdes Schlachtschiffes war einsatzklar.

»Bisher noch kein Hyperwellenimpuls«, teilte ermit. »Bleiben Sie am Gerät. Beim ersten Ton meldeich mich.«

Kalup sah angespannt nach vorn. Ich folgte seinemBlick.

»Sehen Sie das? Dort, den Kippschalter? Er wirdmechanisch bewegt. Primitiv, möchte ich sagen.«

Ich entdeckte ihn. Er war armlang und stand imWinkel von etwa fünfundvierzig Grad von der Wandab. Ein Reparaturrobot hatte zwei Werkzeugarmeausgestreckt, mit denen er die Verkleidungsblecheeines Schaltkastens öffnete.

Darin war ein seltsames Räderwerk erkennbar. Einschmorender E-Motor besaß nicht die Kraft, den

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Hebel zu bewegen.»Sender bekommt Energie. Impuls-Weiterleitung

erfolgt nicht«, teilte Riebsam mit. »Was ist los?«Draußen donnerten noch immer die Waffen. Eine

Gazelle schleuste neue Robottruppen aus.»Riebsam - mit welchem Stromkreis hängt der

Datengeber zusammen? Hohe Spannung?« Kalupsetzte seinen Funkhelm auf.

»Nein, Niederspannungsnetz. Ein Großtrafo istdazwischengeschaltet. Es kann nichts anderes sein.Der Sender wird davon nicht versorgt. Hierleuchteten rote Lampen. Bei euch stimmt etwas nicht.Die Gedächtnisbank arbeitet.«

Ich begann zu ahnen, was Kalup zu den Fragenbewegte. Sekunden später erfaßte ich, warum er aufden blockierten Hebel starrte. Wenn dieImpulsgebung mit Niederspannung arbeitete, konntennormale Schalter verwendet werden. Einblitzschnelles Zusammenschlagen der Kontakte warnicht erforderlich.

Ich erhob mich und schritt wie ein Nachtwandlerauf den Reparaturrobot zu. »Atlan ...!«

Perrys Schrei hallte in meinem Helmlautsprecher.»Lassen Sie ihn gehen«, hörte ich Kalup sagen.

»Er hat die Lage erfaßt. Der blockierte Hebel ist derKontaktgeber zwischen Automatsender undSpeicherbank. Claudrin - es geht gleich los.«

Der Robot war mir im Wege und ein zu großesSicherheitsrisiko. Ich zerstörte ihn mit demDesintegrator. Mit umherschlagendenWerkzeugarmen fiel er zurück.

Der Steuermotor brannte. Ich richtete einen feinenD-Strahl auf die Teilungsstelle der vier Leiter unddurchschnitt sie. Die Separatsicherung schlug durch.Der Motor erhielt keinen Strom mehr.

Unter dem Hebel hatte sich eine fingerdickeSchicht gebildet. Ich hämmerte mit dem Waffenlaufdagegen. Sie war kristallhart, verklebte den zurBewegung erforderlichen Schlitz und hielt denSchalter damit fest.

Eine seltsame Ruhe erfüllte mich. Unter derKlebeschicht - ich hielt sie für ein verharztesSchmiermittel - blitzten Kontakte. Der Hebel mußtenach unten bewegt werden, egal, welche Folgen eshaben sollte.

Ich zog den Werkzeughammer aus dem Gürtel derKampfkombination und schlug mit der Spitze auf dasHindernis ein. Der Stoff spritzte in Bruchstücke weg.Als ich den Schlitz freigelegt hatte, dachte ichunsinnigerweise darüber nach, warum derReparaturrobot nicht ähnlich gehandelt hatte.

Er hatte sich nur um den Steuermotor gekümmert,den er natürlich als Fehlerquelle angesehen hatte.Also waren auch die Robottechnik der Erbauer nichthundertprozentig. Die Maschine hätte herausfindenmüssen, daß die Bewegung nur deshalb nicht gelang,

weil das Gestänge blockiert war.Ich drückte den Schalter nach unten. Er rastete ein.

Bläuliche Funken sprühten.Ich ging panikartig in Deckung, als über meinem

Kopf ein Lärminstrument zu pfeifen begann.Vorsichtig zog ich mich zurück. Rhodan winkte.Außer mir war niemand mehr im Geberraum. DieSoldaten hielten sich im Gang auf.

»Impulse kommen durch«, teilte Riebsam mit.»Was war los? Die Lampen verlöschen.«

Claudrins Gebrüll drang aus dem Visiphon.»Sender funkt. Einzelsymbole« Rhodan riß die

Waffe hoch. Er hatte sich sein Ziel ausgesucht. Ichumklammerte sein Handgelenk. »Bist du verrücktgeworden?«

»Moment! Claudrin, hören Sie mich? Was sagtenSie? Sie empfangen nur ein Symbol? Immer dasgleiche Zeichen? Oder kommen jetzt Gruppendurch?«

»Nein, nur der eine Impuls.«»Nicht schießen, Sir«, sagte Kalup. »Das ist die

Lösung! Die Station ruft erst einmal das Ernteschiffan. Abwarten, noch werden keine Daten gegeben.Claudrin, achten Sie auf Nachrichten, die aus demRaum kommen. Wenn das Ernteschiff noch existiert,wird es sich mit seinem Erkennungszeichen melden.Registrieren Sie es. Wir brauchen es noch. Halten Sieauch das Anrufsymbol auf Tonband fest Gleich zurAuswertung weiterleiten.«

Rhodan schwitzte. Ehe er jedoch etwas sagenkonnte, meldete sich Claudrin erneut.

»Die Antwort läuft ein. Ebenfalls nur ein Impuls.Standort des Senders wenigstens dreißigtausendLichtjahre entfernt. Das könnte der Ernteraumer sein.Wahrscheinlich gibt er Klarmeldungszeichen.Ernteschiff ist empfangsbereit. Ich - Planetsenderschaltet um. Vorsicht, jetzt folgen die Daten.«

Rhodan war auf den gleichen Gedankengekommen wie ich! Wir schossen nicht! Es gab einenbesseren Weg als die Leitungen zu zerstören. Ohneuns vorher verständigt zu haben, rannten wir durchden Saal. Zusammen erreichten wir den Kontakthebelund schlugen ihn nach oben.

»Zum Teufel«, vernahmen wir Riebsams Stimmein den Funkhelmen. »Schon wieder die Lampen.Daten kommen nicht mehr durch.«

»Genau das wollten wir erreichen, Doktor«, sagteRhodan, und sein Gesicht entspannte sich, »genaudas!« Die IRONDUKE meldete sich. »Gelungen,Sender arbeitet wie zuvor mit Anrufzeichen.Auswertung liegt schon vor. Der Impuls bedeutetsofort melden, Auftrag. Sir, wenn das nicht derErnteraumer ist, will ich nicht Claudrin heißen.«

Wir zogen uns zurück. Der erste Teil unseresVorhabens war gelungen. Kalup war verschwunden.

Nun lag es an ihm und den Kybernetikern des

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Schiffes, die Daten über den Planeten Azgola aus derSpeicherbank hervorzuholen.

Captain Nacro gab bekannt, die Angriffe derKampfmaschinen ließen nach. Es wären etwafünfhundert Stück vernichtet worden.

Wir verließen den Geberraum. Draußen sahen wirInspektionsgeräte. Sie arbeiteten emsig anstillstehenden Maschinen.

*

Die Schlacht Robot gegen Robot warausgebrochen. Wir hatten nur eintausendKampfmaschinen an Bord. Der Gegner warwenigstens zwanzigfach überlegen.

Drei Stunden nach dem Anlaufen derinterkosmischen Zentrale hatten die planetarischenForts ihre mobilen Haupteinheiten ausgespien. Eswaren alptraumhafte Konstruktionen; einige so großwie terranische Allzweckpanzer.

Sie arbeiteten mit gesteuerten Rotationsfeldern undNarkosestrahlern. Daraus ergab sich eineverzweifelte Situation.

Unsere Kampfmaschinen waren gegen dieNervenlähmung unempfindlich, wohl aber reagiertensie auf die Kreiselfelder, von denen sie in die Höhegerissen würden. Die Schutzschirme nützen nichts,da sie die Drehung noch beschleunigten.

Unsere Jäger stießen auf die langsamvorrückenden Robots herab und überschütteten siemit Atomfluten aus den Bugkanonen. Trotzdemtauchten immer wieder neue Gegner auf.

Wir konnten es nicht wagen, die IRONDUKEeinem Narkosebeschuß auszusetzen. Wahrscheinlichwären uns die Rotationsfelder nicht gefährlichgeworden, aber die Besatzung durfte unter keinenUmständen gelähmt werden.

Starten wollte Rhodan ebenfalls nicht, da wir indiesem Falle in den Feuerbereich der Fortsgekommen wären. Wir hatten drei Gazellenausgeschleust, und sie waren alle angegriffenworden.

Die G-7 unter Mahaut Sikhra war von einemBetäubungsschauer voll getroffen worden. Nur dieAutomatik hatte einen Absturz des durch dieLuftreibungshitze weißglühenden Schiffesvermieden.

Wenn wir mit der IRONDUKE unserenLandeplatz verlassen hätten, wäre ein Aufenthalt inder Atmosphäre nicht möglich gewesen. Wir hättenuns in den freien Raum zurückziehen müssen, waswiederum unser Vorhaben erschwert oder sogarunmöglich gemacht hätte.

Die Aktivierung der Reparaturrobots zeigteschwere Folgen. Mit dem Interkosmo-Sender wareine befehlsgebende Station verbunden. Sie

veranlaßte die Angriffe, die mit dem sinnlosenAnfliegen der kleinen Ernteschiffe nicht mehr zuvergleichen waren.

Es wurde ernst. Mechanica wehrte sich. UnserePanzertruppen hatten wir zurückgezogen. DieAngreifer waren nur durch blitzschnelle Vorstöße derJäger oder durch mechanische Bodentruppen zubekämpfen.

Die schweren Waffen der IRONDUKE konntennicht eingesetzt werden. Die Front war kreisförmig.Wir standen im Mittelpunkt. Der Narkosestrahl einesMechanicaroboters reichte etwa fünf Kilometer weit.Näher durften wir sie nicht herankommen lassen,wenn wir die Besatzung nicht gefährden wollten.

Die Mutanten befanden sich ebenfalls im Einsatz.Je nach ihren Fähigkeiten schleuderten sie dieMaschinen entweder zurück oder vernichteten siedurch Mikroatombomben, die sie im Gewühlniederlegten.

Ras Tschubai war bei einem solchen Sprungnarkotisiert worden. Gucky hatte ihn aus derGefahrenzone getragen.

Die Abwehrschlacht tobte seit zwei Tagenirdischer Zeitrechnung. Kalup und dieWissenschaftler des Teams hatten etwa achttausendPositionsdaten auszuwerten; eine Aufgabe, die ohnedie positronischen Rechengehirne Jahre beanspruchthätte.

Es War relativ einfach, die für einen Planetenzutreffenden Symbolgruppen abzutrennen. Dann abermußte geklärt werden, wo diese Welt lag. Wirkonnten uns nicht den Fehler erlauben, dasErnteschiff an einen falschen Ort zu schicken.

Vor zwei Stunden war die letzte Auswertungbekanntgeworden. Es stellte sich heraus, daß dieDaten über Azgola nicht an letzter Stelle gestandenhatten. Wir hatten sie zwischen den anderen Angabengefunden.

Die Vergleichsmessungen liefen noch. Es war aberjetzt schon klar, daß wir die richtigen Werte ermittelthatten.

Seit dem Angriff hatten wir die Sendezentraleräumen müssen, da auch dort die Kampfmaschinender Forts aufgetaucht waren. Die Fernbeobachtunghatte uns wissen lassen, daß sich die Robots nachunserem Verschwinden ebenfalls zurückgezogenhatten.

Unsere Spezialgeräte hatten wir dort gelassen. Diedrahtlosen Fernbildkameras verrieten, daß sichniemand darum gekümmert hatte. DieVerteidigungsmaschinerie schien nur auf organischesLeben anzusprechen.

Kalup betrat den Kommandoraum, von wo aus wirdas Gefecht miterlebten. Von unseren tausendPhalanx-Robotern waren schon sechshundertvernichtet worden. Es wurde Zeit, das Feld zu

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räumen.Der Professor reichte Perry den angefertigten

Programmierungsstreifen. Wir waren infolge derfremdartigen Technik gezwungen, dieSymbolgruppen in ein terranisches Steuergerät zugeben, das wir mühevoll mit der Aufnahmeschaltungder hiesigen Speicherbank verbunden hatten.

Ich hatte vorgeschlagen, den Datenimpuls mit demSchiffssender abzustrahlen. Rhodan hatte aber daraufbestanden, dafür die Mechanicastation einzusetzen.Vielleicht war es auch besser.

»Ich glaube, es stimmt«, sagte Kalup müde.»Fragen Sie nicht, ob wir es nicht noch einmalkontrollieren können. Wir haben alles getan, was inunserer Macht stand. Senden Sie die Symbolgruppen,und warten Sie ab, was geschieht. Sorgen Sie aberdafür, daß der Sender nicht noch weitere Datenabschickt. Wenn das Ernteschiff Azgola anfliegt,müssen wir versuchen, es anderweitig zubeeinflussen.«

Wir belästigten ihn nicht mit Fragen. Wir wußten,wie angestrengt die Wissenschaftler gearbeitet hatten.Ich fühlte mich ebenfalls wie zerschlagen.

Das Kommando stand bereit. Gucky und RasTschubai sollten Perry und mich in die Zentralebringen. Es war nicht mehr zu tun, als denProgrammierungsstreifen in das Steuergehirn zuschieben, den Datenkontakt zu schließen undzurückzuspringen. Wir hofften, es im Zeitraum vonwenigen Minuten erledigen zu können.Vorsichtshalber hatten wir arkonidischeKampfanzüge angelegt, deren Gravoabsorber undSchutzschirmeinrichtungen wenigstens etwasSicherheit versprachen.

Wir überprüften die Waffen, klammerten uns anden Teleportern fest und sprangen. Als ich denSchmerz fühlte, befanden wir uns schon in derSammlerzentrale.

Die Reaktoren liefen noch. Überall summte,klingelte und rumorte es. Vor uns lag die Halle mitder Speicherbank. Das Steuergerät war unbeschädigt.

Rhodan verzichtete auf eine Diskussion. Er spranglos und schob den Streifen in denProgrammierungsschlitz. Die Maschine begann zuarbeiten. Die Sekunden vergingen.

Aufleuchtende Kontrollampen bewiesen, daß dieMechanica-Elektronik die Werte aufgenommen hatte.Ich löste den Abrufimpuls aus. Als der ehemalsblockierte Schalter einrastete, hatten wir alles getan,was getan werden konnte.

»Sie kommen«, sagte Ras. Er stand in der Tür undwartete auf die stählernen Erben der Intelligenzen,von denen wir keine Spur gefunden hatten.

Eigentlich verrieten nur die Gleitrampen, daß sieeine andere Körperform besessen hatten. Auch dieschlangenähnlichen konstruierten Robots erhärteten

unsere Theorie. Wenn die Erbauer dem bei jederIntelligenz vorhandenen Instinkt gefolgt waren, ihremechanischen Geschöpfe annähernd so zu gestalten,wie sie selbst aussahen, konnte man einige Schlüsseziehen.

Wir bemerkten, daß der Sender zu funken begann.Seine Robotsteuerung schien nur auf das Einlaufeneiner Symbolgruppe gewartet zu haben.

»Absetzen«, ordnete Rhodan an. Es war das dritteWort, das bei dem Unternehmen gesprochen wurde.

Die Teleporter brachte uns zum Schiff zurück. DieBesatzung lauschte atemlos auf die Signale unsererHyperempfänger. Augenblicke später kam dieAntwort aus den Tiefen des Raumes.

Zuerst liefen die schon bekanntenIdentifizierungszeichen ein und dann zwei weitereSymbolbegriffe, die wir zur Auswertung an diemathematische Abteilung gaben.

Der Jägerführer meldete sich. »Capani spricht.Gegner rückt weiter vor. Wir werden unterNarkose-Beschuß genommen, sobald wir über denFunkhorizont der Forts kommen. Unsere Waffenkönnen nur begrenzt eingesetzt werden. HoheGeschwindigkeiten sind erforderlich, oder die Robotsschießen sich auf uns ein. Die Phalanxmaschinenunterliegen. Bis jetzt sind etwa neunhundert durchRotationsfelder vernichtet worden. Ich bitte umLandeerlaubnis.«

»Genehmigt«, antwortete Perry. »Lassen Sie sicheinschleusen. Beeilen Sie sich. Wir starten.«

Der Sammler funkte weiter, aber er schickte keineDaten mehr aus. Was wir hörten, war unwichtig. Ergab wie bisher seine Rufzeichen durch. DasErnteschiff setzte einen letzten Spruch ab. DieAuswertung besagt, daß es sich in Marsch gesetzthatte.

Die Peilung über seinen Standort war ungenau.Kalup war der Meinung, der Ernteraumer hättewahrscheinlich seit mehreren hundert Jahren fahrtlosim Raum gestanden und auf neue Positionsangabengewartet. Er mußte seine Tätigkeit eingestellt haben,als der Mechanicasender unklar geworden war.

Gucky kontrollierte seinen Desintegrator. »Sollich?« Ich nickte.

»Zerstöre die Speicherbank und komme sofortzurück.«

Er verschwand in einer flimmerndenLeuchterscheinung. Nach fünf Minuten war er schonwieder zurück.

»Erledigt«, sagte er einfach. »Das Ding gibt keineDaten mehr ab?«

In den Schutzschirmen der IRONDUKE begann eszu summen. Wir wurden mit Rotationsfeldernangegriffen. Die Einschleusung der Jäger verzögertesich besorgniserregend. Claudrin wurde unruhig.Rhodan handelte. »An Jägerführer! Einschleusung

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abbrechen, mit Höchstfahrt in den Raum starten. Wirübernehmen Sie dort.«»Verstanden, Sir.« Ich lauschte auf das Donnern derTriebwerke. Das Schlachtschiff wurde schwerelos.Es waren Vorgänge, die ich viele Male erlebt hatte.Sie interessierten mich nicht.Meine Aufmerksamkeit galt den Bildschirmen, aufdenen der Antennenwald der mechanisierten Stadt zusehen war. Der Sender funkte immer noch.Wahrscheinlich waren die Robotinspekteurealarmiert worden. Wir wußten nicht, inwieweit siefähig waren, ein zerstörtes Robotgehirn zu reparieren.Vielleicht gab es auch noch eine Reserveanlage, diewir nicht entdeckt hatten.Es war dringend erforderlich, das Ernteschiff inunsere Gewalt zu bringen, seine Maschinen leicht zubeschädigen, um anschließend zu versuchen, miteinem Spezialsender die Daten von Arkon II in seineSteuergehirne zu geben.Das Unternehmen Mechanica endete sang- undklanglos. Nach dem hektischen Betrieb der letztenStunden wirkte das Dröhnen der Triebwerkeeinschläfernd.Vom Start spürte ich nichts. Das Tosen der Waffenschreckte mich kaum auf. Unter uns flogen zweiForts in die Luft. Die Feuerleitpositronik derIRONDUKE war wieder schneller gewesen.Wir rasten in den freien Raum. Mehr als fünfzigtausend Lichtjahre entfernt leuchtete die

Sternballung der Milchstraße. Es war einberauschender Anblick.Als die Sonne Outside kleiner wurde, nahmen wir dieletzte Jägergruppe an Bord. Die Piloten warenerschöpft. Sie hatten vierundzwanzig Stunden langkeinen Schlaf gefunden. Die Sender des Schiffesbegannen zu arbeiten. Die Kommandanten der imSternhaufen M-13 wartenden Terraflotte wurdeninformiert Außerdem bekamen sie den Befehl,Azgola anzufliegen und nach einem FremdkörperAusschau zu halten.Ehe wir den Linearflug einleiteten, setzte sichRhodan zu mir. Grübelnd schaute er auf dieBildschirme.»Ich kann mir nicht helfen - aber ich glaube, wirwerden noch einige Überraschungen erleben.«Ich zuckte müde mit den Schultern. »Ich will schonzufrieden sein, wenn das Ernteschiff auftaucht. Wiesieht es auf Arkon II aus?«Perry zögerte. Da wußte ich, daß einige Arkoniden anÜberernährung litten.Ich schlief in der Zentrale ein. Mein letzter Gedankegalt meiner Heimat. Was würde die Zukunft bringen?

E N D E

Die Welt MECHANICA ist eine geschäftige Welt, obwohl sie seit Äonen kein organisches Leben mehr trägt.Die »Erbauer« sind ausgestorben, doch ihre mechanischen Schöpfungen, zu denen auch vollrobotisierteRaumschiffe gehören, sind aktiv wie eh und je ...Es ist daher anzunehmen, daß die Jagd nach dem verschollenen Ernteschiff die Terraner noch vor schwierigeProbleme stellen wird ...

DAS ERBE DER ECHSEN

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