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SPORT SPIEGEL: Herr Edberg, mögen Sie Boris Becker? Edberg: Was soll ich sagen? Ich empfin- de großen Respekt für ihn. Er ist ein großer Spieler. SPIEGEL: Wünschen Sie sich zum Ab- schluß Ihrer Karriere noch einmal ein Match gegen Ihren Rivalen? Edberg: Es wäre ein besonderer Spaß. Boris und ich hatten eine großartige Rivalität, wir haben leidenschaftlich gekämpft und uns an unsere Grenzen ge- trieben. Wir haben eine besondere Bezie- hung, eine Art blindes Verständnis oder Seelenverwandtschaft – auch wenn wir sehr, sehr unterschiedlich sind. SPIEGEL: Sprechen Sie mit ihm über die gemeinsame Vergangenheit? Edberg: Nein, wir reden nicht viel. Wir waren nett zueinander, aber erbitterte Gegner. Jetzt sind wir freier geworden im Umgang miteinander. Vielleicht werden Das Gespräch führte Redakteur Klaus Brinkbäumer in Wien. ich habe mit meinem Trainer Tony Pick- ard Karten gespielt. Dann, spät am Abend, durften Boris und ich fünf Spiele im ersten Satz machen, und schon wurde es dunkel. Am Montag regnete es wieder, wir saßen gelangweilt herum – ich habe üppig gegessen. Dann aber kam die Son- ne heraus, und 45 Minuten später standen wir auf dem Platz: Boris wild entschlos- sen und ich mit Bauchschmerzen. SPIEGEL: Er gewann den ersten Satz. Edberg: Ja, und ich erinnere mich noch genau an die Ballwechsel im zweiten, an den Tie-Break, als ich das Match kippen konnte. Und ich sehe den letzten Punkt vor mir: Es war ein langer Ballwechsel, ich stand am Netz und spielte einige Vol- leys, und dann zielte er auf meinen Kör- per, doch der Ball blieb am Netz hängen. Ich bin auf den Rücken gefallen, so er- leichtert wie noch nie. Es war der Mo- ment, auf den ich immer gewartet hatte. SPIEGEL: Solche Momente werden Sie künftig kaum noch erleben. Haben Sie Angst vor dem Leben ohne Sport? wir in ein paar Jahren mal an einer Bar sitzen und über damals reden. SPIEGEL: Gemeinsam ist Ihnen und Becker die Liebe zu Wimbledon. Edberg: Er gewann dort 1985; damit be- gann für ihn ein anderes Leben. In meiner Jugend war Wimbledon das einzige Tur- nier, das in Schweden live im Fernsehen übertragen wurde. Und es war die große Zeit von Björn Borg – ich wollte schon als kleiner Junge Wimbledon-Sieger werden. SPIEGEL: Das beste Match Ihres Lebens haben Sie allerdings in New York ge- spielt: 1989, als Sie das Masters-Finale gegen Becker gewannen. Edberg: Nein, das Match meines Lebens war das U.-S.-Open-Finale 1991 gegen Jim Courier. 6:2, 6:4, 6:0 – das war eine Nacht, die ich nie vergessen werde. SPIEGEL: Und der schönste Moment? Edberg: Schöner, irgendwie eben speziel- ler war das Wimbledon-Finale 1988. SPIEGEL: Woran erinnern Sie sich? Edberg: Für mich war es ein verrückter Tag. Es regnete den ganzen Sonntag, und 196 DER SPIEGEL 43/1996 SPIEGEL-Gespräch „Der Ruhige und der Wilde“ Stefan Edberg über den Zweikampf mit Boris Becker, Fair play im Profitennis und die Angst vor dem Aufhören 41 Grand Prix gewann der Schwede Ste- fan Edberg, 30, zweimal in Wimbledon und bei den U. S. Open in New York. 72 Wochen lang war er Nummer eins der Welt- rangliste. Vor Jahren sie- delte er nach London über. Er mag „das Aristo- kratische“ an Wimbledon und das britische Ver- ständnis von Sport: Fair und vornehm spielte sich der stille Tennisprofi vor zwölf Jahren in die Welt- spitze. Nach dem Davis- cup-Finale Ende Novem- ber wird er zurücktreten; in dieser Woche spielt er in Stuttgart sein letztes Turnier auf deutschem Bo- den. Edberg will in Zu- kunft für seinen Sponsor Adidas arbeiten und gele- gentlich Seniorenturniere spielen. R. RIEDLER / ANZENBERGER

"Der Ruhige und der Wilde"

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Just a month before his official retirement, Stefan Edberg talks about his rivalry with Boris Becker, the importance of fair play in sports and his future after tennis in a long interview by Klaus Brinkbäumer of Der Spiegel.

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Page 1: "Der Ruhige und der Wilde"

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„Der Ruhige und der Wilde“Stefan Edberg über den Zweikampf mit Boris Becker, Fair play im Profitennis und die Angst vor dem Aufhören

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SPIEGEL: Herr Edberg, mögen Sie BorisBecker?Edberg: Was soll ich sagen? Ich empfin-de großen Respekt für ihn. Er ist eingroßer Spieler.SPIEGEL: Wünschen Sie sich zum Ab-schluß Ihrer Karriere noch einmal einMatch gegen Ihren Rivalen?Edberg: Es wäre ein besonderer Spaß.Boris und ich hatten eine großartigeRivalität, wir haben leidenschaftlichgekämpft und uns an unsere Grenzen ge-trieben. Wir haben eine besondere Bezie-hung, eine Art blindes Verständnis oderSeelenverwandtschaft – auch wenn wirsehr, sehr unterschiedlich sind.SPIEGEL: Sprechen Sie mit ihm über diegemeinsame Vergangenheit?Edberg: Nein, wir reden nicht viel. Wirwaren nett zueinander, aber erbitterteGegner. Jetzt sind wir freier geworden imUmgang miteinander. Vielleicht werden

Das Gespräch führte Redakteur Klaus Brinkbäumerin Wien.

196 DER SPIEGEL 43/1996

wir in ein paar Jahren mal an einer Barsitzen und über damals reden.SPIEGEL: Gemeinsam ist Ihnen undBecker die Liebe zu Wimbledon.Edberg: Er gewann dort 1985; damit be-gann für ihn ein anderes Leben. In meinerJugend war Wimbledon das einzige Tur-nier, das in Schweden live im Fernsehenübertragen wurde. Und es war die großeZeit von Björn Borg – ich wollte schon alskleiner Junge Wimbledon-Sieger werden.SPIEGEL: Das beste Match Ihres Lebenshaben Sie allerdings in New York ge-spielt: 1989, als Sie das Masters-Finalegegen Becker gewannen.Edberg: Nein, das Match meines Lebenswar das U.-S.-Open-Finale 1991 gegenJim Courier. 6:2, 6:4, 6:0 – das war eineNacht, die ich nie vergessen werde. SPIEGEL: Und der schönste Moment?Edberg: Schöner, irgendwie eben speziel-ler war das Wimbledon-Finale 1988. SPIEGEL: Woran erinnern Sie sich?Edberg: Für mich war es ein verrückterTag. Es regnete den ganzen Sonntag, und

ich habe mit meinem Trainer Tony Pick-ard Karten gespielt. Dann, spät amAbend, durften Boris und ich fünf Spieleim ersten Satz machen, und schon wurdees dunkel. Am Montag regnete es wieder,wir saßen gelangweilt herum – ich habeüppig gegessen. Dann aber kam die Son-ne heraus, und 45 Minuten später standenwir auf dem Platz: Boris wild entschlos-sen und ich mit Bauchschmerzen.SPIEGEL: Er gewann den ersten Satz.Edberg: Ja, und ich erinnere mich nochgenau an die Ballwechsel im zweiten, anden Tie-Break, als ich das Match kippenkonnte. Und ich sehe den letzten Punktvor mir: Es war ein langer Ballwechsel,ich stand am Netz und spielte einige Vol-leys, und dann zielte er auf meinen Kör-per, doch der Ball blieb am Netz hängen.Ich bin auf den Rücken gefallen, so er-leichtert wie noch nie. Es war der Mo-ment, auf den ich immer gewartet hatte.SPIEGEL: Solche Momente werden Siekünftig kaum noch erleben. Haben SieAngst vor dem Leben ohne Sport?

41 Grand Prixgewann der Schwede Ste-fan Edberg, 30, zweimalin Wimbledon und bei denU. S. Open in New York.72 Wochen lang war erNummer eins der Welt-rangliste. Vor Jahren sie-delte er nach Londonüber. Er mag „das Aristo-kratische“ an Wimbledonund das britische Ver-ständnis von Sport: Fairund vornehm spielte sichder stille Tennisprofi vorzwölf Jahren in die Welt-spitze. Nach dem Davis-cup-Finale Ende Novem-ber wird er zurücktreten;in dieser Woche spielt erin Stuttgart sein letztesTurnier auf deutschem Bo-den. Edberg will in Zu-kunft für seinen SponsorAdidas arbeiten und gele-gentlich Seniorenturnierespielen.

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ger Edberg*: „Es war ein verrückter Tag“

Edberg: Ich bin unsicher. Ich werdekünftig ein anderer Mensch sein.Zuerst werde ich mich erleichtertfühlen, denn die letzten zwölf Jahrewaren sehr anstrengend. Ich werdemich entspannen; das könnte einesehr schöne Zeit in meinem Lebenwerden. Ich werde als Familienva-ter in London leben.SPIEGEL: Doch nach einer Weilewerden Sie sich langweilen.Edberg: Das könnte passieren. SPIEGEL: Die SpielervereinigungATP wird ab 1997 den Stefan-Ed-berg-Preis für den freundlichstenSpieler vergeben. Rührt Sie das?Edberg: Das ist faszinierend undtrotzdem beängstigend – mein Gott,ich bin erst 30 Jahre alt. Aber offen-bar behält man mich als Championund als Sportsmann in Erinnerung.Und genau so wollte ich in Erinne-rung bleiben.SPIEGEL: War Becker ein fairerGegner?Edberg: Ich mag es generell nicht,wenn Spieler Tricks versuchen. EinTennismatch sollte dem Tempo desAufschlägers folgen: Wenn der be-reit ist, muß der andere bereit seinfür den Return. Viele Spieler aberverzögern und machen Mätzchen,um dich zu verunsichern.SPIEGEL: Inklusive Becker?Edberg: Becker hat verschiedeneDinge bei verschiedenen Gelegen-heiten probiert. Das ist halt seineArt. Es ist einfach die Frage, wieprofessionell und fair man seinwill. Beides gehört zusammen.SPIEGEL: Gerade im Profisportwirkt die Fair-play-Idee doch einwenig altmodisch.Edberg: Aber wir brauchen Fair-ness, denn ohne sie funktioniertSport nicht. Die Idee des Sports ist es schließlich, sich innerhalb einesReglements miteinander zu messen.SPIEGEL: Stellen Sie sich vor: ImWimbledon-Viertelfinale gegen Beckersteht es im fünften Satz 4:4, und derSchiedsrichter trifft eine Fehlentschei-dung zu Ihren Gunsten. Korrigieren Sie ihn?Edberg: Eher nicht. Ich lasse die Schieds-richter ihre Arbeit machen.SPIEGEL: Der Deutsche Alexander Ra-dulescu hat es in diesem Jahr gegen Ma-liVai Washington getan – und verloren.Edberg: Nett von ihm. Wissen Sie, ichhabe mich bereits 1988 entschieden,mich auf meinen Job zu beschränken. Al-les andere lenkt mich ab.SPIEGEL: Was ist damals passiert?Edberg: Ich habe in Cincinnati gegenMats Wilander gespielt, und die Schieds-richter waren schrecklich. Also haben wirangefangen, uns gegenseitig die Punktezu schenken, und am Ende ging es umnichts anderes mehr. Es war witzig und

Sie

grotesk, aber das Match habe ich deswe-gen verloren.SPIEGEL: Es gibt nichts Wichtigeres alsden Sieg?Edberg: Nein. Der größte Teil meines Le-bens bestand darin, Tennisspiele zu ge-winnen. Tennis war erst nur ein Spaß-ding, dann eine Beschäftigung, schließ-lich mein Job und dann Berufung. Ichhabe mit 16 Jahren begriffen, welcheMöglichkeiten ich hatte. Tennis hat michstolz gemacht und in die Welt geführt.SPIEGEL: Wie gefällt Ihnen die Entwick-lung Ihres Sports?Edberg: Tennis ist vergleichsweise sau-ber. Aber zuletzt hatten wir Turbulenzen.SPIEGEL: Das ist nett gesagt. Kritikernist das Spiel zu schnell und zu eintönig.Edberg: Fortschritt gehört zum Sport.Wenn wir die modernen Rackets verbie-ten, haben wir Klagen von Schlägerfir-

* Nach dem Wimbledon-Sieg gegen Boris Beckeram 4. Juli 1988.

men am Hals. Wenn wir nicht mehrzwei Aufschlagversuche, sondernnur noch einen erlauben, haben wiran windigen Tagen grauenhaftesTennis. SPIEGEL: Also?Edberg: Langsamere Hallenböden,langsame Bälle in Wimbledon, mirreichen kleine Eingriffe. Das Netzkönnte man um ein paar Zentimetererhöhen, um den ersten Aufschlagzu bremsen.SPIEGEL: Vielleicht haben alleProbleme ja mit den Profis zu tun.Die Spieler wirken austauschbar. Edberg: Tennis war immer einSport der Persönlichkeiten. Wir ha-ben davon heute weniger als früher.SPIEGEL: Wieso?Edberg: Das ist simpel: Der Sportist so ungeheuer professionell ge-worden, daß die Spieler denken, sieverlieren ihre Konzentration unddas Match, wenn sie sich ablenkenlassen – darum wirken einige sounscheinbar. Und die Regeln sindstreng. Alles ist vorgeschrieben.Wenn wir ein Schimpfwort sagen,steht irgendwo ein Mikrofon, unddann überschlagen sich die Zeitun-gen: „Bad guy, bad guy.“ Niemandläßt sich gern öffentlich schlachten.SPIEGEL: Es überrascht uns, daßausgerechnet der elegante und im-mer charmante Stefan Edberg, dernie ein böses Wort gesagt hat … Edberg: … doch, doch, ständig,aber immer nur ganz leise …SPIEGEL: … Spielern wie JohnMcEnroe nachtrauert.Edberg: Ich habe McEnroe liebendgern zugeschaut. Er war faszinie-rend, und er war brillant. Über ihnsprachen wir sogar in der Umklei-dekabine: „Hast du McEnroe ge-stern gesehen?“ Eine heimliche

Sehnsucht, so zu sein, gab es auch beimir. Aber ich war eben immer ruhig undabgeklärt.SPIEGEL: Lebt der Sport nicht vom SpielGut gegen Böse?Edberg: Er braucht dieses Duell des Ru-higen und Smarten mit dem Wilden undVerrückten – auch wenn das Image mitder Wirklichkeit nichts zu tun hat. Ohnediese Pole will niemand zugucken: Borgwar gut, Connors böse, Lendl war gut,McEnroe böse. Diese Spieler haben dasSpiel für uns großgemacht, sie haben denBoom ausgelöst. SPIEGEL: Edberg war gut und Beckerböse.Edberg: Das glaubten die Leute, ja.SPIEGEL: Und jetzt gibt es Pete Samprasund keinen Gegenspieler.Edberg: Das ist das Problem. Es gabAgassi, aber das war eher eine PR-Kam-pagne, die nur ein Jahr lang wirklichfunktionierte. Neue Spieler kommen undgehen, und nur Sampras bleibt uner-

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reicht. Das finden manche Leute lang-weilig.SPIEGEL: Ist Sampras Ihr würdigerNachfolger?Edberg: Natürlich, er ist wohl der besteTennisspieler aller Zeiten. Zugleich spielter enorm kraftvoll und sehr elegant.SPIEGEL: Und wie Sie fast emotionslos.Edberg: Ich glaube, daß es wichtig ist, einPokerface zu behalten.SPIEGEL: Der Schachweltmeister Anato-lij Karpow vergleicht Ihre Spielweise mitseiner.Edberg: Er hat recht. Ich bin kalt und ver-suche, meinen Gegner auszumanövrie-ren. Es ist alles Strategie, und ich ver-suche vorauszuahnen, was der anderemacht.SPIEGEL: Ihr Kollege Thomas Muster ge-nießt es, wenn sein Gegner leidet und un-ter Krämpfen zu Boden sinkt.Edberg: Ich konzentriere mich nur aufmich. Es gibt nichts Schöneres als dasGefühl, alles unter totaler Kontrolle zuhaben. Ob der andere stürzt oder steht, istmir egal, solange ich den Punkt gewinne.SPIEGEL: Was war Ihre bitterste Nieder-lage?

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Rivalen Lendl, McEnroe (in Wimbledon 1

… und der andere böse“: Connors, Borg (

Edberg: Paris 1989 – aber erst im Rück-blick. Ich habe damals ein großartigesTurnier gespielt und im Finale gegenMichael Chang mit 2 :1 Sätzen geführtund verloren. SPIEGEL: Die Gelegenheit kam nie wie-der.Edberg: Ja, es war meine einzige großeChance in Paris. SPIEGEL: Sie müßten noch nicht auf-hören.Edberg: Doch, ich muß. Wissen Sie, vie-le Spieler müssen wegen Verletzungenaufhören, andere, weil ihre Plazierungauf der Weltrangliste schlechter undschlechter wird. Viele treten zu spätzurück und viele zu früh – die versuchendann später ein jämmerliches Comeback,weil sie Geld brauchen oder von dem Kit-zel nicht loskommen.SPIEGEL: Borg erging es so.Edberg: Mir wird es niemals so gehen.Du hast keine Chance zurückzukommen,egal, wer du bist und was du erreicht hast.Du holst die anderen nie mehr ein.SPIEGEL: Also, warum hören Sie auf?Edberg: Weil ich gemerkt habe, endgül-tig, daß ich den Level, auf dem ich vor

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983): „Der eine war gut …

in Wimbledon 1977)

fünf, sechs Jahren gespielt habe, nie mehrerreichen werde. Die Resultate entspre-chen nicht mehr meinem Standard. Wassoll es also, armselig zu spielen und ge-gen Spieler zu verlieren, gegen die ichnicht verlieren dürfte?SPIEGEL: Wann kam Ihnen diese Er-kenntnis?Edberg: Natürlich in Wimbledon, 1995.Ich habe auf irgendeinem Nebenplatz ge-gen den Belgier Dick Norman gespielt,den ich vorher noch nie gesehen hatte. Esdauerte nur eineinhalb Stunden, ich hattekeine Zeit zum Nachdenken. Er schoßmich einfach mit seinen Aufschlägen ab,und danach hatte ich genug. Ich hatte nurnoch Fragezeichen im Kopf: Was machteich da, was sollte das alles?SPIEGEL: Sie sind immer noch gut ge-nug, um Spaß zu haben auf der Tour.Edberg: Habe ich ja. Ich bin ziemlich ge-sund, ich spiele noch einigermaßen Ten-nis – also habe ich 1995 beschlossen,noch genau ein Jahr zu spielen. Noch ein-mal nach Wimbledon zu gehen, noch ein-mal nach Flushing Meadow, noch einmal,hoffentlich, den Daviscup zu gewinnen.Mehr Spaß kann es kaum geben. Dann istes Zeit zu gehen.SPIEGEL: Macht es Sie traurig zu sehen,daß Becker noch immer ganz oben stehtund Turniere gewinnt?Edberg: Nein, warum sollte es? Er warschon immer anders. Ich bin langsam andie Spitze gekommen, lange oben geblie-ben und ganz langsam abgerutscht. Boriskam aus dem Nichts und hatte seitdemimmer Höhen und Tiefen. Bei ihm gab esja auch schon drei Jahre, in denen er beigroßen Turnieren nicht viel erreicht hat. SPIEGEL: Der deutsche Daviscup-CoachNiki Pilic meint, Becker habe sich längeroben gehalten, weil er immer wieder seinSpiel umgestellt und den Jüngeren ange-paßt habe – während Sie zu lange Ihremalten Stil treu geblieben seien.Edberg: Ach, ich weiß nicht. Ich spieleeben Serve-and-Volley und bin sehr ab-hängig von meinem Körper, weil ichmich sehr schnell bewegen muß. Ichmußte immer härter arbeiten als er, unddas spüre ich jetzt: Bei den U. S. Openhabe ich stark gespielt, aber im Viertelfi-nale hatte ich so starke Schmerzen in derAchillessehne, daß ich kaum noch laufenkonnte. Boris kann sich auch mal auf sei-nen gewaltigen Aufschlag verlassen undmit einfachen Punkten davonkommen.SPIEGEL: Ist Ihr Stil überholt?Edberg: Ein bißchen altmodisch, ja. DieJungen stehen an der Grundlinie undschlagen den Ball mit Brachialgewalt anmir vorbei, wenn ich am Netz stehe. Mei-ne Ära ist vorbei.SPIEGEL: Wie lange wird Boris Beckernoch mithalten?Edberg: Sehr lange nicht mehr. Es wirdauch für ihn immer schwerer.SPIEGEL: Herr Edberg, wir danken Ihnenfür dieses Gespräch.