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Leseprobe aus: Neumayer, Der Schatz des Listigen Lars, ISBN 978-3-407-74726-6 © 2016 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim Basel http://www.beltz.de/de/nc/verlagsgruppe-beltz/gesamtprogramm.html?isbn=978-3-407-74726-6

Der Schatz des Listigen Lars - Beltz Verlagsgruppe...11 reits die Schulglocke. Er sprang aus dem Boot, lief über den Strand und kletterte wie ein Krebs auf der Flucht vorm Kochtopf

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Leseprobe aus: Neumayer, Der Schatz des Listigen Lars, ISBN 978-3-407-74726-6 © 2016 Beltz & Gelberg in der Verlagsgruppe Beltz, Weinheim Basel

http://www.beltz.de/de/nc/verlagsgruppe-beltz/gesamtprogramm.html?isbn=978-3-407-74726-6

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Das Schiff des FeindesMick stopfte das Muschelbrötchen und den Dörrfischam Stiel in die Schultasche, winkte seiner Mutter zu undrannte aus dem Haus. Der letzte Tag vor den Ferien under kam wieder zu spät! Schon konnte er das ungeduldi-ge Horn des Schulbootes hören, das ihn, seine jüngereSchwester Susa und die anderen Kinder von Rubinia zurHauptinsel Saphira brachte.

Seit fast einem Jahr lief er jeden Morgen zu spät los.Immer hoffte er insgeheim, dass das Boot bereits abge-legt hatte, wenn er die Bucht erreichte, damit er nichtüber das tiefe, schwarze Wasser fahren musste. Der fri-sche Seewind riss ihm fast das Kopftuch herunter, bläh-te sein blaues Leinenhemd wie ein Segel auf und ver-

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scheuchte Micks düstere Gedanken. Schließlich war erein Pirat und das Meer war sein Element!

Es war allerdings eine Schande, dass der zukünftigeÜberwinder des Mahlstroms und Bezwinger der Licht-barriere überhaupt zur Schule gehen musste.

»Morgen, Mick!«, rief Bill der Buddler aus dem Nach-bargarten. Er schwenkte einen Farbeimer. »Wenn du soweitermachst, wird man dich später einmal den EiligenMick nennen, mein Junge!«

»Morgen, Bill! Na, was suchst du denn heute?«»Henriettes gutes Teeservice.« Bill starrte auf die zahl-

losen Buddellöcher, die seinen Garten aussehen ließen,als sei er von Maulwürfen heimgesucht worden. »MeineFrau wird mich über die Planke gehen lassen, wenn ichdas Zeug nicht bald finde. Hat kein Verständnis dafür,dass ein alter Pirat nun einmal Schätze vergraben muss.«

»Viel Glück!« Mick rannte in halsbrecherischem Tem-po die Klippe entlang. »Wenn du das Service heute Mit-tag immer noch nicht gefunden hast, helfe ich dir.«

»Guter Junge!«, rief Bill ihm hinterher und hob wiederden Eimer. »Kannst nicht zufällig erstklassige lila Farbebrauchen?«

Als Mick endlich die schwarze Flagge mit den zwei ge-kreuzten Stiften unter dem Buch flattern sah, läutete be-

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reits die Schulglocke. Er sprang aus dem Boot, lief überden Strand und kletterte wie ein Krebs auf der Fluchtvorm Kochtopf die Strickleiter des Schulschiffes hoch.Er wollte sich keuchend auf seinen Platz neben Lili sin-ken lassen – als er der Länge nach aufs Deck klatschte.Benommen rappelte er sich auf.

Hannibal, Louis und Peter lachten dreckig, aber MicksBlick wanderte zu ihrem Anführer Carlo. Der grinsteund zog ganz langsam das Bein zurück, das er Mick inden Weg gestellt hatte.

»Du miese Schiffsratte!«, zischte Lili und wollte sichauf Carlo stürzen.

Mick drückte sie zurück auf ihren Platz und setzte sichneben sie. Lili schüttelte seine Hand ab. »Warum lässtdu dir das von dem Kerl gefallen?«

Mick schwieg. Lili war seine beste Freundin, aber erkonnte ihr das nicht erklären. Er konnte es sich ja nichteinmal selbst erklären.

Die anderen Zuspätkommer hatten sich inzwischenhingesetzt, die Aufregung legte sich allmählich. Als Letz-te trippelte Susa mit zierlichen Schritten zu ihrem Platz.

»Da wir nun endlich vollzählig sind«, begann ihreLehrerin Pistolen-Pia und warf Mick dabei einen ihrergefürchteten Blicke zu, »begrüße ich euch zum letz-ten Schultag vor den Ferien. Damit ihr die schulfreien

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Wochen noch mehr genießen könnt, werden wir heuteeinen kleinen Test schreiben.«

Mick ächzte, Lili stöhnte, Stevie verdrehte die Augen.Micks Erzfeind Carlo rammte sein Entermesser in denTisch und alle anderen sahen betreten drein. AußerGordon natürlich. Er wirkte wie immer so gelassen wieeine Seegurke.

»Dann wollen wir mal.« Pistolen-Pia ließ Susa dieBlätter mit den Prüfungsaufgaben verteilen. »In Ab-sprache mit euren anderen Lehrerinnen und Lehrernhabe ich einen Test ausgearbeitet, in dem Fragen aus al-len Bereichen vorkommen: Nautik, Piratengeschichte,Handarbeiten, Schiffspflege, Knotenkunde … Da solltefür jeden von euch etwas dabei sein.« Sie lächelte ihrberüchtigtes Haifischlächeln, vor dem sich schon Gene-rationen von kleinen Piraten unter ihre Bänke geduckthatten. Dann stellte sie sich mit verschränkten Armenvor den Mast: »Die Zeit läuft.« Mit einem Entermesserbegann sie ihre Fingernägel zu reinigen.

Etwas später stieß Lili Mick in die Seite und deuteteauf das Prüfungsblatt. »Welcher von diesen bescheuer-ten Knoten ist der Sprietsegel-Schotstek?«

»Keine Ahnung«, flüsterte Mick. »Vielleicht kann unsGordon helfen.«

Lili stieß Gordon an und hielt vier Finger hoch für

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die vierte Frage. Gordon fummelte unauffällig an demSeil herum, das er als Gürtel um sein rostfarbenes Hemdtrug. Es dauerte eine ganze Weile, aber schließlich hat-te das Seil eine verblüffende Ähnlichkeit mit einem derKnoten auf dem Testbogen.

Mick kreuzte den richtigen Knoten an, dann wandertesein Blick zu Carlo. Der schien bereits alle Fragen be-antwortet zu haben. Er starrte mit einem glücklichenGrinsen in die Ferne. Mick folgte seinem Blick undsog scharf die Luft ein. Dort, vor der Grauen Klippe,lag das schönste Schiff, das er jemals gesehen hatte: einmattschwarzer Schoner mit blutroten Segeln. Auf ihnenwaren zwei gekreuzte Entersäbel über einem Sack Goldabgebildet: das Wappen von Carlos Familie.

Carlo bemerkte Micks Blick und tippte sich grinsendan die Brust.

Mick war überwältigt vom Ausmaß dieser Ungerechtig-keit. Carlo würde nichts anderes mit diesem herrlichenSchiff anzufangen wissen, als mit seinen Kumpanen dieGegend unsicher zu machen und ansonsten faul an Deckzu liegen und sich zu sonnen. Über kurz oder lang wür-de das Schiff völlig heruntergekommen an einem Riffenden, wie es auch Carlos letztem Schiff ergangen war.

Wenn Mick nur ein eigenes Schiff hätte! Er würde esliebevoll kalfatern, jeden noch so kleinen Riss in den

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Segeln sofort flicken, täglich das Deck schrubben undeinölen. Er würde damit Gegenden erforschen, die kei-ner der anderen Piraten je gesehen hatte.

Und vor allem würde er seinen großen Bruder fin-den … Doch darüber sprach er nie, nicht einmal mitLili. Denn niemand außer ihm glaubte daran, dass Bennoch am Leben war.

Aber Mick hatte kein Schiff. Und es sah auch nicht soaus, als könnte er sich jemals ein solches Schiff leisten.Holz war selten und deshalb furchtbar teuer auf den In-seln im Vergessenen Meer. Carlo war der Einzige vonihnen, dessen Eltern so reich waren, dass sie ihm einSchiff schenken konnten.

Mick schreckte aus seinen Gedanken hoch, als ihmPistolen-Pia den Testbogen aus der Hand nahm. Wardie Stunde schon vorüber? Er hatte kaum die Hälfte derFragen beantwortet.

Pistolen-Pia entließ wie jedes Jahr ihre Schülerinnenund Schüler mit der Ermahnung in die Ferien, sichauf ihren Spritztouren mit Booten und Flößen nichtzu verfahren, sondern sich an das zu halten, was sie beiihr über Navigation gelernt hatten. Dann läutete siedie Schulglocke ein letztes Mal für die nächsten fünfWochen. Alle stürzten sich zugleich auf die Strickleiterund machten, dass sie von Bord kamen.

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Mick, Lili, Stevie und Gordon schlenderten den Strandentlang, in sicherer Entfernung von Carlo und seinenLeuten.

»Endlich Ferien!«, rief Stevie und betrachtete hungrigeinen Krebs, der vor seinen Füßen ins Wasser krabbelte.

»Wurde auch Zeit«, meinte Lili. »Wir haben eine Men-ge vor.«

»Ach ja?«, sagte Stevie. »Heiliger Thunfisch, davonweiß ich noch gar nichts!«

Lili grinste. »Ich habe eine Riesenüberraschung füreuch.« Diese Mitteilung entlockte sogar dem schweig-samen Gordon ein erstauntes Brummen. »Sie wird euchumhauen«, fuhr sie fort. »Aber noch ist sie nicht hun-dertprozentig sicher. Wir treffen uns morgen früh hierim Hafen, dann ist hoffentlich alles klar.«

Auch als die anderen protestierten, blieb sie hart. »Ichverrate euch nur so viel: Wenn alles gut geht, werden dasdie besten Ferien unseres Lebens.«

Und sosehr sie es auch versuchten, mehr bekamen siean diesem Tag nicht aus ihr heraus.

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Die geheimnisvolle FlascheWährend der Überfahrt nach Hause war Mick vielzu aufgeregt, um an das tödliche Wasser unter sich zudenken. Was für eine Überraschung mochte Lili für siehaben? Wieso konnten sie erst morgen Genaueres er-fahren? Und von welchen Urlaubsplänen hatte Lili ge-sprochen? Bisher hatten sie doch noch gar keine Plänegemacht!

Er war immer noch in Gedanken versunken, als erüber die Klippe nach Hause ging. Plötzlich krächzte esdicht neben seinem Ohr: »Schnapsidee!«

»Hast du mich erschreckt, Penelope!« Mick zog denRest seines Dörrfischs aus der Tasche. Die dicke Möweließ sich auf Micks Schulter nieder, verschlang den Fisch

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mit einem Bissen und sah ihn mit ihren kleinen schwar-zen Augen erwartungsvoll an.

»Das war alles, mehr habe ich nicht«, sagte Mick. Erhandelte sich damit einen vorwurfsvollen Blick ein.Penelope zog ihn mit dem Schnabel an den Haaren.

Mick lachte. »Warum behalte ich dich nur, kannst dumir das mal sagen? Du bist gefräßig und frech, und alles,was ich sage, hältst du für eine Schnapsidee.« Penelopeschlug mit den Flügeln und krächzte, als wollte sie sa-gen: »Irgendeiner muss dir ja die Wahrheit sagen.«

»Ah, Mick, da bist du ja!« Bill der Buddler winkte.Er hatte schweißüberströmt auf seiner Veranda Schutzvor der gleißenden Sonne gesucht. »Das Gartentor istoffen.«

Mick bahnte sich einen Weg zwischen Löchern undErdhügeln hindurch. Bill hing erschöpft in einem al-ten Rattansessel, einen Spaten aus seiner umfangreichenSchaufelsammlung auf dem Schoß. Um ihn stapeltensich die Buddelfunde vom Vormittag: ein Dosenöffner,eine kleine Holzkiste voller glänzender Knöpfe, ein aus-gestopfter Haikopf. Das Teeservice konnte Mick aller-dings nicht entdecken.

Bill deutete auf den Haikopf. »Gut, dass ich den wie-dergefunden habe«, ächzte er. »War ein Geschenk vonTante Gulda. Wenn sie nächsten Monat kommt, hängt

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er wieder über dem Kamin im Wohnzimmer.« Er schüt-telte sich. »Grässliches Ding.«

Mick kicherte.»Schön, dich mal wieder lachen zu sehen.« Bill legte

Mick seine große Hand auf den Kopf. Das hatte seinBruder Ben auch immer getan, wenn er ihn tröstenwollte.

»Das Teeservice«, brachte Mick mit rauer Stimme her-aus. »Weißt du wenigstens ungefähr, wo du es vergrabenhast?«

Bill kratzte sich am Kopf. »Tja – vielleicht beim Schup-pen? Wenn ich doch nur eine Karte gezeichnet hätte …«

»Schnapsidee!«, krähte Penelope. Mick musste lachen.»Stell dir nur mal vor, eines Tages würde ein Schatz-sucher diese Karte finden. Na, der würde vielleicht eineÜberraschung erleben!« Er griff sich den Spaten undmachte sich neben dem Schuppen an die Arbeit.

Eine halbe Stunde später hatte er einen Zinnkrug undeine Kiste mit Weihnachtskugeln ausgegraben. Das Tee-service hatte er aber noch nicht entdeckt. Da ertöntevon der Veranda her ein lautes Tock-tock-tock. Kurzdarauf rief Bills Frau, Holzbein-Henriette, dass er Pausemachen und ein Glas Seegraslimonade trinken sollte.

Mick rammte den Spaten in die Erde, um später anderselben Stelle weiterzugraben. Doch der Spaten stieß

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