Der Schlangengott

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1.

Der dunkelhaarige Mann auf dem Thron wand sich vor Lachen. Er hieb mit der Faust auf die Lehne des kunstvoll geschnitzten Holzgesthls.Sag das noch einmal, wrgte er hervor.Der Angesprochene war ein noch dunklerer Typ. Der Humor seines Gegenbers schien ihn nicht zu beeindrucken. Gleichmtig wiederholte er: In Myra nennen sie es das Jahr der Schlange.Das reizte den am Thron zu einem erneuten Lachanfall. Was meinst du, Jaggar, ist das noch ein Omen oder schon eine Verpflichtung? Seine Augen funkelten.Jaggar hakte die Daumen in seinen breiten, ledernen Grtel. Er gab keine Antwort.Wahrhaftig, wir sollten nicht mehr zu lange warten, Jaggar. Ehe das Jahr zu Ende geht, sollten wir dafr sorgen, da unsere Banner der Schlange ber ihren Zinnen flattern ...Jaggar schttelte den Kopf. Hr mich erst an, Knig.Knig Jellis nickte, aber er war verrgert.Vorsichtig sagte Jaggar: Knig, der Zeitpunkt ist nicht so gnstig, wie er scheint ...Als Jellis keine Antwort gab, fuhr er rasch fort: Dieser neue myranische Knig ... Dragon ... Er ist sehr beliebt. Es heit, da er nicht nur das Volk und ein starkes Heer auf seiner Seite hat, sondern auch noch andere starke Verbndete.Pah, wer sollte das sein? Myra hat keine Freunde an den Ksten des Groen Meeres ...Ich meine kein anderes Land, unterbrach ihn Jaggar rasch. Der Knig sah ihn fragend an. Sie nennen sich Shne von Atlantis. Es scheint sie berall in Myra zu geben, und auch weiter im Osten ...Shne von Atlantis? wiederholte Jellis nachdenklich. Dann platzte er pltzlich wieder vor Lachen. Shne, sagst du? Mu ein krftiger Bursche gewesen sein, dieser Atlantis, wenn es so viele von ihnen gibt, da sie mir gefhrlich werden knnten!Jaggar zog die Stirn in Falten, aber er war vorsichtig genug, nicht zu deutlich zu zeigen, da ihm diese Art von Humor unter den gegebenen Umstnden nicht behagte. Atlantis soll ein fernes Land sein. Man sagt, sie seien Weise. Manche halten sie auch fr Magier. Der einstige Knig von Myra lie viele von ihnen tten. Es heit, weil er sie frchtete. Aber sie sind fr den Frieden, wie ihr Knig Dragon.Nur wer schwach ist, ist fr den Frieden, meinte Jellis wegwerfend.Warnend widersprach Jaggar Darauf wrde ich mich nicht verlassen, Knig. Dieser Dragon besiegte ein fast fnfzig Tausendschaften starkes Heer der Myraner ...Um so besser. Dann werden auf beiden Seiten keine wesentlichen Streitkrfte mehr briggeblieben sein. Nichts, womit unsere dreihundert Schiffe nicht fertig wrden!Dreihundert? entfuhr es Jaggar erstaunt. So mu die Bruderschaft des Groen Meeres Verbndete haben, denn ich wei nur von zweihundert kriegstchtigen Schiffen.Zweifelst du an den Worten des Ersten Kapitns der Bruderschaft? fragte der Knig drohend.Wie knnte ich? lenkte Jaggar ein. Dennoch ...Wenn ich sage, da wir dreihundert Schiffe nach Myra schicken werden, so wird es nicht eines weniger sein.Jaggar nickte. Er zwang sich zu seinem gewohnten Gleichmut, mit dem er bei Jellis immer am besten gefahren war. La mich dich dennoch warnen, Knig. Gleich, wen man trifft und befragt alle munkeln von der Strke dieses Dragon. Es scheint mir nicht ratsam, Myra anzugreifen, selbst mit dreihundert Schiffen nicht.Ist es, da du alt wirst, Jaggar, und furchtsam?Der Knig musterte den Kapitn der Schwarzen Wellenreiterin ein wenig spttisch.Du weit, da ich keins von beiden bin. Aber ich wre dir ein schlechter Kundschafter, wenn ich dir die Gefahr verheimlichen wollte, die dein Vorhaben scheitern lassen knnte.Knig Jellis derbe Zge wurden hart. Stimmt es, was die Planken deines Schiffes raunen? Da du Beute hattest? Die die Wellen dir wieder wegnahmen?Jaggar fluchte innerlich. Seine Mannschaft hatte nicht dicht gehalten. Bootsmann Galis wahrscheinlich. Andererseits hatte der Knig seine Schnffler wohl auf jedem der Schiffe.Zhneknirschend berichtete er von seinem Fang des myranischen Mdchens mit dem Mausgesicht und von seiner zweiten Beute, dem Fischmdchen, und wie er beide wieder im Meer verlor.Damit war die Audienz beendet. Jaggar verlie wtend und mit rotem Kopf den Palast. Seine Wut verrauchte langsam, whrend er durch die Straen von Candis schritt.Seit seiner Ankunft hatte er nichts anderes getan, als sein Migeschick mit der Beute verflucht. Nun warSchlu. Es war schwer, Spott zu ertragen; am schwersten, wenn dieser vom Knig kam, den keine Faust zum Schweigen bringen konnte. Jellis Willkr war wie die Unberechenbarkeit einer Schlange.Jaggar starrte zum Hafen hinab. Auer der Schwarzen Wellenreiterin lagen noch zwei weitere Schiffe der Piratenflotte vor Anker.Dreihundert hatte der Knig gesagt. Unmglich! Vielleicht wenn er alles zusammenraffte, was das Wasser unter den morschen Planken halten konnte. Es gab noch eine ganze Reihe rascher Segler in den stlichen Hfen der Schlangeninsel die kleinen Flotten der Stadtbefehlshaber. Natrlich wrden sie im Ernstfall ihre Schiffe an den Knig abgeben. Es blieb ihnen gar nichts anderes brig. Sie htten nur ein kurzes Leben, wenn sie sich weigerten. Wie der verstorbene Amokar war auch Jellis nicht zimperlich in der Wahl seiner Mittel. Gewalt war, was er am besten verstand.Und der Knig besa viele Klingen, die dafr sorgten, da Schwche und Illoyalitt kurze Beine hatten in Candis.Jaggar hatte keine Angst nicht um sich oder um seinen Rang in Jellis Flotte, aber er hate alles Sinnlose. Den Tod ebenso wie diesen Krieg mit Myra.Er liebte das Meer. Er liebte sein Schiff. Er liebte den Kampf und das Abenteuer, und er fragte nicht lange, auf wessen Kosten es ging.Und er war seinem Knig treu, auch wenn er wenig Liebe fr ihn empfand.

berall in der Stadt trugen die Tren der Huser das rote Kreidebildnis Minos, des Stiers; hrenbndel schmckten die Fenster und kndeten davon, da Erntezeit war. In ein oder zwei Tagen wrden im Tempel vor den Toren der Stadt die Erntedankfestlichkeiten beginnen, die dem Knig immer ein Dorn im Auge gewesen waren. Eines Tages wrde es Schwierigkeiten geben, dachte Jaggar. Die Unbekmmertheit der Priester erstaunte ihn. Vertrauten sie so sehr auf das Volk, auf die Zahl ihrer Anhnger, da sie hier in Candis unter des Knigs Augen Minos in solchem Ausma zu huldigen wagten? Wuten sie nicht, da den Knig die Masse des Volkes wenig kmmerte? Oder wuten sie es wohl und rannten trotzdem mit der gleichen Starrkpfigkeit in die Gefahr, wie Jellis es sich in den Kopf gesetzt hatte, Myra anzugreifen?Was steckte nur in diesen Menschen, da sie so stur waren? In seiner Heimat, an der Totenkste, waren die Menschen anders geduldiger. Sie warteten, bis ihre Zeit gekommen war. Und niemand kam es in den Sinn, darin Feigheit zu sehen.

Als er den Marktplatz erreichte, der auf die Kais hinausfhrte, sah er, da sich eine grere Menschenmenge angesammelt hatte. Verwundert mengte er sich unter sie und sah in der Mitte einen jungen Mann, der so ganz anders gekleidet war als die Stadtbevlkerung mit ihren sackartigen Gewndern und den ausgebleichten, geknoteten Kopftchern, die das Gesicht vor der Sonne schtzten.Er trug Beinkleider, die so auffallend bunt und geckenhaft waren, da Jaggar beinah laut aufgelacht htte. Das Wams war ebenso halbseitig rot und halbseitig grn. Er war dunkelhaarig, aber viel hellhutiger als die Umstehenden. Dann sah Jaggar das Saiteninstrument in seiner Hand, das er nun an die Brust hob. Der Wind trug halbverwehte Tne an Jaggars Ohren.Neugierig schob er sich nher. Der Junge sang irgend etwas, und die Nchststehenden lachten. Als der Kapitn nahe genug war, da er die Worte verstehen konnte, erkannte er, da der Junge, selbst wenn man von der Hautfarbe absah, nicht von der Schlangeninsel war. Es gab ja einige fast weihutige Stmme im Innern der Insel. Aber der Snger war auch der Sprache des Landes nicht sehr mchtig. Er berichtete etwas von einem Kampf mit einer Raubkatze. Aber die Dramatik ging in dem unfreiwilligen Humor verloren. Wenn er sich mit Worten nicht auszudrcken vermochte, versuchte er es mit Gesten und war dabei nicht allzu erfolgreich. Die Zuhrer lachten. Die Menge war gutmtig. Sein bizarres Kostm und die gute Ernte trugen wohl dazu bei.Seine Aussprache machte Jaggar stutzig. Wenn ihn nicht alles trog, dann mute der Junge myranischer Herkunft sein. Er hatte oft genug an Myras Ksten Menschen reden hren, um nun ziemlich sicher zu sein.Was suchte ein myranischer Snger in Candis? Jaggars Heiterkeit wich Mitrauen.Ein Schnffler in der Maske eines Narren! Es mochte besser sein, wenn er den Jungen genauer in Augenschein nahm. Er schob sich durch die Menschen und blieb vor dem Snger stehen, der zgernd seine Laute sinken lie und unsicher auf den Kapitn blickte.Sag uns, woher du kommst, verlangte Jaggar.Aus Balava, erklrte der Junge schnell.Das war gelogen. Jaggar war vor Jahren selbst einmal in Balava gewesen. Die Sprache hatte mit der des Hauptteils von Myra wenig gemeinsam. Es war klar zu erkennen, da der Junge nicht aus Balava stammte. Andererseits hatte dieser ja auch nur behauptet, aus Balava zu kommen, nicht, da dort seine Heimat wre.Es war unklug, ihn hier vor allen Menschen auszufragen. Er mute ihn mit auf sein Schiff nehmen. Dort wrde die Wahrheit leichter zu erfahren sein.Im Namen des Knigs, sagte er, du kommst jetzt mit mir!Der Junge wurde bleich. Er sah sich gehetzt um, aber berall standen dicht gedrngt die Menschen, die zwar ber Jaggars Absichten nicht erfreut waren, denn sie sahen sich um ihr Vergngen betrogen, die ihm aber sicherlich die Flucht verwehren wrden.Resigniert zuckte er mit den Schultern und hing sein Instrument ber die Schulter. Wohin?Auf mein Schiff, erklrte Jaggar. Die Schwarze Wellenreiterin.In den Augen des Jungen blitzte es auf, eine Regung, die er sofort unterdrckte. Aber Jaggar entging sie nicht.Dann seid Ihr Kapitn Jaggar?Allerdings, besttigte der verblfft. Hat sich mein Name bis Balava durchgesprochen?Der Snger sagte mit belegter Stimme: Es gibt wenig Ksten, an denen man Euren Namen nicht kennt, Kapitn.Jaggar sprte deutlich, da diese Bemerkung nicht als Anerkennung gedacht war. Die Sache begann einigermaen geheimnisvoll zu werden.Als sie aus der murrenden Menge tauchten und auf das Schiff zuschritten, fragte Jaggar: Wie lange bist du schon hier?Seit heute morgen.Es sieht so aus, als httest du mich gesucht, oder irre ich mich?Der Junge gab keine Antwort.Wie heit du?Erneutes Schweigen.Dir ist doch klar, da ich dich peitschen lassen kann, bis dir die Haut in Fetzen vom Krper hngt oder bis du redest?Ich heie Wigor, gestand der Junge hastig.Na also, brummte Jaggar zufrieden, eine Antwort erhalten zu haben. Er hatte vorerst nicht die Absicht, auch nur ein Wort zu glauben. Wie alt bist du?Das wei ich nicht.Auch gut. Wir werden es schon herausfinden, wir beide.Ich wei es wirklich nicht, erwiderte der Junge nachdrcklich. Vor neun Jahren fing ich an, die Jahre zu zhlen.Also bist du lter als neun. Bravo, meinte Jaggar grinsend. Und wenn wir noch ein wenig bohren, fllt dir sicher wieder ein, aus welchem Grund du hierhergekommen bist. Na?Seht Ihr es nicht? Ich bin ein Barde, der ...Jaggar lachte schallend. Wie Knig Jellis war er rasch mit dem Lachen und mit dem Spott zur Hand, ohne darauf zu achten, da es verletzend sein mochte, so verletzend wie er es eben selbst noch im Palast empfunden hatte.Barde sagst du? Jaggar schttelte sich. Ein Possenreier wrst du zur Not. Aber ich frchte, man wurde nicht ber deine Possen lachen, sondern ber dich selber. Und noch etwas. Ich hre zum erstenmal, da ein Mann aus Balava jemanden mit Ihr anredet. Das ist eine myranische Eitelkeit. Na, wir werden das alles noch herausfinden. Es klang sehr zuversichtlich.Sie hatten die Kais erreicht. Einige Bootsleute kamen von der Wellenreiterin herbei und starrten neugierig und belustigt dem Kapitn und seinem Fang entgegen. Einer von ihnen war Galis, bemerkte Jaggar mimutig und betrachtete den grinsenden Hnen kalt, der das halbe Dutzend der brigen Bootsleute beinah um einen Kopf berragte. Eines Tages wrde er mit ihm abrechnen. Dieses wissende, hhnische Grinsen bewies es eindeutig: Galis war Jellis Mann!Was hast du denn da fr einen seltsamen Vogel, Kapitn? rief einer der Mnner lachend. Die anderen stimmten mit ein.Jaggar hielt den Jungen am Arm fest. Komm nicht auf den Gedanken, wegzulaufen. Die schlitzen dich auf, bevor du ein Dutzend Schritte hinter dir hast. Wenn du ruhig bleibst, werden sie nur ihren Spa mit dir haben ...Wie mit anderen Gefangenen auch? unterbrach ihn der Junge. Du sagst es. Und ich frchte, du wirst heute fr uns singen mssen. Welch grauenhafte Vor...Wigor schien ihn gar nicht zu hren. Wie mit Mdchen auch! fragte er.Jaggar starrte ihn an. Nicht ganz, sagte er grinsend. Aber er verbi sich eine weitere Bemerkung, als er den Jammer in den Augen des Jungen sah Er schttelte verwundert den Kopf. Wovon sprach dieser junge Narr eigentlich. Dachte er etwa ...In dem Augenblick kam ein vielstimmiger Schrei vom Marktplatz. Er wandte sich um und sah, da alle auf das Wasser der Bucht hinausstarrten. Verwundert wandte er sich ebenfalls in die Richtung.Was er sah, lie ihm das Blut in den Adern gefrieren.Vom offenen Meer her kam etwas in das Hafenbecken, durchbrach in rhythmischen Abstnden die glatte Wasseroberflche wie ein riesiger sich krmmender Wurm. Ein Schdel mit breitem Rachen, spitzen Zhnen, zwischen denen das Wasser herausquoll, wenn er emportauchte, und groen runden, seitlichen Augen, ein langeraalglatter Krper, der in der Mittagsonne wie Silber glnzte eine der gefrchteten, legendren Seeschlangen, von denen Mnner zu berichten wuten, da sie ganze Schiffe mit Mann und Maus in die Tiefen des Meeres zogen.Und sie kam geradewegs auf die Kais zu, als wolle sie sich mitten aus der gelhmten Menge ein Opfer schlagen oder eines der Schiffe erbeuten mitsamt seiner lebenden und toten Ladung.Einen Augenblick war der Impuls zu rennen bermchtig. Aus den Augenwinkeln sah er, da Galis und die Mnner der Wellenreiterin in panischer Flucht auf die ersten Huser zuliefen, um dahinter Schutz zu suchen. Dann siegte der Mann in ihm, der er immer gewesen war. Wie gut oder schlecht seine Taten auch immer gewesen sein mochten, niemand durfte es geben, der ihm Feigheit vorwerfen konnte, ohne dafr den Bi der Klinge zu fhlen. Auch Jellis wrde dafr bezahlen auf die eine oder andere Weise.Fast unbewut zog er die Klinge blank und ri das Entermesser mit der Linken aus dem Grtel.Keine zehn Manneslngen von ihm entfernt tauchte der Kopf der Schlange aus dem trben Wasser des Hafens und hielt in ihrer Bewegung inne. Reglos starrte sie auf die Menschen, die Schritt fr Schritt zurckwichen. Jaggar schien sie nicht wahrzunehmen. Vielleicht stand er bereits zu weit seitlich fr die starren Augen des Wesens.Nach einem endlosen Augenblick, in dem sicherlich keine Seele im ganzen Hafen zu atmen wagte, sank sie in die Fluten zurck, und ihr Schwanz peitschte das Wasser zu grauem Schaum. Die Schiffe schwankten unter dem Wellengang und knarrten in ihren Verankerungen.Dann war es still. Nichts mehr kam empor.Mit einem erleichterten Pfeifen stie Jaggar die Luft aus. Eine Schlange aus dem Meer! Wahrhaftig. Knig Jellis schien recht zu haben mit dem Omen. Vielleicht war dieser Dragon bei weitem nicht so stark, wie man ihm berichtet hatte.Es geschahen Dinge, wie sie noch nie zuvor geschehen waren. Die Myraner hatten recht: Es war das Jahr der Schlange!Dann geschah etwas sehr Merkwrdiges: Ein Mensch tauchte aus dem leicht bewegten Wasser an die Oberflche und schwamm in krftigen Sten zur felsigen Hafenmauer, an der er mit affenartiger Behendigkeit hochkletterte und vor den verblfften Bewohnern Candis auf den Marktplatz zuschritt.Jaggar folgte ihm unwillkrlich, ohne da es ihm recht bewut wurde. Ein Wunder war geschehen! Ein Mann war aus dem Rachen der Schlange gestiegen oder so gut wie. Nichts anderes konnte es bedeuten, als da die Schlange ihn in den Hafen gebracht hatte.Und wie zur Besttigung seiner Gedanken hrte er die Stimme des Mannes, der die Arme ausgebreitet hatte und laut verkndete:Ich bin der Abgesandte von Mis, der Gttin der Schlange. Bringt mich zu eurem Knig!

In der Stille, die nach diesen Worten herrschte, sagte Jaggar mit gewaltsam fester Stimme: Ich, Fremder, ich bringe dich zum Knig!Er schritt an dem triefenden Fremden vorbei, nicht ohne ihn neugierig zu mustern. Aber nichts Ungewhnliches fiel ihm auf. Der Mann war alt, bestimmt an die siebzig oder achtzig Winter. Sein wallender Kinnbart war grau, sein Haar schlohwei. In seinem Gesicht war kein Funken von Schwche, als wre sein Alter nur uerlich, eine Maske der Wrde. In seinen Augen war eine Unerbittlichkeit, die Jaggar erschreckte, aber nur fr einen Augenblick, dann nickte der Fremde ihm freundlich zu.Ich sehe, du bist auch ein Sohn der Schlange!Du mut dich irren. Fremder, widersprach Jaggar nachdrcklich.Der Alte schttelte den Kopf. Ich sehe Gift in deinem Herzen. Mnner wie dich kann ich gebrauchen. Ein Dutzend von deiner Sorte fr Mis Tempel ...Jaggar ging nicht darauf ein. Du willst einen Tempel errichten? fragte er neugierig.Vielleicht, antwortete der alte Mann ausweichend.Sie erreichten den Palast. Viele der Bewohner Candis waren hinter ihnen hergeschritten, und wer es nicht selbst gesehen hatte, wie der Fremde aus dem Rachen der Schlange gestiegen war, der bekam es in hastigen Worten berichtet. Wie ein Lauffeuer breitete sich die Nachricht in Candis aus, da Mis selbst ihren obersten Priester gebracht habe, um ihr Erbe ber die Schlangeninsel anzutreten.Mis der Name war allen vertraut. Eine Legende aus einer Vergangenheit, die onen zurcklag. Als die Welt noch jung war. Sag mir deinen Namen, bat Jaggar, damit ich ihn dem Knig nennen kann.Der Fremde nickte. Merkt ihn euch wohl: Er ist Serphat. Welches ist das Gemach?Das letzte linker Hand, Priester.Gut. So la mich allein. Ich bin es gewhnt, in die Gemcher der Knige allein zu gehen.Wie du meinst, Priester, antwortete er enttuscht. Aber er zeigte die Enttuschung nicht. Frher oder spter wrde Jellis ihn rufen.Er sah den Alten mit den beiden Wachen vor des Knigs Tr verhandeln und schmunzelte. Die wrden ihn nicht durchlassen. Das kostete sie den Kopf.Dann sah er verblfft, wie sie pltzlich wie ein Mann zur Seite traten und dem Fremden den Weg freigaben.Der trat ein, ohne sich noch einmal umzusehen. Verwundert ging Jaggar auf die Tr zu. Er hielt vor den beiden Wachen an, die starr wie Figuren dastanden. Mit wachsendem Mitrauen bemerkte er, da die beiden ihn scheinbar nicht wahrnahmen. Keiner wrdigte ihn eines Blickes. Sie starrten ins Leere, und Kelim mochte wissen, was in ihnen vorging. Er berhrte einen. Er schwankte, machte aber keine Anstalten, sich festzuhalten.Der Fremde mute etwas mit ihnen getan haben. Immer wieder einen mitrauischen Blick auf die beiden Krieger werfend, nherte sich Jaggar leise der Tr und lauschte, den Kopf an das Holz gepret.Er wurde belohnt. Stimmen waren hrbar, schwach zwar, aber weitgehend verstndlich. Der Knig war offensichtlich verrgert. In der Stimme des Alten schwang eine versteckte Drohung. Der Knig mute sie wohl vernehmen.Von Mis war die Rede, und von Macht. Der Priester hatte offenbar Forderungen gestellt, denn Jellis erwiderte eben in heftigen Worten, die Jaggar ein Grinsen entlockten.Darauf folgte eine Antwort, ruhig und von unmenschlicher Klte. Es klang wie eine Beschwrung. Dann kam das gefhrliche Zischen eines Reptils, das Jaggar einen kalten Schauer ber den Rcken jagte. Er hrte Jellis entsetzt aufschreien und nach den Wachen rufen.Jaggar ri die Tr auf und starrte auf die unglaubliche Szene. Knig Jellis stand mit bleichem Gesicht an seinem Thron. Seine Hnde umklammerten die Lehnen mit solcher Gewalt, da die Knchel der Finger wei hervortraten. Seine Augen quollen hervor und wichen nicht von der schenkeldicken, gute drei Manneslngen messenden Schlange, deren schmaler Kopf zischend vor dem Thron pendelte.Jaggar, stie der Knig hervor, wo sind meine Mnner?Sie knnen dich nicht hren, Knig ...Sag mir, da ich trume, Jaggar ...!Ich frchte, nein. Knig, brachte der Kapitn hervor.Dein Schwert, Jaggar! rief der Knig. Worauf wartest du? Tte sie ...!Jaggars Hand fuhr zum Griff und erstarrte dort.Glaubst du nicht, Knig, sagte die Schlange mit zischenden Lauten, da ich euch beide tten knnte, bevor dein Freund seine Klinge gezogen hat?Gleichzeitig verlor sie ihre Form, zerflo auf dem Boden zu einer dunklen Masse, die sich neu formte. Der Priester stand wieder vor ihnen, mit einem kalten Lcheln auf den Lippen.Aber ich bin nicht hier, um zu tten, Knig Jellis. Meine Gttin Mis bedarf deines Wohlwollens, und sie verspricht reichen Lohn.Jaggar entspannte sich. Er sprte noch immer Gefahr, aber sie schien nicht mehr so greifbar, wie noch im Augenblick zuvor. Er erkannte, da es nichts gab, das ein gutes Schwert htte tun knnen auer den Alten zu tten. Aber nach allem, was er erlebt hatte, zweifelte er daran, da der Alte auch tot blieb.Er sah, wie der Knig sich in seinen Thronstuhl setzte und seine gewohnte sarkastische Haltung wiederzugewinnen suchte.Was ist es, das Mis von mir will? fragte er.Da das Bildnis des Stieres fr immer von dieser Insel verschwindet. Da die Altare Mis geweiht werden, und da alles Blut nur Mis zu Ehren vergossen wird.Jaggar sah, wie der Knig innerlich lachte. Minos Gott zu zertreten, das lag ihm schon lngst im Sinn.Jellis nickte. Gewhrt, sagte er. Er gewann seine alte Selbstsicherheit wieder. Wenn du, Priester deiner Gttin, das Volk mit deiner Macht berzeugst ...Der Alte nickte. Er deutete zu den Fenstern. Sieh hinaus, Knig. Sie alle, die dort unten stehen, kennen Serphats Macht. In aller Herzen ist Furcht und Bewunderung. Sie werden Mis dienen.Der Knig trat an eines der Fenster und starrte hinaus. Der ganze Vorplatz des Palasts hatte sich mit Menschen gefllt, die neugierig nach oben starrten. Er wandte sich um und sagte spttisch: Sie hoffen auf ein Wunder. Auf meinen Tod.Wenn diese Worte den Alten beeindruckten, so zeigte er es nicht. Er fragte: Wann beginnt das Fest zu Ehren Minos?Morgen, erklrte Jellis.So werde ich morgen an deiner Seite sein, um auch die Priester Minos zu lehren, da das Bildnis der Schlange schon in diese Felsen gehauen war, bevor Mino ber diese Welt schritt.Er ging zur Tr.Serphat, sagtest du, heit du? fragte der Knig rasch.Der Alte wandte sich ungeduldig um und nickte.Was ist der Lohn, den mir Mis verspricht Macht, antwortete er, und gekleidet in seine Stimme klang es, als bedeutete es unendlich viel. Wieder fhlte Jaggar die Klte. Er sah auf Jellis, aber aus des Knigs Zgen war nichts zu erkennen.Und Beistand gegen Myra, das dir sehr am Herzen liegt. Jellis Augen leuchteten auf. Da hast du recht. Es liegt mir sehr am Herzen. Er blickte Jaggar triumphierend an.Als sie beide zur Tr sahen, war der Alte verschwunden.2.

Jaggar erwachte durch ein leises Pltschern, das nicht mit dem Rhythmus der Wellen bereinstimmte. Er hatte einen sehr leichten Schlaf.Im Gegensatz zu den Bordwachen!Da war es wieder! Er hatte sich nicht geirrt. Daran hatte er auch nicht gezweifelt. Es lag an seiner Art, die Gefahr zu fhlen, noch bevor die Sinne etwas wahrnahmen.Er starrte in der Dunkelheit gegen die Decke seiner Kajte und lauschte. Gleich darauf hob sich etwas aus dem Wasser, und das Schiff schwankte kaum merklich. Er wartete auf die hastigen Schritte der Wachen. Aber sie blieben aus.Fluchend tastete er nach seinem Grtel und zog das schmale, zweischneidige Schwert aus der Hlle. Er zweifelte nicht einen Augenblick daran, da der nchtliche Besuch ihm galt. Es mochte eine ganze Menge Leute geben, die ihm an den Kragen wollten.In erster Linie der Knig, dem Jaggar nun ein lstiger Zeuge seiner Unterredung mit dem Schlangenpriester sein mute!Im gleichen Augenblick wute er auch, warum die Wachen sich nicht rhrten. Wenn der Anschlag vom Knig ausging, dann war Galis darauf vorbereitet und hatte dafr gesorgt, da es keine Hindernisse gab.Ein leises Scharren an der Bordwand lie erkennen, da der Eindringling die Reling erreicht hatte und berkletterte. Noch immer schwankte das Schiff leicht gegen die Bewegung der Wellen. Mehrere waren es also, die kamen. Er tastete rasch nach seinen Beinkleidern und zog sie an. Dann sein Hemd, das er mit dem breiten Grtel um die Mitte band. Er vergewisserte sich, ob sein Messer im Grtel steckte. Wieder erklang das Scharren und sagte ihm, da es hchste Eile war, etwas zu unternehmen.Mit der Klinge blank in der Rechten tastete er sich vorsichtig zur Kajtentr. Auf dem Niedergang war noch alles still. Er lchelte grimmig. Vermutlich warteten sie, bis sie alle beisammen waren.Er ffnete die Tr und starrte ins Freie. Der helle Himmel lie ihn alles gut sehen. Rasch schlpfte er hinaus. Sich in einer der Mannschaftskabinen zu verbergen, bedeutete nur einen Aufschub. Er mute an Deck.Vorsichtig schlich er die Treppe hoch und riskierte einen Blick ber Deck. Niemand zu sehen. Alles war ruhig. Er zgerte keinen Augenblick. Die Klinge an den Leib haltend, damit sie nicht verrterisch im Mondlicht aufblitzte, erreichte er mit zwei Sprngen den Gromast, in dessen Schatten er so gut wie unsichtbar war. Das Deck war leer, aber Gerusche kamen vom Bug her flsternde Stimmen. Dann sah er am Fockmast mehrere Gestalten auftauchen. Er zhlte ein halbes Dutzend, als sie an ihm vorbeischlichen auf die Kajtentreppe zu. Er sah ihnen nach, bis sie alle verschwunden waren, dann verlie er den Schatten des Mastes und hastete auf die Treppen des Steuerhauses zu.Pltzlich sprang eine einzelne Gestalt ber die Reling und stellte sich ihm in den Weg. Sie hielt eine krumme Klinge in der Faust und war nackt bis auf enge, knielange Beinkleider, die vor Nsse troffen.Kapitn Jaggar, rief die Gestalt halblaut.Jaggar erkannte sie an der Stimme wieder. Wigor! entfuhr es ihm.Ja. Kapitn. Jetzt ist der Augenblick, fr den Raub an myranischen Ksten zu bezahlen. Erinnert Ihr Euch nicht an Deyman, das Ihr vor acht Monden plndertet?Nein, knurrte er und sah nervs zur Kajtentreppe. Jeden Augenblick muten die Mnner herausfinden, da er sie bertlpelt hatte. Dann kamen sie und fanden ihn hier, und er hatte noch einen Gegner dazu.Seine Klinge ruckte hoch, aber der Junge war auf der Hut. Er sprang einen Schritt zurck.Was war in Deyman, an das ich mich erinnern mte?Ihr habt drei Mdchen geraubt und zwei Mnner erschlagen! Die Stimme des Jungen zitterte.Wenn ich Mnner erschlug, dann war es im Kampf. Und wenn ich Mdchen raubte, dann weil sie schn waren und gutes Gold brachten. Was wirfst du mir also vor?Eines dieser Mdchen war mir versprochen, sagte der Junge langsam, als wollte er die Worte gut einwirken lassen. Und einer der Mnner war mein Bruder! Und Ihr werdet jetzt fr beide bezahlen!Er sprang vor und schwang die Klinge. Jaggar parierte nicht, um seine anderen Widersacher durch das Klirren der Schwerter nicht aufmerksam zu machen. Er wich zurck. Warte! sagte er rasch. Der Junge hielt zgernd inne. Ihr knnt Euer Leben nicht mehr erkaufen, Kapitn. Ich bin ein halbes Jahr hinter Euch hergefahren, um es zu nehmen. Eures gegen meines! Er wollte erneut auf Jaggar eindringen. Der wich wiederum zurck. Warte, bei Kelim! Hr mich an!Ich hre, Kapitn!Still! zischte Jaggar. Er deutete in die Richtung der Kajte. Wenn du deine Rache haben willst, dann mut du sie dir erkaufen. Du bist nicht der einzige Feind, den ich in dieser Nacht habe. Ein halbes Dutzend Schergen eines greren Feindes wird mein Bett in diesem Augenblick leer finden. Horch!Ihr meint, sie wollen Euch ermorden? Im Bett? fragte der Junge unglubig und mitrauisch.Wolltest du das nicht auch? Bist du nicht bei Nacht auf mein Schiff geklettert? fragte Jaggar unwillig.Ja, ich will Euch tten. Aber nicht im Bett und nicht von hinten, wenn Ihr Euch stellt ...Also gut, ich werde mich stellen. Nachher, wenn der Knig nicht seine besten Schergen geschickt hat ...Der Knig? entfuhr es dem Jungen. Der Knig trachtet Euch nach dem Leben ...?Allerdings. Ich denke nicht, da ich mich tusche. Es ist im Grunde einerlei. Wenn du wirklich auf einen ehrlichen Kampf erpicht bist, dann bleib meinem Rcken fern, so lange ich mit diesem Gesindel beschftigt bin!O nein! rief der Junge halblaut. Ich fahre nicht ein halbes Jahr hinter Euch her, auf Schiffen, die mich halb blind vor belkeit gemacht haben, nur um dann zuzusehen, wie Euch jemand vor meinen Augen ab ...Das Wort erstarb ihm in der Kehle. Er war in seiner Erregung fr einen Augenblick unbedacht geworden, und Jaggar hatte den Moment gentzt. Mit einer raschen Bewegung ergriff er den Schwertarm des Jungen und hielt ihm die Klinge an die Kehle.Du bist jung und unvorsichtig. Und so wirst du nicht sehr alt werden. Er betrachtete das totenblasse Gesicht des Jungen und wute, da es nicht besser war, wenn er zustie, als das, was des Knigs Mnner vorhatten: Mord.Tumult drang aus dem Unterdeck. Wie ist es? Kmpfst du an meiner Seite gegen diese Brut, oder ...Das war es, was ich vorschlagen wollte, wrgte Wigor hervor.Jaggar lie ihn los und drngte ihn in den Schatten des Mastes zurck. Bleib in Deckung, flsterte er. Sie sollen nicht gleich sehen, da sie es mit zweien zu tun haben.Dann strmten die ersten die Treppe hoch und sprangen an Deck.Ihr sucht mich, wenn ich recht geraten habe! sagte Jaggar laut, da es ber das nchtliche Deck hallte.Einen Moment standen die Gestalten berrascht still.Dann kamen sie nher zgernd, als scheuten sie davor zurck, ihr Opfer hier im offenen anzugreifen, wo es nicht ohne Zeugen bleiben wrde, als wren sie unsicher, wie ihr Auftraggeber in diesem Fall entscheiden wrde.Dann aber rief einer ein paar Worte und strmte auf Jaggar los. Sein Schwert blitzte im Mondlicht auf, als es in seitlichem Bogen herabkam. Jaggar parierte mit dem Entermesser und stach mit seiner geraden Klinge zu.Mehrere Aufschreie folgten. Einer aus Schmerz, der rchelnd verklang. Die anderen aus Wut von der Kajtentreppe her. Im nchsten Augenblick knarrten die Bohlen, als sie mit blitzenden Klingen auf ihn zuliefen. Alle Lautlosigkeit und Vorsicht war vergessen. Nur die Wut ber den Verlust des Gefhrten beherrschte die Angreifer. Gleichzeitig drangen sie auf ihn ein, aber sie sahen pltzlich zwei Gegner vor sich, als Wigor aus dem Schatten sprang. Sie zgerten berrascht. Jaggar ntzte den Moment. Sein Schwert zuckte vor bi in einen der Leiber.Der Mann fiel mit einem Aufschrei. Mit erneuter Wut drangen die nchtlichen Angreifer auf sie ein. Vier gegen zwei. Jaggar sah aus den Augenwinkeln, da der junge Wigor wie ein Teufel focht, um die beiden bulligen Angreifer abzuwehren. Dann war er mit seinen eigenen Gegnern beschftigt. Sie behinderten einander selbst ein wenig, aber die Dunkelheit war auf ihrer Seite. Es war schwer, die Schwerter zu sehen und zu parieren. Langsam wich er zur Reling zurck, damit sein Rcken frei blieb. Er hrte einen Aufschrei und sah, da die anderen den Jungen in die Enge getrieben hatten.Ich komme! rief er und sprang auf seine Widersacher los. Einen hieb er nieder. Der zweite traf ihn am Arm und schnitt tief. Jaggar sah den Triumph in den Augen des anderen. In diesem Augenblick wurde das Schiff lebendig. Mnner krabbelten schlaftrunken aus dem Unterdeck hervor, halbnackt und unbewaffnet bis auf den einen oder anderen, der sich mit dem Messer schlafen legte. Aber allein ihre Zahl wirkte auf die gedungenen Mrder alarmierend. Zwei ergriffen die Flucht und strzten sich ber die Reling in die Fluten. Der dritte stand ber dem hilflos am Boden liegenden Wigor und wollte es sich nicht nehmen lassen, den tdlichen Sto zu Ende zu bringen.Hund! rief Jaggar. Sein Messer flog und fand sein Ziel. Die hochaufgerichtete Gestalt schien sich unter dem Anprall noch zu strecken. Das erhobene Schwert beschrieb einen weiten Bogen nach vorn und entfiel der kraftlosen Faust. Mit lautem Klirren schlitterte es ber das Deck, als die Gestalt ber den Jungen fiel.Whrend die Mnner der Besatzung Fackeln herbeiholten und aufgeregt ber das Deck schwrmten, fhlte Jaggar, wie sein Arm zu schmerzen begann. Blut flo warm ber die Haut. Er schlitzte den rmel seines Hemdes, whrend er auf Wigor zuschritt, und wickelte ihn straff um die Wunde. Der Junge rappelte sich benommen hoch.Die Taue, stammelte er.Ich stolperte ber die Taue ... Er starrte auf den Griff des Messers, der aus dem Rcken des Toten ragte, der ihm beinahe selbst den Tod gebracht htte.Jaggar grinste. Du siehst, man kann sich die Art zu kmpfen nicht immer aussuchen. Wigor nickte bleich. Merk es dir. Ich bin mit dem Dolch so rasch wie mit dem Schwert! Aber jetzt wollen wir sehen, wer unsere nchtlichen Besucher waren.Das Schiff beleuchtete den halben Kai mit dem Lichtschein seiner Fackeln. Jaggar gab Befehl, alle bis auf zwei oder drei zu lschen. Zu gut hatten sonst ein paar Bogenschtzen aus dem Hinterhalt das Werk vollbringen knnen, an dem die nchtlichen Meuchelmrder gescheitert waren. Er gab dem Steuermann Anweisung, nach den Mnnern zu suchen, die zur Zeit des berfalls Wache hatten.Sie wurden auch gleich darauf im Laderaum entdeckt, bewutlos und gut verschnrt. Jemand hatte viel Zeit dazu gehabt. Galis war nicht an Bord, wie sich herausstellte. Aber es fehlten auch noch drei andere Mnner, die den Landurlaub bei ihren Familien in Candis verbrachten.Die vier Leichen an Bord waren unbekannte Mnner. Keiner der Besatzung hatte sie je zuvor gesehen, wenigstens konnten sie sich nicht erinnern.Sie trugen die typische Candiser Kleidung, ein sackartiges Gewand, um die Mitte mit einem Grtel gerafft. Sie waren barfu und ohne Kopfbedeckung. Nichts wies auf ihren Auftraggeber hin. Mimutig befahl Jaggar, sie ins Meer zu werfen und dafr zu sorgen, da sie unten blieben. Dann wies er zwei seiner Bootsleute an, einen Heilkundigen aus der Stadt zu holen, der nach seinem Arm sehen sollte. Die Wunde war recht tief, und es gab Kruter, die den Schmerz lindern konnten.Nun, wie ist es mit unserem Kampf? fragte er den Jungen.Wigor schttelte den Kopf, Ich bin in Eurer Schuld.Und ich in deiner. Ich schlage vor, wir verschieben unseren Streit, bis wir Zeit und Mue dafr haben, meinte Jaggar bereitwillig. Der Junge gefiel ihm. Einen wie dich knnte ich brauchen. Eine Klinge, auf die ich mich verlassen kann, wenn sie auch noch ein wenig unerfahren ist. An meiner Seite wird sie lernen, was ihr noch fehlt ...!Um zu rauben und zu plndern? fragte Wigor bitter.Jaggar lachte. Um Beute zu machen, sagte er zustimmend. Und du sollst deinen guten Anteil davon haben ...Seht Ihr denn nicht, da ich das nicht kann? Da es mir von ganzem Herzen widerstrebt?Jaggar zuckte die Schultern. Wir wollen es bei Wein besprechen. Es wird noch eine Weile dauern, bis der Heiler kommt. Sei mein Gast. Er deutete auf die Kajtentreppe. Du mut mir mehr von deiner Braut erzhlen, Junge. Sicher werde ich mich an sie erinnern.Sie stiegen hinab, und im Licht der entzndeten llampe sah Jaggar, da die ganze Kabine durchwhlt worden war. Die Decken zeigten deutlich, da mehrere Klingen in das Bett gefahren waren.Mrderpack! murmelte Jaggar angewidert.Der Junge starrte entsetzt auf die Lcher in den Decken und der Unterlage. Jaggar sah, da er sein Narrenkostm abgelegt hatte. In der einfachen Candiser Kleidung sah er noch jnger aus.Der Steuermann kam den Niedergang herab. Kptn! Glaubst du nicht, es wre besser, auerhalb der Bucht zu ankern?Nein, Megil. Ich denke, da es gengt, wenn wir die Wachen verdoppeln. Sage den Kanaken, da ich sie an den Mast knpfe, wenn sie sich noch einmal bertlpeln lassen. Und schick Galis zu mir, sobald er an Bord kommt. Ich mchte doch zu gern hren, was er von der Sache hlt.Aye, Kptn.Ah, Megil. Haben wir noch Schiffskleidung an Bord?Der Steuermann nickte.Bring mir Beinkleider, die ihm passen. Jaggar deutete auf den Jungen. Und Torquis soll ihm einen Grtel schneiden. Man soll sehen, da er kein Fremder ist, sondern einer der unseren ...Aye, Kptn. Der Steuermann verschwand.Kapitn, widersprach Wigor. Es scheint mir, Ihr habt nicht verstanden, was ich vorhin sagte, nmlich da ich ...Da du nicht mit mir auf Beutezug gehen willst. Doch, das habe ich verstanden. Und jetzt hr mich genau an, du Edelmann. Du bist hier in Feindesland ...!In Feindesland? wiederholte der Junge.Mhm. In wenigen Tagen wird Knig Jellis mit einer gewaltigen Flotte nach Myra segeln. Und wie ich ihn kenne, wird er rechtzeitig beginnen, das Feuer zu schren, das die Bevlkerung der Insel fr seine Plne begeistert. Was denkst du, wo du endest, wenn je einer auf den Verdacht kommt, da du aus Myra stammst?Der Junge schwieg. Er war bleich.Im Teich der Krokodile, fuhr Jaggar ungerhrt fort. Und sie sind immer hungrig.Krieg zwischen Myra und der Schlangeninsel! stie Wigor hervor. Und Zogor ist noch im Kampf gegen Urgor!Jaggar lachte. Du mut in der Tat eine Weile von zu Hause fortgewesen sein. Zogor ist lngst geschlagen ...!Zogor geschlagen? ber fnfhundert Hundertschaften geschlagen? So ist dieser Dragon ...?Ganz recht, junger Freund. Dragon herrscht ber Myra. Das ndert die Situation, nicht wahr?Wigor schien ihn gar nicht zu hren. Er mute sich erst mit der ungeheuerlichen Tatsache vertraut machen, da Zogor und das gewaltige myranische Heer geschlagen waren. Nicht da einer seines Dorfes Knig Zogor Verehrung oder Sympathie entgegengebracht htte. Da jemand es vollbracht haben sollte, dieses reiche, starke Myranien zu erobern und Zogor von seinem blutigen Thron zu fegen, konnte er nicht fassen. Aber es nderte nichts. Deyna war seine Heimat, egal, wer sie regierte. Es konnte nur zum Besseren kommen. Und nun griff Jellis diesen Dragon an, der vielleicht noch an den Wunden des Krieges leckte und schwach war ...Das mute alles erst verdaut werden. Knig Jellis, so sagten die Menschen hier auf der Insel, war willkrlich und grausam. Das wrde bedeuten, da ein Zogor den anderen ablste! Von Dragon wute er wenig. Gab es berhaupt andere als willkrliche, grausame Knige?Also, wie ist es? fragte Jaggar. So lange du auf der Insel weilst, bist du einer von der Wellenreiterin. Du hast keine Feinde, auer meinen ...Wigor grinste zum erstenmal. Es war ein Zugestndnis. Sie sind nicht gerade wenige, Eure Feinde, meinte er. An smtlichen Ksten sitzen welche, und im Heimathafen lauert der Knig selbst auf Euch. Aber solange der Knig unser gemeinsamer Feind ist, nehme ich Euer Angebot dankend an und leihe Euch meine Klinge, die noch einen guten Lehrmeister braucht.Jaggar nickte erfreut. Wir werden gemeinsam nach Myra fahren. Dort magst du dich auf die andere Seite schlagen. Diese Gelegenheit will ich dir gern verschaffen. Und sollten wir uns dann gegenberstehen, so ist der rechte Augenblick fr das Eisen. Er schlug gegen den Griff seines Schwertes. Abgemacht? Er hielt dem Jungen die unverletzte Rechte hin, die dieser enthusiastisch ergriff.Aye, Kptn!Deinen Namen werden wir ndern mssen, berlegte Jaggar. Jeder wrde sonst wissen, da du nicht von der Insel bist. Ich werde der Mannschaft sagen, da du Wiquin heit, so ist zumindest ein wenig von deinem Namen erhalten.Schritte nherten sich ber die Treppe. Das wird der Heiler sein, sagte Jaggar. Sei schweigsam und einsilbig. An der Sprache wrde dich jeder erkennen, obwohl es auch einige Stmme auf der Insel gibt, in den Bergen im Westen, die anders sprechen als wir.Jemand pochte an die Tr. Galis ist hier, Kptn! Das war die Stimme des Steuermanns.Herein mit ihm! brllte Jaggar.Die Tr flog auf, und der Bootsmann der Wellenreiterin trat ein. Seine grobschlchtigen Zge waren angespannt. Sein rechtes Handgelenk hatte er mit einem Tuch umwunden, an dem ein roter Blutfleck sichtbar war.Kptn? Es klang unsicher.Seit wann bist du vom Schiff? fragte Jaggar barsch.Seit Stunden, erwiderte der Bootsmann.Jaggar sah ihn grimmig an. Du glaubst mir nicht, Kptn? fragte Galis. Quelim, der Wirt, wird es dir besttigen ...Und das? Jaggar deutete auf die Wunde an der Hand. Ich hatte Streit, erwiderte Galis. Das sehe ich, bemerkte Jaggar trocken. Hat man dir inzwischen berichtet, was geschehen ist?Galis nickte zgernd. Es gab einen berfall?Den gab es, bekrftigte Jaggar. Und einer auf dem Schiff mu ein Verrter sein. Der gleiche, der die Wachen berwltigte und in den Laderaum schlo. Hast du jemanden in Verdacht, Bootsmann?Um die Mundwinkel des Mannes zuckte es. Ich war nicht an Bord, Kptn. Nein, ich wei nicht, wer diese Schweinerei begangen haben soll ...Natrlich, ich verga, da du nicht an Bord warst. Du wirst jetzt die Aufsicht ber die Bordwachen bernehmen, und ich hnge dich eigenhndig an den Gromast, wenn es in dieser Nacht noch zu einem einzigen Zwischenfall kommt. Klar. Bootsmann?Aye, Kptn, knirschte Galis und verlie die Kajte.Als die Tr sich hinter ihm geschlossen hatte, entfuhr es Wigor: Kptn Jaggar, dieser Mann war ...Der Kapitn legte warnend den Finger an die Lippen. Wigor schwieg. Als Jaggar zur Tr schritt, entfernten sich drauen hastig Schritte ber die Treppe ans Deck. Jaggar grinste, aber seine Fuste waren geballt. Eines Tages werde ich ihm den Hals umdrehen, auch wenn er des Knigs Schurke ist!Kptn, der Mann war vorhin dabei. Er gehrte zu den Angreifern!Jaggar fuhr herum. Bist du sicher? Hast du sein Gesicht erkannt?Nein. Wigor schttelte den Kopf. Aber ich verwundete einen am Gelenk der rechten Hand.Jaggar schritt nachdenklich auf und ab. Galis selbst also tut die schmutzige Arbeit. Dann besteht kein Zweifel, da der Knig dahintersteckt. Er wandte sich an den Jungen. Ich habe einen Auftrag fr dich. Aber es wird nicht leicht sein!Das ist mir recht, Kptn.Behalte Galis im Auge. Tag und Nacht. Folge ihm, wenn er an Land geht. Finde heraus, mit wem er sich trifft. Und tte ihn, wenn du sicher bist, da er neuen Verrat plant ...Tten? entfuhr es Wigor.Es ist der einzige Weg. Der Knig wrde niemals dulden, da ich Galis aus meiner Mannschaft entlasse.Aber der Knig wird einen neuen Mann finden, wandte der Junge ein.Jaggar nickte. Mglich. Aber er hat nicht mehr viel Zeit. Wir werden bald auf dem Weg nach Myra sein, wenn ich die Lage recht einschtze. Serphats Einflu wird gewaltig sein, und des Knigs Gier wird siegen, all meinen Warnungen zum Trotz ...Wer ist dieser Serphat?Diese Schlange, erklrte Jaggar, die gestern aus dem Meer stieg und dir die Chance zur Flucht gab, sie ist Serphat.Aber was hat der Knig mit einer Schlange zu schaffen, und welchen Einflu sollte sie ...?Du wirst alles am Morgen selbst sehen. Bei Sonnenaufgang in Minos Tempel, mein Junge. Und es scheint, als wrde es ein blutiges Fest werden.3.

Als die ersten Strahlen der Morgensonne ber die Berge der Schlangeninsel krochen und Candis und den Hafen in ihr Licht tauchten, waren die meisten Bewohner der Stadt schon auf den Beinen, um letzte Vorbereitungen fr das Fest Minos, des Stieres, zu treffen.Aber diese Vorbereitungen wurden unterbrochen durch ein Schauspiel, das einige schon am Vortag gesehen hatten. Vom offenen Meer her tauchte rhythmisch der gewaltige Leib einer Schlange. Die Mutigeren unter den Zuschauern, die das alles schon gesehen hatten, liefen auf den Kai zu. Die anderen wichen langsam zu den Husern zurck. Diese Atemlosigkeit, mit der Serphat bei seiner ersten Ankunft begrt worden war, stellte sich nicht mehr ein. Aber immer noch war es ein groer Zauber, der geschah, und er beeindruckte die Menschen tief.Als Serphat schlielich in seiner menschlichen Gestalt aus dem Wasser stieg, ging ein Raunen durch die Menge.Er breitete die Arme aus und rief: Ich bin Serphat, der Oberste Priester der Mis, Beherrscherin der Insel. Ich bin gekommen, um ihre Macht zu zeigen, damit die Priester des Mino ihr Haupt neigen vor Mis.Erneut ging ein Raunen durch die Menge, heftiger, erregter diesmal. Das war eine Herausforderung an ihren Gott.Der alte Priester schritt quer ber den leeren Platz und schlug die Richtung zum Palast ein. Zgernd folgte ihm die Menge. Die Vorbereitungen zum Fest waren vergessen. Sie alle sprten, da etwas geschehen wrde.Jaggar und Wigor und einige der Bootsleute der Schwarzen Wellenreiterin starrten ihnen nach.Narren! sagte Jaggar. Schon rennen sie hinter ihm her!Aus Neugier wohl nur, meinte Wigor.So beginnen alle Dinge. Die Neugier ist ein Fluch. Er grinste. Dennoch werden wir uns dem Pbel anschlieen. Es mag ein Schauspiel werden, an das wir uns lange erinnern.Doch neugierig? spottete Wigor.Jaggar nickte. Aber ich frchte, da es nichts Gutes sein wird, das wir zu sehen bekommen. Und ich irre mich nicht oft. Es steckt mir in den Knochen, Megil!Kptn?Halte die Wellenreiterin zum Auslaufen bereit. Und ich meine zum Auslaufen, verstehst du mich? Es mag sein, da wir es verdammt eilig haben werden!Aye, Kptn, sagte der Steuermann, aber es klang ein wenig verwundert, und wohl auch enttuscht, da er mit dem Groteil der Mannschaft hier auf dem Schiff bleiben mute. Die Erntefestlichkeiten zu Ehren Minos waren immer eine groe Volksbelustigung, bei der jeder auf seine Rechnung kam: der Fromme wie der Sufer und der Raufbold wie der Weiberheld. Und kein Magen blieb hungrig. Es whrte alles bis spt in die Nacht hinein.Wir nehmen zehn der Mnner mit. Zehn, die du entbehren kannst.Aye, Kptn.Galis kommt mit. Ich mchte ihn im Auge behalten.Aye, aye.

Die Menschen hatten den Palast erreicht.Als Jaggar und seine Begleiter dort ankamen, wurden die Tore geffnet.Sie lassen sie hinein. Das ist seltsam, entfuhr es Jaggar. Noch nie zuvor durften die Brger in den Palastpark. Es gefllt mir nicht.Sie lieen sich von der Menge vorwrtsdrngen. Hier, mitten unter den Leuten, wrden sie nicht auffallen. Dann erkannte der Kapitn, wohin die Menschen drngten, wohin die Wachen sie fhrten. Das Platschen von aufgewhltem Wasser war deutlich genug zu hren.Vor dem riesigen Becken hielten sie an. Rundherum standen die Brger Candis dicht gedrngt, whrend vor ihnen im grnlich trben Wasser die riesigen Krokodile, Jellis besondere Lieblinge, die ihm den Henker sparten, mit zunehmender Erregung ihre gewaltigen Kiefer ans Ufer heranschoben und das mit hungrigem Schnappen.Ungewhnlich gro waren diese Bestien mehr als vier Manneslngen maen die meisten von ihnen. Woher der Knig die Tiere erhalten hatte, wute niemand. Die meisten hatten sie noch niemals zuvor gesehen, obwohl jeder wute, da es sie gab. Sie waren ein Teil des Gesetzes auf der Insel. Nur wenige, die sie sahen, blieben am Leben.Gleich darauf wurde offenbar, warum der Knig beschlossen hatte, das Volk in den Palastgarten zu lassen. Der Priester der Mis war an seiner Seite. Irgendein Schauspiel stand bevor, daran zweifelte Jaggar nicht. Vielleicht eine ffentliche Hinrichtung. Er schttelte sich unwillkrlich. War das bereits das Ende des minoischen Kultes?Dann sah Jaggar etwas, das ihn erstarren lie. Ein Junge hatte sich zu weit an den Rand des Beckens gewagt. Er beobachtete zwei der Krokodile, die ruhig an der Oberflche lagen. Und er bersah ein drittes, das mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zuscho. Niemand schien es zu bemerken. Aller Aufmerksamkeit war auf den Priester und den Knig gerichtet, die in einem Spalier von Wachen auf den Teich zuschritten.Jaggar wollte schreien, aber es war bereits zu spt. Der groe schuppige Rachen glitt blitzschnell aus dem Wasser. Er fate den Jungen, der noch im letzten Augenblick aufspringen wollte, an den Beinen und glitt mit ihm zurck in die schumenden Fluten.Ein vielstimmiger Schrei bertnte den des Jungen. Er tauchte gleich darauf auf, schlug wild mit den Armen. Hinter ihm frbte sich das Wasser rot, wo einst seine Beine gewesen sein mochten. Vier oder fnf der Tiere schossen wie Pfeile auf ihn zu und rissen ihn buchstblich vor aller Augen auseinander.Von Entsetzen gepackt, wich die Menge von dem Becken zurck. Die Tiere peitschten durch das Wasser. Ihr mrderischer Appetit war durch das Blut geweckt.Nur zwei Personen schienen von dem grauenvollen Schauspiel unberhrt. Der Priester war der eine. Und der Knig der andere. Aber fr ihn war es nicht neu.Eine Frau, offenbar die Mutter des Jungen, strzte aus der Menge nach vorn. Mehrere hielten sie auf. Aber sie war wie besessen. Einige des Knigs Wachen eilten herbei, ergriffen die Frau und brachten die Widerstrebende vor den Knig. Dort sank sie vor ihm auf den Boden. Sie verschwand aus Jaggars Blickfeld. Es war ihm, als vernhme er ihre schrille, schmerzerfllte Stimme. Kurz darauf sah er, wie die Wachen sie aus dem Palast fhrten. Jellis und der Priester aber traten, umgeben von einem Ring von Wachen, an den Rand des Beckens.Der Knig breitete die Arme aus, und es wurde still im Park bis auf die Bewegung im Wasser. Die Tiere schwammen unruhig hin und her, als ahnten sie, was bevorstand.Hrt mich an, Brger von Candis. Dies ist der Priester der Mis, der Gttin, die es verdiente, in aller unserer Herzen zu sein. Ihre Altre sind zu Staub zerfallen, aber sie wurde nie wirklich vergessen. Ihre Macht ist ohnegleichen, wenn die Worte ihres Priesters die Wahrheit sind. Deshalb sind wir hier versammelt um zu sehen, ob er die Wahrheit spricht. Er mag uns Mis Macht zeigen, wenn er durch dieses Becken schreitet.Aufgeregtes Raunen ging durch die Menge. Als wieder Stille eingetreten war, fuhr Jellis fort: Was sagt ihr? Wre das Beweis genug? Wrdet ihr solch einer Gttin folgen?Zustimmung kam erst zgernd aus der Masse. Vielleicht hatten die wenigsten die Absicht, ihre Gottheit zu wechseln, dachte Jaggar. Aber das Schauspiel lockte. Man wollte sehen, wie der Fremde hineinstieg zu diesen Ungetmen, die eben einen Jungen verschlungen hatten.Ein zustimmender Sturm brach los unter der Menge. Damit sprach sie ihr eigenes Urteil und wahrscheinlich das von Minos Tod, grbelte Jaggar. Dann sah er selbst gespannt zu, wie der alte Priester in das Becken zu steigen begann.Er stand bis zur Mitte seines Krpers im Wasser, als die erste der Bestien auf ihn zuscho. Die Menge sthnte auf. Jetzt, jetzt mute er untergehen. Ein Fleck von Blut an der Oberflche wrde alles sein, was von ihm und seiner Gttin blieb.Da geschah etwas Seltsames: Ein heller schlangenartiger Arm griff nach dem Tier und umschlang seinen Rachen. Er zog es nach unten, whrend der Priester ruhig weiterschritt.Das Wasser wurde aufgewhlt vom peitschenden Schwanz der ertrinkenden Bestie. Die Menge hielt den Atem an.Zwei weitere Krokodile witterten die willkommene Beute und glitten im aufschumenden Wasser auf den Priester zu. Wiederum hoben sich schlangenartige Arme aus dem Wasser, schnappten nach den angreifenden Tieren, als diese den Rachen ffnen wollten, und rissen sie mit unglaublicher Gewalt unter das Wasser.Jaggar sah, da selbst der Knig fasziniert auf das Geschehen starrte.Es war unfabar. Immer wieder tauchten groe Schlangen aus dem Wasser auf und hielten die Bestien von dem Priester fern. Mis selbst mute ihren Priester schtzen. Mit eigener Hand, oder mit ihren Geschpfen.Es war deutlich zu erkennen, da mit jedem Schritt des Priesters die Sympathien fr ihn wuchsen. Als er aus dem Becken stieg, war die Begeisterung ohne Grenzen. Und wer noch immer seinen Augen nicht trauen wollte, der konnte einen zweiten Blick auf die treibenden Krper der toten Krokodile werfen.Wigor starrte auf den Kapitn. Ihr seid der einzige hier, in dessen Gesicht noch Zweifel stehen. Haltet Ihr es fr einen Trick?Jaggar schttelte sich. Ich wei nicht, wofr ich es halte. Ich wei nur eines, da es so gut wie besiegelt ist, da wir Myra angreifen.

Das Labyrinth lag wei und blendend unter der Mittagssonne. Es war das Symbol fr die Irrwege des Lebens, fr die Gefahren, und fr den einen rechten Weg, der den Gttern gefllig war.Sieben Eingnge besa dieser steinerne Kolo, an denen sieben Jungfrauen bereitstanden Priesterdienerinnen, die ihr heiliges Amt antraten.Junge Mnner machten sich bereit fr den mutigen Gang durch den steinernen Irrgarten, aus dem es nur einen Ausgang gab, und in dem sie dem heiligen Stier begegnen wrden. Es war in alter Zeit ein Wettstreit zwischen den einzelnen Sippen und Stmmen gewesen, zu dem sie ihre Shne schickten, wenn sie das Mannesalter erreicht hatten. Frher war es ein blutigeres Spiel gewesen, bei dem der Tod durch Minos Hrner nicht selten kam, und bei dem nur die Klgsten und Tapfersten den Ausgang erreichten. Und die Priester besaen alte Schriften, die davon kndeten, da das Labyrinth einst ein Gottesurteil war, in dem Minos selbst Tod oder Leben gab.Aber die Jahrtausende hatten Minos Glauben verndert. Mit der Sehaftwerdung der Stmme und der friedlichen Besiedelung des Landes bekam auch der Gott friedlichere Zge. Blut flo nur noch selten, und was einst Gottesurteil gewesen sein mochte, war nun eine Mutprobe, der sich keiner unter den jungen Mnnern ausschlo, wenn er nicht Schande auf sich laden wollte.Das Labyrinth lag in einem ovalen Tal, dessen felsige Wnde flach genug anstiegen, da die Zuschauer sich Pltze zum Sitzen suchen konnten. Dicht gedrngt sa der Groteil der Bevlkerung Candis bereits an den Hngen und starrte erwartungsvoll hinab in das Labyrinth, das oben offen war und Einblick bot in seine schmalen Korridore zwischen den zwei Mann hohen Steinwnden. Man konnte nur vereinzelt aus seitlichem Blickwinkel Durchgnge erkennen, denn die Mauern selbst waren nicht durchbrochen. Das Ganze sah aus wie ein groer rechteckiger Kasten, der in kleinere regelmige Rechtecke geteilt war. Man wrde sowohl den Stier wie auch die jungen Mnner in den Kammern deutlich verfolgen knnen.Das Labyrinth war eine Arena. Hoch ber dem Tal stand Minos Tempel, ein klotziger, ebenso rechteckiger Bau mit Mauern aus dem gleichen hellen, glattgemeielten Stein wie der Irrgarten. Aus ihm drang noch Singen, aber es war bereits der triumphierende Schlugesang, der hundertkehlige Dank fr die Ernte, die seit Jahren nicht mehr so reich gewesen war. Minos war gut zu seinen Kindern gewesen.Als die Priester den Tempel verlieen, fhrten sie den heiligen Stier mit sich auf dem breiten Weg ins Tal hinab. Er folgte ihnen ruhig, friedlich. Die Menschen verstummten und folgten der Gruppe mit den Blicken in die Arena hinab. Eine der Tren des Labyrinths wurde geffnet, und der Stier wurde mit Schreien ins Innere gejagt.Er kam mchtig in Schwung, prallte gegen die Mauern und fand einen Weg beinah ins Zentrum, bevor er sich beruhigte. Dort drehte er sich ein paarmal, sah hoch, als das Stimmengewirr der Zuschauer anschwoll und das kleine Tal erfllte, schttelte sich und verharrte abwartend.Die Spannung wuchs merklich.Die Priester und ihre Dienerinnen fhrten die jungen Mnner zu den Eingngen.Ein Hrnersto erklang vom Tempel. Ein zweiter. Schweigen senkte sich langsam ber die Versammelten. Ein Priester hob ein kelchartiges Rohr an den Mund und sprach hinein. Die Stimme hallte im Tal wider, aber sie war deutlich zu verstehen.Es war ein Gebet, mit dem er die Festlichkeiten erffnete. Dann hie er alle willkommen und sprach sein Bedauern darber aus, da nicht, wie in frheren Jahren, alle gekommen waren. Er vermite einen groen Teil der Bewohner der Stadt und warnte vor dem Priester der Schlange, der am Vortag nach Candis gekommen war, und der Krieg im Herzen trug.Stimmengewirr brandete auf. Die Versammelten hrten mit wenigen Ausnahmen zum erstenmal von der Ankunft Serphats. Die meisten waren von den umliegenden Drfern gekommen. Die Hrner erklangen erneut bis Stille eintrat.Der Priester sprach wieder. Er warnte eindringlich vor dem Gift der Schlange und vor falschen Wundern, die zu Krieg und Macht verleiten sollten.Dann gab er das Zeichen zum Beginn.Die Mdchen schoben die Mnner in das Labyrinth und verschlossen die Tren hinter ihnen. Einzelne Gruppen begannen die aus der Hhe der Sitzpltze winzig wirkenden Gestalten im Labyrinth anzufeuern. Bald war das Tal erfllt von Rufen und Schreien, das sich orkanartig steigerte, wenn einer dem immer unruhiger werdenden Stier zu nahe kam.Als einer pltzlich dem Stier gegenberstand, erstarben die Stimmen. Das Tier scharrte mit den Hufen. Es fhlte sich offenbar gefangen zwischen den schmalen hohen Wnden. Und hier stand einer seiner Peiniger vor ihm. Er kam in Bewegung, und als die Gestalt zurckwich in den Seitengang, aus dem sie gekommen war, folgte der Stier. Er senkte den Kopf und griff an. Es gab kein Ausweichen und kein Hochklettern an den glatten Wnden. Nur ein Vorwrts oder Zurck.Der Junge nahm die Beine in die Hand. Er schlpfte in einen Seitenkorridor und war ein wenig im Vorteil, weil das Tier Zeit brauchte, seine Masse abzubremsen und um die enge Kurve zu zwngen.Der Junge blieb stehen, was ihm einen Beifallssturm eintrug. Das schien ihn mutig zu machen. Er wartete, bis das Tier die Hrner erneut zum Angriff senkte. Die brigen in den Nebenkammern des Irrgartens hatten angehalten und lauschten.Der Junge ging ein gewagtes Spiel ein und hatte Glck. Als der Stier heran war, griff er nach den Hrnern und klammerte sich fest. Er zog sich hoch, wurde gegen die Wnde geschleudert, als der massige Kopf des Tieres sich vergeblich schttelte. Die Menge schrie auf, als er abzugleiten drohte. Aber er kam wieder hoch und glitt auf den dunklen Rcken, als der Schdel des Stieres gegen die Wand prallte und den Jungen zermalmt htte.Er klammerte sich einen Augenblick an das Fell, um Atem zu schpfen, whrend das Tier sich mehrmals benommen schttelte. Dann sprang er behende in den Korridor hinter den Stier, der sich in dem engen Raum nicht umdrehen konnte.Donnernder Beifall belohnte den Jungen fr seine mutige Tat.Ein dnner Ton von kniglichen Trompeten drang in die Arena. Der Beifall erstarb langsam. Die Gesichter wandten sich nach oben. Im grellen Sonnenlicht kaum zu erkennen, stiegen der Knig und sein Gefolge von den Pferden. In der Stille schritten sie den Hang herab zu den Pltzen, die ihnen vorbehalten waren.Jellis sagte mit lauter Stimme: Ist es, Anmaung, Priester des Minos, oder Miachtung meiner Gewalt, da man das Fest ohne mein Beisein beginnt?Der Priester unten in der Arena ergriff wieder das Rohr. Du weit, da es nicht so ist, Knig. Aber Minos Geburt liegt um die Mittagsstunde des Erntedanktages. Die Festlichkeiten beginnen jedes Jahr zur selben Stunde. Dem Gesetz nach bist du der erste Priester Minos! Er wird verzeihen, da du seine ...Schweig! donnerte Jellis. Der Priester wute, da er einen Fehler gemacht hatte, den Knig in aller ffentlichkeit zu rgen, aber es war zu spt fr Reue.Hier an Minos heiliger Sttte, begann er erneut.Der Knig hob die Hand, und der Talkessel war pltzlich umringt von Mnnern der Palastwache. Sie hielten den Pfeil an der Sehne. Der hundertfache Tod lie den Priester verstummen. Auch die Jungen im Labyrinth sahen die schubereiten Wachen hoch ber ihnen. Auch ihr Herz stand still. Sie waren ohne Deckung, ohne Schutz. Jellis senkte die Hand. Die Bogen spannten sich gleichzeitig. Und sangen hundertfach.Der Stier sank zu Boden durchbohrt von hundert gefiederten Schften.Kein Laut kam von unten. In die tdliche Stille sagte der Knig: Hiermit erklre ich das Ende des Stiergottes auf unserer Insel. Fortan soll bei Androhung des Todes keiner meines Volkes mehr an seinen Altren opfern ...!Frevler! schrie der Priester. Minos Fluch ber dich! Jellis Hand zuckte erneut hoch! Aber der Priester der Schlange kam ihm zuvor. Er sprang hinab in die Arena, und kein Mensch htte solch einen Sprung berlebt. Er aber erhob sich unverletzt vor den weit aufgerissenen Augen und zum Schrei geffneten Mndern der Menge. Eines seiner Beine verlngerte sich blitzschnell, wurde zu einer silbernen, zuckenden Schlange, die nach dem Priester Minos griff, sich um ihn wand.Ein Sthnen ging durch die Menge. Der Priester versuchte sich zu befreien. Es war beinah etwas Unmenschliches an der Art, wie er sich schttelte so, als wre etwas von der Kraft eines Bullen in ihm und unbezwingbar. Aber dann fiel er und lag still.Zweifelt noch jemand am Tode Minos? rief der Knig nicht ohne Hohn.Keine Antwort kam.Bis zur Dunkelheit, fuhr er fort, ist dieser Tempel leer. So leer, da nichts mehr an Minos erinnert. Ich stehe in der Gunst Mis der Schlange des Meeres, und sie prophezeite mir die Herrschaft ber die Gestade des Groen Meeres. Mis Priester werden fortan in diesem Tempel sein. An ihren Altren werdet ihr opfern, oder ein Meer von Blut wird flieen fr die Schlange ...! Seine Hnde wiesen nach oben, wo Serphat erschien in Gestalt einer Schlange, die mit gefhrlichem Zischen sprach: Dies ist die Insel der Schlange. Ihr seid in meiner Welt. Und wohin die Wasser flieen, werdet ihr meinen Namen tragen!Sie lste sich auf, und Serphat, der Priester, stand auf dem Rand des Abhangs. Leidenschaft und Ha lieen Serphats Stimme schwanken.Myras Gestade werden die ersten sein, die wir Mis zu Fen legen!Das Volk schwieg betroffen. Es war zu trge, um aufzubegehren. Der Knig hatte immer entschieden. Gelitten hatten nur einzelne. So war es auch jetzt wieder. Sie waren auch beeindruckt von Serphats Verwandlung. Sie wrden nicht gegen eine Gttin rebellieren, die so groe Plne mit dem Knig hatte. Eroberungen brachten Reichtum. Die kargen Felder liefen nicht fort. Wenn die Plne der Gtter Eroberungen bedeuteten, dann wrden sie erobern. Warum am eigenen Boden Blut vergieen, weil die Gtter Streit hatten?4.

Jellis hielt es nicht auf dem Thron. Immer wieder erhob er sich und schritt grbelnd auf und ab. Er hatte das Gefhl, einen Schritt zuviel getan zu haben, sicher, das Volk rebellierte nicht offen! Noch nicht!War es die pltzliche Begeisterung, die Aussicht auf Reichtum und Macht, die ihn so sehr fr die Ideen dieses Priesters eingenommen hatten? Oder war es mehr? Er fhlte sich unfrei in seiner Gegenwart. Er dachte Dinge, die ihm fremd waren. Und er handelte mit einer Pltzlichkeit, die ihn berraschte.Gewi; er war jhzornig, und die Wut lie ihn manchmal Dinge tun, die ihm spter sinnlos erschienen. Aber nun handelte er ohne Zorn und tat Dinge, vor denen er zurckschreckte.Es stimmte, Minos Kult war ihm immer ein Dorn im Auge gewesen, und frher oder spter htte er die Priester fhlen lassen, da sie ihm ein rgernis waren.Aber das, was heute geschehen war ...!Er hatte das pltzliche, lhmende Gefhl, da er nicht einen Bund mit den Gttern, sondern mit einem Teufel geschlossen hatte, und da dieser Teufel mehr Macht ber ihn besa, als er gedacht hatte.Nach allem, was vorgegangen war, konnte er nicht sofort aufbrechen und Eroberungszge beginnen. Er hatte dem Volk mit seiner Willkr einen harten Schlag versetzt, den es berraschend gut hingenommen hatte. Nun galt es, es im Auge zu behalten und notfalls mit harter Hand durchzugreifen. Wenn er nun fortsegelte, mochte es gut und gern sein, da er die Insel erobern mute, wenn er zurckkam. Welch ein Risiko!Was drngte Serphat so sehr nach Myra, da er keine Stunde verlieren wollte? Wute Mis wahrhaftig, da Myra schwach war?Jaggar kam ihm in den Sinn. Jaggar hatte ihn gewarnt davor. Er hatte Myra gesehen und die Ksten ausgekundschaftet. Jaggar mochte vorsichtig sein und vielleicht auch ein wenig bertreiben. Aber er war nicht blind ...Warum hatte er versucht, Jaggar zu tten?Das war eine Frage, die ihm am meisten zu denken gab. Jaggar war einer der besten Kapitne der Bruderschaft des Groen Meeres, auch wenn er Fehler machte.Es ist seine verfluchte Vorsicht, die mich rasend macht, murmelte er. Aber er wute auch, da ihm Jaggars Warnungen immer wieder zu denken gaben, bis er selbst zgerte.Jaggar war sein Vertrauter in vielen Dingen gewesen. Er wute viel, das gefhrlich werden konnte, wenn er sich ihn zum Feind machte.Er wute auch, da Jaggar wenig Liebe fr ihn hegte und dennoch einer der loyalsten Mnner der Bruderschaft war. Warum nur wollte er ihn tten?Er mu sterben, weil er Zweifel st! Das war ein seltsamer Gedanke, aber er schien vertraut. Als htte er ihn unbewut schon einmal gedacht in jenem Augenblick, da er die Mrder dingte.Da sie versagt hatten, war erleichternd und bedrohlich zugleich. In diesem Zwiespalt der Empfindungen wurde ihm bewut, da er nicht mehr allein war.Serphat stand in der Tr.Wie kalt seine Augen sind, dachte Jellis, als bemerke er es zum erstenmal. Dann verga er den Gedanken. Er begann einen Eifer, eine Begeisterung zu fhlen ...Er lief dem Alten entgegen. Serphat wie stehen die Dinge?Gut, Knig, erwiderte der Alte, ohne den Blick von ihm zu lassen. Deine Truppen sammeln sich bereits westlich der Stadt. Achtzig Galeeren sind auf dem Weg nach Candis. Und die Flotten deiner Lehensstatthalter kommen deinem Befehl nach ...Sie kommen meinem ...? begann er verwundert. Er konnte sich nicht entsinnen, einen entsprechenden Befehl gegeben zu haben. Aber die Erinnerung schwand rasch und machte der freudigen Erwartung Platz. In ein, zwei Tagen wrde die gesamte Flotte vor Candis aufkreuzen, bereit, nach Myra zu segeln. Mit Mis Hilfe, dachte er. Mit Mis Hilfe, echoten fremde Gedanken.Er wischte mit der Hand ber seine Augen. Trumte er am lichten Tag? Er sah, da er allein war.Es war besser, Jaggar zu beseitigen. Er war ein Verrter! Er wiegelte die Kapitne der Bruderschaft auf gegen den Plan des Knigs und Ersten Kapitns! Der Angriff auf Myra war zu wichtig. Nichts durfte ihn gefhrden. Auch keine Warnungen vor unerwarteter myranischer Strke. Diesmal durfte ihm Dragon nicht entkommen! Die Fremdheit seiner Gedanken fiel ihm nicht auf. Auch nicht, da der Name Dragon ihn mit leidenschaftlichem Ha erfllte. Er wute nur, da er handeln mute.Er ging zur Tr. Wache! rief er. Einer der beiden Wachen kam herein. Er war so erstaunt ber des Knigs Gesicht, das bla war und abwesend, da er verga, Haltung anzunehmen.Der Knig bemerkte es gar nicht.La mir Galis holen! befahl er.

Wigor, oder Wiquin, wie ihn seine Gefhrten auf der Schwarzen Wellenreiterin nannten, sa auf einem Stapel Taue und beobachtete Galis mchtige Gestalt. Seine Gedanken waren bei den Geschehnissen am Mittag. Es war nicht so sehr der Tod des Priesters oder des Stieres, der ihn bewegte, sondern diese unheimliche Gestalt: Serphat.War es nur ein Trick, ein Betrgen der Augen, oder vermochte er sich wahrhaftig in eine Schlange zu verwandeln? Eines war sicher: Er mute Gewalt ber die Schlangen besitzen, vielleicht durch den starren Blick seiner Augen, sonst htte er den Teich der Krokodile nicht lebend durchquert. Und wenn er den bannenden Blick der Schlangen besa, um wieviel mehr mute es ihm mglich sein, die Menschen um sich in seinen Bann zu ziehen. Er nahm sich vor, dem Blick dieser Augen auszuweichen, wenn er dem Priester wieder begegnen sollte. Vielleicht war dann die Wahrheit besser zu erkennen.Nach allem, was geschehen war, wrde Mis es nicht schwer haben, die Insel in ihren Bann zu ziehen. Der Gedanke lie ihn schaudern. Der nchste Schritt Myra! Wenn es nur eine Mglichkeit gegeben htte fr eine Warnung fr diesen Dragon!Wenn er Jaggar dazu bringen knnte, da er floh! Der Kapitn war ein seltsamer Mann. Kein Teufel, wie er einst gedacht hatte in jener schmerzlichen Stunde, als Welora fr immer verschwand, die als seine Braut erkoren war.Jaggar war berzeugt, da es der Knig war, der ihn tten lassen wollte. Und er floh nicht. Er fhlte Loyalitt zu diesem mrderischen Knig. Seine Ehre stand auf dem Spiel als Kapitn der Bruderschaft. Er wrde ein Gejagter sein, ein Ausgestoener auf dem Groen Meer.Das alles verstand Wiquin, aber er verstand nicht, warum Jaggar so sicher war, da gerade der Knig ihn tten wollte! Er seufzte. Er sa hier fest, und die Welt war dabei, auseinanderzubrechen.Zum Teil wenigstens.Wenn der Knig wirklich darauf aus war, den Kapitn zu tten, dann lie er sich Zeit. Galis machte nicht den Eindruck, als ob er etwas vorhatte. Es mochte Tuschung sein, aber..Jaggar kam aus der Kajte und blickte mimutig auf die Bucht hinaus. Da er hier festlag, gefiel ihm nicht, das konnte Wiquin deutlich sehen.Wiquin nickte grend.berraschend sagte Jaggar: Wenn du je an Flucht gedacht hast, Wiquin, dann ist es jetzt zu spt. Wenigstens ein halbes Hundert Segel stehen vor der Bucht.Ich hab sie gesehen. Kptn, erwiderte der Junge. Er gab sich einen Sto. Kptn, ein paar Dinge lassen mir keine Ruhe ...Als da sind? fragte Jaggar.Warum seid Ihr so sicher, da es der Knig ist, der Euch nach dem Leben trachtet?Weil ich wei, da Galis im Palast war, erwiderte Jaggar unwillig.Das ist alles? fragte der Junge unglubig.Nein. Ich habe keine Feinde auer Jellis.Seid Ihr dessen so sicher? Ein Pirat, ein Plnderer wie Ihr ...!Jaggar sah ihn seltsam an. Es mag sein, da an Myras Ksten viele gern meinen Kopf htten. Aber hier ... Jellis ist der Erste Kapitn der Bruderschaft. Er bestimmt. Aber die Bruderschaft wei, da ich in den myranischen Gewssern Erkundigungen einzog. Sie wird meinen Bericht hren wollen. Der fllt nicht sehr gnstig aus, denn ich habe erfahren, da Myra stark ist ...Kann sich die Bruderschaft gegen den Knig stellen? warf Wiquin ein.Jaggar schttelte den Kopf. Nein. Aber sie ist nicht ohne Einflu. Das kann fr den Knig eine Menge rger bedeuten ...Und deshalb, meint Ihr, lt er Euch heimlich aus dem Weg rumen?Es ist der einfachste Weg.Und Ihr knnt nichts dagegen tun. Warum flieht Ihr nicht?Weil es das Ende wre. Die Bruderschaft ist meine Welt ...Ihr meint, das Plndern und Rauben und Tten an fremden Ksten ist nicht nur eine Quelle des Reichtums, sondern auch eine Lebensweise?Zorn verdunkelte das Gesicht des Kapitns.Rasch sagte Wiquin: Sagt mir noch eines, Kptn. Was treibt den Knig so sehr nach Myra? Ich meine, es gibt nhere Ksten. Warum ausgerechnet Myra?Jaggar dachte darber nach. Er verga seinen Zorn, was den Jungen innerlich aufatmen lie. Schlielich zuckte er die Schultern.Es ist die Richtung, in der seine Augen immer am lngsten blickten. Frher oder spter htte er es getan ...Glaubt Ihr nicht, da dieser Priester der Schlange etwas damit zu tun hat? Blickt er nicht mit den gleichen hungrigen Augen nach Myra?Nachdenklich sagte Jaggar: Es fiel mir nicht auf. Aber vielleicht hast du recht ...Immerhin mu der Knig Euch geschtzt haben, und Eure Vorsicht, sonst htte er nicht gerade Euch als Kundschafter geschickt.Jaggar schttelte den Kopf. Das hat auch noch andere Grnde. Ich war sein Vertrauter in vielen Dingen. Ich wei mehr, als ihm lieb ist ... Jaggar hielt inne und nickte, als Wiquin den Satz zu Ende sprach.... Nun, da er einen neuen Vertrauten hat?Jaggar wurde pltzlich lebendig. Ich kann zwar nicht ohne des Knigs Einwilligung den Rat der Kapitne zusammen rufen, aber ich kann mit einigen von ihnen reden, mit Malquir zum Beispiel. Seine Merinque ankert auf der anderen Seite der Bucht. Mis, fgte er verchtlich hinzu. Es gab eine Zeit, da erschlugen wir die Schlangen, wo wir sie fanden. Wenn es nach mir geht, wird sie wiederkommen. La mir Galis nicht aus den Augen.Aye, Kptn.Und nimm den Mund nicht so voll. Manchen sitzen die Schwerter lockerer als mir.Aye, Kptn, wiederholte der Junge, ein wenig rot werdend.

Wenig spter kam ein Mann an Bord, den Wiquin noch nie zuvor gesehen hatte. Er machte keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck. Der Junge musterte ihn mitrauisch.Der Steuermann ging auf ihn zu.Wiquin konnte nicht hren, was sie sagten, aber er konnte erkennen, da Megil ihn mit allem Nachdruck vom Schiff wies. Das schien der Fremde schlielich einzusehen, aber er deutete immer wieder auf das Vorderdeck und schttelte einmal sogar drohend die Faust.Der Steuermann nickte schlielich mit besnftigenden Handbewegungen. Als er an Wiquin auf dem Weg zum Vorderdeck vorbeikam, zischte er verrgert.Canlos von der Diebesgilde. Merk dir, da du am besten nichts mit ihm zu schaffen hast. Auf seine Art ist er ein Teufel.Der Junge sah ihm verwundert nach und fuhr alarmiert hoch, als der Steuermann auf Galis zuging und auf ihn einredete. Dabei deutete er auf den wartenden Dieb am Kai.Galis nickte hastig und eilte sofort vom Schiff. Interessiert sah Wiquin, wie die beiden in eifrigem Gesprch ber den Marktplatz eilten. Mit der Diebesgilde also hatte Galis zu schaffen!Steuermann! rief Wiquin. Sagt dem Kptn, da ich von Bord ging. Und sagt ihm auch, da es Galis und dieser Canlos waren, denen ich folgte.Aye, aye!Nicht ohne Unbehagen eilte Wiquin hinterher. Aber er hatte keine eigentliche Angst. Er hoffte nur, da sich nun endlich ein paar der Geheimnisse aufklrten.Die beiden gingen in die Richtung des Palastes. Es erschien dem Jungen nicht ungewhnlich. Die Diebesgilde mochte ihre Finger in allerlei Geschften haben sicher auch mit dem Knig. Fr ihn war bald klar, da der Dieb Galis zum Palast fhrte.Er hielt mehr Abstand, um sicherzugehen, da sie ihren Verfolger nicht bemerkten. Als er den Palast erreichte, sah er gerade noch, wie eine der Palastwachen Galis ins Innere fhrte. Der Dieb verschwand in einer der Seitenstraen.Wiquin zgerte. Vermutlich dauerte es eine Weile, bis der Bootsmann wieder erschien. In den Palast ungesehen einzudringen, schien wenigstens am Tage unmglich.Nach einem Augenblick eilte er hinter dem Dieb her und hatte ihn gleich wieder vor sich. Der Junge beschleunigte seinen Schritt und begann zu laufen, als der Mann vor ihm erneut abbog. Als er um die Ecke kam, erkannte er, da Canlos vor ihm stand und ihn offenbar erwartete.Wer bist du? Der Dieb musterte ihn kalt.Wiquin hatte den Dolch in der Faust und hielt ihn Canlos an die Kehle. Der sah ihn an, als wre er verblfft darber, da jemand es wagte, Hand an ihn zu legen. Mehr nicht.Wiquin mehrte seine Verblffung damit, da er den Dolch schmerzlich hochruckte, so da ein roter Punkt am Hals des Diebes erschien.Vorwrts! Dort in den Hauseingang. Ich habe ein paar Worte mit dir zu reden!Der Dieb nickte. Du wirst es frh genug bereuen. Aber er ging Schritt um Schritt zurck. Warum whlst du nicht den einfacheren Weg? Er hielt die leere Hand auf.Wiquin schob ihn in den Hauseingang. Wenn ich Gold htte, vielleicht. Aber es ist mig, darber zu reden, denn ich habe keines.Du dauerst mich, begann der Dieb, schwieg aber, als Wiquin dem Dolch erneut einen kleinen Ruck versetzte.Ich will nur wissen, in wessen Auftrag du Galis geholt hast, sagte er drohend und fgte hinzu: Und ich habe nicht viel Zeit.Der Dieb wollte sich losreien, aber Wiquins Dolch zog einen dnnen roten Strich ber den Hals bei diesem Versuch. Keuchend hielt er still. Ich sage noch immer, du wirst es bereuen! zischte er.Spter vielleicht, meinte der Junge ungerhrt. Jetzt knnte es fr dich etwas zu bereuen geben. Also: von wem hattest du den Auftrag, den Bootsmann vom Schiff zu holen?Canlos, der Gewalt verabscheute, besonders, wenn sie an ihm angewandt wurde, zuckte die Schultern.Also, wenn du es fr dein Leben gern wissen mchtest, Coris gab milden Auftrag.Wiquin lie ihn nicht los. Wer ist Coris?Der Wchter am Palasttor. Du scheinst nicht von hier zu sein. Deine Aussprache ...Sie soll dich nicht kmmern. Und zu wem solltest du Galis bringen?Zu Coris natrlich.Wiquin betrachtete ihn mitrauisch. Was knnte Coris von Galis wollen?Bin ich Coris, da ich es wissen sollte? knurrte Canlos.Vielleicht, sagte Wiquin grinsend ... Trotzdem besten Dank fr die Auskunft, Schade, da ich nicht mehr Zeit habe, denn ich bin sicher, da du noch eine Menge weit ...Schon mglich, Fremder, sagte eine Stimme hinter ihm.Wiquin fuhr herum. Ein brtiges Gesicht sah ihn mit blitzenden Augen an.Etwas knallte gegen seinen Hinterkopf, und das brtige Gesicht verlschte.

Als er erwachte, sah er ein anderes Gesicht vor sich das eines kleinen Mdchens, das ihn neugierig musterte.Du bist nicht tot! sagte sie, und das schien sie zu erschrecken.Wiquin selbst war weniger erschrocken darber. Ein stechender Schmerz im Nacken lie ihn aufsthnen. Er massierte die Stelle und sah, da Blut an den Fingern war, als er die Hand zurckzog.Nein, murmelte er. Es sieht so aus, als wre ich nicht tot.Die Kleine wich zurck, offenbar vollkommen konfus darber, da er erwacht war. Er schttelte den Kopf, als sie verschwand. Seltsame Bruche hatten sie hier, wenn die Kinder nichts dabei fanden, bei herumliegenden Toten herumzulungern.Er setzte sich sthnend auf und erkannte, da er noch immer in dem Hausflur lag. Sie hatten ihn offenbar nur niedergeschlagen und sich aus dem Staub gemacht.Ich htte wissen mssen, dachte er laut, da die Diebesgilde nicht einfach zusieht, wenn einer der ihren in der Klemme ist.Mit schmerzlich verzogenem Gesicht trat er ins Freie. Dem Stand der Sonne nach war es spter Nachmittag. Viel Zeit konnte also nicht vergangen sein. Vielleicht kam er noch nicht zu spt.Er hastete die Strae zurck zum Palast. Er unterdrckte den stechenden Schmerz. Der Brtige hatte ihm ordentlich eine verabreicht. Ein paarmal sah er sich um, aber auer dem kleinen Mdchen war niemand auf der Strae. Ob sie ihn von den Fenstern aus beobachteten, konnte er nicht sagen. Aber er vermutete es. Der Palast tauchte vor ihm auf still und scheinbar leer unter der heien Nachmittagssonne.Er straffte sich und hoffte, da die Wunde unbemerkt bleiben wrde.Die Wachen am Palastgarten griffen nach ihren Schwertern, als er auf das Tor zuschritt. Einer trat ihm entgegen. Wohin?Hat Galis den Palast schon verlassen? fragte Wiquin.Wer ist Galis, und was kmmert es dich? fragte der Soldat grob.Ich habe eine Botschaft von Canlos.Die Wache sah ihn ungerhrt an. Und?Sie ist fr Coris, sagte Wiquin forsch und hoffte, da das die erhoffte Wirkung brachte.Tatschlich brummte der Mann: Coris scheint seine Finger berall zu haben. Na, was gehts mich an. Wenn du mit Galis den Bootsmann meinst, den der Dieb vorhin brachte, nein, er ist noch nicht wieder raus. Du findest Coris innerhalb des Tores. Wenn du ihn nicht siehst, ruf nach ihm! Er deutete zum Palasteingang und nahm die Hand von seinem Schwertknauf.Danke, sagte der Junge und schritt zielsicher auf das Tor zu.Bisher war es nicht sehr schwierig gewesen. Als er durch das offene Tor schritt, sah er einen lteren Mann in der Kleidung der Wachen, doch ohne Brustharnisch und ohne Schwert. Eine Sulenhalle erstreckte sich vor ihm scheinbar ohne Ende. Eine Abteilung Wachsoldaten stand neben dem Tor und wartete offensichtlich auf Befehle des Alten.Der sah Wiquin neugierig entgegen, wie etwa einem Fuchs, der freiwillig in die Falle gegangen war.Bist du Coris? fragte Wiquin und versuchte sich vllig ungezwungen zu geben.Der bin ich, junger Freund. Der Alte kam auf ihn zu.Ich habe eine Botschaft von Canlos.berraschenderweise sagte der Alte: Ich dachte es mir. Unmerklich nickte er den Wachen zu, die daraufhin dem Jungen keine Beachtung mehr schenkten, auer vielleicht den einen oder anderen musternden Blick. Komm mit.Der Junge folgte Coris durch mehrere Gnge, die mehr breiten Hallen glichen. Mehrere Palastdiener begegneten ihnen, aber keiner beachtete sie. Wiquin fragte sich die ganze Zeit ber, ob er etwas sagen sollte. Aber der Alte schien keinerlei Fragen zu erwarten. Offenbar wute er genau, was der Junge wollte, oder besser, was Canlos wollte.Ganz im Gegenteil zu Wiquin, der ihm unbehaglich folgte. Immerhin war die Sache recht gut gelaufen. Mit, dem Alten wurde er sicher fertig, wenn es sich als notwendig erweisen sollte.Es wurde immer geheimnisvoller, und Wiquin glaubte bereits, auf der vllig falschen Spur zu sein und nur seine Zeit zu vergeuden, whrend Galis den Palast verlie und vielleicht einen neuen Anschlag auf Kapitn Jaggar plante.Der Alte ffnete eine schwere eiserne Tr, und schritt voran in ein Kellergewlbe von vorerst unbersichtlicher Tiefe. Es ging nicht so weit hinab, wie der Junge befrchtet hatte. Der Alte nahm eine llampe von einem Steinvorsprung und entzndete sie nach einigen Versuchen. In dem schwachen Schein sah Wiquin mehrere eiserne Tren, auf denen dick und braun der Rost sa. An ihnen schritt der Alte vorbei. Es roch nach Feuchtigkeit und Moder, und von irgendwo kam das Tropfen von Wasser. Sie konnten nicht weit vom Krokodilsteich sein, kam es Wiquin in den Sinn. Vor einer Tr, die fter benutzt aussah, hielt Coris an.Er schob den Riegel zur Seite und trat mit erhobener Laterne ein. Der Junge folgte ihm.Sie befanden sich in einem feuchten Raum aus roh behauenem Stein. Das Rauschen von Wasser war sehr nah. Mehrere groe Eisengitter bildeten den Boden vor ihm, und darunter sah Wiquin wild schumendes Wasser ber felsigen Grund rauschen.Es fhrt direkt zum Meer, sagte der Alte. Hier drin verschwinden sie alle.Wiquin fragte sich, was er wohl meinte.Coris ging ans andere Ende des Raumes und winkte dem Jungen, zu folgen. Hier. Mit ihm haben sie Besseres vor.Er zog ein Stck Segeltuch beiseite, und Wiquin hielt den Atem an. Galis lag vor ihm am Boden, bleich, das vierschrtige Gesicht in Pein verzerrt. Sein Hemd war blutdurchtrnkt. Eine breite Wunde klaffte am Rcken und an der Brust, als htte ihm jemand eine breite Klinge von hinten in den Leib gerammt, da sie vorne wieder herauskam.Galis war tot.Sag das Canlos, und auch, da der Priester wieder im Palast ist.Wiquin nickte stumm. Was haben sie mit ihm vor?Der Alte zuckte die Schultern. Das wei ich nicht. Das hier ist schon mehr, als ich wissen sollte.

Als er zur Wellenreiterin zurckkam, fand er einen mimutigen Jaggar vor, der sich bitter ber die Sturheit Kapitn Malquirs beschwerte, der sich geweigert hatte, die Bedenken gegen den Myrafeldzug weiterzuleiten. Nicht ohne Wissen des Knigs jedenfalls! Und mit Mis Priester habe er nichts zu schaffen.Als er Wiquins Bericht hrte, wurde er sehr nachdenklich.Im Palast ermordet, murmelte er. Wie pat das nur zusammen? Bist du sicher, da es seine Leiche war, die du gesehen hast?Kein Zweifel, erwiderte der Junge.Verstehst du es?Noch nicht, Kptn. Aber wenn noch gengend Zeit bleibt, komme ich sicher dahinter.Ich frchte, da uns nicht mehr viel Zeit bleiben wird. Wir laufen morgen aus.Morgen schon? entfuhr es Wiquin. Er ballte die Fuste.Das scheint dir ebensowenig zu gefallen wie mir, lachte Jaggar.Nein, es gefllt mir nicht. Kptn ... Er zgerte. Helft Ihr mir?Jaggar sah ihn verwundert an. Wobei? fragte er vorsichtig.Als ... als ich hierherkam, da schwor ich mir, ich wollte Welora finden ...Welora? fragte Jaggar. Dann dmmerte ihm, was der Junge meinte. Er nickte. Sag mir, wie sie aussah. Vielleicht erinnere ich mich an sie. Aber ich warne dich gleich. Ich erinnere mich an die wenigsten. Da war nur eine, auf meiner letzten Fahrt, eine mausgesichtige kleine Hexe. Er zuckte bedauernd mit den Schultern, Sechs Monde bist du hinter mir her? fragte er dann. Und gleich nach dem berfall aufgebrochen?Der Junge nickte.Drei Mdchen nahmen wir mit?Erneut nickte Wiquin erwartungsvoll.Dann kann sie nicht hier auf der Schlangeninsel sein, erklrte er nach einer Weile. Ich wei, da wir unsere Beute verkauften. An einen Kauffahrer aus Namos. Die Erinnerung schien ihn ungemein zu erheitern, denn er lachte laut auf.Was wollte ein Hndler aus Namos mit myranischen Mdchen? fragte der Junge verwundert und mitrauisch. Jeder wei, da die Frauen auf Namos das Regiment fhren. Sie sollen schlimmer sein als die Katmahza. Jaggars Heiterkeit schwoll noch. Aber er hatte Gold, das wir ihm in jedem Fall genommen htten. So schlugen wir ihn breit, die Mdchen fr eine anstndige Summe zu kaufen. Andernfalls, machten wir ihm klar, wrden wir sein Schiff ausplndern.Und er zahlte?Das tat er. Und er war froh, mit so heiler Haut davonzukommen. Wir waren in guter Laune an diesem Tag, und die Wellenreiterin sa tief im Wasser, so reich waren wir mit Beute beladen. Es war an der Zeit, umzukehren ...Dann ist sie verloren, murmelte der Junge traurig.Hast du sie geliebt. Junge? fragte Jaggar pltzlich voller Mitgefhl.Wiquin schttelte den Kopf. Nein ... oder vielleicht doch ... ach, ich wei es nicht. Aber ich wuchs mit ihr auf. Wir waren Nachbarskinder. Dann war pltzlich alles so leer ohne sie.Ja, sagte Jaggar bedauernd. Aber vielleicht ist sie noch nicht verloren. Das Schiff des Hndlers hatte den Kopf eines Tieres mit einem gewundenen Horn auf dem Bug. Es sah hlich aus. Ein Einmaster. Ich wrde ihn unter Hunderten wiedererkennen. Wenn dieser unselige Angriff auf Myra erst beendet ist und wir kein Futter fr die Haie geworden sind, werden wir uns die Hfen Namos genauer ansehen. Haben wir das Schiff, haben wir auch eine gute Spur. Was meinst du?Wiquin sah ihn erfreut an. Ist das ein Angebot, Kptn?Eins, das fair genug ist, denke ich. Er grinste. Aber wenn sie wirklich auf Namos ist, wird das nicht ohne Spur an ihr vorbergehen, frchte ich. Die Taube, die fortflog, kommt als Drache wieder. Sie wird eine andere sein, bis das Jahr um ist. Und frher werden wir sie nicht finden ...Das wre das Risiko wert, Kptn, Und was wollt Ihr dann tun, sie stehlen?Und dir verkaufen. Er grinste breit. Aber vielleicht beruhigt es dein zartfhlendes Gemt, wenn wir sie eintauschen!Er brach in schallendes Lachen aus, als er Wiquins verstndnisloses Gesicht sah.5.

Jaggar schritt unruhig in seiner Kajte auf und ab.Nacht lag ber der Stadt und dem Hafen. In den meisten der Huser oben auf den Hgeln, wo die wohlhabenderen wohnten, und im Palast brannten noch flackernde Lichter und hielten die Dunkelheit fern, die ber dem Land kauerte. Wolken hatten sich vor den Mond geschoben und bedeckten den grten Teil des Himmels. Die wenigen Sterne gaben kaum Licht genug, die Hand vor den Augen zu sehen.Jaggar war nervs. Wenn um seinetwillen noch etwas geschah, dann mute es in dieser Nacht geschehen. Am Morgen wrde der Rat der Kapitne zusammentreffen, um des Knigs Plne zu vernehmen, ber die wohl kaum jemand noch im Zweifel sein konnte.Jaggar hatte keine Furcht vor dem Krieg. Das war es nicht, was ihn bedrckte. Es war seine augenblickliche Stellung. Es schien, als wre bereits jemand rascher gewesen um eine Nasenlnge voraus und hatte die Kapitne gegen ihn gestimmt. Malquirs barscher, beinah beleidigender Ton sprach dafr, mit dem er Jaggars Ansinnen abgewiesen hatte, als bedeutete es keine Warnung, sondern blanken Verrat.Bei Meldos nicht anders. Beinah Verachtung.Jaggar wute, da er allein war, und da es wenig gab, das er tun konnte. Auer warten.Was hatte den Knig in solch einen erbitterten Feind verwandelt? War es Serphat, der Schlangenpriester, der sich sein Vertrauen erschlichen hatte? Hatte der junge Wigor recht mit seiner Vermutung?Wigors Name brachte seine Gedanken fr einen Augenblick auf etwas, das ihn erheiterte. Er stand einen Moment sinnend, die Daumen in den Grtel gehakt. Dann verlie er die Kajte und begab sich an Deck. Er sah sich um, konnte aber Wigor nirgends entdecken. Dann stieg er in die Mannschaftsrume hinab. Als er nach geraumer Weile wieder zum Vorschein kam, begleiteten ihn drei Mnner, die sich mit grinsenden Gesichtern vom Schiff begaben und in der Richtung des Marktplatzes in der Nacht verschwanden.

Junge!Wiquin hrte die Stimme, aber er erwachte erst, als Jaggars krftige Faust ihn schttelte.Kptn? Er schttelte die Schlaftrunkenheit ab. Es war noch immer finster wie in einem Loch.Komm mit.Wiquin rieb sich den Schlaf aus den Augen und stolperte hinter Jaggar her an Deck. Er atmete auf. Die Wolken waren zum grten Teil verschwunden, und das Mondlicht spiegelte sich auf den Planken. Man konnte gut sehen.Was ist los, Kptn? Laufen wir aus? Das war eine vllig verrckte Frage, denn nichts deutete auf ein Auslaufen hin. Das Deck war leer bis auf eine einsame Gestalt an der Bugreling.Die Gestalt schien dem Jungen irgendwie bekannt. Jaggar fhrte ihn hin.Bootsmann! rief er.Der andere drehte sich um und sah den beiden entgegen. Das Mondlicht fiel voll auf sein Gesicht. Wiquin hatte Mhe, einen entsetzten Aufschrei zu unterdrcken.Ja, Kptn?Auch die Stimme lie keinen Zweifel daran. Vor ihnen stand Galis so lebendig wie eh und je. Benommen starrte er Galis an und war froh, da sein Gesicht im Schatten war.Wiquin wird dich ablsen.Es ist nicht ntig, Kptn.Das ist ein Befehl, Bootsmann.Aye, Kptn.Wiquin vermeinte, Wut in den Augen Galis zu sehen. Der Junge frstelte unwillkrlich. Whrend der Bootsmann unter Deck verschwand, beschftigte Wiquin nur eine Frage: Wer war der Tote in der unterirdischen Palastkammer?Jaggar ergriff ihn am Arm und drehte ihn herum, da er ihm ins Gesicht sehen konnte. Er war nicht wtend, aber es war etwas an ihm, das keinen Zweifel lie, da er eine Antwort erhalten wrde. Also, was hat es zu bedeuten?Kptn ... ich ... ich verstehe es nicht. Er berichtete noch einmal in allen Einzelheiten, wie er in den Palast gelangt war, und was Coris ihm gezeigt hatte. Er beschwor, da er nicht den geringsten Zweifel gehegt hatte, da Galis es war, der tot in dieser Kammer lag. Kein anderer als der Bootsmann konnte es gewesen sein, wenn er nicht einen Zwillingsbruder besa. Ein Schwert hatte ihn durchbohrt.Und nun war Galis zurckgekommen!Von den Toten? Oder hatte dieser Priester der Schlange seine Hand im Spiel? Es war nicht von der Hand zu weisen. Zu viele merkwrdige Dinge waren seit seiner Ankunft auf der Insel geschehen.Vielleicht war er wahrhaftig von den Gttern geschickt. Aber es war seltsam, da sie einem solche Macht in die Hand gaben wenn es Macht war, und nicht Jahrmarktsgaukelei. Viel eher schien er Wiquin ein Hexer, der den Knig fr sich zu gewinnen suchte fr irgendwelche dunklen Plne.Er zweifelte nicht an dem, was er im Palast gesehen hatte. Galis war tot oder wenigstens tot gewesen! Dann stimmten die alten Geschichten, da die Toten aus den Grbern zu steigen vermochten, wenn sie von bsen Geistern beseelt waren! Die Zombys.Galis mute einer sein! Und beseelt war er von Serphat! Das war der nchstliegende Gedanke.Und warum war er gekommen? Es gab nur eine Antwort: Um Kapitn Jaggar zu tten, der ihm im Wege war.Es war pltzlich alles sehr klar und einleuchtend.Wiquin lie den Kapitn stehen und hastete die Treppe zu den Mannschaftsrumen hinab. Megil, der Steuermann, kam ihm entgegen. Sein Gesicht war bla.Die Mnner starrten hellwach aus ihren Schlafkojen. Ihre Gesichter waren nicht viel dunkler als das des Steuermanns.Wo ist Galis? fragte Wiquin, von einer dumpfen Ahnung befallen.Wir wissen es nicht, antwortete einer. Er war eben noch hier, und es war verdammt merkwrdig.Was? fragte der Junge. Sag schon, was war merkwrdig?Er ... er kam herein und legte sich in seine Koje. Wir dachten uns nichts dabei. Er war ja immer ein wenig wortkarg, und es ging uns ja nichts an, wo er so lange war. Aber dann fing Quiller, der ber ihm schlft, pltzlich an, seinen Namen zu rufen. Wir waren wieder alle wach, als er ihn schttelte und mit der Hand zurckzuckte, als htte ihn eine Tarantel gebissen ...Quiller selbst, der Koch, ein kleiner dunkelhaariger Mann, rief aufgeregt Er war so kalt. Wie Eis. Ich dachte Kelim, der ist tot! Ich horchte, aber er atmete nicht. Nicht ein Zug ... Ich rttelte ihn, und da packte mich das Grauen. Er fhlte sich an, als htte er keine Knochen im Leib, alles schwammig und weich. Ich bin nicht furchtsam, Wiquin, das werden dir die Kameraden besttigen, aber der Schlangenpriester spukte mir den ganzen Tag im Kopf herum, wie er sich in diese schleimigen Kreaturen verwandelte, und wie er das vielleicht mit jedem von uns machen knnte. Aber wo ist er? fragte Wiquin von leichtem Grauen erfllt.Sie schttelten die Kpfe. Quiller kam