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SHOPPING MACHT hungrig und müde. Wer aber unter den neuen Viaduktbögen im Zürcher Kreis 5 Erholung sucht, hat zum Glück viele Möglichkeiten. Unsere Wahl fiel auf das Res- taurant Viadukt 8. An den Wänden die rustikale Steinstruktur des Bogenbaus, die Möblierung schlicht und funktional und auf dem Tisch eine leichte Landküche mit internationalem Touch – eine gelungene Kombination. Dazu ist das Restaurant auch ein Sozialprojekt, das Jugendliche auf den Einstieg ins Berufsleben vorbereitet. Wer hier geniesst, unterstützt also auch eine gute Sache. Vielversprechend war der orientalische Fenchelsalat mit Karot- ten und Dörrpflaumen (Fr. 12.50). Die Hirsch-Entrecôte-Taglia- ta auf Rucola mit marinierten Eierschwämmli und Quark- spätzli (Fr. 39.–) kam perfekt, noch leicht rosa, auf den Tisch. Beim Bio-Siedfleisch an Meerrettich-Feigen-Sauce (Fr. 29.–) hät- te der Koch allerdings rassiger würzen können. Köstlich dann wiederum die Süssmostcreme mit Apfelchips (Fr. 11.–). Und als Supplement bekommt man übrigens das romantische Rattern der Züge mitserviert – ganz gratis. SILVIA SCHAUB Wo die Landküche Stadtluft schnuppert KÜCHE Leichte Landküche mit internationalem Touch SERVICE Angenehm zurückhaltend, etwas unsicher AMBIENTE Schlichte Möblierung im Kontrast zu groben Steinmauern PREISE Vorspeisen ab Fr. 8.–, Hauptgänge ab Fr. 21.– Restaurant Viadukt, Zürich Chef de Service Bruno Kratter, die Sozialpädagogin Noe Yamamoto und der Küchenchef Stefan Welty vom Restaurant Viadukt 8, Viaduktstrasse 69/71, Zürich. Tel. 043 204 18 99, www.restaurant-viadukt.ch. Geöffnet: Mo–Fr 8–24 Uhr, Sa 9–24 Uhr, So geschlossen. AUFGETISCHT BILD: BRUNO TORRICELLI BEI EHEPAAREN MIT GLEICHEM NAMEN sieht die korrekte Anschrift wie folgt aus: Frau Viola Kuster und Herr Philipp Kuster. Eine wei- tere Möglichkeit ist es, den Nachnamen nur einmal zu schreiben. Also: Frau Viola und Herr Philipp Kuster. Falls es Ihnen nicht gelingt, die beiden Vornamen herauszufinden, dann wird der Mann zuerst erwähnt: Herr und Frau Münchner. Dies macht nicht wirklich Sinn, das ist eine reine Gewohnheit von früher, die wir in diesem Fall beibehalten haben. Natürlich ist es von Vorteil und wirkt persönlicher, wenn Sie die Vornamen schrei- ben können. Bei Doppelnamen und unterschiedlichen Nachnamen von Ehe- paaren schreiben Sie in der Anschrift die vollständigen Namen – üblicherweise zuerst denjenigen der Frau, dann jenen des Mannes. Bei der Briefanrede werden dann ebenfalls beide Partner einzeln angesprochen: Liebe Frau Kuster, lieber Herr Kuster. Veraltet sind hingegen Varianten wie Herr Philipp Kuster und Frau oder gar Herr Philipp Kuster und Gattin. Corinne Staub ist Image-Beraterin in Zürich und Mitautorin der Bücher «Dressguide» und «Imagefaktor». Wenn man ein (Ehe-)Paar anschreibt – egal, ob mit gleichem oder unterschiedlichem Namen –, welche Reihenfolge ist korrekt? SO STIMMTS Stellen Sie Ihre Fragen unter [email protected] Alpenwein aus dem Sottoceneri Zugegeben, von den Al- pen sieht man auf dem wunderschön gelegenen Weingut Tenimento dell’Ör in Arzo bei Men- drisio nicht mehr viel. Trotzdem zählen die Wei- ne von hier zu den gros- sen Schätzen der Alpen, genauer der Lombardi- schen Voralpen. Bestätigt wurde dies durch die Tat- sache, dass Meinrad Perler, der Besitzer des Weinguts, am diesjähri- gen Grand Prix du Vin Suisse mit seinem Sotto- bosco 2008 nicht nur Gold für die beste rote Assemblage, sondern auch den Prix Vinissimo für den höchstbenoteten Wein des Wettbewerbs und auch noch den Ti- tel «Schweizer Winzer des Jahres» er- rang. Kein Wunder, dass der 74-jährige Sohn eines Freiburger Bauern und ehe- malige Banker schon kurz nach der Preisverleihung an der Gala des Schwei- zer Weins in Bern ausverkauft war. Keine Flasche Wein liegt mehr in seinem Keller, was eigentlich ein triftiger Grund zum Nichtentkorken wäre. Da aber einer von Meinrad Perlers Weinen eine Hauptrolle auf der Alpenweinbühne von Mémoire & Friends spielte und an der Nachdegusta- tion der Zeitschrift «marmite» eine Höchstnote erzielte (www.weininfo.ch), kann ich es nicht lassen. Der Merlot Riserva Tenimento dell’Ör 2007 leuchtet in dunklem, jugendlichem Rot, duftet nach schwarzen Beeren und Steinfrüchten mit würzigen Röstnoten und besitzt einen vollmundigen Körper mit frischer Säure, kräftigem Tannin und langem Abgang. Er ist ein eleganter, fines- senreicher Wein, dessen klassische Stren- ge ihn in die Nähe eines edlen Bordeaux von früher rückt. Leider ist er ebenso wie der ihm kaum nachstehende Jahrgang 2008, den ich an der Ticinowine-Präsen- tation Il Viso del vino Anfang September in Lugano degustieren konnte, längst ver- kauft. Bleibt einzig übrig, den Jahrgang 2009 abzuwarten, der im nächsten Som- mer auf den Markt kommt und laut Perlers Aussage grossartig sein soll. Reservieren lohnt sich. ANDREAS KELLER ENTKORKT Produzent Agriloro SA, Arzo Herkunft Tessin Appellation Ticino DOC Rebsorte Merlot Beste Trinkreife Jetzt bis Ende 2017 Passende Gerichte Trüffelrisotto, Entrecôte vom Grill, Alpkäse Bewertung 17,5 Punkte Bezugsquelle Agriloro SA, Tenimento dell’Ör, 6864 Arzo, Tel. 091 646 74 03, www.agriloro.ch, Fr. 44.– MERLOT RISERVA TENIMENTO DELL’ÖR 2007 Der Sonntag | Nr. 44 | 7. November 2010 Seite 52 GENIESSEN Wir sitzen oben an der langen, dicken Eichentafel im dezent eingerichteten Weinfachgeschäft an der Rathausgasse in Baden. Rundherum Weine, nach Sys- tem geordnet im Gestell. Alles Schweizer Weine. «Aus ökologischen Gründen, aber auch ökonomischen», schickt er hintennach. Auch das ist besonders an Daniel «Corti» Cortellini: Sein Laden ist die einzige Adresse, die sich ausschliess- lich mit dem Verkauf von Schweizer Spitzenweinen etabliert hat. DER WEINFACHMANN SCHENKT ein Glas Muscat ein. Der Laie probiert. «Fünf Se- kunden im Gaumen halten», lautet sei- ne Anweisung. Gelassenheit brauche es, um dem Wein auf die Schliche zu kom- men. «Wird er in dieser Zeit sauer oder unangenehm, dann ist es der falsche Wein», so sein praktisches Rezept für je- dermann, der gerne Wein trinkt. Nicht zu übersehen im Laden ist derzeit das Schild mit dem Namenszug «Meinrad Perler, Winzer des Jahres 2010». «Es ist fast unheimlich», sagt Corti und schmunzelt – verschmitzt. Eben ha- ben 150 Degustatoren seinen Hauptliefe- ranten beim «Grand Prix du Vin Suisse» zum «Winzer des Jahres» gekürt. Fachfrau Barbara Meier-Dittus schreibt im «Vinum» über Corti: «Ein Weingenie mit Ausnah- metalent.» Er schmunzelt nochmals. Sein Riecher – für den Wein wie fürs Geschäft – ist offensichtlich unschlagbar. «ICH HABE EINE STARKE GABE, mir Gerü- che zu merken», sagt Corti und erzählt von einem Erlebnis. Mit 14 Jahren sei er beim Berufsbera- ter gewesen. Als er diesen nach 14 Jahren wieder traf, habe er ihn ge- fragt, ob er noch dasselbe After- shave verwende. Er habe es bestätigt. «Aber der Nase fehlt die dritte Dimensi- on.» Sie sei nach dem Auge, das sich ein Bild von der Farbe mache, wichtig für den ersten Zugang. «Die Nase differen- ziert», so der Fachmann, «kann aber we- der die finale Tiefe noch ein sensori- sches Ungleichgewicht ausmachen.» Zur Gabe ist die Übung gekommen. Er lasse sich sehr viele Musterweine zu- schicken. So habe er bei der Auswahl viel Selbstsicherheit entwickelt, erzählt Corti. Viele Weine würden auch an ihn heran- getragen. Ihre Entwicklung verfolgt er über mehrere Jahre. «Beobachten, dann zuschlagen», so Corti. «Ich spüre den Kil- lerinstinkt», umschreibt er. Ein Wein könne ihn erst zurückstossen, weil er Ecken und Kanten habe. «Wie beim Men- schen», so Corti. Erst bleibe man auf Dis- tanz, und plötzlich entstehe eine Freund- schaft. «Wenn ich ein klares Bild vom Wein habe, kann es ein Entscheid von ei- ner Zehntelsekunde sein, und ich bestelle 1000 Flaschen.» «Ein Wein muss ei- ne tiefere Aussage haben, etwas wie Würde», um- schreibt Corti. Es gebe auch Blen- der-Weine: oberflächlich, ohne Tiefgang, gut einzufangen – und rasch langweilig. DER WINZER SPIELT EINE wichtige Rolle: «Der Mensch ist zentral als Weinma- cher.» Ein Wein sei schwer fassbar. Da- rum müsse sich ein Winzer dem Pro- dukt unterordnen. Wer dem Wein un- nötig einen Stempel aufdrücken wolle, schiesse über das Ziel hinaus. Als Mensch und Winzer habe Meinrad Perler grosse Qualitäten. Nicht ohne Grund führe er seinen Merlot Cuore als Spezialabfüllung und den Merlot Cir- colo als Fassauslese im Sortiment. Während des Gesprächs betritt ein junges Pärchen den Laden mit einem Wunsch: «Ein Wein zum Zitronenrisot- to.» Corti übernimmt von seiner Mitar- beiterin die Kundschaft. «Hier, ein wei- cher Merlot, ideal dazu.» Und er setzt sich wieder an den Tisch. «Die Leute kommen oft mit einem Rezept in der Hand», fährt Corti fort. Es ist sowohl das Flair des Hobbykochs mit grossen Wein- kenntnissen als auch das Verkaufsta- lent, mit einem kaum widerstehbaren Charme, der hier spricht. Corti war gelernter Kaufmann und zum stellvertretenden Bankfilialleiter aufgestiegen, bevor er vor 13 Jahren aus- stieg. Als er mit ein paar Schweizer Wei- nen in der Region die Türklinken ge- putzt hatte, gab man ihm keine zwei Jahre zum Überleben. «Und kein halbes Jahr, wenn sie meine Eigenmittel ge- kannt hätten», fügt Cortellini lachend hinzu. Er habe damals für 20 000 Fran- ken seinen Cadillac verhökert, das tue ihm heute noch weh. Die Marge bei Schweizer Weinen sei nicht gross. «Man ist zu nahe beim Winzer» und die Men- ge zu limitiert. Wer im Ausland eine Quelle habe, der könne einen Fantasie- preis festsetzen. Doch er habe sich offenbar im idea- len Segment positioniert, begründet Corti den Erfolg: «Nicht zu billig, nicht zu teuer, gerade richtig für den bewuss- ten Weintrinker.» DER ERFOLG HAT SYSTEM: «Weil ich das Geschäft an meine Person gebunden habe und ich mich selber verwirklichen kann». Er macht heute einen Umsatz, den er sich nie erträumt hatte, allerdings steckt auch viel Arbeit dahinter. Bis nach den Festta- gen gebe es kein Zurücklehnen: Lieferun- gen, Degustationen mit Essen, Sonder- wünsche. Doch sonst versucht sich der verheiratete 44-Jährige, sich auch als Ge- nussmensch zu verwirklichen. «Es gibt doch nicht Schöneres, als mit einem Glas Wein und einer Zigarre, draus- sen auf der Bank zu sitzen und zu philoso- phieren.» Corti hat auch als erster Tenor lange im Tonhallenchor gesungen. Zu Hause in Nussbaumen bei Baden setzt er sich fast täglich ans Klavier und singt eige- ne Schweizer Chansons. Seine Degustati- onsgäste habe er bislang damit verschont. Doch wer weiss. Weinhändler Daniel Cortellini hat die Nase dafür, welche Weine in die Kränze kommen Ist er ein Hellseher oder hat er einfach einen fantastischen Riecher? Beim Badener Wein- händler Daniel Cortellini stehen seit 2004 die Sieger des «Grand Prix du Vin Suisse» im Gestell – jeweils lange vor der nationalen Prämierung. Den Riecher für Schweizer Weine VON ROMAN HUBER Daniel Cortellini mit Meinrad Perlers Erfolgswein, dem «Sottobosco». «Ein guter Wein muss für mich eine tiefere Aussage haben, etwas wie Würde.» BILD: ALEX SPICHALE

Der Sonntag | Nr. 44 | 7. November 2010 Seite 52 Den

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SHOPPING MACHT hungrig und müde. Wer aber unter denneuen Viaduktbögen im Zürcher Kreis 5 Erholung sucht, hatzum Glück viele Möglichkeiten. Unsere Wahl fiel auf das Res-taurant Viadukt 8. An den Wänden die rustikale Steinstrukturdes Bogenbaus, die Möblierung schlicht und funktional undauf dem Tisch eine leichte Landküche mit internationalemTouch – eine gelungene Kombination. Dazu ist das Restaurantauch ein Sozialprojekt, das Jugendliche auf den Einstieg insBerufsleben vorbereitet. Wer hier geniesst, unterstützt alsoauch eine gute Sache.Vielversprechend war der orientalische Fenchelsalat mit Karot-ten und Dörrpflaumen (Fr. 12.50). Die Hirsch-Entrecôte-Taglia-ta auf Rucola mit marinierten Eierschwämmli und Quark-spätzli (Fr. 39.–) kam perfekt, noch leicht rosa, auf den Tisch.Beim Bio-Siedfleisch an Meerrettich-Feigen-Sauce (Fr. 29.–) hät-te der Koch allerdings rassiger würzen können. Köstlich dannwiederum die Süssmostcreme mit Apfelchips (Fr. 11.–). Und alsSupplement bekommt man übrigens das romantische Ratternder Züge mitserviert – ganz gratis. SILVIA SCHAUB

Wo die LandkücheStadtluft schnuppert

KÜCHE Leichte Landküche mit internationalem TouchSERVICE Angenehm zurückhaltend, etwas unsicherAMBIENTE Schlichte Möblierung im Kontrast zu groben SteinmauernPREISE Vorspeisen ab Fr. 8.–, Hauptgänge ab Fr. 21.–

Restaurant Viadukt, Zürich

Chef de Service Bruno Kratter, die Sozialpädagogin Noe Yamamoto undder Küchenchef Stefan Welty vom Restaurant Viadukt 8, Viaduktstrasse69/71, Zürich. Tel. 043 204 18 99, www.restaurant-viadukt.ch. Geöffnet:Mo–Fr 8–24 Uhr, Sa 9–24 Uhr, So geschlossen.

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BEI EHEPAAREN MIT GLEICHEM NAMEN sieht die korrekte Anschriftwie folgt aus: Frau Viola Kuster und Herr Philipp Kuster. Eine wei-tere Möglichkeit ist es, den Nachnamen nur einmal zu schreiben.Also: Frau Viola und Herr Philipp Kuster.Falls es Ihnen nicht gelingt, die beiden Vornamen herauszufinden,dann wird der Mann zuerst erwähnt: Herr und Frau Münchner.Dies macht nicht wirklich Sinn, das ist eine reine Gewohnheit vonfrüher, die wir in diesem Fall beibehalten haben. Natürlich ist esvon Vorteil und wirkt persönlicher, wenn Sie die Vornamen schrei-ben können.Bei Doppelnamen und unterschiedlichen Nachnamen von Ehe-paaren schreiben Sie in der Anschrift die vollständigen Namen –üblicherweise zuerst denjenigen der Frau, dann jenen des Mannes.Bei der Briefanrede werden dann ebenfalls beide Partner einzelnangesprochen: Liebe Frau Kuster, lieber Herr Kuster.Veraltet sind hingegen Varianten wie Herr Philipp Kuster und Frauoder gar Herr Philipp Kuster und Gattin.

Corinne Staub ist Image-Beraterinin Zürich und Mitautorin der Bücher«Dressguide» und «Imagefaktor».

Wenn man ein (Ehe-)Paar anschreibt – egal, obmit gleichem oder unterschiedlichem Namen –,welche Reihenfolge ist korrekt?

SO STIMMTS

Stellen Sie Ihre Fragen unter [email protected]

Alpenwein ausdem SottoceneriZugegeben, von den Al-pen sieht man auf demwunderschön gelegenenWeingut Tenimentodell’Ör in Arzo bei Men-drisio nicht mehr viel.Trotzdem zählen die Wei-ne von hier zu den gros-sen Schätzen der Alpen,genauer der Lombardi-schen Voralpen. Bestätigtwurde dies durch die Tat-sache, dass MeinradPerler, der Besitzer desWeinguts, am diesjähri-gen Grand Prix du VinSuisse mit seinem Sotto-bosco 2008 nicht nurGold für die beste rote

Assemblage, sondern auch den PrixVinissimo für den höchstbenoteten Weindes Wettbewerbs und auch noch den Ti-tel «Schweizer Winzer des Jahres» er-rang. Kein Wunder, dass der 74-jährigeSohn eines Freiburger Bauern und ehe-malige Banker schon kurz nach derPreisverleihung an der Gala des Schwei-zer Weins in Bern ausverkauft war. KeineFlasche Wein liegt mehr in seinem Keller,was eigentlich ein triftiger Grund zumNichtentkorken wäre. Da aber einer vonMeinrad Perlers Weinen eine Hauptrolleauf der Alpenweinbühne von Mémoire &Friends spielte und an der Nachdegusta-tion der Zeitschrift «marmite» eineHöchstnote erzielte (www.weininfo.ch),kann ich es nicht lassen.Der Merlot Riserva Tenimento dell’Ör2007 leuchtet in dunklem, jugendlichemRot, duftet nach schwarzen Beeren undSteinfrüchten mit würzigen Röstnotenund besitzt einen vollmundigen Körpermit frischer Säure, kräftigem Tannin undlangem Abgang. Er ist ein eleganter, fines-senreicher Wein, dessen klassische Stren-ge ihn in die Nähe eines edlen Bordeauxvon früher rückt. Leider ist er ebenso wieder ihm kaum nachstehende Jahrgang2008, den ich an der Ticinowine-Präsen-tation Il Viso del vino Anfang Septemberin Lugano degustieren konnte, längst ver-kauft. Bleibt einzig übrig, den Jahrgang2009 abzuwarten, der im nächsten Som-mer auf den Markt kommt und lautPerlers Aussage grossartig sein soll.Reservieren lohnt sich. ANDREAS KELLER

ENTKORKT

Produzent Agriloro SA, ArzoHerkunft TessinAppellation Ticino DOCRebsorte MerlotBeste Trinkreife Jetzt bis Ende 2017Passende Gerichte Trüffelrisotto,Entrecôte vom Grill, AlpkäseBewertung 17,5 PunkteBezugsquelle Agriloro SA, Tenimentodell’Ör, 6864 Arzo, Tel. 091 646 74 03,www.agriloro.ch, Fr. 44.–

MERLOT RISERVATENIMENTO DELL’ÖR 2007

Der Sonntag | Nr. 44 | 7. November 2010Seite 52GENIESSEN

Wir sitzen oben an der langen, dickenEichentafel im dezent eingerichtetenWeinfachgeschäft an der Rathausgassein Baden. Rundherum Weine, nach Sys-tem geordnet im Gestell. Alles SchweizerWeine. «Aus ökologischen Gründen,aber auch ökonomischen», schickt erhintennach. Auch das ist besonders anDaniel «Corti» Cortellini: Sein Laden istdie einzige Adresse, die sich ausschliess-lich mit dem Verkauf von SchweizerSpitzenweinen etabliert hat.

DER WEINFACHMANN SCHENKT ein GlasMuscat ein. Der Laie probiert. «Fünf Se-kunden im Gaumen halten», lautet sei-ne Anweisung. Gelassenheit brauche es,um dem Wein auf die Schliche zu kom-men. «Wird er in dieser Zeit sauer oderunangenehm, dann ist es der falscheWein», so sein praktisches Rezept für je-dermann, der gerne Wein trinkt. Nichtzu übersehen im Laden ist derzeit dasSchild mit dem Namenszug «MeinradPerler, Winzer des Jahres 2010».

«Es ist fast unheimlich», sagt Cortiund schmunzelt – verschmitzt. Eben ha-ben 150 Degustatoren seinen Hauptliefe-ranten beim «Grand Prix du Vin Suisse»zum «Winzer des Jahres» gekürt. FachfrauBarbara Meier-Dittus schreibt im «Vinum»über Corti: «Ein Weingenie mit Ausnah-metalent.» Er schmunzelt nochmals. SeinRiecher – für den Wein wie fürs Geschäft –ist offensichtlich unschlagbar.

«ICH HABE EINE STARKE GABE, mir Gerü-che zu merken», sagt Corti und erzähltvon einem Erlebnis. Mit 14 Jahren sei erbeim Berufsbera-ter gewesen. Als erdiesen nach 14Jahren wieder traf,habe er ihn ge-fragt, ob er nochdasselbe After-shave verwende. Er habe es bestätigt.«Aber der Nase fehlt die dritte Dimensi-on.» Sie sei nach dem Auge, das sich einBild von der Farbe mache, wichtig fürden ersten Zugang. «Die Nase differen-ziert», so der Fachmann, «kann aber we-der die finale Tiefe noch ein sensori-sches Ungleichgewicht ausmachen.»

Zur Gabe ist die Übung gekommen.Er lasse sich sehr viele Musterweine zu-

schicken. So habe er bei der Auswahl vielSelbstsicherheit entwickelt, erzählt Corti.Viele Weine würden auch an ihn heran-getragen. Ihre Entwicklung verfolgt erüber mehrere Jahre. «Beobachten, dannzuschlagen», so Corti. «Ich spüre den Kil-lerinstinkt», umschreibt er. Ein Weinkönne ihn erst zurückstossen, weil erEcken und Kanten habe. «Wie beim Men-schen», so Corti. Erst bleibe man auf Dis-tanz, und plötzlich entstehe eine Freund-schaft. «Wenn ich ein klares Bild vomWein habe, kann es ein Entscheid von ei-ner Zehntelsekunde sein, und ich bestelle

1000 Flaschen.»«Ein Wein muss ei-ne tiefere Aussagehaben, etwas wieWürde», um-schreibt Corti. Esgebe auch Blen-

der-Weine: oberflächlich, ohne Tiefgang,gut einzufangen – und rasch langweilig.

DER WINZER SPIELT EINE wichtige Rolle:«Der Mensch ist zentral als Weinma-cher.» Ein Wein sei schwer fassbar. Da-rum müsse sich ein Winzer dem Pro-dukt unterordnen. Wer dem Wein un-nötig einen Stempel aufdrücken wolle,schiesse über das Ziel hinaus. Als

Mensch und Winzer habe MeinradPerler grosse Qualitäten. Nicht ohneGrund führe er seinen Merlot Cuore alsSpezialabfüllung und den Merlot Cir-colo als Fassauslese im Sortiment.

Während des Gesprächs betritt einjunges Pärchen den Laden mit einemWunsch: «Ein Wein zum Zitronenrisot-to.» Corti übernimmt von seiner Mitar-beiterin die Kundschaft. «Hier, ein wei-cher Merlot, ideal dazu.» Und er setztsich wieder an den Tisch. «Die Leutekommen oft mit einem Rezept in derHand», fährt Corti fort. Es ist sowohl dasFlair des Hobbykochs mit grossen Wein-kenntnissen als auch das Verkaufsta-lent, mit einem kaum widerstehbarenCharme, der hier spricht.

Corti war gelernter Kaufmann undzum stellvertretenden Bankfilialleiteraufgestiegen, bevor er vor 13 Jahren aus-stieg. Als er mit ein paar Schweizer Wei-nen in der Region die Türklinken ge-putzt hatte, gab man ihm keine zweiJahre zum Überleben. «Und kein halbesJahr, wenn sie meine Eigenmittel ge-kannt hätten», fügt Cortellini lachendhinzu. Er habe damals für 20 000 Fran-ken seinen Cadillac verhökert, das tueihm heute noch weh. Die Marge beiSchweizer Weinen sei nicht gross. «Man

ist zu nahe beim Winzer» und die Men-ge zu limitiert. Wer im Ausland eineQuelle habe, der könne einen Fantasie-preis festsetzen.

Doch er habe sich offenbar im idea-len Segment positioniert, begründetCorti den Erfolg: «Nicht zu billig, nichtzu teuer, gerade richtig für den bewuss-ten Weintrinker.»

DER ERFOLG HAT SYSTEM: «Weil ich dasGeschäft an meine Person gebunden habeund ich mich selber verwirklichen kann».Er macht heute einen Umsatz, den er sichnie erträumt hatte, allerdings steckt auchviel Arbeit dahinter. Bis nach den Festta-gen gebe es kein Zurücklehnen: Lieferun-gen, Degustationen mit Essen, Sonder-wünsche. Doch sonst versucht sich derverheiratete 44-Jährige, sich auch als Ge-nussmensch zu verwirklichen.

«Es gibt doch nicht Schöneres, als miteinem Glas Wein und einer Zigarre, draus-sen auf der Bank zu sitzen und zu philoso-phieren.» Corti hat auch als erster Tenorlange im Tonhallenchor gesungen. ZuHause in Nussbaumen bei Baden setzt ersich fast täglich ans Klavier und singt eige-ne Schweizer Chansons. Seine Degustati-onsgäste habe er bislang damit verschont.Doch wer weiss.

Weinhändler Daniel Cortellini hat die Nase dafür, welche Weine in die Kränze kommen

Ist er ein Hellseher oder hat ereinfach einen fantastischenRiecher? Beim Badener Wein-händler Daniel Cortellini stehenseit 2004 die Sieger des «GrandPrix du Vin Suisse» im Gestell –jeweils lange vor der nationalenPrämierung.

Den Riecher für Schweizer Weine

VON ROMAN HUBER

Daniel Cortellini mit Meinrad PerlersErfolgswein, dem «Sottobosco».

«Ein guter Wein muss fürmich eine tiefere Aussagehaben, etwas wie Würde.»

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