4
ENTWICKLUNG Rennmotoren 356 MTZ 5/2002 Jahrgang 63 Rennmotoren Der V8-Rennmotor von Audi Audi konnte in den Jahren 2000 und 2001 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans – sowie eine Reihe anderer Rennen – gewinnen. Dabei handelte es sich um den gleichen Grundmotor. Dieser zeichnet sich durch eine außerordentliche Zuverlässigkeit sowie eine sehr gute Fahrbarkeit aus. Während im Jahr 2000 noch mit Saugrohreinspritzung gefahren wurde kam 2001 eine direkte Ein- spritzung zum Einsatz. Der Audi-Renn- wagen R8 ist der erfolgreichste Prototyp der letzten zwei Jahre und der erfolgreichste Rennwagen der jüngeren Motor- sportgeschichte Von Christian Bartsch

Der V8-Rennmotor von Audi

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der V8-Rennmotor von Audi

ENTWICKLUNG Rennmotoren

356 MTZ 5/2002 Jahrgang 63

Rennmotoren

DerV8-Rennmotor

von Audi

Audi konnte in den Jahren 2000 und 2001 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans – sowie eineReihe anderer Rennen – gewinnen. Dabei handelte es sich um den gleichen Grundmotor. Dieserzeichnet sich durch eine außerordentliche Zuverlässigkeit sowie eine sehr gute Fahrbarkeit aus.Während im Jahr 2000 noch mit Saugrohreinspritzung gefahren wurde kam 2001 eine direkte Ein-spritzung zum Einsatz.

Der Audi-Renn-wagen R8 ist der

erfolgreichstePrototyp der letztenzwei Jahre und der

erfolgreichsteRennwagen der

jüngeren Motor-sportgeschichte

Von Christian Bartsch

Page 2: Der V8-Rennmotor von Audi

1 Einleitung

Das Reglement für Le Mans erlaubt Saug-motoren bis 6 l Hubraum sowie aufgela-dene Motoren mit 4 l Hubraum. Audi wähl-te den zweiten Weg – zumal mit aufgela-denen V8 Motoren bereits umfangreicheSerien-Erfahrungen vorlagen.

2 Grundmotor

Der Audi-Motor ist ein klassischer Vierven-til-V8 mit einem Zylinderwinkel von 90Grad. Zylinderblock und Zylinderkopfbestehen ebenso aus Aluminium wie dieBettplatte. Der Block endet unten in Haupt-lagermitte, darunter wird die Bettplattegeschraubt. Sie versteift den Block und ent-hält die unteren Hauptlagerschalen. Dergleichen Bauweise folgen heute die moder-nen Otto- und zunehmend auch die Diesel-Motoren, nicht zuletzt wegen der einfache-ren Blockkonstruktion, der Lagerhaltbar-keit und der Geräuschentwicklung. Es han-delt sich hier um eine sehr einfache Kon-struktion ohne geheimnisvolle Besonder-heiten, wobei extreme Haltbarkeit im Vor-dergrund stand. Der Grundmotor könnteauch in einem Serien-Sportwagen einge-setzt werden. Bild 1 zeigt den Audi V8 beiabgenommenem Karosserieheck, in derVariante mit Saugrohreinspritzung. Wiebei Rennwagen üblich, liegen die federtra-genden Stoßdämpfer über dem Getriebe

Da der Le Mans-Motor mit Trocken-sumpfschmierung arbeitet, fehlt bei ihmunter der Bettplatte die Ölwanne. Die bei-den Zylinderköpfe mit ihren vier Ventilenpro Zylinder bergen ebenfalls keineGeheimnisse. Die Einlasskanäle weisen insInnere des V, die Auslasskanäle nachaußen. Sie münden jeweils in vier gleichlange Einzelrohre, die sich vor den beidenAbgasturboladern von Garrett treffen. Bild2 zeigt den Audi V8 von hinten bei demon-tiertem Getriebe. Wegen der Wagenbreitevon zwei Meter dürfen die beiden Abgasla-der rechts und links weit aus der Motor-kontur herausragen. Die von ihnen geför-derte Luftmenge wird durch das Regle-ment mit Ansaugtrichtern begrenzt, diejeweils einen kleinsten Durchmesser von32,4 Millimeter haben. Auch der Ladedruckist auf 1,67 bar begrenzt. Die Ventile stehenim Winkel von 24,5 Grad zueinander undbilden den üblichen dachförmigen Brenn-raum. Zwei groß dimensionierte Luftfilterund zwei Ladeluftkühler sorgen für saube-re, kalte Verbrennungsluft.

Die geschmiedeten Pleuel und die ausdem Vollen gedrehte Kurbelwelle sind sokräftig dimensioniert, dass sie jeder Belas-tung mühelos standhalten. Laut Audi sol-len die Kurbelwellen über 30.000 km hal-

357MTZ 5/2002 Jahrgang 63

ten. Für die Solidität dieses Rennmotorsspricht aber auch sein Gewicht von 175Kilogramm einschließlich der Nebenaggre-gate und der Abgasturbolader. Dies ist einaußerordentlich zuverlässiges Triebwerk,mit dem sich Langstreckenrennen gewin-nen lassen.

Die geschmiedeten Kühlkanal-Kolbenvon Mahle haben völlig ebene Böden undnur Taschen für die Auslassventile. Wegender Aufladung läuft der Motor ohne Ven-tilüberschneidungen, darum fehlen auchdie Taschen für die Einlassventile. Die vierNockenwellen werden durch Räderkaska-den wie bei den Formel-1-Motoren unddem V10 TDI von VW angetrieben. ImGrunde eine uralte Bauweise, die es vorannähernd 80 Jahren schon bei Motorrad-Rennmotoren gab. Sie wird jetzt auch beiSerienmotoren wieder aktuell, um denVentiltrieb für die Lebensdauer des Motorswartungsfrei zu halten. Darunter wirdzuerst der Zahnriemen leiden, denn es ist

2 Grundmotor

Bild 1: Der Audi V8 bei abgenommenem Karosserieheck, hier aller-dings noch die Variante mit Saugrohreinspritzung. Wie bei Rennwagenüblich, liegen die federtragenden Stoßdämpfer über dem Getriebe

schon längst nicht mehr zeitgemäß, diesen– etwa bei Dieselmotoren – alle 60.000 bis90.000 km wechseln zu müssen. BeimAudi Le Mans-Triebwerk laufen die Zahn-räder in Nadellagern auf festen Wellen.

Das Reglement für Le Mans Prototypenlässt bei aufgeladenen Motoren einenHubraum von 4 l zu, der Tankinhalt ist auf90 l begrenzt. Der Audi R8 hat jedoch nur3,6 l Hubraum, nutzt also den Spielraumnicht ganz aus. Mit einer Zylinderbohrungvon 85 und einem Hub von 79,3 Millimeterist er ein sanfter Kurzhuber und erreichtseine höchste Leistung von 450 kW wie einGroßserienmotor bereits bei 6200/min. Bei6400/min wird er abgeregelt. Im Rennenkann der Motor – etwa beim Herunter-schalten – bis 8000/min belastet werden.Da ein Rennmotor keinen kultiviertenLeerlauf bei niedrigsten Drehzahlenbraucht, liegt der des R8 bei 1800/min. Ver-wertbare Leistung bietet er im Rennen abetwa 3000/min.

Bild 2: Der Audi V8 von hinten bei demontiertem Getriebe. Wegen derWagenbreite von zwei Meter dürfen die beiden Abgaslader rechts undlinks weit aus der Motorkontur herausragen

Page 3: Der V8-Rennmotor von Audi

ENTWICKLUNG Rennmotoren

358 MTZ 5/2002 Jahrgang 63

3 Rennmotor mit direkterKraftstoffeinspritzung

Besaß der Motor für das Jahr 2000 einhöchstes Drehmoment von 700 Nm, sostieg es beim Nachfolger auf 750 Nm bei5500/min. Dafür ist in erster Linie diedirekte Benzineinspritzung von Bosch ver-antwortlich, mit der Audi im Jahr 2001 erst-mals fuhr.

Bild 3 zeigt die rechte Zylinderbank desAudi V8 mit einer der beiden Hochdruck-Benzinpumpen von Bosch, die direkt vonden Einlassnockenwellen angetriebenwerden. Die Direkteinspritzung wird zwarvon Audi – wie bei den Großserienmoto-ren – ebenfalls „FSI“ genannt, hat aber mitdieser nichts zu tun, weil ausschließlich inden Einlasstakt eingespritzt und homogengefahren wird. Der Einspritzdruck liegt jenach Kennfeldpunkt zwischen 50 und 110bar. Ulrich Baretzki, Leiter der Audi-Sport-motorenentwicklung, wünscht sich je-

doch die Einspritzdrücke moderner Diesel-motoren von über 1000 bar, um mit nochbesserer Zerstäubung und kürzeren Ein-spritzzeiten zu fahren. Mit seinen Wün-schen steht er nicht allein, denn auch dieSerienentwickler wünschen sich höhereDrücke. Beim nächsten Schritt werden inabsehbarer Zeit 200 bis240 bar Maximal-druck die Einspritzbedingungen weiterverbessern. Bild 4 zeigt die Gemischaufbereitung beimAudi V8 Rennmotor mit direkter Einsprit-zung bei einer Drehzahl von 6000/min.Einspritzung mit Maximaldruck von 100bar, Einspritzdauer 5 ms.

Im Aufbau entspricht die Einspritzungdes DI-Ottomotors der Common Rail beimDiesel. Zwei kleine Dreizylinder-Pumpenauf den Enden der Einlassnockenwellenversorgen die beiden Verteilerrohre („Rail“),von denen die acht Einspritzventile übergleich lange Rohrleitungen versorgt wer-den. Mengenregelung gibt es nicht, ledig-

lich der Benzindruck wird geregelt. Die Ein-spritzdüsen münden schräg von oben in dieZylinder und besitzen je sechs Spritzlöcher,die in Gießkannenform angeordnet sind,um eine möglichst große Luftmenge gleich-mäßig zu erreichen. Hier bleibt für künftigeEntwicklungen noch viel Spielraum, dennzentral angeordnete Einspritzdüsen undDoppelzündung könnten in Zukunft dieVerbrennung weiter verbessern. In diesemZusammenhang ist es interessant, dassGeneral Motors beim letztjährigen Aache-ner Colloquium über die zentrale Lage derEinspritzdüsen als Zukunft der direktenBenzineinspritzung sprach.

Die von Mitsubishi, VW und jetzt auchDaimlerChrysler propagierte Benzin-Direk-teinspritzung mit stark profiliertem Kol-ben zur Umleitung des Einspritzstrahls andie Zündkerze ist mit Sicherheit nur einZwischenschritt, der kein langes Lebenhaben wird. Eine stabile Schichtladung istdamit kaum möglich. Durch den zur Zünd-

3 Rennmotor mit direkter Kraftstoffeinspritzung

Bild 3: Rechte Zylinderbank des Audi V8 mit einer der beiden Hochdruck-Benzinpumpenvon Bosch, die direkt von den Einlassnockenwellen angetrieben werden

Bild 4: Gemischaufbereitung beim Audi V8 Rennmotor mitdirekter Einspritzung bei einer Drehzahl von 6000/min. Einspritzung mit Maximaldruck von 100 bar, Einspritzdauer 5 Millisekunden. Dauer der Bildfolge etwa 1/100 Sekunde. Die Farben kennzeichnen die Geschwindigkeit der Kraftstoff-tröpfchen: Rot = 130 m/s, Grün = 60 m/s, Blau = 5 m/s

Page 4: Der V8-Rennmotor von Audi

50 l pro 100 km (1 Runde = 13,605 km). Derhöhere Wirkungsgrad führte aber auch zukühlerem Abgas, so dass die Auspuffrohrebis zum Abgasturbolader isoliert werdenmussten, damit die Turbolader nicht in derLeistung abfielen. Rechenprogramme undPrüfstandversuche zeigten, dass Audi beimRennmotor fast eine ideale Verbrennungerreichte.

Es ist interessant, dass die Fahrer demMotor mit direkter Einspritzung deutlichverbesserte Fahrbarkeit bescheinigen. DerMotor würde auf den Befehl des Gaspedalsso spontan und feinfühlig reagieren wieein guter Saugmotor. Angesichts des sehrhohen Drehmoments ist diese Eigenschaftvor allem bei Fahrt auf nassen Straßenbesonders wichtig.

4 Ausblick

Ein Rennmotor kann der Serienentwick-lung voraus eilen: Es wäre zweifellos

359MTZ 5/2002 Jahrgang 63

kerze geleiteten noch nassen Kraftstoffentsteht zwangsläufig Ruß (Partikel), densich im Abgas niemand wünscht. Um Ruß-bildung zu verhindern, müssten die Brenn-verfahren gründlich verändert werden.Niemandem würde es zudem einfallen,beim Diesel von der zentralen Einspritzungabzugehen.

Nach VW-Forscher Wolfgang Steigerwerden sich Otto- und Dieselmotor einan-der nähern und eines Tages miteinanderverschmelzen. Ein solcher Motor wird mitSicherheit dem Diesel näher stehen alsdem heutigen Ottomotor.

Der Übergang von der Saugrohr- zurdirekten Einspritzung beim Audi Rennmo-tor senkte bei gleicher Leistung den Ver-brauch um rund acht Prozent. In Le Manskonnten die Autos somit pro Tankfüllungmindestens eine Runde mehr fahren. Dabisher nach 12 Runden getankt werdenmusste, senkt sich der Verbrauch des V8mit direkter Benzineinspritzung auf unter

außerordentlich reizvoll, eine zivile Vari-ante mit etwas reduzierter Leistung ineinem Sportwagen zu erleben, wobei derMotor aber auch einen „zivilen“ Leerlaufhaben müsste. Man darf gespannt sein,wie die nächste Entwicklungsstufe diesesMotors aussehen wird, denn Audi wirdalles daran setzen, die 24 Stunden von LeMans im Jahr 2002 zum dritten Mal inFolge zu gewinnen.

Fest steht bereits, dass der diesjährigeMotor die Reglementgrenze von 4 lHubraum ausschöpfen wird. Dazu willAudi sowohl Hub wie Bohrung vergrößern,um den gleichen Zylinderblock weiterhinverwenden zu können.

Welche weiteren Änderungen vorge-nommen werden hängt davon ab, ob siebis zum Beginn des Rennens ausreichendausreifen können. Den gleichen Audi V8wird in diesem Jahr – wie schon im Vorjahr– Bentley in seinem Le Mans Rennwagenverwenden. ■