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Klin. Wsehr. 51,615--6t9 (1973) © by Springer-Verlag 1973 Der Wasserumsatz beim Kind F. H. Dost, D. Lorber, H. M. von tIattingberg und E. Gladtke Kinderklinik der Jus~us Liebig-Universitiit Giel3en (Direktor: Prof. Dr. F. H. Dost) und Universi~ts-Kinderldinik KStn (Direktor: Prof. Dr. E. Gladtke) Water Turnover in Children,. Summary. The experiments of Ther and of Dost showed that Volhard's water load can be interpreted as to yield the rate of transfer of water through the body. Oral or intravenous water loading tests were performed in 159 children, t~eplications in 15 children showed excellent reproducibility. Healthy children twelve days to fifteen years of age have an elimination half life of water of t50%~ 40.6 min (0.68 h) corresponding to a rate constant of elimination of k 2= 1.02 h-L In various diseases a reduction of the rate of elimination can be observed. Our experiments demonstrate that it is possible to obtain biokinetieal data on water turnover from the pharmaeokine- tical evaluation of Volhard's wager toad. Key words: Water turnover, elimination of water, wager load, oral; water load intravenous, elimination of water in relation to age, Volhard's water loading. Zusammen/assung. Durch entspreehende Auswertung einer Wasserbelastung im Sinne des Volhardschen Wasserversuehs l~l~t sieh naeh den Vorstellungen und Experimenten yon Ther und yon Dost die Umsatzgesehwindigkeit des Wassers ermitteln. 159 Kinder wurden einer oralen oder z.T. wiederholten i.v. Wasserbelastung unterzogen. 15 Doppelbelastungen zeigten, da$ die Reproduzierbar- keit ausgezeietmet is~. Gesunde Kinder zeigten vom 12. Lebenstage bis zu 15 Jahren im Mittel eine Eliminationshalbwertzeit von 40,6 rain (0,68 h) bzw. eine Eliminationskonstante yon 1,02h-L Bei jiingeren Kindern erfolgte die Elimination deutlich lang- samer (t50% = 2,2 h, /c~. = 0,34 h-l). Bei verschiedenen krankhaften Zusti~nden war die Wasser- elimination deutlich verlangsamt. Es wird festgestellt, dab mit Hilfe der pharmakokineti- sehen Auswergung der einfachen Wasserbelastnng Daten fiber den biokinetischen Umsatz des Wassers gewonnen werden kSnnen. Schtiisselw6rter: Wasserumsatz, Wasserelimination, Wasser- belastung oral, Wasserbelastung intravenSs, Altersabhgngig- keit der Wasserelimination, Volhardscher Wasserversuch. Einflihrung und Fragestellung 1947 versuehte Ther [8] die beim Volhardschen Wasserstoft ausgeschiedene Harnmenge in ihrer Ab. h/ingigkei~ yon Zeit und Menge der getrunkenen Fliissigkeit zu erfassen. Er strebte an, einen zahlen- m~i~igen Ausdruek der Dinresegeschwindigkeit zu fin- den. Dost [t] griff diese Untersuchungen 1953 auf. Er war der Ansieht, dab auch ffir das Wasser wie ffir viele andere Stoffe dureh st~ndige Zufuhr und gleieh- zeitige st£ndige Elimination ein FlieBgleichgewieht aufreeht erhalten werde. Die Fliissigkeitszufuhr wfirde kontinuierlieh (lurch Zuflug metaboliseh anfallenden Wassers aber auch durch Resorption aus dem Magen- Darmtrakt effolgen. Der Eliminationsvorgang wfirde dann proportional zur Konzentration bzw. bier zur vorhandenen Fltissigkeitsmenge vor sieh gehen. StS- rungen oder Unregelm~Bigkeiten in der Zufuhr wiir- den sich per Bilance durch die konzentrationsab- h~ngige Menge des pro Zeiteinheit eliminierten Wassers und durch die Vielzahl der Regulationsmeehanismen ausgleiehen. Da grunds~tzlich in der Biologic das Bestreben herrscht, St6rungen des steady state zu eliminieren, mfil~te auch die St6rung durch eine Wasserbelastung bzw. die Untersuehung der Eliminierung dieser StS- rung zu pharmakinetischen Aussagen fiber den Wasser- umsatz oder zumindest fiber die Gesehwindigkeit des Wasserumsatzes ffihren. I)ost kormte dieses Prinzip in einem Experiment und durch entsprechende Aus- wertung des sogenannten Volhardschen ~¥asserver- suchs best/itigen. Da sich dementsprechend die Eliminationsge- schwindigkeit des Vc~assers bestimmen tfi,t3t, seine Elimiuationshalbwertzeit, und seine Eliminationskon- stante angegeben werden k6nnen, blieb zu unter- suchen, wie welt dieser Wert bei ein und demselben Individuum eine reproduzierbare Gr6Be im Sinne einer S~offwechselstandardgrSBe darstellt. Ferner war festzustellen, ob die bei verschiedenen Individuen er- haltenen Werte innerhalb der gleiehen GrSgenordnung liegen. Des weiteren interessierte uns ganz besonders, ob altersabh/ingige Verlinderungen der Eliminations- geschwindigkeit des Wassers bei S/iuglingen und Kin- dern nachzuweisen sind. Untersuchungsgut Zur Kl~irung der angesehnittenen Fragen warden 159 Kin- der einer oraten bzw. (4 S~uglinge) in~aven6sen Wasserbe- lastung unterzogen. 142 gesunde Kinder waren 5--15 Jahre alt, 17 Probanden waren reifgeborene S~uglinge yore 4. Lebens- tag bis zum 9. Monat. Bei 15 ~lgeren Kindern wurde im Ab- stand yon 2 Tagen die Wasserbelastung wiederholt.

Der Wasserumsatz beim Kind

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Klin. Wsehr. 51,615--6t9 (1973) © by Springer-Verlag 1973

Der Wasserumsatz beim Kind

F. H. Dost, D. Lorber, H. M. von tIattingberg und E. Gladtke

Kinderklinik der Jus~us Liebig-Universitiit Giel3en (Direktor: Prof. Dr. F. H. Dost) und Universi~ts-Kinderldinik KStn (Direktor: Prof. Dr. E. Gladtke)

Water Turnover in Children,.

Summary. The experiments of Ther and of Dost showed that Volhard's water load can be interpreted as to yield the rate of transfer of water through the body.

Oral or intravenous water loading tests were performed in 159 children, t~eplications in 15 children showed excellent reproducibility. Healthy children twelve days to fifteen years of age have an elimination half life of water of t50% ~ 40.6 min (0.68 h) corresponding to a rate constant of elimination of k 2 = 1.02 h-L In various diseases a reduction of the rate of elimination can be observed.

Our experiments demonstrate that it is possible to obtain biokinetieal data on water turnover from the pharmaeokine- tical evaluation of Volhard's wager toad.

Key words: Water turnover, elimination of water, wager load, oral; water load intravenous, elimination of water in relation to age, Volhard's water loading.

Zusammen/assung. Durch entspreehende Auswertung einer Wasserbelastung im Sinne des Volhardschen Wasserversuehs l~l~t sieh naeh den Vorstellungen und Experimenten yon Ther und yon Dost die Umsatzgesehwindigkeit des Wassers ermitteln.

159 Kinder wurden einer oralen oder z.T. wiederholten i.v. Wasserbelastung unterzogen.

15 Doppelbelastungen zeigten, da$ die Reproduzierbar- keit ausgezeietmet is~.

Gesunde Kinder zeigten vom 12. Lebenstage bis zu 15 Jahren im Mittel eine Eliminationshalbwertzeit von 40,6 rain (0,68 h) bzw. eine Eliminationskonstante yon 1,02h-L Bei jiingeren Kindern erfolgte die Elimination deutlich lang- samer (t50% = 2,2 h, /c~. = 0,34 h-l).

Bei verschiedenen krankhaften Zusti~nden war die Wasser- elimination deutlich verlangsamt.

Es wird festgestellt, dab mit Hilfe der pharmakokineti- sehen Auswergung der einfachen Wasserbelastnng Daten fiber den biokinetischen Umsatz des Wassers gewonnen werden kSnnen.

Schtiisselw6rter: Wasserumsatz, Wasserelimination, Wasser- belastung oral, Wasserbelastung intravenSs, Altersabhgngig- keit der Wasserelimination, Volhardscher Wasserversuch.

Einflihrung und Fragestellung

1947 versuehte Ther [8] die beim Volhardschen Wasserstoft ausgeschiedene Harnmenge in ihrer Ab. h/ingigkei~ yon Zeit und Menge der getrunkenen Fliissigkeit zu erfassen. Er strebte an, einen zahlen- m~i~igen Ausdruek der Dinresegeschwindigkeit zu fin- den.

Dost [t] griff diese Untersuchungen 1953 auf. Er war der Ansieht, dab auch ffir das Wasser wie ffir viele andere Stoffe dureh st~ndige Zufuhr und gleieh- zeitige st£ndige Elimination ein FlieBgleichgewieht aufreeht erhalten werde. Die Fliissigkeitszufuhr wfirde kontinuierlieh (lurch Zuflug metaboliseh anfallenden Wassers aber auch durch Resorption aus dem Magen- Darmtrakt effolgen. Der Eliminationsvorgang wfirde dann proportional zur Konzentration bzw. bier zur vorhandenen Fltissigkeitsmenge vor sieh gehen. StS- rungen oder Unregelm~Bigkeiten in der Zufuhr wiir- den sich per Bilance durch die konzentrationsab- h~ngige Menge des pro Zeiteinheit eliminierten Wassers und durch die Vielzahl der Regulationsmeehanismen ausgleiehen.

Da grunds~tzlich in der Biologic das Bestreben herrscht, St6rungen des steady state zu eliminieren, mfil~te auch die St6rung durch eine Wasserbelastung bzw. die Untersuehung der Eliminierung dieser StS-

rung zu pharmakinetischen Aussagen fiber den Wasser- umsatz oder zumindest fiber die Gesehwindigkeit des Wasserumsatzes ffihren. I)ost kormte dieses Prinzip in einem Experiment und durch entsprechende Aus- wertung des sogenannten Volhardschen ~¥asserver- suchs best/itigen.

Da sich dementsprechend die Eliminationsge- schwindigkeit des Vc~assers bestimmen tfi,t3t, seine Elimiuationshalbwertzeit, und seine Eliminationskon- stante angegeben werden k6nnen, blieb zu unter- suchen, wie welt dieser Wert bei ein und demselben Individuum eine reproduzierbare Gr6Be im Sinne einer S~offwechselstandardgrSBe darstellt. Ferner war festzustellen, ob die bei verschiedenen Individuen er- haltenen Werte innerhalb der gleiehen GrSgenordnung liegen. Des weiteren interessierte uns ganz besonders, ob altersabh/ingige Verlinderungen der Eliminations- geschwindigkeit des Wassers bei S/iuglingen und Kin- dern nachzuweisen sind.

Untersuchungsgut Zur Kl~irung der angesehnittenen Fragen warden 159 Kin-

der einer oraten bzw. (4 S~uglinge) in~aven6sen Wasserbe- lastung unterzogen. 142 gesunde Kinder waren 5--15 Jahre alt, 17 Probanden waren reifgeborene S~uglinge yore 4. Lebens- tag bis zum 9. Monat. Bei 15 ~lgeren Kindern wurde im Ab- stand yon 2 Tagen die Wasserbelastung wiederholt.

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616 F .H . Dost et al. : Der Wasserumsatz beim Kind Klin. W¢chr.

M e t h o d i k

Die Wasserbelastung wurde morgens am nfichternen Pro- banden nach Entleerung der ttarnblase vorgenommen. Neu- geborene und junge Siiuglinge erhielten etwa 25 ml pro kg K6rpergewicht lauwarmen Feneheltee per Magensonde oder die gleiche Men.ge einer 5%igen Gtueosel5sung zfigig intra- venSs injiziert. J(ltere Kinder tranken die analoge Menge mit Siil3stoff gesiil3tem Fencheltee.

Sondierung, Trinken oder Infusion benStigten etwa 5 bis 15 rain. Begirm und Ende der Ingestion wurden genau notiert, die Mitre dieser Zeit gait als Versuehsbegirm [2].

trtlr~ [ " -

~-.- t s o ~ ' ~ , ~ , ,

A B ~ C - . .

0 100 200 Min

Abb. 1. Orale Wasserbetastung. Die aufgetragenen Mel3punkte ergeben sieh als im KSrper verbliebenes Restvolumen der verabfolgten Tee-Menge dureh Abzug der bis zur Zeit t (rain)

ausgesehiedenen Harnmenge (vgl. Tabetle 1)

Bei weiblichen S~uglingen wurde die Harnblase mit einem Ballonkatheter sondiert, der Urin quantitativ aufgefangen trod die Menge in etwa 15miniitigen Abst/inden gemessen. GrSl3ere Kinder wurden in entspreehenden Zeitabst~nden zum Wasserlassen aufgefordert.

Vonder zugefiihrten Fliissigkeitsmenge wurde jeweils die ausgeschiedene Harrrmenge abgezogen. Die im K6rper ver- bliebenen Restvolumina wurden in ein halblogarithmisches Raster (Ordinate = Restvolumen, logarithmisch unterteilt, Abszisse = Zeit, linear unterteilt) eingetragen. Es ergibt sich fast regelmi~Big innerhalb eines gewissen Zei£absehnittes eine Gerade. Ein Versuchsbeispiel ist in Abb. 1 und Tabelle 1 dar- gestellt.

Tabelle 1. Beispiel einer oralen Wasserbelastung

D.G. geb.: 5. 7. 1957 Gew.: 41 kg Dosis: 1025 ml Tee per os

8.30 ]3eginn der Trinkzeit 8.45 Ende 0 = 8.37

9.15 I00 mt 38" 925 mI 9.32 130 ml 55' 790 ml 9.50 155 ml 73' 635 ml

10.07 117 ml 90' 518 ml 10.22 i00 ml 105" 418 ml 10.37 90 ml 120' 328 mt 10.59 65 ml 142' 263 ml 11.31 15 ml 174' 248 ml

t50%---- 54 '= 0,9 h In 2 0,693

k2= t50% -- 0,900 - - = 0,770 h -1

Damit ist Thers Behauptung best~tigt, dab die Gesehwin- digkeit der Wasserausscheidung dem AusmaB der Fliel3- gleiehgewiehtsst6rung verh~ltnisgleieh ist, dab also die Aus- scheidung einer Exponentiatfunktion entspricht.

Dieses Yerhalten sell folgendermat~en formuliert werden:

dVa dt ~ k ~ . Vr

(Va = bis zur Zeit t ausgeschiedene ttarnmenge Vr = Restvolumen == V o - - V a ~ Tr inkmenge- Va k S = Eliminationskonstante)

Die Integration ergibt (unter der Bedingung, daI3 zur Zeit t = 0 auch V a = O ist) ffir das Wasserrestvolumen folgende Beziehung:

Vr = Vo " e-k,t, k2 folgt aus

k2 ~-~ ln]~l -- lnVtt, t 2 - - t 1

oder aus der Eliminationshalbwertzeit, die sieh auf der Kurve abgreifen l~13t, nach

In 2 ]c 2 -- t50%

Aus verschiedensten Griinden ergibt die Eliminations- kurve nur innerhalb eines gewissen Zeitraumes eine Gerade (Abb. 1). Der Kurvenabseh~itt a (Abb. 1) zeigt einen lang- sameren Abfall, den bereits ]?her als ~berlagerung der Elimi- nation durch die Invasion, also die Aufnahme des Wassers aus dem M~gen-Darmtrakt gedeutet hat. Durch geeignete Kurvenanalyse konnte er aufzeigen, dab aueh in diesem Kurvenabsehnitt der Eliminationsvorgang naeh einer Funk- tion erster Ordntmg verl~uft.

30---60 rain nach Versuehsbeginn stellt sich in der Regel die Kurve im halbIogarithmisehen Raster als Gerade dar (Abschnitt b, Abb. 1). Jenseits dieses IntervaIles b, nachdem also die einverleibte Wassermenge zum gTSi~ten Teil ausge- sehieden ist, geht die Eliminationskurve langsam veto Expo- nenti~Iverlauf ab, weil sie nunmehr zusehens dureh die Grund- diurese iiberdeckt wird, die dann die weitere I-Iarnausschei- dung bestimmt.

Diese Grunddiurese daft ffir den Kurvenabschnitt b ver- naeht~ssigt werden, da sie bei der von uns verwendeten Fliissigkeitsmenge quanti~ativ nieht ins Gewieht f/illt.

Bei St6rungen im ~'lieJ~gleichgewieht des Wassers stellt sieh die Eliminationskurve nicht in der in Abb. 1 aufgezeig- ten Form als Gerade dar, sie fo]gt nicht einer Exponential- funktion.

Ergebn i s se Vertr~gl ichkei t

I m al lgemeinen wurde die Flf iss igkei tsmenge von 2 5 m l / k g K6rpe rgewich t gu t ver t ragen . Vereinzel t wurde vorf ibergehend fiber Ubelkei~ geklagt . Biswei- len k a m es sogar zu Erbreehen , soda$ der Versuch abgebrochen werden muf~te. Jene F/ille, in denen die K i n d e r infolge mange lnde r Koopera t ions f~h igke i t nu r zwei- oder d re imal zum Wasser lassen zu bewegen waren, sehieden ebenfal ls aus.

Stati~stische A u s w e r t u n g

Die H a u f igke i t sd i a g ra mme (Abb. 2) der Abwei- chung yon den Mi t t e lwer ten der einzelnen Alters- g ruppen ergeben einen schiefen Ver te f lungs typ ffir die E l imina t ionsba lbwer t ze i t t50%, wogegen die El imi- na t i onskons t an t e k~ symme$risch ver te i l t is~ und m i t genfigender Sicherhei t als normalver te i l~ be~rachte~ werden kann.

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51. Jg., Heft 12, 1973 F.H. Dost et al. : Der Wasserumsatz beim Kind 617

30'

20

10

0,5 O,3 0,I

/ /

0 c~

C e"

k2 = i n 2 / /~ tS0 % - - m

h ~ o o,s

lxJ ...... i i

O,3 0,5 O,3 0,1 0 o,1 c~3 o,5

Abb. 2. Hi~ufigkeitsdiagramme ffir k 2 (Eliminationskonstante) und t50% (Eliminationshalbwertzeit). o altersbezogener Mittel-

wert

I n der Zusammenstel lung der Normwerte (Tabel- le 2) sind ffir beide GrSBen die Standardabweichungen angegeben. Zur Berechnung yon Vertrauensbereichen sol]re yon ]c~ ausgegangen werden, wie wir es hier auch getan haben, d~ die Vcxwendung der Standard- abweichung yon t50% zu ungiinstigeren und unzuver- liissigen Ergebnissen fiihrcn kann. Abb. 3 st, etlt die Werte yon /c~ graphisch da.r. 4 - - 7 Tage alte Neu- geborene h~ben mit einer Eliminationshalbzei~ yon 2,190 h bzw. einer El iminat ionskonstante yon 0,343 h -z eine wesentlich ]angsamere Wasserelimination als alle anderen Altersgruppen ( p < 0,001). Die t 2 - - 2 7 0 Tage al ten Siiuglinge sind in ihrer Eliminationsgeschwindig- keit yon keiner ~lteren Altersgruppe unterschieden.

Tabelle 2. NormMwerte der biokinetischen StoffweehselgrSBen des Wassers bei Kindern in versehiedenen Altersgruppen

Alter n t50% s k2 s h h -1

4--7d 7 2,190 0,677 0,343 0,109 12--270d 6 0,847 0,301 0,839 0,248 5a 5 0,876 0,354 0,873 0,266 6a 8 0,698 0,172 1,044 0,246 7a 11 0,653 0,137 1,101 0,215 8a t i 0,668 0,102 1,060 0,177 9~ 11 0,686 0,203 1,093 0,325

10~ 22 0,718 0,223 1,038 0,270 11~ 26 0,877 0,294 0,868 0,272 12a 28 0,709 0,175 1,031 0,236 13a. 15 0,686 0,223 1,119 0,382 14 und t5~ 5 0,633 0,199 1,188 0,393 5--15a 142 - - - - 1,023 0,277

Die Gruppe der 5 - -15 Jahre alten Kinder (n = 142) ergab einen Mittelwert der Eliminationshalbwertzei t yon 40,63 m i n - - = 0 . 6 7 7 h bzw. k 2 = 1 , 0 2 3 h -z ( s = 0,277).

/ /

/

I / ~ . ~ /! . . . . . . . . . . .

4-7 12-270 5 10 15

Tage Jahre

Abb. 3. Mittelwerte ftir die Eliminationskons~ante k 2 des Wassers mit Standardabweichungen in Abh~ngigkeit vom

Lebens~lter

Doppelbelastungen

Bei 15 £1teren Kindern wurde die Wasserbelastung im Abstand yon zwei Tagen wiederholt (Tabelle 3). Die den 15 Kindern gemeinsame Standardabweichung si. [7] betrug 0,0695 und ist da.mit wesentlich ldeiner als die gemeinsame Standardabweichlmg der 5--15j£h- rigen Kinder (0,277). Die Reproduzierbarkei?~ der Untersuchung beim Einzel individuum ist dami~ also ausgezeichnet.

Tabelle 3. Die Elimin~tionskonstante bei Doppelbelastung im Abs~and von 2 Tagen

Pat. Alter Ge- Dosis k2 h -1 Nr. Jahre wicht ml

kg 1. Belastung 2. Belastung

1 15 48 1000 1,260 1,066 2 13 45 1000 0,681 0,639 3 12 39 1000 1,095 1,095 4 12 51 500 0,756 - -

1000 - - 0,784 5 10 35 875 0,904 1,039 6 10 30 750 1,484 1,540 7 9 23 575 0,866 0,904 8 9 23 585 0,815 0,630 9 8 27 675 1,066 1,066

10 8 23 575 1,222 1,066 1t 7 22 545 1,123 1,039 12 7 22 550 0,884 0,770 13 7 28 690 i,155 1,299 t4 7 24 600 t,299 0,990 15 6 19 475 1,299 1,299

Kranke Kinder 12 kranke Kinder warden einer oralen Wasser-

belastung unterzogen (Tabelle 4). Bei allen diesen F£11en war die Wasserel iminat ion verzSgert. Das spricht ffir eine Verlangsamung im Wasserumsatz ,

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618 F.H. Dost et al. : Der Wasserumsatz beim Kind Kl in . Wschr.

Tabetle 4. Orale Wasserbelastung bei kranken Kindern

Diagnose Alter Krank- t5o% t5o% k2 hers- tag (min) (h) (h -1)

Mumpsmeningitis 8a 12. 990 16,5 0,042 Zustand nach akutem 2a 8. 960 16,0 0,043

Fieberkrampf Dyspepsie 8m 10. 582 9,7 0,071 Retothel- Sarkom 8a 35. 378 6,3 0,110 hlucoviscidose 9 a 10. 470 7,8 0,089 Rheumatische 6a 23. 400 6,6 0,103

Arthritis Unklares Exanthem l l a 6. 295 4,9 0,i41 Mumpsmeningitis 8 a 5. 260 4,3 0,161 Polymyositis 5a 15. 145 2,4 0,289 Hilustuberkulose 5a 21. 130 2,2 0,315 Akute Hepatitis 11 a 3. 138 2,3 0,301 Akute Hepatitis 8a 6. 88 1,5 0,462

wie es z.B. von der Hepatitis bekannt ist. Ein Deu- tungsversueh dieser wenigen Zahlen wfirde in den Bereich der Spekulation ffihren und hat daher zu unterbleiben. Eine grSBere Zahl yon Untersuchungen an kranken Kindern sollte allerdings zur K1/irung in Angriff genommen werden.

Diskussion

Volhard [9] zeigte bereits mit seinem Verdfin- nungs, und Konzentrationsversueh, dab Untersuchun- gen fiber die Wasserelimination auf dem Bilanzwege einen Einblick in den Wasserhaushalt des Organismus gestatten. Unsere Untersuchungen folgten im wesent- lichen dicsem Prinzip ~md haben die Allgemeingiiltig- keit der Anschauungen yon Volhard erneut bewiesen.

Mit dcm Volhardschen Versuch werden summa- risch alle den Wasserhaushalt beeinflussenden Fak- torcn effaBt. Das komplizierte System dieser ver- schiedentlichen Faktoren, yon denen nur Mineralhaus- halt, aliment/~re, hormonale, vasomotorisehe, nervSse und psychische Einflfisse erw~hnt seien, hat in der Folgezeit verschiedene Autoren zur Modifikation dcr Wasserbelastung, zur Prfifung zahlrcichcr Teilfunk- tionen des Wasserhaushaltes veranlaBt. Genannt seien nur der Wasserversuch zum Naehweis einer latenten Herzinsuffizienz naeh Kaufmann [4], Th)weoidin- V~asserversueh zur Diaguostik des MyxSdems, Hypo- physin-Wasserversuch bei Diabetes insipidus, die Mo- difikation nach Robinson, Power und Kepler [6] zur Prfifung der Hypophysc und der 57ebennicren- rinde, zahlreiche Tests zur Prfifung der Leberfunktion, yon denen der Wollheimsehe 6 Std-Wasserversueh [10] die weiteste Verbreitung gefunden hat, und vieles andere mehr.

~Vir haben mit der vortiegenden Studie die ~Vasser- elimination als Funktion der Ganzheit des Organismus bctrachtet. Man daft dabei sicher annehmen, dab die Eliminationsgeschwindigkeit des Wassers wie bei an- deren endogenen Stoffen (Eisen, Bflirubin, Phosphat, Glucose) dem Wasserumsatz (Transfer) proportional ist ( T ] -= k S • P l ) .

Die Bestimmung der Eliminationsgeschwindigkeit ergibt reproduzierbare Werte, wie die statistischc Aufarbeitung der Werte glcicher Altersklassen als auch yon Doppelbelastungen beim glcichcn Probanden nachwies. Es handelt sich dcmnach bei der Elimi- nationshalbwertzeit bzw. bei der Eliminationskon- stante des ~Vassers um eine biologisehe Stoffwect~sel- standardgrSBe, d.h. um eine GrSBc, die bcim gleichen Individuum unter den glcichen/~ul~eren Bedingungen stets den gleichen Weft ergibt.

In den ersten Lebenstagen effolgt die Elimination des Wassers erheblich langsamer Ms nach dem 12. Le- benstag. Rind und Gladtke [5] ha~en dies bereits anhand yon Einzelbcobaehtungen festgestellt. Wir mSchten diescs Verhalten zun/~chst pauschal als Rci- lung der Eliminationsleistung ffir Wasser ansehen und dabei anf ein/~hnliches Verhalten bei zahlreichen anderen Stoffen verweisen (Sulfonamide, Paraamino- hippurs/iure, Thiosulphat, Bromsulphalein, Galaktose, Phosphat, Glucose [3]). AuffalIend ist, dab bei den kSrpereigencn Substanzen Phosphat nnd Glucose ge- nau wie beim Wasser die Werte ~lterer Kinder und Erwachscner inncrhalb wcniger Tage erreicht werden, die Reifung also in den erstcn Lebenstagen effolgt, wohingegen bei den anderen erwi~hnten Substanzen drei ~¥ochen his einige Monate benStigt werden.

Wir kSnncn nieht entseheiden, ob lediglich oder haupts/£chlieh eine Unreife der Nierenfunktion der urs/~chliche Faktor ist. Sicher ist die glomerul/ire Filtration beim Neugeborenen vermindert (Thiosul- phat), was wahrseheinlich sowohl anatomische als auch funktionetle Griinde hat. Die Basalmembran ist bcim Neugcborenen ultramikroskopisch dicker und dreisehichtig, es sind aueh noch nicht alle Glomerula in den Kreislauf einbezogen. Einc wesentliche Rolle diirfte auch das Vcrhalten des antidinretischen Itor- mons spielen, dessen Elimination bzw. Inaktivierung dutch die Leber beim Neugeborenen vermindert ist, sodaB trotz des geringeren Ansprechens der Tubuli cinc vermehrte Aktivit/it resultiert. Die Wasserelimi- nation wird hierdurch vermindert. Als weitere in Be- tracht kommende Faktoren sei nur erw~hnt: mfitter- liche Oestrogene und perinatale AdaptationsstSrungen bei der Regulation des Mineralhaushalts.

Die Verlangsamung der Elimination des Wassers bei den 12 untersuchten kranken Kindern kSnnen wir nur registrieren. Bekannt ist die Wasserretention in der akuten Phase einer Hepatitis. Bckannt sind auch StSrungen im Wasserhaushalt bei Erkranknngen des zentralen Nervensystems. Die an kranken Kindern gewonnenen Daten sollen demonstrieren, dab es Ab-

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weichungen v o m Verhal ten gesunder gibt und da~ hier weitere Untersuchungen yon Interesse w~ren. MSglieherweise lassen sieh Mel~daten gewflmen, die mi t geringem Aufwand Kontrol le fiber Verlauf und Heilung bei bes t immten Krankhei ten ges~atten.

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Prof. Dr. F. H. Dost Univ.-Kinderklinik Dr. D. Lorber Dr. H. M. v. Hattingberg D-6300 GieBen Bundesrepublik Deutschland

Prof. Dr. E. Gladtke Univ.-Kinderklinik D-5000 KSin JoseLStelzmann- Str. 9 Bundesrepublik Deutschland