54
Transgenerationale Weitergabe von Trauma Dr. Winkler Rudolf APP 21052015

Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

  • Upload
    vanminh

  • View
    227

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Transgenerationale Weitergabe von Trauma

Dr. Winkler Rudolf APP 21052015

Page 2: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Einführung

Page 3: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Fragestellung

Wirken sich Traumata auf die Persönlichkeit aus

• Auch über die Generationen ?

– Welche Erscheinungsformen

– Wie erfolgt Weitergabe

�Neurobiologisch

� Innerfamiliär

�Kulturell

• Können wir aussteigen ?

Page 4: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Traumata im Sinne von extremer Gefahr sind giftiger Stress für Gehirn

• Körperliche und Sexuelle Gewalt, Folter

– Monotrauma

– Komplexe Traumatisierung

• Deprivation

• Naturkatastrophen

• Massentraumatisierung

– Krieg

– Verfolgung wegen Rasse / Religion / Unwertem Leben

• Timing / Dauer

Page 5: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Krank macht nicht das Trauma

• Spezifische Traumafolgesymptome

– als Folge traumatischer Erinnerungsfragmentierung

– als chronifizierte Vermeidungsangst

• Negative Beziehungserfahrungen

– Sogenannte Beziehungstraumatisierungen

• Unbefriedigte Entwicklungsbedürfnisse

– z.B. Zuwendung, Anerkennung, Schutz, Fürsorge

• Krankheitswertige StörungenSachse 2012

Page 6: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Holocaust ForschungEinwirkung auf 2.Generation komplex

• Traumatisierung bestimmt wesentliche Aspekte der Eltern-Kind Beziehung und vermittelt eine subjektive historische Bildwelt

• Aber :

– Wechselwirkung mit normalen Entwicklungskonflikten, familiendynamischen Prozessen und gesellschaftlichen Variablen

Page 7: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

…vieles noch unklar !

• Weitergabe / Transmission– Parental Transmission (Eltern an Kinder)

�Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung

� Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt sind und ihre Rolle nicht einnehmen können

�Explizite und implizite Erzählung : Traumanarrativ

– Kollektive Transmission Mechanismen von Traumata�Bestimmte Gruppen�Ganze Gesellschaft

Page 8: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

KinderDefizite in der psychischen Organisation

• Bindungsrepräsentationen / Beziehungsfähigkeit

• Selbstsystem

• Identität

• Integration negativer Emotionen / Aggressionen

• Verminderte Schwelle für Aktivierung stress-assozierterneuronaler Reaktionen

– generalisiert / Situationsbezogen

• psychische Vulnerabilität vererbbar

− Genexpression Cortisol System

Page 9: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Beispiel Angststörung

• Ängstlichkeit der Mutter vorbestehend• Traumatisierende Faktoren

– Fehlgeburt / Frühgeburt– Gewalt in der SS– Bedrohliche Verlusterfahrungen/-ängste

• Stress für Fötus– Veränderung der Durchblutung der Gebärmutter– Zunahme der Stresshormone

• Aktivierung von Dopamin/Glutamat Rezeptoren Frontalhirn• Irritables Baby ……. Regulations- Interaktionsprobleme• Unzureichende Exploration – Dyadische Fixierung• Trennungsproblematik beim KiGa –eintritt……..

…….Circulus vitiosus

Page 10: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kollektive Folgen von Krieg

Page 11: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer
Page 12: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer
Page 13: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer
Page 14: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Fragen

1. Sind sie von dieser Zeit heute noch betroffen

2. Haben sie in ihrer Jugend jemals Gräueltaten dieser Zeit realisiert (direkt, indirekt)

3. Was wissen sie konkret über diese Zeit

– Zeitgeschichte

– über Opfer , Täter

– Sprechen sie ihrer Familie

4. Wie gehen sie damit um (Ohnmacht, Schuld, Scham, Beschönigung)

5. Mitgefühl auch mit den Tätern

Page 15: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Beispiel Perspektive Enkelgeneration 1

• uGV1: stirbt am Isonzo

• uGV2: verschüttet, HOPS

• uGM: verliert Haus und Hof

• uGV3: dekorierter Kärntner Abwehrkämpfer

• GEms: Kärntner Slowenen

• GVms: im Krieg Kollaboration mit Partisanen�Ältester Sohn 18 LJ: versucht besonders guter Deutscher zu sein

• Beitritt zur SS, dort Karriere, versteckt sich vor Partisanen, danach Kriegsverbrecher

Page 16: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Beispiel Perspektive Enkelgeneration 2

• GVvs:

– Blind, 1944 real von Euthanasie bedroht

– Am Verhungern, Schwager bei SA hilft

• KE: Kriegskinder, HJ, Bimf,

• KM: aktive(?) Entscheidung zur Assimilierung

- Aufgabe von slowenischer Kultur, Sprache, Identität

Page 17: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

2. Weltkrieg - Hintergrundinfo

• Gesamtopfer: ca. 50.000.000– Sowjetunion: 17-25 Mio.

• 8-9 Mio. Soldaten, 9-16 Mio. Zivilisten

– Polen: 5 Mio.• davon 3,1 Mio. polnische Juden

– Jugoslawien: 1,5 Mio.• davon 1,2 Mio. Zivilisten

– Österreich Tote• 230.000 Soldaten, 40.000 Zivilisten

– Deutschland Tote• 3.250.000 Soldaten, 3.640.000 Zivilisten

W. van Mourik 1978

• 500.000 Deutsche/Österreicher an Kriegsverbrechen beteiligt Kwiet 1998

Page 18: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Opfer NS-Massenverbrechen

im Kriegsverlauf

Page 19: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

KriegsfolgenDeutschland / Österreich

• 4 von 10 Männern starben (Jahrgang 1920)

• 1,7 Millionen Witwen

• 2,5 Millionen Waisen/Halbwaisen

• 1 von 4 Kinder ohne Vater

• 2,3 Millionen Kriegsgefangene 1947

• Vergewaltigungen 2,1 Millionen

• Vertreibung 14 Millionen 1944-47– 470.000 starben auf der Flucht

H.Baumann,Radebold

Page 20: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kriegsfolgen Kärnten

• Kriegshandlungen

– Bombardements

– Kampfhandlungen Südkärnten

• Kärntener Slowenen

– Verbot von Kultur und Sprache

– Ausgrenzung / Aussiedelung / Deportation

• Heimatvertriebene

– Kanaltaler / Gotscheer

– Sudetendeutsche / Südtiroler

Page 21: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

kriegsbedingte Vaterlosigkeit Gesellschaftliche Folgen P.Heinl,2006

• Emotional− gebrochene Männer

– Sprach – u. Gefühlslosigkeit

– Selbstentfremdung / Konfliktunfähigkeit

– Massive narzisstische Kränkung

– Psychische Erkrankungen

– Ramponierte männliche Kompetenz• Wenig geeignet für Identifikation

• Abstumpfung / Gewalttätigkeit in Erziehung

Page 22: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Frauenschicksale Gesellschaftliche Folgen Reddemann 2014

• Mutterlosigkeit überwiegend emotional– Trümmerfrauen

– Verlust ihrer Männer (real und emotional)

• Vergewaltigungen– Unerwünschte Kinder / Abtreibungen

• Beziehungen mit

– Kriegsgefangen / Soldaten der Besatzungsmächte

• Beschäftigt mit Aufbauarbeit

Page 23: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Betroffene (Kriegs)kinder

• Angehörige der Jahrgänge 1927-47

• 35-40 % schwer

• 30-35 % gering bis mäßig

– Väter zeitweilig anwesend

– Lebensverhältnisse mäßig eingeschränkt

• 30-35 % kaum

Zemp 2013

Page 24: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kriegskinder 1

• Traumatisierung für Mehrheit durch Kontext

– Vereinsamt / Sich überlassen

– Überangepasst

– Mangel

• NS-Pädagogik und –Ideologie ausgesetzt

• Kognitiv überfordert, realisieren Krieg nicht

– Abenteuer, Sportbegeisterung

• Sehen sich nicht als Kriegsopfer

Page 25: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kriegskinder 2

• Gewisse Verklärtheit / wenig kritische Distanz

• Verlust der Adoleszenz

• Eigenheiten

– Ideal der Unempfindlichkeit

– Verherrlichen Kameradschaft

– Paranoides Misstrauen

– Sehnsucht nach der Idylle • Sissy-Filme, Heimatromane…

Page 26: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

….Ethische Gedanken….

• Soldaten / Parteiorgane

– Ideal von Pflichterfüllung / Gehorsam

– sozialen Kontext vorrangig vor ethischem Kodex

– Ehrfurcht vor Würde des Menschen und Respekt vor Leben tritt in Hintergrund

• Frauen dem Heldischem verpflichtet

– Verehrung für Hitler / Kriegsbegeisterung

– Entsetzen über Niederlage / Heldenmythen

• Wegschauen und nicht Wahrhaben wollen

Page 27: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Gesellschaftlicher Rahmen nach dem 2. Weltkrieg 1

• Aufbauarbeit

• Blick nach vorne

• Schaffen stabiler und sicherer Verhältnisse

• Politisch angeordnetes Schweigen

– L. Figl: Tabu des Hinschauens

– Schweigegebot / Redeverbot für Täter / Opfer

• Als Schutz vor Re-Traumatisierung ?

Page 28: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Gesellschaftlicher Rahmen nach dem 2. Weltkrieg 2

• Fehlende Gesprächskultur für

– Spuren und Folgen der Jahre 1933 – 1945

– Gräueltaten

• Fehlen seelischer Unterstützung

• Keine (militär)historische Aufarbeitung

• verzerrtes öffentliches Geschichtsbild

– Opfer - Täterdiffusion

Page 29: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Gesellschaftlicher Rahmen nach dem 2. Weltkrieg 3

• Kollektive Abwehrmechanismen

– Verleugnung

– Bagatellisierung

– Beschönigung

– Scham

– Mythos der unwissenden Mitläufer

– „wenig- emotionalisierende“ Erinnerungskultur

Page 30: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Folgen für die betroffene Generation

• Schweigen – Verlust der Sprache (nicht gewollt)

• Container für – unverarbeitetes Leid und Traumatisierung

– Abweisen von Schuld, Weiterleben der NS-Ideologie

• Schuldtransfer an die nächste Generation

• öffentliches Schweigen impliziter Transfer ins Familiengedächtnis– Leiden der Eltern als Familiengeschichten

– Verharmlosung und Rechtfertigung (Täterseite)

– Perpetuierung und Inszenierung eines Opferstatus

Page 31: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Sensibilisierte Alarm - Reaktion beim Kind

Redundant präsentiertes / verdrängtes traumatisches Ereignis

– Signalisiert Gefahr

– Aktivierung von emotionalen / kognitiven Schablonen ( gut-böse)

– Betroffenheit ,Angst u. übersteigertes Mitgefühl beim Kind

– Körperliche Anspannung

– Dissoziative Zustände verunsichern

– Aktivierung in spezifischen Situation (subjektive Erinnerung)

– Konstruierte Bilder aus der Vergangenheit

– Kognitive Verwirrung

Page 32: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Relevante innerfamiliäre Transmissionsvorgänge

• Explizite Erzählung

– Direkte Mitteilung (affektiv besetzt)

– bewusst

• Implizite Erzählung

– Erwerb von Wissen über ein Thema, über das nicht gesprochen wird

– Zwischen den Zeilen

– Kommunikation von (massiv bedrohlichen ) Emotionen

– In allgemeine Kommunikation eingewoben

– Sogenannte Trauma narrative – unbewusst Plassmann 2012

Konstruierte Wirklichkeit

Page 33: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Konstruierte Bildvorstellungen

• Herr H. 1958 erinnert sich unangenehm an 2 Bilder bei Bombenangriff

– GM im zerbombtem Haus verschüttet

– KM steht vor Haus und blickt mit furchtbarem Entsetzen aufs Haus (körperlich unangenehm)

– KM wird bei Bombenangriff in Lendkanal geweht

• Herr F. 1962

– Verhör der GM durch Gestapo in Klagenfurt

• Herr P. 1962

– Schritte SS, angstvoller Blick durch Fenster

Page 34: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Traum afghanisches Kindin Österreich geboren

Vorstellung wegen Ängsten (8 Jahre)

• In einem Haus kommt es zur Explosion, alles fliegt durch die Luft, aus dem Wasserhahn kommt rotes Wasser……. wacht schweißgebadet auf

– KE geflüchtet, nachdem in ihrem Haus eine Handgranate explodiert ist

– Lt. KE keine Kommunikation über Ereignis

Page 35: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Folgenfür die nächste Generation 1

• Große Scham stülpt sich über Thematik – Schweigen perpetuiert (intendiert)

– Massive Abwehr

• Weitergabe streßassozierter Erinnerungsfragmente

• Misstrauen in eigene Wahrnehmung und ins eigene Umfeld

• Unfähigkeit sich dem Geschehenen zu stellen

• Reininszenierung von Täteranteile in Familie HE. Richter

• Beziehungs– und Identitätskonflikte zwischen den Generationen

Page 36: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Folgenfür die nächste Generation 2

• Fehlende öffentliche personenbezogene Auseinandersetzung mit Täterschaft

• Verständnis / Mitgefühl für Täter kaum möglich– wie ergeht es 18. jährigem im Krieg

• Unwissen bzgl. Zeitgeschichte

• Subjektive Familiengeschichte– Problematische Denkmuster werden tradiert

• brüchige historischer Identität – Herkunftsschwäche

• Weiterbestehen problematischer Denkmuster

Page 37: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Enkel Generation weitergegebenen Traumatisierung

• Weiter Container für unverarbeitetes Leid– Wiederkäuen dramatischer Ereignisse

– Thema bewegt emotional / lässt nicht los

• Zwang sich mit Themen auseinanderzusetzen, wo man eigentlich nicht hinschauen will

• spürt Leid der Eltern / Großeltern

• Spüren von Verantwortung

• Übernahme von Schuld / Schuldzuweisung

Page 38: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Thema für Enkelgeneration

• Anerkennung– Ausmaß der Gewaltbereitschaft

– Ausmaß des Verlustes des Mitgefühls

– Anerkennung des Ausmaßes der Gewalterfahrung

• Auseinandersetzung mit Eltern/Großeltern…– Als Opfer / Täter

– Allmacht und Größenphantasien einer Generation

• Integration in die eigene Identität

• Objektivierung der familiären Geschichtsschreibung

Page 39: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

ChanceEnkel - Generation

• Entdecken persönlicher Bezüge

• Anerkennen des Gräuels

• Aussöhnen mit der Rolle der eigenen Verwandten

• Neue Erinnerungskultur

– Persönliche Bezüge machen betroffen

• Emotionen sind historische Quellen

• Komplementär zur methodisch aufgearbeiteten Geschichtsschreibung

• Festigung von Identität / Menschenbild

• Keine kollektive Schuldübernahme

Page 40: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Psychotherapie

• Bereitschaft– Hinzuschauen, zu thematisieren, anzuerkennen, betrauern

• Offensein für Auseinandersetzung− Lokales geschichtliches Wissen

• Zurechtrücken von Mythen− Täter sind nicht ganz normale Menschen, sondern sind

besonders sozialisiert

• Mitgefühl des Therapeuten gibt Hoffnung

Page 41: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Ausflug nach KärntenRedundante (Volksgruppen) Diskussion

Page 42: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Täteraspekte?

Individuell – gesellschaftlich -politisch

Page 43: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kärnten Aktuell Traumatisierung einer ganzen

Volksgruppe

• Bald 100 Jahre Volksabstimmung

• Weiterhin Streit um Anerkennung von Minderheitenrechte

• Volksgruppenangehörige – Slowenen Wikipedia

− 1818: 137.000

− 1890: 84.667

− 1923: 34.650

− 1951: 42.095

− 1971: 20.972

− 2001: 13.109

• Fortschreitender Assimilierungsprozess

Page 44: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kärnten AktuellProbleme d. Minderheit nach dem Krieg

• reale Existenzbedrohung• Zerrissene Familien• Zerrissene Nachbarschaft• z.T. Weiterbestand der NS-Schulsystems• Weiterbestand der Bruchlinien

– Einfache kognitive Schemata „für – gegen“ – Problematische Erinnerungskultur– Siehe Ortstafelsturm

• Minderwertigkeit der eigenen Ethnie / Kultur

Page 45: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Kärnten AktuellProbleme der Minderheit

• Ethnische Identität – Identitätsdiffusion

– Positiv besetztes Zugehörigkeitsgefühl

– Kulturspezifisches Wissen u. Verhaltensweisen

– Positiv besetzte Sprache

• Verlust der kulturellen Vertrautheit

• Verleugnung der eigenen Herkunft

• Eigenartiger Spracherwerb

Page 46: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Fallgeschichte Kärntner SlowenenLudmila 1 Wutti 2013

– 3 a Zwangsarbeiterlager

– Rückkehr antislowenische Druck

– Fremde in der Heimat

– Verstärkung der Traumata

– Erstes Gespräch nach 30 a

– Rückzug in die slowenische Gemeinschaft• Extreme Zusammengehörigkeitsgefühl (wie im Lager)

• „gefangen in der Kulturgemeinschaft“

Page 47: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Fallgeschichte Kärntner Slowenen

Ludmila 2 Wutti 2013

• Tochter Majda

– Hört dem Gespräch Ludmila Enkelin aufmerksam, aber passiv zu, überraschender Informationsgewinn

– Hatte zuvor nie Bedürfnis nachzufragen, wohl um die Mutter zu schützen

– Hat in deutsche Familie eingeheiratet und inszeniert sich dort einen Minderheitenstatus/ Überlebenskampf

– Dieser Kampf (wie sie ihn bezeichnet) ermüdet

Page 48: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Fallgeschichte Kärntner Slowenen

Ludmila 3 Wutti 2013

• Enkelin Rafaela– befragt unbefangen und wiederholt Ludmila

– Beginnt ihre Großmutter zu verstehen

– Meint das Traumathema immer in Familie war, ist nicht mehr gespenstisch besetzt

– Will nicht mehr Minderheitenthema konfrontiert sein

– Will wegziehen, hat die Nase voll vom Opferstatus

– Flucht in unbeschwertes Leben mit Abwehr kulturell aktiv zu sein als Befreiung

Page 49: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Resümee Enkelgeneration 1 Wutti 2013

• Antislowenische Gewalt in allen Interviews Thema

• Keine physischen Übergriffe

• Verbale Übergriffe haben weniger emotionale Bedeutung

• Emotionaler mit GE-generation verbunden

• Erleben Traumata weniger schmerzhaft

• Traumatische Ereignisse sind stereotyp präsent

• Angstfreies, vorbehaltloses, kritischeres Nachfragen

• Starke Identifizierung mit traumatischen Ereignissen

Page 50: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Resümee Enkelgeneration 2 Wutti 2013

• Politische Dimension gerät in Hintergrund

• Will ausdrücklich Sprache und Kultur weitergeben

• (Slowenische) Bildung massiver Schutzfaktor

• Antislowenismus nicht mehr aktuell beklagt

– Unwissen der Mehrheit über ihre slowenische Kultur und Geschichte

– Leichte Emotionalisierung alter Konflikte

Page 51: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Mythen als Verhinderer vonDialog und Aufarbeitung

• Aktualisieren alte Konflikte und Wunden– 10. Oktober Feier– Partisanenrituale

• Mythen verschmelzen mit der subjektiv tradierten Familiengeschichte– Partisanenkampf vs. Banditenplage– Verhindern objektive Geschichtsschreibung

• Eigenwillige Geschichtsschreibung– Ausblendung des Täteraspektes– Öffentliche Rehabilitation von Kriegsverbrecher

• Ramsauer

– Ulrichsbergtreffen

Page 52: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Bewusstseinsarbeit und Wiederaneignung der eigenen Geschichte

• Persönlich / Familiär– Fragen und Antworten

• Geeignete Verfahren ………– Strukturaufstellung / Psychodrama

– Systemische Beratung u. Therapie

• Individuelle Erinnerungskultur statt kollektiven Gedenken

• Psychodynamisches Verständnis politischer Prozesse

Page 53: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

..die Zeit ist reif…

• Kollektive Traumata brauchen Distanz, um differenziert betrachtet zu werden

• Überwinden von Scham und Schuld

• Mangel an Information behindert

• Thematik benötigt eine gewisse Stärke in der Auseinandersetzung , um emotional unangenehme und schmerzvolle Aspekte zuzulassen

….und Engagement

Page 54: Transgenerationale Weitergabe von Trauma · Direkte Weitergabe einer Stressreaktion / Traumafolgestörung Indirekte Weitergabe führt zu einem Mangel beim Kind , wenn Eltern in ihrer

Danke für Ihre Aufmerksamkeit