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DESY Zeuthen DESY Zeuthen Inhalt Übersicht 149 Forschungsthemen DESY Zeuthen 151 Zentrale Dienste DESY Zeuthen 177 147

DESY ZeuthenTeilchen. Die Gruppe hat sich aktiv an den Physik-analysen beteiligt, die zu wichtigen Resultaten bei der Messung der Gluonstrukturfunktion und der Bestim-mung von α s,

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  • DESY Zeuthen

    DESY Zeuthen

    Inhalt

    Übersicht 149

    Forschungsthemen DESY Zeuthen 151

    Zentrale Dienste DESY Zeuthen 177

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  • Übersicht DESY Zeuthen

    Abbildung 90: Drei Rechner vom Typ APEmille, die zusammen pro Sekunde 400 MilliardenGleitkomma-Operationen durchführen können.

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  • Übersicht DESY Zeuthen

    Übersicht DESY Zeuthen

    Die im Forschungsbereich Zeuthen angesiedeltenThemen sind zum Teil direkt an das HERA-Pro-gramm gekoppelt, andererseits aber auch typischfür den Standort Zeuthen. Die Aktivitäten, die derVorbereitung des TESLA Projektes dienen, wurdenim Berichtszeitraum weiter deutlich verstärkt.

    HERA Physik

    Am HERA-Programm arbeiten die Projektgruppen H1,HERMES, HERA-B und ZEUS und Mitarbeiter derTheoriegruppe.

    Von der H1-Gruppe wurden Silizium-Detektoren zurMessung von unter kleinen Winkeln in Vorwärts- (FST)bzw. Rückwärtsrichtung (BST) erzeugten geladenenTeilchen fertig gestellt. Ein weiterer Detektor, der BST-Pad-Detektor, ermöglicht das Triggern von geladenenTeilchen. Die Gruppe hat sich aktiv an den Physik-analysen beteiligt, die zu wichtigen Resultaten bei derMessung der Gluonstrukturfunktion und der Bestim-mung von αs, der Kopplungskonstanten der starkenWechselwirkung, führten.

    Die HERMES-Gruppe hat im Berichtszeitraum mit denvorbereitenden Arbeiten für ein neues Detektorprojektbegonnen. Der ,,Recoil Detector“ gestattet die Vermes-sung der Spuren langsamer geladener Teilchen. DieZeuthener Gruppe hat die Verantwortung für den ausSiliziumsensoren bestehenden Teildetektor übernom-men. Eine gründliche Diskussion wichtiger Aspekte desHERMES Physikprogramms fand auf dem zusammenmit Zeuthener Theoretikern durchgeführten Workshop,,Transverse Spin“ statt.

    L3

    Mit dem Abschalten von LEP am CERN geht auchdie sehr fruchtbare und produktive Zeit der L3 Gruppe

    zu Ende. Die Gruppe hatte neben der Verantwortungim Experiment mit diversen Detektorkomponenten undBeiträgen zur Software auch großen Anteil an den phy-sikalischen Analysen von L3. In Zeuthen wurden imBerichtszeitraum die Untersuchungen zur Higgs- undτ-Physik fortgesetzt. Diese Arbeiten werden voraus-sichtlich im Jahr 2003 abgeschlossen.

    Zeuthener Physiker haben sich auch an dem L3 Teil-experiment L3cosmics beteiligt, das die Messungdes Energiespektrums kosmischer Myonen ermöglicht.Hierzu wurde der L3 Detektor zusätzlich mit groß-flächigen Szintillationszählern ausgerüstet. VorläufigeErgebnisse zeigen, dass das Experiment gute Resul-tate liefert. Auch diese Analysen werden im Jahr 2003abgeschlossen werden.

    Neutrino-Astrophysik

    Im Berichtsjahr wurde der AMANDA Detektor, der dasEis des Südpols zum Nachweis hochenergetischer Neu-trinowechselwirkungen verwendet, erfolgreich betrie-ben. Es wurden Ergebnisse zur Messgenauigkeit desDetektors, zu atmosphärischen Neutrinos, Neutrinosvon Punktquellen sowie zur Suche nach magnetischenMonopolen und WIMPs (Weakly Interacting MassiveParticles) veröffentlicht. Um eine ausreichende Emp-findlichkeit für hochenergetische kosmische Neutrinoszu erzielen, wird allerdings ein Detektor mit einemVolumen von 1 km3 benötigt. Ein entsprechender Vor-schlag, IceCube, wurde von Physikern aus Belgien,Deutschland, Schweden und den USA ausgearbeitetund von den entsprechenden Komitees in den USA,die den Großteil des Experiments und die Forschungs-station am Südpol finanzieren, begutachtet und emp-fohlen. Basierend auf der Empfehlung des DESY-PRC(Physics Research Commitee) hat das Direktorium dieTeilnahme von DESY an IceCube entschieden.

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    Entwicklung massiv paralleler Rechnerfür die Gittereichtheorie

    Zur Lösung von Problemen der theoretischen Teilchen-physik im Rahmen der Gittereichtheorie werden Spe-zialrechner mit außerordentlicher Rechenleistung be-nötigt. Im Betriebsjahr wurde die Installation der APE-mille Rechner, die seit 1996 gemeinsam mit dem INFN(Italien) entwickelt werden, in Zeuthen abgeschlos-sen (Abb. 90). Somit stehen der Gittereichtheorie-Community seit Sommer 2001 im Rahmen desNIC (John-von-Neumann-Institut für Computing)650 GFlops an Rechenleistung zu Verfügung. Aller-dings kann damit nur etwa ein Drittel des in Deutsch-land vorhandenen Bedarfs gedeckt werden. Um auchin Zukunft den wachsenden Bedarf an Rechenzeitbefriedigen zu können, wird seit 2000 zusammenmit dem INFN und Orsay (Frankreich) der Nach-folgerechner apeNEXT entwickelt. Ziel ist es, bisetwa Ende 2002 einen Prototyp mit einer Rechenleis-tung von 500 GFlops bei Serienproduktionskosten von1 MFlop/0.5 Euro zu entwickeln. Auf dieser Basis ließesich eine Installation von mehreren TFlops in denJahren2003/04 in Zeuthen realisieren.

    Arbeiten zum TESLA Projekt

    Die Zeuthener Arbeiten zu TESLA haben zweiSchwerpunkte: Studien zur Physik und Detektor-

    entwicklung und den Aufbau des PhotoinjektorTeststands PITZ. Im Frühjahr 2001 wurde derTechnical Design Report für den Linear-ColliderTESLA fertig gestellt und in einem Wissenschaft-lichen Kolloquium am DESY der Öffentlichkeitvorgestellt. Zeuthener Physiker haben im Rahmendes ECFA/DESY Workshops zum Beispiel an phy-sikalischen Analysen zum Standardmodell Higgs-Boson und zur Top-Produktion, an Studien zurelektroschwachen Physik mit der GigaZ-Option desLinear-Colliders sowie an Software-Entwicklungen zurDetektor-Simulation und -Graphik mitgearbeitet. Inder zweiten Jahreshälfte wurden in Zeuthen zweiweitere TESLA-Aktivitäten gestartet: Untersuchun-gen für ein Kalorimeter im Bereich der Maske so-wie Arbeiten für einen Photon-Photon Collider beiTESLA.

    Der Photoinjektor-Teststand PITZ in Zeuthen ist einTest-Beschleuniger zur Entwicklung und Verbesse-rung lasergetriebener Hochfrequenz-Photoinjektoren.Nachdem im Jahr 2000 die Bauarbeiten abgeschlos-sen werden konnten, wurden im Berichtsjahr dieArbeiten an der benötigten Infrastruktur abgeschlos-sen und die Komponenten des Teststandes aufge-baut. Das vom Max-Born-Institut entwickelte La-sersystem ging im Oktober in Betrieb, währenddie Hochfrequenz-Versorgung seit September erprobtwird. In den Folgemonaten wurden das Klystronund die Hochfrequenz-Elektronenquelle konditio-niert.

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    Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Experimente bei HERA

    Das H1-Experiment

    Arbeiten zur Verbesserung des Detektors

    Im Jahr 2001 wurden die umfangreichen Arbeiten zurLuminositätserhöhung am HERA-Beschleuniger abge-schlossen. Diese haben das Ziel, seltene Reaktionen,zum Beispiel solche mit hohem Impulsübertrag vomElektron auf das Proton, nachzuweisen sowie viele derbereits beobachteten Prozesse, zum Beispiel die Erzeu-gung schwerer Quarks, mit größtmöglicher Präzisionzu analysieren. Neben dem Umbau der Wechselwir-kungszonen waren dazu auch Veränderungen an denDetektoren notwendig.

    Im Frühjahr 2001 wurden in Zeuthen drei Silizium-detektoren fertig gestellt und in den H1-Detektor inte-griert:derPaddetektorundderStreifendetektordesBST(Backward Silicon Tracker) sowie der Streifendetektordes FST (Forward Silicon Tracker).

    Der Paddetektor besteht aus 48 Si-Pad-Wafern, deren1536 Signale mit einem in Zeuthen entwickelten, inte-grierten Schaltkreis (PRO-A) verstärkt und digitalisiertwerden. Die Auslese erfolgt mittels programmierba-rer Logikbausteine (FPGAs). Der Detektor dient mitseinen 384 parallel ausgelesenen, totzeitfreien Kanä-len zum Triggern auf geladene Teilchen, die nahe derStrahlröhre in Richtung des Positronstrahls (rückwärts)gestreut werden. In den Studien zur Optimierung desStrahluntergrundes wurde der Detektor bereits als Mo-nitor erfolgreich verwendet und seine Signale zumHERA-Kontrollraum übermittelt (Abb. 91).

    Der BST und der FST Streifendetektor erlauben denNachweis von Teilchen in Rückwärts- bzw. Vorwärts-

    Abbildung 91: Zählrate des BST Paddetektors und dieProton- und Positronströme (in mA) sowie die Signaledes Luminositätssystems als Funktion der Zeit.

    richtung. Sie bestehen aus je 144 4-Zoll-Si-Wafernmit je 640, das heißt insgesamt je 92 160, Ausle-sekanälen. Die fertigen Detektormodule wurden vordem Einbau getestet und hatten eine Effektivitätvon besser als 98% (für die neueren ϕ-Module)und von 95% (für die bereits mehrfach verwen-deten r-Module). Für die Verarbeitung der Signale

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  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    80

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    0−5 −2.5 0 2.5 5

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    a)

    3 6 GeV−

    b)

    6 10 GeV−

    even

    ts

    even

    tsE p/

    P1P2P3

    57.050.93820.2912

    P1P2P3

    73.741.014

    0.3435

    −5 −2.5 0 2.5 5E p/

    Abbildung 92: Verhältnis der Energie E (SPACAL) zum Impuls p (BST): a) der Beitragvon Hadronen mit falscher, hier negativer, Ladung wird gemessen und so das eigentlicheSignal der tiefunelastischen Streuung extrahiert; b) die Impulsmessung des BST kontrol-liert die Energieskala des SPACAL-Kalorimeters unterhalb von 10 GeV Positronenergie.

    und die Steuerung der Detektoren werden speziellentwickelte Readout-Platinen und elektronische Mo-dule eingesetzt. Die Arbeiten zur Installation vonBST und FST wurden Anfang 2002 abgeschlossen.

    Für die Bestimmung der longitudinalen Strukturfunk-tion FL ist es erforderlich, Positronen mit wenigen GeVEnergie nachzuweisen. Zur Erkennung und Subtraktiondes großen hadronischen Untergrundes in diesem Ener-giebereich dient die Messung des Impulses und des La-dungsvorzeichens im BST neben der Messung der Ener-gie im nachfolgenden Kalorimeter SPACAL (Abb. 92).

    Das Jahr 2001 wurde außerdem genutzt für eineumfangreiche Erneuerung von Komponenten desVorwärts-Protonenspektrometers (FPS). Nachdem dieerste Generation von Faserdetektoren seit 1995 im Ein-satz war, mussten alle wichtigen opto-elektronischenKomponenten komplett ersetzt werden. Durch Alterungdes Szintillators in den Faser- und Triggerdetektorenwar die Nachweis-Effektivität merklich schlechter ge-worden. Der Prototyp einer neuen FPS-Station wurdeim Jahre 2000 erfolgreich getestet. 2001 wurden die üb-rigen vertikalen und horizontalen Stationen mit neuenBaugruppen versehen. Die neue Generation der Sta-tionen ist mit leistungsfähigeren Photomultipliern und

    Faserdetektoren ausgerüstet, die im Falle des Verschlei-ßes auch unkompliziert austauschbar sind. Beide ver-tikalen Stationen wurden im Herbst 2001 mit kosmi-schen Myonen getestet und die erwarteten Parameterfür Effektivität und Ortsauflösung erreicht.

    Datenanalyse

    Im Mittelpunkt der Analysearbeiten stand die Auswer-tung von Daten, die im Dezember 1999 mit dediziertenTriggern aufgenommen wurden, um mit dem 8-Ebenen-BST sowie dem SPACAL eine präzise Messung des in-klusiven Wirkungsquerschnitts für tiefunelastische e pStreuung (ep → eX) bei 920 GeV Protonenergie und27.5 GeV Positronenergie durchzuführen. Im Mittel-punkt dieser Arbeit standen die Überprüfung von An-fang 2001 publizierten Daten bei 820 GeV mit einermodifizierten Apparatur sowie die Erweiterung desMessbereichs zu kleinen Bjorken x bzw. großen In-elastizitäten y hin (siehe Kapitel H1, Seite 37ff.). DerStreuquerschnitt wurde mit etwa 2–3% Genauigkeitgemessen, und neue Daten für FL wurden erhalten.Diese können durch Vorhersagen der QCD und desDipolmodells beschrieben werden. Ein bemerkenswer-tes Resultat ist die Beobachtung, dass die aus dem

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  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Q2-Verhalten von F2 berechnete Funktion FL mit denDaten übereinstimmt. Das ist ein wichtiger Konsis-tenztest der QCD, der zukünftig mit noch genaue-ren FL-Daten durchzuführen sein wird. Diese Resultatewurden auf den Konferenzen des Jahres 2001, in Bolo-gna (DIS) und Budapest (EPS), präsentiert. In einer wei-terenArbeitwurdedasAnwachsenderStrukturfunktionF2 bei kleinen x mit Hilfe der Ableitung d ln F2/d ln xuntersucht. Dabei konnte wegen der großen Messge-nauigkeit nachgewiesen werden, dass F2 wie x−λ zukleinen x hin anwächst, wobei λ nur von Q2 und nichtauch von x abhängt. Die beobachtete Stetigkeit diesesVerhaltens ist von großer Bedeutung für die theoreti-sche Beschreibung des Bereiches großer Partondichtenim Proton. Zur Analyse der Messung des Streuquer-schnitts sowie zu umfangreichen Simulationsrechnun-gen wurde die PC Farm verwendet. Die Messungen derStrukturfunktionen F2 und FL und die QCD-Analysezur Bestimmung der Gluondichte bei kleinen x und derKopplungskonstanten αs sind Bestandteile von zwei inZeuthen entstandenen Dissertationen.

    Im Jahr 2001 wurden die Analysen der Daten des Jah-res 1996 abgeschlossen. Erste Ergebnisse der elasti-schen Erzeugung von ρ-Mesonen und tiefunelastischerProzesse wurden auf der Europäischen Hochenergie-konferenz in Budapest gezeigt.

    Das HERA-B-Experiment

    Das HERA-B-Experiment hatte im Jahr 2000 die erstelängere Datennahme mit etwa 30 Millionen aufgezeich-neten Ereignissen. Diese Daten wurden während derUmbauphase von HERA im Berichtsjahr analysiert,und es konnten wichtige Erfahrungen für das Verhal-ten des Detektors gewonnen werden. Die Betriebsun-terbrechung von HERA wurde für die Reparatur undVerbesserung des Detektors genutzt, so dass der Detek-tor gegen Ende des Jahres in einem optimalen Zustandfür die neue Datennahme bereit war. Das Programmfür diese Datennahme ist, wie bereits im letzten Jah-resbericht ausgeführt, neu definiert worden und wirdsich vor allem auf die Messung des Wirkungsquer-schnittes für die Produktion von Bottom-Quarks undCharmonium-Zuständen konzentrieren (siehe KapitelHERA-B, Seite 81).

    Die an HERA-B beteiligte Gruppe des Zeuthener Insti-tuts hat, in enger Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität zu Berlin, Aufgaben und koordinierendeFunktionen in folgenden Bereichen übernommen:

    – Entwicklung, Bau und Betrieb des Äußeren Spur-kammersystems ,,Outer Tracker“ (in Kollaborationmit DESY-Hamburg, VIK Dubna, NIKHEF Ams-terdam, Tsinghua Universität und IHEP Beijing),

    – Aufbau und Betrieb einer Prozessorfarm zur schnel-len Rekonstruktion und Filterung von Ereignissenim Echtzeitbetrieb,

    – Entwicklung des Physikprogramms,

    – Software-Entwicklung und -Wartung:

    - Spurrekonstruktion, Alignment und Kalibrationdes Outer Tracker,

    - Analyse physikalischer Prozesse mit Daten undSimulationen.

    Äußerer Spurkammerdetektor

    Im Folgenden werden die Zeuthen/Berlin-Aktivitätenim Rahmen des äußeren Spurkammerdetektors (OuterTracker) dargestellt. Eine vollständigere Beschreibungfindet sich im Kapitel HERA-B (Seite 77).

    – Verbesserungen und Reparaturen:Das im letzten Jahresbericht dargestellte Repara-turprogramm des Outer Tracker wurde im Berichts-jahr erfolgreich abgeschlossen. Das Ergebnis ist einDetektor, der weniger hochspannungs- und rausch-empfindlich ist. Beides verspricht höhere Nachweis-wahrscheinlichkeiten und Auflösungen für die Re-konstruktion von Spuren geladener Teilchen. In diegleiche Richtung zielt die Entwicklung einer au-tomatisierten Regelung der Gasverstärkung durchNachfahren der Hochspannung, um den Einflussvon Parametern wie Temperatur, Druck und Gas-mischung auszugleichen.

    – Untersuchungen zu Strahlenschäden in Driftzellen:Im Berichtsjahr wurden die Untersuchungen überdie Strahlenbelastbarkeit des Outer Tracker zumin-dest vorläufig abgeschlossen. Die Resultate sind aufdem internationalen ,,Aging Workshop“ im Okto-ber in Hamburg vorgetragen worden. Die Zeuthe-ner HERA-B Gruppe beteiligte sich mit Beiträgen

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    zu den Untersuchungen des so genannten ,,Malter-Effekts“, der an den ersten Kammer-Prototypen be-obachtet wurde, sowie mit Untersuchungen zu Be-schädigungen der Goldbeschichtung der Anoden-drähte, die von dem CF4-Anteil im Driftgas verur-sacht werden.

    – Kontrolle der Datenqualität:Die Sicherung der Qualität der Daten des OuterTracker während der Datennahme wird von einemPhysiker der Zeuthener Gruppe organisiert.

    Prozessorfarm

    Das Trigger- und Datenerfassungssystem des HERA-BExperimentes enthält in der vierten Stufe eine Linux-PC-Farm zur Ereignisrekonstruktion im Echtzeitbe-trieb. Damit stehen rekonstruierte Ereignisse unmit-telbar nach der Datenspeicherung für weitergehendePhysikanalysen zur Verfügung. Die Farm besteht aus100 PCs mit je zwei Intel Pentium-III/500 MHz Pro-zessoren, die in ein Fast-Ethernet Netzwerk integriertsind.

    Im Jahr 2001 wurde die Farm während des HERA-Umbaus zur Reprozessierung der Daten aus der Da-tennahmeperiode 2000 benutzt. Dazu wurde innerhalbder Online-Umgebung ein System entwickelt, mit demdie Ereignisse auf die Farmknoten verteilt, die bear-beiteten Ereignisse wieder eingesammelt und schließ-lich auf einem Band archiviert werden. Mit diesemSystem können die gesamten Daten, die im Jahr 2000genommen wurden (30 Millionen Ereignisse, entspre-chend 5 Tbyte Daten), innerhalb von zwei Wochenreprozessiert werden. In Perioden der Datennahmekann das System durch die Schichtbesatzung genutztwerden, um bei Unterbrechungen Daten zu reprozes-sieren. Ein ähnliches System wurde für die Erzeu-gung von Monte Carlo-Ereignissen auf der Farm ent-wickelt.

    Während der HERA-Abschaltung wurden die Farm-knoten mit CAN-Bus-Karten ausgestattet, die inZeuthen für die Überwachung und Steuerung der Hard-ware entwickelt und produziert worden sind. Mit demSystem können die Knoten ferngesteuert an- und aus-geschaltet und zurückgesetzt werden, sowie die Tempe-raturen, Ventilatorgeschwindigkeiten, Spannungen und

    Ströme kontrolliert werden. Das System ist an das zen-trale ,,slow control“ System des HERA-B-Detektorsgekoppelt.

    Software

    Die Zeuthen/Berlin-Gruppe hat sich stark in der Ar-beitsgruppe für die Rekonstruktion von Spuren gelade-ner Teilchen im HERA-B-Detektor (,,Tracking Group“)engagiert. Das Programmpaket RANGER für die Spur-rekonstruktion im zentralen Spurensystem (Inner/OuterTracker) wird in Zeuthen gewartet und aktualisiert.

    Für den Outer Tracker wird das Alignment, die Kali-bration der Orts-Driftzeit-Beziehung sowie die Bestim-mung der Auflösungen und Effizienzen vor allem vonder Zeuthen/Berlin-Gruppe durchgeführt, in vielen Be-reichen in enger Zusammenarbeit mit der Gruppe ausDubna.

    Wie bisher wurde auch im Berichtsjahr das Simula-tionsprogramm von HERA-B, das auf den LUND-Generatoren zur Erzeugung physikalischer Prozesseund auf GEANT3 zur Detektorsimulation basiert, inZeuthen gewartet und aktualisiert. Dazu gehört vor al-lem die fortlaufende Anpassung der für die Simula-tion benutzten Geometriedaten, die auch für die Re-konstruktion der reellen Daten verwendet werden. DieProduktion simulierter Daten, die für die Analyse ver-schiedener Prozesse benötigt wurden, wurde sowohl inZeuthen als auch in Berlin durchgeführt.

    Das HERMES-Experiment

    Detektorbetrieb und Datennahme

    Die Zeuthener Gruppe hat innerhalb des HERMES-Experiments Verantwortung sowohl für den Betrieb vonDetektorkomponenten als auch für das Gesamtexperi-ment übernommen. Sie stellt im Berichtszeitraum denRunkoordinator, den stellvertretenden Sprecher sowieden Technischen Koordinator des Experiments. Es fin-det eine kontinuierliche Betreuung der mit Beteiligungder Gruppe gebauten Hardware-Komponenten (Drift-kammer einschließlich Gassystem, Photon-Detektoren

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    des RICH Detektors, Triggersystem) statt. Physikerder Gruppe sind aktiv an Entwicklung und Bau ei-nes neuen Detektors (,,Recoil Detector“) beteiligt, mitdessen Hilfe rückwärts gestreute Targetfragmente ver-messen werden sollen.

    Beiträge zur Physikanalyse

    Beim Auftreffen eines im HERA-e Ring umlaufendenElektrons (bzw. Positrons) auf den Kern eines Was-serstoffatoms des HERMES-Gastargets wird zunächstein (virtuelles) Photon erzeugt. Aufgrund der Heisen-bergschen Unschärferelation fluktuiert es kurzzeitig inein Quark-Antiquark-Paar, welches in ein Vektormeson(beispielsweise ein ρ0-Meson) übergeht. Dieses kannüber seine Zerfälle in geladene Teilchen nachgewiesenwerden. Untersuchungen ihres Erzeugungsmechanis-mus sind von großem Interesse, weil sehr verschie-dene theoretische Modellvorstellungen diskutiert wer-den. Der HERMES-Energiebereich deckt gerade dieÜbergangsregion ab zwischen den theoretisch schwererbeschreibbaren Kernanregungen und Mesonaustausch-Prozessen auf der einen Seite, und den im Rah-men der (perturbativen) Quantenchromodynamik rechtgut beschreibbaren Photon-Quark- bzw. Photon-Gluon-Wechselwirkungen auf der anderen Seite.

    Der Vergleich mit HERMES-Daten kann deshalb we-sentlichen Einfluss auf die Gültigkeit der verschiede-nen Modelle haben. Es wurde festgestellt, dass der Er-zeugungsquerschnitt für ρ0-Mesonen abhängt von derrelativen Orientierung der Drehimpulse der einlaufen-den Teilchen. Die sich daraus ergebende Asymmetrieist positiv für ein Wasserstoff-Target, während sie amDeuteron-Target mit Null verträglich ist. Die Abhängig-keit der Photon-Nukleon Asymmetrie von der Bjorken-VariablenxstimmtmitderVorhersagedes ,,GeneralizedVector Meson Dominance“-Modells (GVMD) überein.Dies bedeutet einen Beitrag von ,,di-quark“-Austauschzur Erzeugung von Vektormesonen durch transversalePhotonen.

    Das J/ψ-Teilchen gehört zu den schweren Vektorme-sonen. Es ist der Grundzustand des gebundenen Sys-tems von c- und c̄-Quark. Seine im Vergleich zu ρ0- undφ-Mesonenhohe Masse von fast 3.1GeV ist die Ursachedafür, dass es bei der HERMES-Schwerpunktsenergievon 7.2 GeV quasi ,,an der Schwelle“ erzeugt wird.

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    44.21 / 46J/ψ→e+e-

    MJ/ψ= 3.087±0.006 GeV

    ΓJ/ψ = 0.039±0.004 GeV

    sig: 94

    bgr: 27

    Mee (GeV)

    Eve

    nts

    HERMES preliminary1997–2000

    ndf/2χ

    Abbildung93: Verteilungder invariantenMasse Me+e− .Die Fehlerbalken repräsentieren die statistischen Un-genauigkeiten. Masse und Breite des J/ψ-Mesons sinddas Ergebnis einer Breit-Wigner-Anpassung (Kurve).

    Dazu gibt es bisher nur sehr wenige Daten. Nacheiner Gesamtanalyse aller (polarisierten und unpola-risierten) HERMES-Daten von quasi-reeller Photo-erzeugung der Jahre 1997–2000 wurden sehr klareJ/ψ-Signale in den Zerfallskanälen e+e− und µ+µ−separiert (Abb. 93). Monte Carlo-Generatoren für ver-schiedene Erzeugungsmechanismen erlauben Verglei-che der Formen von Verteilungen in Energie und Streu-winkel. Durch geeignete Anpassungen konnte bestä-tigt werden, dass etwa ein Drittel der bei HERMESerzeugten J/ψ-Mesonen unelastisch und zwei Drittelelastisch, das heißt diffraktiv, erzeugt werden. Dement-sprechend wurden Erzeugungsquerschnitte berechnet,die gut im Bereich der erwarteten Werte liegen. Diesbildet die experimentelle Grundlage für weitergehendeUntersuchungen, aus den J/ψ-Daten von HERMESAussagen zur polarisierten Gluonverteilung zu erhal-ten. Diese wichtige Komponente der Nukleonstrukturkonnte bisher nicht gemessen werden.

    In Zusammenarbeit mit der Theorie-Gruppe wurde eineQCD-Analyse in niedrigster und nächstniedrigster Ord-nung (LO und NLO) für alle verfügbaren Daten der po-larisierten tiefunelastischen Lepton-Nukleon Streuungdurchgeführt. Unter der Annahme von SU(3) Flavour-

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  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

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    1x

    World Data: 3.0 GeV2< Q2< 5.0 GeV 2

    )x(xgp1

    NLO (BB)

    NLO (AAC)

    NLO (GRSV)

    (curves at Q = 4.0 GeV)2

    Abbildung 94: Die im Intervall 3.0 GeV2 < Q2 <5.0 GeV2 gemessene polarisierte Strukturfunktion xgp1als Funktion von Bjorken-x. Die Fehlerbalken ent-sprechen der Summe der statistischen und systema-tischen Ungenauigkeiten (quadratisch addiert). Diedurchgezogene Kurve zusammen mit dem grauen 1 σFehlerband repräsentiert das Ergebnis unserer QCD-Analyse. Zum Vergleich sind auch die Resultate derQCD-Analyse der ,,Asymmetry Analysis Collabora-tion“ (AAC) (gestrichelte Kurve) und von Glück-Reya-Stratmann-Vogelsang (GRSV) (punktierte Kurve) ge-zeigt.

    Symmetrie wurden neue Parametrisierungen der po-larisierten Partonverteilungen ∆uν,∆dν,∆q̄ und ∆Gund erstmalig auch Parametrisierungen der korrelier-ten 1 σ-Fehlerbänder für die Verteilungen angegeben.Die gemessene polarisierte Strukturfunktion gp1 wirddurch diese Analyse sehr gut beschrieben (Abb. 94).Die Evolution der bei Q20 = 4 GeV

    2 bestimmten polari-sierten Partonverteilungen zu Q2-Werten bis zu 10 000GeV2 zeigte, dass ∆G positiv bleibt, während ∆q̄ dieTendenz eines Wechsels vom Negativen zum Positivenbei höherem Q2 und größerem x erkennen lässt.

    Diese Analyse beinhaltete auch eine Bestimmungvon ΛQCD. Daraus ergab sich der Wert für dieKopplungskonstante der starken Wechselwirkung zuαs(M2Z)= 0.114+0.010−0.008. Dieser Wert stimmt im Rahmender Fehler mit dem Weltmittelwert überein.

    Transversale Nukleon-Polarisation erlaubt erstmaligdie Messung der dritten fundamentalen Quarkvertei-lungsfunktion (,,Transversity“), die zur vollständigenBeschreibung der Nukleonstruktur in niedrigster Ord-nung erforderlich ist. Da die HERMES-Messungen derJahre 2002–03 vorwiegend mit transversal polarisier-tem Target durchgeführt werden und auch am CERN(SMC) und BNL (RHIC-Spin) entsprechende Messun-gen in der Planung sind, war die Thematik des beiZeuthen durchgeführten Workshops ,,Tranverse SpinPhysics“ von besonderem Interesse.

    Physiker der Zeuthener Gruppe haben sich aktiv ander Ausarbeitung eines Vorschlags für ein mögli-ches Experiment zur polarisierten Elektron-Nukleon-Streuung unter Verwendung der Infrastruktur des ge-planten TESLA-XFEL beteiligt. Dazu wurden sowohldie zukünftig wichtigen Physik-Schwerpunkte als auchkonkrete Realisierungsmöglichkeiten zur Erreichungder notwendigen sehr hohen Luminosität diskutiert.

    Das L3-Experiment am CERN

    L3 war eines der vier Experimente am SpeicherringLEP im CERN; 12 Jahre lang registrierte der L3-De-tektor Teilchen, die bei der Annihilation von Elek-tronen und Positronen entstehen. Bis zur Abschal-tung des Speicherrings im November 2000 wurdenmehr als 5×106 Ereignisse bei Schwerpunktsenergienvon 89 bis 209 GeV aufgezeichnet. Das Standardmo-dell der elektroschwachen Wechselwirkung wurde mitdiesen Daten umfassend geprüft und sogar auf demNiveau der Strahlungskorrekturen glanzvoll bestätigt.Dennoch gibt es berechtigte Zweifel am fundamentalenCharakter des Modells. Es wäre dann lediglich eine Nä-herung einer allgemeineren Theorie, die im derzeit ver-fügbaren Energiebereich gilt, zumal der ,,Schlussstein“des Modells, das Higgs-Boson, bisher nicht gefundenwurde. Das Higgs-Boson ist die Folge der spontanenSymmetriebrechung, welche den Teilchen ihre Massegibt und die Eichinvarianz des Modells garantiert. Auchin supersymmetrischen Modellen, in denen die bereitsbekannten Teilchen durch supersymmetrische Partnerergänzt werden, um die starre Trennung zwischen Kräf-ten und Teilchen aufzuheben, sind Higgs-Bosonen derSchlüssel zur Existenz von Teilchen mit Massen. Die

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  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    RUN 838103 Event 2352 total energy 204.4

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    1 8

    1 71 6

    1 51 4

    1 3

    1 2

    1 1

    1 0

    9

    ++

    5 2

    ++

    4 3

    ++

    3 8

    ++

    5 3

    ++

    3 9

    ++

    5 1

    ++

    1 4

    ++

    3 3

    ++

    1 7

    ++

    3 7

    ++

    1 2

    ++

    1 6

    ++

    2 9

    ++

    1 0

    ++

    1 1

    ++

    3 0

    ++

    4 9

    ++

    1 5

    ++

    2 8

    ++

    2 1

    ++

    2 6

    ++

    5 8

    ++

    4 1

    ++

    4 8

    ++

    2 7

    ++

    4 6

    ++

    2 3

    ++

    1 9

    ++

    2 2

    ++

    4 7

    ++

    3 6

    ++

    9

    ++

    1 3

    ++

    5 0

    ++

    4 4

    ++

    3 1

    ++

    2 4

    ++

    1 8

    ++

    3 5

    J 1etJet2

    Jet4Jet3

    Abbildung 95: Ein Ereignis im L3-Detektor bei derEnergie von 204 GeV, in welchem ein Higgs-Bosonerzeugt worden sein könnte. Sowohl das assoziierteZ-Boson als auch das Higgs-Boson zerfallen in einQuark-Antiquark Paar. Jedes Quark erzeugt einen Jetvon Hadronen, welche in der Spurkammer und denKalorimetern klar zu erkennen sind.

    LEP-Messungen zusammen mit Ergebnissen von an-deren Beschleuniger-Experimenten liefern zwingendeHinweise, dass das Higgs-Boson im Standardmodelleine Masse von 88+53−35 GeV hat, und dass die Higgs-Masse mit einem Konfidenzintervall von 95% kleinerals 196 GeV ist. Das heißt, es könnten einige wenige Er-eignisse mit den LEP-Detektoren aufgezeichnet wordensein, in denen ein Higgs-Boson erzeugt wurde.

    Über das Standardmodell hinaus gibt es Modelle, dieauch ohne Higgs-Bosonen Teilchen mit Massen be-schreiben können – dazu gehören beispielsweise einigeModelle mit zusätzlichen räumlichen Dimensionen, dieauch die Gravitation in die Theorie einschließen. Wärensolche Modelle in der Natur realisiert, müssten sich Dif-ferenzen zwischen erwarteten und gemessenen Resul-taten feststellen lassen, und das möglicherweise schonbei Energien, die mit dem LEP-Beschleuniger erreichtwurden.

    Die Zeuthener Arbeitsgruppe konzentrierte sich auf dieSuche nach dem Higgs-Boson, auf die Messung desWirkungsquerschnittes der paarweisen Produktion von

    0

    0.2

    0.4

    0.6

    0.8

    1

    1.2

    1.4

    60 70 80 90 100 110

    mh [GeV]

    σ HZ/σ

    HZ

    SM*b

    r(H

    →ha

    dron

    s)

    observedexpected

    Excluded 95% C.L.

    Abbildung 96: Die obere Grenze für den Wirkungs-querschnitt (normiert auf die Vorhersage des Standard-modells) der Higgs-Boson Erzeugung als Funktion derHiggs-Masse.

    Z-Bosonen, auf die Suche nach Abweichungen vonVorhersagen des Standardmodells sowie auf die Suchenach supersymmetrischen Teilchen.

    Die Suche nach dem Higgs-Boson

    Die Daten bei den höchsten je in e+e−-Reaktionen er-reichten Energien um

    √s = 208 GeV wurden nach der

    finalen Detektorkalibration nochmals nach dem Higgs-Boson abgesucht. Im Standardmodell werden Higgs-Bosonen h überwiegend gemeinsam mit dem Z-Bosonerzeugt, e+e− → h Z. Einige wenige Ereignisse, welchedurch Higgs-Bosonen verursacht sein könnten, wur-den auch gefunden, zum Beispiel das in Abbildung 95gezeigte. Die Zahl dieser Ereignisse ist jedoch mitdem Untergrund verträglich. So konnte nur eine untereGrenze für die Masse des Higgs-Bosons von 112 GeVbestimmt werden. Die Suche nach dem Higgs-Bosonwurde dann auf allgemeinere Modelle, wie das super-symmetrische oder Zwei-Dublett Modell, ausgedehnt,

    157

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    welche auch die Paarproduktion von Higgs-Bosonenzulassen. Auch in diesen Ansätzen war die Suche ne-gativ. So wurden weitgehend modellunabhängige Gren-zen für den Wirkungsquerschnitt der Produktion vonHiggs-Bosonen bestimmt (Abb. 96).

    Die paarweise Erzeugung von Z Bosonen, e+e− → Z Z,ist der Erzeugung von Higgs-Bosonen sehr ähnlichund liefert einen irreduziblen Untergrund. Daher istdie Messung von e+e− → Z Z ein sehr wesentlicherTest des Detektors und der Analysetechniken, wel-che in der Suche nach dem Higgs-Boson verwen-det werden. Weit mehr jedoch ist dieser Prozess, derim Standardmodell über den Austausch eines virtuel-len Elektrons im t-Kanal beschrieben wird, als Testdes Standardmodells bei hohen Energien von Be-deutung. Anomale Eichbosonen-Kopplungen, welcheaus Physik jenseits des Standardmodells herrühren,können zusätzliche Beiträge zum Wirkungsquerschnittliefern.

    Die Messung des Wirkungsquerschnitts von e+e− →Z Z erfolgte in allen möglichen Endzuständen. Das Er-gebnis, dargestellt in Abbildung 97, ist in exzellenterÜbereinstimmung mit der Vorhersage des Standardmo-dells. Die gleiche Feststellung gilt für den Subprozesse+e− → Z Z → bb̄ X.

    Abweichungen vom Standardmodell?

    Bleibt die Suche nach neuen Prozessen und Teilchen er-folglos, kann ein Vergleich der Messungmit denVorher-sagen des Standardmodells mögliche Abweichungenaufgrund neuer physikalischer Phänomene aufzeigen.

    Da die Wirkungsquerschnitte von Fermion-Paar-End-zuständen und Vorwärts-Rückwärts-Asymmetrien beider Produktion von Lepton-Paaren bei den verfügbarenhohen Energien und Luminositäten mit Genauigkeitenim Prozentbereich gemessen wurden, können Abwei-chungen der Resultate von den Standardmodellvorher-sagen relativ leicht sichtbar werden.

    Bisher stimmten die Messungen der Wirkungsquer-schnitte und der Vorwärts-Rückwärts-Asymmetrien so-wie das Verhältnis der Wirkungsquerschnitte Rb =σ(e+e− → bb̄)/σ(e+e− → Hadronen) im Rahmen derMessfehler mit den Vorhersagen des Standardmodells

    √s (GeV)C

    ross

    Sec

    tio

    n(p

    b)

    ZZ Data

    ZZ→bbX Datae+e−→ZZ

    e+e−→ZZ→bbXHZ mH=110 GeV

    L3Preliminary >205 GeV

    0

    0.5

    1

    1.5

    2

    170 180 190 200 210

    Abbildung 97: Die Wirkungsquerschnitte für die Pro-zesse e+e− → Z Z und e+e− → Z Z → bb̄X. Die gestri-chelte Kurve zeigt die Erwartung für die Erzeugung vonHiggs-Bosonen.

    überein. Das bedeutet, dass neue Teilchen sehr schwersein oder nur sehr schwach an Fermionen koppelnmüssen, da sie praktisch nicht merklich zu den ge-messenen Prozessen beitragen. Untere Grenzen fürMassen bzw. obere für die Kopplungen von neuenTeilchen wie neutralen, schweren Z-Bosonen oderLeptoquarks wurden bestimmt. Ganz allgemein kön-nen diese Grenzen auch im Rahmen von 4-Fermion-Kontaktwechselwirkungen beschrieben werden, derenWirksamkeit durch einen Parameter, die Energie-skala Λ, erfasst wird. Näherungsweise kann man Λals Verhältnis von Masse zu Kopplung betrachten. DieL3-Resultate zeigen, dass neue Prozesse bis zu ei-ner Energieskala von 2 bis 20 TeV, je nach Wechsel-wirkungsmodell und Fermion-Endzustand der unter-suchten Reaktion, ausgeschlossen sind. Im Rahmeneiner allgemeineren Symmetrie, etwa E(6), ergebendie Daten, abhängig vom Modell, untere Massen-grenzen zwischen 275 GeV und 1.3 TeV für ein zu-sätzliches neutrales Eichboson Z’. Eine Kombina-tion der Resultate aller vier LEP-Experimente schiebtdiese unteren Grenzen auf Werte zwischen 430 GeVund 1.9 TeV.

    Im Standardmodell werden die Teilchen als punkt-förmig angenommen. Sollten sie dennoch Substruk-turen aufweisen, könnte sich das auch in messba-

    158

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    ren Kontaktwechselwirkungen äußern. Dem ParameterΛ entsprechen bestimmte Teilchenradien. Der Radiusvon Leptonen ist kleiner als 1.9×10−19 m und dervon Quarks kleiner als 2×10−19 m. Diese Teilchensind daher im Rahmen unserer Messgenauigkeit punkt-förmig.

    Falls Gravitonen in extra räumlichen Dimensionen exis-tieren, können sie auch Fermion-Paar-Prozesse beein-flussen.ExtraDimensionenmachensich inunserer3+1-dimensionalen Welt höchstens als eine spezielle Artvon Kontaktwechselwirkung bemerkbar, die eine Pro-jektion der zusätzlichen Dimensionen und ihrer funda-mentalen Energieskala auf unsere bekannten Prozessedarstellt. Die Analysen zeigen, dass solche kompakti-fizierten extra Dimensionen bis zu Energieskalen von0.1 TeV nicht nachgewiesen werden können.

    Suche nach SUSY-Teilchen

    Die Suche nach supersymmetrischen (SUSY) Part-nern der Quarks und Leptonen konzentrierte sich aufR-Paritäts-verletzende Zerfälle. Die R-Parität ist eineadditive Quantenzahl für supersymmetrische Teilchen,wobei auch Verletzungen der R-Parität zugelassen wer-den. Es wurde angenommen, dass die supersymmetri-schen Teilchen paarweise unter Erhaltung der R-Paritäterzeugt werden, dass aber bei deren Zerfall die R-Paritätverletzt wird. Dabei wird entweder die Leptonen-zahl oder die Baryonenzahl nicht erhalten. Damit istimmer nur eine der Kopplungen, welche R-Paritäts-verletzende Zerfälle erlauben, ungleich Null. Außer-dem ist das leichteste supersymmetrische Teilchen nichtstabil und zerfällt in die bekannten Teilchen des Stan-dardmodells. Gesucht wurde nach solchen Zerfällen inEndzuständenmit Leptonen, bestimmt durch die Kopp-lung λijk, und in Endzuständen mit Hadronen mit derKopplungλ′′ijk.Bei einer Kopplung größer als 10

    −5 ließesich der jeweilige Zerfall im Detektor beobachten.

    Unter Berücksichtigung aller Daten von√

    s = 192–208 GeV wurden untere Massengrenzen für Neutrali-nos (χ̃01, χ̃

    02, χ̃

    03), Charginos (χ̃

    ±1 ), rechtshändige skalare

    Leptonen (̃R), Sneutrinos (ν̃) und skalare Quarks (q̃)bestimmt:

    Mχ̃01 > 40 GeV,Mχ̃02 > 40 GeV,Mχ̃03 > 40 GeV,

    Mχ̃±1 > 103 GeV,M̃R > 83 GeV,Mν̃ > 149 GeV.

    Die Werte sind vergleichbar mit den bei L3 aus den R-Paritäts-erhaltenden Zerfällen erzielten Ergebnissen. Indiesem Sinne sind die Massengrenzen für supersymme-trische Teilchen unabhängig von Annahmen über dieErhaltung der R-Parität.

    L3cosmics

    Mit Hilfe des Myon-Spektrometers des L3-Detektorsund eines 200 m2 großen zusätzlichen Szintillations-detektors wurden in den Jahren 1999 und 2000 ins-gesamt 11 Milliarden Myonen aus Luftschauern mitImpulsen zwischen 20 und 2000 GeV/c vermessen. Imzweiten Jahr wurde dem Experiment ein Oberflächen-Schauerdetektor hinzugefügt, mit dessen Hilfe Rich-tung und Energie der Luftschauer bestimmt werdenkonnten. 33 Millionen Luftschauer wurden aufgezeich-net. Für etwa ein Drittel dieser Ereignisse wurdengleichzeitig ein oder mehrere Myonen im L3 Myon-Spektrometer registriert. Im Jahr 2001 wurden alleverfügbaren Daten weiter ausgewertet.

    Hauptziel des Experiments ist die präzise Messungdes Impulsspektrums der atmosphärischen Myonen undseine Abhängigkeit von der Ladung der Teilchen, undihres Einfallswinkels. Das Spektrum wurde in diesemJahr im Bereich von 40 bis 1000 GeV/c bestimmt. Dersystematische Fehler wurde dabei auf 7.7% reduziert.Vorarbeiten zeigen, dass eine Halbierung dieses Wertesim nächsten Jahr möglich ist.

    Die präzise Messung des Myonspektrums erlaubtRückschlüsse über den Fluss atmosphärischer Neutri-nos, dessen Kenntnis wichtig ist für die Bestimmungder Neutrino-Oszillationsparameter. Außerdem kön-nen Untergrundprozesse in vorhandenen und geplantenNeutrino-Teleskopen besser verstanden werden.

    Mit Hilfe der Daten des Oberflächen-Schauerdetektorskonnte in diesem Jahr erstmals das Myon-Spektrumin Abhängigkeit von der Energie der primären Luft-schauer vermessen werden. Diese Ergebnisse werdenmit Modellvorstellungen zur chemischen Zusammen-setzung der kosmischen Strahlung verglichen. Es wirderwartet, Aussagen über die Änderung dieser Zusam-mensetzung mit wachsender Primärenergie machen zukönnen.

    159

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    DieL3cosmicsDatennahmeerfolgtebeimaximalerAk-tivität der Sonne im elfjährigen Zyklus. Ein besondersstarker ,,Solar Flare“ wurde am 14. Juli 2000 von Satel-liten und Neutron-Monitoren auf der Erde beobachtet,was die Erzeugung von Protonen mit Energien bis zueinigen GeV bei diesem Prozess bestätigte. Analysender Daten des L3cosmics Experiments ergaben keinenHinweis darauf, dass Protonen noch höherer Energieerzeugt wurden.

    Neutrino-Astrophysik

    Während die Neutrino-Astronomie bei niedrigen Ener-gien durch die Beobachtung von solaren Neutrinosund von Neutrinos aus der Supernova 1987A wohl-etabliert ist, steht der Nachweis von extraterrestrischenNeutrinos mit GeV oder TeV-Energien noch aus. Sol-che Neutrinos dürften zusammen mit hochenergeti-schen kosmischenStrahlen produziert werden, die zwarnachgewiesen wurden, deren Ursprung aber noch im-mer nicht geklärt ist. Im Gegensatz zu den geladenenkosmischen Strahlen behalten Neutrinos ihre Richtungbei; zudem können sie auch aus solchen Regionen desKosmos zu uns dringen, die für Beobachtungen mitelektromagnetischen Wellen verborgen sind.

    Unterirdische Detektoren haben sich als zu klein erwie-sen, um die äußerst schwachen Flüsse von Neutrinosaus Aktiven Galaxien, Gamma Burstern oder binärenSternsystemen nachzuweisen. Das Fenster zu hohenEnergien wird daher erst durch weit größere Anordnun-gen in offenem Wasser oder Eis geöffnet werden kön-nen. Neben der Suche nach extraterrestrischen Neutri-nos widmen sich diese Detektoren so unterschiedlichenFeldern wie der Suche nach dunkler Materie oder nachmagnetischen Monopolen, der Überwachung der Gala-xis auf Supernova-Explosionen oder der Untersuchungvon Neutrino-Oszillationen.

    Die Neutrinoastrophysik-Gruppe in DESY-Zeuthenbeteiligt sich an zwei Experimenten zum Nachweishochenergetischer kosmischer Neutrinos. Das Schwer-gewicht der Aktivitäten liegt bei AMANDA, dem Neu-trinoteleskop am Südpol, und bei seinem Folgepro-jekt, dem kubikkilometer-großen IceCube-Teleskop.Der zweite Detektor ist NT-200 im sibirischen Bai-kalsee. Durch ihre geographisch komplementäre Lage

    ergänzen sich AMANDA und das Baikal-Experiment,diezurZeitmitAbstandgrößtenNeutrinoteleskope. DieRolledeskleinerenNT-200Detektorshat sichdurchdenAusfall der bislang wichtigsten unterirdischen Neutri-noteleskope – MACRO in Italien und Superkamiokandein Japan – entscheidend vergrößert.

    Das hauptsächliche Nachweisprinzip von Teleskopenfür hochenergetische Neutrinos besteht in der Registrie-rung und zweifelsfreien Identifizierung von aufwärts-laufenden Myonen. Nur Neutrinos können den Erdballdurchqueren, und νµs erzeugen in Wechselwirkungenüber den geladenen Strom Myonen. Unterwassertele-skope bestehen auseiner gitterförmigen AnordnungvonPhotomultipliern (PM), mit deren Hilfe das Cherenkov-Licht der Myonen im Wasser registriert wird. Gemes-sen werden Ankunftszeit (mit einer Genauigkeit von1–5 ns) und Stärke der Lichtsignale, woraus Richtungund Energie der Myonen rekonstruiert werden können.

    Eine starke Hochenergie-Neutrinoquelle sind in derAtmosphäre erzeugte Neutrinos. Im Zentrum der ers-ten Analysen steht darum die effektive Identifizierungund korrekte Beschreibung atmosphärischer Neutrinos.Daran anschließend kann nach extraterrestrischen Ur-sprüngen, wie Neutrinos von Punktquellen, Neutrinosbei höchsten Energien oder Neutrinos in zeitlicher Kor-relation mit Gamma Ray Bursts, gesucht werden. BeideExperimente, AMANDA und das Baikal-Experiment,haben nicht nur atmosphärische Neutrinos nachgewie-sen, sondern auch die bisher besten oberen Grenzenfür den Fluss extraterrestrischer, diffus einfallenderNeutrinos gesetzt.

    AMANDA

    Im Falle von AMANDA sind die Photomultiplier tiefin dem 3 km dicken Eisschild, mit dem die Antarktisbedeckt ist, installiert. Die dazu notwendigen Löcherwerden mit einem 80◦C heißen Wasserstrahl in das Eisgeschmolzen.

    Der im Januar 2000 vollendete AMANDA-II Detek-tor besteht aus 19 Trossen (,,Strings“), von denen dieersten vier 1995/96 und die folgenden sechs 1996/97installiert wurden. Dieser aus insgesamt 10 Strings und302 PMs bestehende Detektor wird AMANDA-B10 ge-nannt. 1998/99 folgten drei weitere, und ein Jahr darauf

    160

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    schließlich sechs Strings. AMANDA-II hat eine effek-tive Fläche von 25 000 m2 für 1 TeV-Myonen und istdamit etwa 25-mal so sensitiv wie die größten unter-irdischen Neutrino-Detektoren. Die große Fläche beihohen Energien wird erkauft mit ,,Blindheit“ bei nied-rigen Energien; die Energieschwelle von AMANDAliegt bei etwa 50 GeV.

    Abschließende Resultate der 1997er Daten

    Im vergangenen Jahr wurde die Analyse der 109 Ereig-nisse, die der B10-Detektor im Jahr 1997 über 170 Tagehinweg registriert hatte, abgeschlossen. Die erste undmethodisch wichtigste Analyse betrifft den Nachweisatmosphärischer Neutrinos. Zwei unabhängige Analy-sen, die eine durchgeführt am DESY, die andere inMadison, kamen zu konsistenten Resultaten und fanden223 bzw. 204 Neutrino-Kandidaten. Die Winkelvertei-lung der Myonspuren ist kompatibel mit der Erwartungfür Wechselwirkungen atmosphärischer Neutrinos. Eswerden keine Anzeichen für Punktquellen beobachtet.

    Das wichtigste astrophysikalische Resultat ergibt sichaus der Suche nach diffus einfallenden, extraterres-trischen Neutrinos. Da das erwartete Energiespek-trum härter (E−2) als jenes der atmosphärischen Neu-trinos (E−3.7) ist, kann man aus der Nichtbeobach-tung eines Überschusses von Neutrino-Ereignissen mithoher Energiedeposition eine obere Grenze für dendiffusen Fluss von Neutrinos aus Quellen mit ei-nem E−2-Spektrum ableiten. Die Grenze, die sich ausder in DESY durchgeführten Analyse ergibt, liegtmit dF/dE·E2 < 0.9×10−6 GeVcm−2s−1sr−1 um einenFaktor zwei unter derjenigen oberen Grenze, welchedie Beobachtung von Gamma-Strahlen in Bezug auf diezu erwartenden Neutrinoflüsse setzt (Abb. 98). Darüberhinaus werden einige konkrete Modelle für die Neu-trinoproduktion in Aktiven Galaxien ausgeschlossen.Damit ist der erste Schritt der Neutrino-Astronomieaus dem eher methodischen Stadium in ein astrophy-sikalisch relevantes Gebiet getan.

    Mit AMANDA-B10 wurde eine Reihe anderer Resul-tate gewonnen, darunter Obergrenzen für den Neutri-nofluss aus Punktquellen von im Mittel 10−7 cm−2s−1(unter Annahme eines E−2 Spektrums und Normierungauf eine Schwellenenergie von 10 GeV) sowie für denkumulativen Neutrinofluss von den 88 Gamma Ray

    –4

    –5

    –6

    –7

    –8

    –93 6 9 12 15

    log (E GeV)/)

    srs

    GeV

    cm/)

    E(IE

    log

    (1

    12

    2−

    −−

    neutrons don't escape source

    MACROBaikal NT200

    AMANDA-B10MPR

    W&B

    neutrons escape source

    IceCube (expected)

    atmospheric

    Abbildung 98: Experimentelle Obergrenzen für denFluss extraterrestrischer Neutrinos mit einem E−2-Spektrum im Vergleich zu Grenzen, die unter verschie-denen Annahmen aus dem gemessenen Spektrum kos-mischer Strahlen abgeleitet wurden. Zum Vergleich istdas Spektrum atmosphärischer Neutrinos gezeigt.

    Bursts, die 1997 von dem BATSE-Satelliten im keV-und MeV-Bereich identifiziert wurden, von dN/dE ·E2 < 4×10−4 TeVcm−2. Die Obergenzen für relati-vistische magnetische Monopole, die sich durch sehrhelle Spuren auszeichnen (8300-mal so starke Lichtab-strahlung wie ein minimal ionisierendes Myon) liegenbei 0.62×10−16cm−2s−1sr−1 für β = v/c ≈ 1 und da-mit um einen Faktor 20 unter dem aus astrophysikali-schen Überlegungen abgeleiteten so genannten Parker-Limit. Aus der Nichtbeobachtung eines Überschussesvon Ereignissen aus der Richtung des Erdzentrums wur-den obere Grenzen in Bezug auf die Akkumulationund anschließende Annihilation von supersymmetri-schen ,,Dunkle Materie“-Teilchen in der Erde abge-leitet.

    AMANDA kann wegen des Fehlens optischer Stör-signale im Eis auch kleine Änderungen der Rauschra-ten der Photomultiplier registrieren. Erhöhungen derRauschraten über einige Sekunden könnten durch vieleniederenergetische Neutrino-Reaktionen infolge einerSupernova-Explosion in unserer Galaxis hervorgerufenwerden. Gegenwärtig überwacht AMANDA fast 90%der Galaxis auf Supernovae.

    161

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Abbildung 99: Ereignis-Display eines nahezu horizon-talenNeutrino-Ereignisses indenAmanda-II-DatendesJahres 2000.

    Die gegenwärtige Bearbeitung der AMANDA-B10-Daten der Jahre 1998/99 wird unter anderem in Stock-holm, Uppsala, Brüssel und Philadelphia durchgeführt.

    AMANDA-II

    AMANDA-II mit seinen zusätzlichen neun äußerenStrings kann insbesondere Spuren nahezu horizontaleinfallender Teilchen weit besser rekonstruieren alsAMANDA-B10. Das führt zu einer verbesserten Win-kelakzeptanz und drei bis vier Neutrino-Kandidatenpro Tag. Abbildung 99 zeigt ein nahezu horizontalesNeutrino-Ereignis. Bisher sind von den Daten der Jahre2000 und 2001 etwa 10% analysiert und jeweils knapphundert Neutrino-Kandidaten separiert worden.

    Die erwartete Sensitivität von AMANDA-II auf diffuseFlüsse beträgt dF/dE·E2 ∼ 10−7 GeVcm−2s−1sr−1, derminimal nachweisbare Fluss von Punktquellen ober-halb von 1 TeV wird zu 5×10−11cm−2s−1 berechnet,knapp unterhalb der Obergrenzen, die sich aus Gam-ma-Beobachtungen mit dem Milagrito-Detektor (USA)

    ergeben. Für Quellen mit einem Neutrino-zu-Gamma-Verhältnis größer als eins würde daher ein Nachweisin den Bereich des Möglichen rücken.

    Die Monitorierung von AMANDA hat sich im Ver-gleich zu den Vorjahren wesentlich verbessert. Die Da-tennahme wird in wochenweise auf die Institutionenverteilten Schichten kontinuierlich überwacht. Die Da-ten werden am Pol durch einen Online-Filter geschicktund danach rekonstruiert. Erste Neutrino-Kandidatenstehen damit im Prinzip wenige Tage nach ihrer Auf-zeichnung zur Verfügung. Die Kollaboration hat sichjedoch entschlossen, die gesamte Analyse-Kette fürAMANDA-II anhand von nur 20% der Daten zu ent-wickeln, um bei Schnitten auf die Datenqualität nichtdurch Fluktuationen der endgültigen Datenmenge be-einflusst zu sein. Erste Grenzen aus der vollen Daten-menge werden darum frühestens Mitte 2002 zur Ver-fügung stehen. DESY ist für die volle Prozessierungder 2000er Daten zuständig und konzentriert sich auchbei der Analyse auf das Jahr 2000.

    IceCube

    Vorhersagen für die Neutrino-Flüsse aus astrophysika-lischen Quellen wie Aktiven Galaxien oder GammaRay Bursts legen Detektoren von der Größenord-nung eines Kubikkilometers nahe. Die Sensitivitäts-grenze solcher Detektoren für diffuse Flüsse liegt mitdF/dE·E2 ∼ 0.3×10−8 GeVcm−2s−1sr−1 unterhalb desWaxman-Bahcall-Limits (Abb. 98). Punktquellen, de-ren Neutrinoflüsse zehnfach schwächer sind als dieTeV-Gammaflüsse der Aktiven Galaxie Markarian-501, könnten identifiziert werden. Die Grenzen aufmagnetische Monopole würden um einen Faktor hun-dert verbessert.

    Der geplante IceCube-Detektor soll aus 4800 Photo-multipliern an 80 Strings bestehen, bei 12 m Stringab-stand und 16 m Abstand zwischen den PMs entlangeines Strings. AMANDA-II soll in IceCube integriertwerden (Abb. 100).

    Die PM-Information wird im optischen Modul digi-talisiert und dann über ein elektrisches Kabel an dieOberfläche übertragen. Dieses Konzept wird DigitalerOptischer Modul (DOM) genannt. Die Kollaborationhat sich im März 2001 entschieden, den Weg der op-tischen Analogübertragung der Signale zugunsten des

    162

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Old Pole Station line

    Runway

    Old Pole Station line

    SPASE-2

    AMANDA-B

    AMANDA-II

    IceCube layout

    Dome

    SouthPole

    100 m

    Gridnorth

    Abbildung 100: Draufsicht des IceCube Detektors.Rechts oben Amanda, rechts unten der Pol, die altePolstation und die Landebahn. Der Maßstab neben demPfeil kennzeichnet 100 m.

    DOM-Prinzips aufzugeben. Die entscheidenden Mes-sungen hierfür wurden im Januar 2001 mit einigen derinsgesamt 41 an String No.18 installierten PMTs durch-geführt, für welche sowohl die optische Analogauslesewie auch die Digitalauslese möglich sind. Die voll-ständige Ausleseelektronik für all DOMs an String 18wurde im Sommer und Herbst in Zeuthen gebaut undim Dezember 2001 erfolgreich am Pol installiert.

    Das IceCube-Projekt wurde im Oktober einer letz-ten Begutachtung in den USA unterworfen (,,Hartill-Review“) und von dem Komitee nachdrücklich emp-fohlen. Eine Woche später empfahl auch das DESYPhysics Research Comittee die Teilnahme von DESYan IceCube. Das DESY-Direktorium folgte der Empfeh-lung des PRC. Der gegenwärtige Plan sieht vor, dreiStrings in der Saison 2003/04 zu installieren. DieseSaison dient gleichzeitig als Technologietest für dieneue Heißwasser-Bohranlage. In den Folgejahren sol-len dann bis zu 16 Strings pro Jahr installiert werden,so dass der Detektor im Jahre 2009 fertig gestellt seinkann.

    DESY Zeuthen wird im IceCube-Projekt folgende Auf-gaben und Verantwortlichkeiten übernehmen:

    – Montage und Tests von 1300 DOMs in Zeuthen inZusammenarbeit und gemeinsam finanziert mit denUniversitäten Mainz und Wuppertal,

    – Entwicklung der DAQ für die Optischen Module,

    – eines der zwei IceCube ,,Analysezentren“ für dieProzessierung der experimentellen und der Monte-Carlo-Daten,

    – Beteiligung an der Software-Entwicklung für Ice-Cube.

    Das Baikal-Experiment

    Der Machbarkeitsbeweis für Neutrinoteleskope unterWasser wurde durch das Baikal-Experiment erbracht.Im März/April 1993 wurde die weltweit erste Anord-nung von 36 PMs an drei Trossen installiert und Myon-Spuren räumlich rekonstruiert. Mit diesem Detektorwurden auch die ersten zwei aufwärts laufenden Myo-nen und damit die ersten Neutrino-Kandidaten identifi-ziert. Seit 1998 umfasst das Baikal-Teleskop 192 Pho-tomultiplier an acht Trossen (NT-200) und registriertdurchschnittlich alle drei Tage ein Ereignis mit klarerNeutrino-Signatur. Die Energieschwelle liegt bei etwa10 GeV. Mitarbeiter der Zeuthener Gruppe beteiligensich aktiv an der Datenanalyse des Experiments.

    Die Rolle des Baikal-Experimentes hat sich im letztenJahr auf unvorhergesehene Weise verstärkt. Zum einenwurde im Sommer MACRO (Italien) mit seinen 700 m2

    effektiver Fläche planmäßig abgeschaltet, und im No-vember verlor Superkamiokande, das Flaggschiff derNeutrino-Astronomie (1000 m2 Fläche), durch einenUnfall etwa 2/3 seiner PMs und wird auf ein bis zweiJahre außer Betrieb sein. Damit ist NT-200 gegenwärtigder einzige große Detektor auf der Nordhalbkugel. DieFläche von NT-200 beträgt 2000m2 für 1 TeV-Myonen,im Vergleich zu wenigen hundert Quadratmetern derUntergrunddetektoren SNO, LVD, Soudan und Baksan.

    Zum anderen hat sich herausgestellt, dass mit NT-200eine Obergrenze für diffuse Neutrinos bestimmbar ist,die nur um etwa einen Faktor zwei schlechter istals jene des viel größeren AMANDA-Detektors. DieSuchstrategie zielt nicht auf Myonen ab, die den De-tektor durchqueren, sondern auf elektromagnetischeoder hadronische Schauer in einem sehr großen Vo-lumen unterhalb des Detektors. Dieses Volumen ist umein Vielfaches größer als das geometrische Volumendes Detektors. Eine solche Strategie ist nur in Was-serdetektoren mit ihrer geringen Lichtstreuung, nicht

    163

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    aber im antarktischen Eis möglich. Aus der Nichtbe-obachtung von quasi-punktförmigen Ereignissen mithoher Lichtemission ,,von unten“ konnte eine obereGrenze für den Fluss hochenergetischer, diffus eintref-fender Neutrinos aus Quellen mit einem E−2-Spektrumzu dF/dE·E2 < 1.9×10−6 GeVcm−2s−1sr−1 abgeleitetwerden (Abb. 98).

    Die Kollaboration plant, in den nächsten zwei Jahren dieSensitivität auf diffuse Flüsse um einen Faktor vier zuverbessern. Das soll durch einen moderaten Ausbau umnur 22 PMs an drei Strings geschehen, die in einemAbstand von 70 Metern zu NT-200 angeordnet sind.Dieser NT200+ genannte Detektor wird zusammen mitAMANDA die Grenzen für diffus einfallende Neutrinosverbessern und als Kontroll-Experiment im Falle einespositiven Befundes bei AMANDA dienen können.

    Ehe voraussichtlich im Jahre 2004 das ANTARES-Teleskop im Mittelmeer seinen vollen Betrieb auf-nimmt, übernimmt daher das Baikal-Teleskop eine äu-ßerst wichtige Rolle.

    TheoretischeElementarteilchenphysik

    Theoretische Untersuchungen wurden auf den Gebie-ten der störungstheoretischen Quantenfeldtheorie desStandardmodells und dessen Erweiterungen, der Gitter-Eichtheorie und allgemeiner Aspekte von Quantenfeld-theorien durchgeführt.

    Quantenchromodynamik

    Perturbative Untersuchungen auf dem Gebiet der star-ken Wechselwirkung (QCD) befassten sich mit Fra-gestellungen der unpolarisierten und polarisierten tief-unelastischen Streuung. Im Bereich sehr kleiner Wertevon Bjorken-x werden neue dynamische Mechanismenvermutet, die zu einem Abfallen des Wachstums derStrukturfunktionen führen.

    In einer ersten Analyse konnte gezeigt werden, dass die-ser Effekt mit großer Wahrscheinlichkeit erst außerhalbdes kinematischen Gebietes von HERA eintritt [DESY01-007]. Neben den Screening-Termen wurden auch

    Anti-Screening Beiträge gefunden. Eine Neuberech-nung der anomalen Dimensionen der Transversalitäts-Strukturfunktion wurde mit verschiedenen Methodenvorgenommen, umZweifel, die inderLiteraturgeäußertwurden, zu beseitigen [DESY 01-032].

    Die Messung dieser Größe durch die HERMES-Kollaboration ist geplant. Eine Analyse aller verfüg-baren Daten über Skalenverletzungen der polarisiertenStrukturfunktion wurde in Zusammenarbeit mit Mit-arbeitern der HERMES-Gruppe durchgeführt. Hier-bei wurden erstmals Parametrisierungen der polari-sierten Partondichten mit korrelierten Fehlern, fürdie es ebenso Parametrisierungen gibt, abgeleitet unddie starke Kopplungskonstante αs bestimmt [DESY01-107]. Sowohl in der unpolarisierten (H1, ZEUS)als auch in der polarisierten (HERMES) tiefunelasti-schen Streuung wird nach einer neuen Art der Korrelati-onsfunktionen, so genannter verallgemeinerter Parton-verteilungen, gesucht. Sie können in Nicht-Vorwärts-Streuprozessen gemessen werden. Diese Korrelations-funktionen eröffnen die Möglichkeit, den Bahndreh-impulsanteil der Quarks im Nukleon zu messen. DieStruktur des Streuquerschnittes und dessen Skalen-verhalten wurden für den Fall zusätzlicher Meson-Produktion untersucht [DESY 01-108]. Die für dieNicht-Vorwärtsstreuung entwickelten Techniken derLichtkegelentwicklung konnten erfolgreich auf denProzess der inklusiven diffraktiven Streuung angewandtwerden [DESY 01-072]. Dieser Formalismus gibt erst-malig eine konsequent feldtheoretische Beschreibungdieses Prozesses mit Hilfe der Operatorproduktent-wicklung, die es erlaubt, über die bisher gefundeneTwist-2 Faktorisierung auch systematisch Korrekturenhöheren Twists zu behandeln. Mit ähnlichen Methodenwurden hadronische Zerfälle von B-Mesonen beschrie-ben [DESY 01-135]. QCD-Techniken wurden auf dieBerechnung elektromagnetischer radiativer Korrektu-ren angewandt. Arbeiten zu Produktionseigenschaftenvon Leptoquarks an Hochenergiebeschleunigern wur-den fortgesetzt.

    Elektroschwache Theorie

    Ein weiterer Forschungsschwerpunkt war die Berech-nung von Vorhersagen für Prozesse an den Beschleu-nigern LEP und DAΦNE sowie für das Projekt Linear-Collider TESLA. Erwähnt seien das Studium der ν̄νγ-

    164

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Produktion bei LEP2 [hep-ph/0110371] sowie eine ver-gleichende Studie des Potentials von LHC und TESLAzur Suche nach flavour-verletzenden neutralen Top-Quark-Kopplungen [hep-ph/0102197]. Mehrere Bei-träge aus der Arbeitsgruppe wurden für den physika-lischen Teil des Technical Design Reports (TDR) desTESLA-Projekts erarbeitet [hep-ph/0106315].

    Auch die Projekte zu Strahlungskorrekturen höhererOrdnung und allgemeineren Strukturuntersuchungenwurden intensiv weiterbearbeitet. Es wurde mit demAufbau eines Projektes zur systematischen Untersu-chung von Korrekturen höherer Ordnung der Störungs-theorie begonnen, das auf dem in Dubna und Biele-feld entwickelten Programm DIANA basiert und dieeffektive Berechnung von Observablen mit Beiträgenvon vielen Feynman-Diagrammen ermöglicht. Eine derAnwendungen ist die Top-Quark-Paarproduktion, eineandere sind Multileg-Prozesse in der QCD.

    Zum ersten Mal wurden die hadronischen Beiträge zumanomalen magnetischen Moment (g–2) des Myons überdie Adlerfunktion im Euklidischen (t-Kanal) berechnet[DESY 01-028]. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt inder wesentlich zuverlässigeren Kontrolle des Gültig-keitsbereichs der perturbativen QCD. Präzise theoreti-sche Voraussagen für das magnetische Moment (g–2)des Myons sind durch das neue, wesentlich präzisere ex-perimentelle Resultat aus Brookhaven zu Beginn diesesJahres von höchstem Interesse. In diesem Zusammen-hang wurden auch wesentlich verbesserte Berechnun-gen der Strahlungskorrekturen zur niederenergetischenHadronproduktion bei DAΦNE veröffentlicht [DESY00-163]. Die Ergebnisse werden mittlerweile von ex-perimentellen Gruppen bei DAΦNE/Frascati und beiVEPP-2M/Novosibirsk zur Datenanalyse herange-zogen.

    Wichtige Ergebnisse zur Physik bei TESLA konntenin zwei verschiedenen Projekten erzielt werden: Zumeinen konnten die Berechnungen zur Photonabstrah-lung in der Vier-Fermion Produktion für massive Fer-mionen für alle Kanäle abgeschlossen werden [DESY01-143]. Einzelne Kanäle weisen auf dem Born-Niveauüber tausend Feynman-Diagramme auf. Entsprechendschwierig war es, numerisch zuverlässige und zu-gleich effiziente Computer-Programme zu entwickeln.Wesentlich aufwendiger war die erstmalige Berech-nung der vollständigen bosonischen Zweischleifen-Korrekturen zu den Massen des W- und Z-Bosons

    [DESY 01-067]. Dabei ging es um die Berechnungeiniger tausend sehr komplizierter Feynman-Integrale.Die Korrekturen stellen sich als wesentlich heraus undkönnen dazu beitragen, die indirekten Higgsmassen-Schranken zuverlässiger zu bestimmen. Eine wei-tere Untersuchung betraf die genauere Berechnungder effektiven Feinstrukturkonstanten bei TESLA-Energien [DESY 01-029]. Hier wurden auch grund-sätzliche Probleme diskutiert, welche durch die nicht-Abelschen Beiträge (W-Paare) hervorgerufen werden.Die W Paarproduktion bei RHIC wurde untersucht[DESY 01-098].

    Gitter-Eichtheorie

    Die ALPHA-Kollaboration untersuchte mittels ausge-dehnter numerischer Simulationen die Energieabhän-gigkeit der starken Kopplung in der QCD mit zwei mas-selosen Quarks [DESY 01-052]. Nach den bisherigenvorläufigen Ergebnissen sind die durch die Diskreti-sierung der Raum-Zeit eingeführten Fehler etwa vonder erwarteten Größenordnung, und die erzielten Resul-tate sollten daher nahe am Kontinuumsverhalten liegen.Die perturbative Energieabhängigkeit wurde für großeWerte der Energie bestätigt, während sich für Energienunterhalb von 1 GeV deutlich Abweichungen von derStörungstheorie ergeben.

    In einer verwandten Studie, jedoch in der Theorie ohnedynamische Quarks, wurde die starke Kraft zwischenstatischen Quarks im Abstandsbereich von 0.05 bis0.7 fm berechnet. Es zeigte sich, dass die Kraft bis zuAbständen von ungefähr 0.25fm durch Störungstheorierecht gut beschrieben wird. Die Bestätigung der An-wendbarkeit der Störungstheorie in diesem Fall ist vonBedeutung für die Vorhersage des Top-Antitop Wir-kungsquerschnitts bei TESLA. In der Nähe der Pro-duktionsschwelle lässt sich das Top-Antitop Systemals nichtrelativistisch betrachten. Seine Dynamik istdann wesentlich durch das (perturbativ zu berechnende)Potential bestimmt.

    Die Beschreibung schwerer Quarks ist auf dem Git-ter mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Dernaheliegende Zugang einer Entwicklung in 1/MQuarkwar bisher mit erheblichen perturbativen Unsicher-heiten behaftet. Insbesondere kann bei perturbativer

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  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Behandlung der Renormierung in vielen Fällen ein sys-tematischer Kontinuumslimes nicht durchgeführt wer-den. Hier konnte ein konzeptioneller Fortschritt erzieltwerden. Mit Hilfe einer neuen Strategie lässt sich dasProblem komplett umgehen [DESY 01-140]. Anhanddes Beispiels der Berechnung der b-Quarkmasse konntedemonstriert werden, dass sich die Strategie in nume-rischen Rechnungen erfolgreich umsetzen lässt.

    Allgemeine Feldtheorie

    Die Untersuchungen von doppelt-periodischen Instan-tonen wurden weitergeführt und die ,,Monopol Konsti-tuenten“ als ,,soft zero-modes“ der Nahm-Gleichungidentifiziert.

    Durch Inversion der symplektischen Form der SL(2,R)-Wess-Zumino-Novikov-Witten (WZNW)-Theoriewur-den die chirale und anti-chirale ,,Poisson bracket alge-bra“ und daraus erstmals kausale ,,Poisson brackets“für nicht-gleichzeitige physikalische Felder hergelei-tet. Hamiltonreduktion erlaubte es, die entsprechendenStrukturen der zugehörigen Coset-Theorien, nämlichder Liouville-Theorie bzw. der SL(2,R)/U(1)-ModelleSchwarzer Löcher, zu deduzieren. Mit einem Moyal-Formalismuswurdeeine fürnicht-lineareTheorienneu-artige Quantisierung der Liouville-Theorie realisiert,die eine natürliche Berechnung von Korrelationsfunk-tionen für geeichte WZNW-Theorien ermöglicht.

    Internationale Zusammenarbeit

    Gegenwärtig arbeitet der Bereich Theorie in vier TMR-Netzwerken der Europäischen Union mit. Diese sind:

    – EURODAPHNE: ,,High Precision Elementary Par-ticle Physics at the φ Factory DAΦNE“,

    – Quantum Chromodynamics and the Deep Structureof Elementary Particles,

    – Hadron Phenomenology from Lattice QCD,

    – Particle Physics Phenomenology at High EnergyColliders.

    Außerdem besteht ein INTAS Projekt: ,,Integrability inStatistical Physics and Quantum Field Theories“.

    Die Zusammenarbeit mit dem JINR Dubna wurdeauch in diesem Jahr durch die Heisenberg-LandauStiftung unterstützt. Das Deutsch-Georgische Koope-rationsprojekt Integration und Quantisierung nicht-nilpotenter geeichter Wess-Zumino-Novikov-WittenkonformerFeldtheorienwurdevonderDFGunterstützt.

    Die ALPHA-Kollaboration, an der Wissenschaftler derUniversitäten HU Berlin, Münster, Milano, Rom II undder Institute CERN, MPI München beteiligt sind, wirdvon Zeuthen aus koordiniert.

    Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit den Institu-ten für Theoretische Physik der Humboldt UniversitätBerlin und der Universitäten Leipzig und Bielefeld.

    APE Projekt / Entwicklungvon Parallelrechnern

    DESY stellt im Rahmen des John von NeumannInstituts für Computing (NIC), das gemeinsam mitdem Forschungszentrum Jülich betrieben wird, denAnwendern aus der Gittereichtheorie Rechenzeit aufspeziellen Parallelrechnern vom Typ APE (Array Pro-cessor Experiment) zur Verfügung. Bei diesen Rech-nern handelt es sich um massiv parallele Computer,die speziell für Rechnungen in der theoretischen Ele-mentarteilchenphysik optimiert wurden. Diese Rech-ner werden in Zusammenarbeit mit Projektgruppendes INFN (Italien), Mitarbeitern der Theoriegruppeund der Forschergruppe Teilchenphysik des NIC ent-wickelt.

    Im Dezember 2001 wurde am DESY Zeuthen die In-stallation der neuen Supercomputer vom Typ APEmilleabgeschlossen. Die Installation umfasst über 1000 Pro-zessoren, die zusammen in jeder Sekunde mehr als 500Milliarden Gleitkomma-Operationen durchführen kön-nen (Abb. 90). Verbunden sind sie durch ein leistungs-fähiges Netzwerk. Der Zugang zu diesen Spezialrech-nern ist realisiertdurcheinNetzwerkvonmarktüblichenPCs, die mit dem Betriebssystem Linux operieren. Un-geachtet einiger Anlaufschwierigkeiten sind die Erfah-rungen mit den neuen Systemen sehr positiv: Ähnlichwie die vorhergehende Rechnergeneration, APE100,zeichnet sich auch die APEmille durch hohe Stabilitätaus.

    166

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Die enorme Rechenleistung, wie sie eine große APE-mille Installation bietet, wird benötigt, um numeri-sche Simulationen von Feldtheorien durchzuführen.Die Rechenzeit wird über das NIC der Forschungzur Verfügung gestellt. Aktuell sorgen vier interna-tionale Forschungskooperationen für eine hohe Aus-lastung dieser Computer. Von den Anwendern werdengewaltige Rechenleistungen benötigt. So bestand aufder Konferenz Lattice 2001 unter den Teilnehmern ei-ner Podiumsdiskussion Einigkeit darüber, dass mittel-fristig Supercomputer mit einer Rechenleistung vonetwa 10 TFlops zur Verfügung stehen sollten. Langfris-tig benötigt die internationale Gittergemeinschaft Ma-schinen mit Rechenleistungen in der Größenordnungvon 100 Tflops, um präzise Ergebnisse bei bestimmtenProblemen in der QCD zu erreichen.

    Um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, hat DESY imJahr 2001 mit dem INFN und der Université Paris-Sudeine Kooperationsvereinbarung geschlossen zur Ent-wicklung des Nachfolgesystems apeNEXT. Bis Ende2001 wurde das Design aller wichtigen Komponentendieses neuen Supercomputers fertig gestellt. DasHaupt-augenmerk der bisherigen Entwicklungsarbeit galt demneuen Prozessor. Im Unterschied zu APEmille wurdenalle wesentlichen Funktionen in einem Chip zusam-mengefasst. Entsprechend aufwendig gestaltete sich dieÜberprüfung der Leistungsfähigkeit und der korrektenFunktionalität des neuen Prozessors.

    An dieser Arbeit war die Zeuthener APE-Gruppe maß-geblich beteiligt. Gleich 16 dieser Prozessoren werdenbeim neuen Rechner auf ein einzelnes Board platziert,um weiterhin eine sehr kompakte Bauweise zu ermögli-chen. Anders als beim Vorgänger werden bei apeNEXTnicht mehr alle Prozessoren strikt im gleichen Takt diegleichen Operationen ausführen. Vielmehr wird ihreArbeit nur noch von Zeit zu Zeit beim Austausch vonDaten synchronisiert. Nachdem mit dem Abschluss desDesigns ein weiterer Meilenstein erreicht wurde, istdas nächste große Ziel die Inbetriebnahme des erstenPrototyprechners zum Jahresende 2002.

    NIC bei DESY Zeuthen

    DESY Zeuthen beherbergt seit Oktober 2000 die For-schergruppe Elementarteilchenphysik des John vonNeumann Instituts für Computing (NIC). Das NIC ist

    eine Einrichtung, die gemeinsam vom Forschungszen-trum Jülich und DESY getragen wird und die Forschern,die sich mit wissenschaftlichem Rechnen befassen undinsbesondere numerische Simulationen durchführen,die hierfür notwendige Rechenleistung zur Verfügungstellt.

    Das NIC unterhält außerdem Forschungsgruppen, diein den Bereichen Elementarteilchenphysik und Viel-teilchenphysik arbeiten.

    Das Forschungsprogramm der NIC-Gruppe konzen-triert sich auf Untersuchungen in der Quantenchromo-dynamik (QCD) als dem allgemein akzeptierten Mo-dell der starken Wechselwirkung. Ziel der Forschungist es, mittels ab initio Rechnungen Vorhersagen ausder QCD abzuleiten, ohne auf zusätzliche Approxima-tionen oder Annahmen zurückgreifen zu müssen.

    Die Forschungsaktivitäten der NIC-Gruppe sind rechtvielfältig und umfassen die Entwicklung von innovati-ven theoretischen Konzepten, die Verbesserung von Al-gorithmen und die Entwicklung von speziellen Höchst-leistungsrechnern. Erst das Zusammenspiel dieser dreiAspekte kann schließlich erwarten lassen, präzise Vor-hersagen der QCD zu bekommen und damit Interpreta-tionen der Experimente zu leisten. Dabei erleben wir imMoment einen Umbruch in der Gittereichtheorie: diePhysiker gehen mehr und mehr dazu über, die bishermeist verwendete Valenzquark-Approximation hintersich zu lassen und in der vollen Theorie zu arbeiten,was wegen des enormen Mehraufwandes an Rechen-zeit erst durch die jetzige Rechnergeneration ermöglichtwird.

    Forschungsschwerpunkte

    Fundamentale Parameter der QCD:Die QCD ist auf dem Niveau der Quarkfelder durchihre Parameter, die Kopplungskonstante und die Quark-massen, gegeben. Bei der Bestimmung dieser funda-mentalen Größen wurden erste Schritte unternommen,um die Rechnungen in der vollen Theorie vorzuneh-men. Dies bedeutet einen qualitativen Fortschritt. Rech-nungen wurden von der ALPHA- und der QCDSF-Kollaboration durchgeführt.

    Chiral invariante Formulierungen der QCD:Lange Zeit waren die wichtige chirale Symmetrie dermasselosen QCD und das Gitter unvereinbar. Erst seit

    167

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    –0.7

    –0.75

    –0.8

    –0.85

    –0.9

    0.0001 0.001 0.01 0.1

    13

    1a

    )am(

    ±=ν−

    Σ

    (am)

    48

    410412

    1Vm =Σ

    412 48

    Abbildung 101: Das skalare Kondensat als Funktionder Quarkmasse, berechnet in unterschiedlichen Vo-lumina. Die durchgezogene Linie ist die analytischeVorhersage aus der chiralen Störungstheorie.

    relativ kurzer Zeit ist bekannt, wie die chirale Symme-trie auf dem Gitter realisiert werden kann. Die NIC-Gruppe beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit chi-ral invarianten Formulierungen der QCD. So gelanges, auf dem Gitter das Phänomen der spontanen chi-ralen Symmetriebrechung zu demonstrieren und einnicht-perturbativ renormiertes skalares Kondensat zuberechnen (Abb. 101). Allerdings bleiben diese Rech-nungen zur Zeit auf die Valenzquark-Approximationbeschränkt.

    Strukturfunktionen und Hadron-Spektrum:Die mit dem experimentellen Physikprogramm vonDESY eng verknüpfte Untersuchung von Strukturfunk-tionen auf dem Gitter wird innerhalb der NIC-Gruppemit zwei unterschiedlichen, sich gegenseitig ergänzen-den Zugängen durchgeführt. Es erweist sich hierbei,dass Ergebnisse, etwa der mittlere Impuls in einem Nu-kleon für einen Twist-2 nicht-singulett Operator, in der,,quenched“ Approximation nur sehr schwer mit expe-rimentellen Daten zu vereinbaren sind. Die QCDSF-Kollaboration hat sich intensiv mit der Berechnungdes Hadron-Massenspektrums beschäftigt. BesondereAufmerksamkeit wurde den Formfaktoren sowie Mo-

    0.04

    0.03

    0.02

    0.01

    0.00

    –0.01

    –0.020.00 0.02 0.04 0.06 0.08 0.10

    a (fm)

    )(

    d 2µ

    Abbildung 102: Die Strukturfunktion d2. Offene Sym-bole repräsentieren das Proton, volle Symbole das Neu-tron. Die Werte bei a = 0 stellen die experimentellgemessenen Werte dar.

    menten von polarisierten und unpolarisierten Struktur-funktionen des Nukleons gewidmet (Abb. 102) [hep-lat/0012010, DESY 00-144, 153, 168, 01-110, 169].Die Rechnungen werden seit kurzem auch auf Konfi-gurationen ausgedehnt, die in der vollen Theorie mitdynamischen Quarks gewonnen wurden. Dies geschahin enger Zusammenarbeit mit der britischen UKQCD-Kollaboration.

    Confinement, Monopole und Topologie:Es wird allgemein vermutet, dass Phänomene wie,,Confinement“ und chirale Symmetriebrechung engkorreliert sind mit topologischen Strukturen derEichfeldkonfigurationen (Instantonen, Monopole). DieNIC-Gruppe und hier insbesondere QCDSF hattraditionell ein Interesse an Untersuchungen derchiralen Symmetriebrechung und dem Confinement-Problem [DESY 00-161]. Erste Untersuchungen zei-gen deutliche Unterschiede zwischen der QCD in derValenzquark-Approximation und der vollen Theorie[DESY 01-209, 211]. Durch exakte Ungleichungen fürErwartungswerte von Wilsonschleifen konnte, im Ge-gensatz zu einer herkömmlichen naiven Betrachtungs-weise, gezeigt werden, dass man Vortizes von beliebi-ger Dicke benötigt, um ein lineares Quarkpotential zuerzeugen [DESY 01-208, 210].

    168

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Präzisionsstudien von zwei- und dreidimensionalenSpinmodellen:Niedrig-dimensionale Spinmodelle haben eine eigen-ständige Relevanz im Rahmen der Statistischen Physik.Die NIC Gruppe hat sich mit hochpräzisen Rechnungenin Spinmodellen beschäftigt und kritische Exponentenmit hoher, bisher unerreichter Genauigkeit bestimmt[DESY 01-074, 154, 156, 193].

    QCD bei endlicher Temperatur:Durch den Einsatz neuer statistischer Methoden kanneine Spektralanalyse vorgenommen werden, bei der dieTemperaturabhängigkeit von hadronischen Parameterndurch Veränderungen der Spektralverteilung sichtbarwird. Erste vorläufige Untersuchungen ergaben Hin-weise auf mögliche Modifikationen bereits unterhalbder Temperatur des erwarteten Phasenübergangs zumQuark-Gluon Plasma. Selbst bei sehr hohen, expe-rimentell erreichbaren Temperaturen wurden Abwei-chungen vom Verhalten freier Quarks und Gluonenbeobachtet [DESY 01-153, 175].

    Algorithmenverbesserung:Simulationen mit dynamischen Quarks stellen für dieGittereichtheorie die große Herausforderung in dennächsten Jahren dar. Die Suche nach besseren Algorith-men wird deshalb ständig weitergeführt und die NIC-Gruppe beteiligt sich intensiv an diesen Studien. Imvergangenen Jahr wurde ein Vorschlag entwickelt, derdas Potential besitzt, die Algorithmen insbesondere inSimulationen bei kleiner Quarkmasse zu beschleunigen[DESY 01-103, 155]. Bisher erzielte Ergebnisse legennahe, dass zumindest ein Faktor zwei an Geschwindig-keit gegenüber herkömmlichen Algorithmen möglichist.

    Rechnerentwicklung:Die NIC-Gruppe beteiligt sich an der Entwicklung, derInstallation und dem Betrieb von speziell auf Anwen-dungen in der QCD ausgerichteten APE Rechnern.Für eine detailliertere Diskussion dieser massiv par-allelen Systeme siehe den Bericht der APE Gruppe(Seite 166).

    Neben den in Eigenbau entwickelten APE-Rechnernversucht die NIC-Gruppe, Erfahrung mit handelsüb-lichen PC-Clustersystemen zu gewinnen. Dazu wirdin Zeuthen ein 16 Knoten System mit Intel DualXeon 1.7 GHz Prozessoren und schnellem Myri-net 2000 Kommunikationsnetzwerk aufgebaut. Ver-

    schiedene Physik-Applikationen werden es erlaubenherauszufinden, ob solche Systeme tatsächlich fürGittereichtheorie-Rechnungen geeignet sind.

    Internationale Zusammenarbeit

    Forscher der NIC-Gruppe sind beteiligt an der ALPHA-und der QCDSF-Kollaboration, die europaweit ver-netzt sind. Es gibt zudem enge Zusammenarbeiten mitGruppen am CERN, in Rom und Marseille.

    Die NIC-Gruppe ist momentan an zwei europäischenProjekten beteiligt:

    – ,,Hadron Physics and Vacuum Structure from Lat-tice QCD“:Die Gruppe ist Koordinator dieses durch dieAlexander-von-Humboldt-Stiftung, das Landau unddas INTAS Programm geförderten Projekts, das derZusammenarbeit und dem wissenschaftlichen Aus-tausch mit Ländern aus Osteuropa (Polen, Russlandund Bulgarien) dient.

    – ,,Hadron Phenomenology from Lattice QCD“:Dieses Netzwerk dient der Förderung der Gitter-physik auf europäischer Ebene. Es wird ein be-sonderes Augenmerk auf die Studentenausbildunggelegt.

    Arbeiten zum TESLA-Projekt

    Die Arbeiten zu TESLA haben drei Schwerpunkte :

    – Studien zur Physik und Detektorentwicklung,

    – Entwicklung von Diagnose-Elementen für dieTESLA Test Facility (TTF),

    – Aufbau eines Photoinjektor-Teststandes.

    Physik und Detektor bei TESLA

    Im Frühjahr 2001 wurde der Technical Design Report(TDR) für den Linear-Collider TESLA fertig gestelltund der Öffentlichkeit vorgestellt. Zeuthener Physikerhaben sehr aktiv hierzu beigetragen. Folgende Studienzum TDR wurden in Zeuthen durchgeführt:

    169

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    – Physikalische Analysen zum Higgs-Boson des Stan-dardmodells und zur Top-Quark Erzeugung im Ener-giebereich von 300 bis 500 GeV. Zum Beispielwurde gezeigt, dass Spin und Parität des Higgs-Bosons eindeutig bei TESLA gemessen werdenkönnen.

    – Studien der zwei-Fermion Produktion bei hohenEnergien und Interpretation im Rahmen von Physikjenseits des Standardmodells,

    – Studie von Stop- und Sbottom-Produktion im Rah-men supersymmetrischer Modelle,

    – die Messung der Top-Yukawa Kopplung bei 500 und800 GeV, basierend auf der Option hoher Lumino-sität von TESLA,

    – Studien zur elektroschwachen Physik mit der,,GigaZ“ Option des Linear-Colliders,

    – Software-Entwicklungen zu den Detektorsimulati-onsprogrammen BRAHMS und SIMDET,

    – Entwicklung eines Detektor-Grafik Programms,

    – Untersuchungen zur Optimierung der Spurrekon-struktion geladener Teilchen unter besonderer Be-rücksichtigung des Vorwärtsbereichs,

    – Energieunschärfe des Strahls mit Hilfe von Bhabha-Streuung,

    – Untersuchungen zur Messung der Strahlpolarisa-tion,

    – Abschätzung des Myon-Untergrundes im Detektorund Möglichkeiten seiner Unterdrückung.

    Die Physikstudien werden auch nach Beendigungdes TDR fortgesetzt. Im Rahmen dieser Studiensind Zeuthener Physiker als Koordinatoren der Ar-beitsgruppe ,,Electroweak Interactions“ innerhalb derECFA/DESY Workshopserie und in der Weltstudie be-teiligt.

    Nach Abschluss des TDR wurden in Zeuthen zwei wei-tere Aktivitäten in Zusammenhang mit TESLA begon-nen: die Entwicklung eines Kalorimeters im Bereichder Strahlmaske des TESLA-Detektors sowie Arbeitenfür einem Photon-Collider bei TESLA.

    Gemeinsam mit dem Institut für Kernphysik der Staats-universität Moskau wurden weitere Untersuchungenzur Auslotung der physikalischen Möglichkeiten einese+e−-Linear-Colliders im Energiebereich von 0.5 bis

    1 TeV durchgeführt. Insbesondere wurde das Potenzialder einfachen Top-Quark Erzeugung zur BestimmungderEigenschaftendesTop-Quarks inAbhängigkeitvomAnfangszustand (e+e−, e−e−, e−γ oder γγ) untersucht.

    Die Analysen zur Messung des Verzweigungsver-hältnisses vom Higgs-Boson des Standardmodells inzwei Photonen, BR(H → γγ), wurden abgeschlossenund publiziert. Mit der Annahme von 1 ab−1 inte-grierter Luminosität und geeignet gewählten e+e−-Polarisationszuständen ist BR(H → γγ) mit einem Feh-ler von 10% messbar.

    Untersuchung zur Instrumentierungder Strahlmaske des TESLA-Detektors

    Im Berichtszeitraum wurden Arbeiten begonnen mitdem Ziel, eine optimale Lösung für die Instrumentie-rung im Bereich der Strahlmaske des TESLA-Detektorszu finden Dies schließt sowohl Hardware-Arbeitenals auch Monte Carlo-Studien ein. Wie aus Abbil-dung 103 hervorgeht, sind im Bereich der Maskezwei Kalorimeter mit unterschiedlichen Funktionenund möglicherweise unterschiedlichen Technologienuntergebracht. Mit dem Kleinwinkel-Detektor (LAT)soll mittels Kleinwinkel-Bhabhastreuung die Lumi-nosität von TESLA präzise gemessen werden. DasKleinwinkel-Kalorimeter (LCAL) befindet sich bereitsso dicht am Strahl, dass es von einer großen Mengeniederenergetischer Elektronen und Positronen aus derBeamstrahlung getroffen wird (etwa 20 TeV pro Kolli-sion). Mit Monte Carlo-Studien konnte gezeigt wer-den, dass trotz dieses enormen Untergrundes Hoff-nung besteht, einzelne hochenergetische Elektronen,wie sie zum Beispiel in Zwei-Photon-Streuung entste-hen, nachzuweisen.

    Erste Studien zu den möglichen Technologien wur-den begonnen und sollen mit Prototypfertigungen undTestmessungen fortgesetzt werden.

    Arbeiten für den Photon-Collider

    Im TESLA TDR wird die mögliche Realisierung ei-nes Photon-Colliders diskutiert. Zur Erzeugung deshochenergetischen Photonenstrahls wird ein Laser ei-nige Millimeter vor dem Wechselwirkungspunkt mit

    170

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Vertexdetector

    FTD

    297

    mm55.5 m

    rad

    83.1 mrad

    27.5 mrad

    3000 mm

    LAT

    LCAL

    Tungsten shield

    Graphite

    IP

    Quadrupole

    Abbildung 103: Die vorgeschlagene Maske im Vorwärtsbereich des TESLA-Detektors.

    dem Elektronenstrahl zur Kollision gebracht. DurchCompton-Streuung werden dann Photonen mit maxi-mal 80% der Elektronenergie erzeugt, die im Wechsel-wirkungspunkt kollidieren. Dieser Prozess ist in Abbil-dung 104 skizziert. Im Anhang des TDR wurde die prin-zipielle Möglichkeit dieses Colliders aufgezeigt undeine vorläufige physikalische Motivation gegeben. Inden nächsten zwei Jahren sollen nun die technischeMachbarkeit und die physikalische Motivation genaueruntersucht werden.

    Das vielleicht schwierigste Problem beim Photon-Collider ist der Bau des benötigten Lasers. Um einehohe Luminosität zu erhalten, benötigt man Laserpulsevon etwa 5 J Energie, einer Pulslänge von 1–2ps und ei-ner Wiederholfrequenz von etwa 10 kHz, angepasst andie Pulsstruktur von TESLA. Die Laserleistung kannum etwa einen Faktor 100 reduziert werden, wennman den Laserpuls in einem Resonator hoher Gütespeichert. Ein solcher Resonator soll nun in Zusam-menarbeit zwischen dem Max-Born-Institut (Berlin)und DESY-Zeuthen entwickelt werden. In diesem Jahrwurden erste Vorstudien begonnen.

    Zeuthener Physiker beteiligen sich auch an den Physik-Studien zum Photon-Collider. Der wohl interessantesteProzess beim Photon-Collider ist die Higgs-Boson Pro-duktion. Wenn ein leichtes Higgs-Boson existiert, so istderProzessγγ → H bb̄messbar,unddieRate istpropor-tional zur photonischen Partialbreite des Higgs-Bosons.Da die Higgs-Kopplung ans Photon nur über Schleifen-diagramme erfolgt, ist diese Größe besonders sensitivauf neue Physik. Eine detaillierte Studie zur Higgs-Boson Produktion unter besonderer Berücksichtigungder Detektoreffekte wurde in Zeuthen begonnen.

    Entwicklung von Diagnose-Elementen

    Für die 1.57 GHz Cavity-Monitore in den Beschleuni-gungsmodulen bei TTF wurden drei weitere Elektronik-Module, basierend auf dem am weitesten entwickeltenModul, aufgebaut, vermessen und für den Einsatz beiTTF vorbereitet. Die erzielten Resultate waren zufrie-denstellend, so dass drei weitere Module für die zweiteAusbaustufe von TTF-FEL in Vorbereitung sind.

    171

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    electronbunch

    laser

    0.1–1 cm

    IPe

    e

    γ γ

    Abbildung 104: Prinzip der Erzeugung hochenergetischer Photonen im Photon-Collider.

    Die 12 GHz Cavity-Strahllagemonitore in den Dia-gnostik-Stationen zwischen den Undulatormodulen derTTF wurden getestet. Dabei zeigte sich, dass die Re-sonanzfrequenzen der Resonatoren zum Teil erheblich(bis zu 96 MHz) vom Sollwert von 12.025 GHz abwei-chen. Die Ursache dafür ist in der Schwierigkeit zusehen, den Durchmesser des Resonators mit einer Ge-nauigkeit besser als 5 µm zu fertigen. Für zwei der vierMonitore wurden akzeptable Abweichungen gefunden,so dass nur für diese ein guter Frequenzarbeitspunktexistiert, und somit eine hinreichend genaue Strahl-koordinatenbestimmung möglich ist. Ausgehend vonersten systematischen Untersuchungen an diesen bei-den Monitoren musste zum Beispiel nach auftretenderSättigung bei Strahlladungen von mehr als 2 nC undrelativ großen Unterschieden in den vier Kanälen ei-nes Monitors eine Überarbeitung der Analogelektronikim Sommer 2001 vorgenommen werden. Es ist vorge-sehen, den neuen Dynamikbereich der Elektronik unddie Auflösung der Monitore zu bestimmen.

    Nach Einsatz der Elektronik mit asynchroner Dioden-Demodulation für die so genannten Wellenleitermo-nitore im dritten Undulator wurde festgestellt, dassein Signal-Rausch-Abstand von 40 dB eine akzepta-ble Strahllageauflösung ermöglicht, aber die Über-tragungsfunktion der 1 GHz-Verstärkung nur in einem

    relativ kleinen Bereich der Bunchladung linear ver-läuft. Messungen im Einzelbunchbetrieb bei Festhal-ten der Bunchladung (mit Variation von nicht mehr als20%) lieferten eine Ortsauflösung von 15–20 µm. Die-ser Wert liegt nahe der Erwartung von 10 µm alleinvom Signal-Rausch-Verhältnis der Analogelektronik.Variiert jedoch die Bunchladung über einen größerenBereich, so wird eine Ortsabhängigkeit der Auflösungbeobachtet. Die Untersuchungen dieses Effekts sowiedie Ausarbeitung und der Test möglicher Korrekturver-fahren konnten im Berichtszeitraum noch nicht abge-schlossen werden.

    Ein neuer Typ von Wirescanner für die nächste Phasevon TTF-FEL wurde in Zeuthen entwickelt, gefertigtundzuTestzwecken imNovembereingebaut.DiehohenAnforderungen an kinematische Eigenschaften wie Po-sitionsgenauigkeit und große Geschwindigkeit bei mi-nimaler Beschleunigung sind durch Anwendung einesKehrgewindespindelantriebs verwirklicht worden.

    Photoinjektor-Teststand

    Der Photoinjektor-Teststand in Zeuthen (PITZ) ist eineneue Beschleunigeranlage bei DESY zur Entwicklung

    172

  • Forschungsthemen DESY Zeuthen

    Faradaycup

    viewscreen

    wall gapmonitor

    viewscreen

    Faraday cup

    dipole

    60°viewscreen

    quadrupoletriplet

    pepper pot/screen

    beam positionmonitor

    laser input(about 263 nm)

    coaxialcoupler

    RF-coupling

    Faraday cup/screen

    cathode (Cs Te)

    bucking coil

    cavity(copper, 1.5 cells)

    main solenoid

    2

    Abbildung 105: Prinzipskizze des Photoinjektor-Teststandes mit Solenoid und Kompensa-tionsmagnet, dem HF-Resonator und dem koaxialen HF-Einkoppler, der Lasereinkopplungund der Diagnosesektion zur Strahllage-, Emittanz- und Ladungsmessung.

    und Verbesserung von lasergetriebenen Hochfrequenz-Photoinjektoren. Diese Elektronenquellen gestatten es,hohe Elektronen-Phasenraumdichten zu erzeugen, wo-bei die Elektronenpakete extrem kleine Länge undEmittanz besitzen. Damit spielen sie eine entschei-dende Rolle für die nächste Generation von Linear-beschleunigern sowie für die Entwicklung von Freie-Elektronen Lasern (FEL). Abbildung 105 zeigt einSchema des Teststands. Das Projekt wird aus dem Ver-netzungsfond der Helmholtz-Gemeinschaft DeutscherForschungszentren (HGF) gefördert und wird mit denPartnern Max-Born-Institut (MBI, Berlin), der BerlinerElektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotron-strahlung (BESSY) und der Arbeitsgruppe ,,TheorieElektromagnetischer Felder“ der Technischen Univer-sität Darmstadt durchgeführt.

    Das Ziel d