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CQ 1 Es ist erfreulich, dass trotz aller schlimmen Nachrichten über die anhaltenden Zerstörungen im Nahen Osten kleine Lichtblicke einen ermutigen, weiterhin zu sammeln und sich auf in- dividuelle Weise mit Werken der Antike zu begeistern, wie der Artikel von Martin Flashar eindrücklich aufweist. Der Tendenz in der Archäologie, den Handel mit Antiken rundum abzulehnen und Kontakte zu Sammlern und Händlern zu verbieten, erinnert an üble Exzesse der Sippenhaftung und ist daher grundsätzlich mit Skepsis zu begegnen. Wenn junge Archäologen als Praktikanten des Kunsthandels Druckversuchen an Instituten ausgesetzt werden, widerspricht das der freien Meinung und Lehre und ist zu bekämpfen. Im Gegenteil, kritische Praktikanten bereichern sehr wohl auch den Kunsthandel und tragen zu seiner Entwicklung bei. Erzwungene Sprach- losigkeit um gegenseitiges Verständnis zu unterbinden zeugt von mangelnder Weitsicht und ist gewiss nicht Lösungsorientiert. Was dem einen beim Betrachten von antiken Kunstwerken einfach sinnliche Freude bereitet, bereichert dem anderen seinen Drang nach Wis- sen um sozialhistorische Zusammenhänge. Der Zugang ist nicht exklusiv und beide haben Recht. Die Antike ist sinnlich und darf auch Freude bereiten, dem Sammler, dem Forscher und schlichtweg dem neugierigen Besucher. Dieser soll sich doch selbst ein Bild machen dürfen, statt vorgekaute Informationen in allzu «pädagogisch» präparierten Ausstellungen optisch und inhaltlich aufgezwungen zu bekommen. In diesem Sinne präsentieren wir Ihnen in dieser Ausgabe von Cahn’s Quarterly eine kleine Auswahl von Objekten zum Thema Im Einklang mit den Göttern und bereiten eine Ausstellung zum Thema Essen und Trinken während der Art Basel im Juni vor. Es freut mich insbesondere, dass wir Herrn Prof. Dr. Joachim Latacz zu einem Vortrag am Donnerstag, den 18. Juni, um 19 Uhr, mit dem Titel «Weil Speis und Trank in dieser Welt doch Leib und Seel’ zusammenhält»: Griechen und Römer bitten zu Tisch, gewinnen konnten. Er ist einer der führenden Forscher zu Homer und war lange Jahre Ordinarius für Griechische Philologie an der Universität Basel. Seine packenden Vorlesungen sind heute noch vielen präsent. Editorial Cahn’s Quarterly 2/2015 Deutsche Ausgabe Liebe Leserinnen und Leser Aus der Praxis Antike Skulpturen im Israel Museum Von Detlev Kreikenbom Ein Projekt zur Katalogisierung der antiken Skulpturen im Israel Museum zeigt wie fruchtbar die Kooperation zwischen den Archäologen im Museum, in Forschung und in Kunsthandel sein kann. Das Israel Museum zählt zu den wichtigs- ten kulturellen Einrichtungen Jerusalems. Berühmt wegen seines «Schreins des Buchs» oder auch wegen des grossen Modells, das den von König Herodes errichteten Tempel samt umgebender Stadt im Maßstab 1:50 wieder- erstehen lässt, zieht das Museum alljährlich hunderttausende von Besuchern an. Nur re- lativ wenige wissen jedoch, dass es zugleich eine reiche Sammlung bedeutender antiker Skulpturen beherbergt. Selbst Fachleuten ist sie kaum bekannt. Viele Werke stammen aus Grabungen in Israel. Andere werden der Grosszügigkeit von Sammlern verdankt, die das Museum zu Lebzeiten oder per Vermächt- nis mit ihren eigenen Schätzen bereicherten. So fanden Teile der Ernest Brummer Collec- tion, New York, und Objekte aus dem Besitz von Arthur und Madeleine Chalette Lejwa, ebenfalls New York, Eingang in die Bestän- de. Entsprechend weit gefächert spiegeln die in Jerusalem aufbewahrten Monumente die Geschichte der griechischen und römischen Plastik: Die Bildwerke reichen von Kykladen- idolen des 3. Jahrtausends v.C. über klassi- sche Grabdenkmäler des 4. Jahrhunderts v.C. bis zu Porträts und Götterstatuen aus der Zeit, als das Land unter römischer Herrschaft stand. Unter den letztgenannten Werken wä- ren an erster Stelle die beeindruckenden Fun- de aus Beth Shean, dem antiken Skythopo- lis, zu nennen, die in einem lichten Saal des Museums eine ihnen gebührende Würdigung erfahren. Hier kommt auch eine Besonderheit KOPF ALEXANDERS DES GROSSEN. Aus Beth Shean. Jerusalem, Israel Museum IAA 1931-7. ROTFIGURIGER KELCHKRATER MIT ZWEI KRIEGER- ABSCHIEDSSZENEN, DEM NIOBIDEN-MALER ZUGEWIE- SEN. H. 26 cm. Ton. Vormals Privatslg. Paris, vor 1970. Attisch, ca. 450-440 v.C. CHF 110’000

Deutsche Ausgabe - Artbutler

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Es ist erfreulich, dass trotz aller schlimmen Nachrichten über die anhaltenden Zerstörungen im Nahen Osten kleine Lichtblicke einen ermutigen, weiterhin zu sammeln und sich auf in-dividuelle Weise mit Werken der Antike zu begeistern, wie der Artikel von Martin Flashar eindrücklich aufweist. Der Tendenz in der Archäologie, den Handel mit Antiken rundum abzulehnen und Kontakte zu Sammlern und Händlern zu verbieten, erinnert an üble Exzesse der Sippenhaftung und ist daher grundsätzlich mit Skepsis zu begegnen. Wenn junge Archäologen als Praktikanten des Kunsthandels Druckversuchen an Instituten ausgesetzt werden, widerspricht das der freien Meinung und Lehre und ist zu bekämpfen. Im Gegenteil, kritische Praktikanten bereichern sehr wohl auch den Kunsthandel und tragen zu seiner Entwicklung bei. Erzwungene Sprach-losigkeit um gegenseitiges Verständnis zu unterbinden zeugt von mangelnder Weitsicht und ist gewiss nicht Lösungsorientiert. Was dem einen beim Betrachten von antiken Kunstwerken einfach sinnliche Freude bereitet, bereichert dem anderen seinen Drang nach Wis-sen um sozialhistorische Zusammenhänge. Der Zugang ist nicht exklusiv und beide haben Recht. Die Antike ist sinnlich und darf auch Freude bereiten, dem Sammler, dem Forscher und schlichtweg dem neugierigen Besucher. Dieser soll sich doch selbst ein Bild machen dürfen, statt vorgekaute Informationen in allzu «pädagogisch» präparierten Ausstellungen optisch und inhaltlich aufgezwungen zu bekommen. In diesem Sinne präsentieren wir Ihnen in dieser Ausgabe von Cahn’s Quarterly eine kleine Auswahl von Objekten zum Thema Im Einklang mit den Göttern und bereiten eine Ausstellung zum Thema Essen und Trinken während der Art Basel im Juni vor. Es freut mich insbesondere, dass wir Herrn Prof. Dr. Joachim Latacz zu einem Vortrag am Donnerstag, den 18. Juni, um 19 Uhr, mit dem Titel «Weil Speis und Trank in dieser Welt doch Leib und Seel’ zusammenhält»: Griechen und Römer bitten zu Tisch, gewinnen konnten. Er ist einer der führenden Forscher zu Homer und war lange Jahre Ordinarius für Griechische Philologie an der Universität Basel. Seine packenden Vorlesungen sind heute noch vielen präsent.

Editorial

Cahn’s Quarterly 2/2015Deutsche Ausgabe

Liebe Leserinnen und Leser

Aus der Praxis

Antike Skulpturen im Israel MuseumVon Detlev Kreikenbom

Ein Projekt zur Katalogisierung der antiken Skulpturen im Israel Museum zeigt wie fruchtbar die Kooperation zwischen den Archäologen im Museum, in Forschung und in Kunsthandel sein kann.

Das Israel Museum zählt zu den wichtigs-ten kulturellen Einrichtungen Jerusalems. Berühmt wegen seines «Schreins des Buchs» oder auch wegen des grossen Modells, das den von König Herodes errichteten Tempel samt umgebender Stadt im Maßstab 1:50 wieder-erstehen lässt, zieht das Museum alljährlich hunderttausende von Besuchern an. Nur re-lativ wenige wissen jedoch, dass es zugleich eine reiche Sammlung bedeutender antiker Skulpturen beherbergt. Selbst Fachleuten ist sie kaum bekannt. Viele Werke stammen aus Grabungen in Israel. Andere werden der Grosszügigkeit von Sammlern verdankt, die das Museum zu Lebzeiten oder per Vermächt-nis mit ihren eigenen Schätzen bereicherten. So fanden Teile der Ernest Brummer Collec-

tion, New York, und Objekte aus dem Besitz von Arthur und Madeleine Chalette Lejwa, ebenfalls New York, Eingang in die Bestän-de. Entsprechend weit gefächert spiegeln die in Jerusalem aufbewahrten Monumente die Geschichte der griechischen und römischen Plastik: Die Bildwerke reichen von Kykladen- idolen des 3. Jahrtausends v.C. über klassi-sche Grabdenkmäler des 4. Jahrhunderts v.C. bis zu Porträts und Götterstatuen aus der Zeit, als das Land unter römischer Herrschaft stand. Unter den letztgenannten Werken wä-ren an erster Stelle die beeindruckenden Fun-de aus Beth Shean, dem antiken Skythopo-lis, zu nennen, die in einem lichten Saal des Museums eine ihnen gebührende Würdigung erfahren. Hier kommt auch eine Besonderheit

KOPF ALEXANDERS DES GROSSEN. Aus Beth Shean. Jerusalem, Israel Museum IAA 1931-7.

ROTFIGURIGER KELCHKRATER MIT ZWEI KRIEGER- ABSCHIEDSSZENEN, DEM NIOBIDEN-MALER ZUGEWIE-SEN. H. 26 cm. Ton. Vormals Privatslg. Paris, vor 1970. Attisch, ca. 450-440 v.C. CHF 110’000

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mehrerer Marmorskulpturen aus dieser Stadt zur Geltung: die außergewöhnlich gute Er-haltung ihrer einstigen Bemalung. Es ist be-kannt, dass es in der Antike Praxis war, Sta-tuen ganz oder in Teilen mit einer farbigen Fassung zu versehen. Wie frappierend bunt aber die Farbwahl ausfiel, wird im Israel Mu-seum noch unmittelbar anschaulich.

Das erwähnte Defizit an Kenntnis über die Sammlung rührt nicht zuletzt vom Feh-len adäquater Veröffentlichungen her. Bis heute liegt kein Katalog zum Bestand anti-ker Skulpturen vor. Diesem Mangel soll ein Forschungs- und Publikationsprojekt abhel-fen, das der archäologischen Fachwelt einen fundierten Zugang zu den Objekten gewährt, das sich aber ebenso an eine grössere inter-essierte Öffentlichkeit wendet. Realisiert wird es in Kooperation mit dem Museum. Der An-stoss zu dem Vorhaben kam von Jean-David Cahn. Seine Idee fand bei mir sofort begeis-terte Zustimmung. Beide sind wir von vehe-mentem, wenn auch verschieden gegründe-tem Interesse geleitet: Jean-David Cahn weiss sich schon seit längerem dem Israel Museum persönlich verbunden. Damit steht er in einer familiären Tradition, die sein Vater Herbert A. Cahn als Förderer dieser Institution ein-leitete. Aus meiner Perspektive bietet sich die wissenschaftliche Erschliessung des in Israel angetroffenen Materials als eine konsequente Fortführung von Forschungen, mit denen in den letzten Jahren am Mainzer Archäologi-schen Institut die antike Marmorplastik aus dem Gebiet der römischen Provinz Syria er-fasst wurde. Fernziel des neuen Projekts ist es, im Anschluss an den derzeit zu erstellen-den Museumskatalog zusammen mit israeli-schen Kollegen alle antiken Skulpturen des Landes wissenschaftlich zu bearbeiten und zu dokumentieren.

STATUETTE DES AUF EINEM DELPHIN REITENDEN EROS, BEGLEITER EINER STATUE DER APHRODITE. Aus Beth Shean. Jerusalem, Israel Museum IAA 2001-2987.

STATUETTE EINER MÄNADE. Aus Beth Shean. Ge-schenk Henry Crown, Chicago. Jerusalem, Israel Muse-um IMJ 1976.53.64.

Hedypatheia: Ein Leben in LuxusEine kulinarische Reise durch die Antike

Das gemeinsame Essen und Trinken war von überragender Bedeutung für die antiken Gesellschaften und das Spenden von Speis- und Trankopfern unentbehrlich für den religiösen Kult. Die Ausstellung in der Galerie Cahn zeigt Gefässe, die hierfür verwendet wurden, sowie Darstellungen, die diesem Kontext entspringen. Mit ausgewählten antiken Speisen wollen wir die antike Gastfreundschaft zu neuem Leben erwecken.

Wir laden herzlich zum Vortrag des Homer-Spezialisten Prof. Dr. Joachim Latacz ein:

«Weil Speis und Trank in dieser Welt doch Leib und Seel’ zusammenhält»: Griechen und Römer bitten zu TischDonnerstag, 18. Juni um 19 Uhr, Apéro um 18 Uhr

Öffnungszeiten der Ausstellung: Mo-So 15.-21. Juni 9-18 Uhr, Do 18. Juni 9-21 Uhr

Ort: Jean-David Cahn AG, Malzgasse 23, 4052 Basel

Detlev Kreikenbom: Studium in Berlin, Kiel und Rom. Habilitation: «Bildwerke nach Polyk-let». Museumstätigkeiten in Frankfurt a.M., Lehrstuhlvertretungen und Gastprofessuren in Berlin, Giessen und Köln. Seit 1998 Universitätsprofessor in Mainz, seit 2000 Forschungen in Libyen und Syrien. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der antiken Plastik, kulturelle Kontakte in Nordafrika und Vorderasien, Rezeption der Antike, Wissenschaftsgeschichte.

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Lassen Sie mich zum Schluss unter der Über-schrift «leiden» etwas Allgemeines zur heuti-gen Situation sagen. Den Sammlern, Händ-lern, den Enthusiasten der Antike weht von der Presse und der Forschung nicht immer ein freundlicher Wind entgegen. Das hat, neben anderen, wissenschaftsgeschichtliche und politische Gründe. Mehr und mehr stellt sich die Archäologie in Distanz zur Kunst-forschung, ja, man liest in der Fachliteratur gelegentlich kunstfremde oder künstlerfeind-liche Bemerkungen.

Ein Monument der heutigen Forschungs-richtungen ist das soeben erschienene Buch Archäologie, in welchem auf 382 Seiten von Kunst kaum die Rede ist, abgesehen von ei-nem mühsamen und relativierenden Artikel über Stilanalyse von A. Borbein.1 Gewiss: die Optik der jetzigen Archäologie ist anre-gend und vielfach neu, wie etwa Kontextfor-schung, Materialanalyse, Statistiken, soziale Relevanz, Rezeptionsfragen. Sie bereichern unser Geschichtsbild, berechtigen aber nicht die Exklusivität, mit der diese Gesichtspunk-

Zum 100. Geburtstag von Herbert A. Cahn

Ein Plädoyer für die antike KunstAusschnitt eines Vortrags, gehalten von Herbert A. Cahn am 21. Juni 2000 in Freiburg

te vorgetragen werden. Die Fragen «Was?», «Warum?» und «Für wen?», die an unsere For-schungsobjekte gestellt werden, sollten nicht das «Wie?» auslöschen. Vergessen wir nicht, dass der Stil ein geistesgeschichtliches Phä-nomen ist, in das der Künstler sich einbettet, oder auch aus ihm heraustritt und mithilft, etwas Neues zu formen. Kunstgeschichte als Künstlergeschichte ist nicht mehr «in». Man wirft ihr vor, dass Zuweisungen und Daten auf Hypothesen beruhen. Dies trifft aber auch für Sozial- und Rezeptionstheorien zu. Schliesslich müssen wir in unserem Fach al-les als ein schwankendes, fragiles Gebäude aus Hypothesen aufbauen.

So sind die Zuschreibungen von Kunstwer-ken an meist anonyme Künstler nur auf-grund ihrer künstlerischen Handschrift – das was Beazley den «Stil» nannte – Hypothesen. Wichtig und einsichtsfördernd sind sie den-noch. Gerade das ist es, was mich – wenn ich von meinem persönlichen Weg spre-chen darf – beim Betrachten dieser kleinen Kunstwerke fasziniert: das Nachspüren des

handschriftlichen Duktus, die Gestaltung des menschlichen Ausdrucks, der immanente, zu überwindende Kontrast zwischen Gefässform und Zeichnung, zwischen Bildtradition und Erneuerung, kurz: den schöpferischen Akt, den wir versuchen, nachzuvollziehen. Denn auch die kleine Vasenscherbe ist wie Tempel und Statue Menschenwerk, für Menschen ge-schaffen. Und in der Pflege und Liebe dieser Werke haben Sammler eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Funktion, die oft un-terschätzt wird.

Natürlich: wenn man ihnen auf den Kopf haut, verkriechen sie sich.

Ein Wunsch sei formuliert: dass akademi-sche Vertreter unserer Disziplin, anstatt sich in Theorien zu verlieren, ihren Schülern zum Lernen Originale in die Hand geben. Oder gar sich mit Künstlern unterhalten, die oft in ih-rer direkten Sensibilität Kunstwerke anders, und vielleicht besser verstehen als wir Fach-leute.

Zur politischen Situation möchte ich heute keine Kommentare abgeben, umsoweniger als Sie eine sehr faire Orientierung in der soeben erschienenen, von Martin Flashar re-digierten Broschüre Bewahren als Problem. Schutz archäologischer Güter finden [Frei-burg im Breisgau 2000].

Zum Schluss drücke ich noch zwei Hoffnun-gen aus: Ein Team von Spezialisten hat sich der Aufgabe gestellt, die rotfigurigen Frag-mente meiner Sammlung zu publizieren. Dass ich dies noch erlebe!2 Und die zweite Hoffnung: Dass Sie nicht alle anfangen, Va-senfragmente zu sammeln...

Borbein, Adolf H./ Hölscher, Tonio/ Zanker, Paul (Hrsg.), Klassische Archäologie - Eine Einführung. Berlin 1999.

Leider ging dieser Wunsch nicht in Erfüllung. Die ge-plante zweibändige Publikation ist aus verschiedenen Gründen immernoch in Arbeit.

1

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Herbert A. Cahn (geb. 28. Januar 1915, gest. 5. April 2002) hätte dieses Jahr sei-nen 100. Geburtstag gefeiert. Mit einer Reihe von Beiträgen beleuchten wir seine bemerkenswerte Persönlichkeit.

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Cahn’s Quarterly 2/2015

Der Hochschulalltag kann gelegentlich an-regend sein – wenn sich Debatten eröffnen, etwa bei Exkursionen mit Studierenden. Ne-ben persönlichen Gesprächen und der fach-lichen Diskussion vor den Exponaten sind es die eher zufälligen Früchte am Rande, die zu weiterem Nachdenken anregen. Die drei Tage mit Freiburger Studenten in den Nieder-landen Ende Februar 2015 waren dicht ge-drängt, doch am Ende blieben einige Stunden zur freien Verfügung. Manche zog es in die wichtige Sonderausstellung über den späten Rembrandt im Amsterdamer Rijksmuseum, eher am Rande noch ein Durchgang durch die bedeutende Dauerpräsentation des Hau-ses. Zufällig fiel mein Blick dort auf ein Werk des niederländischen Malers Georg Jakob Jo-hannes van Os (1782–1861): «Stilleven met bloemen in een Griekse vaas: allegorie op de

Die Debatte

Eine antike Vase im Rijksmuseum von Amsterdam – Früchte eines Besuchs

Lente» / «Stillleben mit Blumen in einer grie-chischen Vase: Allegorie des Frühlings».Tatsächlich imponiert in diesem Bild der bun-te Strauss mit roten Strauchrosen und Tag-lilien, Rhododendron Praecox und weißer Lorbeerrose (Kalmia latifolia), mit Johannis-kraut, Hornveilchen und Schleierkraut – mei-ne Floristin bestätigte die absolut realistische Wiedergabe. Das Gebinde wurde ganz non-chalant hineingestellt in eine offenbar antike griechische Vase, der Maler hat das augen-scheinlich selbst arrangiert. Auch die Vase ist nicht phantasiert, sondern echt. Es handelt sich um einen attisch-rotfigurigen Kolonet-tenkrater hochklassischer Zeit, entstanden etwa um 440 v.C. Im Bildausschnitt sehen wir, wie links ein Stier von einer nackten männlichen Gestalt am Horn geführt wird, die einen Lorbeerkranz im Haar trägt und mit

ihrer Rechten hoch über dem Kopf eine Keule schwingt; rechts eine aufgeregt nach rechts laufende weibliche Gestalt, den Kopf zurück-gewendet, beide Arme erhoben (in denen sie Attribute hielt). Es kann nur Theseus sein, der den Stier von Marathon einfängt, nach Athen treibt, um ihn dort zu opfern – das Unwesen, das, einst von Kreta kommend, in der Ebene von Marathon die Bewohner in Angst und Schrecken versetzte. Die komplizierte mythi-sche Konstruktion der Athener hatte Theseus zum attischen Nationalhelden erhoben, ihn eingereiht in die Könige der Vorzeit und so zum Muster an Tatkraft für die eigene männ-liche Jugend aufsteigen lassen. Übrigens: die wenig spektakuläre Rückseite des Gefäßes zeigt drei stereotype junge Männer, Ephe-ben, mit Stock und bürgerlichem Mantel, just also (und deshalb nicht beziehungslos) jene Hauptzielgruppe der «Botschaft» des erneuer-ten Theseusmythos.

Aber, was wissen wir über den Maler, den des Ölbilds? Georg van Os gehörte einer Künst-

Von Martin Flashar

lerfamilie an. Jan, der Vater, dichtete und malte Stillleben, auch die älteren Geschwis-ter, Pieter Gerardus und Maria Margaretha, wurden Kunstmaler. Georgs Oeuvre umfasst Pflanzen- und Blumenmotive, auch Tiere, besonders Vögel und Federwild, schliesslich Landschaften. 1782 in Den Haag geboren, gewann er 1809 einen ersten Kunstpreis in Amsterdam, 1812 die Goldmedaille beim Pa-riser Kunstsalon. Als detailgenauer Zeichner und Stillleben-Spezialist machte er sich in Frankreich einen Namen, wo er folglich (seit 1817) dauernde berufliche Anstellung fand: als Porzellanmaler in der Manufaktur von Sèvres.

So bleibt dann die Suche nach dem aktuellen Aufbewahrungsort des Kraters nicht lange

GEORG VAN OS, STILLLEBEN, Rijksmuseum Amsterdam Inv. SK-A-1005, Öl auf Leinwand, 116 cm x 149 cm, 1817 (Ankauf 1824).

Ch.-M. Dubois-Maisoneuve, Introduction à l‘étude des vases antiques d’argile peints, vulgairement appelés étrusques (Paris 1817–1834?) S. 9, Tf. 13,3.

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Cahn’s Quarterly 2/2015

vergebens: er befindet sich im Musée Nati-onal de Céramique de Sèvres. Er ist 1994 im Lexicon Icongraphicum Mythologiae Classi-cae (LIMC) publiziert, bereits 1934 im Cor-pus Vasorum Antiquorum (CVA) und zuerst in einem Stichwerk über antike Vasen von Dubois-Maisoneuve, das seit 1817 über bei-nahe zwei Jahrzehnte in mehreren Lieferun-gen vorgelegt wurde. Hier, wie bei van Os, erscheint das Gefäß unversehrt, während im CVA die (inzwischen eingetretenen?) Beschä-digungen deutlich werden: Bestossungen an der Oberfläche, Risse, offenbar aus Fragmen-ten (wieder?) zusammengefügt. Die kleine In-ventarnummer (Inv. 3) zeigt an, dass das Stück zum ältesten Bestand des Museums gehört, der «Collection Denon». Dominique-Vivant Denon, Kunstexperte, auch Sachverständiger Napoleons bei dessen Beschlagnahmungen, seit 1802 Chef des Musée Napoléon (dem späteren Louvre), hatte stets auch selbst ge-sammelt: von 1778 an hatte er sich längere Zeit in verschiedenen Funktionen in Neapel aufgehalten, im Umfeld William Hamiltons gelang es auch ihm, eine stattliche Vasenkol-lektion anzulegen, die später von Sèvres als Grundstock erworben wurde.

M. Massoul, CVA Sèvres, France 13 (Paris 1934) S. 37, Tf. 19.

Was steht am Ende? Nur eine amüsante De-tailbeobachtung? Vielleicht doch mehr. Zum Oeuvre des Georg van Os existiert praktisch keine Sekundärliteratur. Zumal wegen sei-ner beachtlichen Vita, wegen der beruflichen Verknüpfung mit der Manufaktur und dem Museum von Sèvres – und dann aufgrund der ihm durch die dortige Sammlung gegebenen Inspirationen und Bildmotive, lohnte sich eine Aufarbeitung gewiss. So gelänge zwei-fellos auch ein Beitrag zur Antikenrezeption. Denn auf ähnliche Bezugnahmen auf die an-tike Keramik, die van Os in Sèvres ja täglich vor Augen stand, trifft man in seinem Werk wiederholt. «Debatte» entsteht also: Ein grie-chischer Krater ist auch «wiedergefunden», er befindet sich nicht im Kunsthandel, nein, aber seine museale Relevanz erhält doch neu-es Gewicht, er bekommt eine erweiterte «Ge-schichte» – durch den Blick über die Grenzen der Disziplinen hinaus. Das wieder intensiver zu lernen, sollten wir künftig vertiefen.

Martin Flashar promovierte 1991 in Bonn bei Nikolaus Himmelmann und wurde 2003 in Freiburg im Breisgau habilitiert. Er lehrt an der Universität Freiburg und arbeitet freiberuflich als Kunstberater, Journalist und Autor.

Impressum

HerausgeberJean-David Cahn Malzgasse 23 CH-4052 Basel +41 61 271 67 55 [email protected] www.cahn.ch

RedaktionJean-David Cahn Yvonne Yiu

AutorenHerbert A. CahnJean-David Cahn Martin FlasharUlrike HaaseDetlev KreikenbomYvonne Yiu

FotosNiklaus Bürgin Jean-David CahnMartin Flashar Ulrike Haase Yvonne Yiu

GestaltungJean-David Cahn Michael JoosYvonne Yiu

DruckDruckerei Deiner www.druckerei-deiner.de

Meine Auswahl

UNTERLEBENSGROSSER TORSO EINER KORE. Rückseite abgebildet. H. 20 cm. Weisser, mittel- bis feinkristalliner Inselmarmor (Paros oder Naxos). Griechisch, letztes Viertel 6. Jh.v.C. CHF 58’000

Es mag meinem Archäologenherz geschuldet sein, dass gerade Objekte, die nicht gleich beim ersten Anblick Wesen und Schönheit in vollem Umfang preisgeben, einen unge-wöhnlichen Reiz auf mich ausüben.

Geduld und Feingefühl werden dem Betrach-ter abverlangt, um die subtile Gestaltungs-weise dieses mit Chiton und Schrägmantel bekleideten Oberkörpers einer jungen Frau in gebührender Weise nachzuvollziehen. Von vorne betrachtet registriert man zunächst die schlanken Proportionen des Oberkör-pers, dessen seitliche Konturen sich deut-lich unter dem Gewand abzeichnen und ei-nen reizvollen Kontrast zur breit angelegten Schulterpartie bilden; als nächstes den leicht ausgestellten rechten Arm, der als raffinierte Asymmetrie den streng auf die vordere Mit-telachse bezogenen Aufbau begleitet; dann das im Profil stark reduzierte Volumen des Körpers; die Ansammlung fein differenzier-ter Faltenbahnen, die den Rücken verhüllen; das lange Haar, das, wie noch in Ansätzen erkennbar, einst in zahlreiche Lockenreihen untergliedert war und dessen streng hori-zontaler Abschluss in stimmiger Weise das den Skulpturenaufbau bestimmende Ach-sensystem betont; schliesslich den plissierten Saum des Schrägmäntelchens, der unter der

Haarmasse hervortritt und unter dem linken Arm nach vorne geführt ist, wo er in logi-scher Konsequenz schräge über die Brust zur Schulter hoch verlief.

Archaische Marmorwerke sind im Handel sehr selten und haben über viele Jahrhunder-te hinweg mal mehr, mal weniger von ihrem ursprünglichen Aussehen bewahrt. Ist es da-her nicht mehr als gerechtfertigt, dass wir ih-nen für zumindest einen Bruchteil dieser Zeit unsere Aufmerksamkeit zukommen lassen?

Von Ulrike Haase

Eine archaische Kore

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Im Einklang mit den Göttern Jeden Monat Neues aufwww.cahn.ch

HUNDEKOPFRHYTON AUS DEM UMKREIS DES BALTIMORE-MALERS. H. 14.3 cm. Ton, schwarzer Glanzton und Deckweiss, gelbe Farbe. Kleiner malteserartiger Hundekopf mit spitzer Schnauze, kleinen spitzen Ohren und runden, gelb aufgelegten Augen. Auf der Stirn ein weiss aufgemaltes Fellbüschel; Nüstern und Innenseiten der Ohren sind rot. Den Hals des Gefässes ziert ein Frauenkopf nach links, zu beiden Seiten des Henkels Palmetten und Ranken. Auf dem umgeschlagenen, profilierten Rand ein Fries aus kurzen, vertikalen Streifen. Feine Risse. Leicht bestossen. Aus dem Um-kreis des Baltimore-Malers. Harlan J. Berk Ltd., Chicago, 1993. Danach Slg. William Suddaby. Westgriechisch, apulisch, um 330-320 v.C. CHF 18’800

GRUPPE VON DREI OMPHALOSSCHALEN. Dm. max. 17 cm. Bronze. Flache bzw. halbrund ansteigende Gefässwand. Rötliche, gelbliche und violettfarbige Patina. Kleinere Ergänzungen. Ehem. Kunsthandel München, 2004. Griechisch, 1. Hälfte 5. Jh.v.C. CHF 3’200

IDOL. H. 4 cm. Bronze. Stilisierte und im Profil flach mo-dellierte, nackte Figur mit kurzen, ausgestreckten Armen und gespreizten Beinen. Gepunzte Kreise und Kerben zur Angabe von Details. Rechter Einlasszapfen weggebro-chen. Vorm. Antiquitätenmesse Basel, 1973; Kunstmarkt München, 2001. Ehem. Slg. Weber, Jegenstorf, 1958-2005. Umbrisch, 5. Jh.v.C. CHF 500

OBERKÖRPER EINER FRAU MIT POLOS. H. 20.3 cm. Ton. Erhalten hat sich der obere Teil einer vermutlich stehen-den Statuette, deren ursprüngliche Grösse nicht weniger als 45 cm betragen haben dürfte. Die breitschultrige Fi-gur ist in strenger und schlichter Weise in einen Peplos gekleidet. Zarte Erhebungen geben die Brüste an. Die Unterarme sind vorgestreckt. Das lange, glatte Haar fällt in homogener Struktur auf die Schultern herab. Ein vo-luminöser Haarbausch bildet auf dem Haupt ein Kissen für den hohen Polos. Schmale, mandelförmige Augen und das typische archaische Lächeln charakterisieren das schlanke, spitz zulaufende Gesicht. Die Ohren ziert scheibenförmiger Schmuck. Die Terrakotte wurde einst als Votivgabe geweiht, vielleicht in einem Heiligtum der Fruchtbarkeitsgöttinnen Demeter und ihrer Tochter Per-sephone, deren Kult besonders in Süditalien und Sizilien weit verbreitet war. Aus der Form genommen, Details handmodelliert. Rückseite unbearbeitet. Hände verlo-ren. Wenige oberflächliche Abplatzungen. Ehem. Slg. Wirtz, Ende 1980er Jahre. Westgriechisch, letztes Viertel 6. Jh.v.C. CHF 5’400

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PATERA MIT LUCHSKOPFAPPLIK. L. 35 cm. Bronze. Schlichte, beckenähnliche Schalenform, fein abgesetzte Lippe. Der kannelurenartig geriefelte Griff aussen durch Spitzblattapplik mit Mittelschraffur an Gefässwand befestigt. Griff-abschluss durch sorgfältig ausgearbeiteten Kopf eines fauchenden Luchses mit spitzen, abstehenden Ohren, feingratig detaillierten Gesichtszügen und zarten Ritzungen für die Angabe des Fells. Ein Riss an der Lippe; ein feines Loch am Griff. Ehem. Kunsthandel London, 1974. Römisch, 1. Jh.n.C. CHF 16’000

ARYBALLOS IN GESTALT DES SERAPIS. H. 9.3 cm. Ter-rakotta, rote und rötlich-braune Farbe. Gewandbüste des ägyptisch-hellenistischen Gottes Serapis als Miniaturge-fäss, wohl für Salböl. Das schlanke Gesicht des bärtigen Gottes rahmen lange Haarsträhnen, die sich an den En-den zu Locken kringeln. Der charakteristische Kalathos dient als Gefässmündung, der mit roten umlaufenden Streifen verzierte Sockel der Büste bildet den Gefässfuss. An der Büstenrückseite zwei sich aufrollende Voluten. Augen durchbohrt. Haare mit Resten von rötlich-brau-ner Farbe. Geringfügig bestossen. Vorm. Privatslg. Max Hagemann, vor 1964. Späthellenistisch bis römisch, viel-leicht Alexandria, 1. Jh.v.C.-2. Jh.n.C. CHF 850

WANDMALEREIFRAGMENT MIT EROS. H. max. 16.7 cm. B. max. 16 cm. Stuck, polychrome Bemalung in Fres-co-Technik. Das hübsche Fragment zeigt vor gelbem Hintergrund den kindlichen Gott als geflügelten, mit Chlamys bekleideten Knaben. Sein Lockenkopf ist mit Efeu bekränzt. Im linken Arm hält er einen dünnen, langen Stab. Er wendet sich nach links, wo Kopf und Schulteransatz des Hirtengottes Pan mit langen spitzen Hörnern und kräf-tig roter Hautfarbe erkennbar sind. Moderne, beige getönte Zementfassung in messingfarbenem Metallrahmen. Aus grossen Fragmenten zusammengesetzt. Vorm. Herbert A. Cahn, Basel, März 1970. Danach Slg. Hans J. Morgenthau (gest. 1980), Chicago, Sammlung in den 1960er-1970er Jahren aufgebaut; danach durch Vererbung weitergegeben. Römisch, 1. Jh.n.C. CHF 13’000

KANTHAROS MIT BANDHENKELN. H. 15.4 cm. Ton, schwarzbrauner matter Firnis. Doppelt profilierter, mit Streifen dekorierter Standfuss. Am Knickrand setzen die über den Gefässrand hinaus steil aufsteigenden Band-henkel an. Das Gefäss öffnet sich nach dem Rand zu kelchartig. Boden aussen mit konzentrischen Kreisen. Vollständig, zusammengesetzt. Ehem. Kunsthandel Deutschland, 2003. Griechisch, böotisch oder euböisch, um 450 v.C. CHF 2’000

KLEINES VOTIVRHYTON. L. 5 cm. Bronze. Miniaturtrinkgefäss in Form eines Stierkopfes mit aufwärts gebogenem Trichter. Ursprünglich wohl von einer Larenstatuette dargeboten. Intakt. Ehem. Tajan, Auktion Hôtel Drouot, Paris, 05.06.2002, Nr. 102. Römisch, 1.-2. Jh.n.C. CHF 600

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FRAUENPROTOME. H. 10 cm. Ton. Kopf einer Frau mit feinem Gesicht. Unter hohen, bogenförmigen Brauen liegen mandelförmige Augen. Die Nase ist lang und schmal; die Lippen umspielt das charakteristische ar-chaische Lächeln. Buckellocken in drei Reihen rahmen die Stirn, darüber erhebt sich ein hoher Polos. Polos an den Rändern leicht bestossen. Feine Spuren von weisser Engobe. Ehem. deutsche Privatslg., 1970er-1980er Jahre. Griechisch, Böotien, letztes Viertel 6. Jh.v.C. CHF 3’000

HAND EINER VOTIVSTATUETTE. L. 10.8 cm. Terrakotta. Erhalten ist die gesamte linke Hand einschliesslich des Hand-gelenks und Unterarmansatzes. Die Anordnung der Finger lässt darauf schliessen, dass die Hand ursprünglich einen Gegenstand, vermutlich eine Votivgabe, umschloss. Eine feine Mulde am Ansatz des Handgelenks mag auf einen Ge-wandsaum hindeuten. Stilistisch weist das Fragment nach Etrurien, wo die Weihung von unter- sowie lebensgrossen Statuetten eine weit verbreitete Praxis darstellte. Spitze des Zeigefingers bestossen. Oberfläche mit Sinterablagerun-gen. Vorm. Privatslg. Monsieur M., Frankreich, vor 1980. Etruskisch, 5.-3. Jh.v.C. CHF 2’200

KOPF DER APHRODITE. H. 10.4 cm. Terrakotta. Mit leicht geöffneten, sinnlichen Lippen blickt sie den Betrachter aus grossen Augen an. Die Brauen sind kantig gezeichnet, die feine Nase gerade geführt. Ihr bewegtes, dichtes Haar, in der Mitte gescheitelt, wird von einem Band zusammengehalten, wobei die Ohren halb bedeckt bleiben; am Hinterhaupt ist es zu einem Krobylos hochgebunden. Das Haar leicht bestossen mit kleinem Ausbruch am Krobylos. Nasenspitze ergänzt. Kleine Retusche an linker Wange. Reste von roter Farbe im Haar. Herrliche, freihändige, vollplastische Ar-beit. Aus dem Nachlass der Nichte des Archäologen Eugen Petersen (1836-1919), 1887-1905 erster Sekretär des DAI Rom. Seine Nichte brachte den Kopf 1903 von einem Besuch des Onkels in Rom mit. Griechisch, Hellenistisch, frühes 3. Jh.v.C. CHF 12’000

FINGERRING MIT GEMME. Dm. 1.9 cm. Gold, Glaspas-te. Der rundgeformte, glatt gearbeitete Reif verbreitert sich zur profilierten Fassung hin. Die fast runde Gemme zeigt in feiner Gravur die Büste der behelmten Minerva nach links. Reif leicht eingedrückt, sonst intakt. Ehem. Slg. Saeed Motamed (1925-2013), zusammengetragen zwischen 1953 und den frühen 1990er Jahren. Römisch, 1.-2. Jh.n.C. CHF 1’200

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KOPF EINER FRAU. H. 10.5 cm. Terrakotta. Archaische Frauenfigur mit den typisch mandelförmigen Augen und dem geheimnisvollen Lächeln. Das Haar ist kunstvoll in Löckchen und herabfallenden Strähnen frisiert und mit einem üppigen Kranz geschmückt. Vereinzelt rötliche Farbspuren. Vorm. Slg. A. P., Grossbritannien. Ehem. Slg. Kropatschek, Deutschland. Westgriechisch, um 500 v.C. CHF 8’800

FRAUENPROTOME. H. 19.3 cm. Ton. Sie ist mit nied-rigem Polos, Schleier und scheibenförmigen Ohrringen geschmückt. Das schlanke, spitz zulaufende Gesicht ist durch sorgfältig eingeritzte, mandelförmige Augen, betonte Wangenknochen und das typisch archaische Lächeln charakterisiert. Die hohe Stirn rahmen mittig gescheitelte Locken, die hinter den Ohren zu drei glat-ten, auf die Schulter herabfallenden Strähnen arrangiert sind. Votivgabe. Leicht bestossen, sonst intakt. Am Polos Spuren von rötlicher Bemalung. Vorm. Galerie Günther Puhze, Freiburg, 1999. Westgriechisch, Ende 6.-Anf. 5. Jh.v.C. CHF 4’800

GEMME MIT PRIESTERIN(?). H. 1.8 cm. Karneol. Ova-ler Gemmenstein mit feiner, detaillierter Ritzzeichnung. Frontal dargestellte, wohl weibliche Figur mit langem, gegürtetem Gewand und Kranz im Haar. In der erho-benen Rechten eine Opferschale (?), in der gesenkten Linken Zweige haltend. Zwei kleine Absplitterungen am Rand. Ehem. Slg. des Diplomaten Monsieur R., Toulouse, Frankreich; verbrachte einige Zeit in Tunesien. Römisch, 1.-3. Jh.n.C. CHF 900

VOTIVTÄFELCHEN MIT INSCHRIFT. H. 10.5 cm. L. 12.3 cm. Bronze. Im oberen Bereich verläuft die Inschrift ΘΕΚΡΙΤΑ ΑΡΤΕΜΙΤΙ ΛΟΧΙΑΙ, die das Bronzetäfelchen als Votivpinax identifiziert. Bei der bedachten Gottheit handelt es sich um Artemis Lochia, deren Epitheton die jungfräuliche Göttin als Beschützerin der Schwangeren und Gebärenden kennzeichnet. Heiligtümer der Artemis Lochia sind u. a. in Brauron und Pergamon bezeugt. Ta-fel mehrfach antik gefaltet. Rückseite mit Randsteg, der darauf hindeutet, dass die Tafel in der Antike ursprüng-lich aufgelötet gewesen ist; ferner ein kleines Loch zur Aufhängung. Ehem. Slg. J. R., New York, 1981. Rückseite mit handschriftlicher Signatur «AFort 3024». Griechisch, 5.-2. Jh.v.C. CHF 3’400

FRAGMENT EINER FRAUENPROTOME. H. 16.5 cm. Terrakotta. Die erhaltene rechte Gesichthälfte zeigt das schöne Antlitz einer lächelnden Kore mit weit geöffneten, mandelförmigen Augen im ionischen Stil. Ihr Ohr schmückt eine Scheibe. Über dem gewellten Stirnhaar trägt sie ein Diadem. Aus der Form genommen. Kinn wiederangesetzt. Vorm. Slg. Sello, Schweiz. Danach durch Vererbung an die Tochter, Frau Conti, Locarno, bis 2003. Rückseite mit Inv.-Nr. «85». Westgriechisch, spätes 6.-frühes 5. Jh.v.C. CHF 4’500

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Rezept

«...silphioparaomelitokatakechymeno...»Oder: Kein Fest ohne Honig!

Im Jahr 392/1 v.C. lässt der Komödiendich-ter Aristophanes in seinen Ekklesiazusen die Frauen in der athenischen Volksversamm-lung die Macht ergreifen. Sie errichten eine Art kommunistischen Wohlfahrtsstaat, in dem das Gemeinwesen für die Grundbedürf-nisse der Bürger sorgt. Auch die Ehe als eine Form von Privatbesitz wird hinterfragt und ein gesetzlich geregeltes System der freien Liebe eingeführt. Gewissermassen als Krö-nung dieser lustbetonten Weiberherrschaft ruft der Schlusschor die Schauspieler zum ersten Festmahl dieser neuen Gesellschafts-ordnung auf: «Aber hört, jetzt ist’s Zeit, trau-te Schwestern, wenn ums Essen wir nicht kommen wollen, eilt, lasst uns hin zur Tafel tanzen! […] Rüttelt den leeren Bauch, denn es winkt euch lepadotemachoselachogaleokra-nioleipsanodrimypotrimmatosilphiotyromeli-tokatakechymenokichlepikossyphophattope-risteralektryonoptokephaliokinklopeleiolago-iosiraiobaphetragalopterygon.» (1163-1175).

Für dieses megalomane Gericht, das 1990 mit einem Eintrag ins Guinness Book of Records als längstes Wort in der Literatur gewürdigt wurde, ist noch keine befriedigende Überset-zung gefunden worden. Die klassische Über-setzung von Ludwig Seeger vermittelt jedoch einen Eindruck der verwendeten Zutaten:

«Austernschneckenlachsmuränenessigho-nigrahmgekrösebutterdrosselnhasenbraten-hahnenkammfasanenkälberhirnfeldtauben- syruphäringlerchentrüffelngefüllte Pasteten». Bereits nach wenigen Silben finden wir das Wort für Honig, und in der Tat zeigt ein Streifzug durch die griechische Literatur, dass kein bedeutsames Mahl, geschweige denn Festessen, ohne Honig vollständig wäre.

In einem Gastmahl, das der Vorsokratiker Xenophanes von Kolophon beschreibt, wird der Wein von Brot, Käse und Honig beglei-tet: «Goldbraune Brote sind da, ein erhabe-ner Tisch ist gerüstet, ächzend fast unter der Last: Käse und Honig zu Hauf.» (Ath. Deipn. 11.462e). Der Sklave im Sklavenlehrer des Pherekrates lernt, bei der Zusammenstellung eines Menüs, den Honig nicht zu vergessen: «A: Verratet uns, wie eine Mahlzeit zuberei-tet wird! B: Da nehmt ihr ein Stück Aal und Tintenfisch, dann Hammelfleisch und eine Scheibe Wurst, gekochten Fuss und Leber, Rippenstück und viele Vogelarten, Käse dann in Honig, eine Portion Fleisch!» (Ath. Deipn. 3.96b). Und der Festschmaus, den Persepho-ne dem als Herakles verkleideten Dionysos in den Fröschen des Aristophanes zusammen-stellt, enthält die von den Griechen besonders geliebten Honigkuchen: «Als die Göttin von

GASTRIS in einer PHIALE. Dm. 12.6 cm. Bronze. Griechisch, um 400 v.C. CHF 2’600. Die Zutaten in einer PHIALE. Dm. 15.5 cm. Bronze. Griechisch, 5. Jh.v.C. CHF 1’200. Der Honig auf einem SCHWARZGEFIRNISSTEN TELLER. Dm. 12.5 cm. Ton. Attisch, 400-375 v.C. CHF 600. STATUETTE EINER ZIEGE. H. 3.9 cm. CHF 7’500. PEPLOPHORE. H. 7 cm. CHF 14’000. TOPF. H. 6.9 cm. CHF 2’800. Alle Bronze, griechisch, Mitte 5. Jh.v.C.

Deiner Ankunft erfuhr, hiess sie uns sogleich Brote backen, zwei oder drei Töpfe Bohnen-brei kochen, einen ganzen Stier braten, und Honigkuchen und Gebäck zubereiten.» (504-507).

Der so hoch geschätzte Honig wurde vermut-lich schon in mykenischer Zeit (1400-1200 v.C.) nicht durch Honigjäger aus den Nestern wildlebender Bienen gesammelt, sondern von domestizierten Bienen hergestellt. Hesiod er-wähnt in seiner Theogonie die Verwendung von Beuten (smênos, simblos, 594, 598) und zur Zeit Solons wurde die Imkerei im Um-land Athens so intensiv betrieben, dass er 594/593 v.C. ein Gesetz erliess, wonach ein Imker beim Errichten eines neuen Bienen-standes eine Entfernung von 300 Fuss zu den Stöcken des nächsten Imkers wahren musste. (Plutarch, Leben des Solon, 23).

Zahlreiche archäologische Funde belegen, dass seit dem 5. Jh.v.C. Bienen u.a. in hori-zontalen Tonbeuten von ca. 40-60 cm Länge und mit einem Durchmesser von ca. 30-40 cm gehalten wurden. In einigen Beuten wur-de die obere Hälfte des Gefässinneren durch Einritzungen aufgeraut, damit die Bienen ihre Waben besser an der Wandung befesti-gen konnten. Die Beuten, die bei besonders

Von Yvonne Yiu

Für die GASTRIS wird der Honig leicht eingedickt.

Die Sesam- und Nuss-Mohn-Platten.

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reichem Honigertrag durch Tonringe von etwa 10 cm Länge vergrössert werden konn-ten, wurden vorne durch einen Deckel mit einem kleinen Flugloch verschlossen. (Crane, Beekeeping, 1999, 196-202).

Weitere wertvolle Auskünfte über die Tech-niken der altgriechischen Imker erteilt uns die Historia animalium (Buch IX, Kap. 40, 626a-627b) des Aristoteles: Die Eingriffe des Imkers, hatten – wie auch heute – zum Ziel, die Produktion seiner Bienenvölker zu ma-ximieren. Dabei achtete er darauf, dass die Anzahl der Waben in der Beute im richtigen Verhältnis zur Bienenmasse stand und dass er bei der Honigernte dem Volk genug Futter für den Winter zurückliess. Beobachtete er, dass es einem Volk an Futter mangelte, so legte er ihnen Feigen und andere süsse Dinge in den Stock. Vorsorglich wurden geeignete Tracht-pflanzen wie Birnen- und Mandelbäume, Bohnen, Mohn und Thymian in der Nähe der Bienenstöcke gepflanzt und Wespen, Kröten und Frösche, sowie bestimmte Vogelarten be-kämpft. Auch das Schwärmen versuchte der Imker zu verhindern, in dem er den schwarm-bereiten Stock mit süssem Wein besprengte. Dank dieser Pflege durfte der Imker sich an einer reichen Ernte erfreuen. Einem durch-schnittlichen Volk konnte er 1-1½ choes (ca. 4.5-6.5 kg) Honig entnehmen; ein gutes Volk lieferte 2-2½ choes (ca. 9-11 kg) und ein her-vorragendes gar 3 choes (ca. 13 kg). Ein sol-cher Ertrag lässt sich durchaus sehen – wenn meine Bienenvölker im Baselbieter Jura einen durchschnittlichen Ertrag von 10 kg pro Volk liefern, bin ich sehr zufrieden!

Unter Feinschmeckern galt frisch geernteter Wabenhonig als auserlesener Genuss, ähnlich den mit Schnee gekühlten Getränken, auf die Euthykles in seinen Verschwendern anspielt, wenn er von einem Gourmet sagen lässt: «Er weiss zuerst, wenn Schnee zum Kauf ansteht, und muss auch unbedingt als erster eine Ho-nigwabe essen.» (Ath. Deipn. 3.124b). Von den verschiedenen Honigsorten wurde der attische besonders geschätzt. «Der attische Honig wird in der ganzen Welt mit höchs-tem Lob bedacht», schreibt Plinius der Älte-re in seiner Historia naturalis und erwähnt den Versuch, durch die Ansiedelung von attischem Thymian in Italien einen ähnlich qualitätvollen Honig zu erzeugen (21.57). Der neureiche Trimalchio im Satyricon des Petro-nius geht noch einen Schritt weiter und im-portiert gleich die Bienen, damit er attischen Honig zu Hause herstellen und die einheimi-schen Bienen durch Kreuzung mit den grie-chischen verbessern kann (Kap. 38).

Im Unterschied zu den Römern, bei denen der Honig für die Zubereitung von herzhaf-ten Gerichten fast so unerlässlich war wie die ubiquitäre Fischsauce, scheint im antiken Griechenland der Honig vor allem für Süss-

speisen und Gebäck verwendet worden zu sein. Die Kombination mit Frischkäse wurde besonders geschätzt und Honigkäsekuchen scheint den vielen Erwähnungen zu Folge einer der beliebtesten Nachtische überhaupt gewesen zu sein. Diese Kuchen, die oft auch als Gaben an die Götter dienten, waren so ge-läufig, dass Anleitungen zu ihrer Herstellung sehr vage blieben. Chrysippos von Tyana, der kluge Kuchen-Spezialist (sophos pemmatolo-gos), schreibt beispielsweise in seinem Werk mit dem Titel Brotbacken (artokopikos): «Der phthoîs dagegen wird folgendermassen zube-reitet: Presse Frischkäse aus, stampfe ihn, gib ihn in ein Kupfer-Sieb und drücke ihn durch! Dann füge Honig und eine Hemina [ca. 300 g] feinstes Mehl hinzu und knete es in einen Teig zusammen!» (Ath. Deipn. 14.647d-e).

Eine Mischung von 150 g Ricotta, 150 g Ho-nig und 300 g Mehl ergibt einen sehr wei-chen aber doch formbaren Teig. Da mit dem Wort phthoîs sowohl Medikamentkügelchen als auch Goldnuggets bezeichnet wurden (Le-tronne, 1833, 62), habe ich den Teig zu Bäll-chen geformt. Diese können entweder ca. 20 Minuten bei 180 °C im Ofen gebacken oder in etwas Fett in einer Pfanne ausgebacken werden. Reichlich mit Honig übergossen und warm gegessen, haben die Bällchen durchaus ihren Reiz, obschon sie eine etwas gummi-artige Konsistenz aufweisen und meines Er-achtens von der Zugabe von Ei und Hefe sehr profitieren würden.

Absolut unübertreffbar sind hingegen die gastris genannten Süssigkeiten aus Kreta, für die Chrysippos ebenfalls in seinem Kochbuch ein Rezept mitteilt: «In Kreta aber […] stellen die Bäcker etwas her, das sie gastris nennen. Dies wird folgendermassen zubereitet: Nüsse von Thasos und aus Pontos [Haselnüsse und Baumnüsse, vgl. Plinius d.Ä. Hist. nat. 15.88-90], Mandeln und Mohn. Dies alles röste, pass schön darauf auf und zerdrücke es sorgsam in einem sauberen Gefäss! Mische es und ma-che es mit erhitztem Honig geschmeidig, gib Pfeffer hinzu und rühre weiter! Infolge des Mohns wird es schwarz. Klopfe es flach zu einem Viereck! Dann zerreibe weissen Sesam und verrühre ihn mit erhitztem Honig; stelle zwei dünne Platten her und lege eine unten hin und die andere oben darauf, so dass das Schwarze in die Mitte kommt und gleiche es gut aus!» (Ath. Deipn. 14.647f-648a).

Der Aufwand, diese antiken Vorläufer des modernen Honig-Sesam-Riegels herzustel-len, lohnt sich – es ist wohl kein Zufall, dass gastris als Adjektiv auch «dickbäuchig» und als Substantiv «Schlemmer» bedeutet (Lid-del-Scott-Jones). Für die schwarze Schicht 240 g Honig ca. 2 Minuten köcheln lassen. 240 g gemahlene Nüsse und 60 g Mohn rös-ten. Mit dem Honig vermengen, reichlich ge-mahlenen schwarzen Pfeffer hinzufügen und

Die Zutaten des PHTHOIS: Honig, Frischkäse und Mehl.

Der Teig wird zu Bällchen geformt und gebacken.

Warm und mit viel Honig übergossen servieren.

zwischen zwei Lagen Backpapier zu einer rechteckigen Platte ausrollen. Für die hellen Schichten 240 g Honig ca. 2 Minuten köcheln lassen. 360 g weisser Sesam rösten. Mit dem Honig vermengen und zu zwei rechteckigen Platten ausformen. Chrysippos sagt zwar, man solle den Sesam zerreiben, doch ich fin-de, die Süssigkeiten sehen mit ganzem Sesam schöner aus. Die Platten aufeinanderschich-ten und im noch warmen Zustand in kleine Rechtecke oder Rauten schneiden.

Diese honigsüssen Leckereien und viele wei-tere antiken Speisen können Sie während der Art Basel bei uns in der Galerie Cahn degus-tieren! Die Details hierzu finden sie auf Seite 2 und auf der Einladungskarte. Und nun: «Da ihr solches vernommen, behend zu dem Teller gegriffen, herausgeschöpft! […] Auf, schlen-kert die Beine, juheissa, juhei! Es geht ja zum Schmause, juheirassasa!» (Aristoph. Ekkl. 1176-1180).

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Von Martin Flashar

«Schon wieder ein Porträt?», könnte der Leser dieser Rubrik fragen. Ja, denn darin liegt ein tieferer Sinn. Antike Bildnisse sprechen Freun-de der Antike, private Sammler und Museen mit ihren Besuchern besonders an. Sie vermit-teln Individualität und persönlichen Ausdruck, sie sind eindrucksvoll. Sie begegnen auch im-mer wieder auf dem Kunstmarkt. Denn Porträts haben in der Antike vielfach existiert, so dass sie in entsprechender Zahl auf uns gekommen sind. Diese Bildnisse können Verstorbene wie-dergeben, zu ehrenhalber aufgestellten Sta-tuen gehören, militärische oder andere Siege feiern. Der Archäologe Bernhard Schweitzer formulierte (1940) drei Bedingungen der Por-träthaftigkeit: eine bestimmte lebende oder gelebt habende Person muss dargestellt, in der Wiedergabe muss eine Unverwechselbar-keit gewährleistet sein und die künstlerische Ausformung müsse auch über das individuel-le Wesen des oder der Dargestellten Auskunft geben. Inzwischen sieht man, dass etwa die Bildnisähnlichkeit kein zwingendes Kriterium für das griechische Porträt ist. Aber handelt es sich bei dem prächtigen, hier zu besprechen-den Marmorkopf überhaupt um die Wiederga-be eines Individuums?

Die knappe Haarkappe mit kurzen strähnigen Löckchen könnte gegen eine Porträtdeutung sprechen: das ist wenig spezifisch, wir tref-fen das öfters und stereotyp beispielsweise bei Heroen- und auch Athleten-Darstellungen an. Aber schon der Hinweis auf einen möglichen Sieger bei gewichtigem Wettkampf, so oft die-se auch eher idealisiert und ohne persönliche Kennzeichnung bei den Griechen ins Bild ge-setzt (und erst durch eine Inschrift auf der Sta-tuenbasis «identifizierbar») wurden, führt zum Porträtphänomen zurück.

Jeden Zweifel verliert der Betrachter, wenn er den Gestus des Kopfes im Ganzen sieht: Die-se enorme Wendung nach rechts, die folglich kräftige Muskulatur der Halspartie mit der tiefen Kehle vorn, die hoch gezogene rechte Schulter, die nur durch einen ursprünglich erhobenen Arm samt gehaltenem Attribut er-klärlich ist – in der Summe verstärken sich die Indizien für ein Porträt. Weiteren Hinweis ge-ben die exorbitante Qualität des Einsatzkopfes, trotz der Korrosion und den Beschädigungen an der Front bei genauem Hinsehen augen-fällig, und seine deutliche Überlebensgröße: die Statue muss über 2,5 Meter hoch gewesen

Highlight

Herrscher oder Athlet? Ein spätklassisch-frühhellenistischer Marmorkopf

WEIT ÜBERLEBENSGROSSER KOPF EINES HERRSCHERS IN ATHLETENPOSE MIT BINDE. H. 55 cm. Griechischer Insel-Marmor, Eisen. Ehemals Privatsamm-lung. B., Schweiz, ca. 1960-1980. Griechisch, spätklassisch-frühhellenistisch, spätes 4. Jh.v.C. Preis auf Anfrage

sein. Schließlich kommt der individuelle Aus-druck des Gesichts hinzu, am besten en face zu begreifen.

Es leuchtet unmittelbar ein, dass die Entste-hung des Kopfes vor dem Porträt Alexanders des Großen undenkbar ist, diese pointierte herrscherliche Pose hat erst der Makedone ge-prägt. Auch das kleine, fast neckisch-aufstre-bende Lockenbündel über der Stirnmitte könn-te von dort schon angeregt sein. Im Einzelnen trifft man die engsten Verwandten bei Köpfen attischer Grabreliefs des Jahrzehnts 330–320 v.C. Eindrücklich, weil motivisch und typolo-gisch differierend, ist die Gegenüberstellung mit einem Dionysos-Kopf aus Delphi, der wahrscheinlich zum Giebel des Apollon-Tem-pels gehört (dessen Abrechnungsurkunden ihn auf etwa 327 v.C. datieren): dieselben Propor-tionen, die mächtige Stirnpartie, die zuneh-

mende Konzentration durch Einbezug von Augen- und Wangenpartie in die Frontale, ganz ähnliche Augapfel- und Lidbildung, ent-sprechend auch das kleinteilig-nervöse Haar.

Athletische Sieger und Herrscher – seit der aristokratischen Archaik bildeten sie eine will-kommene Einheit (der Dichter Pindar bezeugt es in seinen Siegesliedern auf die panhelleni-schen Wettkämpfe). Die Demokratie brachte den Bruch. Jetzt, mit dem Königtum Alex-anders und den aufkommenden Diadochen-reichen erhält diese ikonographische Liaison einen neuen Sinn. Das feine Bildnis, einst im Besitz eines Basler Archäologen und intimen Kenners antiker Skulptur, bricht gleichsam aus dem überlieferten Typen- und Formen-Raster der Spätklassik aus, es steht am Wendepunkt zum beginnenden Hellenismus – und ist des-halb so wertvoll.

KOPF DES DIONYSOS, Delphi Mus. Inv. 2380, um 330/320 v.C., wohl vom spätklassisch-früh-hellenistischen Apollon-Tempel.

Die detailreiche Gestaltung des Hinterkopfes ist gut erhalten.