58
Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss gem. Art. 45 a Abs. 2 GG VS-Nur für den Dienstgebrauch Protokoll Nr. 16 - endgültige Fassung - (Sitzungsteil Zeugen- vernehmungen, I: Öffentlich) 31. März 2010 Stenografisches Protokoll * der 16. Sitzung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuss gem. Art. 45 a Abs. 2 GG - zugleich 28. Sitzung des Verteidigungsausschusses - am Donnerstag, dem 25.03.2010, 14.00 Uhr Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Berlin Vorsitz: Dr. h. c. Susanne Kastner, MdB (SPD) Tagesordnung Zeugenvernehmungen gemäß Beweisbeschluss 17-58 Seiten 1 - 52 * Der Zeuge Dr. Franz Josef Jung hat Einsicht in das Protokoll genommen. Der Zeuge Dr. Franz Josef Jung hat keine Korrekturwünsche übermittelt.

Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Deutscher Bundestag17. Wahlperiode

Verteidigungsausschuss als1. Untersuchungsausschuss

gem. Art. 45 a Abs. 2 GG

VS-Nur für denDienstgebrauchProtokoll Nr. 16

- endgültige Fassung -(Sitzungsteil Zeugen-

vernehmungen, I:Öffentlich)

31. März 2010

Stenografisches Protokoll*

der 16. Sitzungdes Verteidigungsausschusses

als 1. Untersuchungsausschuss gem. Art. 45 a Abs. 2 GG- zugleich 28. Sitzung des Verteidigungsausschusses -

am Donnerstag, dem 25.03.2010, 14.00 UhrMarie-Elisabeth-Lüders-Haus, Berlin

Vorsitz: Dr. h. c. Susanne Kastner, MdB (SPD)

Tagesordnung

Zeugenvernehmungen gemäßBeweisbeschluss 17-58

Seiten

1 - 52

*Der Zeuge Dr. Franz Josef Jung hat Einsicht in das Protokoll genommen. Der Zeuge Dr. Franz Josef

Jung hat keine Korrekturwünsche übermittelt.

Page 2: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

II

[Seiten II - VII: Platzhalter für Teilnehmerliste]

Page 3: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

III

Page 4: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

IV

Page 5: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

V

Page 6: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

VI

Page 7: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 1[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

(Beginn: 15.13 Uhr)

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich be-grüße Sie sehr herzlich zur 16. Sitzung desUntersuchungsausschusses, die zugleich die28. Sitzung des Verteidigungsausschussesist.

Ich komme zu dem einzigen Punkt derTagesordnung:

Zeugenvernehmung gemäß Beweis-beschluss 17-58

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sieder Tagesordnung entnehmen können, stehtheute eine Zeugenvernehmung in öffentlicherSitzung an.

Die zahlreichen Vertreter der Medienweise ich darauf hin, dass keine Film-, Ton-,Bild- oder Fernsehaufnahmen gemacht wer-den dürfen. Gleiches gilt für die Besucher aufder Tribüne. Ich darf Sie daher bitten, sämt-liche Film-, Ton- und Bildaufnahmegeräteaus dem Sitzungssaal zu entfernen. Die Be-nutzung von Handys ist nicht gestattet. DieHandys müssen während der gesamten Sit-zung ausgeschaltet bleiben.

In seiner 9. Sitzung am 4. März 2010 hatder Ausschuss die Vernehmung des Bun-desministers der Verteidigung a. D.,Dr. Franz Josef Jung, MdB, als Zeugen be-schlossen. - Ich begrüße Sie sehr herzlich,Herr Dr. Jung, im Namen des Untersu-chungsausschusses.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,aus den Erfahrungen der ersten Anhörungenwäre es möglich, dass Teile der Vernehmungals VS-Vertraulich oder VS-Geheim einge-stuft werden. Ich möchte daher bereits andieser Stelle ausdrücklich auf die Geheim-schutzordnung des Deutschen Bundestageshinweisen. Nach § 7 der Geheimschutzord-nung des Deutschen Bundestages muss eineentsprechende Beschlussfassung herbeige-führt werden, wenn über Verschlusssachender Geheimhaltungsgrade VS-Vertraulichund höher beraten wird.

Ich möchte in diesem Zusammenhangdaran erinnern, dass im Falle einer Einstu-fung der Vernehmung mit einem Geheim-haltungsgrad VS-Vertraulich oder höher einWechsel des Sitzungssaales erforderlichwird. Wie in der 13. Sitzung am 18. Märzbeschlossen, sollten daher Vernehmungs-teile, die einer entsprechenden Einstufung

bedürfen, gesammelt am Ende der Verneh-mung im Reichstagsgebäude zur Sprachegebracht werden.

Ich weise ferner darauf hin, dass Vorhalteaus eingestuften Akten nur in einer ebensoeingestuften Sitzung zulässig sind. Dies giltauch für Vorhalte aus Akten, die VS-Nur fürden Dienstgebrauch, VS-NfD, eingestuftsind. Falls dem Zeugen in öffentlicher Sit-zung VS-Nur für den Dienstgebrauch einge-stufte Unterlagen zur stillen Lektüre vorgelegtwerden sollen, muss sichergestellt sein, dassder Inhalt der klassifizierten Unterlage nichtvon Unbefugten eingesehen werden kann.Ich bitte daher darum, die Unterlage hier anmeinem Platz vorzulegen.

Im Fall eines Vorhaltes möchte ich daranerinnern, dass die beigezogene Unterlage,sofern sie nicht wörtlich verlesen wird, demZeugen durch den Fragesteller vorzulegenist. Das Sekretariat ist hier in bewährterÜbung gerne zur Hilfestellung bereit. Ich bitteaber um klare Benennung der Fundstellemitsamt der MAT-Nummer.

Im Falle der Einstufung der Sitzung wirddie Wortprotokollierung grundsätzlich weiter-geführt. Bestehen hiergegen Einwände? -Das ist nicht der Fall. Damit ist die durch-gehende Wortprotokollierung beschlossen.

Vernehmung des ZeugenDr. Franz Josef Jung

Herr Abgeordneter Dr. Jung, ich weiseSie darauf hin, dass wir eine Tonbandauf-nahme der Sitzung fertigen, die ausschließ-lich dem Zweck dient, die stenografischeAufzeichnung der Sitzung zu erleichtern. DieAufnahme wird später gelöscht.

Das Protokoll dieser Vernehmung wirdIhnen nach Fertigstellung zugestellt. Sie ha-ben die Möglichkeit, innerhalb von zwei Wo-chen Korrekturen und Ergänzungen vorzu-nehmen.

Herr Dr. Jung, Sie sind mit Schreiben vom5. März 2010 geladen worden. Das Beweis-thema ist Ihnen mit dem Untersuchungsauf-trag und dem Beweisbeschluss zugegangen.Der Beweisbeschluss ist Ihnen und den Mit-gliedern bekannt.

Die Aussagegenehmigung der Bundes-regierung liegt vor. Diese wurde an die Mit-glieder vorab verteilt. Auf eine Verlesungkann daher verzichtet werden.

Ebenfalls liegt die gemäß § 44 d Abge-ordnetengesetz vom Bundestagspräsidentenerteilte Aussagegenehmigung vor.

Page 8: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 2[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Nach den Vorschriften der Strafprozess-ordnung, die im Untersuchungsverfahrensinngemäß Anwendung finden, und den Vor-schriften des Gesetzes zur Regelung desRechts der Untersuchungsausschüsse desDeutschen Bundestages - im Folgendenverwende ich die Abkürzung PUAG - mussich Sie zunächst belehren:

Sie sind als Zeuge verpflichtet, die Wahr-heit zu sagen. Ihre Aussagen müssen richtigund vollständig sein. Sie dürfen nichts weg-lassen, was zur Sache gehört, und nichtshinzufügen, was der Wahrheit widerspricht.

Ich habe Sie außerdem auf die möglichenstrafrechtlichen Folgen eines Verstoßes ge-gen die Wahrheitspflicht hinzuweisen. Da-nach kann derjenige, der vor dem Untersu-chungsausschuss uneidlich falsch aussagt,gemäß § 153 des Strafgesetzbuches mitFreiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünfJahren bestraft werden.

Nach § 22 PUAG können Sie die Aus-kunft auf solche Fragen verweigern, derenBeantwortung Sie selbst oder Personen, dieim Sinne des § 52 Abs. 1 Strafprozessord-nung Ihre Angehörigen sind, in die Gefahrbringen würde, einer Untersuchung nachgesetzlich geordneten Verfahren ausgesetztzu werden.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründendes Schutzes von Dienst-, Privat- oder Ge-schäftsgeheimnissen nur in einer nach derGeheimschutzordnung des Bundestageseingestuften Sitzung möglich sein, bitte ichSie um einen Hinweis, damit eine entspre-chende Einstufung erfolgen kann.

Herr Dr. Jung, ich bitte Sie: Nennen Sieuns nun Ihren vollständigen Namen, IhrenFamilienstand und Ihren Wohnort.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Dr. FranzJosef Jung, verheiratet, wohnhaft in Eltvilleim Rheingau.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich komme nun zur Vernehmung zur Sache.Herr Dr. Jung, zunächst gebe ich Ihnen Ge-legenheit, dem Ausschuss das im Zusam-menhang darzulegen, was Ihnen von demGegenstand der Vernehmung bekannt ist.Danach werde ich Ihnen einige Fragen stel-len, anschließend erhalten die Mitglieder desAusschusses in einer festgelegten Reihen-folge das Wort.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründendes Schutzes von Dienstgeheimnissen nur ineiner höher eingestuften Sitzung möglich

sein, bitte ich Sie erneut um einen Hinweis,damit eine entsprechende Einstufung erfol-gen kann. Der Ausschuss hat beschlossen,die einstufungspflichtigen Vernehmungsteilezu sammeln und diesbezügliche Fragen amEnde der Sitzung zu stellen.

Herr Dr. Jung, wünschen Sie das Wort?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Gerne. -Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich glaube, wer sich heute einsachgerechtes Urteil noch mal bilden will imHinblick auf den Luftschlag am 4. Septemberin der Nähe von Kunduz in Afghanistan, dermuss sich auch noch ein Stück in Erinnerungrufen, wie sich die Lage in der damaligenSituation dargestellt hat.

Ich war zuletzt mit der Bundeskanzlerinnach dem NATO-Gipfel in Straßburg, Kehlund Baden-Baden in Afghanistan. Ich wardort auch in Kunduz, und ich habe noch vor-her Oberst Benecke erlebt, der dort dasKommando hatte, und habe dann den Antrittim Kommando von Oberst Klein erlebt, denwir als einen sehr besonnenen und hervor-ragend ausgebildeten Soldaten dort kennen-gelernt haben. Ich hatte ihn schon vorhergekannt, und wir haben uns auch damalsüber die weitere Entwicklung im Hinblick aufdie Situation in Kunduz, die sich leider si-cherheitsmäßig zugespitzt hat, intensiv un-terhalten. Ich weiß noch, dass wir die Sorgehatten, weil ja jetzt sozusagen die Zeit desFrühjahrs und dann in den Sommer, auch inder Perspektive zur Bundestagswahl - - unsbesonders kritisch erschien, dass wir darübermit ihm gesprochen haben.

Es war dann auch leider so, dass in die-ser Zeit vier deutsche Soldaten durch An-schläge gefallen sind, dass 20, wenn ichmich recht erinnere, verwundet worden sindund dass wir, wenn Sie so wollen, in derPerspektive täglich fast Gefechtssituationenhatten, IED-Anschläge, Angriffe mit Panzer-fäusten. Die Lage spitzte sich für unsereSoldaten dramatisch zu. Am 3. September,also einen Tag vor diesem Luftschlag, warenwieder drei deutsche Soldaten verwundetworden. Wir hatten in dem Zusammenhangauch Hinweise, dass die Taliban einen grö-ßeren Anschlag gegen uns planen. Deshalbwar ich in permanenter Sorge, dass es denTaliban gelingt, auch und gerade in der Per-spektive vor der Bundestagswahl, einen der-artigen Schlag gegen unsere Soldatendurchzuführen.

Page 9: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 3[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Ich war am 3. September nachmittags imNATO-Hauptquartier und habe dort auchnoch mit General Carter, der ein erfahrenerSoldat und Truppenführer ist und der im Ko-sovo Verantwortung hatte, über die damaligeLage gesprochen. Ich weiß, wie auch dieNATO diesbezüglich sorgenvoll die Entwick-lung in Kunduz gesehen hat, zumal rund eineWoche vorher, am 25. August, ein Tanklast-wagen von den Taliban in Kabul in die Luftgesprengt worden ist, wo 40 Personen ge-tötet und 60 verletzt wurden.

Dann erhielt ich am Morgen des 4. Sep-tember die Nachricht, dass zwei Tanklast-wagen durch einen von uns veranlasstenLuftschlag in Kunduz zerstört worden sind.Es kam auch die Meldungslage nach demKriterium: Bundeswehr gelingt Schlag gegendie Taliban. - Ich habe sowohl mit dem Ge-neralinspekteur als auch mit StaatssekretärDr. Wichert telefoniert; denn ich war unter-wegs in Baden-Württemberg zu einem mit-telständischen Betrieb, der Zulieferer fürunsere wehrtechnische Industrie war. Eskam dann die Meldung: Es sind 56 Tote und14 Verletzte, und es sind Taliban und derenVerbündete.

Wir haben dann darüber beratschlagt, wiewir am sinnvollsten jetzt die Obleute unter-richten; denn es war immer die Aufgabe vonStaatssekretär Dr. Wichert, die Obleute desAusschusses schriftlich zu informieren. Wirhaben gesagt: Das ist alles noch so unge-nau. Wir nehmen keine konkrete Zahl; dennwenn wir eine Zahl nennen und nachher sichdie Opferzahl verändert, dann heißt es: fal-sche Information usw. - Sie kennen die Dis-kussion. Deshalb haben wir in der erstenObleuteunterrichtung auch nur von dem Luft-angriff gegen die OMF gesprochen.

Am nächsten Tag, am 5. September, warich in meinem neuen Wahlkreis unterwegs,und ich hatte vorher ein Gespräch mit derBild am Sonntag. Dort hat mich unser Pres-sesprecher angerufen, um dieses Interviewabzustimmen, und da wir in der Meldungs-lage auch nur die Information hatten „Talibanund deren Verbündete“, habe ich dann ge-nehmigt, dass - mit dem Wortlaut „nach der-zeit uns vorliegenden Informationen“ - nurTaliban zu den Opfern gehören.

Ich habe auch durch weitere Telefonatemit dem Generalinspekteur mich auf denweiteren Informationsstand bringen lassenund habe dann mit, ja doch, einem Stück Be-troffenheit zur Kenntnis genommen, was öf-fentlich berichtet wurde von der europäi-

schen Außenministerkonferenz, wo dieAußenminister Luxemburgs, Frankreichs,Großbritanniens bis zu dem damaligen Ho-hen Repräsentanten Solana sich sehr kri-tisch, aus meiner Sicht mit einer Diktion derVorverurteilung gegen unsere Soldaten, zudem Vorfall geäußert hatten.

Ich muss hinzufügen, dass zwischenzeit-lich ein Angriff an diesem Tag, am 5. Sep-tember, auf unsere Soldaten durchgeführtworden ist. Sie waren auf der Fahrt nachTaloqan, und wir hatten wieder fünf deutscheSoldaten verwundet.

Nachdem wir diese Dinge zu klären ver-sucht haben, habe ich gesagt: Ich will, wasich sonst in derartigen Fällen nicht gemachthabe, mit Oberst Klein telefonieren, will ihma) meine Unterstützung zusagen und b) michauch noch einmal über den Sachstand auserster Hand informieren. Ich war an diesemNachmittag dann nach Stadtallendorf unter-wegs; dort war 50 Jahre Garnisonsjubiläum„Hessischer Löwe“ mit anschließendem Gro-ßem Zapfenstreich. Wir hatten besprochen,dass wir nur über eine Festleitung telefonie-ren, und ich habe von dort auch dann ausder Kaserne mit Oberst Klein telefoniert.

Ich habe ihm zunächst noch einmal meineeindeutige Unterstützung zugesagt; denn ichhabe es als meine Verpflichtung empfunden,dass, wenn ein Soldat in einer solch schwie-rigen Situation zu solch einer Entscheidungkommt und dann öffentlich in die Kritik gerät,der deutsche Verteidigungsminister sich vorihn stellt. Ich habe dann auch von ihm nochmal erfahren, dass es seine Überzeugungwar, dass es nur Taliban waren an diesemOrt, dass er unter dem Eindruck dieser ent-führten Tanklastwagen stand, auch unterdem Eindruck des kurz vorher stattgefunde-nen Ereignisses - ich habe es erwähnt - inKabul, und dass er der Überzeugung war,zum Schutze unserer Soldaten müsse erdiese Entscheidung treffen, zumal seine In-formationen so gewesen seien, dass es sichhierbei nur um Taliban handele.

Er hat mir auch noch gesagt, es seiendann an dem Ort verkohlte Gewehre gefun-den worden, und ich weiß noch, dass er for-muliert hat, dass in den Fällen, wenn es dortzivile Opfer gegeben hätte, die Taliban be-wusst diese zivilen Opfer hätten liegen las-sen, um genau das zu demonstrieren, dassaber hier alle Leichen weggeräumt wordenwären, sodass er auch aus dieser Tatsachegeschlossen hat, dass es sich hierbei nur umTaliban handele.

Page 10: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 4[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Ich bin dann am nächsten Morgen - daswar der 6. September - zu der Wahlkampf-auftaktveranstaltung - das war ein Sonntag -nach Düsseldorf gefahren, und auf dieserFahrt habe ich dann Meldungen vernommen,dass die Washington Post mittlerweile melde:125 Opfer bei diesem Luftschlag, auch zivileOpfer.

Als ich nach Düsseldorf in die Halle kam,hatten wir ein Vorgespräch, wie die Veran-staltung jetzt ablaufen solle. Ich habe auchdort mit der Bundeskanzlerin gesprochen, diein Sorge war im Hinblick auf diese Meldun-gen, die über die Washington Post dort ver-breitet wurden. Ich habe ihr gesagt, was mirOberst Klein sozusagen aus erster Handgesagt hat. Aber wir waren uns darübereinig, dass wir die Frage der zivilen Opferjetzt nicht mehr ausschließen könnten.

Ich bin nach diesem Gespräch dann vordie Presse - das war vor der Halle in Düssel-dorf, das war so in der Zeit 13.30 Uhr -, habedort ein Pressestatement abgegeben undhabe auch formuliert, wenn es dort bei die-sem Luftschlag zivile Opfer gegeben hat,dass wir das sehr bedauern und dass auchunser Mitgefühl den Angehörigen und denFamilien gilt.

Ich hatte auch vor - das habe ich auch derBundeskanzlerin gesagt -, dass ich nochversuche, an diesem Nachmittag noch malmit Oberst Klein zu sprechen wegen diesesBerichtes der Washington Post und auch mitdem COMISAF, sprich: mit GeneralMcChrystal; denn es wurde ja in dieser Mel-dung gesagt, dass auch von seiner Warteher das so beurteilt würde, dass zivile Opfervorhanden wären.

Ich habe zunächst noch einmal mit OberstKlein gesprochen. Er hat mir noch einmaldas geschildert, was er auch im ersten Ge-spräch schon gesagt hat, hat auch da nocheinmal gesagt, dass es ihm gerade darumgegangen sei, auch Kollateralschäden zuvermeiden, sodass er die Absicht der Piloten,zunächst eine stärkere Bombe dort zu neh-men - wenn ich es richtig erinnere, warendas zunächst 500 Kilogramm -, reduzierthabe auf 227 Kilogramm. Er hat noch einmalgesagt, dass die höchste Wahrscheinlichkeitsei, nur Feinde des Wiederaufbaus zu tref-fen - er habe dort sichere Informationen ge-habt -, und dass es ihm darum gegangen sei,die Gefahr für die ihm anvertrauten Soldatenhier abzuwenden.

Ich habe dann mit General McChrystalgesprochen, und zwar während der Veran-

staltung. Da wurde ich aus der Veranstaltungherausgeholt, als das Telefonat stand. Ichhabe ihm auch noch einmal gesagt, wie wirdoch gut in der NATO zusammengearbeitethätten und zusammenarbeiten; denn es warkurz vorher dieser Wechsel. Es war vorherGeneral McKiernan - der war abgelöst wor-den -, und jetzt war McChrystal, wenn Sie sowollen, neu im Amt. Er hat mir gesagt, dasser diese Darstellungen - 56 Tote und14 Verletzte, und das seien Taliban und Ver-bündete - für falsch ansehe. Er sei der Über-zeugung, es gebe zivile Opfer, zumindestgebe es zivile Verletzte, und er sei vor Ortgewesen und habe dort auch im Kranken-haus die Berichte bekommen. Ich habe ihmentgegengehalten, was mir Oberst Kleingesagt hat. Er hat gesagt, er hielte dies fürfalsch, und wir haben uns verständigt, dasseine Untersuchung vonseiten der NATO er-folgen solle. Ich weiß noch, wie er immer von„investigation“ gesprochen hat. Das Ge-spräch fand in Englisch statt. Ich habe ihmunsere Unterstützung für diese NATO-Unter-suchung auch im Rahmen dieses Gesprächszugesagt.

Am Abend nach meiner Rückkehr habeich dann noch mit dem Generalinspekteurtelefoniert. Ich habe ihn erstens von denGesprächen unterrichtet, und er hat mir imRahmen dieses Gespräches von einem af-ghanischen Bericht berichtet. Das war derBericht des Vorsitzenden des Provinzrates,des Gouverneurs, des Polizeichefs, des Ar-meechefs und des Geheimdienstchefs, dievon 56 Toten und 12 Verletzten von diesemLuftschlag gesprochen haben und die formu-liert hatten, nach Gesprächen mit Dorf-bewohnern und Augenzeugen seien es nurTaliban und deren Verbündete.

Er hat mir auch berichtet von einem Be-richt von Oberst N , der diesem Un-tersuchungsteam von General McChrystalangehört hat, wo hier von Personen im Kran-kenhaus gesprochen wurde, und im Hinblickauf das Thema des zehnjährigen Jungen - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Jung, einen kleinen Augenblickbitte. - Herr Birkenheier.

MDg Ulrich Birkenheier (BMVg): DieserBericht ist eingestuft, sodass er nicht in öf-fentlicher Sitzung inhaltlich erwähnt werdenkann.

Page 11: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 5[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich will nursagen, was ich in der Zeitung gelesen habe,

(Heiterkeit)

dass das dort so berichtet worden ist - - undauch im Hinblick darauf, dass er sich dortBrandverletzungen zugezogen habe. Ich willim Detail ansonsten nicht auf den Berichteingehen. Wenn es dort Nachfragen gibt, willich das gerne in geheimer Sitzung tun. Aberich bin vom Generalinspekteur über diesenBericht informiert worden.

Er hat mich auch unterrichtet, dass in derZwischenzeit ein schriftlicher Bericht vonOberst Klein vorliege. Aber im Wesentlichenwar mir das bekannt; denn ich hatte ja mitOberst Klein telefoniert und kannte von daherauch seine Sachdarstellung. Wir haben unsan diesem Abend allerdings auch verstän-digt, dass wir, ich sage mal, etwas vorsich-tiger sind im Hinblick auf die Frage, die amAnfang ja so der Punkt war, dass es nur Ta-liban seien und ich ja auch formuliert habe„nach mir derzeit vorliegenden Erkenntnis-sen“, dass wir nicht mehr ausschließen kön-nen, dass es auch zivile Opfer gibt. Ich habeihm gesagt: Ja, ich habe bereits am Nach-mittag vor der Presse davon gesprochen,auch von dem Thema „zivile Opfer“.

Am nächsten Tag war die Feierstunde inBonn „60 Jahre Konstituierung des Deut-schen Bundestages“. Da war zunächst eineökumenische Andacht. Ich weiß noch, wieder ehemalige Bundesaußenminister Gen-scher auf mich zukam und mir in dieser nichteinfachen Situation Unterstützung zugesagthat. Ich bin dann nachher ins Plenum undhabe dort den Bundesaußenminister Stein-meier getroffen, habe mich mit ihm natürlichauch darüber unterhalten, insbesondere da-rüber, dass ich mich über die Stellungnah-men der Außenminister und diese Vorverur-teilung geärgert hatte. Ich hatte den Ein-druck, dass er dies auch geteilt hat. Ich habeihm in dem Zusammenhang auch gesagt -denn natürlich hatte er den Bericht der Wa-shington Post auch zur Kenntnis genom-men -, dass aber die Afghanen das ganzanders darstellen würden, sogar unter Bezugauf Augenzeugen, und habe ihm auch dasgezeigt - was ich gerade wiederholt habe,also die Frage, dass es nur Taliban, Verbün-dete seien -, den Bericht der afghanischen - -sowohl Provinzrat als auch Gouverneur alsauch Polizeichef usw.

Wir haben danach, nachdem wir ausBonn zurückkamen, eine presseverwertbare

Stellungnahme ausgearbeitet. Die haben wirvorab, bevor wir sie veröffentlicht haben,auch den Obleuten gegeben. DiesenSachstand haben wir dann auch dem Bun-deskanzleramt gegeben.

Jetzt, denke ich, müssten Sie mir einenHinweis geben, Frau Vorsitzende, aber ichdenke, eine presseverwertbare Stellung-nahme war öffentlich, sodass ich auch zudem Inhalt Stellung nehmen kann. - 56 Tote,hieß es dort, 14 auf der Flucht, Taliban, 12männliche Verletzte, darunter ein zehnjähri-ger Junge, der mit Brandverletzungen auchins Krankenhaus gekommen sei. Wir habenBezug genommen auf den Bericht der Wa-shington Post. Wir haben Bezug genommenauf die Voruntersuchung, also dieses InitialAction Team, und haben dort auch formuliert,dass das Team davon ausgehe, dass mit anSicherheit grenzender Wahrscheinlichkeitauch Zivilisten getötet oder verletzt wurden. -Ich spreche vom 7. September. - Wir habenauch auf das Schreiben Afghanistan, derafghanischen Kräfte, Bezug genommen, dieausschließlich gesagt haben: „regierungs-feindliche Kräfte“, das offiziell in Kunduz alseine erfolgreiche Operation begrüßt hätten.

Am 8. September - das war vor der Re-gierungserklärung der Bundeskanzlerin imPlenum - hatten wir eine Obleuteunterrich-tung, und zwar des Verteidigungsausschus-ses und des Auswärtigen Ausschusses, imVerteidigungsministerium. Diese Unterrich-tung - es sind ja Teilnehmer hier - hat immerso stattgefunden, dass ich zunächst einge-leitet habe und dass dann der General-inspekteur über die sehr konkreten Situatio-nen, auch teilweise anhand von Bildmaterial,entsprechend unterrichtet hat, umfangreichunterrichtet hat. Ich sage noch einmal, ohnejetzt auf das Detail dieser Unterrichtung ein-gehen zu können, dass auch dort über das,was vorher in der presseverwertbaren Stel-lungnahme drin war, nämlich Frage „Teamgeht davon aus, dass mit an Sicherheit gren-zender Wahrscheinlichkeit auch Zivilistengetötet oder verletzt wurden“, unterrichtetwurde. Andere Detaildinge lasse ich jetztweg, weil ich denke, dass das unter Geheimfällt. Aber es war eine umfangreiche Unter-richtung.

Es war dann die Regierungserklärung derBundeskanzlerin im Bundestag, die insbe-sondere darauf hingewiesen hat, dass, wennes zivile Opfer gegeben hat, wir das sehr be-dauern. Ich habe dann ebenfalls ja im Deut-schen Bundestag Stellung genommen, habe

Page 12: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 6[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

noch einmal auf den afghanischen BerichtBezug genommen, aber ich habe auch ge-sagt - ich will das noch einmal zitieren -:

Weil es jetzt auch andere Informa-tionen gibt, ist es notwendig undrichtig, dass wir alles daransetzen,unseren Beitrag zur sachgerechtenAufklärung zu leisten. Ich sagenoch einmal: Wenn es zivile Opfergegeben hat, fordert dies unsereAnteilnahme und unser Mitgefühl.

Wir werden uns auch darum küm-mern, dass die Situation vor Ort ge-regelt wird. Das halte ich für einenwichtigen Punkt. Aber um Entschei-dungen in dieser Richtung treffenzu können, muss erst das abschlie-ßende Untersuchungsergebnis vor-liegen.

Hier will ich vielleicht hinzufügen, dass es,ich sage mal, ein Dreivierteljahr vorher, alsich in Afghanistan war, einen Vorfall gab, woan einer Grenzsituation eine Frau und zweiKinder von einem deutschen Soldaten durchein, wie ich fand, sehr tragisches Missge-schick getötet worden sind. Allerdings - dasmuss man hinzufügen - ist dieses Auto mitvollem Karacho auf diese Grenzstation zu-gefahren, und trotz Warnhinweisen haben sienicht angehalten, und dort ist dann dieserVorfall passiert. Ich habe dort, als ich vor Ortwar, mit dem Stammesältesten, der einenAuftrag hatte für die Angehörigen, auch ge-sprochen. Ich habe mich entschuldigt, undich habe gespürt, wie positiv das aufgenom-men worden ist, bis zu dem Gespräch nach-her mit Präsident Karzai, der hervorgehobenhat, dass dies ein Stück beispielhaft wäre,wie sich hier Deutschland verhalte; er würdesich wünschen, wenn der eine oder anderederjenigen, die ansonsten in Afghanistan sichengagieren, sich ebenfalls so verhaltenwürde.

Am 8. September, also an diesem Tag,hat General McChrystal dann diese Untersu-chungskommission eingesetzt, übrigens mitdem Auftrag, auch zu untersuchen: even-tuelle zivile Opfer, nicht vorhandene zivileOpfer? Ich hatte dann sowohl mit dem Gene-ralinspekteur als auch mit StaatssekretärDr. Wichert darüber gesprochen, dass wirkeine eigene Untersuchung machen, son-dern dass wir diese Untersuchung unterstüt-zen. Wir haben dann Herrn RechtsberaterV in diese Untersuchungskommissionbeordert, haben aber gleichzeitig gesagt,

dass wir das vom Ministerium unterstützendbegleiten. Das heißt konkret: vom Einsatz-führungsstab, der ja auch für diese Aufgabengegründet worden ist und auch zuständigwar.

Am 9. September gab es übrigens dannnoch einen Bericht einer afghanischen Un-tersuchungskommission, einer anderen wie-der, die auch davon gesprochen hat, dassörtliche Repräsentanten den Luftschlag mili-tärisch für erforderlich und legitim gehaltenhaben. Man sprach von Opfern von OMF,also Opposing Military Forces.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Dr. Jung, ich möchte dem Herrn Birken-heier das Wort geben.

MDg Ulrich Birkenheier (BMVg): DieserBericht ist auch eingestuft, sodass er hier inöffentlicher Sitzung nicht erörtert werdenkann.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Okay.Besten Dank für den Hinweis.

Dann, am 9. September, haben wirebenfalls wieder die Obleute unterrichtet imHinblick auf die Frage, dass der Bericht InitialAction Team vorliegt, auch, dass jetzt derUntersuchungsauftrag erteilt worden sei.

Am 11. September ist wieder eine umfas-sende Obleuteunterrichtung durchgeführtworden im Verteidigungsministerium für denVerteidigungsausschuss und den Auswärti-gen Ausschuss, und wir haben dort ebenfallsdie Abgeordneten auf den neuesten Standgebracht. Ich will vielleicht hinzufügen, dassdort die Abgeordneten auch immer die Mög-lichkeit hatten, Fragen zu stellen, die dannauch entsprechend beantwortet worden sind.

An diesem Tag hatte ich noch ein Ge-spräch mit dem amerikanischen Botschafter,der einen Antrittsbesuch durchgeführt hat.Wir haben auch über die Situation gespro-chen. Er hat noch einmal seinen Dank fürdas Engagement unserer Soldaten in Afgha-nistan vermittelt. Ich habe ihm aber auchgesagt, dass ich es nicht gut gefunden hätte,dass, als General McChrystal dort vor Ortwar, sozusagen einseitig ein Journalist vonder Washington Post dabei war und dann einsolcher öffentlicher Eindruck entstandenwäre. Also wir haben uns auch über dieseFrage im Rahmen unseres Gesprächs, dassehr freundschaftlich verlief, unterhalten.

An dem Tag haben wir noch einen Ta-gesbefehl an das Einsatzkontingent heraus-

Page 13: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 7[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

gegeben und haben dort die Rede der Bun-deskanzlerin, die sie im Bundestag gehaltenhatte, hinzugefügt.

Ich will sagen, dass im Laufe der Tagedann teilweise öffentlich Kritik geäußert wor-den ist, dass sich unser Generalinspekteurim Rahmen dieser Debatte zurückhalte. Ichhabe dann mit ihm darüber gesprochen undhabe auch gesagt: Es wäre vielleicht ganzklug, wenn jemand nach Afghanistan gehenwürde, erstens um die Verbundenheit undUnterstützung zu den Soldaten deutlich zumachen, zweitens aber auch, um sich vor Ortselbst auch noch einmal ein Bild zu ver-schaffen. - Dann ist der Generalinspekteur inder Zeit vom 14./15. September sowohl inKunduz gewesen als auch in Kabul. Er hatdort mit Oberst Klein gesprochen, hat dortauch mit dem Untersuchungsführer GeneralMcSullivan gesprochen.

Wir haben dann nach seiner Rückkehrgemeinsam telefonisch die Obleute unter-richtet. Wenn ich es richtig sehe, darf ichüber das Detail hier jetzt keine Auskunft ge-ben. Aber ich kann so viel sagen, dass wirauch hier eine umfangreiche Unterrichtungvorgenommen haben.

Es gibt dann am 22. September einen Be-richt einer afghanischen Untersuchungs-kommission. Hier will ich nur so viel sagen,dass es dort auch wieder verschiedene Zah-len gab, auch Zahlen im Hinblick auf Zivilis-ten. Darüber habe ich mit dem General-inspekteur gesprochen, und wir haben ge-sagt: Wir haben jetzt so viele, teilweise un-terschiedliche Berichte, auch mit unter-schiedlichen Zahlen. Wir haben eindeutiggesagt: Wir wollen entscheidend hier dieNATO unterstützen, und der entscheidendePunkt ist jetzt der NATO-Untersuchungs-bericht, sodass wir jetzt nicht noch weitereZahlen sozusagen veröffentlichen, was mehrzur Verwirrung als zur Klarheit in der Ge-samtdiskussion beiträgt. Wir warten denISAF-Bericht ab.

Am 5. Oktober habe ich General Wieker,den heutigen Generalinspekteur, als Chefdes Stabes nach Afghanistan verabschiedet,und ich meine, es sei dieser Tag gewesen,dass ich mit dem Generalinspekteur gespro-chen habe und er mir gesagt hat: Da gibt esauch noch einen Bericht eines Feldjägers. -Ich gehe jetzt nicht auf Details ein; ich sagenur, dass der sozusagen nicht vorteilhaft fürunsere Soldaten war.

(Rainer Arnold (SPD): Das habenwir akustisch nicht verstanden!)

- Dass er nicht vorteilhaft für unsere Soldatenwar. - Ich habe mich zunächst ziemlich da-rüber geärgert, weil ich gesagt habe: Wirhaben doch gesagt: Wir unterstützen nur dieNATO. Wie kommt ein Feldjäger überhauptdazu, so was zu machen? - Ich bitte bei Kol-legen, die den Feldjägern nahestehen, umNachsicht. Aber ich habe dann von dem Ge-neralinspekteur erfahren, dass er das auch,als er vor Ort war, unterbunden habe, dassaber jetzt dieser Bericht da sei - - und waswir sozusagen jetzt damit machen.

Ich habe gesagt: Es hat keinen Zweck.Wir haben zwar gesagt: „Wir unterstützen nurdie NATO, machen nichts Eigenes“, aberwenn wir das jetzt unter den Tisch fallenlassen, dann ist das nicht in Ordnung, zumaldas kein positiver Bericht war. - Deshalbwaren wir gemeinsam der Auffassung, dasswir diesen Bericht der NATO-Untersu-chungskommission zur Verfügung stellen,und das ist dann auch am 7. Oktober erfolgt.Wie ich später aus der Zeitung erfahrenhabe, soll der Rechtsberater V gesagthaben, dass die Untersuchungskommissionder NATO diesen Feldjägerbericht für be-deutungslos gehalten und ihn vernichtethabe.

Am 15. Oktober habe ich dann den neuenSACEUR Stavridis getroffen. Er hat auchseinen Antrittsbesuch bei uns abgestattet.Wir haben über die Gesamtsituation gespro-chen, auch all der Einsätze der NATO. Wirhaben natürlich auch über den Luftschlaggesprochen. Ich habe ihm damals gesagt,dass immer unser Ziel war - das war immerauch mein Petitum -, zivile Opfer zu vermei-den; denn wir hatten ja teilweise schon Si-tuationen, wo durch andere Kräfte teilweiseHochzeitsgesellschaften bombardiert waren,wo es Demonstrationen gegen die NATOgab. Wer vernetzte Sicherheit umsetzen will,das heißt Vertrauen der Menschen gewinnenwill, der kann nicht hier in einer derartigen Artund Weise vorgehen. Darüber waren wir unsauch sehr einig.

Ich habe dann, um das Bild insgesamtabzurunden, am 21. Oktober ein Schreibenveranlasst an die Generalstaatsanwaltschaftin Dresden, die dort mit Vorermittlungen ge-gen Oberst Klein beschäftigt war, und habedargelegt, dass ich der Auffassung sei, dassOberst Klein sich grundsätzlich im Rahmendes Mandats verhalten habe und hilfsweise

Page 14: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 8[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

hier das humanitäre Völkerrecht auch geltenwürde.

Am 22. und 23. Oktober war ich bei derNATO-Verteidigungsministerkonferenz inBratislava. Übrigens habe ich dort noch ein-mal sehr breite Unterstützung meiner Kolle-gen erfahren, die sich völlig im Gegensatz zuden Außenministerkollegen dort erklärt ha-ben. Ich habe dort auch noch einmal mitGeneral McChrystal gesprochen, der mirgesagt hat, dass der Untersuchungsberichtsozusagen jetzt bei ihm in der Endfassungvorliege und dass er alsbald zugestelltwürde. Ich habe ihm das noch einmal gesagt,auch im Hinblick auf meine Solidarität undUnterstützung gegenüber Oberst Klein. Ichweiß noch, dass ich ihm die Frage gestellthabe, was eigentlich gewesen wäre, wenn esden Taliban gelungen wäre, diese Tanklast-wagen gegen unsere Soldaten entsprechendzur Detonation zu bringen, und 60 deutscheSoldaten tot gewesen wären.

Wir haben dann am 26. Oktober - dennals ich von Bratislava zurückkam, habe icherfahren, dass ich in der neuen Bundesregie-rung das Amt nicht mehr bekleiden werde,sondern dann das Amt des Arbeits- und So-zialministers übernehmen solle, die Vereidi-gung war ja am 27. Oktober [sic!], und Kol-lege zu Guttenberg dann Verteidigungs-minister werden solle -, Kollege zu Gutten-berg und ich, bei mir im Verteidigungsminis-terium ein Übergabegespräch geführt, wo wirüber verschiedene Dinge gesprochen haben,beispielsweise teilweise die Dinge, die nachder Koalitionsvereinbarung jetzt auf denVerteidigungsminister zukommen; denn ichwar federführend für die CDU/CSU für denBereich Außenpolitik, Europapolitik, Ent-wicklungspolitik und Verteidigungs- und Si-cherheitspolitik. Wir haben über die Einsätzegesprochen. Ich weiß noch, dass wir auchüber die Rüstungsprojekte gesprochen ha-ben bis zum Thema A400M.

Ich habe ihm auch gesagt, dass derNATO-Bericht jetzt alsbald eingehen würde.Ich hatte mit General Wieker, der zwischen-zeitlich ja in Afghanistan war, besprochen,dass der unmittelbar uns zugestellt würde.Das war noch in einer Zeit, wo ich sozusagenim Amt war. Da habe ich ihm gesagt, dass erunmittelbar den Bericht bekommen würdeund es bei uns üblich war, dass der Pla-nungsstab eine Stellungnahme für den Mi-nister und für den Generalinspekteur ausge-arbeitet hat.

Was im NATO-Bericht im Einzelnen steht,habe ich nicht mehr zur Kenntnis genommen;das habe ich dann nur aus der Presse erfah-ren - aber ich glaube, das kennen Sie -, imHinblick auf die Zahlen 17 bis 142 Opfer undmögliche 30 bis 40 Zivilisten.

Ich will vielleicht, um das Bild abzurun-den, Frau Vorsitzende, noch zwei Punktegerne vortragen. Am 26. November, also andem Tag, als an dem Morgen dieser Feld-jägerbericht in einer Zeitung erschien, hat ineinem ZDF spezial der aus meiner Sicht mitgrößte Experte für Afghanistan, der Journa-list Ulrich Gack, berichtet, dass Verschleie-rungstaktik im Fall der Taliban gegeben sei.Sie versuchen natürlich, die Opferzahlennach oben zu treiben. Er sagt: Es gibt Be-richte, dass im Krankenhaus Kunduz nachdieser Operation Leute eingeliefert wordensind, die bei dem Luftschlag gar nicht verletztworden sind, nur um zu zeigen: Es sind vieleMenschen verletzt worden oder ums Lebengekommen. Das ist die Taktik der Taliban,die mit allen Tricks schafft. Es ist auch einKrieg der Worte.

Ein letztes Beispiel, ebenfalls von UliGack. Er berichtet über einen entsprechen-den Verwaltungschef von Chahar Darreh,also der kritischen Region, Abdul Waheed,der mit vielen Taliban eng verwandt ist. DerBericht ist übrigens vom 14. Dezember. Vieleaus seiner Familie sind umgekommen, sagtder. Viele waren nicht unschuldig. Die Ge-töteten waren Taliban, oder sie hatten eineenge Beziehung zu ihnen, Unterstützer oderVerwandte. Er sagt dann weiter, er wisse dasdeshalb, weil in der Nacht viele andere vonden Taliban vertrieben wurden, die zuvornicht mit den Taliban zusammengearbeitethaben. Die ganze Diskussion in Deutschlandüber den Luftschlag findet Abdul Waheedmerkwürdig fremd. Für ihn sind Taliban bru-tale Terroristen.

Wenn also in dem Zusammenhang, FrauVorsitzende, liebe Kolleginnen und Kolle-gen - deshalb habe ich Ihnen diesen Sach-verhalt dargestellt -, von Vertuschen odervon schlimmeren ehrabschneidenden Dingengegenüber meiner Person gesprochen wird,dann kann ich das nur mit Nachdruck zu-rückweisen. Mir ging es immer darum, hierkorrekt, wahrheitsgemäß zu unterrichten,auch und gerade das Parlament zu unter-richten. Aber mir ging es auch darum, unsereSoldatinnen und Soldaten zu unterstützen,die mit Risiko für Leib und Leben für unsere

Page 15: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 9[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Sicherheit in Afghanistan im Einsatz sind. -Besten Dank.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Vielen Dank, Herr Dr. Jung. - Sie haben vonBerichten gesprochen aus Afghanistan, vondem Feldjägerbericht. Welche Berichte undanderen Unterlagen sind Ihnen im Zusam-menhang mit der Kunduz-Affäre am 4. Sep-tember 2009 noch vorgelegt worden oderbekannt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Am4. September - das habe ich Ihnen ja geradegesagt, Frau Vorsitzende - habe ich morgensdiese Information bekommen, dass zweiTanklastwagen in Kunduz zerstört seien. Essind Meldungen dann gelaufen: Bundeswehrgelingt Schlag gegen Taliban. - Ich habedann mit dem Generalinspekteur und mitStaatssekretär Dr. Wichert telefoniert, unddann kam die Information: 56 Tote, 14 Ver-letzte, es sind Taliban und deren Verbün-dete.

Ich sage noch einmal: Wir haben deshalbdie Obleute am 4. September nicht konkreti-siert auf konkrete Opfer unterrichtet, weil dasalles noch zu unsicher war und ich nichtwollte, dass wir heute berichten: „56 Opferund 14 Verletzte“, und nachher sind es viel-leicht 60 oder 70, und mir wäre vorgeworfenworden, das Parlament falsch zu informieren.Das war immer ein Stück unser Problem,dass teilweise in unserer heutigen Medien-situation viele Meldungen schon transportiertwerden, aber wir noch gar nicht die hundert-prozentige Sicherheit hatten, dass das auchstimmt.

Wenn Sie sehen, was hier im Grunde ge-nommen an divergierenden Meldungen dawar, dann, glaube ich, war das auch zu-nächst richtig, sodass am 4. September wirdiese Information auch ans Parlament dannweitergegeben haben, die da lautet: Es warein Luftangriff gegen OMF, also OpposingMilitary Forces.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Jung, ich wollte eigentlich wis-sen: Haben Sie noch weitere Berichte be-kommen? Sind Ihnen die vorgelegt worden?Haben Sie von ihnen erfahren auf irgendeineArt und Weise oder nicht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Im Zu-sammenhang mit der Gesamtsachdarstel-lung selbstverständlich. Ich habe ja davon

gesprochen, dass ich den Bericht hatte vonOberst Klein, dass ich den Bericht hatte vonOberst N , der hier in diesem InitialTeam war, dass ich den Bericht hatte vonden Afghanen, dass ich danach noch einmaleinen Bericht hatte von einer afghanischenUntersuchungskommission, dass wir -Augenblick einmal, es war noch ein Thema -

(Der Zeuge liest in seinenUnterlagen)

nachher dann auch über die Feldjäger - dashabe ich ja gerade vorgetragen - - und dasses noch einmal einen Bericht gab - Augen-blick -

(Der Zeuge liest in seinenUnterlagen)

einer afghanischen Untersuchungskommis-sion. Das sind im Grunde genommen dieBerichte, die ich bekommen habe.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner:Hatten Sie während Ihrer Amtszeit als Bun-desminister der Verteidigung jemals einenAnlass gesehen, hinsichtlich dieses Untersu-chungsgegenstandes verzögerte, sachlichfalsche oder unvollständige Unterrichtungdurch Mitarbeiter Ihres Ressorts zu rügen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Hatte ichnicht. Das Einzige, was mich geärgert hatte,ist, dass der Feldjäger aus meiner Sichteinen Bericht gemacht hatte, obwohl wir jaeigentlich gesagt hatten: Es gibt keineneigenen Bericht, sondern wir unterstützennur die NATO.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner: Siehaben davon gesprochen, dass Sie am26.11. ein Übergabegespräch mit dem Kolle-gen zu Guttenberg hatten. Haben Sie beidiesem Übergabegespräch über den Unter-suchungsgegenstand gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir habenallgemein über die Situation des Luftschlagesgesprochen. Ich habe ihm auch noch einmalgesagt, dass ich es als meine Pflicht ange-sehen habe, mich vor Oberst Klein zu stellen,und ich habe ihm gesagt, dass, wie gesagt,die unterschiedlichsten Informationen dawaren, dass ich aber gleich, im Gegensatzzu der öffentlichen Berichterstattung, ja be-reits am Sonntag, als die Washington Posterschienen war, auch von zivilen Opferngesprochen habe. Ich habe ihm dann gesagt,

Page 16: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 10[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

wie gesagt, dass wir bei uns alles auf diesenNATO-Untersuchungsbericht konzentrierthätten und dass dieser NATO-Untersu-chungsbericht jetzt in den nächsten Tagenbei ihm eingehe. Wenn ich es richtig weiß, istder ja auch dann sogar, glaube ich, schonam nächsten Tag bei ihm eingegangen.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner: Vie-len Dank. - Ich möchte nun den anderenAusschussmitgliedern die Möglichkeit geben,ihre Fragen zu stellen. Für den Zeugen darfich kurz den Ablauf darstellen: Für die Frak-tionen ergibt sich nach der sogenanntenBerliner Stunde ein festes Zeitbudget für ihreFragen und eine bestimmte Reihenfolge,wobei der Grundsatz von Rede und Gegen-rede berücksichtigt wird.

Zur Eröffnung der ersten Fragerundegebe ich das Wort der CDU/CSU-Fraktion.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Herr Kollege Dr. Jung, darf icheinfach noch mal zurückkommen auf die Artoder auf das Prozedere, wie in Ihrem Hauspraktisch auf solche besonderen Vorkomm-nisse reagiert wurde? Können Sie vielleichtdiesem Ausschuss darstellen, wie die Mel-dewege organisiert waren, hin vielleicht biszur Beantwortung der Frage, wer Sie dennpraktisch während Ihrer Wahlkampfreiseunterrichtet hat, aus dem Ministerium, ausdem Einsatz oder wo immer? Wenn Sie dauns den normalen Ablauf noch mal schildernkönnten.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Normalläuft der Meldeweg unmittelbar über dasEinsatzführungskommando in Potsdam. Wirhatten ja dann zwischenzeitlich, wie Sie wis-sen, Kollege Beck, den Einsatzführungsstabgebildet, weil wir hier in besonderer Pflicht-erfüllung auch im Hinblick auf die Einsätzestanden, sodass also vom Einsatzführungs-kommando das an den Einsatzführungsstabgegangen ist, dann an den Generalinspek-teur respektive Staatssekretär und dann anmich, wobei ich in dieser Zeit, wenn Sie sowollen, nicht telefonisch im Kontakt gestan-den habe jetzt mit dem Einsatzführungs-kommando oder mit dem Einsatzführungs-stab, sondern in der Regel mit dem Gene-ralinspekteur und mit dem Staatssekretär.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Habe ich Sie richtig verstanden,dass also praktisch die Informationen dann

über den Generalinspekteur und über denStaatssekretär an Sie gekommen sind undauch dann zur direkten Beratung geführthaben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Jawohl.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Darf ich aber schon noch nach-fragen zu dem Morgen des 4. September?Sie waren unterwegs in Baden-Württemberg.Wer hat Sie da informiert? Sie sind offenbartelefonisch angerufen worden. Wer hat Sieda informiert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das gingüber meinen Adjutanten, Herrn OberstBraunstein.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Wissen Sie, woher dieser Anrufkam?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: HerrOberst Braunstein hatte mir zunächst kurzeine SMS geschickt, und wir haben dann - -Wir waren zusammen unterwegs in Baden-Württemberg, er war dort mit dabei. Er hattemich dann auch persönlich in Kenntnis ge-setzt, dass er diese Information - - Jetztmuss ich vorsichtig sein, von wo er sie hatte.Ich nehme an, dass er sie unmittelbar vomEinsatzführungskommando hatte oder vomEinsatzführungsstab. Aber da bin ich jetztnicht sicher.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): War Ihnen zu diesem Zeitpunktbekannt, dass bereits eine Pressemitteilungam Morgen des 04. herausgegangen war,die also zivile Opfer praktisch kategorischausgeschlossen hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Mir war esschon bekannt. Herr Dr. Raabe, der Presse-chef, wenn ich so sagen darf, im Verteidi-gungsministerium, war mit mir unterwegs,weil wir nachmittags dann noch Presse-termine hatten. Der hatte einen Kontakt mitder Pressestelle, und es war, wenn ich esrichtig erinnere, auch der Tag - es war Frei-tag -, wo immer die Bundespressekonferenzist. Dort hat Herr Dienst ihn vertreten, undder hat dort Stellung genommen. Wie gesagt,zunächst waren ja auch unsere Informatio-nen, dass es nach unserem Kenntnisstand

Page 17: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 11[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

sich nur um Taliban und Verbündete gehan-delt hat.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Haben Sie in dem Gesprächdann nachher - - Sie haben sich ja dann da-rüber informiert und auch beraten, dass alsodann nun praktisch außer dieser ersten Mel-dung durchaus auch andere Meldungen be-reits zu diesem Zeitpunkt offenbar vorlagen,die also eine wesentlich andere Lesart auchzuließen. Sind Sie darüber auch informiertworden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich hattenur die Kenntnis, die ich Ihnen gerade ge-sagt habe, auch dann in Gesprächen mitdem Generalinspekteur und dem Staats-sekretär und auch in dem Gespräch mit demStaatssekretär - Wie informieren wir die Ob-leute? -, dass es sich um diese Zahl 56 und14 handelt, allerdings nur Taliban und derenVerbündete. Ich habe dort aber in Überein-stimmung mit dem Staatssekretär zur Vor-sicht geraten, weil das noch zu unsicher war,um hier eine entsprechende Meldung zuformulieren.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Können Sie uns sagen, zu wel-chem Zeitpunkt Sie aus Ihrer Perspektive einumfassendes Lagebild hatten, dass Sie sa-gen: „So, jetzt bin ich informiert darüber undkann da also auch entsprechend kompetenturteilen“?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich hatte,wie gesagt, am 07.09., wo wir auch dann diepresseverwertbare Stellungnahme gemachthaben, auch den Bericht an die Bundes-kanzlerin, ja diesen, zumindest das, wasdamals im Schwange war - - Wissen Sie,hundertprozentig sicher sagen, wie es wirk-lich war - - Also bei allem, was ich gelesenhabe, selbst bei dem NATO-Bericht, ist dasnicht so.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Herr Kollege Dr. Jung, Sie ha-ben ja vorher auch von einem Telefonge-spräch mit dem General McChrystal berich-tet. Nun war diese Reaktion der Amerikanerja durchaus - ich will es mal vorsichtig formu-lieren - etwas unfreundlich, auch der Um-gang mit einem deutschen Offizier etwadurch einen Journalisten der Washington

Post bei einer dienstlichen Anhörung. Wiehaben Sie sich denn gegenüber dem Gene-ral McChrystal geäußert, der ja auch zu die-sem Zeitpunkt bereits öffentlich eigentlichvon zivilen Opfern gesprochen hat und dieDeutschen dafür eigentlich, wie die Außen-minister ja auch bereits, kritisiert hatte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, ichhabe mich ziemlich kritisch mit ihm unterhal-ten und habe ihm auch gesagt, dass ich dasfür unverantwortlich ansehe, auch im Hinblickdarauf, dass er als COMISAF gerade gegen-über unserem Soldaten Oberst Klein sich ineiner solchen Art und Weise äußert. Ich habeihm auch gesagt, was mir Oberst Klein ge-schildert hat. Wie gesagt, nach dem Ge-spräch war er auch etwas vorsichtiger mitdem Thema Opfer, da sprach er nur nochvon Verletzten. Es zeigt mir ja auch, dass erselbst in seinem Untersuchungsbericht, dener da am 8. September ja in Auftrag gegebenhat, nicht definitiv von Opfern gesprochenhat, sondern dass das zu untersuchen sei.

Ich habe doch ziemlich deutlich, sagenwir einmal, meine Verärgerung diesbezüglichzum Ausdruck gebracht. Deshalb, muss ichsagen, war ich nachher auch ganz froh, dasssich die Wogen wieder geglättet hatten, alsich bei der NATO-Verteidigungsministerkon-ferenz mit ihm noch mal über die Gesamt-situation gesprochen habe. Ich hatte denEindruck, und mein Kollege - ja, da kann ichschon fast mehr sagen - Bob Gates, der

amerikanische Außenminister [sic!], hattesich ja auch öffentlich zu General McChrystalgeäußert.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Nach dem Gegenwind derAußenminister hat Sie die Unterstützung derKollegen aus dem Kreise der Verteidigungs-minister also auch da wieder etwas besänf-tigt. Aber jetzt frage ich mal Sie aus IhrerErfahrung als Rechtsanwalt: Wäre denn an-gesichts dieser Situation es nicht sinnvollgewesen, sich nicht auf den Bericht desCOMISAF und damit der NATO zu verlassenund dann gerade angesichts der Situationauch eine eigene nationale Untersuchunganzustreben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Darüberhaben wir ja gesprochen. Ich wollte, wo ge-rade die Gegensätze so im Raum waren, imGrunde genommen vermeiden, dass uns

Page 18: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 12[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

parteiisches Vorgehen dort vorgeworfen wird.Wenn ich sage: „Wir haben darüber gespro-chen“, waren das der Staatssekretär und derGeneralinspekteur. Deshalb haben wir ge-sagt: Wir machen keine eigene Untersu-chung, gerade wo es sich so darstellt, aller-dings geben wir einen Rechtsberater mit indie Untersuchungskommission, und wir be-gleiten dies auch über den Einsatzführungs-stab.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Sie haben uns vorher ange-deutet, dass Sie sich über den Feldjäger-bericht geärgert haben, genauer gesagt überdie Tatsache, dass die Feldjäger tätig ge-worden sind. Nun hat in diesem Kontext derFeldjägerbericht ja auch eine Bedeutungerlangt, die eigentlich nach unserer Ein-schätzung in keinem Verhältnis zum Inhaltsteht, als ob er so etwas gewesen wäre wieder Versuch praktisch einer Eigendarstellungunserer eigenen Streitkräfte gegenüber denVerbündeten. Wie würden Sie denn aus heu-tiger Sicht den Feldjägerbericht beurteilen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habe jagerade wiedergegeben, was der Rechtsbe-rater gesagt hat, wie die NATO den aufge-nommen hat. Da muss ich sagen: Ich kannmich diesem Urteil unseres Rechtsberatersdurchaus anschließen.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Herr Minister, darf ich noch malkurz auch zum COMISAF-Bericht fragen?Sie haben gesagt, Sie haben dem Amts-nachfolger bei der Übergabe auch gesagt:Da kommt der Bericht aus der NATO überdiesen Luftschlag bei Kunduz. - Haben Sieihn auch darauf hingewiesen, dass da viel-leicht ein paar mögliche kritische Punkte - -Die Vorgeschichte war ja weitgehend be-kannt. Wie muss man sich das also vorstel-len? Welche Rolle hat dieser Bericht gespielt,oder hat er angesichts anderer Probleme,was man auch verstehen könnte, nur einerelativ kleine Rolle gespielt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das warnicht die dominierende Rolle im Rahmen desGesprächs. Ich habe allerdings gesagt, dasses sehr unterschiedliche Darstellungen gibtim Hinblick auf die Fragen: Wie viele Opfer?Sind es zivile Opfer? Sind es jetzt Ver-letzte? - Meine Überzeugung war auf jedenFall, dass die überwiegende Mehrheit Tali-

ban waren, dass man zivile Opfer nicht aus-schließen kann. Aber im Wesentlichen habeich halt darauf hingewiesen, wir müssen jetztmal - - Ich wusste ja nicht, was im NATO-Untersuchungsbericht steht. Das hatte mirauch nicht General McChrystal im Gesprächim Rahmen der NATO-Verteidigungsminis-terkonferenz gesagt. Man musste jetzt malabwarten, was konkret dieser Bericht er-bringt.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Darf ich noch mal zurückkom-men auf die Frage der Information IhresHauses? Wir haben ja in der Vergangenheitdort bestimmte Informationsstränge unter-sucht. Hatten Sie direkten Kontakt etwa zumBeispiel, und zwar am 04. oder am 05. be-reits, mit Ihrem Kollegen aus dem Auswärti-gen Amt, der ja eigentlich für die Einsätzefederführend ist? Gab es da ein Gespräch?Die Situation war ja: Es war Wahlkampf, inwenigen Wochen war ja die Bundestags-wahl. - Haben Sie also da mit dem für denEinsatz verantwortlichen, federführendenAmt direkten Kontakt gehabt, oder gab eseben Informationen aus Ihrem Haus an dasAuswärtige Amt oder auch an das Bundes-kanzleramt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Ichhabe mich unmittelbar ans Auswärtige Amtauch gewandt, weil ich mich über diese Be-richte geärgert habe. Das war ja doch mas-siv, wie dort formuliert worden ist. Nun wares so, dass, wenn ich recht erinnere, derBundesaußenminister an dieser Außen-ministerkonferenz nicht persönlich teilge-nommen hat, sondern dass Herr Staats-minister Gloser dort war und ich auch mitStaatsminister Gloser noch einmal gespro-chen habe, sodass von daher ich schon ver-sucht habe, dort ein Stück gegenzusteuern.Ich habe ja gerade gesagt, dass ich dann mitdem Außenminister selbst am Montagmor-gen gesprochen habe, dort in Bonn, unddass der Bundesaußenminister auch mirgegenüber sein Unverständnis geäußerthatte im Hinblick auf diese Vorverurteilun-gen - ich glaube, er hat es nachher sogar imBundestag auch so formuliert -, die die Kol-legen dort gegenüber Oberst Klein vorge-nommen haben.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Kollege

Page 19: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 13[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Dr. Jung. Ich glaube, der Kollege Brand hatnoch weitere Fragen.

Michael Brand (CDU/CSU): Lieber HerrKollege Jung, Sie haben eben davon be-richtet, dass Sie am 5. Oktober mit dem da-maligen Generalinspekteur über die Existenzdes Feldjägerberichts gesprochen haben.Haben Sie zu diesem Zeitpunkt oder umdiesen Zeitpunkt herum auch mit Staats-sekretär Wichert darüber gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Über denFeldjägerbericht? Also wenn ich mich rechterinnere: Nein.

Michael Brand (CDU/CSU): Sie habenbeim Thema Feldjägerbericht - - Das hat derGeneralinspekteur bei seiner Zeugenaus-sage hier auch berichtet, dass er Ihnen vor-getragen hat zum Feldjägerbericht, nichtvorgelegt, aber vorgetragen hat zu diesemBericht. Sind Sie der Einschätzung, dassdieser Bericht, den Sie ja damals noch nichtkannten, so eine Bedeutung hat, dass ereinem Verteidigungsminister vorgelegt wer-den muss bzw. er auch unterrichtet werdenmuss?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: WissenSie, das ist auch ein Stück eine Bewertung.Ich habe ja gerade gesagt: Es waren ja soviele Berichte teilweise in der Welt, und daswar nun - - Der Generalinspekteur - ich habejetzt zu Details nicht Stellung genommen,weil ich darauf hingewiesen worden bin, dasses unter Geheim ist - hat mich schon überden Inhalt informiert. Ich habe ihn nicht ge-sehen, ich habe ihn auch nicht gelesen, aberer hat mich über den Inhalt in Kenntnis ge-setzt, und mir war klar, dass das sozusageneher nachteilig ist für Oberst Klein. Deshalbkamen wir auch zu der gemeinsamen Über-zeugung, dass wir den jetzt nicht sozusagenbehalten, weil es ein eigener Bericht ist, son-dern dass wir, weil wir gesagt haben, wirunterstützen die NATO, auch diesen Bericht,obwohl er nachteilig war, der NATO-Untersu-chungskommission gegeben haben.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Herr Kollege Dr. Jung, darf ichvielleicht kurz noch eine Nachfrage machen,gerade in dem Zusammenhang mit den Be-richten? Sie haben gesagt, der COMISAF-Bericht war im Grunde der, der all diese Be-

richte gesammelt hat und dann auch imGrunde in einer kompakten Form dargelegthat. Nun haben wir im Verlauf der Anhörun-gen erfahren von der Existenz einer„Gruppe 85“, die also, da nun vom Ministe-rium eingesetzt, eigentlich inhaltlich Interes-sen unserer Streitkräfte gegenüber derNATO vertreten sollte, wenn ich es richtig inErinnerung habe. Haben Sie von der Exis-tenz dieser Gruppe gewusst, hat also Staats-sekretär Wichert Ihnen dies dargestellt? Undwie war, wenn Sie davon gewusst haben,deren Aufgabe formuliert? Einfach nur, damitwir in der Frage der Berichte ein bisschenKlarheit bekommen.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das ist derPunkt, den ich vorhin dargelegt habe, dasswir gesagt haben: Wir machen keinen eige-nen Bericht, wir unterstützen die NATO. - Wirhaben den Rechtsberater V , wie gesagt,in die Untersuchungskommission der NATObeordert, aber wir haben gesagt: Wir beglei-ten das über den Einsatzführungsstab. - Dasist diese - in Anführungszeichen - „dubiose“„Gruppe 85“. Mir war dieser Begriff damalsnicht bekannt; er hat wohl irgend so einenComputerbezug gehabt. Aber die Tatsache,dass hier begleitet wird über den Einsatzfüh-rungsstab, das haben wir so besprochen.Wenn ich es recht erinnere, haben wir dasauch nachher sogar öffentlich gemacht am11. September. Also diese Dinge, die dahineingeheimnist worden sind, entbehrenjeglicher Grundlage.

Michael Brand (CDU/CSU): Ich will nochmal nachfragen zum Thema „Gruppe 85“.Habe ich das richtig verstanden: Sie wurdennicht konkret über die Einsetzung der„Gruppe 85“ vom Generalinspekteur odervom Staatssekretär unterrichtet?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir habenuns darüber unterhalten, dass wir diese Un-tersuchung der NATO über den Einsatzfüh-rungsstab begleiten, dass es dort auch Leutegibt, die genau dies machen. Das ist nachherals „Gruppe 85“ bezeichnet worden.

Michael Brand (CDU/CSU): Vielen Dank.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner:Keine Fragen mehr? - Dann gebe ich derSPD-Fraktion das Wort.

Page 20: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 14[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Michael Groschek (SPD): Herr Dr. Jung,erklären Sie dem Ausschuss doch noch ein-mal, warum Sie zurückgetreten sind.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Darf ichmit einer Gegenfrage antworten? Warum hatmich die Frau Vorsitzende zum Rücktritt auf-gefordert?

Michael Groschek (SPD): Das habe ichjetzt nicht verstanden.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habegesagt: Darf ich mit einer Gegenfrage ant-worten? Warum hat mich die Frau Vorsit-zende zum Rücktritt aufgefordert?

(Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Warum haben Sie es

gemacht?)

Ich habe doch in meiner Erklärung imRahmen des Rücktritts das schon erklärt. Ichsah in der damaligen Situation, die einfachangeheizt war, was jeder Realität entsprach -das haben Sie ja gerade gehört -, eine Not-wendigkeit im Hinblick auf den Schutz fürunsere Soldatinnen und Soldaten, und daswar mir vorrangig.

Michael Groschek (SPD): Ich frage janicht ohne Grund. Nach Ihrem Vortrag drängtsich jetzt mir der Eindruck auf, dass Sie nachwie vor sagen, auch nach Ihrem heutigenKenntnisstand bezweifeln Sie, ob es über-haupt zivile Opfer gegeben hat. Sie habendarauf verwiesen, dass Herr Oberst Klein,den Sie als kompetenten Soldaten hochschätzen, Sie darauf hingewiesen hat, dassei eigentlich untypisch. Wenn zivile Opferbei dem Bombenschlag von Kunduz zu be-merken gewesen wären - so haben Sie aus-geführt -, hätten die Taliban auch zivile Opferder Öffentlichkeit präsentiert. Da dies nichtgeschehen sei, würden Sie in Übereinstim-mung mit Oberst Klein bezweifeln, dass essolche gab.

Dann haben Sie weiter ausgeführt, am14.12. hätte ein hervorragender ZDF-Berichtim Grunde das noch mal bestärkt dadurch,dass deutlich geworden sei, dass möglicher-weise auch die Verletzten im Krankenhaus,die Grundlage für die Berichterstattung auchvon ISAF-Berichten und anderen Berichtenwaren, auch des Feldjägerberichtes, imGrunde nur Opfer waren, die untergescho-ben waren, die also gar nicht Opfer desBombenanschlages waren, sondern die an-

derweitig Verletzte waren und die auch als -in Anführungszeichen - „Attrappe“ für Kollate-ralschäden der Weltöffentlichkeit präsentiertwurden. Habe ich Sie da so richtig wahrge-nommen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen erstens dargestellt, was mir OberstKlein in dem Gespräch gesagt hat. Ich habeIhnen zweitens dargestellt, was dort Uli Gackim ZDF berichtet hat, und ich habe Ihnendrittens gesagt, dass ich der Überzeugungsei, dass die überwiegende Anzahl der OpferTaliban seien, dass ich aber nicht ausschlie-ßen kann - die Zahl, wie viele, weiß, glaubeich, keiner; kann es auch nicht richtig sa-gen -, dass es auch im Rahmen dieses Luft-schlages zivile Opfer gegeben hat. Deshalbhabe ich ja auch dies bereits am Sonntag,dem 6. September, so gesagt.

Michael Groschek (SPD): Herr Dr. Jung,am 04.09. lagen der Bundesregierung hin-länglich Informationen vor, die darauf hinwie-sen, dass es mit höchster Wahrscheinlichkeitzivile Opfer gegeben hat. Am 04.09. hat Ihrdamaliger Amtskollege, der Außenministerder Bundesregierung, dargestellt, dass zivileOpfer nicht auszuschließen seien und dass,wenn es zivile Opfer gäbe, er sich bei denAngehörigen für diese Opfer entschuldigenwürde und sein tiefes Bedauern ausdrückenwürde. Sie haben weder am 04.09. noch am05.09. noch über den Tag des 06.09. bisabends Vergleichbares geäußert, sondernSie haben am 05.09. ein umfängliches Inter-view, mitten im Wahlkampf, der Bild amSonntag gegeben, und Sie haben geradedem Ausschuss erklärt, Sie hätten bis heutekein komplettes Lagebild.

Können Sie uns denn erklären, welchenStellenwert in diesem Zusammenhang IhrGespräch mit der Bundeskanzlerin amAbend des 06.09. hatte? Hat die Frau Bun-deskanzlerin Sie am Abend des 06.09. aufdie vorhandene Informationslage hingewie-sen und Sie deshalb gedrängt, eine andereSprachregelung in Ihren öffentlichen Verlaut-barungen einzunehmen? Oder was war dieEntwicklung Ihres Informationsstandes biszum Gespräch mit Merkel am 06.09.?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Sie habenjetzt in Ihrer Frage mehrere Unterstellungen,die ich richtigstellen muss.

Erstens. Mir ist keine derartige Erklärungdes Bundesaußenministers bekannt, von der

Page 21: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 15[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Sie gerade sprechen, am 4. September. Ichweiß nur, dass er am 7. September morgens,als ich mit ihm gesprochen habe, sich ers-tens sehr über diese Vorverurteilung seinerKollegen geärgert hat und zweitens den Be-richt der Afghanen zur Kenntnis genommenhat. Das war ja immerhin nicht irgendjemand,sondern das waren der Vorsitzende des Pro-vinzrates - so habe ich gerade gesagt -, derGouverneur, der Polizeichef, der Armeechef,der Geheimdienstchef, die gesagt haben,Dorfbewohner im Gespräch mit Bewohnernund Augenzeugen haben ihnen genau dasbestätigt. - Erste Feststellung.

Zweite Feststellung: Ich habe am Sonn-tagnachmittag, ca. 13.30 Uhr - die Zeit habeich genannt -, bereits vor der Presse vonzivilen Opfern gesprochen. Ich habe diesgetan, weil durch den Bericht der Washing-ton Post dies so auch dargestellt worden istund wir das nicht ausschließen konnten. Ichhabe dann davor - das habe ich ja gesagt -mich mit der Bundeskanzlerin unterhalten -nicht erst am Abend -, und ich habe amAbend mit dem Generalinspekteur gespro-chen, wo wir über die verschiedenen Be-richte - sowohl Klein als auch N alsauch afghanische Kommission - gesprochenhaben. Das ist der Sachverhalt.

Ich sage Ihnen noch einmal: Ich kennederzeit niemanden - ich weiß nicht, ob Sie eskönnen -, der Ihnen exakt sagen kann, ers-tens, wie viele Opfer Taliban, und zweitens,wie viele zivile Opfer. Ich sage Ihnen: Nachmeiner Überzeugung sind die überwiegendeZahl der Opfer Taliban, aber nach meinerÜberzeugung - das ist meine persönlicheÜberzeugung - gab es auch zivile Opfer, unddeshalb ist es richtig, dass wir uns auch da-für entschuldigen.

Michael Groschek (SPD): Herr Dr. Jung,Sie haben von dem Übergabegespräch am26.10. gesprochen. War das das einzigeÜbergabegespräch zwischen Ihnen undIhrem Amtsnachfolger, oder gab es weitereGespräche?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das wardas einzige Übergabegespräch; denn am27. Oktober [sic!] ist ja schon die neue Bun-desregierung vereidigt worden.

Michael Groschek (SPD): Am 26.10., sohaben Sie ausgeführt, haben Sie ausführlichüber alle wichtigen Vorhaben, auch über dieLage in Afghanistan, gesprochen, und Sie

haben zuvor dem Ausschuss gegenüberausgeführt, dass Sie am 05.10. mit dem Ge-neralinspekteur ja auch über den Feldjäger-bericht geredet hätten, den auch bewertethätten, ihn dann weitergeleitet hätten zurWeiterverarbeitung an den NATO-Bericht.Haben Sie bei Ihrem Übergabegespräch mitDr. zu Guttenberg auch über den Feldjäger-bericht gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Expressisverbis nicht. Ich habe nur allgemein, wie iches gerade dem Ausschuss gesagt habe,gesagt, dass es unterschiedliche Berichtegegeben habe, dass es aber jetzt daraufankomme, was konkret die NATO ermittelthabe.

Michael Groschek (SPD): Hielten Sieden Feldjägerbericht also nicht für erwäh-nenswert gegenüber von zu Guttenberg?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habenach meiner Erinnerung von keinem einzigenkonkreten Bericht gesprochen, weder vondieser afghanischen Kommission noch vonN noch von anderen Berichten, son-dern wir haben uns nur allgemein darüberunterhalten, und ich habe genau das gesagt,was ich Ihnen eben bereits gesagt habe,dass wir uns auf die NATO-Untersuchungkonzentrieren.

Michael Groschek (SPD): Also habenSie Ihrem Amtsnachfolger geraten oder ihndarauf hingewiesen, dass die eigentlicheInformationsgrundlage, die eigentliche Auf-klärungsgrundlage über die Vorkommnisse inKunduz der NATO-Bericht sei.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja. Daraufhaben wir uns ja konzentriert, dass das Ent-scheidende der NATO-Untersuchungsberichtist.

Michael Groschek (SPD): Sie hatten jaeingangs erwähnt, dass Sie ihn auch daraufhingewiesen hätten, dass er sich darauf ver-lassen könne, dass der Planungsstab prak-tisch so etwas wie eine beratende Zusam-menfassung und Bewertung liefern würde.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich so nicht formuliert. Ich habe gesagt, essei abgesprochen, dass, wenn der Berichteingehe, der Planungsstab eine entspre-

Page 22: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 16[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

chende Stellungnahme ausarbeite, die abge-stimmt sei zwischen dem Bundesministerund dem Generalinspekteur.

Michael Groschek (SPD): Kann ich da-raus schließen, dass Sie die übrigen Berichteunerwähnt ließen, dass Sie davon ausge-gangen sind, nach bestem Wissen und Ge-wissen, dass Ihr Amtsnachfolger durch Siekomplett und hinreichend und ausführlichgenug informiert worden ist, wenn Sie ihn aufdiese beiden Dokumente verwiesen haben,die Planungsstabausführungen und denNATO-Bericht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Also, HerrKollege, was Sie daraus schließen, das kannich nicht beurteilen. Ich habe Ihnen denSachverhalt gerade geschildert, so wie ersich dargestellt hat.

Michael Groschek (SPD): Wer waraußer Ihnen beiden bei dem Gespräch betei-ligt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Niemand.

Michael Groschek (SPD): Haben Sie,Herr Dr. Jung, jemals Grund gehabt, denStaatssekretär Wichert oder den General-inspekteur wegen der Amtsführung zu ta-deln?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Also, wis-sen Sie, ich will nur Folgendes sagen:Selbstverständlich gab es in dem einen oderanderen Punkt im Rahmen dieser vierjähri-gen Amtszeit auch teilweise unterschiedlicheAuffassungen, und die haben wir auch dannerörtert, aber die Auffassung des Ministers istdann immer umgesetzt worden.

Michael Groschek (SPD): Haben Siesich mit Ihrem Nachfolger über den Gene-ralinspekteur und den Staatssekretär be-wertend, beurteilend unterhalten?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Michael Groschek (SPD): Hat Herr zuGuttenberg in dem Gespräch oder in einemanderen Zusammenhang sich Ihnen gegen-über über diese beiden Personen geäußert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Michael Groschek (SPD): Haben Sie indem Gespräch mit zu Guttenberg oder indem Gespräch mit der Bundeskanzlerin da-rüber diskutiert oder gesprochen, welcheBedeutung der Begriff „angemessen“ im Zu-sammenhang mit dem Bombenabwurf vonKunduz haben kann?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. DerBegriff war ja nicht mein Thema. Das war jaalles nach meiner Zeit. Ich habe gesagt: Ichhalte die Entscheidung von Oberst Klein fürnachvollziehbar. - Das habe ich auch bei-spielsweise General McChrystal gesagt.

Michael Groschek (SPD): Könnten Sieuns noch mal schildern, warum Sie das fürnachvollziehbar hielten?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich auch in dem Zusammenhang gesagt, weilich im Grunde genommen die Gefahr ge-sehen habe, dass, nachdem die Taliban zweisolche Tanklastwagen in ihren Besitz ge-bracht haben und nachdem sie einen Fahrerja getötet haben, wie Sie wissen, dies eineGefahrensituation für unsere Soldatinnenund Soldaten darstellt und ich das Risikogesehen habe, dass, wenn es denen gelingt,solche Tanklastwagen zur Detonation gegenunsere Soldaten in Stellung zu bringen, wireine erhebliche Anzahl an Opfern vergegen-wärtigen müssten. Ich hatte ja die Erfahrunggerade gemacht, dass etwas über eine Wo-che vorher in Kabul ein Tanklastwagen be-reits 40 Tote und 60 Verletzte verursacht hat.

Michael Groschek (SPD): Haben Sie mitOberst Klein in einem der beiden Gesprächeüber Handlungsalternativen gesprochen, dieer gehabt hätte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Er hat mirdie Situation so geschildert, wie ich es dar-gestellt habe, und ich denke, über Detailfra-gen kann ich auch hier jetzt keine Auskunftgeben.

Michael Groschek (SPD): Haben Sienach dem Vorfall, in dem Gespräch mit zuGuttenberg etwa oder mit der Kanzlerin, überKonsequenzen aus dem Vorfall hinsichtlicheiner zusätzlichen Befähigungsnotwendigkeitder Einheiten in Afghanistan gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Page 23: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 17[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Michael Groschek (SPD): War also ausIhrer Sicht kein Ausrüstungs- oder Fähig-keitsdefizit ursächlich dafür, dass OberstKlein keine Handlungsalternative sah?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Michael Groschek (SPD): Also hättenSie sich keinen anderen Bewaffnungs- oderAusrüstungszustand der Bundeswehr in Af-ghanistan vorstellen können, der dazu ge-führt hätte, dass Oberst Klein eine Hand-lungsalternative gehabt hätte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: In der sehrkonkreten Situation, in der Oberst Klein war,hatte er aus meiner Sicht keine andereHandlungsalternative.

Michael Groschek (SPD): Sie würdenaus heutiger Sicht auch nicht sagen, ein da-mals vorhandenes Defizit bei den Bundes-wehreinheiten müsste heute behoben seindurch ein Nachrüsten von Fähigkeiten?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. DieFrage stellt sich so nicht.

(Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU): Ich

beanstande die Frage!)

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner: HerrKollege Kauder.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Es kommt nicht auf denAusrüstungsgegenstand rückblickend an,sondern auf die damals konkrete Situation.Das ist Gegenstand des Untersuchungsauf-trages. Ich beanstande die Frage als unzu-lässig.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner: HerrKollege Groschek.

Michael Groschek (SPD): Ich muss jetztnur überlegen, damit ich Herrn Kauder keineGelegenheit geben muss, sich wieder einzu-schalten. - Herr Dr. Jung, wie wurde denn diePressearbeit nach dem 04.09. in Ihrem Zu-ständigkeitsbereich geregelt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich denke,das habe ich bereits ausgeführt. Ich habegesagt, dass Herr Dr. Raabe dafür verant-wortlich war, der allerdings mit mir dort un-

terwegs war und der in Abstimmung dann mitseinem Vertreter, mit Herrn Dienst, das be-sprochen hat und der auch dann in der Bun-despressekonferenz dort Stellung genom-men hat.

Michael Groschek (SPD): Die erstePresseerklärung war also nicht mit Ihnenabgestimmt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Also, wis-sen Sie, wenn ein Pressesprecher in derBundespressekonferenz sitzt, dann stimmtder nicht irgendwelche Erklärungen mit demMinister ab, sondern dann geht er im Grund-satz von den Dingen aus, die es zu berichtengibt. Der Sachverhalt war so - darüber war erja auch in Kenntnis gesetzt -, dass wir dendamaligen Kenntnisstand hatten, dass essich hier nur um Taliban und deren Verbün-dete handelt. Das habe ich ja auch bei-spielsweise in dem Bild-am-Sonntag-Inter-view, das Sie vorhin noch einmal zitiert ha-ben, gesagt, dass das mein derzeitigerKenntnisstand war. Und das war er damals.Das heißt, ich rede jetzt von dem Samstag,als ich es abgezeichnet habe. Natürlich ist esam Sonntag erst erschienen; das ist wahr.Aber Sie kennen die Praxis, wie das läuft.Und am Sonntag, als die Washington Postkam und das erste Mal dort auch öffentlichdann in der Diktion von zivilen Opfern ge-sprochen wurde, habe ich ja auch sofortselbst von zivilen Opfern gesprochen. Dashabe ich Ihnen gerade gesagt.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner: Ichgebe jetzt das Wort der FDP-Fraktion.

Joachim Spatz (FDP): Herr KollegeJung, wie ist das denn normalerweise orga-nisiert bei einem Anlass dieser Art, Presse-veröffentlichungen ins Internet zu stellen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Da mussich Ihnen ehrlich sagen: Darum habe ichmich im Einzelnen nicht gekümmert. Das warAufgabe des Presse- und Informations-stabes. Die haben über unser Internet dieentsprechenden Dinge dort veröffentlicht.Aber was dort im Einzelnen stand oder wasim Grunde genommen wo formuliert wordenist, war in der Verantwortung des Presse-und Informationsstabes.

Page 24: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 18[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Joachim Spatz (FDP): Also es konntesein, dass ungeprüfte Informationen, alsodurch Sie oder die politische Leitung desHauses ungeprüfte Informationen, über einenso schwerwiegenden Tatbestand in eineoffizielle Verlautbarung gelangen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habekeine Internetinformation des Presse- undInformationsstabes abgezeichnet.

Joachim Spatz (FDP): Ist Ihnen bekannt,dass in den ersten Stellungnahmen Ihresdamaligen Hauses eben behauptet wird, essind keine zivilen Opfer zu verzeichnen ge-wesen, am Morgen, nämlich ca. 6 Uhr, des04.09.?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja. Daswar ja auch unser Informationsstand. Dashabe ich ja gerade vorgetragen.

Joachim Spatz (FDP): Aber die Informa-tion an die Öffentlichkeit weitergegeben, dashat jemand anders, ohne Sie in Kenntnis zusetzen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digung. Ich habe mit Herrn Dr. Raabe, dermit mir unterwegs war, darüber gesprochen,der hat auch mit seinem Vertreter gespro-chen, und der Vertreter hat das in der Bun-despressekonferenz dann auch gesagt.

Joachim Spatz (FDP): Ich sprach jetztvon den Informationen, die gegen 6 Uhrfrüh - 6 Uhr früh, nicht Bundespressekonfe-renz - eben im Internet gestanden haben.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das hatdann unmittelbar der Presse- und Informa-tionsstab veranlasst aufgrund der Informatio-nen, die er bekommen hat. Ich gehe davonaus, dass er die dann vom Einsatzführungs-stab bekommen hat. Das entsprach aber derInformation, die ich ja auch bekommen habe.Ich habe Ihnen ja gerade gesagt, dass meinAdjutant, der Oberst Braunstein, mich jaauch diesbezüglich so informiert hat.

Joachim Spatz (FDP): Gut. - Ist Ihnenbekannt, dass bereits im Laufe des 04.09.über die militärischen Informationsstränge,dann eben auch ankommend beim Staats-sekretär Dr. Wichert und beim General-inspekteur, erhebliche Zweifel an der Rich-

tigkeit der Ur-Information gewissermaßenbekannt geworden sind?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich Ihnen ja gerade gesagt. Ich habe dieInformation am 04.09. gehabt, die ich hierwiedergegeben habe. Ich habe Ihnen gesagt,dass ich am 05.09. auch mit Oberst Kleintelefoniert hatte. Da hatte ich aber, wenn Sieso wollen, die Information aus erster Hand;denn ich hatte sie ja von Oberst Klein unmit-telbar. Da muss ich darauf verweisen.

Herr Kollege Beck hat zu Recht gefragt.Es ist eigentlich nicht üblich, dass im Grundegenommen ein Minister dann unmittelbarsich sozusagen an den Kommandeur inKunduz wendet. Aber da die Lage nun wirk-lich ein Stück, ja, auch einmalig war, hatteich die Notwendigkeit gesehen, erstens michzu informieren. Aber für mich war noch einStück vorrangig, nachdem diese öffentlichen,ja doch, negativen Stellungnahmen gegen-über Oberst Klein vonseiten der europäi-schen Außenminister erfolgt waren, ihmdeutlich zu sagen, dass der deutsche Vertei-digungsminister eindeutig an seiner Seitesteht.

Joachim Spatz (FDP): Sind Ihnen Über-legungen bekannt geworden im Laufe des4. September, die gewissermaßen einenAbwägungsprozess beschreiben, der unge-fähr in der Linie lautet: „Wir haben jetzt mal,vorgegeben durch wen auch immer, einePresselinie vorhanden, und wenn wir jetzt dieneuen aufkommenden Zweifel in Umlaufbringen, könnte es sein, dass man denOberst Klein beschädigt“? Ist Ihnen voneinem solchen Abwägungsprozess, von demandere gesprochen haben hier, etwas be-kannt geworden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Joachim Spatz (FDP): Sie waren damitalso nicht befasst?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Richtig.

Joachim Spatz (FDP): Dann zum Feld-jägerbericht. Sie haben ja das bestätigt, wasauch andere schon hier sagten, dass manauf die NATO-Ebene hinsichtlich des Be-richts setzt. Ist Ihnen bekannt gewesen zumZeitpunkt, wo Sie das mit - davon gehe ichmal aus - dem Generalinspekteur diskutiert

Page 25: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 19[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

haben, dass zu diesem Zeitpunkt bereits dieRecherchen, sage ich mal, der Feldjäger vorOrt durch einen Verantwortlichen vor Ortveranlasst worden waren?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: SchauenSie mal, ich habe mit dem Generalinspekteuram 5. Oktober darüber gesprochen. Das istvier Wochen nach dem Luftschlag. Selbst-verständlich waren mir da zwischenzeitlichderartige Dinge alle bekannt.

Joachim Spatz (FDP): Okay. Das heißt,Sie haben damit bewusst eine eigene Unter-suchung gestoppt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habekeine Untersuchung gestoppt. Ich sageIhnen, dass wir von Anfang an darüber ge-sprochen haben, dass wir keine eigene Un-tersuchung machen, und wenn ich sage„wir“, waren das sowohl der Staatssekretärals auch der Generalinspekteur. Dann habeich nachher erfahren, hat mir der General-inspekteur gesagt, dass es dann offensicht-lich doch dort eine Untersuchung ja gegebenhat, die er aber auch dann unterbundenhatte, weil wir besprochen haben: Es gibtkeine eigene Untersuchung. - Deshalb habeich mich ja auch so geärgert, dass es dietrotzdem gab. Deshalb haben wir dann jaauch gesagt, weil diese Untersuchung ebennicht unbedingt vorteilhaft war, da wir allesauf die NATO konzentriert haben, dass wirdiesen Bericht auch der NATO zugänglichmachen und den nicht sozusagen unter denTisch fallen lassen.

Joachim Spatz (FDP): Okay. - Dann zumThema Amtsübergabe. Sie sagten ja, dassSie im Wesentlichen darauf verwiesen ha-ben, dass der COMISAF-Bericht unmittelbarbevorsteht. Haben Sie gegenüber demneuen Verteidigungsminister von der Exis-tenz der anderen fünf Berichte, die Sie vorhinerwähnten, etwas gesagt oder nicht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich denke,Herr Kollege, das habe ich schon beantwor-tet. Nein, ich habe nicht konkret auf irgend-welche Berichte Bezug genommen.

Joachim Spatz (FDP): Gut. Dann habeich erst mal keine weiteren Fragen.

Hellmut Königshaus (FDP): Eine Fragewürde ich gerne noch anschließen, Herr Mi-nister. Heute wird ja über Spiegel online be-richtet, es habe dort schon sehr früh zusätz-liche Informationsquellen durch nicht militä-rische Informationsstränge gegeben. IstIhnen darüber etwas bekannt geworden imHause, im BMVg?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Dashabe ich heute auch über Spiegel online zurKenntnis genommen.

Hellmut Königshaus (FDP): Dankeschön.

Vorsitzende Dr. Susanne Kastner: Jetztkomm die Fraktion Die Linke.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Herr Dr. Jung, ichmöchte hinten noch mal anfangen, also beider Amtsübergabe. Gibt es denn dazu, wennes dieses Gespräch - - Sie haben ja gesagt,das ist ein Vier-Augen-Gespräch. ErsteFrage ist: Wird das begleitet auch durch einBriefing des neuen Amtsträgers, durch denGeneralinspekteur, durch den Staatssekre-tär, oder ist das der einzige Punkt, an demdiese Amtsübergabe stattfindet, also diesesVier-Augen-Gespräch?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Daserfolgt immer im Verteidigungsministeriumganz perfekt. Das heißt im Klartext: Der neueMinister wird - das habe ich alles auch un-mittelbar miterlebt - selbstverständlich zu-nächst durch den Generalinspekteur in dieGesamtlage eingewiesen. Dann wird er auchvon den einzelnen Inspekteuren noch einmalin die konkrete Situation eingewiesen bis zuden einzelnen, wie gesagt, auch anderenzivilen Abteilungen. Also hier erfolgt einesehr gute Einweisung, muss ich sagen, unddeshalb war das nicht das Thema, über daswir uns unterhalten haben.

Wir haben uns nur allgemein über die be-vorstehenden Aufgaben unterhalten. Ichhabe ihm noch einmal gesagt - - Da ich nunselbst für die CDU/CSU die Koalitionsrundedort verantwortet habe, habe ich mit ihm da-rüber, was jetzt sozusagen auch daraus anKonsequenzen für das Verteidigungsministe-rium in Betracht kommt, vorrangig gespro-chen, über die Einsatzsituation, ich kannmich erinnern, auch über das Thema A400M,

Page 26: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 20[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

das ja im Schwange war, was ja nicht soganz einfach war unter dem Aspekt meinerPosition des „Pacta sunt servanda“, unddann haben wir über den Punkt gesprochen,wie ich gerade gesagt habe, dass der NATO-Untersuchungsbericht kommt.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):Danke. - Wird denn dieses Gespräch in ir-gendeiner Weise protokolliert, aktenkundiggemacht? Gibt es dazu Unterlagen, oder istdas sozusagen nur etwas, was gewisserma-ßen freihändig stattfindet?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nicht frei-händig, aber sehr persönlich, Herr Kollege.Das war ein persönliches Gespräch.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Alsogibt es in diesem Zusammenhang dieserAmtsübergabe überhaupt nichts, was doku-mentiert wird, protokolliert wird? Wie mussman sich das vorstellen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Aber lang-sam! Die normale Amtsübergabe ist dann - -Wir waren ja vereidigt am Nachmittag, alsoam nächsten Tag, und dann war ja abendsdie offizielle Amtsübergabe mit einer ent-sprechenden Rede im Verteidigungsministe-rium, wo auch der eine oder andere, der hierist, mit dabei war, und dann der Große Zap-fenstreich. Das ist die offizielle Amtsüber-gabe im Verteidigungsministerium. Wir ha-ben uns nur vorher persönlich noch einmalüber die jetzt auch auf ihn zukommendenAufgaben unterhalten.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Danngehe ich in der Chronologie zurück. Sie ha-ben gesagt, am 21.10. haben Sie an dieStaatsanwaltschaft Dresden geschriebenwegen der Diskussion über ein Ermittlungs-verfahren, das eingeleitet wird, und hättendort mitgeteilt, dass Ihrer Auffassung nachOberst Klein sich korrekt verhalten hat, dasses keinerlei Verstöße gegen Völkerrecht,gegen Gesetz gibt. Auf welcher Grundlagehaben Sie denn dieses Votum abgegeben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habegesagt - da müssen wir schon exakt sein -,dass ich der Meinung sei, dass er sichgrundsätzlich im Rahmen des Mandats desDeutschen Bundestages verhalten habe. Siewissen ja selbst, da Sie Mitglied im Verteidi-

gungsausschuss waren, dass wir auch imHinblick auf die Taschenkarte längere Dis-kussionen hatten, die wir ja auch vorher nochkonkretisiert haben. Ich habe aber dann auchgesagt - da hat mir natürlich mein juristischerSachverstand ein bisschen geholfen -, dassich hilfsweise vorgetragen habe, es liegendie Grundsätze des humanitären Völker-rechts vor, sodass aus meiner Sicht hier keinErmittlungsverfahren in Betracht kommenkann.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Siehaben das persönlich verfasst. Sie hattenjetzt keine Vorlage, sagen wir, durch dasEinsatzführungskommando, oder Rechts-beratung, aufgrund dessen Sie dann diesesSchreiben verfasst haben? Wie muss mandas verstehen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Dagab es natürlich eine Vorlage. Aber ich habedort meinen Sachverstand eingebracht.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): HabenSie sich schon vor diesem Datum - - Aberder COMISAF-Bericht lag Ihnen zu diesemZeitpunkt noch nicht vor, der sich ja auch mitder Frage Regelverletzung beschäftigenwollte, sollte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digung. Ich habe Ihnen das Datum genannt.Das war der 21.10. Nein, da lag derCOMISAF-Bericht nicht vor.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Der lagIhnen also nicht vor. Gut. - Haben Sie sichdenn vorher in dieser Angelegenheit schoneinmal geäußert, positioniert, was also diemögliche Strafbarkeit oder den Verdachteiner Strafbarkeit eines Bundeswehrsoldatenanbetrifft?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das kannich jetzt nicht definitiv sagen. Das schließeich aber nicht aus; denn mir war es auchimmer ein Anliegen, dass wir hier zu einerVeränderung kommen, weil ich der Meinungwar, dass wir eine Schwerpunktstaatsanwalt-schaft bilden sollten, die hier kompetent zudiesen Fragen Stellung nehmen kann. Ichhabe ein großes Problem darin gesehen. Wirhatten ja den einen Fall, wo über neun Mo-nate ermittelt worden ist. Ich hatte mit denSoldaten selbst in Afghanistan gesprochen.

Page 27: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 21[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Ich habe diese Belastung gespürt, die siedurch dieses Verfahren hier vergegenwärtigthaben. Es ist ja dann nachher das Verfahrenauch eingestellt worden.

Aber, wissen Sie, das war meines Er-achtens alles nicht sachgerecht, und deshalbwar und bin ich der Auffassung, dass es klugwäre, über eine Schwerpunktstaatsanwalt-schaft hier zu einer Veränderung zu kom-men, weil ich der Meinung bin, dass in sol-chen Fragen hier keine Ermittlungsverfahrenangebracht sind.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): HerrDr. Jung, jetzt geht es aber um den konkre-ten Vorfall 04.09. Inwieweit konnten Sie denndie Möglichkeit einer strafbaren Handlungkategorisch ausschließen?

(Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU):

Einspruch!)

- Nanu. - Es geht darum, welche Anhalts-punkte Sie also gesehen haben, um dasauszuschließen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Kauder.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Es geht hier um ein Ermitt-lungsverfahren gegen einen Dritten, undErmittlungsverfahren pflegen nicht öffentlichzu sein. Deswegen beantrage ich, die Sit-zung für die Beantwortung dieser Frage VS-NfD einzustufen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Schäfer, würden Sie die Fragezurückstellen, bis wir geheim tagen?

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Ja, ja.Gut.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann bedanke ich mich, und Sie könnenfortfahren.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): In die-sem Zusammenhang, Herr Dr. Jung, spielt jadie Frage eine Rolle: Taliban, Zivilisten, Be-teiligte, Unbeteiligte? Hat es bei Ihnen, inIhrem Stab, im Gespräch mit HerrnDr. Wichert, Herrn Schneiderhan, darübereine ausführliche Auseinandersetzung gege-ben, und zu welchem Schluss sind Sie ge-

kommen bezogen auf den Vorfall des04.09.?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Auseinan-dersetzung nicht, aber wir haben - ich habeIhnen das ja gerade gesagt - am Abend des06.09., als ich mit dem Generalinspekteurtelefoniert habe, gesagt: Wir können jetztnicht mehr ausschließen, dass es nicht auchzivile Opfer gegeben hat. - Deshalb habe ichja auch am Sonntag, als ich Gelegenheithatte, das vor der Presse zu sagen, genaudas gesagt.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Wardenn das nach Ihrer Meinung so, dass vonden Menschen, die auf der Sandbank waren,unmittelbar eine feindselige Handlung gegenISAF-Kräfte vorgenommen wurde, dass siean einer solchen unmittelbaren Feindseligkeitbeteiligt waren?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: WissenSie, das Bild war doch ein ganz anderes.Das Bild war doch - ich habe Ihnen das dochgerade gesagt -: Acht Tage vorher ging einTanklastwagen in die Luft in Kabul mit 40Toten und 60 Verletzten. Jetzt sind zweiTanklastwagen entführt, der Fahrer umge-bracht. Wir hatten vorher diese Drohungenund Warnungen und die Gefahrensituationfür unsere Soldaten, die dort bestanden hat.Das war doch das Bild.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Jetzt übergebe ich Bündnis 90/Die Grünendas Wort.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Dr. Jung, Sie haben vorhingesagt, der Feldjägerbericht sei nicht vorteil-haft gewesen. Was haben Sie damit ge-meint?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Herr Kol-lege, ich bin darauf hingewiesen worden,dass ich im Detail dazu nicht Stellung neh-men kann, und deshalb würde ich darumbitten, dass wir, wenn Sie im Detail dazu eineFrage haben, das unter Geheim erörtern.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben auch gesagt, dass er,verglichen oder abgestuft zum JIB Report derNATO, nicht relevant gewesen sei. Wenn esnicht relevant ist, warum ist es unvorteilhaft?

Page 28: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 22[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Da habeich mich nur bezogen - warten Sie mal; dashabe ich sogar dabei - auf einen Bericht, derstand in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.Dort wird berichtet, dass aus einer schrift-lichen Stellungnahme unseres Rechtsbera-ters, Herrn V , hervorgehe, dass imGrunde genommen die NATO diesen Berichtfür offenbar bedeutungslos gehalten und ihnauch deshalb vernichtet habe.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Und diese Erkenntnisse hattenSie bereits am 5. Oktober, und am 7. Okto-ber haben Sie die der NATO weitergegebenim Wissen, dass dieser Bericht keine großeRelevanz hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Die Er-kenntnisse hatte ich nicht am 5. Oktober. Ichhabe Ihnen doch gerade gesagt, dass micham 5. Oktober der Generalinspekteur infor-miert hat über den Bericht, auch gesagt hat,dass er - ich sage es jetzt mal allgemein -nicht vorteilhaft für unsere Soldaten war, unddass ich mich auch noch darüber geärgerthabe, dass es ihn überhaupt gibt, und dassich aber dann gemeinsam mit dem General-inspekteur der Meinung war, wir können dennicht unter den Tisch fallen lassen - wenn ichihn als bedeutungslos angesehen hätte,hätten wir das ja sagen können -, sonderndass ich gesagt habe: „Nein, wir geben dender NATO“, und die NATO hat das dannnachher - so wird berichtet; ich war nichtdabei - so beurteilt.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben am 26. November imDeutschen Bundestag oder im Plenum demDeutschen Bundestag gesagt, dass Sie denBericht nicht gelesen hätten.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Richtig.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie ihn bis heute weiterhinnicht gelesen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digung. Ich habe damals gesagt, dass ich ihndamals nicht gelesen habe. Ich habe nach-her in den Unterlagen ihn gesehen und habeihn auch dann gelesen. Aber damals, andiesem Tag, am 5. Oktober, hat mich derGeneralinspekteur inhaltlich davon informiert.

Ich sage Ihnen noch einmal: Das war allesvier Wochen her. Damals ging es um dieFrage, dass wir den Bericht der NATO ge-ben. Das habe ich Ihnen gerade dargestellt.Aber er hatte ihn auch nicht dabei. Ich habeihn nicht inhaltlich gelesen. Wir haben nurdarüber gesprochen. Ich kannte den Inhalt,wenn Sie so wollen, aber gelesen expressisverbis habe ich ihn nicht.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Aber das Urteil des General-inspekteurs würden Sie heute, nachdem Sieden Bericht gelesen haben, noch weiterhinteilen? Sie fühlen sich auch dementspre-chend gut beraten?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Richtig.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben gesagt, dass spätes-tens am 6. November [sic!] abends klar war,dass man nicht mehr zivile Opfer ausschlie-ßen könne. Warum hat StaatssekretärSchmidt am 7. November [sic!] auf der Re-gierungspressekonferenz dann gesagt: „Be-züglich der zivilen Opfer gilt weiterhin das,was wir auch am Wochenende gesagt ha-ben. Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunktkeine konsolidierten Erkenntnisse über ge-tötete zivile Personen“? - Darüber hinaus hater gesagt: Es gibt eine weitere Quelle, überdie wir nicht reden.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich weißjetzt nicht, was der Staatssekretär gesagthat. Da bitte ich um Nachsicht.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich habe es Ihnen vorgelesen.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeam 6. Oktober [sic!] - das habe ich Ihnengerade gesagt -, am Sonntagmittag, bereitsvon zivilen Opfern gesprochen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie hören das gerade das ersteMal, was ich sage, was Ihr Staatssekretär amTag danach dann auf der Regierungspresse-konferenz gesagt hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeSie jetzt akustisch nicht verstanden.

Page 29: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 23[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Kauder.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Sie haben einen Vorhaltgemacht. Ich bitte, die Urkunde dem Zeugenvorzulegen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Es gibt keine Urkunde über Re-gierungspressekonferenzen, und ich zitiereaus Regierungspressekonferenzen.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Da gibt es ein Protokoll.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Kaufen Sie sich eine Zeitung!Lesen Sie nach!

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Da gibt es ein Protokoll.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Entschuldigung, das ist absurd.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Kauder, ich denke, aus öffent-lichen Meldungen hat der Kollege Nouripourkorrekt vorgelesen, also weiß der Zeugealles das, was er wissen muss.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Aus was hat er denn vor-gelesen? Darf ich das auch wissen?

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das sind Äußerungen, die aufeiner Pressekonferenz gefallen sind.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Woraus haben Sie dennvorgelesen?

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich habe aus den mitgeschriebe-nen Notizen von Leuten von uns, die aufdieser Pressekonferenz waren, vorgelesen.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Dann müssen Sie dasauch so wiedergeben, dass Sie aus Mit-schrieben von Dritten dem Zeugen etwasvorhalten.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das ist absurd. Es tut mir leid.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Sie können nicht aus eige-nem Wissen vorhalten.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Wenn wir nicht aus öffentlichenUnterlagen lesen können, dann ist es keinWunder, dass wir Geheim nicht umgehenkönnen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Nouripour, stellen Sie bitte Ihrenächste Frage.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Der Besuch von Admiral Stavridisam 15. Oktober, ging es da um die Tonalitätim bevorstehenden JIB Report, in den Ge-sprächen, die Sie mit ihm hatten?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habemit General Stavridis mich allgemein über dieGesamtsituation unterhalten, natürlich auchüber die Lage in Afghanistan, auch, dasssich dort für uns die Situation verschärft hat.Er hat noch einmal sehr deutlich unterstri-chen, wie dankbar er ist für den Einsatz un-serer Soldatinnen und Soldaten, was sie dortleisten. Wir haben insbesondere auch überdie aus meiner Sicht immer noch nicht opti-male Umsetzung der vernetzten Sicherheitgesprochen. Hier sitzt ja jemand, der daZeuge ist. Das habe ich mir immer bessergewünscht. Wir haben auch über die Ge-samtlage gesprochen, auch über den Luft-schlag. Ich habe ihm auch damals gesagt,dass ich mich gewundert habe, dass GeneralMcChrystal allein einen Journalisten der Wa-shington Post dort mitgenommen hat, usw.

Also, wir haben über die Gesamtsituationgesprochen, aber wir haben natürlich gesagt:Wir müssen jetzt abwarten, was konkret dieNATO-Untersuchung bringt.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie einen Wunsch - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Moment, Herr Kollege Nouripour. - Der HerrKollege Hahn zur Geschäftsordnung.

Florian Hahn (CDU/CSU): Frau Vorsit-zende, ich möchte Sie bitten, dass Sie den

Page 30: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 24[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Kollegen Nouripour darauf hinweisen, dasswir hier untereinander, unter Kollegen undauch anderen gegenüber, in diesem Aus-schuss nicht den Vogel zeigen. So kann manhier nicht miteinander umgehen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Das habe ich leider nicht gesehen. Aber,Herr Kollege Nouripour, ich bitte Sie schon,das zu unterlassen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Wenn Sie mich erwischen, werdeich mich entschuldigen.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Nein, Frau Vorsitzende, soeinfach ist das nicht. Der Kollege Nouripourmöge bitte zeigen, wem er den Vogel gezeigthat.

(Heiterkeit)

Dann kann er sich für diese Beleidigung ent-schuldigen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Kollege Kauder, ich möchtemich bei Ihnen entschuldigen. Ihnen habe ichden Vogel nämlich gezeigt.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Genau das wollte ich hö-ren.

(Heiterkeit)

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das habe ich mir gedacht.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Benehmen Sie sich an-ständig! - Frau Vorsitzende, ich bitte daraufhinzuweisen, dass es kein Anlass ist, sichüber Dritte lustig zu machen, wenn einer sichnicht zu benehmen weiß.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Gut. - Herr Kollege Nouripour.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Dr. Jung, haben Sie in die-sem Zusammenhang den Wunsch geäußert,dass der Bericht keine Vorverurteilung treffenmöge?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Ichhabe keinen Wunsch zum Bericht geäußert.

Das war auch nicht die Aufgabe desSACEUR, des Berichtes; denn die Untersu-chungskommission - das habe ich Ihnen ge-rade gesagt: der Chef der Untersuchungs-kommission war General Sullivan - war inter-national zusammengesetzt. Von uns war derRechtsberater V dabei. Ich habe aberauch in der gesamten Zwischenzeit nichtbeispielsweise mit Herrn V gesprochen.Mit General Stavridis habe ich allgemeinüber diese Lage gesprochen, wie ich es ge-rade geschildert habe, aber nicht mit einersolchen Diktion, wie Sie es gerade unterstellthaben.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie über den Zeitpunkt,wann der Bericht kommen soll, mit ihm ge-sprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Icherinnere nur, dass - - Wir hatten in etwa jaeine Information - jetzt muss ich wieder vor-sichtig sein -, wann der Bericht fertig seinsollte. Das hat schon der Generalinspekteurmitgebracht, als er in Afghanistan war. Undvon daher war das nichts Neues.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das heißt, es ist Zufall, dass indem Augenblick, in dem Sie vorne mit denFeldjägern nach Hause geschickt werden,hinten der JIB Report kommt, was ja faktischso war?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Jetztmuss ich Ihnen sagen: Jetzt sind Sie auf demfalschen Dampfer, wenn ich das richtig sehe.Ich habe Ihnen gerade gesagt: Am5. Oktober haben wir darüber gesprochen,am 7. Oktober ist der Bericht zur NATO ge-gangen, und der NATO-Bericht selbst kam -

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, wann denn?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: - nachmeiner Amtszeit.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Aber in der Nacht des Zapfen-streichs. Das ist so.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Bitte?

Page 31: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 25[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Der Bericht kam in der NachtIhres Zapfenstreichs.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, gut.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich wollte nur wissen, ob es Zu-fall ist aus Ihrer Sicht.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Was sollZufall sein?

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Dass in dem Augenblick, in demIhr Zapfenstreich stattfindet, gleichzeitig derBericht kommt.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen doch gerade gesagt: Ich hatte mit Ge-neral Wieker abgesprochen, dass er veran-lasst, dass, wenn der Bericht fertig ist - denner war der Chef des Stabes in Afghanistan -,wir ihn unmittelbar bekommen. So. Ende. Ichweiß gar nicht, wann er konkret kam. Nur, ichweiß eines, dass er in meiner Amtszeit nichtkam. Das weiß ich.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das wollte ich hören.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich frage jetzt in die Runde, ob noch eineöffentliche Befragungsrunde erwünscht ist. -Ja. Dann gebe ich der CDU/CSU das Wort.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Herr Kollege Dr. Jung, ich habeim Kontext der Unterrichtung und der Be-urteilung von Informationen und deren Strän-gen ins Ministerium noch mal eine Nach-frage. Und zwar hat unsere Befragung, auchin den letzten Anhörungstagen, ergeben,dass eigentlich bereits am 04. über die ver-schiedensten Informationswege hier in Berlinzumindest der Eindruck bestand, dass eszivile Opfer gegeben haben könnte. Nunfrage ich Sie also einfach: Wie kann es sein,dass praktisch über mindestens drei bis vierTage hinweg eigentlich eine Presselinie auf-rechterhalten wurde, die eher dazu neigte,diese Opfer auszuschließen? Ich frage daseinfach vor dem Hintergrund, ob das Ministe-rium nach Ihrer Einschätzung für solche Fällerichtig aufgestellt ist oder ob es hier ein per-sönliches Fehlverhalten gab, dass von ir-

gendeiner Stelle eben einfach die vorhande-nen Richtlinien, die vorhandenen Melde-wege, die vorhandene Kommunikation nichtrichtig ausgelegt wurden.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich denke,dass die vorhandenen Meldewege - die ha-ben wir ja sogar, wenn Sie so wollen, imHinblick auf das Ministerium verbessertdurch den Einsatzführungsstab; denn dengab es ja nicht -, über das Einsatzführungs-kommando, dann zum Einsatzführungsstab,dann, wie ich es Ihnen ja gerade dargestellthabe, über den Generalinspekteur und denStaatssekretär zu mir, aus meiner Sichtdurchaus richtig strukturiert sind. Was es dortan einzelnen Diskussionen wo gab, das kannich jetzt nicht sagen. Ich kann Ihnen nur sa-gen, dass ich diese Informationen hatte, dieich hatte, und dann am 05. ja nun aus ersterHand, wenn Sie so wollen, nicht mehr überden Einsatzführungsstab, sondern vonOberst Klein selbst, ja die Information be-kommen habe, die ich Ihnen gerade gesagthabe, und wo er auch noch durch, wenn Sieso wollen, Indizien mir gesagt hat, warum erzu der Überzeugung kam, dass es imGrunde genommen in der damaligen Situa-tion nur Taliban waren, und dass das auchdann noch gestützt wurde nachher - das waram Tag später -, wie gesagt, durch diesenafghanischen Bericht. Das war ja auch nichtnur der Gouverneur.

Aber dann kam ja, wie gesagt, die Wa-shington Post, und dann kamen Dinge dochin eine andere Richtung, sodass ich amSonntagmittag mich ja auch veranlasst ge-sehen habe, von zivilen Opfern zu sprechen.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Um das noch mal wirklich klar-zustellen, denn wir hatten ja in unserer Un-tersuchung auch einen Teil 4, wo wir gesagthaben: Welche Schlussfolgerung sollen wirdaraus ziehen? Habe ich Sie richtig verstan-den, dass die jetzige Organisation auch fürdiese Fälle richtig aufgestellt ist, auch überEinsatzführungsstab, Einsatzführungskom-mando, Rolle der Presseabteilung und Rolleim Grunde derjenigen, die im Ministeriumeigentlich vor Ort sind, wenn solche Dingeeinkehren? Habe ich Sie da richtig verstan-den?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Der Mei-nung bin ich, ja. Und ich füge auch eineshinzu: Wir haben immer versucht, auch wenn

Page 32: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 26[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

dann teilweise manchmal unterschiedlicheMeldungen kamen, dann im Grunde genom-men zu weiteren entsprechenden Ergebnis-sen zu kommen, auch bei Informationengegenüber dem Parlament, wenn wir eini-germaßen sicher waren. Ich kann mich anSituationen erinnern, wo es hieß, es sind, ichsage jetzt mal, fünf Soldaten verwundet,nachher waren es nur drei, oder andere Ver-änderungen. Da lief pressemäßig schon eineganz andere Botschaft, als es nachher dieRealität war. Von daher ist das erst über dasEinsatzführungskommando, dann über denEinsatzführungsstab abgestimmt worden, bises nachher sozusagen den Minister erreichthat.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Es ist also damit im Grundesichergestellt, dass Ihnen keine relevantenInformationen vorenthalten werden konntenoder vorenthalten wurden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Danke schön.

Michael Brand (CDU/CSU): Ich will nochmal auf den Feldjägerbericht zurückkommen.Der Feldjäger, der vor Ort ermittelt hat, war jaals Provost Marshal eingesetzt, und AnfangSeptember ist dann diese Untersuchunggestoppt worden. Das hat der General-inspekteur hier auch bestätigt. Meine Frageist: Hat er Sie denn darüber informiert, dassdiese Untersuchung, die bereits lief, die nichtaus Berlin initiiert war, sondern durch einenGeneral vor Ort eingesetzt worden ist, ge-stoppt wurde?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Als wirdarüber gesprochen haben - wie gesagt, am5. Oktober - und ich mich dann auch etwasaufgeregt habe im Hinblick auf die Tatsache,dass es überhaupt so was gibt, hat er mirdann schon gesagt, dass offensichtlich vor-her - ich sage es jetzt aus dem Kopf - überGeneral Vollmer diese Untersuchung dannauch mit veranlasst wurde, der natürlich nichtdavon unterrichtet war, unmittelbar, direktvon unserem Gespräch, das wir danach ge-führt haben - wir machen keine eigene Un-tersuchung -, und als er dann vor Ort warund das festgestellt hat, dann diese Untersu-

chung auch beendet hat; denn wir hatten jawas anderes vereinbart.

Michael Brand (CDU/CSU): Hat Gene-ralinspekteur Schneiderhan Sie Anfang Ok-tober oder Anfang September informiert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, nein.Wir haben über den Feldjägerbericht AnfangOktober gesprochen, an diesem 5. Oktober.

Michael Brand (CDU/CSU): Dann würdeich gerne aus der Vernehmung - öffentlichesProtokoll - von Generalinspekteur Schnei-derhan, Seite 30, zitieren. Es geht genau umdiesen Zeitpunkt Anfang September. Dortsagt der Zeuge Schneiderhan - ich zitieredas -, Seite 30:

Es war eine gemeinsame Entschei-dung, gebilligt vom Minister, und ichhabe es beim Einsatzführungs-kommando als Anordnung abgege-ben. Und der hat das dann runter-übersetzt zu Vollmer, wenn ich dasrichtig verfolgt habe.

Mich würde interessieren, wie der General-inspekteur dazu kommt, zu behaupten, dasser Sie Anfang September informiert habe.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digung. Ich habe es jetzt nicht direkt vorlie-gen. Vielleicht müssen Sie es mir noch maldirekter zeigen.

(Dem Zeugen werden Unterlagenvorgelegt)

Aber ich habe Sie jetzt so verstanden. Ichkann, glaube ich, trotzdem die Frage beant-worten. Wir haben das gemeinsam so be-sprochen - das habe ich jetzt mehrfach ge-sagt -, sowohl Staatssekretär als auch Gene-ralinspekteur, und dies hat dann der Gene-ralinspekteur entsprechend umgesetzt.

Michael Brand (CDU/CSU): Aber AnfangOktober, nicht, wie hier beschrieben, AnfangSeptember.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, klar hater es, im Grunde genommen - - Wir habenAnfang September darüber gesprochen.Völlig klar. Ich habe ja gerade gesagt, nachdem Bericht, nachdem ich mit McChrystalgesprochen habe, haben wir dann darübergesprochen und haben gesagt: Wir machenkeine eigene Untersuchung, sondern wir

Page 33: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 27[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

unterstützen die NATO-Untersuchung. - Unddas war Anfang September. Jawohl, das istrichtig. Aber über den Feldjägerbericht alssolches haben wir dann erst am 5. Oktobergesprochen.

Michael Brand (CDU/CSU): Danke.

Florian Hahn (CDU/CSU): Herr KollegeJung, mich würde auch noch ein Detail zumFeldjägerbericht interessieren. Wussten Siedenn, dass der Feldjägerbericht dem GI be-reits seit 14. September vorlag, also fast dreiWochen bevor er mit Ihnen mit dem Hinweis„nicht vorteilhaft“ das erste Mal darüber ge-sprochen hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich erst später erfahren. Ich habe aber auchin meiner Einlassung - ich gucke geradenoch mal - vor dem Parlament, wenn ich esrichtig weiß, nachdem ich in die Akte ge-schaut habe,

(Der Zeuge blättert in seinenUnterlagen)

etwas gesagt, wann der Bericht wo erarbeitetworden ist und wo er eingegangen ist. Wennich es richtig jetzt aus dem Kopf sage, wardas damals der 09., als er weg ist in Masar-i-Scharif, und dann ist er, glaube ich, am 14.bei uns eingegangen. So habe ich das imKopf. Aber Sie haben wahrscheinlich dieexakteren Daten.

Florian Hahn (CDU/CSU): Hat denn derGeneralinspekteur bei diesem Gesprächüber den Feldjägerbericht am 5. OktoberIhnen mitgeteilt, dass die NATO diesen Be-richt bereits am 30. September, also docheinige Tage vorher, angefordert hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein; dennsonst hätte ich ja nicht darüber gesprochen,ob wir den jetzt weitergeben oder nicht wei-tergeben. Das war ja gerade Diskussions-thema.

Florian Hahn (CDU/CSU): Ja. Ich wolltedas nur eben noch mal feststellen. Eigentlichhätte ja der Bericht nach Eingang vielleichtsofort übergeben werden müssen, am14. September, und nicht erst drei Wochenspäter, nachdem die NATO selber ihn ange-fordert hat. Würden Sie dem zustimmen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Aber wennich es richtig sehe, ist der am 14. Septemberdem Einsatzführungsstab zugeleitet worden.So habe ich damals das gesagt, auch ge-genüber dem Parlament, als ich da in dieAkte geschaut hatte. Aber, wie gesagt, mirwaren diese Daten zum damaligen Zeitpunktnicht bekannt.

Florian Hahn (CDU/CSU): Das war esvon unserer Seite.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann gebe ich der SPD-Fraktion das Wort.

Rainer Arnold (SPD): Herr Dr. Jung, Siesprachen vorhin in Bezug auf die Amtsüber-gabe an Ihren Nachfolger von „expressisverbis“ - auch wenn ich nicht Lateinischkann -, „in ausdrücklichen Worten“ wäre nichtüber diese zusätzlichen Berichte gesprochenworden. Das heißt ja dann wohl, dass zwarnicht ausdrücklich, aber dass über die dreianderen Berichte eben schon gesprochenwurde. Wie kann ich das interpretieren?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das kön-nen Sie so interpretieren, dass ich auch da-mals gesagt habe, natürlich war am Anfangdiese Information von Oberst Klein so da, wieich es Ihnen geschildert habe, aber danachkamen andere Berichte von Washington Postbis zu - - die eben auch von zivilen Opferngesprochen haben, aber dass ich auch nocheinmal sehr deutlich gemacht habe, dass esuns darum ging, sozusagen nicht jetzt ein-seitig etwas zu machen, sondern dass allesjetzt entscheidend darauf ankam, was dieNATO in Ihrer Untersuchung ermittelt.

Rainer Arnold (SPD): Entschuldigung.Wenn ich mich recht erinnere, bezog sich Ihr„expressis verbis“ auf die Frage Feldjäger-bericht.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Dass ichim Rahmen - -

Rainer Arnold (SPD): Jetzt ist die Frage:Haben Sie über Berichte, die es zusätzlichgibt, jenseits der Presse, mit Ihrem Nachfol-ger gesprochen, nicht in ausdrücklichenWorten, aber vielleicht anders?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Ichhabe Ihnen ja gerade gesagt, dass ich über

Page 34: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 28[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

den Feldjägerbericht - so habe ich es auchgesagt - expressis verbis nicht mit ihm ge-sprochen habe, sondern dass ich nur allge-mein über die Frage der unterschiedlichenInformation gesprochen habe.

Rainer Arnold (SPD): Okay. - Dann ha-ben wir aus den Akten und aus den Zeugen-vernehmungen im Grunde genommen, dasses bereits am Vormittag des 04. ein verdich-tetes Bild gegeben hat, dass zivile Opfernicht auszuschließen sind. Der General-inspekteur hat hier sinngemäß gesagt, dasser Ihnen zu einem vorsichtigen Wordingdiesbezüglich geraten hat. Ist dem so?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Am6. September, wie ich das gesagt habe.

Rainer Arnold (SPD): Der General-inspekteur sagt, bereits beim ersten Ge-spräch hätte er Ihnen den Rat gegeben, vor-sichtig zu sein.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wie ge-sagt, ich habe Ihnen ja gerade gesagt, wasunsere erste Meldungslage war. Ich habeIhnen gesagt, dass ich dann die Informationaus erster Hand von Oberst Klein hatte, undich habe Ihnen dann gesagt, wie sich dieSituation verändert hat und ich mich daraufeingelassen habe. Und ich weiß sehr genau,dass wir am 6. September am Abend da-rüber noch gesprochen haben und ich ihmauch gesagt habe: Ich habe mich sogarheute Nachmittag schon anders eingelassen.

Rainer Arnold (SPD): Aber Herr Minister,wir könnten unter Geheim natürlich die ge-samte Meldelage des Tages vom 04. mitein-ander durchsprechen. Da ist sichtbar, dassvon vielen Seiten Informationen kamen, ichsage mal, noch vorsichtig: Zivile Opfer kannman nicht ausschließen. Ist diese Informationam 04. nicht zu Ihnen gelangt, dass zivileOpfer nicht auszuschließen sind?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Rainer Arnold (SPD): Nicht zu Ihnengelangt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Rainer Arnold (SPD): Der General-inspekteur hat auch gesagt, auf die Frage, ob

Sie ihm erklärt haben, wie Sie zu Ihrer Fes-tigkeit in der Bewertung gekommen sind,dass es keine zivilen Opfer gegeben hat, ja,Sie hätten ihm das erklärt. Können Sie unsdas erklären?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich sage jagerade, ich hatte ja mit Oberst Klein gespro-chen, und ich habe Ihnen gerade auch dieganzen Indizien gesagt, die Oberst Klein mirvorgetragen hat.

Rainer Arnold (SPD): Haben Sie OberstKlein - -

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das warder Punkt, worüber ich mit dem General-inspekteur gesprochen habe.

Rainer Arnold (SPD): Haben Sie OberstKlein auch mal gefragt, woher er seine In-formation hat, dass er so sicher ist?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich getan. Das ist aber hier unter Geheimgestellt worden. Das kann ich im Detail sa-gen.

Rainer Arnold (SPD): Haben Sie dannnicht irgendwo mal eine Einordnung vorge-nommen, dass, wenn eine Nachrichtenlageentsteht, die - ich darf jetzt nicht über dieDinge reden, die in … (akustisch unverständ-lich) in den Protokollen stehen - in der Welt-presse sich bereits verdichtet, Sie dann ge-wichten: „Oberst Klein ist die Information, derman zu 100 Prozent vertraut, und die ande-ren stehen alle infrage“? Haben Sie da malreflektiert, dass Oberst Klein selbstverständ-lich auch das Risiko hat, dass er ein Be-schuldigter sein kann und selbstverständlichdas gute Recht hat, die Dinge so darzustel-len, dass es ihm nicht zum Schaden ge-reicht? War das mal ein Thema, auch in derReflexion mit Ihren zuständigen Beratern?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, daswar es nicht. Und ich muss Ihnen auch malganz ehrlich sagen: Ich hatte keinen Anlass,dass ich hier dem, was mir Oberst Klein sagt,keinen Glauben schenken konnte.

Rainer Arnold (SPD): Okay. - Wann istIhnen zum ersten Mal bekannt geworden,dass die Tanklastzüge festsaßen?

Page 35: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 29[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das wardoch in der Meldungslage klar, dass die aufdieser Sandbank dort waren und dass ver-sucht worden ist von den Taliban, die wiederfreizubekommen.

Rainer Arnold (SPD): Meine Frage war:Wann ist die Meldung bei Ihnen angekom-men, dass sie festsaßen? Man muss ja nichtin einer Sandbank festsitzen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Birkenheier.

MDg Ulrich Birkenheier (BMVg): FrauVorsitzende, das bezieht sich jetzt auf Inhaltevon Meldungen, die nicht in öffentlicher Sit-zung behandelt werden dürfen.

Rainer Arnold (SPD): Wir können dasauch in einer öffentlichen Sitzung machen.Das ist kein Problem; dann eben eine öffent-liche, und ich frage dann einfach anders: Wieeng war an diesen Tagen Ihr Büroleiter MalteKrause in den Informationsfluss einbezogen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich binselbstverständlich auch über Herrn Krausedort über entsprechende Informationen nochversorgt worden.

Rainer Arnold (SPD): Das ist schon klar.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich war jaunterwegs. Ich war ja nicht im Büro.

Rainer Arnold (SPD): Das ist schon klar.Aber kann man sagen, er war in die Informa-tionsprozesse einbezogen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich gehedavon aus, dass er im Wesentlichen darineinbezogen war. Ja.

Rainer Arnold (SPD): Gab es Abstim-mungsprozesse - -

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Bitte, ichkann das jetzt nicht aus meinem Wissensagen. Da müssen Sie ihn fragen.

Rainer Arnold (SPD): Okay. - Gab esAbstimmungsprozesse in Ihrem Planungs-stab, in Ihrem Pressestab, wie man öffentlichkommuniziert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das weißich nicht.

Rainer Arnold (SPD): Ist mit Ihnen nichtdarüber gesprochen worden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen doch gerade gesagt: Mit mir warDr. Raabe unterwegs. Ich habe mitDr. Raabe die Dinge besprochen, so wie ichdie Informationen hatte, und Dr. Raabe hatdann auch mit seinem Stellvertreter darübergesprochen, was dann auch entsprechendöffentlich kommuniziert wird.

Rainer Arnold (SPD): Die konkrete Fragewar aber: Ist mit Ihnen über eine Kommuni-kationsstrategie im Sinne von „Wie legen wirdas an?“ gesprochen worden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich sagteIhnen: Ich habe mit Dr. Raabe darüber ge-sprochen, über diese Informationen, die ichauch hatte und die er auch dann so entspre-chend weitergegeben hat.

Rainer Arnold (SPD): Okay. - Wie kön-nen Sie sich erklären und ist diese Informa-tion bei Ihnen bekannt und gebilligt, dassMalte Krause, also Ihr Büroleiter, am 04.09.um 11.30 Uhr eine SMS an die Pressestellegeschickt hat und dort empfohlen hat, denUmstand, dass die Tanklaster auf der Sand-bank festgefahren sind, bei der Pressedar-stellung einfach wegzulassen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Darüberhabe ich keine Kenntnis.

Rainer Arnold (SPD): Würde sich das mitIhrer Einschätzung, dass man umfassendund korrekt die Öffentlichkeit informieren will,decken, wenn man so vorgeht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digung. Ich habe gesagt, dass ich über mei-nen Wissensstand die Öffentlichkeit und dasParlament korrekt informiert habe, und dabeibleibe ich.

Rainer Arnold (SPD): Beziehen Sie dennauch mit ein, dass Ihr genannter Pressespre-cher, Herr Raabe, den ISAF-Vorabbericht inder Pressekonferenz als „Reisebericht“, ichsage mal, ein Stück weit abqualifiziert hat?

Page 36: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 30[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: WelchenBericht meinen Sie jetzt, bitte?

Rainer Arnold (SPD): Diesen Initial Ac-tion Bericht, IAT-Bericht.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Diese Vor-untersuchung?

Rainer Arnold (SPD): Ja.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das weißich jetzt nicht mehr, was er dort - -

Rainer Arnold (SPD): Er hat es gesagt.Es liegt in den Protokollen.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Dannmüssen Sie ihn fragen.

(Michael Brand (CDU/CSU): Inwelchen Protokollen?)

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Arnold - -

Rainer Arnold (SPD): Das ist die Veröf-fentlichung nach seiner Pressekonferenz, diewir zum Teil live mitverfolgt haben, und wasdann auch in den Medien so stand. Deshalbbrauche ich hier keine Angabe von Daten zumachen. - Also, das ist Ihnen nicht mehrgeläufig, dass er das so bezeichnet hat. SindSie selbst der Auffassung, dass dieser ISAF-Vorabbericht eine ernsthafte Fragestellungaufgeworfen hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digen Sie. Die Frage kann ich gerade vonIhnen nun nicht verstehen.

Rainer Arnold (SPD): Bitte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Die Fragekann ich von Ihnen nun nicht verstehen;denn Sie sind als Obmann der SPD genaudarüber informiert worden, und Sie wissen,dass ich berichtet habe -

Rainer Arnold (SPD): Okay.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: - genauüber diesen Bericht und dass ich im Detailauch über den N -Bericht informierthabe. Deshalb, muss ich schon sagen, kannich diese Frage nun von Ihnen nicht verste-hen.

Rainer Arnold (SPD): Ich nehme IhrenEinwurf nachher sehr gerne auf, bin vielleichtsogar dankbar. Ist Ihnen bekannt, dass IhrPressestab an verschiedenen Stellen ver-sucht hat, aus Sprechzetteln Formulierungenin den ersten Tagen rauszunehmen, diesinngemäß lauteten: „Zivile Opfer sind nichtauszuschließen“?

(Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU):

Langsam, langsam!

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich mussIhnen ganz ehrlich sagen: Ich kann dochkeine Antwort geben zum Pressestab, wasdie da im Einzelnen gemacht haben. Ichkann Ihnen sagen: Ich habe, als ich das ersteMal davon Kenntnis bekommen habe, auchdort sofort in der Öffentlichkeit darauf Bezuggenommen, und zwar am Sonntagnachmit-tag.

Rainer Arnold (SPD): Herr Minister,wenn Sie mir einen Vorwurf - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Kauder zur Geschäftsordnung.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Ich würde gern wissen,woher der Kollege die Informationen hat, dieer dem Zeugen vorhält.

Rainer Arnold (SPD): Es ist an verschie-denen Stellen sichtbar. Es gibt ein Doku-ment, das im Entwicklungsprozess war. Ichkann nicht jetzt alle Stellen auf die Schnellehier darlegen; ich mache das gern unter Ge-heim.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Müssen Sie aber.

Rainer Arnold (SPD): Ein Dokument, dasim Entwicklungsprozess war und bei demdann am Ende diese Formulierungen gefehlthaben.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Ich möchte die Stellen vor-gehalten haben.

Rainer Arnold (SPD): Ich mache dasjetzt nicht. Ich ziehe die Frage zurück, HerrKollege. Ich bin auch nicht bereit, Sie alsOberlehrer hier zu akzeptieren. Wenn Ihnen

Page 37: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 31[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

was nicht gefällt, wählen Sie bitte den for-mellen Weg hier.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Seien Sie doch nicht soaufgeregt!

Rainer Arnold (SPD): Ich habe imAugenblick das Wort, Herr Kollege, -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich bitte jetzt, Herr Kollege Arnold - -

Rainer Arnold (SPD): - und wir wählendann den korrekten Weg. Sie können allesbeantragen. Das ist Ihr gutes Recht.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Arnold - -

Rainer Arnold (SPD): Aber hier so überdie Bank rüber mich belehren, akzeptiere ichnicht mehr.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich verstehe Ihre Erregung, aber Herr Kol-lege Kauder - -

Rainer Arnold (SPD): Nein, ich bin nichterregt. Ich bin ganz ruhig.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich bitte, jetzt in der Fragestellung fortzufah-ren. Sonst muss ich die Sitzung unterbre-chen.

Rainer Arnold (SPD): Ich habe doch ge-sagt, ich ziehe die Frage zurück. - Herr Mi-nister, Sie haben einen unterschwelligenVorwurf gemacht gegenüber den Obleuten.Stimmen Sie mir zu, dass die Obleuteunter-richtungen - und damals zumindest von meh-reren Obleuten; zwei sitzen noch hier; ach, erist gerade nicht hier - immer wieder auf Kritikgestoßen sind, weil wir in der Obleuteunter-richtung immer einen Tag später das erfah-ren haben, was in der internationalen undspäter in der deutschen Presse auch kom-muniziert wurde? Wir saßen ja nicht nur drinund haben geschwiegen.

(Zuruf der Abg. Sibylle Pfeiffer(CDU/CSU))

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich mussIhnen ganz ehrlich sagen: Da hatte ich einenanderen Eindruck.

Rainer Arnold (SPD): Ist wahr?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich hatteden Eindruck, dass Sie alle zufrieden waren;denn Sie haben keine entsprechenden ande-ren Fragen mehr gestellt.

Rainer Arnold (SPD): Dann stimmen Siemir zu, dass im Verteidigungsausschuss -hier gibt es ja ein Protokoll - der Punkt derfestsitzenden Tanklastzüge und die Frage„Wie kann man eigentlich der Bundeswehrunterstellen, dass zwei aufgeklärte festeTanklastzüge bei Kenntnis der Topografie inKunduz, mit dieser schmalen Zufahrt undden Sicherungsmaßnahmen, eine ernsthafteGefahr für die Truppe sein sollen?“ - - Erin-nern Sie sich noch, dass dies eine Rolle ge-spielt hat und auch ziemlich kontrovers zwi-schen uns war?

(Abg. Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) meldet

sich zur Geschäftsordnung)

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wie ichsehe, darf ich aus der entsprechenden De-tailunterrichtung nichts sagen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Moment, Herr Dr. Jung! - Herr Kauder zurGeschäftsordnung.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Sehe ich es richtig, dasshier aus Sitzungen des Verteidigungsaus-schusses berichtet wird?

Rainer Arnold (SPD): Ja, weil der HerrMinister auch aus geheimen Obleuteunter-richtungen bestimmte Dinge angesprochenhat.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Also sind wir uns einig,dass das eingestufte Sachverhalte sind, dieSie hier in Kenntnis, dass es eingestuft ist,vorhalten?

Rainer Arnold (SPD): Nein. Ich bin janicht der Meinung, dass es ein eingestufterSachverhalt ist, wenn ich aus Protokollen desVerteidigungsausschusses vorhalte.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Das ist doch aus dem Ver-teidigungsausschuss.

Page 38: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 32[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Rainer Arnold (SPD): Zunächst mal sageich Ihnen aber noch mal, Herr Kollege Kau-der: Ich bin nicht bereit, mit Ihnen hier in eindialogisches Verfahren in meiner - -

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Ich beantrage eine Bera-tungssitzung.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann unterbreche ich die Sitzung. Ich bittedie Zuschauer auf den Tribünen - -

(Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Erhat es doch nur beantragt! Wir ha-

ben nicht abgestimmt! - RainerArnold (SPD): Herr Kauder alleine

macht keine Beratungssitzung,sondern wir alle! Das muss man

jetzt mal klären! Wir stimmen ab! -Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Noch

ist nichts abgestimmt! - RainerArnold (SPD): Ich bitte dann um

eine Abstimmung!)

Ich bitte auch den Zeugen, den Saal zu ver-lassen. - Ich bitte jetzt wirklich, die Tribüne zuverlassen.

Ich schließe die Sitzung zur Beweiserhe-bung und eröffne die Beratungssitzung.

(Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Halt,halt, halt!)

- Herr Kollege Bartels.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Frau Vor-sitzende, Sie sind ja die Ansprechpartnerinfür die Leitung dieser Sitzung. Der KollegeKauder kann für sich feststellen, was er will.Drannehmen müssen Sie ihn dann ja aucherst mal, damit er etwas sagen kann. Wenner dann drangekommen ist und etwas bean-tragt hat, dann gilt das für ihn, aber der Aus-schuss hat nicht darüber abgestimmt. Wirsind in der öffentlichen Beweisaufnahme. Sopenibel wie Herr Kauder können andereauch.

(Michael Groschek (SPD): Ich be-antrage, die Öffentlichkeit so langeherzustellen, bis die Abstimmung

gelaufen ist!)

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann kommen wir zur Abstimmung darüber,ob wir eine Beratungssitzung durchführensollen. Ich bitte diejenigen, die für die Bera-tungssitzung sind, um das Handzeichen. -Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dannist das so beschlossen.

(Unterbrechung des SitzungsteilsZeugenvernehmungen, I: Öffentlich:

17.22 Uhr - Folgt SitzungsteilBeratung, III: NfD)

(Wiederbeginn des SitzungsteilsZeugenvernehmungen, I: Öffentlich:

17.42 Uhr)

Fortsetzung der Vernehmung desZeugen Dr. Franz Jung

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich eröffne die Sitzung wieder. Wir fahren mitder Beweiserhebung fort. Das Wort hat dieSPD-Fraktion.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Herr KollegeJung, ich glaube, Sie haben das schon malerwähnt, aber trotzdem die Frage: Wannhaben Sie nach dem Ereignis 4. Septemberin Kunduz zum ersten Mal mit der Kanzleringeredet?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: An demSonntag, den 6. September, als wir diesenWahlkampfauftakt in Düsseldorf hatten unduns da zu dem Vorgespräch getroffen haben.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Das war einVorgespräch. Wer nahm daran teil?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Alle - Mi-nister und ansonsten Präsidium usw. in derCDU -, die an der Veranstaltung teilgenom-men haben, die haben sich dort in einemVorraum versammelt, um dann nachher ge-schlossen in die Veranstaltung zu gehen.

Fritz Rudolf Körper (SPD): In diesemRahmen hat dann das Gespräch zwischenIhnen und der Kanzlerin stattgefunden zudiesen Ereignissen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Wie ist dasGespräch inhaltlich abgelaufen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich sagedas jetzt mal etwas allgemeiner, ohne denKernbereich zu berühren. Die Kanzlerin hatteSorge nach diesen Meldungen der Wa-shington Post. Ich habe ihr noch mal vorge-tragen, was mir Oberst Klein gesagt hat.Aber wir waren dann gemeinsam der Auffas-sung, dass wir nach dieser Meldungslagezivile Opfer nicht mehr ausschließen sollten.

Page 39: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 33[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Ich habe dies ja dann in dem Pressestate-ment so abgegeben.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Auf welcherGrundlage - was war Ihre Vermutung? - hatdie Kanzlerin ihre Besorgnis geäußert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Aufgrunddieser Meldungslage Washington Post,McChrystal, also COMISAF.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Das heißt,auf der konkreten Meldung der WashingtonPost? Oder hatten Sie den Eindruck, dassdie Kanzlerin sich noch auf andere Informa-tionsquellen bezog?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich hatteden Eindruck, dass es von dieser Meldungs-lage Washington Post herrührte. Deshalbhaben wir ja auch abgesprochen, da es jaeinen Bezug hatte zu General McChrystal,dass ich noch an dem Nachmittag versuche,General McChrystal zu erreichen.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Hatten Sieden Eindruck - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Körper.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Bitte?

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Würden Sie Ihre Frage anders stellen. Siesagen immer: „Hatten Sie den Eindruck?“ Wirwürden gerne Fragen nach Tatbeständenhören.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Gab es imBundeskanzleramt Informationen und Hin-weise zu dem Kunduz-Ereignis, die Ihnennicht bekannt waren?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das müs-sen Sie das Kanzleramt fragen.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Ja, ich wollteja deswegen fragen, ob beispielsweise das indiesem Gespräch eine Rolle gespielt hat.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen gerade gesagt, was in dem Gesprächeine Rolle gespielt hat.

Fritz Rudolf Körper (SPD): Das war dieFrage der zivilen Opfer. Das ist Ihnen in die-ser Deutlichkeit in diesem Gespräch zumersten Mal in diesen Zusammenhängen sodargestellt worden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, dashabe ich ja auch anders gesagt. Ich habegesagt, dass ich auf der Fahrt nach Düssel-dorf die Meldungslage registriert habe imHinblick auf das Thema Washington Postund was dort berichtet wurde, auch mit zivi-len Opfern. Darüber haben wir auch konkretgesprochen.

Fritz Rudolf Körper (SPD): War Ihnenbekannt, dass die Meldung, die in IhremInformationssystem am 4. September,6.15 Uhr mitteleuropäischer Zeit, eingestelltworden ist - - dass es dann einen internenDiskussionsprozess gegeben hat bei derFrage, ob zivile Opfer auszuschließen sindund ob dies beispielsweise Gegenstand derMeldung sein sollte? Ja oder nein?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Herr Mi-nister, Ihr Nachfolger hat dann ja zu demCOMISAF-Bericht selbst eine Pressekonfe-renz gegeben. Mit Ihnen war abgesprochen,dass der Generalinspekteur eine Presse-konferenz geben würde, sobald der Berichtda ist. Hatten auch Sie vor, dazu eine Pres-sekonferenz zu geben, wären Sie im Amtgeblieben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das warjetzt nicht mein Thema. Verstehen Sie dasbitte. Ich hatte den NATO-Bericht nicht be-kommen. Deshalb habe ich auch nicht ge-sagt: der Generalinspekteur usw. Es war nurso, dass wir vereinbart hatten, dass wenn -und das ist auch im Übrigen üblich im Vertei-digungsministerium - ein derartiger Berichtvorliegt, dass wir dann versuchen, über denPlanungsstab eine gemeinsame Erklärungabzustimmen zwischen dem Generalinspek-teur und dem Bundesminister.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Also, Siehatten - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Nein, Herr Kollege Bartels, Ihre Zeit ist ab-

Page 40: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 34[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

gelaufen. - Ich gebe das Wort der FDP-Frak-tion.

Joachim Spatz (FDP): Herr KollegeJung, Sie hatten geschildert, dass Sie wegender internationalen Reaktionen Kontakt auf-genommen haben zum Außenminister bzw.zum Staatsminister im Auswärtigen Amt.Gerade Letzterer war ja bei einer internatio-nalen Konferenz. Wurde Ihnen da eine Be-urteilung der Sachlage abverlangt? Denn diehaben ja vom Ausland her Bewertungenerfahren. Da könnte ich mir vorstellen, dassman eben auch gesagt hat: Wie war es wirk-lich? Was haben Sie da für eine Bewertungabgegeben bezüglich des Einsatzes?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Mir ging esdarum, dass ich diese Vorverurteilungen, dieda stattgefunden haben, für völlig sachwidriggehalten habe, dass man dem entgegen-treten soll. Das war meine Diktion, und da-rüber habe ich auch mit Staatsminister Glo-ser gesprochen.

Joachim Spatz (FDP): Aber eine umfas-sende Bewertung des Einsatzes - in der Dik-tion: Es war eine angemessene Reaktion -haben Sie nicht abgegeben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, ichhatte ja damals nur diese Meldungslage, wieSie sie kennen. Ich weiß jetzt gar nicht mehr,ob wir im Detail darüber gesprochen haben.Mir ging es darum, dass es aus meiner Sichtvöllig ungerechtfertigt war, unsere Soldatenin einer solchen Art und Weise öffentlich hiervorzuverurteilen, und dass ich der Meinungwar, dass man dem entgegentreten müsse.

Joachim Spatz (FDP): Dafür habe ichviel Verständnis. Ich wollte einfach nur wis-sen, ob von Ihnen quasi so eine Art Vorfrei-spruch erfolgt ist. Also, eben nicht nur keineVorverurteilung, sondern quasi das Gegen-teil.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Mirging es um dieses Thema, dass plötzlicheine ganze Phalanx von europäischenAußenministern sich in einer solchen Art undWeise geäußert hat, wo es überhaupt keinenGrund dafür gab, aus meiner Sicht. Und des-halb ging es mir - ich sage mal - um denSchutz unserer Soldaten.

Joachim Spatz (FDP): Okay. LetzteFrage zu einem anderen Komplex, und zwar:Sie hatten ja betont, dass Sie auf den NATO-Bericht setzen. Sind Sie der Meinung, dassein internationaler Bericht Untersuchungengemäß Wehrdienstordnung ersetzt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich akustisch nicht verstanden. Was war dasLetzte?

Joachim Spatz (FDP): Es gibt ja dieWehrdienstordnung, Entschuldigung: Wehr-disziplinarordnung. Sind Sie der Meinung,dass eine Untersuchung, die aufgrund derdeutschen Wehrdisziplinarordnung gemachtwird, durch einen internationalen Berichtersetzt werden kann?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das warnicht meine Abwägung. Verstehen Sie bitte -und ich sage noch einmal -: Das war eingemeinsamer Beschluss. Wir haben gemein-sam darüber gesprochen: StaatssekretärDr. Wichert, der Generalinspekteur und ich.Wir waren - - Oberst Klein - ich habe Ihnendas geschildert -: Es sind nur Taliban. Af-ghanen: Es sind nur Taliban. Dann die ande-ren Berichte - NATO -: Nein, es sind auchZivilisten. Zwar sagte McChrystal: Verletzte;ob Opfer, ist noch unklar. Ich wollte, wirwollten auch nicht, dass sozusagen wir jetzteinseitig einen Bericht - - oder uns vorgehal-ten wird: Ihr macht einseitig sozusagen eineBeschönigung der Situation. Sondern wirwollten, dass hier eine neutrale Stelle - wennich so sagen darf -, nämlich die NATO, dannentsprechend eine Untersuchungskommis-sion bildet, in der wir mitwirken, wo dannentsprechend sachgerecht der Vorfall unter-sucht wird, damit eben diese Einseitigkeituns da nicht vorgeworfen werden kann.

Joachim Spatz (FDP): Okay. BestenDank. Ich habe keine weiteren Fragen.

Stellvertretender Vorsitzender Dr. KarlA. Lamers: Keine weiteren Fragen mehrseitens der FDP? - Dann kommen wir jetztzur Fraktion Die Linke.

Christine Buchholz (DIE LINKE): HerrJung, Sie haben das eben in Ihrer Stellung-nahme noch mal gesagt. Sie bezogen sichauf die afghanischen Berichte, die keineAussage getroffen haben darüber, dass es

Page 41: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 35[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

zivile Opfer gegeben haben könnte. Nunberichtet aber die Frankfurter Rundschauschon am 05.09., dass der Sprecher derProvinzregierung namens Sajedi gesagt hat,dass unter den Toten nur eine kleine Anzahlvon Zivilisten sei. Das heißt also, aucheigentlich wohlmeinende Berichte implizierensehr wohl, dass es zivile Opfer gegeben ha-ben könnte. Sind Ihnen diese Äußerungenbekannt gewesen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich sagteIhnen ja gerade: Es gab nachher auch nochweitere Berichte von afghanischen Untersu-chungskommissionen, die teilweise eineandere Diktion hatten. Ich bin darauf hinge-wiesen worden, dass ich das nicht im Detailsagen kann. Ich habe mich nur bezogen aufdiesen Bericht, der immerhin - - Das war janun nicht irgendjemand, das war ja der Vor-sitzende des Provinzrates, den ich selbstkennengelernt habe. Es war der Gouverneur,den ich selbst kannte. Es war der Chef derANA dort, also sprich: der Armee, den ichebenfalls kannte. Es war ebenso der Polizei-chef, und es war der Geheimdienstchef. Alldie fünf Personen kamen im Grunde ge-nommen zu dieser ersten Zahl: 56 und 12.Zweitens sagen sie nicht einfach aus einerAnnahme, sondern aus Befragungen mit denDorfbewohnern und Augenzeugen - das istso ihr Bericht -, es seien nur Taliban undderen Verbündete. Auf den Bericht habe ichmich bezogen.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Gut.Dann war Ihnen diese Äußerung offensicht-lich nicht bekannt.

Eine weitere Frage: Ich komme zum07.09. Da haben Sie einen Sachstand zurUnterrichtung des Bundeskanzleramts ge-nehmigt. Ist Ihnen bekannt, dass diese Un-terrichtung in einem wesentlichen Detail vonder schriftlichen Unterrichtung der Obleute -auch am 07.09. - abweicht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habegerade dargestellt, wie sich die pressever-wertbare Stellungnahme, die vorab den Ob-leuten zuging, und dann der Bericht an dasKanzleramt darstellt. Das habe ich hier vor-getragen, ja.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Dannwerde ich dazu in der geheimen Sitzungnoch mal nachfragen. Nun möchte ich zu derFrage kommen: Umgang mit den Untersu-

chungsergebnissen, speziell mit dem Berichtdes Initial Action Teams. Ist Ihnen bekannt,dass der Bericht von Ihrem Sprecher, HerrnRaabe, ein „Reisebericht“ genannt wurde,der unbestätigte Informationen enthält? Sowurde es berichtet, unter anderem in derFrankfurter Rundschau und in der Süddeut-schen Zeitung.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habenwir ja vorhin schon erörtert. Ich habe Ihnengesagt, was für einen Kenntnisstand ichhatte. Dort war ja unser Oberst N mitdabei. Ich habe Ihnen auch dazu gesagt,was wir im Rahmen der presseverwertbarenStellungnahme dann einbezogen hatten.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Nochmal zu der Frage des Umgangs mit diesemUntersuchungsbericht. Ist Ihnen bekannt,dass auch in dem Entwurf einer pressever-wertbaren Stellungnahme vom 10.09. unddem Sprechzettel für die Obleuteunterrich-tung auch im Hinblick auf diese Frage erheb-liche Differenzen erkennbar sind?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das müs-sen Sie jetzt bitte konkretisieren.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Daskonkretisiere ich dann nachher in der gehei-men Sitzung.

Dann eine weitere Frage: Ist Ihnenbekannt, dass in den ersten Tagen des Öfte-ren von weiteren Quellen, die die Grundlagefür die Entscheidung von Oberst Klein gewe-sen sind, gesprochen wurde? Auch daraufgibt es Hinweise, beispielsweise im Tages-spiegel.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Frau Kollegin Buchholz, das ist auch einge-stuft.

Christine Buchholz (DIE LINKE): DerTagesspiegel?

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Nein, nicht Der Tagesspiegel. Sie können dieFrage gerne stellen, aber ich weise - -

Christine Buchholz (DIE LINKE): Na ja,im Tagesspiegel vom 08.09. steht - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Frau Kollegin Buchholz, Sie können die

Page 42: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 36[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Frage gerne stellen, aber, nachdem es sichum eine klassifizierte Unterlage handelt,weise ich den Zeugen darauf hin, dass er beiseiner Antwort die Reichweite seiner Aus-sagegenehmigung und eine Verpflichtungzur Verschwiegenheit bedenken müsste; eskönnte sie verletzen.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Ichmöchte nur wissen von Herrn Jung, ob dieAussage im Tagesspiegel: Jungs Sprecher

trat Kritik aus den USA entgegen,die Deutschen hätten sich nur aufeinen einzigen afghanischen Infor-manten verlassen. Die Bundeswehrhabe sich neben ... Luftbildern undeinem zuverlässigen afghanischenHinweisgeber auf eine weitereQuelle stützen können, über dieöffentlich nicht geredet werde.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich bitteum Nachsicht. Ich weiß jetzt nicht, was imTagesspiegel stand.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Ichkann Ihnen das gerne noch mal vorlegen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Die Frau Kollegin Buchholz stellt das zurVerfügung.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Frau Vor-sitzende, ich werde dazu sicherlich nichtStellung nehmen in öffentlicher Sitzung

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): HerrDr. Jung, die Frage war doch - - Es gehtnicht um den Tagesspiegel, sondern es gehtum die Erklärung Ihres Pressesprechers, derin mehreren Bundespressekonferenzen vondieser zusätzlichen, dritten Quelle gespro-chen hat. Wir wollen von Ihnen nur wissen,ob Ihnen dieser Vorgang bekannt ist, ob Siedarüber mit dem Pressestab gesprochenhaben oder wo das herkommt. Sie sollen dasgar nicht im Einzelnen bewerten, sondernnur: Wie kommt das in die Welt, und wusstenSie davon?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Die FrauVorsitzende hat mir gerade einen Hinweisgegeben, und deshalb möchte ich um Ver-ständnis bitten, dass wir das in geheimerSitzung erörtern.

Christine Buchholz (DIE LINKE): In demZusammenhang eine allgemeine Frage: IstIhnen bekannt, wie viele Personen involviertsind, bis so eine menschliche Quelle dannbei einem Entscheidungsträger wie OberstKlein ist, ob da zwei, drei, vier oder fünf Per-sonen involviert sind?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Frau Kol-legin, ich bitte Sie um Verständnis. Das sindalles Fragen, die ich Ihnen gerne in geheimerSitzung beantworte.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Danneine weitere Frage, die die Sprachregelungbetrifft, die Sie vereinbart haben, und zwar:Herr Schneiderhan hat in der letzten Sitzungunter anderem davon gesprochen, dass derBegriff „Unbeteiligte“ eingeführt wurde - sinn-gemäß -, um auch einen Ausweg für OberstKlein zu lassen; damit er in der Lage war,nicht zu sagen, die Klein’sche Meldung vom04.09. wäre falsch. Ich würde gerne vonIhnen wissen - Sie haben das schon vorhinkurz angesprochen, aber für mich nicht ge-nau genug -: Inwiefern wurden Vereinbarun-gen über Sprachregelungen - Beteiligte, Un-beteiligte, Zivilisten, unschuldige Zivilisten -diskutiert und festgelegt, und wo sind tat-sächlich Unterschiede zwischen den ver-schiedenen Kategorien?

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Wir haben einen Antrag zur Geschäftsord-nung von Herrn Kauder. - Bitte schön, HerrKauder.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Die Kollegin hat aus einerAussage des Zeugen Schneiderhan berich-tet. Da bitte ich, das Protokoll vorzuhalten.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann bitte ich unsere Mitarbeiter.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Sei-te 20, rechte Spalte, oben, die ersten beidenAbsätze.

(Dem Zeugen werden Unterlagenvorgelegt)

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habedazu die Bitte, dass ich den gesamten Sach-verhalt - es gibt so ein paar Bezugspunkte -Ihnen gerne in geheimer Sitzung beantworte.

Page 43: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 37[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Christine Buchholz (DIE LINKE): Gut,wir können das so machen, bloß ich finde,das ist eine Aussage, die in einer öffentlichenSitzung hier getätigt wurde. Die Frage, in-wiefern es tatsächlich Vereinbarungen überdie Sprachregelung gab, ist ja auch ansons-ten für die Öffentlichkeit relevant, weil ja derEindruck erweckt wird, wenn von „Beteilig-ten“ geredet wird, dass es sich tatsächlichum Leute handelt, denen es, wie es des Öf-teren ja auch von den afghanischen Vertre-tern gesagt wurde, nur recht geschieht, dasssie die Bombe auf den Kopf bekommen ha-ben. Von daher finde ich: Das ist schon sehrrelevant für die öffentliche Bewertung.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Was istjetzt Ihre konkrete Frage?

Christine Buchholz (DIE LINKE): Ob esVereinbarungen gab zwischen Ihnen undHerrn Schneiderhan und Ihrer Öffentlich-keitsarbeit, gezielt Begriffe wie „Beteiligte“,„Unbeteiligte“ einzuführen, um letztendlichein Türchen aufzumachen oder ein Türchenoffen zu lassen für Herrn Klein und die Ein-schätzung, die er am 04.09. ganz zu Beginngetroffen hat.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen den gesamten Sachverhalt so darge-stellt, wie ich ihn kannte, was wir auch öffent-lich erklärt haben. Wie gesagt, meine Infor-mationen waren am 04.09.: Taliban. Das hatOberst Klein mir am 05.09. noch einmalbestätigt. Ich habe am 06.09., als es andereInformationen gab, auch gleich von zivilenOpfern gesprochen. Wenn - das will ich nocheinmal sagen, weil das wieder öffentlichfalsch dargestellt wird - am 06.09. die Bildam Sonntag erschienen ist mit meiner For-mulierung: „nach unserer derzeitigen Er-kenntnis“, dann war das mein derzeitigerKenntnisstand des Interviews vom 5. Sep-tember, wo ich entsprechend dieses Inter-view genehmigt habe. Mein Kenntnisstandwar am 6. September schon ein anderer.Aber da hatte ich nicht mehr die Möglichkeit,das sozusagen zu korrigieren, sondern dasist dann so veröffentlicht worden.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich gebe jetzt Bündnis 90/Die Grünen dasWort.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Vielen Dank, Frau Vorsitzende. -Herr Dr. Jung, Sie haben gesagt, Sie fandenKleins Entscheidung nachvollziehbar. Mein-ten Sie damit menschlich nachvollziehbaroder militärisch nachvollziehbar oder beides?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen, denke ich, die Gesamtsituation darge-stellt und habe immer davon gesprochen,dass ich erstens der Auffassung war und bin,dass der deutsche Verteidigungsminister sichin einer solchen Situation vor seine Soldatenzu stellen hat, und zweitens auch der Mei-nung war, dass vom Grundsatz her dieseEntscheidung nachvollziehbar ist, die er na-türlich in seiner militärischen Funktion ge-troffen hat.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut, also für militärisch nachvoll-ziehbar. Halten Sie die Entscheidung vonKlein für militärisch angemessen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das warnicht meine Bewertung. Das habe ich jetztauch nicht zu bewerten. Ich bleibe bei meinerErklärung, dass ich die Entscheidung fürnachvollziehbar halte.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Aber der GeneralinspekteurSchneiderhan hat doch in Ihrer Amtszeiterklärt, die Entscheidung wäre militärischangemessen gewesen. Wenn Sie mit dieserEinschätzung nicht übereinstimmen, dannwäre das doch ein seltsamer Bestand.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Also, FrauAbgeordnete, da muss ich Sie darauf hinwei-sen, dass das nach meiner Amtszeit war.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja. Das ist mein Fehler. Ent-schuldigung. - Halten Sie die Entscheidungfür alternativlos?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: WissenSie, das ist eine Frage der Bewertung.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, Sie haben aber vorhin inIhren Ausführungen gesagt, dass Sie keineHandlungsalternative für Oberst Klein sahen.

Page 44: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 38[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich sageIhnen ja, dass ich sie für nachvollziehbargehalten habe.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben aber vorhin - ich habees mir extra mitgeschrieben - gesagt: „keineHandlungsalternative“. Das werden wir dannauch sehen bei den Aufzeichnungen unddem Protokoll.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, ichhabe Ihnen ja geschildert, wie ich das sehe.Da bleibe ich dabei.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Dr. Jung, könnten Sie nochmal den Auftrag der „Gruppe 85“ schildern?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen gesagt, was wir gemeinsam abgespro-chen haben, und zwar der Staatssekretär,der Generalinspekteur und ich. In dem Zu-sammenhang: keine eigene Untersuchung,Untersuchung der NATO, Untersuchung wirdunterstützt, dort geht der Rechtsberater Vauch rein, und wir begleiten das im Rahmendes Einsatzführungsstabs.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Was heißt konkret „begleiten“?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Dass wirselbstverständlich die Informationen, die wirhaben, auch entsprechend dort weitergeben.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Staatssekretär Wichert hat hierausgesagt, dass aber auch regelmäßig Be-richte stattfanden, eben sozusagen aus derUntersuchungskommission nach Deutsch-land. Ist das wahr?

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Haben Sie die Quelle von diesem Protokoll?Wissen Sie, wo das steht? Dann würde iches gern dem Zeugen vorlegen.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Stimmt es, dass regelmäßigeUnterrichtungen aus der NATO-Untersu-chungskommission über das deutsche Mit-glied stattgefunden haben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das kannich Ihnen im Einzelnen nicht sagen, weil ichdamit nicht unmittelbar befasst war.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Angesichts dieser Tatsache,auch dessen, was Spiegel online schreibt,dass auch hier darauf geachtet werden soll -Sie hatten es ja auch betont: Es fanden vieleVorverurteilungen statt -, dass das auch inder NATO-Untersuchungskommission nichtwiederholt geschieht, wundert es mich doch,dass Sie dann jetzt hier ausgesagt haben,dass die nationale Untersuchung eingestelltwurde, weil man eben keine parteiliche Un-tersuchung wollte. Es häufen sich ja die Hin-weise, dass man auch Einfluss auf dieNATO-Untersuchungskommission nehmenwollte, eben auch über die „Gruppe 85“.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Dannmüssen Sie mir die konkreten Hinweise bittebenennen.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut, dann mache ich das nach-her. - Dann wollte ich auf eine Ihrer Ausfüh-rungen zurückkommen. Sie haben vorhingesagt: Taliban und ihre Unterstützer. Siesprachen von Ihrem juristischen Sachver-stand und der Bewertung nach humanitäremVölkerrecht. Wieso kommen Sie zu der Ein-schätzung, dass hier humanitäres Völker-recht als rechtliche Grundlage angewendetwerden sollte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen gesagt, dass meine Bewertung war,dass das grundsätzlich im Rahmen desMandats war, und dass ich hilfsweise diesenSachvortrag vorgetragen habe.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Können Sie vielleicht noch mal -weil jetzt auch mehrere Begriffspaare immerwieder aufgetaucht sind: Zivilisten/Taliban,Beteiligte/Unbeteiligte. Sie hatten vorhin inIhren Ausführungen von Taliban und ihrenUnterstützern gesprochen. Was halten Siefür die beste Formulierung, die sozusagendas Geschehen vor Ort präzise beschreibt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Erstens,Frau Kollegin, habe ich zitiert aus - -

Page 45: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 39[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Entschuldigung, Herr Jung, das ist eineWertung. Die Frage müssen Sie nicht beant-worten.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Aber Herr Dr. Jung hat hier vor-hin seinen juristischen Sachverstand betont.Da die Frage, inwieweit man unterscheidet,natürlich auch die Bewertung „kriegsähnlicheZustände“, „nichtinternationaler bewaffneterKonflikt“, eine Rolle für die Frage spielt, wieman diesen Militärschlag dann auch bewer-tet, finde ich, dass das schon beantwortetwerden sollte.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Was istjetzt Ihre Frage?

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Es sind ja diese Begriffspaareimmer wieder aufgetaucht von verschiede-nen Zeugen aus dem Ministerium. Ich wolltevon Ihnen als ehemaligem Verteidigungs-minister wissen, welches Begriffspaar Sie - -oder wie Sie da unterscheiden würden, wasSie da für angemessen halten.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das isteine Frage der Bewertung. Ich will Ihnen nursagen: Es stand in den Berichten - das habeich wiedergegeben -: Taliban und deren Ver-bündete. Wer sich ein bisschen mit demSachverhalt auskennt, der weiß, dass das oftauch eine Schwierigkeit ist in der Differenzie-rung, weil viele, teilweise Bauern auf demFeld, normalerweise nicht unmittelbar alsTaliban erkennbar sind, die abends aberdann die Waffe in die Hand nehmen unddeutsche Soldaten bekämpfen. Das ist dieCrux und auch die Schwierigkeit im Hinblickauf die Gesamtsituation.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Dr. Jung, das ist mir durch-aus bewusst; und es ist natürlich auch ent-scheidend für die Frage. Wenn man diesenMilitärschlag bewertet und wenn man Aus-sagen darüber trifft, ob Zivilisten gestorbensind oder nicht, dann muss man sich ja auchdie Frage stellen: Wie werden Zivilisten defi-niert, und was heißt das für ihren völker-rechtlichen Status? Was heißt „Beteilig-te/Unbeteiligte“ dann im Völkerrecht vor die-sem Hintergrund? Das ist doch eine ent-

scheidende Frage für die Bewertung derEntscheidung von Oberst Klein.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich habe eine Wortmeldung zur Geschäfts-ordnung. - Herr Kauder, bitte.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Frau Vorsitzende, die Kol-legin gibt immer Erklärungen zu den eigenenFragen ab, wo man am Ende fragen muss,ob überhaupt eine Frage gestellt wurde. EineBeweisaufnahme findet so statt, dass maneine Frage stellt und der Zeuge sie beant-wortet, und nicht eine Frage unbeantwortetkommentiert oder eine beantwortete Fragekommentiert.

(Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Wenn Sie unterbrechen,

kann sie ihre Fragen aber dochnicht stellen!)

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Nouripour. - Ich denke, dieFrage ist schon zulässig, und Herr Dr. Jungweiß sie zu beantworten oder, wenn er nichtwill, nicht zu beantworten.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wenn Siedie Frage bitte noch mal wiederholen.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Es sind mehrere Begriffspaaregefallen, von unterschiedlichen Zeugen, auchin öffentlichen Sitzungen, und zwar einmalzum Beispiel das Paar „Beteiligte/Unbetei-ligte“, einmal das Paar „Zivilisten und Tali-ban“. Es ist für die Bewertung des Militär-schlages ja wichtig, zu wissen, anhand wel-cher Kriterien man die Entscheidung „mi-litärisch angemessen“ oder „militärisch nach-vollziehbar“ trifft. Da wollte ich wissen, wel-che Bezeichnung Sie für die richtige halten,die die Situation vor Ort angibt.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen gesagt, dass ich der Überzeugung bin,dass die überwiegende Anzahl Taliban ge-wesen sind, dass ich aber auch der Meinungbin, dass es eine Anzahl von zivilen Opferngegeben hat und ich es deshalb für sachge-recht erachte, dass wir uns auch diesbezüg-lich entschuldigen. Aber ich wiederhole: Ichbin der Überzeugung, dass die überwie-gende Anzahl der Opfer Taliban waren.

Page 46: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 40[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich frage die Fraktionen: Wird noch eineweitere öffentliche Runde gewünscht? - Ja.Dann würde ich die CDU/CSU bitten.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Wir haben noch eine Frage,Frau Vorsitzende.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann gebe ich der CDU/CSU das Wort. FrauPfeiffer, bitte.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Vielen Dank,Frau Vorsitzende. - Kollege Jung, können Siemir bitte noch mal sagen: Wann war die ersteUnterrichtung des Parlamentes, sprich: derObleute?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir habeneine schriftliche Unterrichtung gleich am4. September gemacht. Wir haben danacham 5. September noch mal eine schriftlicheUnterrichtung gemacht. Wir haben dannumfangreich unterrichtet am 07. mit dieserpresseverwertbaren Stellungnahme, was ichvorhin ausführlich dargestellt habe. Die,wenn Sie so wollen, persönliche Unterrich-tung im Verteidigungsministerium, und zwarsowohl für die Obleute im Verteidigungsaus-schuss als auch im Auswärtigen Ausschuss,war am 08., also vor der Regierungserklä-rung der Bundeskanzlerin.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Am 08. ha-ben Sie persönlich unterrichtet?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Jawohl, ichmit dem Generalinspekteur.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Wenn dieschriftlichen Informationen, Unterrichtungenam 04. und am 05. erfolgten - das ist ja si-cherlich nachvollziehbar, das kann man si-cherlich nachlesen -: Haben Sie dort schonvon zivilen Opfern gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Im Rah-men dieser Unterrichtungen nicht, weil ich jaauch diese Informationen nicht hatte. Manmuss auch eins deutlich sagen: Wir habendamals auch bewusst gesagt, wir sagen jetztnoch nichts von konkreten Zahlen, weil unsdas zu unsicher war. Wir wollten auch be-wusst nicht nachher Vorhaltungen haben -wir nennen jetzt 56 Tote, und es sind nach-

her doch vielleicht mehr oder auch weniger,und haben falsch unterrichtet -, sodass wirnur allgemein im Hinblick auf den Luftangriffunterrichtet haben.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Sie hattenvorhin schon mal gesagt, Sie hatten denEindruck, dass das Parlament umfassendund rechtzeitig und bestens informiert war.Waren Sie der Meinung, als Sie das Parla-ment und die Obleute am 08.09. persönlichinformierten, dass Sie auch noch andereInformationen hatten als die aus Ihrem Mi-nisterium? Wir wissen ja seit heute, dassauch die Bundeskanzlerin irgendwelche In-formationsstränge hatte, die uns bis heutenicht bekannt waren.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich mussIhnen sagen, dass wir damals, am 8. Sep-tember, die Informationen weitergegebenhaben. Wenn ich sage „wir“, dann ist das wiefolgt abgelaufen: dass ich allgemein einge-leitet habe und dass dann der General-inspekteur sehr umfangreich über die Detailsunterrichtet hat, auch mit entsprechendemBildmaterial, und dass wir die Informationen,die wir hatten, auch entsprechend gegenüberdem Parlament weitergegeben haben.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Das Parla-ment war also Ihrer Einschätzung nach bes-ser informiert und eher informiert als die Öf-fentlichkeit?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, dasParlament. Deshalb haben wir beispielsweiseauch im Zusammenhang mit der presse-verwertbaren Stellungnahme darauf ge-achtet, dass es zunächst an die Obleuteging, bevor die presseverwertbare Stellung-nahme öffentlich gemacht wurde.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Können Siesich erinnern, Kollege Jung, dass Nachfra-gen seitens der Obleute kamen, vor allenDingen nach zivilen Opfern?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habevorhin gesagt: Ich kann im Detail jetzt zudieser Unterrichtung nichts sagen. Das müs-sen Sie schon unter Geheim stellen, unddann würde ich auch zu diesen Fragen Stel-lung nehmen.

Page 47: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 41[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Ich hattenicht nach den Inhalten gefragt, sondern nur,ob Nachfragen gekommen sind.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir habenauch in dem Zusammenhang darüber ge-sprochen.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Okay. -Gestatten Sie mir noch eine Frage nach demFeldjägerbericht. Soviel ich mich erinnere,haben sowohl der Generalinspekteur alsauch der Staatssekretär Wichert berichtet,dass der Feldjägerbericht in den NATO-Be-richt eingearbeitet ist. Nachdem Sie nun imNachhinein beide Berichte kennen: FindenSie da den Feldjägerbericht wieder? Oder ister tatsächlich, ohne dass er - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Frau Kollegin Pfeiffer, auch dieses müsstenSie bitte dem Herrn Minister vorlegen, oderSie ziehen Ihre Frage zurück.

Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU): Ist in Ord-nung, ja.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich kann,Frau Vorsitzende, wenn Sie es mir gestatten,nur darauf hinweisen: Der NATO-Bericht kamja nach meiner Zeit. Ich bin nur informiertworden über den Feldjägerbericht.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:So, jetzt keine Fragen mehr von derCDU/CSU-Fraktion? - Dann kriegt die SPD-Fraktion das Wort. Herr Kollege Bartels.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): ZumFeldjägerbericht, Herr Dr. Jung: Haben SieErkenntnisse, wie der an die Bild-Zeitunggelangt ist?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, dahabe ich keine konkreten Erkenntnisse. Dakönnte ich Ihnen nur von Gerüchten berich-ten, und das will ich hier nicht tun.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Aber esist darüber gesprochen worden auch mitIhnen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habegerüchteweise gehört, wie das hätte seinkönnen. Aber das möchte ich hier nicht wie-

derholen, weil, wie gesagt, ich das gerüchte-weise vernommen habe.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Zur Erklä-rung der Bundeskanzlerin am 8. September:Waren Sie in irgendeiner Weise daran betei-ligt? Haben Sie mit der Bundeskanzlerin odermit Ihrem Kanzleramtschef darüber gespro-chen, was sie sagen wird? Oder waren Sie inanderer Weise daran beteiligt, was dort vonihr gesagt wird?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Wiegesagt, wir haben am 06. allgemein gespro-chen - das habe ich gesagt -, WashingtonPost usw. Wir haben am 07. den Berichtdann auch ans Kanzleramt gegeben. DieBundeskanzlerin hat dann morgens die Re-gierungserklärung so abgegeben, wie ich sieabgegeben hatte.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): WusstenSie, dass sie die volle, offene, nachvollzieh-bare Aufklärung da ankündigen würde, oderhat Sie das überrascht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein. Wirhatten ja schon darüber gesprochen. Ichhabe ja auch mit General McChrystal schonam Sonntag genau darüber gesprochen,dass wir an voller Aufklärung interessiertsind.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Meintedie Bundeskanzlerin dann mit dieser „vollenAufklärung“ die NATO-Untersuchung?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Jetztmüsste ich Ihren konkreten Vorhalt kennen,lieber Herr Kollege.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Dr. Jung, Sie müssen die Frage nichtbeantworten, weil Sie ja eine Meinung überdas, was die Bundeskanzlerin gesagt hat,abgeben müssten.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Das ist janun sehr einfach: Ist Ihnen bekannt, was dieBundeskanzlerin mit der „vollen, nachvoll-ziehbaren Aufklärung“ gemeint hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich gehedavon aus, dass sie genau die NATO-Unter-suchung gemeint hat.

Page 48: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 42[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Gesagthat sie: Die Bundeswehr wird mit allen ihr zurVerfügung stehenden Kräften alles dafür tun,aufzuklären. - Wir könnten jetzt Bundestags-protokolle, die Regierungserklärung der Bun-deskanzlerin, die ist ja auch als Tagesbefehlverschickt worden, also ein bekanntes Do-kument - - Also, die Bundesregierung werdemit allen Mitteln dazu beitragen, und dannwerde offen und nachvollziehbar auch dieÖffentlichkeit unterrichtet. Das ist ja durchden geheimen NATO-Bericht eigentlich nichtmöglich; der ist ja bis heute nicht der Öffent-lichkeit selbst zugänglich. War geplant, nochirgendetwas anderes dann zu machen, dasdie Öffentlichkeit informiert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir sinddamals davon ausgegangen, dass wir allestun - also auch Bundeswehr -, um entspre-chend dort aufzuklären, auch die NATO ge-nau bei dieser Aufklärung zu unterstützen.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Für dieÖffentlichkeit?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wie ge-sagt, ich wusste nicht, in welcher Art undWeise nachher die NATO welchen Berichtwie klassifiziert. Wir sind damals davon aus-gegangen, dass wir konkretere Kenntnishaben, was ja nun - auch wenn Sie den heu-tigen NATO-Bericht aus der Zeitung zurKenntnis nehmen - auch bis heute noch nichtder Fall ist.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Das warja keine Information der Bundesregierung,sondern Durchstecherei an den Spiegel.Wäre es denn nötig gewesen - - War dasIhre Absicht, wenn der NATO-Bericht da ist,dann offen und nachvollziehbar öffentlich zuinformieren?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Davonging ich auch damals aus, ja.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Dass dasmöglich sein würde?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Ist das bisheute erfolgt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, dashaben Sie ja gerade selbst geschildert.

Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Ja. VielenDank. - Dann Kollege Groschek.

Michael Groschek (SPD): Herr Dr. Jung,ist Ihnen von sogenannten hochstehendenPersönlichkeiten angeraten worden, OberstKlein möglichst zu schützen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, ichweiß nicht, was Sie da jetzt konkret mit mei-nen. Das, muss ich sagen, war für mich eineSelbstverständlichkeit, dass ich mich vorunsere Soldaten stelle in einer solchen Si-tuation.

Michael Groschek (SPD): Nun ist auchnachvollziehbar für mich, dass Sie das reinkameradschaftlich begründet haben. Einanderer Zeuge hat gesagt, er sei von einerhochgestellten Persönlichkeit ohne Namens-nennung darum gebeten worden, dies zutun, und deshalb wollte ich wissen - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Groschek, welcher Zeuge wardas? Ist das als Geheim eingestuft?

Michael Groschek (SPD): Nein, das istnicht Geheim eingestuft. Das war der Gene-ralinspekteur. Der hat erklärt, er sei auch voneiner hochgestellten Persönlichkeit darumgebeten worden, darauf zu achten - pein-lichst darauf zu achten -, dass Oberst Klein -in Anführungszeichen - geschützt bliebe beidem ganzen Vorgang.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Wo steht das? Ich würde es dem Zeugengerne vorlegen.

Michael Groschek (SPD): Im Sitzungs-protokoll von der Vernehmung des General-inspekteurs.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ja. Aber ich muss die Seite wissen.

Michael Groschek (SPD): Ich ziehe dieFrage zurück.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich kannnur sagen: Ich habe aus eigenem Antriebund weil ich dort auch eine gewisse - Sie

Page 49: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 43[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

haben gesagt - kameradschaftliche Ver-pflichtung - okay - empfunden habe, ihn auchangerufen. Ich habe ja vorhin gerade deutlichgemacht, dass es nicht der Normalfall war,dass der Bundesminister sozusagen denKommandeur vor Ort anruft; aber in der be-sonderen Situation hielt ich es für meinePflicht.

Michael Groschek (SPD): Dr. Jung,wenn Sie heute gefragt werden: „WelcheBewertung haben Sie von diesem VorgangKunduz?“, haben Sie dann heute eine an-dere Bewertung als zur Zeit Ihres Amts, IhrerAmtsausübung?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Herr Kol-lege, ich will hier keine Bewertung abge-ben - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ich habe einen Antrag zur Geschäftsord-nung, Herr Dr. Jung. - Herr Kauder, bitte.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Zeugen sind nach Tatsa-chen zu fragen, nicht nach Bewertungen.

Michael Groschek (SPD): Hat es nachIhrem Amtsverzicht Fakten gegeben, die Ihrefaktische Einschätzung des Vorgangs verän-dert haben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Also, HerrKollege, ich habe vorhin gesagt - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Dr. Jung, noch ein Antrag zur Ge-schäftsordnung vom Kollegen Kauder.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Der Inhalt der Frage istkein anderer, nur mit anderen Worten wie-derholt.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Nein, Herr Kollege Kauder - -

Michael Groschek (SPD): Herr KollegeKauder, ich will Ihnen deutlich machen, washinter meiner Frage ist, wenn die Vorsitzendees gestattet und wir die Zeit so lange stop-pen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ja, wir stoppen sie.

Michael Groschek (SPD): Ich versprecheauch, dass das alles öffentlichen Charaktersist und wir nicht in geheime Sitzung wechselnmüssen. Die Bild-Zeitung hat ja in einer ganzbestimmten Art und Weise über einen Be-richt, der jetzt immer Gegenstand der Dis-kussion war, am 26. Oktober letzten Jahresberichtet.

(Zuruf)

- November, Entschuldigung. - Diese Be-richterstattung hat ja dann zu erheblichenKonsequenzen - auch politischen Konse-quenzen - geführt. Inzwischen glaube ich ja,dass der Ausschuss sich ein Bild machenkonnte, wie die Berichterstattungsrelevanzzur faktischen Relevanz des Berichtes steht.Die Nacharbeit dieser Berichterstattung warja Grundlage nach eigener Auskunft des am-tierenden Verteidigungsministers, dass ereine faktische Meinungsänderung, Beurtei-lungsänderung, vorgenommen hat. Ichmöchte jetzt nur vom Zeugen wissen, ob ereine vergleichbare faktische Beurteilungs-änderung vorgenommen hat. Um mehr gehtes gar nicht.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:So, Herr Kollege Jung.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habegesagt: Ich halte die Entscheidung für nach-vollziehbar. Ich habe mich vor Oberst Kleingestellt, und es bleibt auch dabei.

Michael Groschek (SPD): Ich habe danur noch eine Frage - Sie haben gesprochenvon dem Rechtsberater V -: Wer, bitteschön, mit welcher Qualifikation, ist dieserHerr V ?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Jetzt fra-gen Sie mich was. Das ist ein, wenn ich esrichtig weiß, im Rahmen unserer zivilen Ab-teilung beschäftigter hochqualifizierter Jurist,der hier als Rechtsberater tätig ist und derdort in unserem Auftrag dann in dieser Un-tersuchungskommission der NATO die Un-terstützung geleistet hat.

Michael Groschek (SPD): Und der hatnoch mal welches Urteil über den Berichtgegeben? Den Feldjägerbericht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, dahabe ich Ihnen das nur aus der Zeitung ge-

Page 50: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 44[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

sagt, was ich dort gelesen habe, in der FAZ,wo gesagt wurde - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Groschek, das ist keine Fragean diesen Zeugen.

Michael Groschek (SPD): Herr Dr. Junghat sich ja dazu geäußert im Rahmen dieserSitzung. Ich bitte ihn nur, seine Äußerungnoch mal zu wiederholen.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich gebeIhnen wieder. Ich will das zitieren - das wardie FAZ vom 10. Januar dieses Jahres -:

Das Untersuchungsteam der NATOhat den Bericht der deutschenFeldjäger zum Bombardement derTanklaster bei Kundus in Nord-afghanistan offenbar für bedeu-tungslos gehalten und vernichtet.Das gehe aus einer schriftlichenStellungnahme hervor, die derRechtsberater … gegenüber Ein-satzführungskommando abgegebenhat.

Michael Groschek (SPD): Vielen Dank. -Ich habe keine Fragen mehr.

Rainer Arnold (SPD): Herr Dr. Jung,hatten Sie vor der Obleuteunterrichtung am08. frühmorgens Kenntnis über den IAT-Be-richt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Herr Kol-lege, das habe ich Ihnen gerade gesagt. Indieser Kommission war Oberst N . Ichhabe Ihnen gerade gesagt, dass ich überden Bericht von Oberst N vom Gene-ralinspekteur bereits am 6. Septemberabends unterrichtet worden bin.

Rainer Arnold (SPD): Hatten Sie denauch selbst vorliegen, oder hatten Sie nureine mündliche Unterrichtung?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Er hat esmir mündlich vorgetragen, hat mir aber dann,wenn ich es recht erinnere, auch eine Zu-sammenfassung zugefaxt.

Rainer Arnold (SPD): Haben Sie vomStaatssekretär Dr. Wichert den Rat erhalten,diesen IAT-Bericht nicht den Obleuten zu-gänglich zu machen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das kannich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich weiß nur,dass er Eingang gefunden hat auch in un-sere presseverwertbare Stellungnahme - dashabe ich Ihnen ja gerade gesagt - am7. September. Ich könnte Ihnen auch im De-tail sagen - das will ich jetzt nicht tun, weildas geheim ist -, wo wir die Obleute unter-richtet haben. Aber Sie müssten es selbstwissen; Sie waren nämlich dabei.

Rainer Arnold (SPD): Ich werde unterGeheim das Thema auch weiter nachfra-gen. - Hat Staatssekretär Wichert Ihneneinen Rat gegeben, mit zwei Leuten aus demVerteidigungsausschuss über den IAT-Be-richt und die Verfahrensweise zu reden? Ichkann die Namen hier nicht nennen, weil esgeheim ist.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Darankann ich mich nicht erinnern, was Sie jetztsagen.

Rainer Arnold (SPD): Können Sie sichnicht dran erinnern, okay. - Ist dieser Begriff„nachvollziehbar“, den Sie im Augenblickauch verwenden, Ihr Wording? Interessan-terweise hat ja der Generalinspekteur ur-sprünglich auch so einen Begriff gehabt.Oder ist das durchaus ein abgestimmter Be-griff?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das istkein abgestimmter Begriff. Aber ich habe denBegriff gebraucht. Wir waren aber - das mussich nun fairerweise auch sagen - auchgrundsätzlich in der Beurteilung hier durch-aus übereinstimmend der Auffassung, derGeneralinspekteur und ich.

Rainer Arnold (SPD): Es gibt an demBegriff auch nichts zu kritteln. Verstehen Siebitte diese Frage nicht falsch. Wir wollten esnur wissen, weil nachher zu ihrem Hinter-grund ein abgestimmter anderer - auch juris-tisch abgestimmter - Begriff entstanden ist.

Letzte Frage von meiner Seite. Sie habenim Grunde genommen hier drei Tage langdie Argumentation von Oberst Klein als diemaßgebliche gewichtet und sagten vorhin:Und dann kam der Bericht aus der Washing-ton Post. Dies kann ich nicht nachvollziehen,dass ein Bericht der Washington Post zueiner neuen Einschätzung führt. Gab esvielleicht schon noch andere Beweggründe?

Page 51: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 45[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Können Sie dazu etwas sagen? Möglicher-weise auch noch das Gespräch mit derKanzlerin? Hat die auch Rat gegeben?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Jetzt ha-ben Sie allein die Daten schon durcheinan-dergebracht. Der Luftschlag war am Freitag,4. September. Am Samstag habe ich mitOberst Klein telefoniert, und ich habe Ihnengesagt, was er mir gesagt hat und weshalber zu welcher Beurteilung kam. Am Sonntagist diese Presseberichterstattung erfolgt,Washington Post. Das war ja nicht nurWashington Post, das war ja auch der Bezugzu McChrystal. Dort habe ich dann amSonntagnachmittag bereits von zivilen Op-fern gesprochen und habe an diesem Nach-mittag mit General McChrystal auch telefo-niert, wobei ich vorher auch noch einmal mitOberst Klein telefoniert habe.

Rainer Arnold (SPD): Okay. Dann ver-stehe ich das jetzt richtig: Der Auslöser die-ser anderen Bewertung war nicht die Wa-shington Post, sondern Sie haben andereGespräche geführt? Das ist ja auch okay.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.Selbstverständlich habe ich Ihnen das ge-rade gesagt: Washington Post, Bezug Gene-ral McChrystal. Das war alles im Rahmendieser Berichterstattung.

Rainer Arnold (SPD): Dann habe ich esjetzt verstanden, Herr Dr. Jung. - Wir habenkeine weiteren Fragen mehr.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Die SPD hat keine weiteren Fragen. - Danngebe ich der FDP-Fraktion das Wort.

Joachim Spatz (FDP): Keine weiterenFragen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann gebe ich der Linken das Wort.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Nochzwei ganz kurze Fragen; dann gebe ich wei-ter an die Kollegin Höger. Mit wem haben Sieüber mögliche Auswirkungen des Luftschla-ges auf die Bundestagswahl gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Dasmüssten Sie jetzt konkretisieren, was Sie

meinen. Ich habe Ihnen gerade eben ge-sagt - -

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Kauder zur Geschäftsordnung.

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Ich sehe keinen Zusam-menhang zum Untersuchungsgegenstand.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Oh ja!Soll ich Ihnen das erklären?

Siegfried Kauder (Villingen-Schwennin-gen) (CDU/CSU): Ich sehe keinen Zusam-menhang zum Untersuchungsgegenstandund beanstande die Frage.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Wirmüssen ja den Kontext erörtern, in dem dieFrage des Wordings und der Pressearbeitund der Abstimmung, sozusagen der Pres-seweg und auch der Kommunikation, sowohlmit der Presse, aber auch mit den Obleuten,wie das, was im Kontext da passiert ist - -Deswegen interessiert mich tatsächlich dieFrage.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: KönnenSie noch mal die Frage sagen? Seien Sie solieb.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Mitwem haben Sie über mögliche Auswirkungendes Luftschlages auf die Bundestagswahlgesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeIhnen gerade gesagt, dass wir im Hinblickauf die Gesamtlage permanent herausgefor-dert waren - mit „wir“ meine ich die deut-schen Soldaten - in Gefechtssituationen,dass wir auch eine Warnung hatten, dasshier ein größerer Anschlag gegen uns ge-plant ist, und dass wir von daher in einemangespannten Verhältnis waren. Ich habenicht jetzt in irgendeiner Art und Weise, so-zusagen im Hinblick Luftschlag, Bundes-tagswahl - - Mein Punkt war, dass es denTaliban gelingt, noch einen Schlag gegen diedeutschen Soldaten vor der Bundestagswahlgegen uns entsprechend durchzuführen. Daswar meine große Sorge.

Christine Buchholz (DIE LINKE): Zweitekurze Frage. Sie haben gesagt, Sie haben

Page 52: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 46[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

mit Herrn Steinmeier am 07.09. gesprochen.Haben Sie danach auch noch mal mit HerrnSteinmeier über die Ereignisse und auch dieöffentliche Darstellung gesprochen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ichhabe - - Wir haben auch am 08. beispiels-weise im Parlament, wo wir sozusagen mehroder weniger hintereinander oder voreinan-der saßen, und am Rande des Parlamentsüber weitere Dinge gesprochen. ÖffentlicheDarstellungen weiß ich jetzt nicht im Detail.Aber wir haben uns dort auch gegenseitiginformiert über die weitere aktuelle Entwick-lung, ja. Im Übrigen ist ja federführend, wennSie so wollen, wie Sie wissen, dafür immerdas Auswärtige Amt.

Inge Höger (DIE LINKE): Höger, FraktionDie Linke. - Ich habe noch mal eine Frage.Herr Dr. Jung, nach dem 04.09. und spätes-tens nach der, wie Sie sagen, negativenPresse, wie Sie die empfunden haben, hat-ten Sie da nicht ein Interesse an größtmög-licher Aufklärung der Umstände dieses Luft-angriffs?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Doch, voll-kommen richtig, und deshalb haben wir es jagenau so gemacht, wie wir es gemacht ha-ben. Ich muss Ihnen sagen, das war auchmein Eindruck aus dem Gespräch mit Gene-ral McChrystal, dass ich mir nicht vorwerfenlassen wollte, sozusagen: Ihr macht nur eineeinseitige Aufklärung und unterstützt dieNATO nicht. Deshalb haben wir - - Ich habegerade vorhin in meiner Vernehmung dazuStellung genommen: Ich habe jetzt noch dasWort „investigation“ im Ohr, was er zu mirgesagt hat, dass er eine entsprechende Un-tersuchung machen wollte, und zwar - inAnführungszeichen - „neutral“ über dieNATO, und dass ich gesagt habe, dass wirdie entsprechende Untersuchung unterstüt-zen, weil wir auch ein Interesse hatten, zuerfahren: Was ist jetzt wirklich die konkreteSituation gewesen?

Inge Höger (DIE LINKE): Sehen nichtsowohl die Wehrdisziplinarordnung als auchdie ISAF-Regeln, beide, sofortige Untersu-chungen vor, sodass man sie auch immerdurchführen muss, sowohl nach deutschemRecht als auch nach ISAF-Recht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich ja gerade schon vorhin dem Kollegenbeantwortet. Ich denke, dass ich die Fragebeantwortet habe.

Inge Höger (DIE LINKE): General Voll-mer hatte ja gerade den Feldjäger beauftragt,mit den Untersuchungen direkt am 04.09.,weil er eben nach den Einsatzregeln nacheinem Luftangriff das einfach automatisch inAngriff nehmen musste. Sie haben das spä-ter zusammen mit Herrn Schneiderhan ge-stoppt. Da sehe ich doch eher den Versuchder Vertuschung.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Birkenheier.

MDg Ulrich Birkenheier (BMVg): DieISAF-Einsatzregeln sind eingestuft, sodasssie hier nicht in der öffentlichen Sitzung er-örtert werden können.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Aber derUnterstellung widerspreche ich mit Nach-druck. Tatsache ist, dass wir entsprechendsachgerecht informiert haben. Ich habe Ihnenden Gesamtzusammenhang dargestellt. Ichhabe Ihnen gesagt, dass mich der General-inspekteur darüber informiert hat. Ich habe - -Das hat er veranlasst, als er in Afghanistanwar, und das war auch so, dass wir das vor-her gemeinsam - Staatssekretär, General-inspekteur und ich - aus den Gründen, dieich dargelegt habe, hier entsprechend sobeschlossen haben. Ich glaube, es dienteund sollte gerade der sachgerechten und - inAnführungszeichen - „neutralen“ Aufklärungdienen und nicht der Vertuschung.

Inge Höger (DIE LINKE): Können Sie mirnoch mal sagen, welchen Auftrag die„Gruppe 85“ gehabt hat?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Die Frage,Frau Kollegin, habe ich nun wirklich beant-wortet.

Inge Höger (DIE LINKE): Das fand ichnicht sehr ausreichend.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): HerrDr. Jung, in der Pressedokumentation, dieuns allen zur Verfügung gestellt ist, ist ja IhrInterview in der Bild am Sonntag am 06.09.

Page 53: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 47[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Ich will da einfach mal eine Passage drausvorlesen:

Ich begrüße es, dass die NATOeine Untersuchung zu den Vorgän-gen in der Nacht zum Freitag ange-ordnet hat. Dies ist in solchen Fäl-len üblich, um auch der afghani-schen Bevölkerung beweisen zukönnen, dass Isaf solche Angriffenur dann vornimmt, wenn dies ge-boten und verhältnismäßig ist.

Ich will jetzt nicht auf diese eigenartigeWendung, dass man da eine Untersuchungnur macht, um zu beweisen, dass allesrechtens ist - - Das ist sowieso merkwürdig.Aber mich interessiert jetzt der Punkt, dasszwar eine solche Untersuchung, also dieEinsetzung dieses Joint Investigation Boards,üblich sei in der NATO. War das Ihr damali-ger Informationsstand? Sie sagen ja: Das istüblich in der NATO.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Mein da-maliger Informationsstand war, und wir ha-ben ja - - Wissen Sie, das war ja ein längererDiskussionsprozess. Ich kann mich - jetztmuss ich ein bisschen vorsichtig sein - aberan das eine oder andere Gespräch mit Kolle-gen erinnern, wo wir über die Frage gespro-chen haben, dass wir alle Anstrengungenunternehmen müssen, um zivile Opfer zuvermeiden. Es war ja - -

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): HerrDr. Jung, ich habe gefragt, ob das Ihr Infor-mationsstand war, dass dieses Verfahren -Einsetzung eines Joint Investigation Boards -ein üblicher Vorgang der NATO war, alsoschon mehrfach stattgefunden hat, odernicht.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Mein In-formationsstand war, dass diese Untersu-chung jetzt auch gerade unter der neuenDiktion des COMISAF entsprechend so dasVerfahren war, ja.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Gut.Das kann dann ja jeder nachprüfen, ob dasdem Sachverhalt entspricht, ob das also denTatsachen entspricht oder nicht. Das möchteich an der Stelle noch mal gesagt haben, weildas sich ja auch nicht nur aus unseren Un-terlagen ergibt, sondern auch aus der öffent-lichen Wahrnehmung, dass es eine solcheUntersuchungskommission in der Form zum

ersten Mal gegeben hat, was natürlich wasmit der Tactical Directive von McChrystal zutun hat.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das habeich gerade gesagt.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Ichwollte mir das nur - - Aber Sie erwecken hierden Eindruck, als sei das ein völlig üblichesVerfahren, völlig harmlos, in dem Interview inder Bild-Zeitung. Aber wir sind hier nicht da,um zu kommentieren. Ich konnte mir das nurnicht verkneifen. Entschuldigung.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Schäfer.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Ichweiß, okay. - Sie haben ja gesagt, Sie sindmit Ihrem Pressesprecher, Herrn Dr. Raabe,immer eng zusammen gewesen und habendas abgestimmt. Noch mal zu den Bewer-tungen des IAT-Berichts. Der Dr. Raabe hat -ich habe das nachgelesen; alle können dasin den Protokollen der Bundespressekonfe-renz nachlesen - in der Sitzung am 09.09.und am 11.09. ständig von einem „Reise-bericht“ geredet. War das ein Sprach-gebrauch, der abgesprochen war, abge-stimmt war mit Ihnen? Oder wie ist Ihr Pres-sesprecher, mit dem Sie eng zusammenwaren, auf diesen Begriff „Reisebericht“ ge-kommen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Da müs-sen Sie ihn fragen. Das war auch nicht mitmir abgestimmt. Ich habe die Obleute, unddas wissen Sie ja auch, entsprechend überdiesen, ich nenne ihn mal: Voruntersu-chungsbericht informiert. Wenn ich es jetztrichtig sehe - Augenblick mal -, war das mei-nes Erachtens bereits am 07.09., also sogarvor der Zeit, vor der Sie jetzt gerade diesepressemäßige Stellungnahme zitieren.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): HabenSie denn den Bericht selber gelesen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: WelchenBericht?

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): DenIAT-Bericht. Also vor dieser Unterrichtungder Obleute.

Page 54: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 48[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Entschul-digung, ich habe Ihnen doch gerade gesagt,dass ich, da Oberst N in dieserVoruntersuchungskommision war, am 06.abends bereits vom Generalinspekteur da-rüber informiert worden bin und dass ich esauch bekommen habe und dass wir am07.09. auch in unserer presseverwertbarenStellungnahme, die vorher den Obleutenzugegangen ist, genau das mit einbezogenhaben.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Warumhaben Sie denn diesen Bericht oder zumin-dest den Bericht des deutschen Mitgliedsdieser Fact Finding Mission nicht dem Bun-destag zugänglich gemacht, wenn auch ineingestufter Form?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Langsam.Ich habe doch gesagt: Wir haben das einbe-zogen, sowohl in die Obleuteunterrichtungals auch in die presseverwertbare Stellung-nahme als auch in unsere Unterrichtung ge-genüber dem Bundeskanzleramt.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): UndSie meinen, das ist dann ausreichend jetztfür die Unterrichtung des Parlaments, wennman das sozusagen in ein Statement ein-baut, und die haben dann überhaupt nichtdie Gelegenheit, zu prüfen, ob das wirklichdas wiedergibt, was in dem Dokument steht?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das hatdas Parlament spätestens am 08., als wir dieUnterrichtung - sowohl Verteidigungsaus-schuss als auch Auswärtiger Ausschuss -Obleute hatten.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Siehaben über all die wichtigen, alle Aspektedieses IAT-Berichts Ihrer Meinung nach alsodie Obleute und den Verteidigungsausschussinformiert?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Ja? -Gut. Den Punkt setze ich dann unter Geheimnoch mal fort.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann gebe ich der Fraktion - -

Jan van Aken (DIE LINKE): Nein, ichhabe noch eine letzte Frage.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Ach so. 13 Sekunden. Herr van Aken, eineFrage.

Jan van Aken (DIE LINKE): Haben Sieam 04., 05. oder 06.09. irgendjemandengebeten oder angeregt oder angewiesen,zivile Opfer nicht zu erwähnen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Jan van Aken (DIE LINKE): Gut. -Danke.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich sageIhnen ja: Am 06.09. habe ich bereits davongesprochen. Nur damit das klar ist.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Keine weiteren Fragen mehr der Linken. -Dann kommt Bündnis 90/Die Grünen

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Vielen Dank, Frau Vorsitzende. -Ich hätte noch eine Frage zu dem Eintreffendes Feldjägerberichtes. Sie haben ja mit demGeneralinspekteur darüber gesprochen undhaben dann festgestellt, dass dort - Sie ha-ben ihn ja nicht selber gelesen - aber eigent-lich keine neuen Informationen mehr enthal-ten sind. Ist das so? So hatte ich Sie vorhinverstanden. Ich wollte jetzt nur noch malklären, ob ich Sie richtig verstanden hatte.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habeallgemein vorhin zu dem FeldjägerberichtStellung genommen, dass der auch nichtvorteilhaft war. Zu Details kann ich nur ingeheimer Sitzung etwas sagen.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich habe auch nicht nach Detailsgefragt. Ich wollte nur nach Ihrer Bewertungfragen, weil das auch so klang, dass Sie ihnnicht gelesen haben, weil er ohnehin keineneuen Informationen enthalten hätte. Habeich Sie richtig verstanden?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ich habedie Frage beantwortet.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie nicht. Ich frage noch

Page 55: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 49[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

mal nach, ob ich Sie richtig verstanden habe.Sie haben gesagt, Sie haben - - Also, ichhabe es so in Erinnerung - ich bin mir abernicht mehr sicher und würde mich deshalbgern noch mal bei Ihnen vergewissern -,dass Sie gesagt haben, Sie hätten denFeldjägerbericht dann nicht mehr gelesen,weil der Generalinspekteur Sie über denInhalt unterrichtet hat und dort keine neuenErkenntnisse vorlägen.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Der Gene-ralinspekteur hat mich über den Inhalt unter-richtet, und wir kamen beide zu der Über-zeugung, dass es richtig ist, diesen Berichtder NATO zur Verfügung zu stellen.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut. - Dann würde ich gerne aufmeine Frage zur „Gruppe 85“ zurückkom-men. Ich habe jetzt das Protokoll von derVernehmung von Herrn Dr. Wichert vorlie-gen, und zwar die Seite 95. Das haben Siejetzt auch vorliegen, oder?

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Wir haben die Zeit gestoppt, bis es demZeugen vorliegt.

(Dem Zeugen werden Unterlegenvorgelegt)

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Und zwar ist es auf Seite 95, inder zweiten Spalte, die letzte Aussage vonHerrn Dr. Wichert. Ich lese es mal für allevor. Auf meine Frage, wie oft die Rückkop-pelungen zwischen der „Gruppe 85“ und demdamaligen Staatssekretär stattfanden, hatHerr Dr. Wichert geantwortet:

Ich habe mir immer wieder mal be-richten lassen. Das mag einmal proWoche gewesen sein am Anfang,dann in längeren Zeiträumen. Aberda kam nie etwas, was mich zumHandeln hätte zwingen können oderveranlassen können. Ich habe michlaufend unterrichten lassen, ja.

Hat Herr Dr. Wichert Sie auch über dieseInformationen unterrichtet?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein.

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Steht diese Aussage nicht inWiderspruch zu Ihrer Aussage, dass die na-tionale Untersuchung eingestellt wurde, weil

man mit der NATO-Untersuchungskommis-sion eine unparteiliche Untersuchung ge-währleisten wollte?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das istauch eine Bewertung. Aber sie steht ausmeiner Sicht nicht in Widerspruch.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Dr. Jung, Sie haben vorhinja gesagt, dass kein Einfluss genommenwurde auf den Zeitpunkt, wann der JIB Re-port überstellt wurde an die Bundesregie-rung. Aber das bedeutet ja, dass Sie nichtwussten, ob er zu Ihrer Amtszeit kommenwürde oder nicht. Das war nicht klar, oder?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Jetzt derNATO-Bericht?

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Genau.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Das war - -Zu meiner Zeit kam er noch nicht. Ja, istrichtig.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich weiß. Aber Sie haben ja vierWochen vorher nicht gewusst, ob er zu IhrerAmtszeit kommt oder später.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Richtig.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gab es Vorbereitungen, bei-spielsweise in Form eines Möglichkeiten-Sprechzettels für Sie, falls der Bericht dannkommen würde?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir habenjetzt nicht Alternativen vorbereitet: -

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das war nicht meine Frage.

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: - Der Be-richt sieht so aus, sieht so aus oder sieht soaus. Sondern es war klar: Wenn der Berichtkommt, ist es so, dass der Planungsstab -das ist ja bei uns die Regel - eine entspre-chende Stellungnahme dann auch entspre-chend abstimmt und vorbereitet, sowohl fürden Minister, aber auch für den General-inspekteur.

Page 56: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 50[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben vorhin gesagt, dassaus Ihrer Sicht Oberst Klein keine Hand-lungsalternative hatte. Haben Sie diese Be-wertung im Übergabegespräch auch MinisterGuttenberg gegenüber erwähnt?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: So ex-pressis verbis nicht, nein, aber ich habe wei-terhin gesagt - das habe ich auch hier vormAusschuss gesagt -, dass ich weiterhin ers-tens die Sache für nachvollziehbar halte undzweitens weiterhin vor Oberst Klein stehe,und das bleibt auch dabei.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben vorhin gesagt, dassSie bei der ersten Obleuteunterrichtung keineZahlen wollten, weil es ja keine gab, weil eszumindest keine gesicherten Zahlen gab.Gleichzeitig hat Ihr Ministerium ja qua Erklä-rung und qua Internet Zahlen verbreitet. Ha-ben Sie nicht befürchtet, dass die Obleuteverwirrt sein könnten, weil - - oder dass siezumindest die Zahlen, die öffentlich genanntwerden, dann als die offizielle Verlautbarungnehmen, weil Sie ja sonst keine anderennennen und auch keine dementieren?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Den Ein-druck hatte ich nicht; denn die Obleutewussten ja von mir, dass oft manchmal in derÖffentlichkeit Dinge berichtet werden, diesich nachher auch anders dargestellt haben,und dass wir die Obleuteunterrichtung sogemacht haben, dass möglichst die Faktenauch stimmen, nicht nachher noch mal korri-giert werden müssen.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Aber dass Sie nicht - -

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Und mirwar damals am Anfang das zu unsicher, aberöffentlich ist es gelaufen - das habe ich Ihnenja gesagt -, die 56 Toten und 14 Verletzten.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie hinterfragt, nach wel-cher Methode diese Zahlen ermittelt wordensind, oder ist Ihnen das bekannt gewesen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, dasist mir expressis verbis nicht bekannt gewe-sen. Ich habe Ihnen ja nur gesagt, was mirim Telefonat Oberst Klein dazu gesagt hat,

und habe Ihnen gesagt, dass mir an diesemAbend des 6. auch noch einmal dieser af-ghanische Bericht dazu gefaxt worden ist, woauch von 56 Toten und 12 Verletzten aller-dings gesprochen wurde.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Nachdem klar war, dass zivile -spätestens, nachdem klar war, dass zivile -Opfer nicht mehr ausgeschlossen werdenkönnen: Kam Ihnen die Idee, dass Sie selbstvor Ort hinreisen?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Wir hattenes abgesprochen, dass der Generalinspek-teur -

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Und das war dann auch so?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: - dorthingeht. - Ja.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben der StaatsanwaltschaftDresden geschrieben, haben Sie vorhin er-zählt. War das auf Nachfrage, oder war dasinitiativ?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, daswar insofern eine Stellungnahme, die wirabgegeben haben, auch, ich sage mal, zurSchutzschrift für Oberst Klein.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie sind selbst ja Jurist und ha-ben ja auch jahrelange Erfahrungen an Ge-richten. Ist ein solches Vorgehen üblich?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Ja, dashabe ich öfters gemacht. … (akustisch un-verständlich) einem schnellen Verfahren.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben das auch gemacht -

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Als Anwalt,ja.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): - bei dem Vorfall an diesemCheckpoint, den Sie selbst genannt haben,mit der Dame und den beiden Kindern?

Zeuge Dr. Franz Josef Jung: Nein, dortkann ich mich nicht erinnern, dass es von mir

Page 57: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 51[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

gemacht worden ist. Da habe ich Ihnen aberauch gesagt, dass ich vor Ort war und michdort auch entschuldigt habe, mit den Stam-mesältesten gesprochen habe; das habe ichIhnen gerade erklärt.

(MDg Ulrich Birkenheier (BMVg):Frau Vorsitzende!)

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Birkenheier.

MDg Ulrich Birkenheier (BMVg): DieseFrage gehört nicht zum Untersuchungs-gegenstand.

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ist aber beantwortet.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Die zum Checkpoint nicht.

MDg Ulrich Birkenheier (BMVg): Des-wegen müsste man ja auch die Möglichkeithaben, intervenieren zu können, wie HerrAbgeordneter Kauder gesagt hat.

(Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU):

So ist es!)

Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich bin zufrieden.

(Zuruf: Wollen Sie die Postentauschen?)

Herzlichen Dank. Ich hab keine weiterenFragen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Dann stelle ich fest: Es sind keine weiterenFragen mehr, und wir gehen dann in dengeheimen Teil.

Ich stelle Einvernehmen dahin gehendfest, dass wir mit dem öffentlichen Teil nunenden und die Vernehmung in eingestufterForm festsetzen.

(Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Zur

Geschäftsordnung!)

- Ich bitte doch, jetzt noch nicht einzuräumen.Der Herr Kollege Beck hat das Wort.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Frau Vorsitzende, es ist zwarvorher einige Male angeklungen, dass Ant-worten lediglich unter Geheim gegeben wer-

den sollten. Ich bitte aber doch mal die Kol-legen, zu überprüfen - vielleicht können wirauch eine kurze Obleuterunde einlegen -, obwir in der Tat jetzt den Umzug in Geheim,sprich: in den Reichstag, machen wollen.

Wenn wir der Auffassung sind, wir ma-chen es, dann machen wir es. Aber ichwürde jetzt einfach keinen Automatismuseinlegen wollen, dass wir also sagen, dasswir in Geheim gehen müssen, weil vorhereinige Fragen nicht so beantwortet wordensind, und dass es automatisch zur Aufklä-rung notwendig wäre, jetzt umzuziehen.Darum würde ich darum bitten, dies jetzt viel-leicht in einer Beratungssitzung kurz zu klä-ren. Das wäre meine Bitte.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Herr Kollege Beck, wenn wir unter Geheimtagen, dann müssen wir umziehen. Wir kön-nen hier - -

(Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Ob wir überhaupt

müssen!)

Herr Kollege Schäfer.

Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Meinpraktischer Vorschlag wäre an der Stelle,weil das andere ja auch überlegt haben, dasswir jetzt einfach noch mal eine kurze Pausemachen, sortieren, um welche Fragen essich handelt, soweit man das machen kann,weil ich auch noch nicht genau absehenkann, ob man unter Geheim tagen muss undwir umziehen oder ob man die aber dann ingeschlossener Sitzung machen kann. Daswäre ja die Alternative, oder? Gibt es dieseMöglichkeit? Wenn es die nicht gibt, erübrigtsich das. - Gibt es nicht?

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:Also, ich bitte jetzt wirklich darum, nicht stun-denlang zu diskutieren. Wenn es eine ge-schlossene Sitzung ist, dann können wir hierauch nicht tagen, wenn es eine geheimeSitzung ist, können wir auch nicht tagen, undich bitte doch dann, dass wir jetzt die Sitzungder Beweiserhebung unterbrechen, dass wirumziehen in den Sitzungssaal S 2015 unddort weiter tagen.

Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen)(CDU/CSU): Frau Vorsitzende, noch mal: Ichbitte dann noch mal einfach klarzustellen zurTagesordnung. Ich bitte jetzt also die Sitzungdann zu beenden, aber ich habe eine kurze

Page 58: Deutscher Bundestag VS-Nur für den Dienstgebrauch …dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/CD07400/Protokolle... · 2011. 10. 27. · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Verteidigungsausschuss

Verteidigungsausschuss als 1. Untersuchungsausschuss 52[16. Sitzung am 25.03.2010 - Sitzungsteil Zeugenvernehmungen, I: Öffentlich]

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

Beratung beantragt, und diesen Antragmöchte ich gerne abgestimmt haben. Und ichmöchte jetzt nicht einen sofortigen Umzugveranlassen, um das noch mal in aller Klar-heit zu sagen - rein vom Verfahrenstechni-schen.

Vorsitzende Dr. h. c. Susanne Kastner:So, dann bitte ich den Zeugen, den Saal zuverlassen, und die Herrschaften auf der Tri-büne, die Tribüne zu räumen, damit wir ineine Beratungssitzung eintreten können.

(Schluss des Sitzungsteils Zeugen-vernehmungen, I: Öffentlich:

18.51 Uhr - Folgt Fortsetzung desSitzungsteils Beratung, III: NfD)