Deutscher Bundestagdipbt.bundestag.de/doc/btp/15/15047.pdf · Antw PStSekr Achim Großmann ... Helmut Kohl beschlossenen Ziels, die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 Prozent gegen-über

  • Upload
    vanbao

  • View
    218

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

  • Plenarprotokoll 15/47

    Deutscher BundestagStenografischer Bericht

    47. Sitzung

    Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    I n h a l t :

    Tagesordnungspunkt 1:

    Erste Beratung des von der Bundesregie-rung eingebrachten Entwurfs eines ErstenGesetzes zur nderung des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes (Drucksache 15/1067) . . . . . . . . . . . . . . . .

    Tagesordnungspunkt 2:

    Befragung der Bundesregierung: Welt-weit aktiv Auenwirtschaftsoffensiveder Bundesregierung fr mehr Wachs-tum und Beschftigung . . . . . . . . . . . . . .

    Wolfgang Clement, Bundesminister WA . . . .

    Rainer Brderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Wolfgang Clement, Bundesminister WA . . . .

    Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . .

    Wolfgang Clement, Bundesminister WA . . . .

    Tagesordnungspunkt 3:

    Fragestunde (Drucksache 15/1077) . . . . . . . . . . . . . . . .

    Vertragswidriger Einsatz der an Indonesienverkauften Kriegsschiffe der ehemaligen NVAgegen die Unabhngigkeitsbewegung in Aceh

    MdlAnfr 1 Dr. Gesine Ltzsch fraktionslos

    Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg

    ZusFr Dr. Gesine Ltzsch fraktionslos . . . . .

    3913 A

    3913 B

    3913 B

    3914 B

    3914 D

    3915 B

    3916 B

    3916 D

    3917 A

    3917 B

    Einhaltung der Grundstze des Vertrages berdie Europische Union durch EU-Beitritts-staaten vor dem Hintergrund des in Tsche-chien geltenden Straffreistellungsgesetzesvon 1946

    MdlAnfr 4, 5 Erwin Marschewski (Recklinghausen)CDU/CSU

    Antw StMin Hans Martin Bury fr Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . .

    ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . .

    Streichung einer Passage zur Senkung der Ar-beitskosten aus dem Entwurf des Wirtschafts-berichts Deutschland 2003 der OECD

    MdlAnfr 6, 7 Dr. Joachim Pfeiffer CDU/CSU

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA

    ZusFr Dr. Joachim Pfeiffer CDU/CSU . . . . .

    Streichung einer Passage zur Beinahe-Stagnation aus dem Entwurf des Wirt-schaftsberichts Deutschland 2003 der OECD

    MdlAnfr 8, 9 Robert Hochbaum CDU/CSU

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA

    ZusFr Robert Hochbaum CDU/CSU . . . . . .

    3917 D, 3918 C

    3918 B, D

    3919 B

    3919 B

    3920 B

    3920 B

    3921 D

    3922 A

  • II Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    Streichung einer Passage zur Arbeitslosigkeitaus dem Entwurf des WirtschaftsberichtsDeutschland 2003 der OECD

    MdlAnfr 10, 11 Dr. Hermann Kues CDU/CSU 93

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA

    ZusFr Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . .

    ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . .

    ZusFr Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . .

    Gesetzliche Manahmen zur Ermglichungder Abweichung von kollektiven Tarifver-trgen

    MdlAnfr 12, 13 Erich G. Fritz CDU/CSU

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA

    ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . .

    Ttigkeit gemeinntziger Unternehmen alsPersonal-Service-Agenturen

    MdlAnfr 14 Dirk Niebel FDP

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA . . .

    ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Auswirkungen der Einfhrung von Bildungs-gutscheinen auf kleinere und mittlere Bil-dungseinrichtungen

    MdlAnfr 15, 16Werner Lensing CDU/CSU

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Werner Lensing CDU/CSU

    ZusFr Uwe Schummer CDU/CSU . . . . . . . .

    ZusFr Robert Hochbaum CDU/CSU . . . . . . .

    ZusFr Michael Kretschmer CDU/CSU . . . . .

    ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . .

    Ausweichreaktionen der Tabakkonsumentenim Zusammenhang mit der Erhhung der Ta-baksteuer sowie rechtliche Grundlagen frden EU-weiten Internethandel mit Zigaretten

    MdlAnfr 17 Jens Spahn CDU/CSU

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA . . .

    ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Max Straubinger CDU/CSU . . . . . . . .

    ZusFr Volker Beck (Kln) BNDNIS 90/DIE GRNEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    3922 C

    3922 C

    3924 B

    3924 C

    3925 A

    3925 B

    3925 D

    3926 A

    3926 D, 3927 D

    3927 A, 3928 A

    3927 C

    3928 B

    3928 B

    3928 D

    3929 B

    3929 D

    3930 B

    3930 C

    3931 B

    Durch Hermesbrgschaften abgesicherte Lie-ferung von Motoren fr indonesische Kriegs-schiffe seit 1999

    MdlAnfr 18 Dr. Gesine Ltzsch fraktionslos

    Antw PStSekr Dr. Ditmar Staffelt BMWA

    ZusFr Dr. Gesine Ltzsch fraktionslos . . . . .

    Zahl der im Jahr 2002 in der deutschen Land-wirtschaft betreuten osteuropischen Regie-rungspraktikanten; Bedingungen fr eine der-artige Beschftigung

    MdlAnfr 19, 20 Marlene Mortler CDU/CSU

    Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Marlene Mortler CDU/CSU . . . . . . . .

    Erhalt des Standortes der Bundesforschungs-anstalt fr Viruskrankheiten der Tiere in Wus-terhausen

    MdlAnfr 21Petra Pau fraktionslos

    Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL

    ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . .

    Harmonisierung innerhalb der EU bei der Ein-fhrung der LKW-Maut zum 31. August 2003

    MdlAnfr 25, 26 Max Straubinger CDU/CSU

    Antw PStSekr Achim Gromann BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Max Straubinger CDU/CSU

    Ergnzung der im Entwurf des Bundesver-kehrswegeplans 2003 genannten ProjekteEU-Osterweiterung sowie Baubeginn derA 6 im Abschnitt Amberg/OstPfreimd imRahmen der EU-Osterweiterung

    MdlAnfr 29, 30 Klaus Hofbauer CDU/CSU

    Antw PStSekr Achim Gromann BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . .

    Verbindung von Mnchen und Prag auf demSchienenverkehrsweg mit Anbindung an denMnchener Flughafen

    MdlAnfr 31 Matthus Strebl CDU/CSU

    Antw PStSekr Achim Gromann BMVBW

    ZusFr Matthus Strebl CDU/CSU . . . . . . . .

    ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . .

    3931 C

    3931 C

    3932 B, D

    3932 C

    3933 B

    3933 C

    3934 B, 3935 A

    3934 C, 3935 B

    3935 C, 3936 B

    3935 C

    3936 B

    3936 C3936 D

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 III

    Strkere Vernetzung des Schienenverkehrszwischen Ostbayern und Bhmen, insbe-sondere im Hinblick auf die EU-Osterweite-rung

    MdlAnfr 32 Matthus Strebl CDU/CSU

    Antw PStSekr Achim Gromann BMVBW

    Einhaltung des unter Bundeskanzler Dr.Helmut Kohl beschlossenen Ziels, die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 Prozent gegen-ber 1990 zu senken

    MdlAnfr 33, 34 Kristina Khler (Wiesbaden) CDU/CSU

    Antw PStSekrin Simone Probst BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Kristina Khler (Wiesbaden) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Unterschiedliche Aussagen zum Verbleib derLeuna/Minol-Akten und den Bundeslsch-tagen im Bundeskanzleramt

    MdlAnfr 37, 38 Eckart von Klaeden CDU/CSU

    Antw StMin Rolf Schwanitz AA . . .

    ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU

    Disziplinarverfahren gegen einen aus dem f-fentlichen Dienst Ausgeschiedenen im Zu-sammenhang mit den Leuna/Elf Aquitaine-Vorgngen

    MdlAnfr 39, 40 Andrea Astrid Vohoff CDU/CSU

    Antw StMin Rolf Schwanitz AA . . .

    ZusFr Andrea Astrid VohoffCDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . .

    Finanzieller Anteil Deutschlands an den Kos-ten fr Europol sowie Anteil deutscher Mit-arbeiter bei Europol

    MdlAnfr 43 Jens Spahn CDU/CSU

    Antw PStSekr Fritz Rudolf Krper BMI . . . .

    ZusFr Jens Spahn CDU/CSU . . . . . . . . . . . .

    Erhalt des Sprachkursprogramms Deutsch alsZweitsprache an den Berliner Volkshoch-schulen

    MdlAnfr 45 Petra Pau fraktionslos

    Antw PStSekr Fritz Rudolf Krper BMI . . . .

    ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . .

    3937 B

    3937 C, 3938 B

    3937 D, 3938 B

    3939 A, 3940 D

    3940 B, 3941 A

    3941 C, 3942 B

    3941 D, 3942 C

    3942 A

    3943 A

    3943 B

    3943 C3943 D

    Zusatztagesordnungspunkt 1:

    Aktuelle Stunde auf Verlangen derFraktionen der SPD und des BNDNIS-SES 90/DIE GRNEN: Forderungenaus Union und FDP zum Verzicht aufSchuldenerlasse und zur Eintreibungvon Schulden im Ausland . . . . . . . . . . .

    Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundes-ministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Matthias Wissmann CDU/CSU . . . . . . . . . .

    Christine Scheel BNDNIS 90/DIE GRNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Rainer Brderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Dr. Christian Ruck CDU/CSU . . . . . . . . . . .

    Thilo Hoppe BNDNIS 90/DIE GRNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Lothar Binding (Heidelberg) SPD . . . . . . . .

    Conny Mayer (Baiersbronn) CDU/CSU . . . .

    Jrg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . .

    Dr. Sascha Raabe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Peter Wei (Emmendingen) CDU/CSU . . . . .

    Brigitte Schulte (Hameln) SPD . . . . . . . . . . .

    Karl Diller, Parl. Staatssekretr BMF . . . . . .

    Nchste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    Anlage 1

    Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .

    Anlage 2

    Finanzielle Auswirkungen der Neuordnungenim Bereich Hochschulbau und Finanzierung derForschungsorganisationen fr Bund und Ln-der, insbesondere fr die neuen Bundeslnder

    MdlAnfr 2, 3 Michael Kretschmer CDU/CSU Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF

    Anlage 3

    Einhaltung der Regeln der Pflegeversicherungbei der Versorgung von Pflegebedrftigen imAusland, beispielsweise durch im Ausland le-bende Angehrige

    MdlAnfr 22Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekrin Marion Caspers-Merk BMGS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

    3944 B

    3944 B

    3946 A

    3947 A

    3948 B

    3949 C

    3950 D

    3952 A

    3953 A

    3954 B

    3955 B

    3956 B

    3957 B

    3958 C

    3959 C

    3960 D

    3962 C

    3963 A

    3963 B

    3963 D

  • IV Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    Anlage 4

    Streichung von Passagen zur Rentenreform2001 aus dem Entwurf des Wirtschafts-berichts Deutschland 2003 der OECD

    MdlAnfr 23, 24Gitta Connemann CDU/CSU

    Antw PStSekr Franz Thnnes BMGS . . . . . .

    Anlage 5

    Erstellung eines Entfernungswerks mit ex-akter Angabe der Autobahnkilometer im Zu-sammenhang mit der Mauteinfhrung

    MdlAnfr 27 Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU

    Antw PStSekr Achim Gromann BMVBW

    Anlage 6

    Verknpfung der Netze fr deutsche und fran-zsische Hochgeschwindigkeitszge berStraburg/Kehl als Tagesordnungspunkt desdeutsch-franzsischen Gipfeltreffens am10. Juni 2003 in Berlin

    MdlAnfr 28Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU

    Antw PStSekr Achim Gromann BMVBW

    Anlage 7

    Aufstockung der Mittel zur Frderung erneu-erbarer Energien

    MdlAnfr 35, 36 Ernst Hinsken CDU/CSU

    Antw PStSekrin Simone Probst BMU . . . . .

    3964 A

    3964 C

    3964 D

    3965 A

    Anlage 8

    Beantwortung der Frage des AbgeordnetenAustermann zur Durchfhrung der KampagneErfolg braucht alle durch den StaatssekretrBla Anda

    MdlAnfr 41 Bernhard Kaster CDU/CSU

    Antw StSekr Bla Anda AA . . . . . . . . . . . . .

    Anlage 9

    nderung der gesetzlichen Bestimmungen zurAusweisung/Abschiebung von Auslndern imInteresse der inneren Sicherheit, wie zum Bei-spiel von Metin Kaplan; Anpassung derRechtslage an die Bedrohungslage auf supra-nationaler Ebene

    MdlAnfr 46, 47 Hartmut Koschyk CDU/CSU

    Antw PStSekr Fritz Rudolf Krper BMI . . . .

    Anlage 10

    Aufkommen aus der kosteuer im Jahr 2002

    MdlAnfr 48 Dietrich Austermann CDU/CSU

    Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . .

    Anlage 11

    Auswirkungen der Erhhung der Tabaksteuerauf die Steuereinnahmen durch eine mglicheReduzierung der Zahl von Rauchern im Zu-sammenhang mit den zur Verfgung stehen-den Mitteln zur Raucherprvention

    MdlAnfr 49, 50 Gerlinde Kaupa CDU/CSU

    Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . .

    3965 B

    3965 C

    3966 B

    3966 C

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3913

    (A) (C)

    (B) (D)

    47. Sitzung

    Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    Beginn: 13.00 Uhr

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist er-ffnet. Ich wnsche Ihnen einen guten Tag und uns einegute und konzentrierte Beratung.

    Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

    Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zurnderung des Erneuerbare-Energien-Geset-zes Drucksache 15/1067 berweisungsvorschlag:A. f. Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)A. f. Wirtschaft und Arbeit

    Interfraktionell ist vereinbart worden, dass eine Aus-sprache dazu nicht erfolgen soll. Ich stelle fest, dassSie damit einverstanden sind.

    Wir kommen damit gleich zur berweisung diesesGesetzentwurfes. Interfraktionell wird vorgeschlagen,den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1067 an die in derTagesordnung aufgefhrten Ausschsse zu berweisen.Gibt es dazu anderweitige Vorschlge? Das ist offen-kundig nicht der Fall. Dann ist die berweisung so be-schlossen.

    Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

    Befragung der Bundesregierung

    Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Weltweit aktiv Auenwirt-schaftsoffensive der Bundesregierung fr mehrWachstum und Beschftigung.

    Fr den einleitenden fnfmintigen Bericht erteile ichdem Bundesminister fr Wirtschaft und Arbeit,Wolfgang Clement, das Wort.

    Wolfgang Clement, Bundesminister fr Wirtschaftund Arbeit:

    Das Kabinett hat sich heute mit dem Thema Auen-wirtschaftsoffensive der Bundesregierung beschftigt.In der gegenwrtigen weltwirtschaftlichen Situationkommt der Auenwirtschaft eine erhebliche Bedeutung

    zu. Gleichzeitig macht die Exportwirtschaft eine beson-dere Bewhrungsprobe durch; ich nenne beispielsweiseden Druck der Whrungsentwicklung, die Stabilitt desEuros. Es kommt hinzu, dass jeder fnfte Arbeitsplatzbei uns in Deutschland in der Industrie ist es sogar je-der Dritte mit dem Export zusammenhngt, dass wirvor der Osterweiterung der Europischen Union stehenund in Ost-, Mittelost- und Sdosteuropa neue Mrktebekommen die Mrkte im Erweiterungsbereich Mittel-und Osteuropas sind fr unsere Wirtschaft schon heutegrer als der gesamte amerikanische Markt , dass wires mit Wachstumsmrkten zu tun haben, die zwar nichtganz neu sind, die aber immer mehr an Bedeutung ge-winnen das ist beispielsweise China , dass es im In-ternet neue Handelskanle gibt; das Unternehmen Ebay,das dort aktiv ist, ist ein interessanter Markt fr kleineund mittlere Unternehmen, brigens auch fr Existenz-grnder. Zudem haben wir es auch mit der Entwicklungim Nahen Osten zu tun, wo wir beginnen mssen, unsereWirtschaftsinteressen wahrzunehmen bzw. wo sie str-ker wahrgenommen werden mssen.

    Eine Auenwirtschaftsoffensive ist an sich nicht neu.Die Weltweit aktiv-Auenwirtschaftsoffensive ist eineWeiterentwicklung dessen, was wir bisher in der Auen-wirtschaft getan haben. Wir wollen uns insbesondere umkleine und mittlere Unternehmen kmmern. Hinweiseund Anregungen aus der unternehmerischen Praxis neh-men wir gerne auf.

    Einiges ist bereits im Gang: Ich nenne als Beispieleden Verzicht auf Antragsgebhren fr Antrge auf In-vestitionsgarantien bis 5 Millionen Euro, also fr Mini-malantrge, muss keine Gebhr mehr bezahlt werden ,die Ausfuhrpauschalgewhrleistung, die besonders ein-fach gestaltet ist, oder den Fonds fr Mittelstndler undFreiberufler aus Ostdeutschland zur Finanzierung vonMachbarkeitsstudien. Wir haben neue Korrespondenten-bros der Bundesagentur fr Auenwirtschaft in Tunisund in Nairobi eingerichtet und haben eine Korrespon-dentenstelle in Brssel eingerichtet, in der man sich spe-ziell um die Ausschreibungen der Europischen Unionkmmert. Wir haben die Auslandsmessefrderung

    Redetext

  • 3914 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Bundesminister Wolfgang Clement

    bereits strker auf kleine und mittlere Unternehmen aus-gerichtet.

    Wir haben heute im Kabinett besprochen und be-schlossen, dass wir uns besonders intensiv um die WTO-Runde kmmern wollen das tun wir bereits seit einigerZeit mit Nachdruck , die im September in Cancun Ent-scheidungen treffen wird. Wir wollen uns um eine Ent-brokratisierung der Zollabwicklung kmmern; der Fi-nanzminister wird dies in besonderer Weise tun. Das istein dringendes praktisches Thema fr viele Unterneh-men. Wir bauen das Netz der Auenhandelskammern,ob in Asien oder anderen Bereichen, aus und frdern esweiter. Das Gleiche gilt, wie angekndigt, fr das Kor-respondentennetz der Bundesagentur fr Auenwirt-schaft.

    Bei der Auslandsmessefrderung werden wir weitereSchritte gehen. Wir werden immer kleinere, kostengns-tigere Messestnde frdern. Dadurch knnen wir aufmehr Messen vertreten sein und mehr kleine und mittlereUnternehmen dazu einladen. Den kleinen und mittlerenUnternehmen wollen wir Exportbrgschaften und Inves-titionsgarantien noch leichter zugnglich machen. Dazubeschleunigen wir das Verfahren und auch die Abstim-mung innerhalb der Bundesregierung.

    Im Export wollen wir insbesondere kologische Pro-dukte wie erneuerbare Energien frdern. In diesem Jahrstellen wir immerhin knapp 30 Millionen Euro zur Ver-fgung, um den Einsatz und Export von erneuerbarenEnergien und Energietrgern zu frdern.

    Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wollenwir die Kooperation zwischen dem Staat und der Wirt-schaft Stichwort: Public Private Partnership verstr-ken. Da Herr Kopper, der eine auerordentlich wichtigeRolle als Auslandsbeauftragter fr die deutsche Wirt-schaft gespielt hat, im Juni dieses Jahres ausscheidenwird, werden wir eine Nachfolgeregelung finden ms-sen. Wir haben ihm sehr zu danken; er hat diese aueror-dentlich wichtige Aufgabe mit einem unglaublichenweltweiten Einsatz fr den Standort Deutschland ehren-amtlich wahrgenommen. Wir wollen die gesellschaftli-che Struktur etwas verndern und eine Bundesgesell-schaft unter dem Namen Invest in Germany GmbHeinrichten.

    Daneben werden wir das Auslandsengagement derBundesregierung so weit verstrken, wie es geht, undunsere Unternehmen begleiten, wenn sie wnschen, dasswir als Trffner im internationalen Waren- und Wirt-schaftsverkehr agieren.

    Das sind die wichtigsten Akzente. Ich danke Ihnensehr fr Ihre Aufmerksamkeit.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Gibt es Fragen zu dem vorgetragenen Bericht? Zu-nchst Herr Kollege Brderle, dann Herr Kollege Fritz.

    Rainer Brderle (FDP): Herr Bundesminister Clement, Ihr Vorgnger hat die

    Messefrderung leider zurckgefahren. Sie sagten eben,

    Sie wrden sie strker auf kleine und mittlere Unterneh-men ausrichten. Erste Frage: Werden Sie das Volumenwieder erhhen? Denn die Messefrderung ist eben indieser Hinsicht genau das richtige Instrument.

    Zweite Frage. Sie sprachen davon, dass Sie eine Ko-ordinierung der auenwirtschaftlichen Aktivitten vor-nehmen wollen, indem Sie eine neue Bundesgesellschaftgrnden. Hier sind ja verschiedene Ebenen ttig; wir ha-ben uns heute auch im Wirtschaftsausschuss damit be-schftigt. Zunchst einmal gibt es 16 Bundeslnder, dieauenwirtschaftlich aktiv sind. Daneben gibt es eineSondergesellschaft fr die neuen Bundeslnder, eineBundesregierung, die ebenfalls aktiv ist, und es gabHerrn Kopper.

    Ich hatte frher schon in anderer Funktion den Ein-druck, dass wir uns drauen manchmal schlecht prsen-tieren; denn ein Investor in Amerika oder ein potenziel-ler Partner kann nicht zwischen den verschiedenenEbenen 16 prsente Bundeslnder und drei aktive Ebe-nen des Bundes unterscheiden. Ich wei, es ist nichteinfach. Aber gibt es eine Chance, das besser zu koordi-nieren und zusammenzufhren?

    Bei dem dritten Punkt, den Sie genannt haben, ging esum Public Private Partnership. Dieser Ansatz bietet si-cherlich neue Mglichkeiten. Meine Erfahrung bei demVersuch, dies im Ausland umzusetzen, war immer, dasses fr die kleinen und mittleren Unternehmen aueror-dentlich schwierig ist, ins Geschft zu kommen. Nehmenwir als Beispiel Chile. Bei Straen- oder Entwicklungs-projekten will man dort einen Partner fr das gesamteProjekt, welches zum Beispiel die Weltbank finanziert,und nicht fnf oder zehn verschiedene Partner, zum Bei-spiel einen Gartenbauer, einen Straenbauer, einen Br-ckenbauer usw.

    Gibt es neue berlegungen dazu, wie man die Ange-bote kleinerer Unternehmen unter der Wahrung ihrerSelbststndigkeit und der Mittelstandschancen zu einemGesamtangebot bndeln kann, sodass man der Nach-frage bei greren Projekten, wie es sie drauen in derWelt gibt, strker entsprechen kann?

    Wolfgang Clement, Bundesminister fr Wirtschaftund Arbeit:

    Herr Kollege Brderle, zum ersten Punkt, zur Messe-frderung: Mir liegen unsere Finanzdaten im Momentnicht vor. Wir erhhen die Zahl der von uns gefrdertenMessen, indem wir die Messebeteiligungen reduzierenund nur noch kleine und mittlere Unternehmen frdern.Wir gehen davon aus, dass groe Unternehmen keineFrderung bentigen. Wir werden in diesem Jahr an ins-gesamt 210 Auslandsmessen beteiligt sein. Durch dieVerkleinerung der Standflchen knnen wir erreichen,dass zustzlich 24 Auslandsmessen bedient werden. Wirwerden jedoch noch weiter gehen: Die Mittel werden einbisschen erhht, aber wir stehen noch in den Haushalts-verhandlungen. Ich habe bisher noch keine bersicht,wie hoch sie 2004 sein werden.

    Die weltweite Koordination des deutschen Auftrittsist, wie Sie wissen, nicht ganz unproblematisch. Als je-

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3915

    (A) (C)

    (B) (D)

    Bundesminister Wolfgang Clement

    mand, der bisher in einem Land Verantwortung trug,muss ich natrlich darauf hinweisen, dass der Fderalis-mus seinen eigenen Wert und seine eigene Bedeutunghat. Natrlich sind die besonderen Aktivitten der Ln-der, wie Bayern, Baden-Wrttemberg, Nordrhein-West-falen und Hamburg, auerordentlich wertvoll. Wir habenzudem die Aktivitten der ostdeutschen Lnder, fr diedas IIC eingerichtet wurde und die darber gefrdertwerden.

    Das Schne des deutschen Auftritts ist die Vielfalt,aber sie besitzt, wie wir beide soeben besichtigen konn-ten, wegen ihrer Buntheit einen Mangel an Klarheit.Darber sind wir mit den Lndern im Gesprch. Was dasIIC angeht, so gehe ich davon aus, dass es mit den Aus-landsbeauftragten in Zukunft auf das Engste zusammen-arbeitet. Wir beginnen mit der Koordination, sobald wirdie Nachfolge von Herrn Kopper geregelt haben. Das istdas eine.

    Das andere ist: Wir werden die Lnder an der Investin Germany in Form von Beirten beteiligen. Ich habemeinen Kollegen Wirtschaftsministern vorgeschlagen,im Beirat mitzuwirken, sodass wir die Arbeit koordinie-ren knnen. Ich wrde nicht darauf drngen, dass dieLnder ihre Aktivitten reduzieren. In der heutigen Zeit,in der wir nicht allzu viele zustzliche Mittel einsetzenknnen, ist diese Beteiligung wichtig.

    Wir wollen den Auslandsbeauftragten finanziell et-was besser ausstatten. Wir haben in diesem Bereich bis-her etwa 2 Millionen Euro zur Verfgung gestellt, den-ken aber an eine Grenordnung von 10 bis 11 Millio-nen Euro. Ich muss aber sagen, dass in zwei Tagen einSpitzengesprch mit dem Bundesfinanzminister stattfin-det. Daher sind diese Zahlen vorlufig. Wir jedenfallswollen die Auslandsaktivitten verstrken und die Arbeitdes Auslandsbeauftragten durch zustzliche Mittel ver-bessern. Ich hoffe insgesamt, dass unser Auftreten imAusland etwas klarer wird. Aber wir bleiben ein fdera-ler Staat. Das wird auch im Ausland sichtbar bleiben.Dies findet auch manchmal Sympathien.

    Zum dritten Punkt, zu PPP. Insbesondere das Ministe-rium fr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung koordiniert die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftin der Form, dass Projekte gefrdert werden, an denendeutsche Unternehmen beteiligt sind. Das ist eine andereForm von PPP, als wir sie sonst diskutieren. Im brigensind wir jetzt dabei, die Mglichkeiten von Public Pri-vate Partnership in Deutschland durch steuerrechtlicheVoraussetzungen insgesamt zu verbessern. Das ist bisjetzt noch nicht ausreichend geklrt. Auch von den ein-zelnen Finanzbehrden in den Lndern werden diese Be-teiligungen unterschiedlich bewertet. Hier stehen wirnoch in der Pflicht, dies zu verbessern.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Herr Kollege Fritz.

    Erich G. Fritz (CDU/CSU): Herr Minister, heute Morgen war Herr Kopper im

    Wirtschaftsausschuss. Dabei hatten wir nicht nur die Ge-

    legenheit, ihm fr seine Arbeit zu danken, sondern auchdie Mglichkeit, einige Dinge zu besprechen. Unter an-derem ging es um die Rolle der Lnder, die Sie geradenoch einmal positiv bewertet haben.

    Richtig aber ist, dass durch mangelnde Kooperationund Koordination unseres Auftritts Schaden an unseremImage entsteht; das erfahren wir immer wieder. In IhrerAuenwirtschaftsoffensive finde ich zu diesem Bereichnichts. Dabei wre es gerade in Zeiten knapper Kassenfr den Bundeswirtschaftsminister jetzt die beste Gele-genheit, zu versuchen, alle Beteiligten an einen Tisch zubringen, um ein gemeinsames Konzept zu entwickeln.Haben Sie das noch vor? Geht es ber Wir reden malmiteinander hinaus?

    Nachdem Herr Stolpe beim IIC vorgeprescht war, ha-ben Sie sich jetzt entschlossen, die Arbeit des Bros vonHerrn Kopper neu zu gestalten. Haben Sie langfristigeine Neuordnung in der Weise vor, ein Marketinginstru-ment fr den Standort Deutschland zu entwickeln und al-les andere, auch die besondere Akquise fr die neuenBundeslnder, darunter zu fassen? Wre das nicht einZiel, das Sie in Ihre Auenwirtschaftsoffensive aufneh-men knnten, weil es sinnvoll ist? Es ist schwierig, welt-weit einen Standort zu vertreten und noch Teile diesesStandorts in gleicher Weise.

    Sie haben erfreulicherweise Ihr Vorgnger hat dasvermutlich gar nicht gekannt die bfai angesprochen.

    Sie ist ein wirkungsvolles Instrument, das mit demweiteren Ausbau des Korrespondentennetzes einenwichtigen Beitrag leisten kann, wenn es uns gelingt,diese Informationen noch mittelstandsfreundlicher unddie Angebotsverarbeitung fr die mittelstndischen Un-ternehmen transparenter zu gestalten.

    Da gibt es aber einen Punkt, der heit Abfhrung. Ichmeine die Zwangsabfhrung von 20 Prozent. Diese sindnach meiner Auffassung auch in Zukunft nicht zu errei-chen schon gar nicht, wenn wir eine Ausweitung derAngebote anstreben wollen, vermutlich auch nicht mitdem greren Korrespondentennetz, wenn Sie nichtneue Hrden fr den Mittelstand durch eine Kostenbetei-ligung errichten wollen. Haben Sie vor, in dieser Bezie-hung etwas zu unternehmen? Das wre eine Sache, diebei den Haushaltsberatungen eine Rolle spielen msste.

    In puncto Messefrderung frage ich Sie, ob Sie in Zu-kunft Gromessen wie Technogerma

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Herr Kollege, es besteht immer die Gelegenheit, nachdem Bericht der Bundesregierung einzelne Zusatzfragenzu stellen. Ich bin, wie allgemein bekannt ist, relativgrozgig. Ich mchte aber vermeiden, dass wir durchzweimal hintereinander akzeptierte Fragenreihen einePrjudizierung schaffen, auf die sich dann alle anderenberufen knnten.

    (Ute Kumpf [SPD]: Sehr richtig!)

    Deswegen wre ich dankbar, wenn sich die Anzahl derweiteren Fragen in sehr engen Grenzen halten liee.

    (Ute Kumpf [SPD]: Sehr kollegial!)

  • 3916 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Erich G. Fritz (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Prsident. Ich habe noch eine

    Frage, aber es sieht ganz danach aus, als wenn ich damitauch die Fragekapazitt fr unsere Fraktion ausge-schpft htte, sodass weitere Fragen nicht zu erwartensind.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Dann muss ich darauf aufmerksam machen, dass esFragekapazitten fr Fraktionen in der Geschftsord-nung nicht gibt.

    (Rainer Brderle [FDP]: So weit kommen wir noch!)

    Erich G. Fritz (CDU/CSU): Herr Minister, meine letzte Frage: Bei der Messefr-

    derung gibt es zwei Dinge neben der Tatsache, dass mansie ausweiten sollte, wenn es sinnvoll ist. Zum einenwird immer wieder geklagt, dass Gemeinschaftsstndegar nicht zustande kommen, wenn weniger als zehn Un-ternehmen beteiligt sind. Sollte man das nicht sinnvol-lerweise flexibler handhaben und nicht eine solche starreGrenze einfhren?

    Meine zweite Teilfrage geht dahin, dass die Europi-sche Union einmal angemahnt hat, dass eine zweite Fr-derung desselben Unternehmens unter Beihilfegesichts-punkten fragwrdig sei. Ist das abgewehrt oder knnenda Probleme entstehen? Denn wir wissen, dass viele Un-ternehmen mit einem Auftritt auf einer Messe noch nichtim Weltmarkt verankert sind.

    Wolfgang Clement, Bundesminister fr Wirtschaftund Arbeit:

    Was das Verhltnis zu den Lndern angeht, so habeich da ich bitte um Verstndnis eine andere Ansicht.Ich bin zwar fr mehr Klarheit und fr eine Koordination.Ich bin aber schon dafr, dass die Lnder ihre Aktivittenentwickeln knnen. Um es ganz offen zu sagen da binich nicht verdchtig : Wenn Sie den AuslandsauftrittBayerns erleben und den Ruf Bayerns in Amerika be-trachten, dann wissen Sie, dass das ein Wert an sich ist.Warum sollen wir den zurcknehmen? Ich knnte dasauch fr Nordrhein-Westfalen sagen. Aber Bayern hatnun einmal einen hervorragenden internationalen Ruf,Baden-Wrttemberg ebenfalls. Ich will jetzt nicht alleLnder aufzhlen.

    Das wrde ich nicht unterschtzen. Ich glaube, dasses klug ist, wenn wir das besser koordinieren. Man kannden Messeauftritt auch optisch besser als bisher gestal-ten. Aber ich finde, dass sich die Lnder dort stark enga-gieren und dies auch weiterhin tun sollten. Ich knnteauch nichts anbieten, Herr Kollege. Ich kann nicht anbie-ten, dass der Bund mehr Geld ausgibt. Das wre die na-trliche Folge, wenn ich den Lndern nahe legen wrde,sich etwas zurckzuziehen. Das wrde der Finanzminis-ter nicht mitmachen.

    ber das IIC haben wir mit den Wirtschaftsministernder ostdeutschen Lnder gesprochen. Da gibt es jetzt,

    wenn ich das richtig sehe, eine einhellige Meinung.Auch da sprechen wir noch ein bisschen ber das Geld.Ich mchte noch ber die Zukunft des Bros des Aus-landsbeauftragten bzw. der Auslandsbeauftragten spre-chen, und zwar darber, dies mit dem IIC zu verknpfen.

    Was die Gebhren im Zusammenhang mit der bfai an-geht, so knnen wir diese nicht reduzieren. Ich mssteeher fragen, ob die Wirtschaft etwas mehr dazu beitragenkann. Die bfai leistet immer speziellere und bessere Ar-beit und liefert immer mehr Informationen. Sie ist, wiegesagt, jetzt auch in Brssel prsent, was auerordent-lich wichtig fr die Information ber die Frderinstru-mente der Europischen Union ist. Ich sehe nicht dieMglichkeit, dass wir dort zurzeit auf irgendeine Weisezurckgehen knnten.

    Wenn Ihre letzte Frage darauf zielt, Messen wie dieTechnogerma oder hnliche einzurichten so habe ichIhre Frage verstanden , dann antworte ich mit Ja. Es istauch der Wunsch der Wirtschaft, dass wir grere Pr-sentationen dieser Art wieder aufnehmen.

    (Erich G. Fritz [CDU/CSU]:Beteiligungszahl?)

    Die kenne ich, offen gesagt, nicht. Mir ist das bishernicht bekannt. Ich hielte es aber fr abwegig, wenn esnur einen einzigen Messeauftritt geben drfte. Ein Mes-seauftritt allein ist keine Frderung, sondern Unterhal-tung, also Entertainment.

    Ich glaube, dass wir eine gewisse Kontinuitt hinbe-kommen mssen. Daran haben wir ein sehr starkes Inte-resse, weil es fr kleine und mittlere Unternehmen sonstkaum eine Chance gibt, auf internationaler Ebene ttigzu werden. Bisher sind unsere kleinen und mittleren Un-ternehmen auf internationaler Ebene zu wenig vertreten.Deshalb ist diese Frderung sehr wichtig. Ich sehe auchnicht, dass sie in irgendeiner Weise einen Beihilfecha-rakter annimmt.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Gibt es weitere Fragen zu dem Bericht des Bundes-wirtschaftsministers? Das scheint nicht der Fall zusein. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigenKabinettssitzung oder sonstige Fragen an die Bundesre-gierung ber die schriftlich eingereichten Fragenhinaus? Letztere gibt es viele; sie sollen aber offenkun-dig heute nicht ffentlich vorgetragen werden.

    Dann darf ich mich herzlich bei Ihnen bedanken, HerrMinister, und schliee damit die Befragung der Bundes-regierung ab.

    Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

    Fragestunde

    Drucksache 15/1077

    Die Geschftsbereiche werden in der Reihenfolgeaufgerufen, die Ihnen auf Drucksache 15/1077 mitgeteiltworden ist.

    Ich rufe zunchst den Geschftsbereich des Bundes-ministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3917

    (A) (C)

    (B) (D)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert

    der Frage steht der Parlamentarische Staatssekretr HansGeorg Wagner zur Verfgung.

    Ich rufe die Frage 1 der Kollegin Dr. Gesine Ltzschauf:

    Trifft es zu, dass Kriegsschiffe der ehemaligen NVA-Flotteder DDR die Anfang der 90er-Jahre mit Genehmigung derBundesregierung an Indonesien unter der Auflage verkauftwurden, dass diese Schiffe nur fr den Kstenschutz, fr dieSicherung der Seewege gegen Piraterie und gegen den Dro-genschmuggel eingesetzt werden; unter anderem die TelukGilimanuk, die frher den Namen Hoyerswerda trug offen-kundig vertragswidrig bei einer vom indonesischen Prsiden-ten angeordneten Militroffensive gegen die Unabhngig-keitsbewegung in Aceh eingesetzt wurden, und, wenn ja, washat die Bundesregierung gegen diese Vertragsverletzung un-ternommen?

    Hans Georg Wagner, Parl. Staatssekretr beimBundesminister der Verteidigung:

    Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Ltzsch, mit Vertragvom 24. November 1992 hat der Bundesminister derVerteidigung Ex-NVA-Schiffe an Indonesien verkauft.Die Zweckbestimmung der Schiffe bezieht sich vertrags-gem auf den Kstenschutz, die Sicherung der Seewegesowie die Bekmpfung der Piraterie, insbesondere imBereich des Drogenhandels. Die genannten Einsatzzwe-cke haben fr Indonesien mit seinen mehr als 14 000 In-seln erhebliche Bedeutung.

    Nach ersten Erkenntnissen sind bei der Aceh-Operationcirca 20 indonesische Schiffe im Einsatz, darunter auchEx-NVA-Schiffe. Dabei werden die genannten 20 Schiffedem Anschein nach unter anderem fr Mannschafts-transporte, aber auch fr den Transport von Lebensmit-teln fr die Bevlkerung von Aceh eingesetzt.

    Der Bundesregierung ist der konkrete Einsatz von Ex-NVA-Schiffen zurzeit nicht hinreichend bekannt, umeine abschlieende sachliche und rechtliche Bewertungvornehmen zu knnen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Eine Zusatzfrage, bitte schn.

    Dr. Gesine Ltzsch (fraktionslos): Vielen Dank, Herr Prsident. Wie und auf welchem

    Weg hat die Bundesregierung davon erfahren, dass dieSchiffe auch zum Transport von Truppen verwendetwerden, und wie gedenkt die Bundesregierung zu einerabschlieenden Bewertung wie Sie es ausgedrckthaben, Herr Staatssekretr dieses Vorgangs zu kom-men?

    Hans Georg Wagner, Parl. Staatssekretr beimBundesminister der Verteidigung:

    Die Frage, in welchem Umfang die Schiffe auch zumTransport von Truppen eingesetzt werden, ist zunchsteinmal hypothetisch, weil das der Bundesregierung nichthinreichend bekannt ist. Die Sach- und die Rechtsfrage,die Sie angesprochen haben, mssen noch abschlieendgeklrt werden.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Eine weitere Zusatzfrage.

    Dr. Gesine Ltzsch (fraktionslos): Ich mchte meine Frage wiederholen, weil ich den

    Eindruck habe, dass sie nicht richtig beantwortet wordenist. Knnten Sie vielleicht etwas prziser ausfhren, wiedie Bundesregierung vorgeht, um aufzuklren, in wel-chem Umfang diese Schiffe vertragswidrig genutzt wer-den? Und vor allen Dingen: Was will die Bundesregie-rung tun, um diesen Zustand zu beenden?

    Hans Georg Wagner, Parl. Staatssekretr beimBundesminister der Verteidigung:

    Zunchst einmal unterstellen Sie, dass die Schiffevertragswidrig eingesetzt worden sind. Hinweise daraufliegen der Bundesregierung zurzeit nicht vor. Wir stehenmit unseren Botschaften und Konsulaten in Verbindung,um zu erfahren, ob vertragsgem gehandelt wird odernicht.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Weitere Zusatzfragen zu dieser Frage liegen nicht vor.

    Ich rufe nun den Geschftsbereich des Bundesminis-teriums fr Bildung und Forschung auf. Der KollegeKretschmer, der zwei Fragen dazu eingereicht hat da-bei handelt es sich um die Fragen 2 und 3 , befindetsich noch in einer Ausschusssitzung, wie mir gerade mit-geteilt wurde, sodass wir darum bitten, diese Fragenschriftlich zu beantworten.

    Dies gilt offenkundig auch fr die Fragen des Kolle-gen Marschewski zum Geschftsbereich des Auswrti-gen Amtes, die ich ebenfalls schriftlich zu beantwortenbitte.

    (Abg. Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU] betritt den Sitzungssaal)

    Herr Kollege Marschewski, wenn Sie Ihr Einzugs-tempo noch ein klein wenig beschleunigen knnten,dann bestnde die Mglichkeit, die beinahe schon zurschriftlichen Beantwortung berwiesenen Fragen nochmndlich zu beantworten.

    Wir kommen zu Frage 4 des Kollegen ErwinMarschewski:

    Inwieweit stimmt die Bundesregierung der Rechtsauffas-sung zu, wonach Art. 49 Abs. 1 des Vertrages ber die Euro-pische Union, EUV, fr die Mitgliedstaaten der Europi-schen Union bindend ist, dem Beitrittsgesuchen eines Staatesnur zuzustimmen, wenn dieser die in Art. 6 Abs. 1 EUV fest-geschriebenen Grundstze achtet, und welche eigenen Prfun-gen hat die Bundesregierung unternommen, um die Einhal-tung der in Art. 6 Abs. 1 EUV genannten Grundstze inBezug auf die Beitrittskandidaten zu berprfen?

    Herr Staatsminister Bury, bitte.

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Herr Prsident, ich hatte schon vermutet, dass der

    Kollege Marschewski in der Zwischenzeit die Gelegen-heit wahrgenommen hat, meine Antwort auf die Kleine

  • 3918 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Staatsminister Hans Martin Bury

    Anfrage der Abgeordneten Bosbach, Marschewski undanderer vom 8. April zu lesen; denn in dieser KleinenAnfrage sind die gleichen Fragen gestellt, die heute er-neut eingereicht worden sind. Wenn Herr Marschewskiin der Zwischenzeit die Gelegenheit zum Lesen meinerAntwort nicht gehabt haben sollte, mchte ich gernenoch einmal auf die gestellten Fragen antworten.

    Nach Art. 49 Abs. 1 des EU-Vertrags ist die Achtungder in Art. 6 Abs. 1 des EU-Vertrags genannten Grund-stze eine Voraussetzung fr die Beitrittsfhigkeit neuerMitgliedstaaten. Der Beitrittsantrag wird an den Rat alsOrgan der EU gestellt. Dieser beschliet einstimmignach Anhrung der Kommission, das heit, er sttzt sichunter anderem auf deren Bewertung, und nach Zustim-mung des Europischen Parlaments. Nur wenn der Rateinstimmig zu der berzeugung gelangt ist, dass einBeitrittskandidat die Voraussetzungen fr den Beitritt er-fllt, fasst er einen positiven Beschluss ber dessen Bei-trittsantrag. Die daraufhin erforderliche Anpassung derVertrge wird durch einen Vertrag geregelt, der von denMitgliedstaaten und den Beitrittslndern ratifiziert wer-den muss. Den Entscheidungen ber den Beitritt liegenjeweils die Analysen der Europischen Kommission undauch deren Fortschrittsberichte zugrunde. Diese wurdenvon der Bundesregierung sorgfltig geprft und mit ei-genen Erkenntnissen einschlielich der Berichterstattungder deutschen Auslandsvertretungen abgeglichen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Marschewski.

    Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Herr Prsident! Herr Staatsminister, ich habe natr-

    lich Ihre Antwort gelesen. Weil diese Antwort unvoll-stndig und oberflchlich ist und weil ich meine, dassdas Fragerecht des Parlaments missachtet worden ist,habe ich die betreffenden Fragen erneut gestellt. Sie ha-ben nur auf Verfahrensfragen und nicht auf das geant-wortet, wonach ich gefragt habe. Ich frage deshalb nocheinmal: Was hat die Bundesregierung genau unternom-men, wenn sie schon der Auffassung ist, dass Art. 49und Art. 6 des EU-Vertrags Gltigkeit haben? Ichmchte wissen, welche konkreten Handlungsschritte dieBundesregierung in Bezug auf die Vertrge unternom-men hat.

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Herr Kollege Marschewski, ich habe Ihnen gerade

    eben ebenso wie in meiner Antwort auf Ihre KleineAnfrage das Verfahren przise beschrieben und auchgesagt, auf welche Erkenntnisse sich die Bewertungsttzt.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zweite Zusatzfrage.

    Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Herr Staatsminister, das Verfahren kenne ich natr-

    lich. Ich habe aber gefragt, was die Bundesregierung

    ganz konkret getan hat, um zum Beispiel die Tschechi-sche Republik oder andere Lnder auf die Verpflichtungnach Art. 49 und Art. 6 des EU-Vertrags hinzuweisen.Haben Sie vielleicht gar nichts getan?

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Herr Kollege Marschewski, nach dem eben beschrie-

    benen Verfahren sind die Verfahrensbeteiligten, dasheit auch wir, zu der Auffassung gekommen, dass dieVoraussetzungen fr einen Beitritt erfllt sind.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Ich rufe Frage 5 des Kollegen Marschewski (Reck-linghausen) auf:

    Wie bewertet die Bundesregierung die fortdauernde Gel-tung des als Straffreistellungsgesetz bezeichneten, in derTschechoslowakei verabschiedeten, Gesetzes Nr. 115 aus demJahre 1946 vor dem Hintergrund der sich aus Art. 49 Abs. 1 inVerbindung mit Art. 6 Abs. 1 EUV ergebenden Verpflichtungund was gedenkt die Bundesregierung vor diesem Hinter-grund zu unternehmen?

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Hinsichtlich des so genannten Straffreistellungsgeset-

    zes, Gesetz Nr. 115, gilt fr die Bundesregierung diedeutsch-tschechische Erklrung von 1997, in der dietschechische Seite die im Zusammenhang mit der Ver-treibung stehenden Exzesse, die im Widerspruch zu ele-mentaren humanitren Grundstzen stehen, bedauert.Sie bedauert ebenfalls, dass es aufgrund des GesetzesNr. 115 vom 8. Mai 1946 ermglicht wurde, diese Ex-zesse als nicht widerrechtlich anzusehen, und dass infol-gedessen diese Tter nicht bestraft wurden.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Eine Zusatzfrage.

    Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Herr Prsident! Herr Staatsminister, natrlich kenne

    ich die Erklrung von 1997, in der die Exzesse bedauertwerden. Da ich aber auch wei, dass Herr Spidla, derneue Ministerprsident, gesagt hat, die betreffenden De-krete und das Straffreistellungsgesetz, das Verbrechen anUngarn und Deutschen fr nicht rechtswidrig erklrt,seien gltig und werden weiter gltig sein, frage ich:Was tut die Bundesregierung, um eine nderung zu er-reichen?

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Herr Kollege Marschewski, die jetzige Bundesregie-

    rung das gilt im brigen auch fr alle vorherigen Bun-desregierungen hat die entschdigungslose Enteignungund Ausbrgerung Deutscher aus der ehemaligen Tsche-choslowakei auf der Grundlage der Benes-Dekrete im-mer fr vlkerrechtswidrig gehalten. Die deutscheRechtsauffassung ist der Tschechischen Republik be-kannt. In einer Resolution vom 24. April 2002 erklrtdas tschechische Parlament einstimmig, dass die Benes-Dekrete konsumiert sind und auf ihrer Grundlage heutekeine neuen rechtlichen Verhltnisse mehr entstehen

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3919

    (C)

    (B) (D)

    Staatsminister Hans Martin Bury

    knnen. Auf die Deutsch-Tschechische Erklrung von1997 habe ich bereits in der vorangegangenen Antworthingewiesen.

    Wichtig ist mir Folgendes: Gegenstand dieserDeutsch-Tschechischen Erklrung ist auch die gemein-same Auffassung, dass beide Seiten ihre Beziehungenzukunftsgerichtet weiterentwickeln und nicht mit aus derVergangenheit herrhrenden politischen und rechtlichenFragen belasten wollen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zweite Zusatzfrage, Herr Marschewski.

    Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Herr Staatsminister, sind Sie mit mir einer Meinung,

    dass zukunftsgerichtete Politik auch beinhaltet, sich mitder Vergangenheit auseinander zu setzen? Ich verstehedeshalb nicht, dass Herr Spidla einfach sagen kann, dieseStraffreistellungsgesetze zum Beispiel seien gltig, wr-den weiter gltig sein, mglicherweise mit Konsequen-zen, und ich bitte Sie, etwas dagegen zu unternehmen.

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Herr Kollege Marschewski, ich stimme Ihnen darin

    zu, dass sich zukunftsgerichtete Politik mit der Vergan-genheit auseinander setzen muss. Ganz im Geist derDeutsch-Tschechischen Erklrung will ich Ihnen abersagen, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangen-heit nicht den Blick auf die gemeinsame Zukunft verstel-len darf.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage, Herr Koschyk.

    Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Staatsminister, hat denn die Bundesregierung ge-

    prft, ob dieses Straffreistellungsgesetz, das GesetzNr. 115, noch bis heute Wirkungen entfaltet, und, wennja, ob diese mit Art. 49 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6Abs. 1 des EU-Vertrages in Einklang stehen?

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Herr Kollege Koschyk, auch Ihnen muss ich jetzt mit

    dem Verweis auf das bereits vorher dargestellte Verfah-ren antworten. Auch jenseits dieses Verfahrens liegenuns keine Anhaltspunkte dafr vor, dass die Grundstzein den Lndern, die zum 1. Mai 2004 der EU beitretenwerden, nicht eingehalten wrden.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage, Herr Kollege Rose.

    Dr. Klaus Rose (CDU/CSU): Herr Staatsminister, ist Ihnen die Erklrung des Euro-

    pischen Parlaments bekannt, in der es heit, dass nachdem Beitritt der Tschechischen Republik alle Brger derEuropischen Union auf dem Gebiet des Landes die glei-chen Rechte haben, dass In-absentia-Urteile auer Kraft

    gesetzt werden, dass das Gesetz Nr. 115 vom 8. Mai1946 vom Standpunkt moderner Rechtsstaatlichkeitkeine Existenzberechtigung hat, und wie handeln Sie,wenn Ihnen das bekannt ist?

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Welche Handlungsnotwendigkeit leiten Sie aus der

    von Ihnen zitierten Erklrung ab?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Rckfrage ist keine Antwort!)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Herr Staatsminister, wir fhren keine wechselseitigeBefragung durch. Aufgerufen ist die Fragestunde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Befragung der Ab-geordneten!)

    Da bleibt es Ihnen natrlich vllig unbenommen, zu ent-scheiden, ob berhaupt und, wenn ja, wie Sie eine ge-stellte Frage beantworten wollen.

    Hans Martin Bury, Staatsminister fr Europa: Ich kann nur verweisen auf die Antworten auf die be-

    reits mehrfach angesprochene Kleine Anfrage, die sichmit dem exakt gleichen Sachverhalt und mit den teil-weise wrtlich gleichen Fragen befasst, und auf die zu-vor auf die Fragen der Kollegen gegebenen Antworten.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Weitere Zusatzfragen zu diesem Komplex liegennicht vor.

    Wir kommen damit zum Geschftsbereich des Bun-desministeriums fr Wirtschaft und Arbeit. Zur Beant-wortung steht der Parlamentarische StaatssekretrDr. Staffelt zur Verfgung.

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Herr Prsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich bitte darum, dass ich zu Beginn eine kurzeEinfhrung zu den Fragen 6 bis 11 der AbgeordnetenDr. Pfeiffer, Hochbaum und Dr. Kues voranstellen darf.

    Im Rahmen der so genannten Lnderexamen ist es einbliches Verfahren, dass ein vom OECD-Sekretariat er-stellter Lnderberichtsentwurf nach der Diskussion imLnderprfungsausschuss, in dem alle OECD-Lndervertreten sind, nachtrglichen nderungen unterzogenwird. Diese dienen der sachlichen Richtigstellung vonTatbestnden. nderungen am Berichtsentwurf knnendabei sowohl vom geprften Land selbst als auch vonden brigen im EDRC vertretenen Lndern vorgebrachtwerden. Gegebenenfalls gewnschte Berichtsnderun-gen werden vom OECD-Sekretariat in den Berichtsent-wurf eingearbeitet und abschlieend noch einmal allenLndern zur Einsicht- und Stellungnahme vorgelegt.Auch jetzt sind noch nderungen am Bericht mglich.

    Erst nach Zustimmung aller dort vertretenen Lnderzu dem Berichtsentwurf ist die OECD zur Publikation

    (A)

  • 3920 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Parl. Staatssekretr Dr. Ditmar Staffelt

    autorisiert. Dieses Verfahren lag auch der Erstellung desDeutschlandberichts zugrunde, auf den sich Ihre Fragenbeziehen. Insoweit treffen die in Ihren Fragen geuer-ten Behauptungen, dass Passagen dieses Berichts aufWunsch der Bundesregierung gestrichen oder gendertwurden, nicht zu. Dieser Bericht gibt die Meinung derOECD wieder. Diese entspricht keineswegs immer auchder Auffassung der Bundesregierung.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Ich rufe nun die Frage 6 des AbgeordnetenDr. Joachim Pfeiffer auf:

    Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass neben derSteigerung der Flexibilitt auch grundlegende Schritte zurSenkung der Arbeitskosten erforderlich sind?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Herr Prsident, ich mchte die Fragen 6 und 7 gerngemeinsam beantworten.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Dann rufe ich auch die Frage 7 des AbgeordnetenPfeiffer auf:

    Wenn ja, warum ist diese Passage aus dem Entwurf desWirtschaftsberichts Deutschland Januar 2003 der Organisa-tion fr Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,OECD, auf deutschen Wunsch hin vergleiche Handels-blatt vom 28. Mai 2003 gestrichen worden?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass nebender Steigerung der Flexibilitt auf dem Arbeitsmarktgrundlegende Schritte zur Senkung der Arbeitskostennotwendig sind. Der Deutschlandbericht der OECDweist an mehreren Stellen darauf hin, dass zur Strkungder Wachstumskrfte in Deutschland unter anderemgrundlegende Reformschritte auf dem Arbeitsmarkt not-wendig sind. Dazu gehrt laut OECD vor allem die Er-hhung der Flexibilitt auf dem Arbeitsmarkt.

    Die von der Bundesregierung bereits umgesetzten wieauch die geplanten Strukturreformen Agenda 2010 tragen zu mehr Wachstum und Beschftigung bei. Mitden in der Agenda 2010 vorgesehen Manahmen werdendie Arbeitsmrkte durch strukturelle Reformen flexibili-siert, die Lohnnebenkosten gesenkt und die Anreize zurAufnahme einer regulren Beschftigung verbessert. Dievon der Bundesregierung eingeleiteten Reformschrittewerden von der OECD nachdrcklich begrt.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Da Herr Staffelt beide Fragen zusammen beantwortethat, haben Sie, Herr Pfeiffer, bis zu vier Zusatzfragen.

    Herr Kollege Pfeiffer, bitte schn.

    Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Herr Staatssekretr, Sie haben darauf hingewiesen,

    dass es offensichtlich sachlich unterschiedliche Bewer-

    tungen durch die OECD und die Bundesregierung gebe.Mir liegt ein Auszug aus dem Handelsblatt vor, in demdie OECD-interne Fassung der verffentlichten Fassungder Bundesregierung in einer Synopse gegenbergestelltwird. In der Sache kann ich allerdings weniger inhaltli-che Unterschiede erkennen; man versucht vielmehr, dieentsprechenden Passagen mit Verschleierungslyrikmehr oder weniger weichzusplen, indem man von denPunkten, die hier aufgelistet sind Sie haben einige ge-rade angesprochen , einfach ablenkt. An diesen Stellenhat die Bundesregierung einfach falsch oder gar nichtagiert. Ich kann keinen sachlichen Unterschied feststel-len. Man hat einfach versucht, durch Einfgungen undStreichungen vom eigenen Nichtstun und von falschenWegen abzulenken. Teilen Sie diese Auffassung?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Wie ich Ihren Formulierungen entnehme, nehmen Sieeine streng wissenschaftliche Betrachtung der Politik derBundesregierung vor. Wie ich Krschners Volkshand-buch entnommen habe, sind Sie Diplomkaufmann. Da-her kennen wahrscheinlich auch Sie das Institut des Wirt-schaftsprfers. Jedenfalls meine persnliche Erfahrungist, dass es, nachdem ein Unternehmen seine Bcher unddamit auch seine inhaltlichen Projekte hat prfen lassen,keine einzige Begegnung mit Wirtschaftsprfern gab, indenen es nicht auch unterschiedliche Auffassungen undKontroversen gegeben hat, die errtert werden musstenund die dann zu einem letztendlich vernnftigen, ge-meinsam getragenen Bericht gefhrt haben.

    Ich fge an dieser Stelle ausdrcklich hinzu: Die Ge-legenheit zur Stellungnahme hatten in diesem Fall nichtnur die Bundesrepublik Deutschland, sondern alle ande-ren Regierungen der OECD-Lnder. Um einmal aus demNhkstchen zu plaudern: Beispielsweise vertraten dieVereinigten Staaten von Amerika oder Belgien unter-schiedliche Auffassungen bei der Interpretation des ers-ten Berichts aus dem Lnderreferat Deutschland.

    Es ist doch ganz selbstverstndlich: Die deutscheBundesregierung ist mit einer ganzen Delegation zurOECD gefahren.

    (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das kann ich mir gut vorstellen!)

    Ich glaube, dass sie damit ganz in der Kontinuitt allerBundesregierungen steht. Als Sie noch regierten, hatman vielleicht gar nicht gemerkt, dass die OECD etwasgemacht hat, da man herumgeschnarcht hat.

    Wir jedenfalls haben uns mit den Fragestellungen imEinzelnen auseinander gesetzt. Ich will Ihnen ein Bei-spiel nennen: die Bewertung der besonderen Lasten, diedie Bundesrepublik Deutschland durch die Vereinigungzu tragen hat. Dieses Thema wird in internationalen Gre-mien sicherlich anders bewertet als bei uns. Ich will Ih-nen an diesem Punkte nur noch einmal deutlich machen:Hierbei hat niemand versucht, zu tricksen; vielmehr sindunterschiedliche Standpunkte ausgetauscht worden. Esbleibt der OECD die Mglichkeit, den aus ihrer Sichtrichtigen und zutreffenden Bericht zur Beschreibung der

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3921

    (A) (C)

    (B) (D)

    Parl. Staatssekretr Dr. Ditmar Staffelt

    konomischen Lage in Deutschland dann zu verffentli-chen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage.

    Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Da auch Sie gerade ein Beispiel genannt haben, darf

    ich noch einmal zitieren, was die OECD in Bezug aufdie neuen Bundeslnder zu berichten vorschlgt:

    Das Wachstum in den neuen Bundeslndern sta-gniert derzeit auf niedrigem Niveau und die wirt-schaftliche Konvergenz mit den alten Bundesln-dern ist zum Stillstand gekommen.

    Da wir damit jetzt in eine wissenschaftliche Diskussioneingestiegen sind, sollten wir den Diskurs durchaus wei-ter pflegen; denn Sie haben daraus gemacht:

    Das gesamtwirtschaftliche Wachstum in den neuenBundeslndern stagniert derzeit auf niedrigem Ni-veau, und die wirtschaftliche Konvergenz mit denalten Bundeslndern

    jetzt kommt der Hhenflug

    ist trotz einiger Hochwachstumsnischen im Indus-triesektor zum Stillstand gekommen.

    (Ute Kumpf [SPD]: Das stimmt ja auch! Was ist mit Leipzig und Dresden?)

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich meine, das trifft wirklich zu. Mehr kann ich zudem Thema nicht sagen. Schauen Sie sich einmal ganzbestimmte Industriezweige in Ostdeutschland an: Dieleisten nicht nur Hervorragendes, sondern die sind inter-national vernetzt und behaupten sich im internationalenWettbewerb. Gleichzeitig haben wir das muss man ein-fach sehen ein paar Kilometer weiter groe Problememit der Arbeitslosigkeit. Das bestreitet niemand, viel-mehr beschreibt das die Lage richtig.

    Eine nur negative Beschreibung der Verhltnisse inOstdeutschland wre schlicht und einfach undifferen-ziert. Wir alle zusammen mssen Wert darauf legen, dasswir nicht all das nur negativ beschreiben, was brigensdie alte Bundesregierung und auch diese Bundesregie-rung in den letzten zwlf Jahren in Ostdeutschland zu-wege gebracht haben.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Dritte Zusatzfrage.

    Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Teilt der Herr Staatssekretr die Auffassung, dass

    solche Lyrik, die durchaus in manchen Bereichen posi-tive Zeichen zum Ausdruck bringen kann, vielleichtauch dazu fhren kann, dass die Wahrnehmung der Be-vlkerung oder mageblicher Krfte in Deutschland ge-trbt wird? Ein Beispiel dafr ist ja jetzt der Streik fr

    die 35-Stunden-Woche in den neuen Bundeslndern.Demzufolge htten wir nicht nur ein Umsetzungs-, son-dern auch ein Erkenntnisproblem. Verhindert dasWeichsplen des Berichts durch die Bundesregierungnicht eine weitere Erkenntnissteigerung in diesen Berei-chen?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Das glaube ich nicht. Mir ist nicht bekannt, dass dieIG Metall bzw. der dortige Arbeitgeberverband, nach-dem sie sich im Rahmen ihrer Tarifgesprche nicht ha-ben einigen knnen, einen Blick in den OECD-Entwurfgeworfen htten. Vielmehr glaube ich eher, dass fr de-ren Verhalten andere Grnde vorliegen. Bezglich diesesStreiks kann man sicherlich zu Recht sehr unterschiedli-cher Auffassung sein. Aber diese Dinge jetzt miteinan-der in Verbindung zu setzen, halte ich fr ziemlich weithergeholt. Ich bin der festen berzeugung, dass es sogarrichtig ist, wenn man auch auf die Projekte in Ost-deutschland hinweist, die erfolgreich sind. Das hat aucheine motivierende Wirkung.

    Dass wir Strukturreformen bentigen, das bezweifeltja niemand; wir gehen sie ja im Moment an. Genau des-halb ist es, wie ich meine, richtig, wenn die Bundesre-gierung bei internationalen Institutionen von ihremRecht Gebrauch macht, ein ihrer Ansicht nach schief ge-ratenes Bild ein Stckchen zurechtzurcken. Das ist so-gar ihre Pflicht.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Letzte Zusatzfrage? Keine. Weitere Zusatzfragenhierzu gibt es nicht.

    Dann rufe ich die Frage 8 des AbgeordnetenHochbaum auf:

    Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in Deutsch-land seit zwei Jahren eine dauernde Beinahe-Stagnationherrscht?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Wenn ich darf, mchte ich die Fragen 8 und 9 ge-meinsam beantworten.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Dann rufe ich auch die Frage 9 des AbgeordnetenHochbaum auf:

    Wenn ja, warum ist diese Passage aus dem Entwurf desWirtschaftsberichts Deutschland Januar 2003 der OECD aufdeutschen Wunsch hin vergleiche Handelsblatt vom28. Mai 2003 gestrichen worden?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Die Bundesregierung bestreitet nicht, dass dasWachstum in Deutschland unterdurchschnittlich ist. Sieverweist aber darauf, dass dies bereits seit Mitte der90er-Jahre der Fall ist. Dies kommt jetzt im OECD-Wirtschaftsbericht zum Ausdruck. Der Grund fr die

  • 3922 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Parl. Staatssekretr Dr. Ditmar Staffelt

    Korrektur an dem ursprnglichen OECD-Text hat einensachlich-logischen Grund: Die Beinahe-Stagnation inden letzten zwei Jahren ist vornehmlich wie die welt-weite Wachstumsschwche, die auch die EU erfasst hat,auf konjunkturelle Entwicklungen zurckzufhren, diein Deutschland durch die Rezession im Bausektor nochverschrft wurden.

    Wenn die Starrheiten am Arbeitsmarkt Ursache frdie Wachstumsschwche sein sollen, dann haben sie be-reits in den 90er-Jahren und nicht erst in den letzten bei-den Jahren das Wachstum gedmpft; denn die Starrhei-ten am Arbeitsmarkt existieren in Deutschland seitgeraumer Zeit. Sie haben zumindest in den vergangenenzwei Jahren insgesamt nicht zugenommen. Auerdemsind sie auch das ist Ergebnis von Untersuchungen derOECD, des IWF und von Forschungsinstituten wie bei-spielsweise des IfW Kiel keineswegs grer als in an-deren groen europischen Staaten, insbesondere inFrankreich und Italien. Im brigen sorgen die derzeiti-gen Manahmen und Plne der Bundesregierung im Be-reich der Arbeitsmarktpolitik fr einen greren Abbauvon Rigiditten, als er bis 1998 je von den Vorgngerre-gierungen in Angriff genommen worden ist.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage, Herr Kollege Hochbaum.

    Robert Hochbaum (CDU/CSU): Herr Staatssekretr, Sie haben eben erwhnt, dass wir

    eine unterdurchschnittlich wachsende Volkswirtschafthaben. Welcher sachliche Hintergrund ist verantwortlichdafr, dass es zur Streichung dieser Einschtzung, dieSie selber gerade besttigt haben, kam, sodass diese inder verffentlichten Fassung nicht mehr zu lesen ist?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich will an dieser Stelle noch einmal eine Einscht-zung abgeben. Wir haben niemals die Ansicht korrigiert,dass es nachdrckliche Vernderungen im Bereich desArbeitsmarktes geben muss. Dem entspricht auch unserePolitik. Wir sind aber dagegen, mit Begriffen wie Sta-gnation und Deflation zu arbeiten. Wir sind der Auffas-sung, dass zur Kenntnis genommen werden muss, dasswir, sowohl was die Anregung der Konjunktur als auchwas die Vernderung der Strukturen angeht, auf demrichtigen Wege sind. Dies wollten wir mit unserer Inter-vention gegenber den OECD-Verantwortlichen deutlichmachen.

    (Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Die Erde ist eine Scheibe!)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Weitere Zusatzfrage? Nein.

    Dann rufe ich Frage 10 des AbgeordnetenDr. Hermann Kues auf:

    Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Arbeits-losigkeit in Deutschland einen hohen strukturellen Anteil auf-weist?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Wenn ich darf, beantworte ich die Fragen 10 und 11gemeinsam, Herr Prsident.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Dann rufe ich auch Frage 11 auf:Wenn ja, warum ist diese Passage aus dem Entwurf des

    Wirtschaftsberichts Deutschland Januar 2003 der OECD aufdeutschen Wunsch hin vergleiche Handelsblatt vom28. Mai 2003 gestrichen worden?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die der-zeit in Deutschland herrschende Arbeitslosigkeit nebenkonjunkturellen Faktoren auch auf strukturelle Ursachenzurckzufhren ist. Die empirische Ermittlung der struk-turellen Arbeitslosigkeit ist in der Wissenschaft aus me-thodischen Grnden uerst umstritten. Aus diesemGrund fhrt die Bundesregierung auch keine entspre-chenden Schtzungen durch. Dieser Standpunkt wurdeauch gegenber der OECD vertreten.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage.

    Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Herr Staatssekretr, wir sind uns darber einig, dass

    eine wichtige Voraussetzung fr gezielte politische Vor-schlge ist, dass man nchtern analysiert. Das ist quasieine zwingende Voraussetzung; ansonsten kommt manpltzlich zu Vorschlgen, bei denen man sich wundert,dass das Ergebnis, das man damit verbindet, nicht ein-tritt. Wenn man etwa die Diskussion um die Agenda2010 in den letzten Wochen verfolgt hat, stellt man fest,dass ber alles Mgliche diskutiert wird, aber nicht mehrber den eigentlichen Gegenstand, der damit verbundenist.

    Deswegen frage ich Sie, ob es nicht vielleicht ein ge-nerelles Problem ist, dass die Bundesregierung dazuneigt, sachverstndige Bewertung von auen infrage zustellen und zurckzuhalten. Ich erinnere Sie daran, dassMinister Clement im Oktober 2002 sogar allen Wirt-schaftsforschungsinstituten ffentlich die Kompetenzabgesprochen hat, weil sie im Herbstgutachten etwas ge-sagt haben, was ihm nicht ins Konzept passte. Sie habennmlich Zweifel an der Wirksamkeit des Hartz-Konzep-tes geuert. Jetzt wei keiner mehr genau, was mitHartz-Konzept gemeint ist. Ich erwhne das deswegen,weil wir heute Morgen ber die Auswirkung der Perso-nal-Service-Agenturen diskutiert haben. Herr Clementhat damals gesagt: Ich bin mir nicht sicher, dass die Gut-achter wissen, worber sie genau reden. Das war imOktober 2002. Dann ist berichtet worden, dass es auchetwa zwischen der Regierung und dem InternationalenWhrungsfonds zu einer Diskussion gekommen ist, weilder Fonds in einer Studie vor den Gefahren einer Defla-tion in Deutschland gewarnt hatte. Herr Eichel hat sichseinerzeit dazu geuert.

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3923

    (A) (C)

    (B) (D)

    Dr. Hermann Kues

    Ich knnte Ihnen viele andere Beispiele dafr zitieren,dass von auen, von der EU-Kommission, von OECD-Kommissionen oder Sachverstndigen, kritische Anmer-kungen gemacht worden sind und Sie entsprechend re-agiert haben. Knnte es daher sein, dass die Bundesre-gierung ein strukturelles Problem bei der Wahrnehmunghat?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Das kann ich selbstverstndlich nicht besttigen. Ichwill in diesem Zusammenhang vielmehr darauf hinwei-sen, dass wir wissenschaftliche Arbeiten und insbeson-dere auch die Aussagen der wirtschaftswissenschaftli-chen Institute sehr ernst nehmen.

    Wenn Sie sich einmal anschauen, was uns in den letz-ten drei Jahren an Einschtzungen und Prognosen berdie Entwicklung der Konjunktur und ber das Wachstumgeliefert wurde, dann mssen Sie mir konzedieren, dasswir zumindest die Verpflichtung haben, das, was an Zah-len geliefert wird, kritisch zu hinterfragen. Genau daswar die Absicht von Herrn Clement.

    Ich muss Ihnen ganz offen gestehen, dass ich im Ge-gensatz zu Ihnen sehr wohl wei, was Hartz bedeutet.Die Umsetzung dieses Konzepts war ein groer Reform-schritt. Dieses Konzept werden wir mit Hartz III und IVin den nchsten Wochen und Monaten weiterentwickeln.

    (Dirk Niebel [FDP]: Das Bernsteinzimmer istdoch wieder erffnet! Das muss doch reichen!Aus dem Hartz wird sowieso kein Bernstein-zimmer! Gegenruf des Abg. Ren Rspel[SPD]: Das war jetzt ein starker Witz!)

    Ich mchte an dieser Stelle noch einmal darauf hin-weisen, dass wir sehr wohl den wissenschaftlichen Raternst nehmen, uns aber auch erlauben, ihn kritisch zuhinterfragen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zweite Zusatzfrage.

    Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Eine kurze Bemerkung zu Ihrer Antwort: Es ist ja so,

    dass Herr Hartz es total ablehnt dazu gibt es eindeutigeuerungen von ihm , dass dieses Konzept mit seinemNamen verbunden wird.

    Nun zu meiner Frage. Nach meinen Informationenwird in OECD-Kreisen gesagt, Vernderungen an Be-richten habe es immer gegeben, aber noch nie in demAusma, wie das derzeit der Fall sei.

    Ich will einmal Bert Rrup zitieren, der bei Ihnen inden unterschiedlichsten Funktionen ttig ist und der hu-fig Erklrungen abgibt. Zu dem deutschen Redigiereifersagt er Folgendes:

    Kritik aus internationalen Organisationen ist freine Regierung besonders schmerzhaft.

    Er sagt weiter, dass es bei nationalen Kritikern leichtersei, diese als interessengeleitet abzutun. Wie beurteilenSie diese Aussage von Herrn Rrup?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich finde die Aussagen von Herrn Rrup grundstz-lich interessant und hre sie mir an. Sie werden mir abersicherlich an dieser Stelle nachsehen, wenn ich michnicht jeder seiner uerungen anschliee.

    In dem Zusammenhang sei noch eines gesagt: Frmich sind die internationalen Institutionen wie beispiels-weise die OECD und der IWF wichtige Einrichtungen,die ihren Zweck auf internationaler Ebene erfllen. Abernicht umsonst verfgen sie ber Lnderreferate undnicht umsonst bedarf es eines eingehenden Dialogeszwischen den Lndern, die untersucht und beurteilt wer-den, und diesen Institutionen.

    Sie wissen, dass auch in unseren Gesprchen unter-schiedliche Auffassungen, unterschiedliche wissen-schaftliche Methoden und wissenschaftliche Lehren zumAusdruck kommen. Das ist doch ganz normal. Ebensonormal finde ich es, wenn es einen Diskurs mit interna-tionalen Organisationen ber strittige Punkte gibt. Eineaktive Bundesregierung wird sich in einen solchen Dis-kurs selbstverstndlich einschalten.

    Ich hatte das Vergngen, vor einigen Monaten in denUSA zu sein, als der IWF-Bericht vorbereitet wurde. Zudiesem Zeitpunkt gab es die Regierungserklrung desBundeskanzlers zur Agenda 2010. Diese hat auf den Be-richt des IWF zu Deutschland einen ganz erheblichen,positiven Einfluss ausgebt. Sie sehen, es gibt eine Dy-namik. Wir schalten uns aktiv in die Diskussion ein.

    Im brigen muss man unseren Standpunkt nicht tei-len.

    (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie regie-ren nur leider!)

    Dass man das aber zumindest partiell getan hat,spricht wohl dafr, dass auch von der Sache her an denArgumenten etwas drangewesen sein muss.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Weitere Zusatzfrage.

    Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Wie passt dazu die Rede des Bundeskanzlers, die er

    anlsslich der 40-Jahr-Feier des Sachverstndigenratesam 6. Mai, also nach Bekanntgabe der Agenda 2010, ge-halten hat? Er hat gesagt:

    Wir brauchen gerade in Zeiten, in denen es schwie-riger wird, wirtschafts- und finanzpolitische Ma-nahmen durchzusetzen,

    das stimmt

    eher mehr Beratung durch unabhngige Gremienals weniger.

    Er sagt weiter:

  • 3924 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Dr. Hermann Kues

    Beratung durch kompetente Dritte ist fr jeden han-delnden Politiker eine wertvolle Untersttzung. Dasgilt auch dann, wenn einem die Gutachten nicht inden Kram passen.

    Wie passt das zu Ihrer Stellungnahme?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich finde, das ist wieder einmal eine der richtungswei-senden uerungen des Bundeskanzlers. Er hat das vl-lig richtig beschrieben. Fast alle von Ihnen sind wissen-schaftlich geschult. Sie wissen doch, wie das geht daslernt man doch an den Universitten : Die ProfessorenA, B, C und D vertreten unterschiedliche Standpunkte,haben unterschiedliche Sichtweisen, kommen aus ande-ren Wissenschaftsschulen. Auseinander setzen darf mansich. Dass es das gibt, ist wichtig. Dass man sich damitauseinander setzt, ist wichtig. Aber man muss sich nichtjedem Professor anschlieen, der irgendetwas zur ko-nomie in Deutschland, in Europa oder in der Welt sagt.Darin sollten wir eigentlich bereinstimmen. Das knnteauch Ihnen irgendwann einmal wieder passieren.

    (Dirk Niebel [FDP]: Hoffentlich!)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Eine letzte Zusatzfrage? Keine mehr.

    Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

    Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Staatssekretr, wenn wir uns im Hinblick auf die

    Bundesregierung das wissenschaftliche Prinzip von Trialund Error vor Augen fhren, dann kommen wir zu demErgebnis: Es gibt wenig Trial, aber ziemlich viel Error.Wir haben erleben drfen, dass der Bundesfinanzminis-ter fr 2004 angekndigt hat, einen nahezu ausgegliche-nen Haushalt vorzulegen. Jetzt hat der Bundeskanzleram Rande des G-8-Gipfels in Evian erklrt, man werdewahrscheinlich auch im Jahre 2004 die Maastricht-Krite-rien verletzen.

    Ich habe dazu zwei Fragen. Die erste Frage ist: Mei-nen Sie nicht, dass wir in der Haushaltspolitik weiter w-ren, wenn die Bundesregierung den Analysen der OECDfolgen und nicht versuchen wrde, sie umzuinterpretie-ren? Meine zweite Frage ist: Ist es nicht auch Ihre An-sicht, dass der Deutsche Bundestag fr eine solche Mit-teilung das richtige Gremium gewesen wre?

    (Ute Kumpf [SPD]: Eigentlich hat er nur eine Frage!)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Da gerade zwei Fragen gemeinsam beantwortet wor-den sind, besteht zu jeder dieser beiden Fragen die Mg-lichkeit einer Zusatzfrage.

    (Ute Kumpf [SPD]: Dann sind wir aber gro-zgig!)

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich denke, dass es sich der Bundeskanzler nicht neh-men lassen wird, diese Position im Zweifel auch hier imDeutschen Bundestag mit allen Mitgliedern des Deut-schen Bundestages zu errtern. Der Gipfel in Evian warnatrlich ein besonderes Ereignis, auf dem dazu Stellunggenommen werden musste. Denn ich bin ganz sicher,dass die Regierungschefs genau ber diese Frage gespro-chen haben.

    Wir wissen ja, dass es in Bezug auf die Maastricht-Kriterien zusammen mit den Franzosen, den Briten undanderen Europern berlegungen gibt, in dieser beson-deren Situation, in der nicht nur wir Deutsche uns, son-dern sich auch die anderen Europer befinden, ein Stckmehr Spielraum zu schaffen, damit wir der Konjunkturentsprechende Impulse geben knnen. Dies haben wirim brigen hier im Hause schon mehrfach errtert.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage, Frau Kollegin Kopp.

    Gudrun Kopp (FDP): Herr Staatssekretr Staffelt, es ist unbestritten in die-

    sem Hause, dass es mglich sein muss und gewnschtist, sich mit Gutachten und wissenschaftlichen Ausarbei-tungen auseinander zu setzen; das ist keine Frage. Pro-gnosen, auch Prognosen der Bundesregierung, muss manin der Tat genauso kritisch hinterfragen.

    Insofern stelle ich jetzt an Sie, Herr Staatssekretr,eine Frage, was die Wachstumsprognosen fr das lau-fende Jahr in Bezug auf unsere Wirtschaft betrifft. Wirhaben immer wieder Korrekturen erlebt. Die letzte Kor-rektur, die die Bundesregierung vorgenommen hat, be-traf die nderung der Prognose des Wirtschaftswachs-tums von 1 auf 0,75 Prozent. Ihnen ist sicher bekannt,dass in der Wirtschaftsfachwelt leider damit gerechnetwird, dass unser Wirtschaftswachstum im laufenden Jahrwahrscheinlich nur noch 0,4 bis 0,5 Prozent betragenwird. Wie lautet die aktuelle Wachstumsprognose derBundesregierung?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich kenne keine neue Wachstumsprognose der Bun-desregierung ber das hinaus, was Sie bereits angefhrthaben.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Fritz auf:Wann wird die Bundesregierung von ihr selbst als berle-

    genswert erachtete gesetzliche Manahmen ergreifen Handelsblatt vom 28. Mai 2003 , die es ermglichen, vonkollektiven Tarifvertrgen abzuweichen?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Herr Prsident, Herr Kollege Fritz, ich darf die Fra-gen 12 und 13 wieder zusammen beantworten?

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3925

    (A) (C)

    (B) (D)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Dann rufe ich auch die Frage 13 des Kollegen Fritzauf:

    Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierungin diesem Zusammenhang?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Wie Sie wissen, setzt sich die Bundesregierung dafrein, fr Rahmenbedingungen zu sorgen, die die Wettbe-werbsfhigkeit der deutschen Unternehmen und damitihren Erfolg auf dem Weltmarkt strken. Nur so kann esgelingen, neue und zustzliche Impulse zur Sicherungund zum Aufbau von Arbeitspltzen zu geben.

    In diesem Zusammenhang halte ich es fr wichtig, imRahmen der Flchentarifvertrge gengend Freirumezu schaffen, um auf betriebsspezifische Problemlagenreagieren zu knnen und Unterschieden in der Qualifika-tion der Beschftigten Rechnung zu tragen. Zur flexiblenAnpassung der Tarifvertrge an die Bedrfnisse der Be-triebe und der Arbeitnehmer sind in den letzten Jahrenvermehrt ffnungsklauseln, Hrtefallregelungen und an-dere Differenzierungsbestimmungen in die Tarifver-trge aufgenommen worden. Sie ermglichen den be-trieblichen Akteuren unter bestimmten Bedingungenbeim Einkommen und bei der Arbeitszeit von normier-ten Standards der Flchentarifvertrge abzuweichen undbetriebsspezifische Regelungen zu vereinbaren, insbe-sondere zur Sicherung von Arbeitspltzen.

    Diese Mglichkeiten der verstrkten Flexibilitt in-nerhalb des bestehenden Tarifvertragssystems sind nachAnsicht der Bundesregierung der richtige Ansatz, dieVorteile des Flchentarifvertrages fr Arbeitnehmer undArbeitgeber mit der notwendigen Flexibilitt auf betrieb-licher Ebene zu verbinden. Die Tarifvertragsparteien ste-hen gemeinsam in der Verantwortung, die Flexibilitts-mglichkeiten im Tarifgefge weiterzuentwickeln.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Ihre erste Zusatzfrage, Herr Kollege Fritz.

    Erich G. Fritz (CDU/CSU): Herr Staatssekretr, der OECD-Bericht enthlt einen

    deutlichen Hinweis auf die Notwendigkeit, dass dieMglichkeiten, von kollektiven Tarifvertrgen zuguns-ten von Vereinbarungen zwischen den Beschftigten unddem Management eines Unternehmens abzuweichen,verbessert werden mssen. Die Bundesregierung hat inder verffentlichten Fassung in diesem Zusammenhangdie Formulierung berlegenswert benutzt. Deshalbfrage ich Sie noch einmal Sie haben das noch nicht be-antwortet : Wann werden diese berlegungen in kon-krete Gesetzesvorlagen berfhrt?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich darf darauf hinweisen, dass in Deutschland nochimmer die Tarifautonomie gilt und die Arbeitgeber- undArbeitnehmervertretungen die Tarife selbstverstndlich

    aushandeln. Herr Kollege Fritz, ich mchte darauf ver-weisen, dass wir bei nherem Hinschauen konzedierenmssen, dass die in bestehenden Tarifvertrgen existie-renden Mglichkeiten auch das ist ein Teil der Wahr-heit bei weitem nicht ausgeschpft sind. Wir stimmenin der Auffassung berein, dass darber hinaus das sto-en wir an manches zu tun ist. Die Tarifpartner solltenaber noch strker dafr Sorge tragen, dass die Mglich-keiten betrieblicher Regelungen im Rahmen existieren-der Tarifvertrge dort, wo es angebracht und notwendigist, ausgeschpft werden.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zweite Zusatzfrage.

    Erich G. Fritz (CDU/CSU): Herr Staatssekretr, die Formulierung, die Sie der

    OECD bermittelt haben, lautet:

    berlegenswert wre eine Erweiterung des Spiel-raums fr die Lohnfestsetzung auf betrieblicherEbene, um so eine bessere Anpassung der Tarifver-trge an die Arbeitsmarktbedingungen zu erreichen.

    Jetzt sagen Sie hier, das sei Sache der Tarifpartner. Wa-rum haben Sie dann auf den deutlichen Rat der OECD,die Gesetzgebung in diesem Zusammenhang zu ndern,mit einem entsprechenden nderungsvorschlag reagiert?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich gehe fest davon aus das sage ich ausdrcklich ,dass die Tarifpartner in Fortsetzung der sehr erfolgrei-chen Tradition der Bundesrepublik Deutschland ein ho-hes Ma an Verantwortung an den Tag legen mssen.Das sollte nicht in erster Linie per Gesetz geregelt wer-den. Ich bin der Auffassung, dass wir die besondere Ver-antwortung der Tarifpartner in vollem Umfang einfor-dern sollten.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Es gibt keine weiteren Zusatzfragen.

    Ich rufe die Frage 14 des Kollegen Niebel auf:Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass gemeinntzig

    wirkende und nicht auf Gewinn ausgerichtete Unternehmennicht als Personal-Service-Agenturen ttig werden knnenund Bewerbungen deshalb abgelehnt werden mssen?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Jeder, der eine Personal-Service-Agentur betreibenwill, muss im Besitz einer Verleiherlaubnis nach demArbeitnehmerberlassungsgesetz sein. Dies gilt auch frgemeinntzige Einrichtungen. Nach den Vorstellungender Hartz-Kommission, auf die das neue arbeitsmarktpo-litische Instrument der Personal-Service-Agenturen zu-rckgeht, sollen diese durch den Verleih der Leiharbeit-nehmer Einnahmen erzielen, also gewerbsmig ttigwerden.

  • 3926 Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003

    (A) (C)

    (B) (D)

    Parl. Staatssekretr Dr. Ditmar Staffelt

    Gemeinntzige Trger, die bislang als nicht gewerbs-mige Verleiher aufgetreten sind und deshalb keineVerleiherlaubnis bentigten, knnen dies weiterhin tun,jedoch nicht als Personal-Service-Agenturen. Wollen siesich an den Ausschreibungen fr eine Personal-Service-Agentur beteiligen, so mssen sie hierfr Ausgrndun-gen vornehmen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage?

    Dirk Niebel (FDP): Herr Staatssekretr, Sie stimmen mir wahrscheinlich

    zu, dass sehr viele gemeinntzige, meist auch kommu-nale Beschftigungsgesellschaften gute Erfolge mit derVermittlung gerade besonders schwieriger Personengrup-pen haben. Dann wrde es doch eigentlich auch Sinn ma-chen, wenn solche Gesellschaften als Personal-Service-Agenturen dieses neue Segment der Arbeitsmarktpolitikmit bernehmen knnten, ohne dass sie pltzlich von ih-rer Gemeinntzigkeit hin zur Gewerbsmigkeit abdrif-ten mssten. Wrden Sie es nicht fr sinnvoll erachten im Hinblick auf die Beitragszahlerinnen und Beitrags-zahler und vor dem Hintergrund, dass die Personal-Ser-vice-Agenturen pro Fall einen Zuschuss bekommen, dernatrlich, wenn man nicht auf Gewinn ausgerichtet arbei-tet, niedriger sein kann, als wenn man Gewinn machenmuss , gemeinntzigen Beschftigungsgesellschaftendie Teilnahme am Wettbewerb der Ausschreibungen frPersonal-Service-Agenturen zu ermglichen?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Sehr geehrter Herr Kollege Niebel, ich darf auf unsereDiskussion von vor einer Stunde oder vor zwei Stundenim Ausschuss fr Wirtschaft und Arbeit verweisen. Dahaben Sie ein Beispiel angefhrt, das deutlich gemachthat, wie schwierig es in diesem Felde mit dem Wettbe-werb ist. Es ist ja ganz selbstverstndlich: Wenn Sie eingemeinntziges Unternehmen als PSA beauftragen undarbeiten lassen, das sozusagen gar nicht gewinnorientiertarbeiten muss, fhren Sie damit eine noch grereSchieflage gegenber den privaten Zeitarbeitsfirmenherbei. Deshalb kann ich nur noch einmal sagen: Wirglauben, dass es denkbar ist, mit Ausgrndungen zu ar-beiten. Wir wollen ganz bewusst die Beauftragung vonprivaten Unternehmen durch die Arbeitsmter auf derGrundlage der freiwilligen Bildung eines spezifischenHonorars. Ob dann Probleme rechtlicher Art bei derAusgrndung entstehen, sodass insgesamt die Gemein-ntzigkeit infrage gestellt wre, ist eine Frage, die wirnatrlich nicht beantworten knnen; diese Frage mussletztlich von den Finanzmtern beantwortet werden.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zweite Zusatzfrage.

    Dirk Niebel (FDP): Sie stimmen mir offenkundig darin zu, dass die Ge-

    fahr der Aberkennung der Gemeinntzigkeit bei einer

    Ausgrndung natrlich besteht. Stimmen Sie mir tat-schlich dahin gehend nicht zu, dass, wenn eine gemein-ntzige Personal-Service-Agentur die Vermittlung ber-nehmen wrde, die Zuschsse der Bundesanstalt andiese Personal-Service-Agentur geringer sein knntenals bei einer gewerbsmigen Arbeitnehmerverleih-firma?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Herr Kollege Niebel, ich bin jetzt etwas berrascht.

    Dirk Niebel (FDP): Darf ich es anders formulieren?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    blicherweise kommt aus den hiesigen Reihen, die sonahe an der Regierung, aber nicht in der Regierung sind,immer der Hinweis darauf, dass alles, was ffentlich ist,vom Grunde her eigentlich teurer und ineffizient ist.

    Dirk Niebel (FDP): Es gibt private gemeinntzige Gesellschaften!

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Auch diese gibt es. Dennoch: Sie haben den Hauchdes ffentlichen, whrend die Privaten das sehr viel bes-ser knnen.

    Ich finde, das ist keine Frage, in der man sich poli-tisch streiten muss. Das Beste, was hier machbar ist undder Sache dient, soll auch zum Zuge kommen. Vor demHintergrund allerdings ist die jetzige Rechtslage dazuhabe ich Ihnen eben Auskunft gegeben , dass gemein-ntzige Einrichtungen dieser Art solche Auftrge nichtin der Form bernehmen knnen.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Werner Lensingauf:

    Soll durch die gezielte Besetzung einer fachkundigenStelle im Zusammenhang mit der Ausgabe von Bildungsgut-scheinen eine Substitution anstelle eines Bundesrahmengeset-zes fr Weiterbildung geschaffen werden?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Die fachkundigen Stellen sollen knftig im Bereichder nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gefrder-ten Weiterbildung Trger und Manahmen zertifizieren.Substituiert wird nach Implementierung des Verfahrensdie derzeitige Anerkennung von Weiterbildungstrgernund -manahmen fr die Weiterbildungsfrderung durchdie Arbeitsmter. Diese Zulassung wird Voraussetzungdafr sein, dass die Teilnahme an solchen Weiterbil-dungsangeboten mit Leistungen der Bundesanstalt frArbeit gefrdert werden kann. Das Verfahren soll sichnach einer noch zu erlassenden Rechtsverordnung nach

  • Deutscher Bundestag 15. Wahlperiode 47. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 4. Juni 2003 3927

    (A) (C)

    (B) (D)

    Parl. Staatssekretr Dr. Ditmar Staffelt

    dem SGB III richten und gilt dementsprechend auch nurfr die Weiterbildungsfrderung nach dem SGB III.

    Herr Prsident, das war jetzt die Antwort aufFrage 15. Die Antwort auf Frage 16 erfolgt extra.

    (Werner Lensing [CDU/CSU]: Darauf freue ich mich!)

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Herr Kollege Lensing, dann knnen Sie Ihrer Freudein Form einer Zusatzfrage Ausdruck verleihen.

    Werner Lensing (CDU/CSU): Herr Prsident, meine Freude wre besonders gro,

    wenn ich zwei Zwischenfragen stellen drfte.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Ja, aber bitte der Reihe nach.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Werner Lensing (CDU/CSU): Wir wollen das Auffassungsvermgen der Regierung

    auch nicht berstrapazieren.

    Herr Staatssekretr, mit der Schaffung der fachkun-digen Stelle erhofft man sich einen Einfluss auf denWeiterbildungsmarkt. Daher frage ich Sie: Wer wird ei-gentlich die fachkundige Stelle berwachen, um Miss-brauch bei der Zertifizierung zu verhindern?

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich gehe davon aus, dass Missbrauch dadurch verhin-dert wird, dass sich die entsprechenden Arbeitsmter ge-nau anschauen, wer beauftragt wird und wie die Beauf-tragung im Einzelnen ablaufen wird. Darber wird esErfahrungsberichte und dementsprechend eine Fortset-zung der Beauftragung oder gegebenenfalls Korrekturengeben.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zweite Zusatzfrage.

    Werner Lensing (CDU/CSU): Ich habe im Vorfeld gehrt, dass man sich darum be-

    mht, dass diese fachkundige Stelle, die insgesamt et-was unklar definiert ist, kostenneutral arbeitet. Ich kannmir das aber nicht vorstellen. Daher ergibt sich fr michdie Frage, ob die entstehenden Kosten auf die Weiterbil-dungstrger abgewlzt werden sollen oder ob man aufandere vorhandene Strukturen zurckgreifen mchte.

    Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretr beim Bun-desminister fr Wirtschaft und Arbeit:

    Ich gehe davon aus, dass man im Zuge der Umstruk-turierung der Bundesanstalt fr Arbeit und der entspre-chenden Arbeitsmter auf andere vorhandene Strukturen

    zurckgreifen und dann aus diesem Gesamtpool die ent-sprechende Kompetenz herausziehen wird.

    Vizeprsident Dr. Norbert Lammert:

    Zusatzfrage, Herr Kollege Schummer.

    Uwe Schummer (CDU/CSU):

    Warum wurden bei der Ausgabe von Bildungsgut-scheinen angesichts der schlechten Erfahrungen mit derAusgabe von Gutscheinen fr eine Arbeitsvermittlung es sind wohl nur etwa 5 Prozent berhaupt eingelstworden nicht zuvor Testlufe in ausgewhlten Arbeits-amtsbereichen durchgefhrt?

    Dr. Ditmar Staff