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Diagnose dev Hundswuth. 143 Diagnose der Hundswuth (Anezug von Vigla am der Arbeit Bouley’s.) Die bei dem Menschen einmal zum Ausbruch gekom- mene Wuth lasst ungliicklicher Weise keine Hoffiung auf Heilung. Das beste Praservativ ist die Kenntniss der Charaktere- dieser Krankheit bei dem Hunde, der gewiihnlichen Quelle der Uebertragung auf den Menschen. Die ersten Symptome der Wuth sind triigerisch und nndeutlich, und es ist gut, jedem nicht gesuuden Hunde nicht zu trauen. Nach Youatt bestehen die ersten An- zeichen in miirrischer Laune und Unruhe, die sich darin ausspricht, dass der Hund fortwahrend seine Lage andert. Das Thier versucht zu entfliehen, zieht sich auf sein Lager oder in einen Winkel des Zimmers zuruck, kriecht unter die Mobeln, zeigt aber noch keine Neigung zum Beissen. Er folgt dem Rufe nur langsam und ungern, kriimmt sich msammen und lasst denKopf hangen. Bald wird er un- ruhig, sein Blick ist sonderbar, seine Stellung rnissmuthig und verdachtig. Die Anhanglichkeit an scinen Herrn scheint sich zu vergrossern; er beisst nur, wenn er geschlagen oder gereizt wird. Meistens vermeidet ein wiithender Hund Alles, was ihn in Aufregung bringt. In diesem Zustande kann er 24, auch 48Stunden bei seinem Herrn und im Hause bleiben, ohne gefahrlich zu sein. Dann treten Delirium und Wuth Hallucinationen ein. Man sieht es dem Thiere an, dass Phsntasiegebilde es beschaftigen. Es liegt unbeweglich, aufmerksam wie auf der Lauer da, plotzlich springt es auf und beisst in die Luft, ebenso wie ein gesunder Hund nach einer Fliege schnappt, oder er sturzt sich heulend gegen die Wand. Durch einige Worte und Schmeicheln lasst er sich be- siinftigen, es tritt ein Augenblick der Ruhe ein: die Augen schliessen sich langsam, der Kopf neigt sich, die Vorderbeine dehen sich unter den Leib zuriicls, und es hat den Anschein, als ob das Thier jeden Augenblick amsturzen musste, plotzlich rafft es sich wieder auf, neue Phantome beschaftigen es, es blickt wild urn sich, beisst um sich, an seiner.,Kette sich aufrichtend. Diese bei einem Haushunde beobachteten Symptome treten vie1 furchtbarer auf bei dressirten bissigen ITnnden : ihre Augen haben einen ungewohnlichen, blendenden Glanz, man glaubt zwei Feuerkugeln zu sehen. Mit dern Fortschreiten der Krankheit vermehrt sich auch die Unruhe des Hundes. Er sucht vergeblich

Diagnose der Hundswuth

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Diagnose dev Hundswuth. 143

Diagnose der Hundswuth (Anezug von Vigla am der Arbeit Bouley’s.)

Die bei dem Menschen einmal zum Ausbruch gekom- mene Wuth lasst ungliicklicher Weise keine Hoffiung auf Heilung. Das beste Praservativ ist die Kenntniss der Charaktere- dieser Krankheit bei dem Hunde, der gewiihnlichen Quelle der Uebertragung auf den Menschen.

Die ersten Symptome der Wuth sind triigerisch und nndeutlich, und es ist gut, jedem nicht gesuuden Hunde nicht zu trauen. Nach Youa t t bestehen die ersten An- zeichen in miirrischer Laune und Unruhe, die sich darin ausspricht, dass der Hund fortwahrend seine Lage andert. Das Thier versucht zu entfliehen, zieht sich auf sein Lager oder in einen Winkel des Zimmers zuruck, kriecht unter die Mobeln, zeigt aber noch keine Neigung zum Beissen. Er folgt dem Rufe nur langsam und ungern, kriimmt sich msammen und lasst denKopf hangen. Bald wird er un- ruhig, sein Blick ist sonderbar, seine Stellung rnissmuthig und verdachtig. Die Anhanglichkeit an scinen Herrn scheint sich zu vergrossern; er beisst nur, wenn er geschlagen oder gereizt wird. Meistens vermeidet ein wiithender Hund Alles, was ihn in Aufregung bringt. In diesem Zustande kann er 24, auch 48Stunden bei seinem Herrn und im Hause bleiben, ohne gefahrlich zu sein.

Dann treten Delirium und Wuth Hallucinationen ein. Man sieht es dem Thiere an, dass Phsntasiegebilde es beschaftigen. Es liegt unbeweglich, aufmerksam wie auf der Lauer da, plotzlich springt es auf und beisst in die Luft, ebenso wie ein gesunder Hund nach einer Fliege schnappt, oder er sturzt sich heulend gegen die Wand. Durch einige Worte und Schmeicheln lasst er sich be- siinftigen, es tritt ein Augenblick der Ruhe ein: die Augen schliessen sich langsam, der Kopf neigt sich, die Vorderbeine dehen sich unter den Leib zuriicls, und es hat den Anschein, als ob das Thier jeden Augenblick amsturzen musste, plotzlich rafft es sich wieder auf, neue Phantome beschaftigen es, es blickt wild urn sich, beisst um sich, an seiner.,Kette sich aufrichtend. Diese bei einem Haushunde beobachteten Symptome treten vie1 furchtbarer auf bei dressirten bissigen ITnnden : ihre Augen haben einen ungewohnlichen, blendenden Glanz, man glaubt zwei Feuerkugeln zu sehen.

Mit dern Fortschreiten der Krankheit vermehrt sich auch die Unruhe des Hundes. Er sucht vergeblich

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Ruhe, hat aber noch keine Nei ung eum Beissen,

Umstand, der in triigerische und verderbliche Sicherheit wiegen kann. Es muss wiederholt werden, dass man einem kranken Hunde nie zu sehr trauen darf.

Einer der grijssten Irrthumer herrscht uber die Was- serscheu. Der wiithende Hund ist nicht wasserscheu, er hat keinen Abscheu vor dein Wasser; wenn man ihm zu trinken giebt, weicht er keineswegs erschrocken euruck, er niihert sich im Gegentheil dem Gefasse, leckt die Fliissigkeit auf, verschluckt sie auch in dem ersten Stadium dcr Krankheit, und selbst wenn die Zusammenschaiirung der Kehle, die hierbei auftritt, ihm das Schlucken schwer macht, versucht er nichts desto weniger zu saufen. OA steckt er die ganze Schnauze in das Ge&ss und beiset in das Wasser, das er nicht mehr wie bisher. geniessen kann.

In den ersten Stadien der Krankheit weist der wii- thende Hund die Nahrung nicht immer zuruck, aber sie erregt ihm jedesmal Ekel. Eine bemerkenswerthe und charakteristische Erscheinung ! Dagegen zerreisst und ver- schluckt er Dinge, die zur Ernahrung nichts beitragen: das Stroh seines Lagers, Schuhe, Holz, Steine, Qlas.

Die vermehrte Absonderung des Geifers bildet kein charakteristisches Kennzeichen der Wuth. Diese Er- scheinung kann auftreten und zwar immer wilhrend ein- zelner Anfalle. Der Mund selbst bleibt trocken und nimmt in den letzten Stadien der Krankheit eine blaulich- violette Farbe an. Die Trockenheit des Mundes und der Kchle giebt zu einem sehr auEalligen Symptome Veranlassung; der Hund steckt seine Pfoten oft in den Mund, als ob ein verschluckter Knochen ihm Beschwerde mache. Ein Arzt, der nach diesem vermeintlichen Kno- chen suchte, wurde von dem Hunde aebissen, Das Er- brechen von Blut ist nur Folge des berschluckens der oben erwahnten Kijrper; man hat es fur eine Erscheinung einer anderen Krankheit gehalten, und auch dieser Im- thum hatte fur den untersuchenden Arzt verderbliche Folgen.

Das Bellen eines wiithenden Hundes ist so charakte- ristisch, dass man es nie vergisst, wenn man es einmd gehort hat. Das friiher normalo tiefe, klare Bellen und Austossen einer Reihe gleicher Laute ist jetzt rauh, dumpf, tiefer; einem einmaligen Bellen aus voller Kehle folgt ein abnehmendes drei- bis viermaliges Geheul aus der

behalt irn Gegentheil sein eutraulic % es Wesen bei, ein

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Tiefe des Schlundes, wobei das Naul sich nach jedem Male nicht vtillig schliesst, wie bei dem gesunden Hunde. Einem Hunde, dessen Eellen eine tiefere hfodulation an- genommen hat, muss man immer niisstrauen.

Eine andere dieser . Krankheit eigenthiimliche Er- scheinung ist, dass der Hund bei verschiedenen mit ihm vorgenommenen Qualereien stumin bleibt. Es ist dies nicht Stumpfheit des Gefilhls, denn der Hund sncht sioh den schmerzerregenden Ursachen zu entziehen, sondern viel- mehr eine Abnahme der Sensibilitat. Welchen Yroben man ihs auch unterwerfen mag, er stosst keinen Schmer- zensschrei aus.

Eigenthumlich ist der Eindruck, den der Anblick eines Hundes auf eiqen wuthenden Hund macht; dieser ist so stark, dass er den Beweis fur die Krankheit liefert und man sagen kann, dass ein Hund das sicherste Mittel sei, urn die noch latente Wuth eines andern Hundes zu entdecken. Den gleichen Eindruck macht die Uegen- wart eines Hundes auf alle wiithenden Thiere, welcher Art sie auch sein mogen. Bei seinem Anblicke gerathen sie in erbitterte Wuth, stiirzen sich auf ibn und greifen ihn mit ihren naturlichen Waffen an: das Pferd mit Hu- fen und Zahnen, der Stier mit den Hornern, ebenso der Widder. Es ist also auch bei dern Hunde ein sicheres Zeichen der Wuth, wenn er gegen seise Gewohnheit eip Thier seiner Gattung sogleich und plotzlich angreift.

Bei dem ersten Grefuhle der Wuth ent0ieht der Hund meistens und findet ausserhalb des Hauses seinen Tod ; im sndern Falle gehorcht er einer verhangnissvollen An- hanglichkeit und kehrt nach einem oder zwei Tagen nach Hause zuriick in einem Stadium der Krankheit, in welchem ihn eine unwiderstehliche Begier zum Beissen beherrscht.

Die eigentliche Periode der Tollheit charakterisirt sich durch einzelne Anfalle von Raserei. Der Anblick des Hundes erre Schrecken, selbst wcnn a n ihn sicher verwahrt halt. % ei der geringsten Veranlassung springt er rnit Geheul und feurig glainzenden Augen auf, beisst wild in die Stabe eeines Kiifiges, knirscht rnit den Zahnen und wirft Rich 'mit Wuth auf Alles, was man ihm vorhalt, seien es Holzstiicke oder Eisenstangen. Die- sem Anfalle folgt bald eine tiefe Xrschlaffung. Das Thier zieht sich in den Hintergrund seines Lagers zuriick und bleibt gegen alle Reieungen unempfindlich ; dann erfolgt ein neuer Wuthanfall. Bringt man wiihrend eines

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146 Absorption von Arzneimitteln durch die gesunde Haut.

Wuthanfalles einen Hund andern Geschlechts in den Kafig, so greift der tolle ihn nicht immer sofort an, sondern es regt sich in ihm der Geschlechtstrieb, den er durch Lecken und Schmeicheln ogenbart. Daa ungluckliche Opfer ahnt die Nahe der schrecklichen Gefahr, unter Zittern lasst es sich die Liebkosungen gefallen und druckt sich in einen Winkel ; plotzlich fiillt der wuthende Hund uher den anderen her, selten vertheidigt sich dieser, unter Schnerzgeschrei sucht er seinen Kopf, gegen melchen besonders die Angriffe gerichtet sind, durch die Fiisse zu schutzen. Dann folgt eine durch Liebkosungen am- gefiillte Pause, dann ein neuer Wuthanfaii.

1st ein’ toller Hund frei, so beisst er alles Lebende, das ihm begegnet, vorzuglich aber Hunde. Bald wird e r durch Hunger und Durst, am meisten wohl durch seine Krankheit aufgerieben. Sein Gang wird langsarn und wankend, der Schwnnz ist eingezogen, der Kopf gesenkt, das Maul weit geiiffnet, mit heraushangender, blaulicher, mit Staixb bedeckter Zunge. In diesem Zustande ist er weniger gefahrlich als bei den ersten Wuthanfallen, da er die &aft nicht mehr hat, die Richtung seines Weges zu iindern und anaugreifen, ‘wenn das lebende Wesen ihm nicht gerade vor den Zahnen steht. Bald zwingt ihn die Erschopfung stehen zu bleiben, er kriecht in einen Qraben und schlaft labge Zeit. Wehe dern Un- klugen, der ihn weckt, denn wahrend seiner Retaubung hat er neue Krafte gesammelt zum gewaltigen, Tod brin- genden Bisse. Das Ende eines tollen Hundes ist immer allgemeine Llhmung.

Die so klar und prncis von B o u l e y gegebene Cha- rakteristik dieser gefahrlichen Krankheit verdient die grosste Verbreitung. (JourrL. de Pharrn. et de Cliim. Juillet 1863.) Dr. Reich,

Absorption von Arzneiruittefnd nrch die gesnnde Hant. Die Wirkung einer grossen Zahl von Arzneimitteln be-

schrankt sich nach D e l o r e auf einen localen Eindruck auf die Hautpapillen: so haben die Narcotica eine schmere- stillende, die Resolutiva, selbst die meisten Mineral- wasser, eine reizende W’irkung. Absorbirt ist ein Arznei- mittel, welches in die Hautgefasse eingedrungen ist und dessen Spuren sich evident im Organismus wiederfinden. Die Absorption als medicinischen Process zu constatiren