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Dichte Teilnahme und darüber hinaus Von Gerd Spittler* Zusammenfassung Dieser Artikel wurde als Kommentar zu den drei vorhergehenden Artikeln in diesem Sociologus-Heft konzipiert. Dies wird in einen breiteren Kontext ge- stellt. Zunächst wird auf zentrale Texte zur teilnehmenden Beobachtung in der Soziologie eingegangen (1.). Dann präsentiere ich meine eigenen Veröffentli- chungen zur dichten Teilnahme und ihren historischen Vorläufern und gehe da- bei vor allem auf die Frage von Nähe und Distanz ein. Außerdem diskutiere ich die Potenziale und Grenzen des sprachlichen Zugangs (2.). Im folgenden Teil würdige ich die Beiträge von Häberlein, Schröder und Stodulka, die den Begriff der dichten Teilnahme aufgreifen und zur dichten Teilhabe weiterentwickeln (3.). Im Schlussteil (4.) diskutiere ich vergleichend einige Grundfragen der dich- ten Teilnahme: das Verhältnis von dichter Teilhabe und wissenschaftlichem Ha- bitus, die Dauer der Forschung, die Präsentation der Forschung in einem Text und schließlich die Gegenüberstellung von Forschungsreisen (19. Jahrhundert), klassischer Feldforschung (20. Jahrhundert) und Forschung im 21. Jahrhundert. Die Letztere ist geprägt von einer Dominanz von Feldforschung als Disserta- tionsprojekt und von einer engen Bindung zwischen Feld und Heimat. Schlagworte: Ethnographie, Feldforschung, Teilnehmende Beobachtung, For- schungsreisende, Dissertation Thick Participation and Beyond Abstract This article is intended as a commentary on the three preceding articles in this issue of Sociologus and can be placed in a broader context. The first part is a consideration of key texts on participant observation in sociology (1.). Then I pre- sent my own publications on thick participation and its historical forerunners, paying special attention to questions of closeness and distance. I also discuss the potentials and limits of interviews (2.). In the next section I pay tribute to the ar- ticles by Häberlein, Schröder and Stodulka, who move on from thick participa- Sociologus, Volume 64, Issue 2, p. 207 230 Duncker & Humblot, Berlin Sociologus 64 (2014) 2 * Emer. Professor für Ethnologie, Universität Bayreuth · E-Mail: gerd.spittler@ uni-bayreuth.de

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Dichte Teilnahme und darüber hinaus

Von Gerd Spittler*

Zusammenfassung

Dieser Artikel wurde als Kommentar zu den drei vorhergehenden Artikeln indiesem Sociologus-Heft konzipiert. Dies wird in einen breiteren Kontext ge-stellt. Zunächst wird auf zentrale Texte zur teilnehmenden Beobachtung in derSoziologie eingegangen (1.). Dann präsentiere ich meine eigenen Veröffentli-chungen zur dichten Teilnahme und ihren historischen Vorläufern und gehe da-bei vor allem auf die Frage von Nähe und Distanz ein. Außerdem diskutiere ichdie Potenziale und Grenzen des sprachlichen Zugangs (2.). Im folgenden Teilwürdige ich die Beiträge von Häberlein, Schröder und Stodulka, die den Begriffder dichten Teilnahme aufgreifen und zur dichten Teilhabe weiterentwickeln(3.). Im Schlussteil (4.) diskutiere ich vergleichend einige Grundfragen der dich-ten Teilnahme: das Verhältnis von dichter Teilhabe und wissenschaftlichem Ha-bitus, die Dauer der Forschung, die Präsentation der Forschung in einem Textund schließlich die Gegenüberstellung von Forschungsreisen (19. Jahrhundert),klassischer Feldforschung (20. Jahrhundert) und Forschung im 21. Jahrhundert.Die Letztere ist geprägt von einer Dominanz von Feldforschung als Disserta-tionsprojekt und von einer engen Bindung zwischen Feld und Heimat.

Schlagworte: Ethnographie, Feldforschung, Teilnehmende Beobachtung, For-schungsreisende, Dissertation

Thick Participation and Beyond

Abstract

This article is intended as a commentary on the three preceding articles in thisissue of Sociologus and can be placed in a broader context. The first part is aconsideration of key texts on participant observation in sociology (1.). Then I pre-sent my own publications on thick participation and its historical forerunners,paying special attention to questions of closeness and distance. I also discuss thepotentials and limits of interviews (2.). In the next section I pay tribute to the ar-ticles by Häberlein, Schröder and Stodulka, who move on from thick participa-

Sociologus, Volume 64, Issue 2, p. 207 – 230Duncker & Humblot, Berlin

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* Emer. Professor für Ethnologie, Universität Bayreuth · E-Mail: [email protected]

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tion towards a concept of thick involvement (3.). The concluding part (4.) is acomparative discussion of some basic issues concerning thick participation: therelationship between thick involvement and the scholarly habitus, the durationof the research, presentation of the research in a text, and finally a comparisonof explorers (19th century), classical fieldwork (20th century) and research inthe 21st century. The latter is dominated by fieldwork as a PhD project, as wellas close relationships between home and the field.

Keywords: ethnography, fieldwork, participant observation, explorers, PhD

1. Ein Blick über den Zaun:Teilnehmende Beobachtung in der Soziologie

Als teilnehmende Beobachtung wird in der Ethnologie eine For-schungsmethode bezeichnet, bei der der Forscher1 für eine längere Zeitin der Gruppe, die er untersucht, lebt, ihre Sprache spricht und an ihrenAktivitäten mehr oder weniger intensiv teilnimmt. Diese teilnehmendeBeobachtung ist in den letzten Jahrzehnten zunehmend in die Kritik ge-raten. Als einflussreiche Kritiken sind hier vor allem zwei zu nennen: diewriting culture Debatte (Clifford und Marcus 1986), in der die Bedeu-tung des publizierten Textes gegenüber der Feldforschung hervorgeho-ben wird, und die Entwicklung einer multi-sited ethnography (Marcus1995), die in einer globalisierten Welt die Vielfalt von Forschungsortengegenüber der engen Ortsbezogenheit (Dorf, Insel, Stamm) der klassi-schen Feldforschung hervorhebt. Wenn heute von Methoden der ethno-logischen Feldforschung die Rede ist, dann repräsentiert die teilneh-mende Beobachtung nur eine unter vielen Methoden (Beer 2008).

Es lohnt sich, vor allem in einer ethnologischen Zeitschrift, die sichSociologus nennt, einen Blick über den Zaun zu werfen und die Ent-wicklung der teilnehmenden Beobachtung in der Soziologie zu verfol-gen. Zu den Klassikern jeder soziologischen Ausbildung gehört das 1943veröffentlichte Buch Street Corner Society. The Social Structure of anItalian Slum von William Foote Whyte. Whyte (1916–2000) lebte undforschte drei Jahre (1936–1940) in einem von italienischen Immigrantengeprägten Stadtteil von Boston, den er als Cornerville bezeichnet. Erlebte dort zuerst bei einer italienischen Familie, nach seiner Heirat hatteer dort zusammen mit seiner Frau eine eigene Wohnung. Der Aufenthaltin Cornerville wurde durch gelegentliche Besuche von Seminaren derHarvard University unterbrochen. Rückblickend schreibt er, dass er sostark in Cornerville verankert war, dass er den akademischen Semina-ren in Harvard nur noch mit Mühe folgen konnte.

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1 Wenn nicht anders vermerkt, schließt hier wie im ganzen Aufsatz die männli-che Form die weibliche ein.

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Die Forschungsergebnisse wurden 1943 zum ersten Mal publiziert.Damit beginnt die Karriere eines Buches, das erst durch die späterenAuflagen seinen großen Ruhm fand und in viele Sprachen übersetztwurde. In der 2. Auflage (1955) fügte Whyte einen umfangreichen An-hang hinzu, in dem er seine Methode der teilnehmenden Beobachtungund seine persönlichen Erfahrungen in Cornerville beschrieb. In der3. Auflage (1981) ergänzte er den Anhang um die Kapitel „Cornervillerevisited“ und „An Unnatural History of the Book“, in denen er dasweitere Leben der Hauptprotagonisten der Studie beschrieb und diedramatischen Umstände seiner Promotion schildert.

1992 widmete die Zeitschrift The Journal of Contemporary Ethnogra-phy (Adler und Adler 1992) der Street Corner Society ein ganzes Heft,an dem sich eine Reihe von Soziologen, darunter Whyte selbst, beteilig-ten. Der umfangreichste Artikel “Street Corner Society. CornervilleRevisited” stammte dabei von Marianne Boelen, die aufgrund eigenerForschungen in Cornerville das Buch einer heftigen Kritik unterzog.Sie warf Whyte fehlerhafte Beobachtungen und Aussagen vor, vor al-lem aber kritisierte sie sein ethisches Verhalten. Laut Boelen sahen sichdie Bewohner Cornervilles in einem schlechten Licht dargestellt undsein Schlüsselinformant Doc fühlte sich von ihm ausgebeutet.

Die Kritik erinnert an die Mead-Freeman Kontroverse in der Ethnolo-gie, mit dem Unterschied, dass Whyte zur Kritik Stellung beziehen konn-te. Diese Debatte ging in die vierte Auflage von Street Corner Societyein, die 1993, 50 Jahre nach der Erstauflage erschien. Street Corner So-ciety war in den 1970er Jahren mit 200.000 Exemplaren das in den USAam meisten verkaufte soziologische Buch aller Zeiten. 50 Jahre nach demersten Erscheinen gab es immer noch große Debatten sowohl um denInhalt wie um die Methoden des Buches. Der Erfolg des Buches war auchseinen literarischen Qualitäten zu verdanken. Die Protagonisten wer-den wie in einem Roman oder Film dargestellt, im Text der Erstauflagewird keine wissenschaftliche Literatur zitiert. Whyte, der ursprüng-lich Schriftsteller werden wollte, hatte sich vorgenommen, ein Buch zuschreiben, das über die akademische Welt hinaus gelesen würde.

In der 3. Auflage beschreibt Whyte das Promotionsverfahren. Whytekam 1940 mit einer fertigen ersten Fassung von Street Corner Societynach Chicago, um dort zu promovieren. Er hatte sie geschrieben, bevorer Cornerville verließ. Es erscheint mir ein wichtiger Aspekt der For-schung von Whyte, dass er eine erste Fassung seiner Dissertation schonim Feld fertigstellte. Nur so konnte er sich von der dominanten Diskus-sion freimachen. Seine mehrjährige dichte Teilnahme in Cornervillehatte ihn in Distanz zum akademischen Betrieb gebracht und ihm auchgenügend Selbstbewusstsein gegeben, um sich dagegen durchzusetzen.Bei seiner Disputation stieß Whyte auf den Widerstand von renommier-

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ten Vertretern der Chicago School wie Louis Wirth und Herbert Blu-mer. Wirth warf ihm vor, dass er in seiner Dissertation seine For-schungsergebnisse nicht im Zusammenhang der soziologischen Slum-Literatur diskutiert habe. Whyte wurde durch die Intervention desKommissionsvorsitzenden Everett Hughes gerettet, der vorschlug, dasser diesen Diskussionsteil in Aufsatzform nachreichen könne.

Ich bin aus verschiedenen Gründen ausführlich auf Street CornerSociety eingegangen:

– Es gibt weder in der Ethnologie noch in der Soziologie ein Buch, dasdie Methode der teilnehmenden Beobachtung so ausführlich doku-mentiert und reflektiert wie Street Corner Society. Keines geht so aus-führlich auf die langfristigen Folgen und Veränderungen (50 Jahre)bezüglich der Informanten und des Untersuchungsgebietes ein. DieHauptprotagonisten in seiner Untersuchung reagierten sehr unter-schiedlich auf die Publikation. Sein Schlüsselinformant und „Freund“Doc fühlte sich später ausgebeutet, andere einseitig dargestellt, wie-der andere verdankten Whyte eine wissenschaftliche Karriere.

– Street Corner Society gehört zu den Untersuchungen, bei denen eineWiederholungsstudie durch einen anderen Autor (Marianne Boelen)durchgeführt wurde. Ähnlich wie im Falle von Tepoztlan (RobertRedfield und Oscar Lewis) und Samoa (Margaret Mead und DerekFreeman) konnte dadurch die teilnehmende Beobachtung des erstenForschers kritisch betrachtet werden.

– Das Buch wurde bei seinem ersten Erscheinen nur wenig beachtet.Aber seit der zweiten Auflage (1955) mit ihrem langen Methodenan-hang begann der Aufstieg. Es gab von nun an eine fortwährende so-ziologische Debatte über die Methode und den Inhalt.

– Whyte geht es in seinem Buch nicht darum, soziale Probleme zu lö-sen, sondern die Sozialstruktur eines Stadtteils zu beschreiben. Auch50 Jahre später verteidigt er diesen wissenschaftlichen Habitus, zeigtsich aber auch offen für Formen der Aktionsforschung. Street CornerSociety zeigt freilich auch, dass eine neutrale Haltung nur begrenztmöglich ist. Whyte distanziert sich zwar von der negativen „middleclass“-Bewertung eines Slum, aber er verwendet den Begriff dennochweiter (schon im Untertitel). Die Bevölkerung des von ihm unter-suchten italienischen Viertels bezeichnete ihr Wohngebiet dagegennicht mit dem pejorativ besetzten Wort Slum und fühlte sich durchdie Publikation verletzt.

– Unabhängig von der ethnologischen writing culture Debatte entwi-ckelte sich am Beispiel von Street Corner Society eine Debatte, dieauf den Gattungscharakter soziologischer Texte und insbesondereder PhD-Arbeit eingeht.

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Whyte wurde in der Soziologie zwar viel gelesen, fand aber nur weni-ge Nachahmer. Während eine ein- oder mehrjährige teilnehmende Be-obachtung in der Ethnologie die Regel ist, gibt es sie in der Soziologiekaum. Das was in der Soziologie heute als Ethnographie bezeichnetwird, ist etwas völlig anderes. Zwar erlebt die Ethnographie in der So-ziologie eine Blüte, die sich in sehr unterschiedlichen Formen aus-drückt. Aber sie hat sich großenteils von der klassischen teilnehmendenBeobachtung abgewandt. In seinem Artikel Fokussierte Ethnographieplädiert Hubert Knoblauch (2001) im Gegensatz zur „konventionellenEthnographie“ für ein Modell der fokussierten Ethnographie, die sichu. a. durch kurze Feldaufenthalte, theoretische Orientierung, techni-sche Aufzeichnungsgeräte (Video) und nichtteilnehmende Beobachtungauszeichnet. In verschiedenen Arbeiten (Hirschauer/Amman 1997;Hirschauer 2001; Breidenstein et al. 2013) entwickelt Hirschauer einKonzept der Ethnographie in der eigenen Gesellschaft, das auf die Be-fremdung der eigenen Kultur abhebt und daraus Folgerungen für diePraxis der Feldforschung zieht.

In der Tradition der Ethnomethodologie wurden Methoden entwi-ckelt, wie soziales Handeln erfasst werden kann, ohne auf retrospektiveInterviews zu rekurrieren (z. B. Suchman in Spittler 2014). Dies hatauch die Diskussion in der Ethnologie beeinflusst. In ihrem AufsatzNeoklassische Feldforschung: Die mikroskopische Untersuchung sozia-ler Ereignisse als ethnographische Methode wenden sich ChristianMeyer und Nikolaus Schareika (2009) unter Berufung auf die Ethnome-thodologie gegen die gängigen Interviewmethoden: Man müsse denProzess selbst untersuchen und nicht nachträgliches Reden darüber.Dem dient die Aufzeichnung von Mikroereignissen durch Video. DieseMethode soll die klassische Feldforschung à la Malinowski ersetzen.

Zumindest ein soziologischer Klassiker sieht sich allerdings in derTradition der langen teilnehmenden Beobachtung: Erving Goffman. Ineinem posthum veröffentlichten Vortragsmanuskript von 1974 (Goff-man 1989) formuliert er Grundsätze über die teilnehmende Beobach-tung, die auch heute noch Beachtung verdienen. Teilnehmende Be-obachtung – im Gegensatz zu anderen Feldforschungstechniken wieInterview, Beobachtung, Experiment, die alle ihre Berechtigung ha-ben – ist für Goffman eine Datengewinnung, bei der der eigene Körperund die eigene Persönlichkeit eingebracht werden, um den Untersu-chungsobjekten möglichst nahe zu sein.

Goffman fordert einen Aufenthalt von mindestens einem Jahr, wasfür Soziologen alles andere als selbstverständlich ist. Er begründet diesmit der Zeit, die notwendig sei, um eine tiefe Vertrautheit herzustellenund um unvorhersehbare Ereignisse zu erleben. Um so nah wie möglichbei den Untersuchten zu sein, sollte der Forscher möglichst offen den

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anderen gegenübertreten und seine eigenen Ressourcen minimieren. Ersollte allenfalls einige Krimis für den Fall einer Depression mitnehmen.Je isolierter man von seinen heimatlichen Ressourcen ist, desto mehröffnet man sich den Einheimischen. So sollte er darauf verzichten, sei-ne Ehefrau mitzunehmen, außer wenn Familien sein Forschungsthemasind. Was ist daran schlecht? „It does give you a way out … You cantalk to that person, and all that, and that’s no way to make a world. Theway to make a world is to be naked to the bone, to have as few resour-ces as you can get by with“ (Goffman 1989: 127). Dabei geht es nichtum ein going native. Der Forscher geht nicht in der untersuchten Grup-pe auf, sondern spielt eine Rolle, und weiß das auch.

Goffman legt mehr Wert auf Beobachtung als auf verbale Aussagen.Beobachtungen, die die Gesten und körperlichen Aktionen in einer Si-tuation einbeziehen. Was die Leute sagen, interessiert ihn nur wenig. Ei-ne so radikale Position gegenüber sprachlichen Äußerungen wird seltenvon Vertretern der teilnehmenden Beobachtung formuliert – eher vonVerhaltensforschern – und auch Goffman hält sich kaum an diese Devi-se.

2. Spittler: Dichte Teilnahmeund ihre historischen Vorläufer

Die Kritik an der teilnehmenden Beobachtung und die Entwicklungalternativer Methoden taten ihrer Beliebtheit in der Ethnologie keinenAbbruch. Nach wie vor spielt sie in der ethnologischen Feldforschung,vor allem bei Dissertationsprojekten eine zentrale Rolle. Ebenso wich-tig wie die Kritik und die Suche nach alternativen Methoden ist daherdie Weiterentwicklung der teilnehmenden Beobachtung. Im Folgendenstelle ich zunächst meine eigenen Bemühungen dazu vor, die in denAufsätzen „Teilnehmende Beobachtung als Dichte Teilnahme“ (2001),„Wissenschaft auf Reisen“ (2008) und „Arbeit zur Sprache bringen“(2014) publiziert wurden (2.1–2.3). Dann gehe ich auf das Konzept der„dichten Teilhabe“ ein, das in diesem „Sociologus“-Heft in drei Beiträ-gen (Häberlein, Schröder, Stodulka) diskutiert wird (3.1–3.3).

2.1 Dichte Teilnahme

In meinem Aufsatz Teilnehmende Beobachtung als Dichte Teilnahme(2001) rechtfertige ich trotz der berechtigten Kritik die Beibehaltungder teilnehmenden Beobachtung in der Malinowskischen Tradition. Ichplädiere nicht nur für eine Beibehaltung sondern für eine Radikalisie-rung der teilnehmenden Beobachtung als dichte Teilnahme. Dem gehe

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ich in drei Bereichen nach: Lehre und Praxis, Beobachtung und Ge-spräch, Erleben und Gebrauch der Sinne. Eine Lehre in bestimmtenTätigkeiten bietet besondere Chancen für das Verständnis dieses Berei-ches. Allerdings werden hier auch die Grenzen deutlich. Es ist nichtnur das Problem des going native sondern auch der eingeschränkte Er-fahrungshorizont, den jede spezialisierte Rolle mit sich bringt.

Beobachten und Fragen stehen nicht in Opposition, sondern werdenbei der dichten Teilnahme kombiniert und erhellen sich gegenseitig.Wichtig ist dabei, sich natürlichen Situationen anzunähern: Nicht nurInterviews, sondern natürliche Gespräche unterschiedlicher Gattung,nicht nur systematische Beobachtung sondern offenes Sehen. Nicht nurBeobachten und Sehen in der eigenen Tradition, sondern wie bei denEinheimischen. Zur dichten Teilnahme gehören alle Sinne: Hören undSehen, Tasten, Riechen und Schmecken, körperliches und seelischesFühlen.

2.2 Teilnehmende Beobachtung avant la lettre:Wissenschaft auf Reisen

Der Beginn der teilnehmenden Beobachtung wird gewöhnlich mitBronislaw Malinowskis Forschungen auf den Trobriand Inseln ange-setzt. Aber in Wirklichkeit reicht sie viel weiter in die Zeit der For-schungsreisen des 19. Jahrhunderts zurück (Spittler 1987, 1996, 2006,2008). Dabei geht es nicht nur darum, die historische Ahnengalerie zuerweitern und den Forschungsreisenden Gerechtigkeit widerfahren zulassen. Sondern es hilft uns vor allem, das Potenzial und die Grenzender teilnehmenden Beobachtung besser zu verstehen. In mancher Hin-sicht gleicht diese vorkoloniale Situation der heutigen Zeit mehr als dieim kolonialen Kontext durchgeführte Feldforschung.

Jeder Ethnologe kennt die ersten beiden Fotos in Malinowskis Argo-nauts ot the Western Pacific (1922), auf denen man ein Zelt am Randeeines Trobriander Dorfes sieht. Das dazugehörige Kapitel trägt dieÜberschrift „Das Leben in einem Zelt unter den Eingeborenen. Techni-ken, um mit ihnen in Berührung zu kommen“ (nach Spittler 2008: 44).Für Malinowski drückt das Zelt die größtmögliche Anpassung an dasLeben der Eingeborenen aus. Ganz anders sieht das der deutsche Afri-kareisende Heinrich Barth. Wenn er ein Zelt benutzt, dann um sich zudistanzieren. Wenn er den Eingeborenen nahe sein will, verzichtet erdarauf. Für Heinrich Barth bietet das Zelt keine Annäherung, sonderndrückt die Distanz des Europäers zu den Eingeborenen aus. In seinemSprachgebrauch, in seinen Reisemitteln, im Essen, im Wohnen, zumTeil auch in der Kleidung passt er sich komplett an die lokalen Bedin-gungen an.

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Barth und andere Forschungsreisende im 19. Jahrhundert haben dasZusammenleben mit Afrikanern viel radikaler praktiziert als Malinow-ski und seine Nachfolger. Aber dabei zeigt sich auch die Problematikder dichten Teilnahme. Wie ist bei dieser Nähe die für den Wissen-schaftler notwendige Distanz möglich? Das Problem lässt sich gut aneinem Vergleich zwischen Heinrich Barth und Adolf Overweg, einemGeologen, der mit Barth zusammenreiste, zeigen (Spittler 2008: 46 ff.).Overwegs Kontakt mit den Einheimischen war noch enger als beiBarth. Er verkehrte eng mit den Eingeborenen, aber er besaß nicht dieDisziplin, seine Beobachtungen systematisch zu notieren und die Noti-zen im Feld auszuarbeiten. Barth nahm sich dagegen sehr viel Zeit da-für und schirmte sich für diesen Zweck von den Einheimischen ab. Da-zu gehörte auch der Rückzug in sein Zelt. Besser als andere konnteBarth geschickt zwischen Nähe und Distanz, zwischen dichter Teilnah-me und wissenschaftlichem Habitus lavieren.

Der Forschungsreisende sieht sich primär als Forscher. Aber wiewird er von den Einheimischen gesehen (Spittler 1987)? In den seltens-ten Fällen als Forscher, schon weil diese Rolle in den meisten afrikani-schen Gesellschaften unbekannt ist. Von der Bevölkerung wurden sieals Exoten gesehen. Ihre weiße Haut rief nicht Bewunderung hervor,sondern bot Anlass, sich über sie lustig zu machen. Für die einflussrei-chen Schichten waren sie Eindringlinge oder Spione. Händler sahen ih-re Geschäfte bedroht, Politiker fürchteten eine Eroberung, islamischeGelehrte sahen in ihnen verhasste Christen.

Viele Forscher versuchten diese Probleme zu umgehen, indem sieinkognito reisten. Aufgrund ihrer Hautfarbe konnten sie nicht alsSchwarze reisen. Aber sie konnten sich als arabische Moslems und Rei-sende ausgeben. Diese dichte Teilnahme erhöhte aber nur scheinbar dieForschungschancen. Die inkognito Reisenden konnten keine beliebigenFragen stellen, Notizen machen oder sich überall bewegen, ohne aufMisstrauen zu stoßen. Auch stellte sich hier das Problem des „goingnative“ noch stärker als bei der üblichen teilnehmenden Beobachtung.Manche der Reisenden spielten hier nicht nur eine Rolle, sondern iden-tifizierten sich zumindest zeitweise mit ihr.

Zur klassischen ethnologischen Feldforschung gehört die räumlicheBeschränkung: Der Ethnologe konzentriert sich auf ein Dorf, einenStamm, eine Insel. Diese Enge wird seit langem kritisiert und ihr die ei-ner globalen Welt angemessenere multi-sited ethnography gegenüber-gestellt, bei der an vielen Orten geforscht wird (Marcus 1995). Das tatenfreilich, wie schon der Name sagt, auch die Forschungsreisenden des19. Jahrhunderts. Auf seinen Reisen und Entdeckungen in Nord- undCentral-Afrika in den Jahren 1849 bis 1855 (Barth 1857/58) legte Hein-rich Barth über 15.000 km auf dem Rücken von Kamelen und Pferden

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zurück. Bei seiner über fünfjährigen Reisezeit verbrachte Barth an eini-gen Orten einen mehrmonatigen Aufenthalt. Bei anderen Forschungs-reisenden waren die Aufenthalte wesentlich kürzer. Die Bedingungeneiner teilnehmenden Beobachtung waren so kaum zu erfüllen und dieErgebnisse oft entsprechend dünn. Vor diesen Problemen steht heuteallerdings auch die multi-sited ethnography.

Cliffords und Marcus 1986 publiziertes Buch Writing Culture. ThePoetics and Politics of Ethnography verunsicherte mehr als viele ande-re Kritiken die Feldforscher. Was Leser ethnographischer Monogra-phien vor sich haben, ist keine Feldforschung, sondern ein Text, einBuch. Und dieses Buch wird nach bestimmten Regeln und Strategienproduziert, die der Leser kennen sollte. Die eigentliche Feldforschungtritt dabei in den Hintergrund.

Kam diese Betonung des Schreibens für die Ethnologen überra-schend und erschien ihnen als eine Herabwürdigung ihrer Feldfor-schung, so war sie doch nicht neu. Im Gegenteil, den Forschungsreisen-den des 19. Jahrhunderts war sie nur allzu vertraut. An einen Reisebe-richt wurden nämlich zwei Anforderungen gestellt: er musste belehrenund unterhalten. Belehren konnte er nur, wenn er wahr war. Unterhal-ten konnte er nur, wenn er spannend geschrieben war. Hier die richtigeBalance zu finden, war schwierig. Der eine Reisende neigte mehr zur ei-nen, der andere zur andere Seite. Seine Authentizität stellte der Reisen-de u. a. dadurch unter Beweis, dass der Reisebericht in Form eineschronologischen Tagebuchs geschrieben wurde und Geschichten einge-flochten waren, die ihm Plausibilität verliehen.

Die größte Bedeutung kam dabei den Feldnotizen und dem Tagebuchzu. Lange bevor Sanjek (1990) über Fieldnotes reflektierte, machtensich die Forschungsreisenden Gedanken darüber, wie sie ihr Materialnotierten und sicherten. Nicht zuletzt deshalb, weil sie damit rechnenmussten, während ihrer Reise umzukommen. Barth schrieb seine Noti-zen zunächst in ein Memorandenbuch und übertrug das am Abend inein Tagebuch. Dieses wurde an freien Tagen zu langen Berichten ausge-arbeitet, die mit einer Karawane nach Tripolis und von dort nach Euro-pa geschickt wurden. Die ersten Publikationen erschienen schon, wäh-rend Barth noch in Afrika reiste (Spittler 2008).

2.3 Arbeit zur Sprache bringen

In meinem 2014 erschienenen Aufsatz Arbeit zur Sprache bringen –

der ethnographische Ansatz betone ich am Beispiel unterschiedlicher,sprachlich dominierter Forschungsansätze (Wortfeldanalysen, kogniti-ve Semantik, ethnography of speaking, ethnographic interview, con-

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versational communities) die Grenzen eines rein sprachlichen Zugangszum Thema Arbeit. Das Sprechen spiegelt nur sehr begrenzt die Ar-beitspraxis wider, und noch weniger bildet es eine cognitive map oderein Modell, an dem sich die Arbeitspraxis genau orientiert. Es ist eherdie nachträgliche Rationalisierung einer nur im situativen Kontext ver-ständlichen Arbeitspraxis, die durch Beobachtung und dichte Teilnah-me untersucht werden muss.

Stärker als in meinen früheren Überlegungen zur Methode betone ichhier aber auch den Wert des Fragens und des Interviews. Es ist dieKombination von Beobachtung und Fragen, die weiter führt. Dabeikommt dem Fragen durchaus ein Erkenntniswert zu. Arbeit ist nichteinfach sprachlich vorgegeben und abrufbar. Das heißt aber nicht, dasssie nicht sprachlich artikulierbar ist. Sie mag unausgesprochen sein,aber sie ist nicht unaussprechbar. Die Arbeit kann zum Sprechen ge-bracht werden. Das ist die eigentliche Leistung der hier diskutiertenethnographischen Methoden. Sie versuchen das Nichtartikulierte zu ar-tikulieren.

Welche Methode auch immer bei der Forschung angewandt wurde,ob Beobachtung, teilnehmende Beobachtung, Interview, am Ende wirddie Forschung in einen Text gebracht und publiziert. Dass das Schrei-ben seinen eigenen Regeln gehorcht und dass es dabei viele Genres gibt,hatten die Literaturwissenschaftler schon lange entdeckt. Jetzt wurdedas unter dem Begriff Writing Culture (Clifford/Marcus 1986) zumThema der Ethnologie und drängte zeitweilig alle anderen methodi-schen Fragen an den Rand. Zu Unrecht, wie ich meine. Aber doch zuRecht wurde hier auf einen bisher vernachlässigten Aspekt hingewie-sen. Und dieser gehört auch zum Thema „Arbeit zur Sprache bringen.“

Arbeit ist in der Regel ein dröges Thema. Das zeigt sich daran, dasssie selten literarisch oder filmisch als Thema gewählt wird. Soziologi-sche und ethnologische Bücher zu diesem Thema werden nicht zu Best-sellern. Wohl aber gilt dies für Die Arbeitslosen von Marienthal. Zwarwurde das Buch, nachdem es 1933 in Leipzig erschienen war, bald ein-gestampft, weil es den neuen Nazimachthabern nicht genehm war.Aber seit der Neuerscheinung (Jahoda, Lazarsfeld, Zeisel 1975) hat esweite Verbreitung gefunden. Es wurde immer wieder aufgelegt, wurdein viele Sprachen übersetzt und sogar verfilmt. Dieser Erfolg beruhtwesentlich auf der Art, wie der Text von Marie Jahoda, die ursprüng-lich Schriftstellerin werden wollte, verfasst wurde.

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3. Dichte Teilnahme als Dichte Teilhabe

Während ich in meinen Beiträgen nach Teilnehmende Beobachtungals Dichte Teilnahme (2001) nicht nur das Thema fortführe, sondernauch die Grenzen der dichten Teilnahme betone, geht es in den dreiBeiträgen im vorliegenden Sociologus-Heft, die alle aus Dissertations-projekten entstanden sind, um eine Weiterentwicklung der dichtenTeilnahme zur dichten Teilhabe.

3.1 Tabea Häberlein: Dichte Teilnahmeals dichte Teilhabe – Ein Plädoyer zur ethnologischen Forschung

über soziale Nahbeziehungen

In Dichte Teilnahme (2001) hatte ich die „soziale Nähe“ als einen As-pekt von dichter Teilnahme hervorgehoben, war aber nicht weiter aufsie eingegangen. Hier knüpft Tabea Häberlein an und stellt die „dichteTeilhabe“ als eine spezifische Form von dichter Teilnahme ins Zentrumihrer Überlegungen. Dichte Teilhabe hebt die soziale Involviertheit unddie Reflexion darüber hervor. Häberlein wurde in ihrem Forschungs-feld in einem togoischen Dorf in das lokale Verwandtschaftsnetz integ-riert. Sie wohnte in einem Gehöft und wurde dort als Tochter des Ge-höftsherrn und einer seiner drei Ehefrauen eingeordnet. Damit war sienicht nur Tochter, sondern auch Schwester von mehreren Brüdern undSchwestern. Sie wurde aber auch als Tochter deutscher Eltern, als En-kelin einer deutschen Großmutter, als Ehefrau und als Mutter eineskleinen Kindes wahrgenommen und behandelt.

In ihrem Text beschreibt Tabea Häberlein verschiedene Interaktio-nen, die sich aus diesen Rollen ergaben und analysiert den Erkenntnis-gewinn für ihre Forschung. Als „Tochter“ des Gehöftsherrn und einerseiner Ehefrauen lernte sie die spezifischen Erwartungen und Ver-pflichtungen, die sich daraus ergeben, ebenso kennen wie die feinen Ri-valitäten zwischen Ehefrauen. Ihr „Bruder“ machte ihr deutlich, dasssie sich ebenso um die Mutter kümmern müsse wie er. Ihr „Vater“ kamaber auch ihr gegenüber Verpflichtungen nach. So veranlasste er Fe-tischopfer, um Tabeas Weiterfinanzierung als Wissenschaftlerin zu un-terstützen. Als Mutter einer dreimonatigen Tochter wurde ihr mehrRespekt entgegengebracht als während ihres früheren Aufenthaltes, alssie allein gekommen war. Jetzt ergaben sich in natürlicher Weise Ge-spräche über Kindersterblichkeit, Geburtsnachsorge und gesundheitli-che Probleme von Frauen.

Ihre eindrücklichste Erfahrung erlebte Tabea Häberlein, als ihr „Va-ter“ ihr eines Tages eröffnete, dass sie jetzt ausziehen und ein eigen-ständiges Gehöft bauen solle, wie es auch sonst üblich war. Er fügte

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noch hinzu, dass sie dadurch ihre Forschungsarbeit auf einem neutra-len Boden besser fortführen könne als in seinem Gehöft. Das war dannauch tatsächlich der Fall. Sie bekam jetzt Besuch von vielen Personen,die sich vorher nur ungern in das Gehöft ihres Vaters begeben hätten.

Tabea Häberlein zeigt in ihrem Artikel überzeugend, welchen Er-kenntnisgewinn die Integration in die lokalen Verwandtschaftsbezie-hungen bringt. Aber birgt soziale Nähe in der Forschung nicht die Ge-fahr des going native, der zu großen Nähe, die eine wissenschaftlichePerspektive behindert? Häberlein stellt dazu fest, dass die Reflexion ei-ne solche Überidentifikation verhindern muss. Aber reicht das aus? Be-darf es nicht auch einer institutionellen Distanzierung, wie wir am Bei-spiel von Heinrich Barth gesehen haben? Tabea Häberlein gibt dazuselbst einen Hinweis. Durch ihren Auszug aus dem Gehöft des „Vaters“und ihren Einzug in ein neutrales Gehöft öffnet sie sich einem neuenKreis von Besuchern und erweitert ihr Forschungsfeld.

3.2 Philipp Schröder ‚Der deutsche Bruder im Hof‘:Respekt, Solidarität und andere Aspekte meiner Verortungin einer Nachbarschaftsgemeinschaft kirgisischer Männer

Die dichte Teilhabe von Philipp Schröder sieht anders aus als die vonTabea Häberlein. Zwar wird auch er als Verwandter kooptiert, wieschon der Titel seines Beitrags zeigt. Doch wird er dadurch nicht in daseinheimische Verwandtschaftssystem integriert. Vielmehr geht es umdie Nachbarschaftsgemeinschaft einer Gruppe von jungen Männern inBischkek, der Hauptstadt von Kirgistan, die ihn als einen älteren deut-schen Bruder kooptieren. Vielleicht hat er Recht, wenn er das alsschwieriger bezeichnet als die Forschung in einem Dorf in Kirgistan –

und, so könnte man vielleicht ergänzen, in einem afrikanischen Dorf.Jedenfalls bedarf es geschickter Strategien, um von den jungen Män-nern akzeptiert zu werden. Vieles, was Schröder über seine Einstiegs-probleme berichtet, erinnert an die Erfahrungen von William FooteWhyte in Street Corner Society.

Schröder schafft den Zugang über das gemeinsame Basketballspie-len, die „Einbettung“ dagegen erweist sich als ein längerer Prozess, beidem er erst die Verhaltensnormen der Gruppe lernen muss. Dazu gehö-ren die vielen Facetten des solidarischen Handelns in der Gruppe. Da-mit nähert sich Schröder aber gleichzeitig seinem zentralen For-schungsthema an. Die Teilhabe am Leben im Hof und die Beobachtun-gen dort sind für ihn die wichtigste Methode der Datengewinnung.Gegenüber Interviews, vor allem wenn sie aufgenommen werden, zei-gen sich die jungen Männer dagegen misstrauisch. Wie überhaupt dasSprechen nicht so sehr ihre Sache ist, „weil sie lieber etwas tun als

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quatschen.“ Das ist eine höchst wichtige Feststellung, die in dem Arti-kel aber nicht weiter thematisiert wird. Nicht nur bietet sich der ganzeArtikel naturgemäß in sprachlicher Form dar. Sondern wir lernen diejungen Männer vor allem über ihre Äußerungen kennen. Man hättevom Autor gerne mehr darüber erfahren, wie er dieses nichtverbaleHandeln erfasst hat.

Zu Recht betont Schröder nicht nur die Teilhabe, sondern auch dieDistanzierung. Er praktiziert kein going native sondern eine „distan-zierte Nähe“. Er braucht immer wieder Abstand, sei es einfach um sichauszuruhen oder auch um mit anderen Gruppen Kontakt aufzunehmen.Denn die Kooptation in eine Gruppe impliziert die Erwartung, dassman sich von anderen fernhält. Als Forscher muss man diese Erwar-tung gelegentlich enttäuschen. „Die distanzierte Nähe“ kann aber auchin der eigenen Gruppe von Vorteil sein. Mitglieder der Gruppe öffnensich in vertraulichen Gesprächen eher ihm als anderen Gruppenmit-gliedern, gerade weil er kein volles Mitglied ist.

Die Distanzierung vom Leben im Hof drückt sich beim Autor in die-sem Text auch durch einen wissenschaftlichen Sprachstil aus, der dieFelderfahrungen überlagert. Vielleicht ist das name dropping wie beianderen Doktoranden den Anforderungen eines Dissertationsprojektesgeschuldet, dennoch verstört es den Leser einer Ethnographie. An man-chen Stellen ist es angemessen, so z. B. der Bezug auf W.F. Whyte. Abermanche Zitate sind überflüssig, andere irreführend, so der Bezug aufdie mechanische Solidarität (Durkheim) oder die invention of tradition(Hobsbawm und Ranger). Irreführend ist vor allem die Berufung aufden Aufsatz „Der Fremde“ von Alfred Schütz, denn für den Ethnologengilt nicht, dass er „in einer Gruppe zu leben beginnt, von der er dauer-haft akzeptiert oder zumindest geduldet werden möchte“. Eher gleichtder Ethnologe dem Wanderer von Georg Simmel, „der heute kommtund morgen geht“. Mit Simmel ließe sich z. B. erklären, warum mancheGruppenmitglieder mit Schröder besonders vertrauliche Gesprächeführen.

3.3 Thomas Stodulka: Feldforschung als Begegnung –

Zur pragmatischen Dimension ethnographischer Daten

Wie Schröder untersucht auch Stodulka eine Gruppe Jugendlicherund junger Männer, für die Solidarität eine wichtige Rolle spielt. ImGegensatz zu den jungen Männern in Bischkek leben sie in Yogyakarta(Indonesien) auf der Straße in einer marginalisierten Gemeinschaft. Sienennen sich selbst anak Conglak, die Leute der Conglak Straßenkreu-zung. Soziale Teilhabe des Ethnologen bedeutet hier noch stärker alsbei den beiden anderen Autoren Involviertheit in das Leben der Unter-

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suchungsgruppe. Stodulka wurde zum „Aktionsethnologen“, zum Akti-visten, der ein Netzwerk für Straßengemeinschaften initiierte, inner-halb dessen Workshops abgehalten, ein Haus für chronisch krankeMenschen auf der Straße gegründet und eine Vermittlung zu Behördenund NGOs organisiert wurde. Das Netzwerk kümmerte sich vor allemum viele HIV-positive Menschen während ihrer Krankheit und sorgteauch für Beerdigungen und Krankpflege.

Erst als er durch seinen Einsatz als Aktivist den jungen Männern et-was bot, konnte er deren Vertrauen gewinnen. Statt Dokumentarfilmenund formalen Untersuchungsmethoden boten ihm informelle Gesprä-che und Beobachtungen Forschungsmöglichkeiten. Dazu gehörten auchGespräche, in denen sonst verschwiegene Themen wie Sex- und Dro-genpraktiken angesprochen wurden.

Emotionen und Affektivität sind für Stodulka sowohl Forschungsge-genstand wie Forschungsmethode. Hier liegt vielleicht das wichtigsteErgebnis seiner Ethnographie. Emotionen sind bei allen Forschern undBeforschten zentral. Sie lassen sich aber aus verschiedenen Gründennur schwierig „zur Sprache bringen“. Allein der Versuch verdient hiergroßes Lob. Stodulka brauchte Jahre, um seine Sympathie und Bewun-derung, seine Freude und seinen Stolz, aber auch seine Unsicherheit,Trauer, Enttäuschung, Wut und Angst im Umgang mit den jungen Män-nern einzuordnen und für die Forschung produktiv zu nutzen. Wichtigist für ihn die Unterscheidung zwischen „emotionalisierenden“ undemotionalen Episoden. Im ersten Fall werden intensive Gefühle evoziert,ohne dass sie auf Seiten des Erzählers emotional sein müssen. Emotiona-le Episoden dagegen sind durch intensive Gefühle gekennzeichnet.

Die „Theorie der emotionalen Ökonomie“ führt zu zwei wichtigenempirischen Ergebnissen: 1. Die emotionalen Bindungen der jungenMänner werden von diesen dazu genutzt, ihre knappen materiellen undsozialen Ressourcen zu verbessern. Soziale Nähe wird in soziales undökonomisches Kapital transformiert. 2. Für die Aktivisten, Touristen,Künstler und Forscher einschließlich des Ethnologen Stodulka sinddiese emotionalisierenden Praktiken häufig frustrierend. Dennoch set-zen sie sich weiter für die anak Conglak ein. Auch sie können ihre emo-tionalen Bindungen in soziales und ökonomisches Kapital umsetzen.Sie verbessern ihre Berufskompetenz und -chancen. Der Ethnologekann damit promovieren und eine Stelle finden. Das gilt nicht nur fürden Ethnologen Stodulka. Aber selten ist das von Ethnologen so offenangesprochen worden.

Für ein Dissertationsprojekt ist die Feldforschung von Stodulka be-merkenswert lang: acht Jahre mit Unterbrechungen. Das ist länger alsdie übliche Feldforschung für eine Dissertation. Stodulka wusste die-

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sen Vorteil einer „multitemporalen Forschungspraxis“ zu nutzen. Erkann hier Lebensläufe und kulturellen Wandel verfolgen. Und nichtzuletzt kann er seine eigene Entwicklung als Ethnologe reflektieren.

Der Spagat zwischen ethnographischer Beschreibung und theoreti-scher Diskussion kann unterschiedlich geleistet werden. Stodulka ent-scheidet sich dafür, zuerst einen ethnographischen und dann einen ana-lytischen Teil zu schreiben. Das erlaubt es dem einen Leser, sich auf diedichte Beschreibung der Ethnographie zu konzentrieren und sich anihr zu erfreuen; der andere Leser, den das eher langweilt, kann sich da-gegen der abstrakten Datenanalyse zuwenden.

4. Dichte Teilnahme im Vergleich

Wer befürchtet oder gehofft hatte, dass im 21. Jahrhundert die Zeitder teilnehmenden Beobachtung vorbei sei, sieht sich getäuscht. Es gibtviele Doktoranden und Doktorandinnen wie die drei, die sich hier prä-sentieren. Sie gehen auch heute noch in ferne Länder, versuchen einefremde Sprache zu meistern, die weit von der eigenen und den gängigenWeltsprachen entfernt ist. Sie halten sich länger als ein Jahr in demLand auf, und sie reisen auch nicht ständig umher (multi-sited ethno-graphy), sondern bleiben an einem Ort. Sie gehen enthusiastisch an ihrUnternehmen heran, finden ihre Feldforschung faszinierend, auchwenn oder weil sie sich mit marginalisierten, stigmatisierten Gruppenbeschäftigen. Und sie entdecken Neues.

Sie kennen andere Forschungsmethoden und wenden sie an. Und siekennen auch die Kritik an der teilnehmenden Beobachtung. Aber siegeben sie deshalb nicht auf, sondern versuchen, sie weiterzuentwickeln.Unter diesem Gesichtspunkt vergleiche ich sie mit meinen eigenen undanderen Forschungen zu dem Thema. Dabei geht es mir nicht um eineKritik an den vorliegenden Aufsätzen, sondern um eine Fortführungder Diskussion. Gerade, weil die Autoren ihre Feldforschungserfahrunggenau beschreiben, lässt sie sich nicht nur würdigen, sondern auch kri-tisch weiterführen.

4.1 Dichte Teilhabe

Die drei Autoren praktizieren in ihrer Feldforschung die dichte Teil-nahme in einer spezifischen Form, der dichten Teilhabe. Sie wohnenund leben zumindest zeitweilig mit den Mitgliedern der von ihnen un-tersuchten Gruppe zusammen und sie übernehmen dort jenseits ihrerForschung bestimmte Rollen. Tabea Häberlein wird als Tochter,Schwester und Mutter kooptiert, Philipp Schröder als deutscher Bru-

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der im Hof, Thomas Stodulka als Gründer und Aktivist in einem Netz-werk. Diese Rollen beinhalten soziale und finanzielle Verpflichtungenden anderen gegenüber, die sie meist freudig oder geduldig, manchmalauch frustriert erfüllen.

Was bedeutet die starke Involviertheit für die Forschung? Alle Auto-ren zeigen überzeugend, dass sie dadurch zu Erkenntnissen kommen,die ihnen sonst verwehrt geblieben wären oder die sie nur schwer hät-ten erlangen können. Über den Preis, den man dafür bezahlt, äußern siesich nur am Rande. Involviertheit bedeutet zeitlich, finanziell und emo-tional eine starke Inanspruchnahme der eigenen Person. Vor allem aberbedeutet sie ein eingeengtes soziales Feld. Einige Personen werden da-durch besonders zugänglich, andere aber verschließen sich. Diese Er-fahrung wird von Häberlein und Schröder kurz thematisiert. Bei Sto-dulka wird indirekt deutlich, dass er immer die Perspektive seiner anakConglak einnimmt, gelegentlich auch die der ausländischen Aktivisten,die mit ihnen zu tun haben. Aber die einheimische Gesellschaft kommtnur als Stigmatisierer und Marginalisierer, als Unterdrücker und alsVerweigerer von Hilfeleistungen in den Blick. Das kann man so tun,wenn man sich auf marginalisierte Gruppen konzentrieren will, diesonst keine Stimme und keine Rechte haben und denen man durch sei-ne Forschung eine Stimme gibt. Aber man muss sich darüber klar sein,dass das eine einseitige Sicht bedeutet. Bei Tabea Häberlein bestehtdieses Problem weniger, weil ihre Rolle im Rahmen einer von allen an-erkannten gesellschaftlichen Struktur verortet ist.

Die Autoren beschreiben und reflektieren ihre Rolle in der jeweiligenGruppe. Sie betonen, dass sie ihre Erkenntnisse eher informellen Ge-sprächen als systematischen Interviews verdanken. Man erfährt abernur gelegentlich (z. B. bei Stodulka), welcher Art diese Gespräche wa-ren und welche Erkenntnisse sich daraus gewinnen ließen. Dichte Teil-habe bedeutet nicht nur Sprechen und Zuhören sondern auch Sehenund Beobachten, Miterleben und Mitfühlen. Das wird gelegentlich an-gedeutet, aber man hätte darüber gerne mehr erfahren. Goffman ver-tritt eine Extremposition, wenn er sprachliche Äußerungen als irrele-vant bezeichnet. Aber er betont zu Recht, dass die teilnehmende Be-obachtung noch andere Möglichkeiten als die sprachliche Erfassungbietet. Das gilt umso mehr, wenn bei der untersuchten Gruppe Tunwichtiger ist als Quatschen (Schröder). Wie wirkt sich das auf die For-schungsmethoden aus? Und wie auf das Verfassen eines Textes? In mei-nem Aufsatz Arbeit zur Sprache bringen (Spittler 2014) behandle ichdas für das Thema Arbeit. Aber es handelt sich um ein allgemeinesProblem. „Die Schweigsamkeit des Sozialen“ stellt eine besondere He-rausforderung für das Erforschen und für das ethnographische Schrei-ben dar (Hirschauer 2001).

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In der klassischen Periode der Feldforschung gab es nicht nur dichteTeilnahme, sondern auch dichte Teilhabe. Ethnologen wurden in Ver-wandtschaftssysteme adoptiert und schlossen Freundschaften mit ih-ren „Schlüsselinformanten“. Vor allem gingen viele in eine Lehre. Sielernten und praktizierten den Beruf des Schmiedes, des Töpfers, desWebers, des Zauberers, des Schamanen und viele andere (Spittler2001). Dabei ging es primär nicht wie bei den hier vorliegenden Ethno-graphien um die Integration in ein Netzwerk, sondern um die Einfüh-rung in eine schwierige Arbeit. Es ging weniger um Verpflichtungenund Emotionen, sondern um Techniken.

Die Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts wurden manchmal alsUngläubige oder politische und wirtschaftliche Spione angesehen, siewurden aber auch öfters als medizinische Experten herangezogen. Inallen diesen Fällen wurden ihnen Rollen und Kompetenzen zugeschrie-ben, die ihre Forschung beeinflussten. Aber sie gingen in der Regel kei-ne engen sozialen Bindungen ein, wie es für die Autoren in diesem Bandkennzeichnend ist. Dafür war schon die Zeit, die sie an einem Ort ver-brachten, in der Regel zu kurz.

Einen Sonderfall stellen die Reisenden dar, die inkognito als freige-lassene europäische Sklaven (Caillié), als moslemischer Fernhändleroder sogar als islamische Gelehrte (Hornemann) reisten. Sie nahmen ei-ne vertraute Rolle für die lokale Gesellschaft ein. Dabei werden aberauch die Grenzen deutlich. Fragen ebenso wie freie Bewegung sind nurim Kontext der spezifischen Rolle möglich. Das gleiche gilt für das No-tizen machen. Schließlich läuft der inkognito Reisende auch immer Ge-fahr, enttarnt zu werden.

4.2 Wissenschaftlicher Habitus

Welche Rolle auch immer man diesen Fremden zuwies und wie starkauch immer ihre Teilhabe war, sie selbst verstanden und verstehen sichprimär als Wissenschaftler: als Entdecker und Forschungsreisende im19. Jahrhundert, als Ethnologen im 20. und 21. Jahrhundert. Aber washeißt das in der Praxis? Wissenschaftler arbeiten gewöhnlich in einerwissenschaftlichen Umgebung: in Labors und Bibliotheken, in Bürosund im häuslichen Arbeitszimmer. Sie tragen ihre Ergebnisse auf Ta-gungen vor und publizieren Artikel. Aber wie betreibt man Wissen-schaft in einem Feld, das auf Wissenschaft nicht eingestellt ist?

Am schwierigsten war das für die Forschungsreisenden des 19. Jahr-hunderts. Die wenigsten hatten eine wissenschaftliche Ausbildung wieHeinrich Barth, der bei Antritt seiner fünfjährigen Afrikareise promo-viert und habilitiert war und die antiken und arabischen Quellen kann-

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te. Aber im Feld, in einer Umgebung, die für diese Wissenschaft keinInteresse zeigt, konnte das verloren gehen, wie bei seinem BegleiterOverweg, obwohl er ausgebildeter Geologe war. Barth dagegen schufsich im Feld eine wissenschaftliche Umgebung: Er hatte eine kleineBibliothek bei sich, er trug seine Beobachtungen und Gespräche in No-tizbücher und Tagebücher ein und arbeitete diese zu längeren Berich-ten aus, die teilweise schon während seiner Reise in Deutschland undEngland publiziert wurden. Er zog sich zum wissenschaftlichen Arbei-ten in sein Zelt oder in ein Haus zurück. Er korrespondierte mit Wis-senschaftlern in Europa. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dasses weder Telefon noch eine regelmäßige Postverbindung gab. Die Brie-fe, Tagebücher und Berichte wurden mit Karawanen nach Tripolistransportiert und von dort nach Europa geschickt.

Die Gründerväter der ethnologischen Feldforschung im 20. Jahrhun-dert führten ihre Forschungen in einem kolonialen Kontext durch. Siehatten eine wissenschaftliche Ausbildung, die sie von den Missionaren,Verwaltungsbeamten und Händlern unterschied. Es gab regelmäßigeTransport- und Postverbindungen. Sie hatten eine wissenschaftlicheAusrüstung in ihrem Zelt oder Haus. Aber in mancher Hinsicht ähneltedie Forschung immer noch der des 19. Jahrhunderts. Es gab zwarSchiffsverbindungen, aber sie waren langsam und selten. Man konntenicht kurzfristig abreisen und zurückkommen. Die Forscher hatten imFeld keine Telefonverbindung.

Im Vergleich dazu und mehr noch im Vergleich zu den Reisenden des19. Jahrhunderts ist heute die wissenschaftliche Vernetzung auch imFeld sehr eng. Sie ist so selbstverständlich, dass sie von den drei Auto-ren gar nicht thematisiert wird. Sie alle reisen mit einer soliden wissen-schaftlichen Ausbildung aus. Sie fahren nicht mit einem Schiff zu ih-rem Reiseziel, sondern fliegen dorthin. Deshalb können sie ihre Aufent-halte aufteilen und wiederholt ausreisen. Und sie können im Feld auchleichter besucht werden: von wissenschaftlichen Betreuern und Kolle-gen, aber auch von Verwandten, Freunden und Partnern. Bei ihrenZwischenaufenthalten in der Heimat können sie ihre Ergebnisse mitanderen Wissenschaftlern diskutieren und ihre Lektüre ergänzen.

Jeder hat einen Laptop im Feld, auf dem er nicht nur Texte schrei-ben, sondern der auch eine ganze Bibliothek enthalten kann. Er hat inder Regel einen Internetzugang und damit große Recherchemöglichkei-ten und eine Email Verbindung mit seinen Supervisoren und anderenWissenschaftlern. Er besitzt ein Mobiltelefon und kann damit jederzeitberufliche und private Kontakte herstellen. Mit Hilfe von sogenanntensozialen Netzwerken („Facebook“) bleibt er mit zahlreichen Freundenvernetzt. Bei dieser sozialen Vernetzung mit der Heimat stellt sich dieFrage, wie groß die dichte Teilhabe im Feld noch sein kann oder wie-

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weit die letztere von der Teilhabe in Europa überlagert wird. Positivausgedrückt: Teilhabe ist heute breiter gestreut als früher. Man musssich nicht zwischen Heimat und Feld entscheiden. Die Autoren pflegeneine „distanzierte Nähe“ (Schröder). Die Gefahr eines going native istdaher gering.

Im Vergleich zu den Forschungsreisenden und der klassischen ethno-logischen Feldforschung bleiben die Forscher heute eng mit der Heimatverbunden. Wird dadurch die dichte Teilhabe im Feld behindert? Goff-man würde das sicher so sehen. „Cut your life to the bone“ lässt sich sonicht realisieren. Aber ist dies wirklich notwendig? Wenn die Forscherfrüher von der Heimat abgeschnitten waren, dann vielleicht wenigeraus freien Stücken, sondern aufgrund der Umstände. Dennoch bleibtdie Argumentation von Goffman bedenkenswert, dass ein Forscher sichstärker öffnet, wenn er keine private Rückzugsmöglichkeit hat. Er stehtmit diesem Argument nicht allein. Auch Evans-Pritchard bezweifeltaus den gleichen Gründen, ob es für den Ethnologen von Vorteil ist,wenn ihn seine Frau ins Feld begleitet (Evans-Pritchard 1978).

4.3 Texte

Es besteht bei den drei Autoren nicht die Gefahr, dass das wissen-schaftliche Ziel wie bei Overweg aus den Augen gerät oder dass maneher einen unterhaltsamen Reisebericht als ein wissenschaftlichesOuevre verfasst. Die Autoren sind im Feld, um sich mit einer Doktorar-beit wissenschaftlich zu qualifizieren. Das vergessen sie vielleicht we-niger leicht als frühere Feldforscher, die von der akademischen Weltstärker abgeschnitten waren. Die ständige Vernetzung zeigt sich in ih-rem wissenschaftlichen Sprachstil, der die Erzählung über die dichteTeilhabe häufig überlagert.

Der klassische Reisebericht sollte belehren und unterhalten. Im19. Jahrhundert stiegen die Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit.Heinrich Barth versuchte dem in seinen Reisen und Entdeckungen inNord- und Centralafrika (Barth 1857/58) dadurch gerecht zu werden,dass er seinen erzählenden Reisebericht mit Kapiteln zu systematischenethnographischen Informationen und historischen Rekonstruktionendurchsetzte. Aber schon die schiere Länge der fünf Bände mit 2500 Sei-ten verhinderte einen literarischen Erfolg. Andere versuchten den Wi-derspruch dadurch zu lösen, dass sie ihre Ergebnisse in zwei Genresaufteilten. Die französische „Mission saharienne“ war die größte fran-zösische Expedition, die im 19. Jahrhundert ausgeschickt wurde. Siereiste Ende des 19. Jahrhunderts von Alger über den Tschadsee bis zumKongo. Die wissenschaftlichen Ergebnisse wurden in zwei voluminösen

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Folienbänden als Documents scientifiques de la Mission saharienne(Foureau 1905) veröffentlicht. Die Abenteuer und Erlebnisse der Reisewurden schon drei Jahre zuvor in einem Reisebericht veröffentlicht:D’Alger au Congo par le Chad (Foureau 1902).

Die writing culture-Debatte der 80er Jahre des 20. Jahrhundertsbrachte diese Fragen erneut zu Bewusstsein. Sie zeigte, wie stark dieklassischen ethnographischen Monographien literarischen Regeln ge-horchten. Interessanterweise handelt es sich aber bei den klassischenEthnographien nicht um Dissertationsprojekte. Liest man die Disserta-tionen von Malinowski, Mead, Evans-Pritchard, Firth oder Richards,die heute nur noch Spezialisten bekannt sind, dann wundert man sichüber die dünne Ethnographie. Erst die dichte Teilnahme bei ihrer Feld-forschung ermöglichte es ihnen, eine lebendige Monographie zu schrei-ben. Wichtig war aber auch, dass es sich bei diesen Monographien nichtum Qualifikationsarbeiten handelt, die bestimmten Normen gehorchenmüssen.

Street Corner Society bildet insofern eine Ausnahme, als es sich hierum eine Dissertation handelt. Aber gerade an diesem Beispiel lässt sichdie Problematik gut zeigen. Rückblickend zeigt Whyte in einem Nach-trag („Getting Street Corner Society accepted as a Doctoral Thesis“),welche Probleme er dabei hatte. Wenn Street Corner Society oder DieArbeitslosen von Marienthal ein Publikumserfolg wurden, dann lag esauch daran, dass die Autoren (William Foote Whyte bzw. Marie Jaho-da) literarische Ambitionen hatten und entsprechend begabt waren.

Auch die dichte Teilhabe der Autoren dieses Heftes verspricht einespannende Lektüre über fremde Lebenswelten. Aber können diese Ver-sprechungen eingelöst werden? Die Akademisierung der ethnologischenArbeiten ist heute ungleich stärker als vor 100 Jahren. Sie ist auch des-halb ausgeprägter, weil trotz aller dichten Teilhabe im Feld die wissen-schaftliche Vernetzung durchgängig erhalten bleibt und die Texte be-stimmt. In den vorliegenden Aufsätzen der drei Autoren werden nichtdie Dissertationen in ihrer Länge präsentiert, sondern Aufsätze zur Me-thode. Hier überwiegt naturgemäß die begriffliche und theoretischeDiskussion. Aber auch dabei gibt es die Möglichkeit, sich stärker an ei-ner „dichten Beschreibung“ (Geertz) oder an wissenschaftlichen Ab-straktionen zu orientieren. Interessanterweise wird zumindest in einemBeitrag (Stodulka) eine Trennung zwischen Ethnographie und Analysevorgenommen, eine Lösung, wie sie schon im 19. Jahrhundert mancheForschungsreisende praktizierten.

Wenn ich hier Vorbehalte gegenüber einem exzessiven wissenschaft-lichen Jargon oder gegenüber name dropping äußere, dann geht es da-bei nicht um Theoriefeindlichkeit. So wie die Klassiker der Feldfor-

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schung bin ich der Auffassung, dass man nicht voraussetzungslos eineteilnehmende Beobachtung durchführen soll oder auch kann, sonderndass man mit einer Kenntnis der theoretischen Debatten ins Feld reisensollte. Kenntnis bedeutet aber nicht, dass man alles, was man gelesenhat, ausbreitet und dadurch die Gefahr besteht, dass die Erfahrungender sozialen Teilhabe überdeckt werden.

4.4 Zeitliche Strukturierung der Feldforschung

In seinem Exkurs über den Fremden unterscheidet Georg Simmelden Fremden als Wanderer, „der heute kommt und morgen geht“ vomFremden, „der heute kommt und morgen bleibt“ (Simmel 1923: 509).„Die Reisebekanntschaft … entwickelt oft eine Intimität und Offenher-zigkeit, für die eigentlich kein innerer Grund zu finden ist. Hierzu er-scheinen mir drei Veranlassungen zusammenzuwirken: die Gelöstheitvon dem gewohnten Milieu, die Gemeinsamkeit der momentanen Ein-drücke und Begebnisse, das Bewußtsein des demnächstigen und defini-tiven Wieder-auseinander-Gehens“ (ebd.: 500).

Reisebekanntschaften waren vor allem bei den Forschungsreisendenhäufig. Vor allem Barth hat die Simmelschen Prinzipien für seine For-schungen genutzt. Aber man kann das deshalb kaum zum Forschungs-prinzip erheben. Mit gutem Grund wird von Ethnologen eine einjährigeForschungszeit als Standard gefordert. Die drei Autoren haben alle we-sentlich länger geforscht. Während man bei der klassischen Feldfor-schung ein Jahr lang dauerhaft an einem Ort blieb, sind heute mehrereAufenthalte mit Unterbrechungen die Regel. Das Fliegen macht dasmöglich und erlaubt so eine zeitweilige Distanzierung zum Feld.

So sieht heute die Praxis bei Dissertationsprojekten aus. Wäre es bes-ser, noch länger zu forschen? Das zeigen die drei Autoren selbst. TabeaHäberlein forschte in Asséré zwischen 2006 und 2010. Philipp Schröderreist seit 2007 mindestens einmal jährlich nach Kirgistan. Thomas Sto-dulka erwähnt Aufenthalte in Yogyakarta zwischen 2001 und 2009. Vorallem bei ihm wird deutlich, welche neuen Einsichten sich daraus erge-ben, wenn die Lebensläufe einzelner über eine so lange Zeit verfolgtwerden.

Im Rahmen eines Dissertationsprojektes sind hier die Grenzen er-reicht, wenn nicht schon überschritten. Wie sieht es außerhalb aus? Ta-bea Häberlein weist auf die Gefahr einer jahrzehntelangen Forschunghin. Darin steckt ein Körnchen Wahrheit. Aber eben nur ein Körnchen.Die Vorteile langer und wiederholter Forschungen überwiegen. Ich ha-be bei den Kel Ewey Tuareg von Timia in einem Zeitraum von 30 Jah-ren geforscht. Ich reiste fast jedes Jahr dorthin. Es waren lange, einjäh-

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rige Aufenthalte darunter und auch kürzere. Das erlaubte nicht nur dieForschung über ganz unterschiedliche Fragestellungen und die Verfol-gung von Lebensläufen über eine lange Zeit, sondern schloss auch dieUntersuchung von unvorhersehbaren Ereignissen – in diesem Falle eineDürre und Hungerkrise – ein, die die Routine durchbrechen und einvöllig neues Licht auf die Gesellschaft werfen.

Lange Dauer, das ist nicht nur ein Postulat für die Feldforschung,sondern auch für die Wissenschaftsgeschichte. In einer groben Eintei-lung können wir die teilnehmende Beobachtung der Forschungsreisen-den im 19. Jahrhundert, der klassischen ethnologischen Feldforschungim 20. Jahrhundert und der Feldforschung des ausgehenden 20. unddes 21. Jahrhunderts in einer globalen Welt unterscheiden. Die For-schungsreisen im 19. Jahrhundert und die Feldforschung des 21. Jahr-hunderts haben gemeinsam, dass die Forscher beweglich sind und dasssie ihre Forschungen unter vor- bzw. nachkolonialen Bedingungendurchführen. Die Forschung des 21. Jahrhunderts unterscheidet sichvon der klassischen Feldforschung und mehr noch von den Forschungs-reisen des 19. Jahrhunderts, weil sie in einer globalisierten Welt statt-findet und die Vernetzung zwischen Feld und Heimat aufgrund neuertechnischer Bedingungen sehr groß ist. Sie wird mehr denn je durchdas Dissertationsprojekt als dominante Form bestimmt, da die Habili-tation an Bedeutung verliert und die Professoren immer weniger Zeitfür lange Feldforschung haben.

Gemeinsam bleibt den drei Phasen, dass sie als teilnehmende Be-obachtung, als dichte Teilnahme und dichte Teilhabe ihre wissen-schaftlichen Ergebnisse primär nicht distanziert als Experiment, nicht-teilnehmende Beobachtung, aufwendige Aufzeichnungsgeräte und ela-borierte Interviewtechniken gewinnen, sondern durch möglichst großeNähe zu ihrer Untersuchungsgruppe. Die drei Autoren dieses Sociolo-gus-Heftes sind dafür ein gutes Beispiel. Sie stehen nicht nur in derTradition der teilnehmenden Beobachtung, sondern entwickeln dieseweiter.

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Whyte, William F. 1943. Street Corner Society. Chicago: University of ChicagoPress.

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