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Die Bedeutung von Feststoffhaushalt und Sedimentdurchgängigkeit für eine nachhaltige Nutzung der Wasserkraft; The importance of sediment regime and continuity for a sustainable use

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354 Die Bedeutung von Feststoffhaushalt und Sedimentdurchgängigkeit für eine nachhaltige Nutzung der Wasserkraft

Zusammenfassung Der Feststoffhaus-halt und die Sedimentdurchgängigkeit von Flüssen sind bedeutende Themen-felder aus wasserbaulicher und ökologi-scher Sicht, wie beispielsweise anhand der Problematik der sich eintiefenden Donausohle östlich von Wien ersichtlich ist. Der unausgeglichene Feststoffhaus-halt wird unter anderem durch Kontinu-umsunterbrechungen verursacht – dazu zählen zum Beispiel Wehranlagen und Stauhaltungen von Wasserkraftwerken. Letztere sind in diesem Zusammenhang vor allem vom Problem der Stauraumver-landung betroffen, das Einschränkungen der energiewirtschaftlichen Produktion und eine Beeinträchtigung der Hoch-wassersicherheit mit sich bringen kann. Um der Stauraumverlandung entgegen-zuwirken, werden Maßnahmen im Ein-zugsgebiet, im Stauraum oder am Stau-bauwerk getroffen, die eine Optimierung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit erfordern. Hier finden physikalische Modellver-suche bzw. ein- und mehrdimensionale Feststofftransportmodelle immer häufi-ger Anwendung. Wichtige Fragen in die-sem Zusammenhang betreffen die Ver-fügbarkeit und Qualität der notwendigen Messdaten sowie die Modellwahl. Gene-rell gibt es in diesem Bereich noch offe-ne Forschungsfragen. Aus ökologischer Sicht ist das Vorhandensein von kiesi-gem Sohlsubstrat für die Reproduktion bestimmter Fischarten unerlässlich, wes-halb die Frage des Sedimentkontinuums

bei der Neuerrichtung bzw. beim Umbau bestehender Wasserkraftwerke berück-sichtigt werden sollte. Problemstellun-gen und Forschungsbedarf in diesen Bereichen werden derzeit im nationalen Projekt SED_AT und EU-Projekt SedAlp behandelt. Ein vorgeschlagener Lösungs-ansatz basiert auf einer integralen Was-serwirtschaft, wo eine Optimierung des Stauraummanagements aus technischer, ökonomischer und ökologischer Sicht unter Einbeziehung der verschiedenen betroffenen Stakeholder erfolgt und der andererseits die vielfältigen natürlichen Prozesse (Erosion, Transfer, Sedimenta-tion, Remobilisierung) involviert.

The importance of sediment regime and continuity for a sustainable use of hydroelectric power

Abstract The sediment regime and con-tinuity in rivers are essential consider-ations from both river engineering and ecological standpoints, as can be seen e.g. in the problems concerning the riverbed degradation of the Danube east of Vienna. The imbalanced concentration of solids is caused e.g. by disruptions in flow, which include weirs and the res-ervoirs of hydroelectric power plants. In this context, the latter are above all af-fected by the problem of reservoir sedi-mentation, which can be detrimental to both energy production and flood pro-tection. In order to counteract this sedi-mentation, measures are undertaken in the catchment area, in the reservoir or at the damming structure, which have to be optimized regarding their effectivity. In this regard, experimentation involving physical models, one-dimensional and multi-dimensional sediment transport models is becoming increasingly popu-lar. Key questions that arise here con-cern the quality and availability of nec-essary measurement data, as well as the choice of model, and generally speaking

a number of research questions remain open. From an ecological standpoint, a gravelly riverbed substrate is vital to the reproduction of certain fish species, which explains why the question of sedi-ment continuity needs to be taken into account when new hydroelectric power plants are to be built or older ones are to be renovated. The (Austrian) nation-al project SED_AT and the EU project SedAlp are currently working to identify key problems and research needs. One proposed approach is based on integral water resource management, in which the technical, economic and ecological optimization of reservoir management addresses the needs of the various stake-holders on the one hand, and includes the broad range of relevant natural pro-cesses (erosion, transfer, sedimentation, remobilization) on the other.

1. Bedeutung von Feststoffhaushalt und Sedimentdurchgängigkeit

Die Bedeutung des Feststoffhaushalts und der Sedimentdurchgängigkeit ist vielseitig. Aus flussmorphologischer Sicht sind der Transport, die Umlagerung und Sedimentation sowie Remobilisierung von Feststoffen im Flussschlauch und der Austausch (Ein- und Austrag) mit den Vorländern natürliche Phänomene eines sich im dynamischen Gleichgewicht befindenden Fließgewässers. Anthropo-gene Eingriffe in den Feststoffhaushalt, wie z.  B. eine Einschränkung des Sedi-menttransports durch Querbauwerke (Verringerung bis Unterbindung des Sedimentkontinuums) führen zu einer zunehmenden Beeinflussung des Fluss-systems. Eine Unterbrechung des Längs-kontinuums durch Wehranlagen von Laufkraftwerken kann langfristig negative Auswirkungen wie z. B. Sohleintiefungen flussab der Wehre nach sich ziehen. Die kontinuierliche Eintiefung der Donau-sohle östlich von Wien zeigt z. B. die Pro-

Österr Wasser- und Abfallw (2013) 65:354–361 DOI 10.1007/s00506-013-0108-0

Die Bedeutung von Feststoffhaushalt und Sedimentdurchgängigkeit für eine nachhaltige Nutzung der WasserkraftHelmut Habersack · Beatrice Wagner · Angelika Schoder · Christoph Hauer

Univ.-Prof. DI Dr. H. Habersack () · DI B. Wagner · A. Schoder · DI Dr. C. HauerDepartment Wasser – Atmosphäre – Umwelt, IWHW – Institut für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau, Christian Doppler Labor für Innovative Methoden in Fließgewässermonitoring, Modellierung und Flussbau, Universität für Bodenkultur Wien, Muthgasse 107, 1190 Wien, ÖsterreichE-Mail: [email protected]

Online publiziert: 4. September 2013© Springer-Verlag Wien 2013

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blematik. Trotz Zugabe von Kies durch Verbund-AHP (im Mittel ca. 200.000  m3 pro Jahr) liegt der mittlere Materialaus-trag pro Jahr bei 360.000  m3 (Strom-km 1880,0–1921,0). Das fehlende Gleich-gewicht zwischen Ein- und Austrag von Feststoffen in und aus der Staustrecke führt, kombiniert mit Auswirkungen der Regulierung und einer rückschreiten-den Erosion, trotz Zugabe zu einer Sohl-erosion von ca. 2 cm im Jahr (Mittelwert 2005–2009, Habersack et al. 2009).

Neben den wasserbaulichen Aspekten eines erhöhten Erosions- bzw. Versagens-risikos von Bauwerken, die im Bereich von Böschungen/Sohle fundieren, ist das fehlende Sedimentkontinuum als wesentlich für die Verschlechterung des ökologischen Zustands der Fließgewäs-ser anzusehen (weniger Sedimenteintrag führt zu einem Sedimentdefizit der be-trachteten Strecke, in weiterer Folge zu Eintiefungstendenzen, Verlust dynami-scher Schotterbänke und Gewässerstruk-turen und einer Verschlechterung z. B. der Laichplatzqualität). An der Donau östlich von Wien drohen negative ökologische Folgen für den Nationalpark Donau-Auen (Absinken des Grundwasserspiegels, Ent-kopplung Au – Flusssohle, Trockenlegung der Seitenarme etc.; Habersack, et al. 2008, 2012a). Maßnahmen wie z.  B. Ge-wässeraufweitungen oder Maßnahmen zur Geschiebebewirtschaftung fördern Annäherungen des Feststofftransports an die natürlichen Verhältnisse (Habersack et al. 2012a). Dadurch können etwaige Sohleintiefungen, Bauwerksunterspülun-gen im Unter Spülungen die Mortalität möglichst wasser, Gefährdungen von wertvollen Bauwerken wie Brückenpfei-lern oder ufernahen Infrastruktureinrich-tungen verhindert werden.

Langfristige negative Entwicklungen im Bereich der Morphologie haben die bereits angesprochenen problematischen Folgen für den Hochwasserschutz, wenn z. B. bei sich eintiefenden Flüssen die Ver-werfungsgefahr infolge nicht mehr aus-reichend stabiler Ufersicherungen größer wird (sh. auch FloodRisk). Andererseits prägen Hochwässer sehr wesentlich die Flussmorphologie und führen zu starken morphodynamischen Veränderungen (Krapesch et al. 2009). Das bedeutet, dass Maßnahmen zur Verbesserung des öko-logischen Zustands nicht unabhängig von den geomorphologischen und sedimen-tologischen Eigenschaften des Flusses ausgewählt und geplant werden können (Abb.  1). Ein Hochwasser kann ausrei-chen, dass sich der kurzfristig biologisch festgestellte Erfolg von nicht ausreichend

überlegten Rückbaumaßnahmen zur Ver-besserung des ökologischen Zustands ins Gegenteil verkehrt.

Gestaltungsmaßnahmen können ero-diert oder zugeschottert werden und damit sind solche Investitionen nicht nachhaltig erfolgreich. Die Flussmorphologie ihrer-seits hängt stark vom übergeordneten Feststoffhaushalt ab. Tendenziell leiden viele der österreichischen Flüsse lang-fristig an einem Geschiebedefizit. Dieses entsteht bereits im Einzugsgebiet, wo ins-besondere durch Rückhaltesperren im Rahmen des Schutzes vor Naturgefahren und durch Speicher der Wasserkraftanla-gen etc. Geschiebe zurückgehalten wird. Dazu kommen noch die Regulierungs-maßnahmen, die eine Gefällserhöhung, Breitenreduktion und Verhinderung von Seitenerosion ergaben, sodass sich die Transportkapazität erhöht und nur mehr Tiefenerosion möglich ist.

2. Feststoffhaushalt und Wasserkraftnutzung

Neben dem Problem des oft fehlenden Sedimentkontinuums führen sowohl bei (Pump-) Speicherkraftwerken als auch bei Laufkraftwerken Ablagerungen von Sedimenten im Stauraum zu einer Reduzierung des Stauraumvolumens (De Cesare et al. 2001; Schleiss et al. 2010). Dies führt zu Einschränkungen der ener-giewirtschaftlichen Produktion bzw. bei Laufkraftwerken zu einer Reduktion

der Abfuhrkapazität und somit zu einer Erhöhung des Risikos von monetären Schäden im Falle von außergewöhnli-chen Hochwasserereignissen. Die Menge der eingetragenen Feststoffe ist von einer Vielzahl an Faktoren abhängig (Einzugs-gebiet, Geologie, Lage des Kraftwerks etc.). Während bei Laufkraftwerken die geringe Fließgeschwindigkeit in Stau-räumen zur Sedimentation von Fest-stoffen führt (Badura et al. 2007), basiert die Stauraumverlandung der hoch gele-genen Speicherseen vor allem auf dem Eintrag von Feinsediment (Schleiss et al. 2010). In beiden Fällen wird durch die zunehmende Verlandung das energie-wirtschaftlich nutzbare Volumen sukzes-sive verringert (siehe Speicher Großsölk). Die daher in regelmäßigen Abständen durchgeführten Stauraumspülungen zur Erhöhung des Stauraumvolumens kön-nen wiederum negative ökologische Aus-wirkungen als Folge haben. So kann ein enorm erhöhter Schwebstoffeintrag im Gewässer zu akuter Sauerstoffzehrung, mechanischer Störung der Kiemen und Haut von Fischen, Verlust von Habita-ten (Ablagerungen) sowie einer mögli-chen Zerstörung von Laichplätzen durch Versiegelung führen (Jungwirth et al. 2003). Grundsätzlich gibt es viele Mög-lichkeiten des Stauraummanagements betreffend Feststoffdurchgängigkeit, wobei u.  a. eine Optimierung zwischen technischen, ökonomischen und öko-logischen Kriterien erforderlich ist. Es

Abb. 1 Darstellung der Topografie Österreichs in Verschneidung mit GIS-Stand-orten der Kleinwasserkraftwerke Österreichs (von insgesamt 5240 Kraftwerken in Österreich; Habersack et al. 2011b; Habersack et al. 2012c); hervorgehoben sind Unterschiede an Kleinwasserkraftstandorten hinsichtlich geomorphologischer und sedimentologischer Eigenschaften

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besteht noch großer Forschungsbedarf, um eine Verbesserung des Stauraumma-nagements hinsichtlich Sedimentdurch-gängigkeit oder zumindest Verringerung der Sedimentation zu erreichen. Ins-besondere bei Kleinwasserkraftwerken besteht aufgrund der geringen Fallhö-hen, Ausführung der Wehranlagen etc. häufig eine geringere Unterbrechung des Feststoffkontinuums.

Maßnahmen zur Reduktion der Stau-raumverlandung sind vielfältig und vari-ieren in Abhängigkeit von Kraftwerkstyp, Stauraumgeometrie und Verlandungs-grad. Sie können im Einzugsgebiet, im Stauraum oder am Staubauwerk erfolgen (Schleiss et al. 2010). Im Allgemeinen sind nur Maßnahmen im Einzugsgebiet präventiv. Hier sind solche vorzuziehen, die den Sedimentanfall reduzieren. Dazu zählen der natürliche Feststoffrückhalt infolge erosionshemmender, hangsta-bilisierender Bepflanzungen oder eine angepasste Landnutzung. Weitere ein-zugsgebietsbezogene Maßnahmen sind technische Rückhaltemaßnahmen, wie Wildbachverbauungen, Geschieberück-haltebecken oder Kiesfänge. Dabei sollte aber das Gesamtsystem mitbetrachtet

werden, insbesondere ein mögliches Ge-schiebedefizit flussab, welches eigent-lich reduziert werden sollte. Ein weiterer Ansatz, der in alpinen Regionen und bei großen Kraftwerken Anwendung fin-det, basiert auf der Idee, den direkten Sedimenteintrag in den Speicher durch Wasserüberleitungen aus Stauseen in be-nachbarte Einzugsgebiete zu minimie-ren. Diese Vorgehensweise ist jedoch aus ökologischer Sicht zu überprüfen. Auch Vorbecken und Vorsperren im Haupt-zuflussbereich zum Speicher zählen zu dieser Maßnahmengruppe (Schleiss et al. 2010). Die unter der englischen Bezeichnung „by-passing“ bekannten Umleitungs- und Spülstollen, die das se-dimentbeladene Wasser am Speicher vor-beileiten und unterhalb der Hauptsperre wieder dem Fluss zuführen, werden so-wohl zu den Maßnahmen im Einzugs-gebiet als auch zu jenen im Stauraum gezählt, je nachdem, ob sich das Einlauf-bauwerk im Zuflussbereich oder direkt beim Speicher befindet. Im zweiten Fall kann aber eine teilweise Sedimentation im Speicher nicht verhindert werden. Beide Konstruktionstypen erfordern die Errichtung eines Wehrs oder einer Leit-

wand im Bereich des Einlaufs (Schleiss et al. 2010; Boes 2011).

Die Gruppe der Maßnahmen im Stau-raum sowie jene am Staubauwerk um-fassen retroaktive Maßnahmen mit dem Ziel, die Stauraumverlandung (teilweise) zu beseitigen oder deren negative Aus-wirkungen zu begrenzen. Zu den be-kanntesten zählen die mechanische und hydraulische Räumung. Bei Ersterer wird mittels konventioneller Räumungsma-schinen gebaggert. Dies kann bei vollem oder abgesenktem Stauraum, vom Ufer oder von Schiffen aus erfolgen. Bei der hydraulischen Räumung wird das Sedi-ment aus dem Stauraum gespült, was aber negative ökologische Auswirkungen flussab sowie eine Unterbrechung der Stromproduktion zur Folge hat (Schleiss et al. 2010; Boes 2011).

Erfolgt die Stauraumspülung unter Druck, ist keine komplette Absenkung des Wasserspiegels im Stauraum erfor-derlich und somit die Auswirkung auf das nutzbare Speichervolumen gering. Durch Bildung eines lokalen Erosionstrichters können zudem Einlaufbauwerke von Sedimentablagerungen befreit werden. Weitere häufig angewandte Maßnahmen

Abb. 2 Optimierung des Stauraummanagements aus a technischer, b ökonomischer und c ökologischer Sicht. (Habersack et al. 2002)

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im Staubereich bzw. am Staubauwerk betreffen die Beherrschung von Trübe-strömen, also stark sedimenthaltigen Wassermassen. Am bekanntesten ist hier das Durchschleusen von Trübeströmen durch den Grundablass. Sind die konst-ruktiven Rahmenbedingungen vorhan-den, besteht auch die Möglichkeit, das sedimentbeladene Wasser bei entspre-chender Verdünnung durch kontrollier-tes Turbinieren aus dem Stauraum zu transportieren. Eine weitere Möglichkeit ist, Trübeströme und Sedimentablage-rungen im Stauraum mithilfe von Bar-rieren zu kontrollieren. Hierfür kommen u. a. Dämme, Mauern, Geotextilvorhänge oder Wasser- bzw. Luftstrahlen zum Ein-satz. Ebenfalls kann das Stauraumvolu-men durch Überbemessung bereits in der Planungsphase einen Auffangraum bereitstellen. Verlanden die Auslass-organe und fehlt die Möglichkeit einer Stauraumspülung, können diese auch höhergelegt werden. Ebenso kann zur Vergrößerung des Nutzvolumens die Tal-sperre nachträglich erhöht werden. Dies wird jedoch als wenig nachhaltig ange-sehen, da es lediglich zu einer zeitlichen Verzögerung der Verlandungsproblema-tik führt (Schleiss et al. 2010; Boes 2011).

Angesichts des breiten Spektrums an möglichen Maßnahmen gegen die Stau-raumverlandung ist eine Optimierung des Feststoffmanagements nötig, bei dem technische, ökonomische und öko-logische Gesichtspunkte abzuwägen sind (Abb. 2 und 3, Habersack et al. 2002). Aus technischer Sicht ist in Abb. 2a erkennbar, dass die Spüleffizienz F

e eine wesentliche

Voraussetzung für die Stauraumspülung ist. Wird zu häufig gespült, befinden sich

anteilsmäßig zu wenige Sedimente im Stauraum und die Effizienz sinkt stark ab, umgekehrt gibt es bei Vollfüllung des Stauraums mit Sedimenten mitunter kei-ne Spülmöglichkeit mehr. Ökonomische Auswirkungen der Spüldauer auf die ent-gangene Energieerzeugung sieht man in Abb.  2b, woraus die Kürze der Spülung als Ziel abzuleiten ist. Aus ökologischer Sicht kann der Stressindex verwendet werden, um z.  B. die Fischmortalität als Konsequenz der Feststoffkonzentration und -dauer zu erfassen, mit dem Ziel, bei Spülungen die Mortalität möglichst gering zu halten (Abb. 2c). In Abb. 3 wird schematisch die Funktionalität des Stau-raummanagements dargestellt. Dort, wo Dichteströmungen möglich sind, haben sie sowohl technisch als auch ökonomisch und ökologisch Vorteile, da weniger Sedi-mentation eintritt (Durchschleusen bei Hochwässern), kein Abstau erforderlich ist und die Konzentration und Dauer na-hezu den natürlichen Bedingungen bei Hochwässern entsprechen. Spülungen zeigen häufig vergleichsweise geringere Funktionalitäten, wobei je nach Stau-raum ein optimales Spülintervall gefun-den werden muss und zu große Intervalle vermieden werden müssen, um tech-nische Störungen wie Verlegung des Grundablasses zu verhindern.

Möglichkeiten, um vor allem integra-tive Lösungen zu erarbeiten, bieten phy-sikalische Modellversuche bzw. ein- und mehrdimensionale hydrodynamisch-nu-merische (Feststofftransport-)Modelle.

Allgemein ist die Energiewirtschaft gefordert, bei neuen Planungen und An-passungen der Sedimentdurchgängigkeit stärkeres Gewicht zu geben. Dazu gehört

auch die Entwicklung von Planungskri-terien und Maßnahmen, die eine Opti-mierung von Anlagen z. B. im Bereich der Wasserkraft hinsichtlich Verbesserung des Sedimentkontinuums ermöglichen und gleichzeitig die vorgesehenen Nut-zungen der Anlagen zulassen.

3. Messungen und Modellierungen des Feststofftransports

Generell gewinnt der Feststofftransport für die Wasserkraftnutzung an Wichtig-keit, denn es sind technische Aspekte wie Stauraumverlandung oder Hoch-wasserbeeinflussung bis zu ökologischen Themen (z.  B. Lebensraumveränderung) damit verbunden. Für die Berücksichti-gung des Sedimenttransports und mor-phodynamischer Prozesse in der Planung und in weiterer Folge im Betrieb von Wasserkraftanlagen sind Messdaten von transportierten Feststoffen im jeweiligen Fließgewässer von besonderer Bedeu-tung. Diese Daten dienen vor allem als Grundlage für die Anwendung von ein-dimensionalen bzw. mehrdimensionalen Feststofftransportmodellen, welche in den wasserbaulichen Planungen immer häufiger verwendet werden (Habersack et al. 2011a). Der Datenbedarf für die Anwendung dieser Modelle setzt sich vor allem aus (gewässer-)morphologi-schen, hydraulisch/hydrologischen und sedimentologischen Daten zusammen, wobei die Datenverfügbarkeit bzw. -qua-lität der morphologischen/sedimento-logischen Daten meist als limitierend anzusehen ist. Die Verfügbarkeit von his-torischen Aufzeichnungen/Messungen über Veränderungen der Gerinnegeo-metrie besitzt einen hohen Stellenwert für die Kalibrierung bzw. Validierung von Sedimenttransportmodellen, da nur mit kalibrierten Modellen Aussagen über zukünftige Entwicklungen der Gewäs-sermorphologie (Prognose) getroffen werden können. Als Grundlagen für die morphologische Beschreibung eines Fließgewässers dienen Vermessungen in Form von Querprofilen bzw. auch flächige Sohlgrundaufnahmen (z.  B. Single-/Multibeam-Messungen). Weiters sind Kenntnisse über mögliche anthropogene Eingriffe notwendig. In der Modellierung selbst gilt es, den transportwirksamen Bereich abzugrenzen bzw. zu definieren und sämtliche Bauwerke im Untersu-chungsgebiet geometrisch zu erfassen. In der wasserwirtschaftlichen Praxis müs-sen bei Neuplanungen bzw. baulichen Veränderungen bestehender Wasser-kraftanlagen Nachweise über mögliche

Abb. 3 Funktionalität des Stauraummanagements in Relation zum Spülintervall. (Habersack et al. 2002)

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Beeinflussungen des HQ30

- bzw. HQ100

-Abflusses erbracht werden (z.  B. Ände-rung des Wasserspiegels), wodurch in der Modellerstellung auch der Vorland-bereich geometrisch dokumentiert wer-den muss. Dies erfolgt meist in Form von (ausgedünnten) Laserscan-Daten, die für den Modellanwender von mehrdimen-sionalen Simulationsprogrammen eine hochauflösende Darstellung der Über-flutungsflächen liefern. Neben diesen gemessenen Daten können auch soge-nannte „abgeleitete“ Daten in Projekten berücksichtigt werden, welche sich auf historische Karten, Aufzeichnungen nach Hochwässern, Instandhaltungsberichte, Luftbilder und Fotos beziehen. Die Daten-qualität spielt hier eine besondere Rolle, da z. B. kurze Beobachtungszeiträume ein Grundproblem in der Analyse von mögli-chen Sohlveränderungen, die außer bei Hochwässern relativ langsam ablaufen, darstellen. Um feststoffrelevante Model-lierungen umsetzen zu können, ist die Kenntnis über den Sohlaufbau, der sich in Deck- und Unterschicht untergliedert, Grundvoraussetzung. Eine repräsenta-tive Probenentnahme ist hier wesent-lich, wobei vor allem auf möglichst viele räumlich verteilte Proben aus Deck- und Unterschicht, auf die Aufnahme der Sohle in Randbereichen und im Nahbereich von Einmündungen bzw. auf ausreichende Probenanzahl auf dynamischen Kiesbän-ken und Transportkörpern zu achten ist.

Neben der Kalibrierung der modellier-ten Wasserspiegellagen/Fließgeschwin-digkeiten für bestimmte Durchflüsse (z. B. MQ) ist die Kenntnis des Feststoff-zuflusses in Menge und Zusammenset-zung als Funktion der Durchflussgröße für das oberstromige Ende des Bearbei-tungs-/Modellierungsgebiets Grundvo-raussetzung für die Anwendung von (mehrdimensionalen) Sedimenttrans-portmodellen. Zusätzlich zu diesen Infor-mationen sind für die Planung bzw. den Um- und Neubau von Wasserkraftanlagen Kenntnisse über Kiesentnahmen oder Geschiebedepots bzw. der Feststoffhaus-halt im Jahresverlauf – aufgeschlüsselt nach Menge und Dauer – wünschens-wert. Die gesamte Feststofffracht beinhal-tet im Wesentlichen das an der Sohle transportierte Geschiebe und die in der Wassersäule transportierten Schwebstof-fe, wobei der Grenzkorndurchmesser für die Trennung zwischen Geschiebe und Schwebstoff in Abhängigkeit vom Durch-fluss variiert. Die Aufzeichnung des Ge-schiebeeintrags bzw.-austrags kann in einer Gewässerstrecke über direkte oder indirekte Geschiebemessungen bzw.

über Massenbilanzierungen erfolgen. Als „abgeleitete“ Daten wären hier beispiels-weise Geschiebepotenziale zu nennen. Direkte Messmethoden für das Geschie-be sind z. B. Beprobungen mittels mobi-ler Geschiebefänger (z.  B. Helley-Smith) oder mittels stationärer Geschiebefallen (Abb. 4). Jüngst wird auch die Telemetrie zum Verfolgen von Einzelsteinen einge-setzt. Als indirekte Messmethoden sind die Aufzeichnungen und Analysen von Geophonanlagen zu erwähnen, welche die räumliche (z. B. querschnittsbezogen) und zeitliche Variabilität des Geschiebe-transports dokumentieren. Qualitativ hochwertige Geschiebemessdaten kön-nen nur durch Umsetzung einer integra-tiven Geschiebemessung, bestehend aus direkten und indirekten Messmethoden, erreicht werden. Zum Geschiebetrans-port sind derzeit in Österreich einzel-ne Pilotanlagen mit Möglichkeiten der simultanen Messung (direkt und indi-rekt, Abb.  4) im Einsatz (z.  B. Drau, Isel, Donau, Urslau, Rofener Ache), wobei ein Messnetzausbau bzw. die Veröffentli-chung der Geschiebedaten im Hydrogra-

phischen Jahrbuch in Zukunft geplant ist. Zusätzlich werden projektsbezogen als Planungsgrundlage Geschiebemessun-gen durchgeführt (z.  B. von der TIWAG an der Ruetz in Tirol). Zum Schwebstoff-transport gibt es seit 2008 erstmals in Österreich Daten im Hydrografischen Jahrbuch, wobei das Basismessnetz der-zeit 34 Pegelstationen umfasst (darüber hinaus erfolgen z. B. bei Stauraumspülun-gen Messungen, wozu z.  B. der Verbund eine Vielzahl an Schwebstoffmessstellen betreibt).

Aufbauend auf diesen notwendigen Messdaten stellt sich für den/die Anwen-der/in von Sedimenttransportmodellen grundsätzlich die Frage der Modellwahl, wobei hier eine Unterscheidungsmög-lichkeit in der Dimensionalität des Mo-dells besteht. Schätz- und Bilanzverfahren werden als 0-dimensional bezeichnet und sind somit nicht direkt als numerisches Modell anzusprechen. Die Verwendung von 1-dimensionalen Feststofftrans-portmodellen ermöglicht aufgrund der Bilanzierung über den gesamten Quer-schnitt keine lokalen Aussagen (z. B. Ver-

Abb. 4 Integrative Geschiebemessstation an der Drau. (Habersack et al. 2012b)

Abb. 5 Ergebnisse einer Sedimenttransportsimulation (Anlandungen) mittels 2D-Simulation im Bereich einer Kleinwasserkraftwerkanlage an der Großen Mühl für a 30 m3s−1 und b 94,5 m3s−1. (Hauer et al. 2011)

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änderungen innerhalb eines Profils). Aus diesem Grund werden 1-dimensionale Modelle meist für Langzeitentwicklungen bzw. -prognosen verwendet (z.  B. Ab-schätzung des Risikos eines zukünftigen Sohldurchschlags). Mehrdimensionale Modelle ermöglichen hingegen die Pro-gnose der Entwicklung von lokalen was-serbaulichen Maßnahmen (Abb.  5) bzw. auch tlw. von eigendynamischen Ent-wicklungen (unter Berücksichtigung der Ufererosion), wobei die dreidimensionale Erfassung des Sedimenttransports noch in weiten Teilen Inhalt von Forschungs-arbeiten ist. Weiters kann bei der Aus-wahl des Modells zwischen Einkorn- und Mehrkornmodellen unterschieden wer-den bzw. ob mittels fraktionierten Trans-ports die Bildung einer Deckschicht bzw. die Entwicklung von Transportkörpern berechnet werden kann.

In der Feststofftransportmodellierung sind generell noch einige Fragen offen bzw. Prozesse noch unzureichend be-schrieben wie z.  B. der Quertransport über das Profil in Krümmungen oder die numerische Implementierung der Ufer-erosion bei Sedimentschichten mit stark unterschiedlichen Kornverteilungen. Ab-gesehen von diesen Forschungsfragen zeigte die Anwendung von numerischen Sedimenttransportmodellen in den letz-ten Jahren bereits gute Ergebnisse in Be-zug auf die Prognose von Entwicklungen der Gewässersohle bzw. auch auf die Entwicklung des Gewässerlebensraums (Tritthart et al. 2011). Die Anwendung der (mehrdimensionalen) Feststoffmodel-lierung bietet somit die Möglichkeit, die

Auswirkung des Feststofftransports auf geplante wasserbauliche Projekte, auch im Bereich der Wasserkraftwerksprojek-tierung sowie auf deren Folgen hin zu be-werten bzw. auch durch Maßnahmen zu optimieren und damit technische, wirt-schaftliche und ökologische Probleme im Betrieb zu minimieren.

4. Ökologische Bedeutung von Feststoffen im Bereich der Wasserkraftnutzung

Wasserkraftanlagen führen zu einem lokalen Aufstau von Fließgewässern mit einer mehr oder weniger deutlichen Störung des longitudinalen Feststoff-haushalts bzw. der Sedimenttransportka-pazität. In der WRRL wird im sehr guten Zustand auch das Sedimentkontinuum angesprochen. Für den guten Zustand muss es (wie auch betreffend andere Parameter) insofern „intakt“ sein, als von der Biologie der nachhaltige gute Zustand gefordert wird. Grundsätzlich wird die flussmorphologische Situa-tion eines Wasserkörpers (meist lokale Ebene) von der Streckenebene (Gewäs-serstrecke) und darüber vom Einzugsge-biet hierarchisch bestimmt (Habersack et al. 2002). Damit ist eine grundsätzliche Betrachtung des Feststoffhaushalts und der Flussmorphologie im Flussgebiets-bewirtschaftungsplan essenziell für eine nachhaltige Planung und Umsetzung von Rückbaumaßnahmen zur Erreichung eines guten ökologischen Zustands aber auch zum langfristigen Erhalt desselben. Hier ist die Energiewirtschaft gefordert,

besonders bei neuen Planungen und Anpassungen der Sedimentdurchgängig-keit stärkeres Gewicht zu geben. Weiters bestehen unmittelbare Zusammenhänge und Koordinierungsbedarf mit dem Hochwasserschutz, der ebenfalls von den langfristigen Entwicklungen betrof-fen ist und mit den eigenen Maßnahmen Einfluss auf die Hydromorphologie und damit den ökologischen Zustand ausübt.

Wie in Abb. 6 am Beispiel von Gars am Kamp ersichtlich, zeigt der tlw. Einstau eines Gewässers eine deutliche Abnahme der theoretischen Transportkapazität bei erhöhten Abflüssen, welche unmittelbar flussab der Querbauwerke am niedrigs-ten ist (rote Punkte). Dies führt zu den bei Hochwässern typischen Sediment-austrägen aus Stauräumen und aus Sicht des Hochwasserschutzes teilweise prob-lematischen Anlandungen im Bereich der Wehrkolke, wobei der Transport und die Ablagerung von Sedimenten bzw. auch bestimmten Korngrößenklassen als we-sentlich für die ökologische Funktionsfä-higkeit anzusehen sind.

Als wesentlichste Voraussetzung für die erfolgreiche Reproduktion von Salmo-niden (lachsartigen Fischen) ist beispiels-weise das Vorhandensein von kiesigem Sohlsubstrat zu nennen (Jungwirth et al. 2003). Vor allem Salmoniden (Forellen, Lachse, Huchen, Saiblinge und Äschen) bringen ihre Eier aktiv in den Schotter-körper ein, und werden der ökologischen Gilde der Interstitiallaicher zugeordnet (Pulg 2009). Durchlässiger, locker gelager-ter Kies ist die Grundvoraussetzung dafür, dass abgelegte Eier genannter Gattungen ausreichend von Wasser umspült und so mit Sauerstoff versorgt bzw. auch Stoff-wechselausscheidungen abtransportiert werden. Neben den Salmoniden laichen die sogenannten rheophilen Cypriniden (Nasen, Barben) auf Kiesuntergrund, welche aber nicht in, sondern auf das Sohlsubstrat ablaichen (Substratlaicher). Vor allem in Fließgewässern mit star-ken anthropogenen Beeinträchtigungen (z. B. erheblich veränderte Wasserkörper) wird die Restrukturierung von Kieslaich-plätzen, auch mittels Geschiebezugabe, als wesentliches Instrument der Lebens-raumverbesserung gesehen (Hauer et al. 2013). Unter der Berücksichtigung von betriebstechnischen und hochwasser-schutzrelevanten Aspekten können Re-strukturierungen im Nahbereich von Wasserkraftanlagen (z.  B. Schaffung von neuen Kieslaichplätzen, Strukturierung des Stauwurzelbereichs) durchgeführt werden. Diese Möglichkeiten sollten vor allem bei der Neuerrichtung bzw. bei

Abb. 6 Darstellung der Sedimenttransportkapazitäten (HQ) bzw. Wasserspiegel (NQ) für den Ortsbereich von Gars am Kamp (Berechnungen mittels 1D-Modellierung)

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Umbau und Adaption bestehender Anla-gen berücksichtigt werden.

5. Projekte SED_AT und SedAlp

Wie in den vorangehenden Kapiteln ver-anschaulicht, beinhaltet die Thematik des Feststoffhaushalts komplexe Fragestel-lungen und Zusammenhänge. Während in diesem Beitrag das Hauptaugenmerk auf dem Bereich Wasserkraft liegt, kommt es in der Praxis zu Wechselwirkungen mit anderen Themenbereichen, beispiels-weise Flussbau, Wildbach- und Lawinen-verbauung, Schifffahrt und Ökologie. Laut Nationalem Gewässerbewirtschaftungs-plan (NGP 2009, BMLFUW-UW.4.1.2/0011-I/4/2010, Kap. 6) ist vorgesehen, laufende und neue Forschungsarbeiten zu den Themenbereichen Feststoffhaus-halt, Sedimenttransport und Flussmor-phologie gemeinsam mit den betroffenen StakeholderInnen zu intensivieren und zu ergänzen. Daher wird derzeit das Pro-jekt Feststoffhaushalt, Sedimenttransport und Flussmorphologie im Rahmen des Nationalen Gewässerbewirtschaftungs-plans (SED_AT) vom Institut für Wasser-wirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau der Universität für Bodenkul-tur Wien im Auftrag des Lebensministe-riums bearbeitet, das in der ersten Phase folgende Ziele verfolgt:

■ Analyse der Probleme und Anforde-rungen im Bereich Feststoffhaushalt und Flussmorphologie in Österreich,

■ Ableitung des Forschungsbedarfs,■ Erstellung einer Prioritätenliste hin-

sichtlich notwendiger Forschungsauf-gaben und

■ Definition der Forschungsinhalte der Phase II.

In der zweiten Phase erfolgt dar-auf aufbauend die Umsetzung der Forschungsprojekte.

Das Endergebnis der ersten Projekt-phase ist die erstmalige österreichweite Analyse und Darstellung der Probleme und Grundlagen für Maßnahmen zur Verbesserung des Feststoffhaushalts, Sedimenttransportes und der Flussmor-phologie sowie des Forschungsbedarfs.

Das EU-EFRE-Alpine-Space-Projekt „Sediment management in Alpine basins: integrating sediment continuum, risk mitigation and hydropower“ (SedAlp)

trägt, um sedimentbezogene Risiken zu reduzieren, zum integrativen Manage-ment des Sedimenttransports in alpinen Einzugsgebieten bei, indem eine Verbes-serung von Flussökosystemen und eine Reduzierung der Auswirkungen von Was-serkraftwerken unterstützt werden (www.sedalp.eu/project). Das Projekt umfasst Pilotprojekte in unterschiedlichen, re-präsentativen alpinen Einzugsbieten aller eingebundenen Länder (Frank-reich, Italien, Slowenien, Deutschland, Österreich, tw. Schweiz). Ein Monitoring von Sediment- und Holztransport wird in mehreren alpinen Einzugsgebieten durchgeführt, um die zeitliche und räum-liche Variabilität des Prozesses zu verste-hen und um Planungs-, Warnungs- und Vorhersageinstrumente bereitzustellen sowie Empfehlungen zum Sediment- und Holzmanagement abzugeben. Das Pro-jekt beinhaltet strategische Entwicklungs-methoden und Umsetzungsmaßnahmen, um die Sedimentkontinuität in alpinen Einzugsgebieten zu verbessern. SedAlp berücksichtigt die geologische und klima-tische Vielfalt der Alpen, die unterschied-liche Muster des Sedimenttransports mit sich bringt, wohingegen Management-konflikte ähnlich sind. In Bezug auf die Wasserkraft sollen aufbauend auf bereits durchgeführten EU-Projekten (z.  B. Alp-reserve, Knoblauch et al. 2005) konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Sedi-mentmanagements entwickelt werden.

6. Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Der generelle Lösungsansatz zu einem verbesserten Feststoff- und Sediment-management basiert auf der Fluss-gebietsplanung und einer integralen Wasserwirtschaft. Von der Wildbach- und Lawinenverbauung über die Bundes-wasserbauverwaltung sowie Wasserstra-ßenverwaltung bis zur Energiewirtschaft und Ökologie aber auch Landwirtschaft sollten abgestimmte Maßnahmen zur Verbesserung des Feststoffhaushalts und der Flussmorphologie geplant und umge-setzt werden. Diese beinhalten die Ero-sion im Bereich der Geschiebequellen, den Transfer in den Bächen und Flüssen sowie die Sedimentation und Remobili-sierung in den Fließgewässern, aber auch in Stauräumen etc. Dazu bedarf es Vor-gaben insbesondere für den Neubau oder

die Sanierung/Optimierung von energie- und schutzwasserwirtschaftlichen Ein-richtungen oder Bauwerken.

Ein gezielter Mitteleinsatz in diesem Bereich führt zu nachhaltigeren Lösun-gen und einer effektiven, langfristig sinn-vollen Investition. Umgekehrt werden viele kleinräumige Maßnahmen zur Ver-besserung des ökologischen Zustands mit hohem finanziellen Einsatz bei Nichtbe-achtung des Feststoffhaushalts und der damit zusammenhängenden Flussmor-phologie langfristig nicht den gewünsch-ten positiven Effekt erzielen. Erst wenn das „Rückgrat“ der Flüsse funktioniert, können kleinräumige Strukturierungs-maßnahmen langfristig positive Wirkung zeigen.

Allgemein ist die Energiewirtschaft gefordert, bei neuen Planungen und An-passungen der Sedimentdurchgängigkeit stärkeres Gewicht zu geben. Dazu gehört auch die Entwicklung von Planungskri-terien und Maßnahmen, die eine Op-timierung von Anlagen im Bereich der Wasserkraft hinsichtlich Verbesserung des Sedimentkontinuums ermöglichen und gleichzeitig die vorgesehenen Nut-zungen der Anlagen zulassen. Möglich-keiten, um diese integrativen Lösungen zu erarbeiten, bieten physikalische Mo-dellversuche bzw. ein- und mehrdimen-sionale hydrodynamisch-numerische (Feststofftransport-)Modelle sowie die zur Kalibrierung und Validierung un-bedingt erforderlichen Feldmessdaten. Unter Nutzung dieser Methoden und Abdeckung des Forschungsbedarfs ist künftig eine Optimierung des Feststoff-managements und Sedimenttransports im Zusammenhang mit der Wasserkraft aus technischer, ökonomischer und öko-logischer Sicht möglich.

7. Danksagung

Die finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Fami-lie und Jugend sowie die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwick-lung wird dankend anerkannt. Das Pro-jekt WARMICE wurde von der EU unter der Vertr.Nr. ENV-CT98–0989 gefördert, SedAlp aus dem EFRE-Alpine-Space-Pro-gramm und Sed_AT vom Lebensminis-terium – allen sei an dieser Stelle für die Förderung der Projekte gedankt.

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Originalarbeiten

Die Bedeutung von Feststoffhaushalt und Sedimentdurchgängigkeit für eine nachhaltige Nutzung der Wasserkraft 361

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