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IV. Acs DER GHIRURGISGHEN PRIVATKLINIK DES DR. HARTMANN ZU KASSEL. Die Behandlung der medialen Epikondylusbrt che. Von Dr. Otto Hartmann. Mit 4 Abbildungen auf Tafel I. Die Brfiche des Epikondylus medialis gehSren zu den h~iufigsten Verletzungen des Ellenbogengelenkes und sind meistens eine Begleiterscheinung der Ellenbogenverrenkung. Diese Brfiche kommen am hiiufigsten bei Patienten vor, die im 10.--20. Lebensjahre stehen. Da jedoch mit dem 18. Lebensjahre die Epiphysenlinien des Oberarmknochens zu verknSchern beginnen und der Epikondylus medialis seinen eigenen Knochenkern besitzt, so wird man viele dieser Briiche als eine traumatische Epiphysenl5sung ansehen miissen. Die Epikondylusbriiche kommen, wie gesagt, sehr hiiufig bei Ellenbogenverren- kungen vor, so dass Helferich sich sogar zu dem Ausspruche versteigen konnte, dass alle Briiche des Epikondylus medialis als Vorstadium einer Ver- renkung anzusehen seien. Die Briiche sitzen entweder an der Spitze des Epiphysenfortsatzes oder greifen auf die Basis fiber und sind stets extr-~kapsul~r, es miissten sonst Spriinge und Risse dutch den Kondylus medialis in das Gelenk hinein weiter vorgedrungen und mit Kondylusbriichen kompliziert sein. Um derartige Epikondylusbriiche wiirdigen zu kSnnen und sich mit den Folgen derselben vertraut zu machen, ist es unbedingt notwendig, sich die Anatomie der inneren Seite des Ellenbogengelenkes vor Augen zu fiihren. Die ganze mediale Kapselwand des Ellenbogengelenkes wird dutch eine derbe Bandmasse verst/irkt, die yon dem Epikondylus medialis getrennt ent- springt und sich f/icherfSrmig am medialen Rand der Ellenzange befestigt. Meistens laufen yon diesen straffen Bandfasern noch einige zartere Strange weiter abwS~rts an die inhere Ellenkante, yon denen wiederum mehrere derbe Ziige zu dem medialen Rande des tlakenfortsatzes der Elle abzweigen. Es ist daher wohl ganz selbstverst~indlich, dass, da diese Bandmassen mit den Ursprungssehnen der Fingerbeuger, soweit diese nicht selbst vom Epikondylus medialis entspringen, in innigster gerbindung stehen: eine

Die Behandlung der medialen Epikondylusbrüche

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Page 1: Die Behandlung der medialen Epikondylusbrüche

IV.

Acs DER GHIRURGISGHEN PRIVATKLINIK DES DR. HARTMANN ZU KASSEL.

Die Behandlung der medialen Epikondylusbrt che. Von

Dr. Otto Hartmann.

Mit 4 Abbildungen auf Tafel I.

Die Brfiche des Epikondylus medialis gehSren zu den h~iufigsten Verletzungen des Ellenbogengelenkes und sind meistens eine Begleiterscheinung der Ellenbogenverrenkung. Diese Brfiche kommen am hiiufigsten bei Patienten vor, die im 10.--20. Lebensjahre stehen. Da jedoch mit dem 18. Lebensjahre die Epiphysenlinien des Oberarmknochens zu verknSchern beginnen und der Epikondylus medialis seinen eigenen Knochenkern besitzt, so wird man viele dieser Briiche als eine traumatische Epiphysenl5sung ansehen miissen. Die Epikondylusbriiche kommen, wie gesagt, sehr hiiufig bei Ellenbogenverren- kungen vor, so dass H e l f e r i c h sich sogar zu dem Ausspruche versteigen konnte, dass alle Briiche des Epikondylus medialis als Vorstadium einer Ver- renkung anzusehen seien.

Die Briiche sitzen entweder an der Spitze des Epiphysenfortsatzes oder greifen auf die Basis fiber und sind stets extr-~kapsul~r, es miissten sonst Spriinge und Risse dutch den Kondylus medialis in das Gelenk hinein weiter vorgedrungen und mit Kondylusbriichen kompliziert sein.

Um derartige Epikondylusbriiche wiirdigen zu kSnnen und sich mit den Folgen derselben vertraut zu machen, ist es unbedingt notwendig, sich die Anatomie der inneren Seite des Ellenbogengelenkes vor Augen zu fiihren.

Die ganze mediale Kapselwand des Ellenbogengelenkes wird dutch eine derbe Bandmasse verst/irkt, die yon dem Epikondylus medialis getrennt ent- springt und sich f/icherfSrmig am medialen Rand der Ellenzange befestigt. Meistens laufen yon diesen straffen Bandfasern noch einige zartere Strange weiter abwS~rts an die inhere Ellenkante, yon denen wiederum mehrere derbe Ziige zu dem medialen Rande des tlakenfortsatzes der Elle abzweigen.

Es ist daher wohl ganz selbstverst~indlich, dass, da diese Bandmassen mit den Ursprungssehnen der Fingerbeuger, soweit diese nicht selbst vom Epikondylus medialis entspringen, in innigster gerbindung stehen: eine

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26 Otto H:ar ~mann,

Dislokation des frakturierten Epikondylus im Sinne dieser B~nder- und Muskelfasern e~ntreten muss. Es wird sich demnach der Epikondylus medialis dem Gesetze des physikalischen Zuges zufolge nach unten und naeh unten innen in die Gelenkbeuge bewegen miissen.

Dass eine solche Dislokation in die Gelenkbeuge eine Reizung des Nervus ulnaris im Gefolge haben soll, habe ich in meinen F~llen nicht beobachtet, da der Nerv welt ausserhalb verlief.

Selbst~erst~ndlich muss eine derartig beschriebene Verschiebung aueh auf die Beweglichkeit im Ellenbogengelenke nicht ohne Einfluss sein. Aber was noeh wichtiger ist, die Dislokation des frakturierten Epikondylus ist yon einer ausserordentlichen Stellungsanomalie der Ellenbogengelenksknochen be- gleitet. W~hrend in normaler Weise die Speiehe und die Elle der Epiphyse des Oberarmknochens gegeniiber stehen, n~mlich der Art, dass die Speiche auf dem KSpfchen, die Elle auf der Rolle artikuliert, rutschen die beiden Vorder- armknoehen, sobald die Fixation des Ligamentum kollaterale mediale gestSrt ist, leicht naeh der entgegengesetzten ~usseren Seite ab, zumal eine Linie parallel den Gelenltflgehen gezogen nicht senkrecht auf der Achse des u armes steht, sondern einen nach aussen liegenden Winkel mit ihr bildet, der kleiner als ein rechter ist.

Die Folge derartig iibersehener Briiche des medialen Epikondylus sind daher ffir die Stellung der Knochen im Ellenbogengelenke hSchst peinliche und sekundgr wieder fiir die Beweglichkeit in diesem Gelenke yon der grSssten Bedeutung.

Es soll nun in folgenden Zeilen an der Hand einiger wenigen Kranken- geschichten er5rtert werden, wie man diesen StSrungen am besten begegnet und derartige Briiche am zweckm~ssigsten behandelt.

Der erste Fall betrifft einen Knaben, der unter den Folgen einer nicht zweckm~tssigen Behandlung sehr zu leiden hatte und die Zeit seines Lebens in der Erwerbsfghigkeit besehr~nkt sein wird. Mtm sieht also sogleich wieder, dass diese Epikondylusbrfiche, einen so unscheinbaren Eindruck sie auch zu machen pflegen, tats~ehlieh ffir die Beweglichkeit und Gebrauchsfs des Armes yon hSchster Wichtigkeit sind, und dass sie deshalb auch zum Wohle der Tr~ger Gemeingut aller praktischen )~rzte werden m[issen. Wir miissen entschieden dahin kommen, dass diese Briiehe, die am h~ufigsten im Gebiete des Eltenbogengelenkes vorkommen, richtig diagnostiziert und gut geheilt werden.

Friedrich L., 12 Jahre alt, Landwirtssohn aus Westuffeln, aufgenommen am 7. X. 1908, entlassen am 21. X. 1908. Anamnese: Patient ist vor 14 Tagen, als er in der Friihstiiekspause ohne Aufsieht des Lehrers Turn- iibungen am Barren ausfiihrte, yon der Querstange abgeglitten und auf den linken Arm gefallen. Ein junger Kollege legte in Vertretung des abwesenden Arztes eine Drahtschiene an. bTach der R~ickkehr des Arztes wurde eine falsche Stellung der Knochen im Ellenbogengelenk konstatier~ und Pat. mir sogleieh iiberwiesen.

Die RSntgenuntersuchung ergab eine Fraktur des medialen Epikondylus und einen Sprung dureh den gleichnamigen Kondylus bis in das Gelenk hinein.

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Da jedoch ganz in der N~he der Bruehstelle ein tiefgehender und eiterig sezer- nierender Dekubitus vorhanden war, musste ich yon einem operativen Eingriff abstehen und legte daher einen Extensionsverband an. Nach 14 Tagen (21. X. 08) wurde Pat. aus der Klinik geholt, und ich war genStigt, einen Gipsverband in stumpfwinkeliger Stellung anzulegen.

Nach Abnahme des Verbandes stand der Arm ]eidlich, auch die Ubungen die nur eine Zeit]ang fortgesetzt wurden, ergaben ein recht gutes Resultat. Als aber sp~ter zwecks Klage gegen den Lehrer, der in der Freistunde die Auf- sicht gefiihrt hatte, der Kleine mir wieder vorgestellt wurde, waren die Unterarmknochen mangels gehSriger Fixation nach der Aussenseite abgewichen und die Beweglichkeit im Ellenbogengelenke liess sehr zu w[inschen iibrig. Ein Eingriff wurde auch heute hartn~ckig abgeschlagen.

Der Junge ist demnach auch ein Opfer seines indolenten Vaters ge- worden~ dem gewiss mehr an der Rente gelegen war als an einem gebrauchs- f~thigen Arm, zumal die Klage auf ein Armutszeugnis des nichts besitzenden Jungen bin gefiihrt werden sollte.

H~itte der in die Tiefe reichende, schmierige Dekubitus nicht bestanden, so h~tte ieh gleich im Anfange der Behandlung einen blutigen Eingriff riskiert und das betreffende Fragment in geeigneter Weise fixiert. Patient h~tte voraussichtlieh einen brauehbaren Arm behalten.

Heinrich H., 16 Jahre alt, Sekundaner aus Homberg. Anamnese: Pat. sollte beim Turnen den Barrieresprung fiber den Kasten ausfiihren, kam aber nicht vollst~indig heriiber und fiel, den Kasten streifend, mit dem Kopf nach unten auf den linken Arm. Der Arm stand somit auf dem Boden, wahrend tier KSrper um ihn herum geschleudert wurde. Es stellten sich so- gleich erhebliche Schmerzen ein, es wurde ihm sogar fibel, so dass er sich sogleich in die Behandlung des Herrn Dr. K r u s e begab, der Fat. mir iiberwies.

Status: An der Innenseite des linken Ellenbogengelenkes bestand eine betr~ichliche Schwellung, durch die ein bewegliches Knochenstiick durch- getastet werden konnte. Die Bewegungen im Ellenbogengelenke sind ~usserst schmerzhaft.

Die RSntgenuntersuchung vom 10. IX. 1909 ergab eine Absprengung des medialen Epikondylus, und zwar derartig, dass die distale Partie auf einer Seite noch mit dem Oberarmknochen mittelst tier Beinhaut und B~nder in Verbindung stand. Das Fragment hatte um den unteren Rand eine Drehung yon fast 900 ausgeffihrt (siehe Fig. 1).

In dem am folgenden Tage vorgenommenen A_therrausche wurde das Fragment mit Leichtigkeit an seinen ~'erlassenen Platz angedriickt, einige Heft- pflasterstreffen unter m~ssigem Drucke dariiber gewiekelt und zum Schlusse noch ein leichter Gipsverband in der sogenannten Mittelstellung angelegt.

Als nach drei Wochen der Verband entfernt wurde, war der Epikon- dylus an seiner Stelle tadellos angeheilt gefunden. Die Beweglichkeit des Armes ist nach Jahresfrist eine normale und die Stellung der Vorderarm- knochen dieselbe wie vor dem Unfalle.

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28 Ot to H a r t m a n n ,

Dies ist wohl die einfachste Methode, derartige Frakturen des Epikon- dylus zur Heilung zu bringen, aber nur geeignet, wenn es sich um abge- sprengte Fragmente handelt, die noch auf der einen Seite mit dem Oberarm- knochen in Kontakt stehen, d. h. wenn noch keine Dislokation eingetreten ist.

Ein Parallelfall kam nach einem halben Jahre, am 1. IV. 1910 wiederum in meine Behandlung, bei dem die I~eposition des frakturierten Epikondylus nicht so glatt ging als wie bei dem eben erw~hnten Falle.

Heinrich Seh., Schneiderssohn, 11 Jahre alt, aus Kassel. Anamnese: Pat. spielte Fussball und wollte mit aller Kraft auf dem etwas schliipferigen Boden hinter dem Ball herlaufen, als er ausglitt und naeh vorntiber auf die linke Hand fiel. Er verspiirte sogleich ein Knacken im Ellenbogengelenk und begab sich in die Behandlung des Herrn Dr. K511e, der Pat. mir so- gleich iiberwies.

Das linke Ellenbogengelenk war in allen seinen Teilen geschwollen, besonders an der Aussenseite. tiler unter der Haut ein spitzes Knochenstfick durchzufiihlen. Die RSntgenuntersuchung ergab eine Absprengung des medialen Epikondylus und eine Fraktur des lateralen Kondylus ohne grSssere Dislokation (siehe Fig. 2).

Am anderen Morgen wird in Chloroformnarkose versucht, den Epikon- dylus anzudrficken, was aber erst nach mehreren Manipulationen gelang. Es werden wiederum einige tteftpflasterstreifen dariiber m~ssig fest angezogen und tier Arm in einen Gipsverband gelegt, der am 27. IV. 10 entfernt wurde. Nach Absolvierung einiger Ubungen wurde er am 2. V. 10 mit guter Be- weg|ichkeit des linken Ellenbogengelenkes aus meiner Behandlung entlassen. Der Aufforderung, sich zwecks nochmaliger Feststellung der Beweglichkeit vorzustellen, wurde nicht entsprochen.

Hier gestaltete sich die Reposition recht schwierig. Anfangs gelang es gar nieht, den Epikondylus in die verlassene Delle der Oberarmepiphyse hineinzubewegen, auch sp~ter wurde derselbe immer wieder, wahrscheinlich durch den Zug der an ihm inserierenden Muskeln und B~nder nach aussen abgehebelt, so dass er immer wieder als spitzes Knochenstfick unter den Fingern gefiihlt wurde. Als er endlich an Ort und Stelle unbeweglich liegen blieb, wurden einige Heftpflasterstreifen unter m~ssigem Drucke hiniiberge- wickelt. Da der laterale Kondylusbrueh, in horizontaler wie sagittaler Ebene durchleuchtet, keine Dislokation aufwies, zauderte ich nicht, den Arm in einem geeigneten Gipsverb~nd zu fixieren.

Auah dieses Resultat war durchaus befriedigend. Es scheint dieser Epikondylusbruch aber infolge wenig erhaltenen Periostes die ~usserste Grenze zu bilden, wo die Reposition auf unblutigem Wege m5glich ist.

Steht nun der frakturierte Epikondylus, sei es im Gebiete der Spitze, sei es an der Basis, mit dem Oberarmknochen nicht mehr in Verbindung, ist demnach das Periost der Epiphyse iiberall gerissen, so tritt in demselben Momente die Dislokation des Fragmentes in Erscheinung. Denn vermSge der an ihm inserierenden Band- und Muskelmassen wird der Epikondylus nach unten oder unten innen nach der Gelenkbeuge bin verschoben. Wenn es

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demnach auch im Notfalle noch gelingen wiirde, durch Druck der Finger naeh Erschlaffung aller Weichteile den Epikondylus an seinen verlassenen Platz zu bringen, so wird es doch nicht mSglich sein, ihn dort durch einen geeigneten Verband zu fixieren. ]~r wird schon infolge des gewShnlichen Muskeltonus, oder sobald Patient auch nur ahnungslos die Muskulatur an- spannt, den Platz wieder verlassen, so dass die Dislokation wieder zu Recht besteht.

Bei solchen Frakturen, die meist grSsseren Gewalteinwirkungen ihre Entstehung verdanken, miissen wir in der Behandlung noch einen Schritt weiter gehea und das Fragment nicht nur an seinen verlassenen Ort zurtick- bringen, sondern es aueh an Ort und Stelle geh5rig fixieren.

W~hrend dies frfiher durch eine Periostnaht (K o c her) geschah, nagelt man heute das Fragment ganz einfach an seiner normalen Stelle mittelst kopfloser Stifte Zest, wozu es meistens nur eines kleinen blutigen Schnittes in ~Narkose bedarf. Ftir gewShnlich geniigt sogar nur ein Nagel, der durch das platte Fragment, das man selbstverst~ndlieh erst an seine Stelle gebracht hat, in den Kondylus nnd welter in die Epiphyse getrieben wird. Btirgt ein Nagel nicht vor nochmaligem Abgleiten, so kann die Fixation des Fragmentes noch durch einen zweiten erhSht werden.

Christine L., Gastwirtstochter, 19 Jahre alt, aus Kassel. Aufgenommen am 29. V. 1910, entlassen am 14. VI. 1910. Anamnese: Pat. stand am 4. V. 10 abends gegen 9 Uhr auf einem kleinen Leiterwagen, mit dem ihre jiingeren Geschwister zu spielen pflegten, und war im Begriffe, eine heruntergefallene Gardine aufzustecken und zu befestigen, als der Wagen umkippte und sie auf die rechte Hand fiel. Sie empfand sogleich einen intensiven Schmerz im rechten Ellenbogengelenke und war nicht imstande, den Arm zu bewegen.

Am Abend gegen 10 Uhr wurde der nach hinten luxierte Unterarm in Narkose eingerenkt und ein Verband angelegt.

17. V. Abnahme des Verbandes: Gegend des rechten Ellenbogengelenkes noch geschwollen.

26. V. Da Pat. noch immer bei Bewegungen fiber Schmerzen klagt, wird eine RSntgenaufnahme gemaeht, die eine Fraktur des medialen Epi- kondylus in zwei kleinere Fragment ergibt, welehe sich weit ~Ton der Fraktur- stelle entfernt befinden (siehe Fig. 3).

30. V. 10. Operation in Chloroformnarkose: Die beiden Fragmente des Epikondylus werden naeh einem L~ngsschnitte mit zwei N~geln an die richtige Stelle fixiert. Sie lagen in der Gelenkbeuge. Naht der Haut, aus der beide N~gel ca. 1 cm hervorragen. Reaktionsloser Verlauf.

14. VI. Entfernung der Nggel mit der Zange und Verband in an- nghernd reehtwinkliger Stellung des Armes. Entlassen.

Nach einigen mediko-meehanisehen Ubungen ist die Beweglichkeit des Armes im Ellenbogengelenke eine vSllig normale.

Ein halbes Jahr sp~ter kam wiederum derselbe Fall in meine Be- handlung.

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30 Otto t tartmann,

Erich M., 16 Jahre alt, Oberrealschfiler aus Kassel. Aufgenommen am 3. XI. 1910, entlassen am 15. XI. 1910. Anamnese: Pat. wollte am 27. X. 1.910 abends 101/2 Uhr beim Turnen die Hocke am Bock ausfiihren, sprang abet zu welt fiber den Bock, so dass er mit den H~nden hinter den Bock fasste und mit den Beinen diesseits des Bockes h~ngen blieb. Er fiel mit dem Kopf nach unten direkt auf die rechte Hand. Der Arm renkte sich im Ellenbogengelenke sogleich aus und kippte hoch, so dass er in grSsster Beugung stand. Nach 20 Minuten wurde der Arm yon Herrn Dr. E n g e l - m a n n eingerenkt.

Status: Rechter Arm steht in rechtwinkeliger Stellung und ist auf einer gebogenen Drahtschiene gelagert. Nach Abnahme des Verbandes ist das Ellenbogengelenk in allen seinen Teilen geschwollen. An der Innenseite befindet sich ein breiter, bl/iulich verf/irbter Streifen der Haut, der sich his zur H~tlfte des Vorderarmes gesenkt hat. Driickt man im Gebiete des medialen Epikondylus in die Tiefe, so hat man ein knarrendes Geffihl unter den Fingern. Es wird sogleich zur RSntgenuntersuchung geschritten, die eine Absprengung des Epicondylus medialis ergab (siehe Fig. 4).

Damit der frische, betr~chtliche Bluterguss sich zum Tell resorbiert, wird die Operation erst am 3. XI. 1910 in Chloroformnarkose ausgefiihrt. L~ngsschnitt ca. 6 cm lang fiber den Kondylus internus Dis auf das Periost, wobei das noch blutig inbibierte Subkutangewebe nach beiden Seiten hin abgelSst wird. Man trifft sogleich den frakturierten Epikondylus, der durch die Bandmassen nach unten innen disloziert ist. Er wird mit dem Eleva- torium in die H(ihe gehoben und an seine urspriingliche Stelle zuriick- gebracht, wo er mittelst eines Nagels fixiert wird. Naht der Haut, aus tier der Nagel ca. 11/2 em hervorsteht. Verband auf Drahtschiene in ann~hernd rechtwinkeliger Stellung, nachdem das Gelenk gut gepolstert ist.

4. XI. 1910 Temperatur normal, keine Sehmerzen im Arme. 15. XI. 10 Der Nagel wird mit einer Zange entfernt. Die Wunde ist fast ~-erheilt. Verband aui Schiene. Entlassen. 1. XII. 1910. Verbandabnahme: Es besteht noch etwas Schwellung im Gebiete des inneren Kondylus; sonst alles in Ordnung.

Nach einer mediko-mechanischen Behandlung ist die Bew~glichkeit im rechten Ellenbogengelenke eine gute.

Die Gewalteinwirkung war in den letzten beiden F~llen mit grosser Vehemenz erfolgt, so dass sich im Anschlusse an die Epikondylusfraktur eine Verrenkung des Ellenbogengelenkes nach hinten eingestellt hatte, die in kiirzester Zeit naeh dem Falle reponiert wurde. Erst einige Tage spitter, nachdem sicb der frische, recht betr~chtliche B]uterguss resorbiert hatte, wurde, nachdem der Riintgen den Fall klipp und klar gestellt hatte, zur Fixation der Fragmente geschritten, eine Operation, die sich iiusserst leicht gestaltete. Es muss aber bemerkt werden, dass die Dislokation der Fragmente im RSntgenbilde nicht so in die Augen fiel, als sich bei der spiiteren Operation tlerausstellte.

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Fiir gewShnlich geniigt ein Schnitt yon 5 cm L~nge in der Richtung der Ache des Armes direkt fiber der Frakturstelle, und zwar derartig, dass ein Drittel oberhalb und zwei Drittel des Schnittes unterhalb der Epikondylus- spitze zu liegen kommen. Man trifft sogleich durch das dfirftige Subkutan- gewebe auf die rauhe, leere Stelle und finder dann meistens das Fragraent etwas tiefer in der Ellenbeuge vor dem Gelenke, wo es mit dera Elevatorium iiberall aus seinen Verbindungen gelSst und in die HShe gehoben wird. Es steht mit den Bandraassen des Ellenbogengelenkes selbstverst~ndlich im festesten Zusararaenhange, so class sich dera Schieben des Fragmentes an seine normale Stelle ein raehr oder weniger starker Widerstand entgegensetzt. Abet nach einigen Manipulationen und besonders, wenn das Elevatorium unter das Fragment als Hebel angesetzt wird, gelingt es, das Fragment an seinen verlassenen, alten Platz zuriickzubringen. Hier wird es mit dera Fingerdruck der linken Hand fixiert und dann mittelst eines gewShnlichen, kopflosen Stahlnagels yon ca. 4 cm L~nge festgenagelt. Der Nagel geht raeistens glatt durch das Fragment, ohne dasselbe zu spalten, und dringt leicht in die porSse Epiphyse des Huraertls weiter vor. Es ist nur notwendig, einen nicht zu dieken Nagel zu wKhlen, da sonst ein Auseinanderweichen des flaehen, lamellenartigen Epikondylusfragmentes eintreten kann. Die Wunde wird mit Katgut vern~ht, aus d e r n u r das stumpfe Ende des Nagel um 1--1 1/2 cm herausragt. Nach Verlauf yon 14 Tagen kann man ohne Gefahr den Nagel mit einer Zange entfernen und einen weniger urafangreichen Verband anlegen.

Das Resultat war in beiden F~llen ein ausgezeichnetes. Nur wenige mediko-meehanische l]bungen waren erforderlich, bis die Bewegliehkeit zur Norm zuriickkehrte.

Zum Schlusse mSchte ich noeh einige kasuistische Daten streifen. Alle Triiger der gesehilderten Epikondylusbriiche standen im 11.--19. Lebens- jahre, wie es als das Vorzugsalter der Epikondylusbriiehe ira Eingange dieser Arbeit bereits Erwi~hnung gefunden hat. W~hrend yon den i'iinf Patienten vier ihren Epikondylusbruch beim Turnen oder wenigstens beim Turnspiele sich zugezogen hatten - - zwei Anamnesen gleichen sieh so sehr, dass man yon einer typisehen Turnverletzung sprechen mSchte ---, verdanken alle ihre Entstehung einer indirekten Krafteinwirkung, n~mlieh einem Sturze auf die Hand bei gestrecktem Ellenbogen.

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Archiv f. Orthoptidie, Mechanotherapie u. Unfallchirurgic, XI, 1. Tafel I

Fig. 1. Fig. 2.

Fig. 3. Fig. 4.

Otto Hartmann.