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Zeitschrift für Katalanistik 23 (2010), 179–200 ISSN 0932-2221 Die Überlieferungstradition von Aphorismen „vom Freund und dem Geliebten“ des Ramon Llull in deutscher Sprache im 18. und 19. Jahrhundert Joachim Schnürle (Roth) 1 Vorbemerkung Unter der immensen literarischen Tätigkeit von Ramon Llull gilt die Apho- rismensammlung „vom Freund und dem Geliebten“, das Llibre d’amic e amat, als berühmtestes und eines der kürzesten und übersichtlichsten seiner Werke (Lorenz, 1990: 175). Diese Sammlung von kurzen Sentenzen, die auch Versikel genannt werden, sind als erster Teil des fünften Buches in den Roman Blaquerna eingefügt. Wie der Roman wurden die Aphorismen zuerst katalanisch abgefasst und später in Latein übersetzt (Lohr, 1988: 325). In Kapitel 97 des Romans wird ein didaktischer Anlass für die Abfas- sung des Llibre d’amic e amat genannt. Einige Schüler nämlich baten Bla- querna um Unterricht in der Kunst der Kontemplation. Da erinnerte er sich an die außergewöhnliche Hingabe der als Sufis bekannten muslimi- schen Mystiker. Er beschließt seine Erfahrung der Liebe zu Gott in so vielen Versen zusammenzufassen, wie das Jahr Tage hat. Die Anzahl der Verse oder Versikel beträgt in den ursprünglichen katalanischen Hand- schriften 354, was der Zahl der Tage im muslimischen Kalender entspricht (Lohr, 1988: 327). In den späteren lateinischen Übersetzungen wurde dann durch Teilungen sowie durch Einfügen „apokrypher“ Versikel, von Hand späterer Bearbeiter, die Zahl auf 365 vermehrt. Die Aphorismen im Buch vom Liebenden und dem Geliebten folgen inhaltlich keiner thematischen Ordnung. Sie weisen eine große Vielfalt lite- rarischer Formen auf: Dialoge, Fragen, Beschreibungen, Definitionen und Erzählungen. Das zentrale Thema ist die Beziehung zwischen dem religiö- sen Menschen, dem Liebenden (l’amic), und dem göttlichen Wesen, dem Geliebten (l’amat), in der sie verbindenden Liebe.

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Zeitschrift für Katalanistik 23 (2010), 179–200ISSN 0932-2221

Die Überlieferungstradition vonAphorismen „vom Freund und demGeliebten“ des Ramon Llull in deutscherSprache im 18. und 19. Jahrhundert

Joachim Schnürle (Roth)

1 Vorbemerkung

Unter der immensen literarischen Tätigkeit von Ramon Llull gilt die Apho-rismensammlung „vom Freund und dem Geliebten“, das Llibre d’amic eamat, als berühmtestes und eines der kürzesten und übersichtlichsten seinerWerke (Lorenz, 1990: 175). Diese Sammlung von kurzen Sentenzen, dieauch Versikel genannt werden, sind als erster Teil des fünften Buches inden Roman Blaquerna eingefügt. Wie der Roman wurden die Aphorismenzuerst katalanisch abgefasst und später in Latein übersetzt (Lohr, 1988:325).

In Kapitel 97 des Romans wird ein didaktischer Anlass für die Abfas-sung des Llibre d’amic e amat genannt. Einige Schüler nämlich baten Bla-querna um Unterricht in der Kunst der Kontemplation. Da erinnerte ersich an die außergewöhnliche Hingabe der als Sufis bekannten muslimi-schen Mystiker. Er beschließt seine Erfahrung der Liebe zu Gott in sovielen Versen zusammenzufassen, wie das Jahr Tage hat. Die Anzahl derVerse oder Versikel beträgt in den ursprünglichen katalanischen Hand-schriften 354, was der Zahl der Tage im muslimischen Kalender entspricht(Lohr, 1988: 327). In den späteren lateinischen Übersetzungen wurde danndurch Teilungen sowie durch Einfügen „apokrypher“ Versikel, von Handspäterer Bearbeiter, die Zahl auf 365 vermehrt.

Die Aphorismen im Buch vom Liebenden und dem Geliebten folgeninhaltlich keiner thematischen Ordnung. Sie weisen eine große Vielfalt lite-rarischer Formen auf: Dialoge, Fragen, Beschreibungen, Definitionen undErzählungen. Das zentrale Thema ist die Beziehung zwischen dem religiö-sen Menschen, dem Liebenden (l’amic), und dem göttlichen Wesen, demGeliebten (l’amat), in der sie verbindenden Liebe.

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Hier nun soll ein Aspekt der Rezeption bzw. der Überlieferungstradi-tion der Aphorismen des Llibre d’amic e amat von Ramon Llull in deutscherSprache im 18. und 19. Jahrhundert dargestellt werden. Es handelt sichdabei um Übersetzungen mit primär religiös erbaulicher Intention, dienicht den Anspruch von kritischen Editionen erheben. Es werden aufge-fundene Ausgaben von Fragmenten der Aphorismen und die erste kom-plette Übersetzung mit einer kurzen Einleitung über den jeweiligen Über-setzer und dessen kirchengeschichtlicher Verwurzelung angeführt. Ineinem weiteren Teil soll durch den Vergleich von zwei Aphorismen derjeweiligen Übertragung die mögliche Abhängigkeit der Übertragungen undderen wahrscheinliche Übersetzungsvorlagen dargestellt werden.

Abschließend folgen Überlegungen zur Verbreitung dieser deutschenAusgaben aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie ein Vorschlag zu einerneuen Einteilung der deutschen Druckausgaben des Llibre d’amic e amat.

2 Deutsche Ausgaben des Llibre d’amic e amat

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden mehrere deutsche Übersetzungendes Buches vom Freund und des Geliebten veröffentlicht. Zeitgleich kames auch international zu einem neuen Interesse an den Versikeln desRamon Llull, was sich in Neuausgaben in verschiedenen europäischenSprachen zeigt. Ludwig Klaiber nennt bis zum Jahr 1950 vier französische,eine englische, zwei italienische und zwei deutsche Übersetzungen (Klai-ber, 1950: 207, Anm. 8 und Klaiber, 1934: 360–365).

Dabei wird in den deutschen Ausgaben des 20. Jahrhunderts sowie inder deutschsprachigen Literatur zu den Sätzen vom Freund und demGeliebten die Übersetzung von Walter Klaiber, die in 1930-er Jahren ent-standen war, als die erste deutsche Übersetzung genannt (Klaiber, 1950:207, Baumotte, 1998: 187, auch bei Lorenz, 1990: 176). Auch in einer deraktuellsten Untersuchungen über deutsche Ausgaben katalanischer Werkefindet sich das Buch vom Freund und dem Geliebten erstmals in der Aus-gabe von Walter Klaiber (Robles, 2005: 221f).

In der Bibliographie der deutschen Ausgaben, die in der kritischenAusgabe von Soler enthalten ist, findet sich folgende Auflistung (Soler,1995: 229f):

D.1 „Das Buch vom Liebenden und Geliebten“, 1938–40, Mönchengladbach/ Frei-burg i. Br., Wissenschaft und Weisheit 5 (1938), 64–69, 136–138, 206–213; 7(1940) 110–112, 136–148.

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D.2 „Das Buch vom Liebenden und Geliebten, eine mystische Spruchsammlung“,1948, Olten, Otto Walter Verlag.

D.3 „Buch vom Liebenden und Geliebten“, 1967, Köln, Jakob Hegner Verlag.

D.4 „Christus Amicus. Aus den Tagebüchern des Ramon Lull“, 1970, Konstanz, Ver-lag Kanisiuswerk (22 Versikel), Anselm Hoste u. Rhaban Haacke.

D.5 „Die Kunst, sich in Gott zu verlieben“, 1985, Freiburg i. Br., Herder Verlag, Aus-wahl Erika Lorenz.

D.6 „Das Buch vom Freunde und vom Geliebten“, 1988, Zürich und München, Arte-mis Verlag, Übersetzung Erika Lorenz, erneuter Abdruck 1992, Freiburg i. Br.,Herder Verlag.

D.7 „Das Buch vom Liebenden und Geliebten, geistliche Gleichnisse“, ca. 1967 (lt.Freiburger Katalog), Zürich, Thomas Verlag, Hrsg. M. Aubry.

In dieser Zusammenstellung fehlen noch fragmentarische Übersetzungensowie die später erschienene Ausgabe bei Benzinger 1998. Diese findensich dann in der Bibliographie des Centre de Documentació Ramon Llull derUniversität Barcelona.1 Unter der Katalognummer II.A.19e werden fol-gende deutsche Übersetzungen unter den Nummern 91 und 92 gelistet, diebei Soler nicht genannt sind:

91) Walter Stöhrer, Unter dem Feigenbaum. Hommage a Ramon Llull, 1995, Stuttgart, Radius.

92) Ramon Lull, Vom Freund und dem Geliebten, Die Kunst der Kontemplation, Übers. GretSchib Torra, Einleitung Manfred Baumotte, Klassiker der Meditation, 1998, Zürichund Düsseldorf, Benziger.

Die Bibliographie des Centre de Documentació basiert auf der Bibliographieder gesamten Werke des Katalanen von Anthony Bonner, die dieser in denObres selectes de Ramon Llull 1989 abgedruckt hatte. Er benutzt dieselbeEinteilung, die er bereits 1985 in Selected works of Ramon Llull geliefert hatte.Die Ausgaben des Llibre d’amic e amat sind jeweils unter dem Kürzel II.A17c aufgeführt.

3 Frühere deutsche Übertragungen und Übersetzungen

Neben den vorgenannten deutschen Ausgaben der Versikel vom Freundund dem Geliebten des 20. Jahrhunderts finden sich jedoch bereits ab demausgehenden 18. Jahrhundert deutsche Übersetzungen von Auszügen aus

1 Im Internet unter <http://orbita.bib.ub.es/ramon/> zugänglich.

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den 365 Sinnsprüchen und im frühen 19. Jahrhundert die erste komplettedeutsche Übersetzung. Es handelt sich dabei um Ausgaben, die in Sam-melwerken abgedruckt wurden und wahrscheinlich deshalb keine großeBekanntheit erlangt haben. Darin ist wohl auch der Grund zu suchen,weshalb diese Ausgaben von den nach dem zweiten Weltkrieg aufkom-menden neueren Forschungsbestrebungen über Ramon Llull bislang meistübersehen wurden. Lediglich bei Irene Behn, in ihrem Band über die spa-nische Mystik, in dem sie Vertreter spanischer Liebeslyrik anführt, findetsich ein Hinweis auf die weiter unten genannte erste komplette Überset-zung der Versikel von 1824 (Behn, 1957: 791). Diese Ausgabe wird auchvon Bonner (1989) als die erste deutsche Übersetzung aufgeführt, jedochunter dem Erscheinungsjahr 1924 (Bonner, 1989: 547). In späteren Aus-gaben der Bibliographie durch Bonner erscheint diese Angabe nicht mehr.Wahrscheinlich lag ihm kein Exemplar vor und ist die Angabe wegen derfür Bonner bestehenden Unsicherheit nicht weiter erwähnt.

Diese älteren deutschen Ausgaben der Aphorismen des Ramon Llullhaben ein primär „religiös-erbauliches“ Ziel. Diese Übersetzungen wurdendeshalb in Sammelwerken gedruckt, die als so genannte „Andachtsbücher“oder „Erbauungsbücher“ gelesen wurden und die wie viele Vertreter desGenres „Erbauungsbücher“ seit der Zeit des Barock wenig Eingang inöffentliche Bibliotheken gefunden haben.

Im Folgenden sollen die uns bekannt gewordenen Übersetzungen inchronologischer Reihenfolge ihres Erstdruckes zur Erwähnung kommen.Es wird dabei vom jeweiligen kirchengeschichtlichen Hintergrund desÜbersetzers bzw. des Übertragenden auf eine Rezeption in einembestimmten kirchlichen Milieu geschlossen, das in der Überschrift mitgenannt wird.

4.1 Rezeption im reformierten Protestantismus:Gerhard Tersteegen

Der älteste deutsche Auszug aus den Versikeln stammt von dem refor-mierten Pietisten Gerhard Tersteegen. Dieser wurde am 25. Nov. 1697 inMoers am Niederrhein geboren und dort in der reformierten Kirchegetauft, zu der er zeitlebens gehörte. Die meiste Zeit seines Lebens ver-brachte er in Mühlheim an der Ruhr, wo er am 3. April 1769 verstarb. Ererlernte den Beruf eines Kaufmanns und arbeitete danach einige Zeit alsLeinen- und Bandweber, um die Stille zu suchen. Später tritt Tersteegen alsgeistlicher Schriftsteller und Übersetzer sowie als Seelsorger und Laienpre-

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diger hervor. Er gilt als der bedeutendste reformierte Mystiker in Deutsch-land (Van Andel, 1973).

Die Übersetzung findet sich in einem kleinen Sammelband, der dasletzte literarische Werk aus Tersteegens Hand ist, auf Seite 437–465:

Kleine Perlen-Schnur für die Kleinen nur; Hie und da zerstreut gefunden, jetzt beysammen hier gebun-den, von G.T.St., Solingen, 1767 bei Johann Schmitz.

In der Kompilation finden sich neben kleineren Traktaten von Johan-nes Tauler, dem damals Albertus Magnus zugeschriebenen Traktat Deadhaerendo Deo und mehreren kleineren Exzerpten, u.a. von Armelle Nico-las, dann auch die Übersetzung von 80 der Aphorismen des Lullus. ZuInhalt, Aufbau und Entstehungsgeschichte der Kompilation wurde vonSeiten des protestantischen Kirchenhistorikers Winfried Zeller eine grund-legende Arbeit verfasst (Zeller, 1971: 195–218), in der dieser jedoch zuHerkunft und Inhalt der Llullschen Versikel sowie deren Bedeutung keineAngaben macht.

Tersteegen schreibt in seinem kleinen Vorwort zu den Versikeln desRamon Llull:

Unter den vielen dem Raimundo Lullo (welcher im dreizehnten Jahrhundert lebte,)zugeschriebenen Büchern findet man auch ein rares und erbauliches Büchlein vomFreund und dem Geliebten, genannt. Ob Lullus selbst, oder ein Einsiedler Blaquerna,diese Schrift aufgesetzt, bekümmert uns hier nicht. Diesen kleinen Auszug aber von 80Sprüchen, (sonst besteht das Büchlein aus 365 dergleichen Sprüchen,) wollte ich dochmeinen Mitpilgern zu ihrer Erquickung und Erbauung gerne mitteilen [...] (Tersteegen,1775: 437)

Das Zitat folgt der von mir benutzten zweiten Auflage, die wenige Jahrenach Tersteegens Tod von Peter Daniel Schmitz, dem Sohn von JohannSchmitz, besorgt wurde, die unter der identischen Seitenzählung wie dieErstauflage einen auch in der Interpunktion unveränderten Text liefert.

Bei den 80 ausgewählten Aphorismen handelt es sich um eine Überset-zung einer wohl lateinischen Vorlage, die nicht näher genannt wird. Esfinden sich sowohl genuine Verse des Ramon Llull als auch manche dersogenannten apokryphen Versikel, die in den lateinischen Ausgaben vor-handen sind und somit einen Hinweis auf eine lateinische Übersetzungs-vorlage darstellen. Verglichen mit der kritischen Ausgabe von Soler sindvon Tersteegen folgende Versikel in die Kompilation aufgenommen wor-den:

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9, 23, 25, 27, 29, 35, 37, 40, 41, 46, 47, 51b, 52, 54, 58, 62, 65a,65b, 67,[20], 71, 72, 77, 83, 86, 87, 93, 94a, 95b, 96, 107, 109, 112, 121, 136,139, 141, 142, 145, 166, 169, 170, 173, 175, 178, 190, 194, 195, 201,208, 209, 213b, 214, 220, 221, 225, [57], 231, 237, 238, 241, [62], 247a,251, 252a, 248, 267, 271, 272, [70], 288, 295, 296, 311, 333, [76], 347,348, 328, 329b.

Bei den hier aufgeführten Versikeln entsprechen die in [ ] gesetzten Zah-len der Versikelnummer bei Tersteegen. Diese Aphorismen gehören zuden sogenannten apokryphen Aphorismen. Diese gehen auf die umfang-reichen Veränderungen der ersten lateinischen Druckausgabe durch denHumanisten Jacques Lefèvre d’Étaples (auch Jakob Faber Stapulensisgenannt, ca. 1450–1536) zurück, die in Paris im Jahr 1505 erschienen ist(Soler, 1995: 40–43, 218f.). Lefèvre hat, um eine Anzahl von 365 Versikelzu erreichen, 49 zusätzliche Verse eingefügt, nachdem er 46 ausgeschiedenhatte, die nicht seiner Intention entsprachen. In der kritischen Ausgabevon Soler findet sich eine Liste der apokryphen Versikel mit der jeweiligenNummer der Ausgabe von 1505, die mit einem p als Sigel für die lateini-sche Erstausgabe Lefèvres bezeichnet ist (Soler, 1995: 247–258).

Die bei Tersteegen aufgenommenen apokryphen Aphorismen sinddemnach folgende: [20] entspricht 70 p (Soler, 1995: 247), [57] entspricht241 p (Soler, 1995: 248), [62] entspricht 258 p (Soler, 1995: 249), [70] ent-spricht 304 p (Soler, 1995: 251), [76] entspricht 338 p (Soler, 1995: 254).

Dabei zeigt sich, dass die Auswahl Tersteegens in der Reihenfolge derlateinischen Druckausgaben geschieht, abgesehen von Tersteegens Num-mer 66, die der 248 bei Soler entspricht und nach 252a eingeschaltet ist.Demnach handelt es sich bei der Kompilation Tersteegens nicht um einethematische Gruppierung oder sonst eine mit weiterer Intentionbestimmte Anordnung. Vielmehr scheint es, dass es sich um eine Auswahlim Rahmen einer chronologischen Lectio handelt, der eine ursprünglichprivate Exzerpierung zu Grunde liegen könnte. Dieses Vorgehen bei derAuswahl von Zitaten aus einem größeren Text begegnet uns bei Terstee-gen auch an anderer Stelle, z.B. bei seiner Auswahl von Sentenzen aus denOpera omnia des Thomas von Kempen, die er im Jahr 1734 als SammlungDer kleine Kempis [...] herausgegeben hat (Schnürle, 2008: 92).

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4.2 Rezeption im lutherischen Protestantismus:Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten

In chronologischer Reihenfolge erschien als nächste deutsche Übersetzungoder Übertragung jene von Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten, einemlutherischen Professor der Theologie in Greifswald und vielseitigenSchriftsteller. Kosegarten wurde am 1. Febr. 1758 in Grevesmühlen gebo-ren und starb am 26. Okt. 1818 in Greifswald. Nachdem er einige Klassi-ker des Altertums übersetzt und in Reimform herausgegeben hatte, wandteer sich in späteren Jahren einer religiösen Schriftstellerei zu. Wie uns dieAllgemeine Deutsche Biographie berichtet, schätzte er im Bereich dertheologischen Literatur besonders die Schriften Johannes Taulers, PhilippJakob Speners, Gerhard Tersteegens und Madame de la Motte Guyons(Häckermann, 1882: 745–751). Diese Vorliebe für Vertreter einer inner-lich-mystischen Theologie wird auch im Biographisch BibliographischenKirchenlexikon betont (Siebert, 1992: 537–539).

Wie bei Tersteegen findet sich bei Kosegarten erneut eine Übersetzungvon 80 Versikeln des Katalanen in einer Sammlung verschiedener Überset-zungen, gedruckt im Jahr 1817:

Die Ströme, Stralsund, Königl. Regierungs-Buchhandlung, 1817.2

Das titelgebende Werk ist eine deutsche Bearbeitung von Les torrents spiritu-els der Madame Guyon, der Hauptvertreterin der quietistischen Mystik inFrankreich (siehe die Monographie von Heppe, 1875). Daneben findensich Traktate des Pater François La Combe (1640–1715), eines Barnabiten,der ab 1681 der geistliche Berater bzw. Seelenführer der Guyon war undim Rahmen des französischen Quietismusstreites zwischen Bossuet undFenelon inhaftiert wurde (Lohmann, 1992: 943–944). Angefügt sind fernerTraktate des Franz von Sales und drei Gedichte von Johannes vom Kreuzsowie ein Gedicht, das Johannes Tauler zugeschrieben wird. Als weiterekleine Beigabe folgt schließlich der Auszug aus „Des Eremiten BlachernaBüchlein vom Freund und dem Geliebten“.

2 Vorhanden: Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München, Signatur 0001/8

Hofm. 486. Neue Ausgabe: Stralsund, Königl. Regierungs-Buchhandlung, 1823, vor-handen Schwerin, Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern, Signatur: Ob V5,10326:A, und Halle/Saale, Franckesche Stiftungen Bibliothek, Signatur: S/THOL:XVI D 713.

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Im Vorwort gibt Kosegarten noch einen interessanten Hinweis zu denvon ihm gedruckten Aphorismen: „Diese achtzig bin ich allein im Standezu geben; wer die übrigen mir mitzutheilen oder nachzuweisen vermöchteund geneigte, würde mich zum höchsten verpflichten.“ (Kosegarten, 1817:22). Dabei wird deutlich, dass Kosegarten um die gesamte Anzahl derAphorismen mit ca. 365 Bescheid weiß, aber lediglich eine Vorlage von 80Versikeln zur Hand hat, die er auch komplett in diesen Sammelband einge-arbeitet hat.

Die Versikel von Llull, die bei Kosegarten abgedruckt sind, sind nichtnur in der Anzahl identisch zu den von Tersteegen 50 Jahre zuvor ver-öffentlichten Aphorismen, sondern es zeigt sich, dass es sich bei identi-scher Reihenfolge um die selben zu Grunde liegenden Aphorismen han-delt. Lediglich der Wortlaut ist verändert im Sinne einer eigenen Überset-zung oder einer freien Paraphrase der von Tersteegen gewählten Versikel,wie unten im direkten Vergleich von zwei korrespondierenden Sprüchendeutlich wird.

4.3 Rezeption im Katholizismus: Nikolaus Casseder

Als erste komplette Übersetzung der 365 Versikel vom Freunde und demGeliebten lässt sich eine Ausgabe von 1824 eruieren, die in Frankfurt imkatholischen Verlag der Hermannschen Buchhandlung erschienen ist. AlsÜbersetzer unterzeichnet Nikolaus Casseder. Über das Leben und Wirkendieses bayerischen Priesters aus der Zeit der Romantik gibt es nur eineältere biographische Skizze in Felders Gelehrtenlexikon (Felder, 1822: 65–67). Genannt wird er auch in einer Festschrift der Heilig-Geist-Gemeindein Schweinfurt (Herzog, 2006: 201). Casseder wurde am 6. Dezember 1767in Bamberg geboren und starb am 31. Dezember 1823 in Schweinfurt. Erwar römisch-katholischer Priester und gehörte dem Orden der Kapuzineran, dem er im Herbst 1785 beitrat. 1791 wurde er zum Priester geweihtund wechselte nach mehreren Zwischenstationen 1811 nach Eltmann inFranken, wo er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Kurz vor seinemTod übernahm er eine Pfarrstelle in Schweinfurt. Weitere Details zu Cas-seders Leben und literarischem Schaffen sollen an anderer Stelle ausführ-licher beschrieben werden.

Auch die Übersetzung Casseders ist in einem Sammelwerk von mehre-ren Übersetzungen enthalten. Der Wortlaut des Titelblattes nennt insge-samt drei Schriften:

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Drei Büchlein das innere Leben betreffend: Selbstgespräche des Gerlach Petri, der zweite Kempisgenannt. Das Büchlein Albert’s des Großen, wie man Gott anhangen soll. Des Eremiten Blachernadreihundertfünfundsechzig Fragen vom Freunde und dem Geliebten. Übersetzt und bearbeitet vonNikolaus Casseder, Frankfurt a. Main, 1824.

Neben den Aphorismen des Ramon Llull enthält das Büchlein nochzwei weitere geistliche Schriften, nämlich die Selbstgespräche (Soliloquia)des Gerlach Peters, ein mystisches Werk aus dem Umfeld der Devotio mo-derna. Peters ist ein Vertreter dieser Reformbewegung des ausgehendenMittelalters, der von 1378 bis 1411 lebte und als Laie zu den Brüdern vomGemeinsamen Leben gehörte (Barnikol, 1958: 1431; Zschoch, 2000: 745).Seine Werke wurden 1996 von Mikel Kors im Corpus Christianorum Conti-nuatio Mediaeualis, Band 155, veröffentlicht.

Daneben findet sich im Sammelband der „drei Büchlein“ das oft auf-gelegte De adhaerendo Deo, das über lange Zeit Albertus Magnus zugeschrie-ben wurde, inzwischen jedoch als Werk des Benediktiners Johannes vonKastl anerkannt ist (Grundmann, 1959: 816).

Im Vorwort nennt Casseder die benutzte Vorlage zur Übersetzung vonBlaquernas Aphorismen (Casseder, 1824: XIII–XIV):

[...] die vollständige, lateinische, Pariser Ausgabe vom Jahre 1632, nach welcher ichdiese Schrift bearbeitet habe, [...]

damit ist als Vorlage folgende Ausgabe gemeint:

Ramon Llull, Blaquernae anachoretae interrogationes et responsiones 365 de Amico et Amato,Paris, Denys Moreau, 1632.

Diese wird in der Llull-Bibliographie des Centre de Documentació Ramon Llullder Universität Barcelona unter der Nummer 35 in der Rubrik der lateini-schen Drucke genannt.3

Desweiteren wird der Grund für diese Übersetzung genannt (Casseder,1824: XII):

Blacherna: „vom Freunde und dem Geliebten“, „auf jeden Tag des Jahres einen kurzenSpruch der Liebe Gottes und des Menschen zu Ihm uns zu erwägen gibt; in jedem ein-zelnen dieser dreihundert fünf und sechzig Sätze wird der theilnehmende Leser Stoffgenug zum Gebete und Beschauung finden, denn in jedem spricht nichts, denn dieLiebe, und zwar von der Liebe [...].

3 Vgl. <http://orbita.bib.ub.es/ramon/complet.asp?4476>.

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5 Wahrscheinliche lateinische Vorlage von Tersteegen undCasseder: Peter Poiret

Hier soll eine lateinische Ausgabe der Aphorismen des Ramon Llullerwähnt werden, die wir weiter unten als direkte oder indirekte Vorlage derdeutschen Übersetzungen des 18. und 19. Jahrhunderts erweisen werden.Diese lateinische Ausgabe findet sich in einem Sammelwerk des refor-mierten Protestanten Peter Poiret.

Dieser wurde am 15. April 1646 in Metz geboren und war ab 1669Pfarrer der französisch reformierten Gemeinden Otterberg, Frankenthal,Mannheim und Annweiler. 1674 wurde er Feldprediger, erkrankte aberbald. Innerlich machte er in diesen Jahren eine Wandlung vom Cartesia-nismus zu einer mystischen Gesinnung durch, die an der romanischen My-stik orientiert war. Er wurde zu einem Anhänger der mystischen Schwär-merin Antoinette Bourignon, deren Schriften er herausgab, später besorgteer die umfangreiche Gesamtausgabe der Werke der bereits genannten Ma-dame Guyon. Er lebte später in Amsterdam und ab 1688 mit einer kleinenGruppe von kirchenkritischen Laien in einer Lebensgemeinschaft nachdem Vorbild der spätmittelalterlichen Brüder vom gemeinsamen Leben inRijnsburg, wo er am 21. Mai 1719 verstorben ist (Wieser, 1932; Schering,1992; Krieg, 1979).

Poiret besaß eine kompendiöse Kenntnis der mystischen Literatur ausder gesamten Kirchengeschichte. Seinen Niederschlag fand dieses in seinerumfangreichen Bibliographie zu Werken mystischer Schriftsteller: Biblio-theca Mysticorum Selecta, Amsterdam, 1708. Viele Traktate von zum Teil auchwenig bekannten mystischen Schriftstellern wurden von ihm in Sammel-werken veröffentlicht.

Die von ihm besorgte Ausgabe der Versikel des Ramon Llull findet sichin einem thematisch orientierten Sammelband, der im Jahr 1711 in Ams-terdam bei Wetstein gedruckt wurde:

Sacra orationis Theologia duobus libellis; quorum alter theoreticus et recentior, Analysis orationismentalis; per R.P. Fanc. La Combe. Alter vero practicus et vetustior, Soliloquia Divina Gerlaci Petri,alterius Thomae Kempisii dicti. Subjunguntur Blaquernae Aphorismi 365 de Amico et Amato. Lucirestituit, notulis et Praefatione instruxit Petrus Poiret. Amstelaedami, ex OfficinaWetsteniana. MDCCXI.

Der Untertitel zu den Aphorismen des Llull lautet folgendermaßen:

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Blaquerna anachoretae Interrogationes et responsiones 365 de amico et amato auctoreRaimundo Lullo, S. Francisci Tertiario, Eremita. Claruit circa annum Domini 1290.Libellus omnibus viris spiritualibus non minus jucundus quam utilis. Ad editionemParisiensem Anni 1632 expressus.

In diesem Sammelband der „heiligen Gebetstheologie“ wird eine theo-retische Abhandlung über das Gebet des französischen Pater La Combe(1640–1715) dargeboten, der im Umfeld der Madame Guyon bekanntwurde. Daneben druckt Poiret zwei ältere Werke ganz unterschiedlicherHerkunft ab, die er unter dem Thema seiner heiligen Gebetstheologie sub-summiert. Es handelt sich um die Soliloqia divina des bereits bei Cassedererwähnten Gerlach Peters, der zu der niederländischen Bewegung der Brü-der vom gemeinsamen Leben gehörte. Schließlich finden sich dann in die-sem Sammelband die „BLAQUERNAE Aphorismi 365 de AMICO &AMATO“. Die Poiretsche Ausgabe von Llulls Versikeln wird in derBibliographie des Centre de Documentació unter der Nummer 37 geführt (vgl.Anmerkung 3), bei Soler jedoch nicht erwähnt.

Die von Poiret als Vorlage benutzte Ausgabe, die er im Untertitelnennt, war die Pariser Ausgabe von 1632, die ja auch später von NikolausCasseder benutzt und oben bereits genannt wurde. Diese 1632 in Parisgedruckte lateinische Übersetzung der Aphorismen beruht auf der bereitserwähnten Übertragung des Humanisten Lefèvre d’Etaples, die 1505 mitden ersten zwei Kapiteln des Liber contemplationis gedruckt wurde. Dabeihandelte es sich um eine Bearbeitung der vorhandenen mittelalterlichenHandschriftentexte entsprechend humanistischer Ideale: „Lefèvre revisedthe Latin text in accordance with Renaissance taste“ (Lohr, 1988: 328). ZurAusgabe von d’Etaples siehe Lohr (1988: 325–372); dabei werden dreiNachdrucke genannt: Alcalá 1517, Paris 1585 und Paris 1632. Die Ausgabevon Poiret entspricht der Auflage von 1632, die den Text der Ausgabe von1505 enthält ohne die bei Lefèvre vorhandenen Collationsfehler (Soler,1995: 219–221).

Von dem lateinischen Sammelband Poirets gab es keine direkte deut-sche Übersetzung, im Gegensatz zu anderen Werken von Peter Poiret wiez.B. Théologie du cœur [...], Cologne, 1696–1697, das im Jahr 1702 in einerdeutschen Übersetzung erschienen ist.4 Von Poirets Gebetstheologie

4 Hertzens-Theologie, Oder Einige sehr schöne geistliche Tractaetgen [...] Dergleichen Gott reinen ein-

faeltigen Seelen mitzutheilen pfleget..., Poiret, Pierre, Franckfurt, 1702, bestehend aus Theil 1,I. Der erleuchtete Hirte. II. Kurtzer Begriff der Lehre von der Christlichen Vollkom[m]enheit. III.Ruin der Eigen-Liebe, Theil 2, I. Das innerliche Leben. II. Die nach Gott strebende Liebe. III.

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erschien lediglich eine lateinische Auflage, wie auch die aktuellste deutscheBibliographie zu Poiret meldet (Krieg, 1979: 226).

6 Vergleich von jeweils zwei Versikeln in den verschiedenenAusgaben

Als Beispiele sollen die bei Tersteegen als Nummer 20 und 21 abgedruck-ten Versikel dienen, die in der Ausgabe von Casseder den Nummern 71und 76 entsprechen. In der kritischen Ausgabe von Soler handelt es sichum den apokryphen Aphorismus 70 p (Soler, 1995: 247) und den Versikel71 (vgl. die tabellarische Übersicht der Versikelnummern bei Soler, 1995:275). Es sollen die jeweils korrespondierenden Versikel der Ausgaben ver-glichen werden:

6.1 Bei Tersteegen Nr. 20 und Nr. 21

Einst ging der Freund in eine anmuthige Wiese, und sahe Knaben nach einer MengeSommer-Vögel springen und die Blumen zertreten; je mehr sie aber sich bemüheten,diese Sommer-Vögel zu fangen, desto mehr flogen solche in die Höhe. Da dachte derFreund, daß es diejenigen eben so machten, welche seinen Geliebten durch allzu grosseSubtilitäten zu ergreiffen meynten: dann den Einfältigen thut er die Thür auf, und denSpitzfindigen schleußt er sie zu; und der Glaube zeiget ihn in seinen Geheimnissen nurdurch das Fenster der Liebe.

Es stunden viele Leute vor dem Freund, der sich beklagte über seinen Geliebten, daß erseine Liebe nicht vermehrte; und beschwerte sich über die Liebe, daß sie ihm Trübsalund Schmertzen verursachte. Der Geliebte entschuldigte sich, und sagte, daß die Trüb-salen und Schmertzen, weßwegen er sich über die Liebe beschwerte, eben die Vermeh-rungen der Liebe wären.5

6.2 Bei Kosegarten Nr. 20 und Nr. 21

Der Freund lustwandelte einstens auf einer anmuthigen Wiese, und sahe den Knabenzu, welche auf die Schmetterlinge Jagd machten, die über den Blumen webeten. DieKnaben rannten hin und her; die Blumen wurden sehr zertreten. Je mehr Mühe sie aberanwandten, die Schmetterlinge zu haschen, je höher schwangen diese sich empor undentzogen sich endlich ganz dem Gesichte. Da gedachte der Freund, daß diesen Knaben

Kurtzer Begriff der geheimbden Gottes-Gelahrtheit. Nebst einem Sendschreiben Von ChristlicherAufferziehung der Kinder. Vorhanden in der Bibliothek der Franckeschen Anstalten inHalle, Sign. 57 I 7.

5 Kleine Perlenschnur [...], Solingen, 1767, S. 443f., die identische Seiteneinteilung findet sichin den Ausgaben 1775 und 1806.

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ähnlich wären solche Leute, die durch spitzfindiges Grübeln seinen Vielgeliebten zuerfassen und zu ergreifen wähnten. Allein den Einfältigen nur wird die Thür aufgethan,während sie dem Spitzfindigen immerdar verschlossen bleibt. Noch ist ein Fensterchenin der Thüre, wodurch der Glaube schauen läßt in die Hemlichkeiten des Geliebten.

Der Freund beklagte sich bitterlich, erst über den Geliebten, der seine Liebe nicht ver-mehren wolle, dann über die Liebe, die so viele Schmerzen und Trübsale ihm verursa-che. Den Leuten kam solche Klage seltsam vor. Der Geliebte aber suchte dem Freundzu bedeuten, und sagte, daß eben die Trübsale und Schmerzen, worüber er sichbeschwere, Kennzeichen und Folgen der sich vermehrenden Liebe wären.6

6.3 Bei Casseder Nr. 71 und Nr. 76

Der Freund kam einst auf eine anmutige Wiese, und sah den Knaben zu, wie sie nachden Schmetterlingen haschten, und die Blumen zertraten. Je eifriger sie aber waren,selbe zu fangen, um so höher schwangen sich selbe empor. Da dachte der Freund anjene, die durch spitzfindiges Grübeln und Forschen den Geliebten zu ergreifen und zubegreifen wähnen, er fand sie ähnlich diesen Knaben; denn der Geliebte öffnet dieThüre nur der Herzens-Einfalt, und immerdar verschlossen bleibet sie den Grüblern,nur der Glaube läßt wie durch ein klein Fenster in die Gheimnisse des Geliebtenschauen.

In Gegenwart vieler Leute klagte der Freund über seinen Geliebten, der ihm die Liebenicht vermehren wollte, und dann auch über die Liebe, die ihm so viele Schmerzen undLeiden verursache. Der Geliebte entschuldigte sich und bedeutete ihn, daß eben dieLeiden und Schmerzen, worüber er Klage führe gegen die Liebe, in ihm die Liebe ver-mehren.7

6.4 Bei Poiret LXXI und LXXVI

Intravit Amicus quoddam amoenum pratum, & contemplatus est puerulos saltantespost multitudinem papilionum, & proterentes flores: & quanto magis captarenitebantur, tanto magis evolabant in altum: & cogitavit Amicus; quod tales essent illi quinimiis subtilitatibus crederent comprehendere suum Amatum: nam simplicibus foresaperit, & subtilibus claudit: & fides illum in secretis suis per fenestram amoris ostendit.

Stabant multi coram Amico, qui conquerebatur de suo Amato quia non augmentabatejus amores; & accusabat amorem, qui illi dabat tribulationes & dolores. Amatus seexcusabat, dicens; quod tribulationes & dolores, propter quos accusabat amorem, suntamoris multiplicationes.8

6 Kosegarten a.a.O., 1817, S. 167.7 Casseder a.a.O., S. 221f. und S. 223.8 Poiret, Peter, Sacra orationis Theologia [...], S. 334 und S. 336.

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7 Mögliche Abhängigkeiten

Nun soll der Versuch unternommen werden, eine Abhängigkeit der deut-schen Übersetzungen bzw. Übertragungen von der oben genannten lateini-schen Ausgabe durch Peter Poiret zu erweisen. Zumindest lässt sich eineRezeptionskette herausarbeiten. Dabei handelt es sich meist nicht um eineinhaltlich fixierbare Abhängigkeit, sondern um Überlieferungshinweise, diein den Vorworten genannt werden, sowie um formale Hinweise, die sichaus der Zusammenstellung der in Sammelbänden gedruckten Aphorismenmit anderen geistlichen Werken schließen lassen.

7.1 Die Ausgabe Gerhard Tersteegens

Tersteegen gibt keine Angabe, aus welcher lateinischen Ausgabe er über-setzt hat. Die Benutzung von apokryphen Versikeln des Lefèvre d’Etapleszeigt jedoch, dass er aus einer gedruckten Ausgabe übersetzt, die in derTradition der humanistischen Ausgabe von 1505 steht. Aufgrund der gro-ßen Verbundenheit Tersteegens zu Peter Poiret und zu dessen Freundes-kreis in Holland ist anzunehmen, dass er die Poiretsche Ausgabe zur Handgehabt hatte. Seit spätestens 1732 war Tersteegen fast jährlich auf Reisen inden Niederlanden. So nennt Van Andel die gesicherten Jahre, in denenTersteegen eine Hollandreise zu Freundesbesuchen unternahm (VanAndel, 1973: 82).

Eines seiner Reiseziele war dabei auch Rijnsburg, wo er Otto Homfeld(1662–1738) besuchte, der die Bibliothek von Poiret nach dessen Todverwaltete (Breymayer, 1985: 169–173). Einen Teil der Bücher Poiretsmuss auch an Tersteegen übergegangen sein, was allgemein als „Erbschaftder Bibliothek Poirets“ genannt wird (Van Andel, 1973: 58).

In dem Sammelband Die kleine Perlenschnur, in dem die Aphorismen desRamon Llull erschienen sind, nennt Tersteegen im fünften und letztenTeil, zu dem auch die Versikel des Ramon Llull gehören, für ein kleinesFragment die Herkunft aus der Bibliothek des Poiret. In den zwei dortigenAbschnitten unter der Überschrift „das Leben im Geist“ finden sich imersten Traktat von Johannes Evangelista und Jacques Buven, im zweitenAbschnitt neben „Unterweisungen“ des Philipp Neri und einem Lied „vondem Leben der Vereinigung“ von Johanna Rodrigues dann auch derAbschnitt von Llull. Im Vorbericht zu Johann Evangelista schreibt Ter-steegen:

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Als Poiret diesen in der Nähe wohnenden Priester einst besuchte, gab ihm derselbe fol-gende mit seiner Hand geschriebene Reime zum Andenken mit, welche ich auf des sel.Poiret Kammer aus dem Original abgeschrieben: [...] (Tersteegen, 1767: 361)

Auch für andere Werke Tersteegens lässt sich ein ausgiebiges Benutzender Bibliothek von Poiret vermuten. Laut Van Andel fanden für die vonTersteegen verausgabten Lebensbeschreibungen Leben heiliger Seelen [...]Handschriften und Ausgaben aus Poirets Bibliothek Verwendung. Vieleder darin beschriebenen Lebensbilder fußen auf Biographien, die Poiretselbst in Französisch oder Latein herausgeben hatte (Van Andel, 1973: 43),was wiederum die literarische Verbundenheit Tersteegens mit Poiret unter-streicht.

7.2 Die Ausgabe Kosegartens

Bei den 80 Versikeln, die Kosegarten abdruckt, handelt es sich um dieselbeAuswahl, die bereits 50 Jahre zuvor von Gerhard Tersteegen übersetztwurde. Dabei fällt auf, dass Kosegarten dieselbe Reihenfolge der von Ter-steegen gewählten Versikel darbietet. Eine lateinischer Druck mit diesen 80Aphorismen, der als Vorlage zur Übersetzung der 80 Versikel gedienthaben könnte, ist uns nicht bekannt geworden. Dass Kosegarten die feh-lenden Versikel nicht kennt, wie wir aus der oben genannten Bemerkungaus seinem Vorwort wissen, lässt vermuten, dass er die deutsche Überset-zung von Tersteegen benutzt hat und keine neue Übersetzung angefertigthat. Im Vergleich des Wortlautes zeigt sich dann aber, dass Kosegarten dieAusdrucksweise nicht direkt übernommen hat – somit ist von einer freienParaphrase im Zeitstil der Romantik auszugehen. Es fällt auf, dass Kose-garten dann z.B. im zweiten Beispiel-Aphorismus das lateinische papilionummit ‚Schmetterlinge‘ anstatt ‚Sommervögel‘ bei Tersteegen wiedergibt. Inder Durchsicht aller vor Kosegarten erschienenen Ausgaben der Überset-zung Tersteegens von 1767, 1775 und 1806 (siehe unten unter Abschn. 8)findet sich das von Tersteegen benutzte ‚Sommervögel‘, so dass eine Über-setzungsdifferenz in der Überlieferungstradition ausscheidet. Vermutlichist diese unterschiedliche Wortwahl nicht auf eine differierende zu Grundeliegende Vorlage zurückzuführen, sondern es handelt sich um eine Anpas-sung an die sich ändernde deutsche Sprachentwicklung. Bei nähererBetrachtung der Benutzung von ‚Schmetterling‘ und ‚Sommervogel‘ in derdeutschen Sprache zeigt sich, dass das Wort ‚Schmetterling‘ erst im Laufedes 18. Jahrhunderts als allgemeingültiges Wort benutzt wurde. Zuvor lässt

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sich ‚Schmetterling‘ schon seit 1504 als benutztes Wort finden (Bierwirth,1890: 389), aber nur sporadisch und regional begrenzt z.B. in Niedersach-sen und Mitteldeutschland wie Thüringen und Sachsen. Tersteegen hat daszu seiner Zeit gebrauchte ‚Sommervogel‘ benutzt, das sich auch sonst biszum Ende des 18. Jahrhunderts findet, unter anderen auch bei Goethe undden Gebrüdern Grimm (Heyne, 1905: 1563–1565 und Heyne, 1899: 1047–1049).

Somit lässt sich bei Kosegarten nach den bisherigen Kenntnissen voneiner direkten Abhängigkeit von Tersteegen und damit von einer indirek-ten Abhängigkeit von der Poiretschen Ausgabe sprechen.

7.3 Die Ausgabe Casseders

Bei der ersten kompletten deutschen Übersetzung der Llullschen Apho-rismen durch Nikolaus Casseder lässt sich eine direkte Abhängigkeit vonder lateinischen Ausgabe des Poiret vermuten. Beide nennen dieselbe latei-nische Ausgabe als Übersetzungsgrundlage, nämlich die zu Paris herausge-kommene Ausgabe von 1632. Über die Abhängigkeit Casseders von Poiretlässt sich auf Grund der Zusammenstellung von Casseders Kompilationschließen. Casseder druckte die Aphorismen des Ramon Llull und dieÜbersetzung der Herzensgespräche des Gerlach Peters in seinem kleinenSammelwerk, wie sich diese sonst sicher seltenen Schriften auch in derlateinischen Kompilation Poirets von 1711 gemeinsam finden. Auffällig istbei Casseder zudem, dass er noch die Übersetzung von De adhaerendo Deomit in seinen Sammelband aufgenommen hat. Wie bereits oben erwähnt,finden sich ja auch in Tersteegens Kleine Perlen-Schnur neben anderen Trak-taten sowohl die Aphorismen des Llull wie auch De adhaerendo Deo. Weil dieLlullschen Versikel von Casseder aber direkt aus einer lateinischen Vorlageübersetzt wurden, da er ja die komplette Anzahl bietet, könnte vermutetwerden dass Casseder die Kleine Perlen-Schnur Tersteegens kannte und so aufDe adhaerendo Deo und die Versikel des Llull aufmerksam wurde, die Über-setzung jedoch aus Poiret vorgenommen hatte und dabei auch GerlachPeters Traktat übersetzte. Somit hat Casseder wahrscheinlich aus der latei-nischen Schrift von Poiret übersetzt und mit Angabe der Pariser Ausgabevon 1632 lediglich die von Poiret genannte Quelle wiedergegeben.

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Aphorismen „vom Freund und dem Geliebten“ in deutscher Sprache 195

8 Verbreitung der deutschen Übersetzungen

Die Ausgaben von Kosegarten und Casseder haben beide keine größereVerbreitung gefunden. Die Übersetzung von Casseder ist nur in derErstauflage erschienen. Das diese Sammlung einleitende geistliche Buchdes zur Devotio moderna zugerechneten Gerlach Peters, die Selbstgespräche,sind 1840 in der Übersetzung Casseders bei Heberle in Köln in einerzweiten Auflage erschienen, nicht aber die Versikel des Llull.

Die fragmentarische Übersetzung bzw. Übertragung von 80 Versikelndurch Kosegarten erschien in zwei Auflagen, die oben genannt wurden,und hat dadurch auch nur einen bescheidenen Wirkungskreis erzielen kön-nen.

Eine durchaus weitere Verbreitung fand die Teil-Übersetzung der 80Aphorismen durch Gerhard Tersteegen in seinem Sammelwerk Kleine Per-lenschnur [...]. Dieses kleine Werk, das in den letzten Lebensjahren desMühlheimer Mystikers entstanden ist, wurde auch nach seinem Tod vonseinen Anhängerkreisen weiter geschätzt und hat mehrere Auflagen erlebt,die letzte noch im 20. Jahrhundert. Auch von amerikanischen Auswande-rern finden sich deutschsprachige Drucke dieser Kompilation. Bekanntsind folgende Auflagen:

Die Erstauflage in Solingen bei Johann Schmitz 1767 (vorhanden inder Universitätsbibliothek Duisburg), die zweite Auflage 1775 bei sei-nem Sohn Peter Daniel Schmitz, der den Verlag in Solingen über-nommen hatte. Über weitere Einzelheiten zur VerlagsgeschichteSchmitz informiert eine Monographie von Horst Neeb (1994). EineNeuauflage erfolgte dann 1806 in Spelldorf / Mülheim bei BernhardRosshof & Comp., gedruckt in Elberfeld, bei J.C. Eyrich (vorhandenStadtbibliothek Wuppertal-Elberfeld), die ebenfalls als zweite Auflageauf dem Titelblatt bezeichnet ist. Eine vierte Auflage erschien in Elber-feld bei Hassel im Jahr 1827 (vorhanden im Stadtarchiv Mülheim /Ruhr), die fünfte Auflage dann in Mülheim an der Ruhr bei der Buch-handlung des „evangelischen Vereinshauses“ 1882 (ebenfalls vorhan-den im Stadtarchiv Mülheim / Ruhr).

Ein Nachdruck dieser 5. Auflage wurde ca. 1960 von einer Omnitypie-Ge-sellschaft in Stuttgart gedruckt. Van Andel (1973: 67) nennt als Erschei-nungsjahr dieser Ausgabe das Jahr 1968. Ab ca. 1980 wurden dann in derSchweiz von einem Verlag „Inneres Leben“ in Uitikon-Waldeck Faksi-

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milenachdrucke der 5. Auflage angefertigt wobei es sich um fotomechani-sche Nachdrucke in Kleinstauflagen bis 50 Stück handelte.9

Die amerikanischen Auflagen in deutscher Sprache sind in den 30-erJahren des 19. Jahrhunderts entstanden:

Libanon, (Penns.), Gedruckt für Gideon Schmidt und C. und J. Licht,1830, die im Titelblatt als Vermerk „1. amerikanische Auflage“ trägt.Bister (1997: 131) nennt insgesamt drei amerikanische Auflagen vonder Kleinen Perlenschnur: aus den Jahren 1830, 1831 in Libanon und 1850eine Auflage in Philadelphia mit dem Titel: Himmlische Perlen-Schnur.

Somit sind zumindest 6 deutsche und 3 in Amerika gedruckte Auflagenvon diesem Sammelband erschienen, was auch in Anbetracht der Auflagendeutscher Übersetzungen des 20. Jahrhunderts von Llulls Aphorismeneiner doch recht weiten Verbreitung entspricht.

9 Vorschlag einer neuen Einteilung der deutschen Ausgaben

Hier soll nun der Vorschlag für eine neue Einteilung der deutschen Aus-gaben der Aphorismen vom Freund und dem Geliebten unter Einbezie-hung der neu aufgefundenen Übersetzungen und Übertragungen, basie-rend auf der Einteilung von Soler, erfolgen.

D.1.f Fragment mit 80 Versikeln in Die kleine Perlen-schnur. Hrsg. Ger-hard Tersteegen, 1767, Solingen: Verlag Johann Schmitz (inDeutschland und Amerika insgesamt mindestens 9 Auflagen).

D.2.f Fragment mit 80 Versikeln in Die Ströme, 1817, Stralsund: Kö-nigliche Regierungs-Buchhandlung, Zweitauflage 1823, ebendort.

D.3 Drei Büchlein das innere Leben betreffend: Des Eremiten Blacherna drei-hundertfünfundsechzig Fragen vom Freunde und dem Geliebten. Über-setzt und bearbeitet von Nikolaus Casseder, 1824, Frankfurt:Hermannsche Buchhandlung.

D.4 Das Buch vom Liebenden und Geliebten, Wissenschaft und Weisheit5, Mönchengladbach/ Freiburg i. Br, (1938) 64–69, 136–138,206–213; 7 (1940) 110–112, 136–148.

D.5 Das Buch vom Liebenden und Geliebten, eine mystische Spruchsammlung,1948, Olten: Otto Walter Verlag.

D.6 Buch vom Liebenden und Geliebten, 1967, Köln: Jakob Hegner Verlag.D.7 Das Buch vom Liebenden und Geliebten, geistliche Gleichnisse. M.

Aubry, ca. 1967, Zürich: Thomas Verlag. 9 Persönliche Mitteilung des „Verlagsinhabers“.

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Aphorismen „vom Freund und dem Geliebten“ in deutscher Sprache 197

D.8.f Christus Amicus. Aus den Tagebüchern des Ramon Lull. AnselmHoste und Rhaban Haacke (Hrsg.), 1970, Konstanz: VerlagKanisiuswerk.

D.9.f Die Kunst, sich in Gott zu verlieben. Auswahl Erika Lorenz, 1985,Freiburg i. Br.: Herder Verlag.

D.10 Das Buch vom Freunde und vom Geliebten. Übersetzung ErikaLorenz, 1988, Zürich, München: Artemis Verlag, erneuterAbdruck Herder 1992

D.11.f Unter dem Feigenbaum. Hommage a Ramon Llull, Hrsg. Walter Stöh-rer, 1995, Stuttgart.

D.12 Vom Freund und dem Geliebten, Die Kunst der Kontemplation, Über-setzung Gret Schib Torra; Einleitung Manfred Baumotte, ReiheKlassiker der Meditation, 1998, Zürich / Düsseldorf: VerlagBenziger.

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Mein Dank gilt Dr. Alexander Fidora, Frankfurt / Barcelona, für wichtige Anregungenund Literaturhinweise im fachlichen Dialog und Dr. Ulrich Bister, Herborn, für dieEinsichtnahme in sein Exemplar der Erstauflage von die Kleine Perlen-schnur GerhardTersteegens von 1767.

Joachim Schnürle, Finsterbachstraße 20, D-91154 Roth, <[email protected]>.

Resum: Des de principis del segle XX ha aparegut un nou interès en Ramon Llull.Aquest interès es reflecteix en les noves edicions de les seves obres en una edició críticai noves traduccions de les novel∙les, així com la col∙lecció mística d’amic e amat en moltesllengües europees. A partir de l’interès despertat en l’àmbit acadèmic, es van crear ins-titucions de recerca a Barcelona i Friburg.

En aquest treball es presenten antigues traduccions a l’alemany dels aforismesd’amic e amat, que existeixen des de mitjans del segle XVIII i que les investigacions recentshan passat quasi completament per alt. Es tracta de les traduccions fragmentàries deGerhard Tersteegen (1697–1769) i Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten (1758–1818),així com la primera traducció completa a càrrec d’un capellà, Nikolaus Casseder (1767–1823), a principis del segle XIX a Baviera.

Summary: Since the beginning of the 20th century, a new interest has arisen in theCatalan encyclopedist Ramon Llull, who lived at the turn of the 14th century. This newinterest has become manifest in a new critical edition of his works and in editions of hisnovels and the mystical verses of the lover and the beloved that were translated into severalEuropean languages. The new academic interest also resulted in the foundation ofinstitutes at the universities of Barcelona and Freiburg.

This study aims to show that there have been German translations of the Apho-risms of the lover and the beloved since the middle of the 18th century that have beenalmost entirely neglected by scholars dealing with Ramon Llull. Translations of frag-ments of the above-mentioned work were done by Gerhard Tersteegen (1697–1769)and Gotthard Ludwig Theobul Kosegarten (1758–1818); the first complete translationby a roman-catholic priest in Bavaria, Nikolaus Casseder (1767–1823), dates back to thebeginning of the 19th century. [Keywords: Llull, Tersteegen, Kosegarten, Casseder, Lli-bre d’amic e amat]