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348 Kolloquien Die Leistung des Isoxyls im Tierversuch ergibt sieh aus folgenden Einzel- befunden: 1. Identit~t der Wirkung yon 200 mg/kg/d Isoxyl und 50 mg/kg/d Athioniamid (Kaninehen, s. o.). 2. Unterlegenheit yon 100 mg/kg/d Isoxyl im Vergleich zu 50 mg/kg Athioni- amid (Maus). 3. Anni~hernde Ubereinstimmung des Effektes yon 100mg/kg/d Isoxyl, 20 mg/kg/d Athioniamid und 100 mg/kg/d Conteben bei friihem Ther~piebcginn (Maus). 4. Rangordnung der thcrapeutischen Wirkung bei der Maus: 500 mg;kg/d PAS ~ 100 mg/kg/d Isoxyl ~ 50 mg/kg/d Streptomycin ~ 5 mg/kg/d INH. 5. Langsamer Wirkungsabfall bei Unterdosierung (Maus). 6. Kein vollsti~ndiger Stoppeffekt mit 100 und 200 mg/kg/d Isoxyl auf Ir:fektion mit chemoresistenten Erregern (Sm und INH) bei sp~tem Therapiebeginn (3Iaus). Bcim Nicoprazin konnten wir keinen tuberkulostatischen Effekt naehweisen -- geprfift wurden 300 und 500 mg/kg im Vergcich effektiver Therapie mit 300 und 500 mg/kg Pyrazinamid bei Simultanverabreichung. Kolloquium fiber Rehabilitation* W. WESSEL**~ Diisseldorf (LandesversicherungsanstMt Rheinprovinz) : Die be- ru/liche und 8oziale Rehabilitation Anl~131ich einer kurzen Studienfahrt (lurch holl~ndische Lungenheilstiitten, die ich im Oktober 1953 unternahm, hatte ieh in der tteilsti~tte ,,Berg en Bosch", in der N~he yon Utrecht gelegen, Gelegenheit, mit dem Problem der Arbeits- therapie und der Wiedereingliederung geheilter Tuberkulosekranker in das Er- werbsleben bekanntzuwerden. Dieser Heilstitte waren eine Reihe Werkst~tten angegliedert, die der Verarbeitung yon Textilien, Holz und Metall dienten und in denen unter anderem kunstgewcrbliche Artikel und Spielzeug hergestelIt wurden. Die tteilstitte hatte mit dem einschl~gigen Handel vertragliehe Ab- maehungen fiber den Absatz der Erzeugnisse getroffen, so da~ die Sonderein- richtung der Heilstiitte sich wirtschaftlich trug und die betriebswirtschaftiiche Unabh~ngigkeit vom fibrigen Heilstitttenbetrieb auf weitem Wege gegeben war. Die ehemaligen Patienten waren in kleinen H~usern im Anstaltsgel~nde unter- gebracht und verbrachten ihr Leben in Abgeschiedenheit vom fibrigen Heil- st~ttenbetrieb, mit dem sic nur bei gelegentlichen Kontrolluntersuchungen ~rieder in Berfihrung kamen. Die Verweildauer in der arbeitstherapcutischen Abteilung erstreckte sich auf etwa ein Jahr, und erst anschliel3end wurde der Versuch unter- nommen, den Betreuten in ein geordnetes und seinen Leistungen entsprechendes Arbeitsverh~ltnis zu vermitteln. Diese Wiedereingliederung in das normale Er- werbsleben erfolgte aUerdings auch nur dann, wenn die MSglichkeit eines Krank- hcitsriiekfalles so gut wie ausgesehlossen schien. Es war mir schon damals klar, da~ wit diese holli~ndische Methode nieht so ohne weiteres auf deutsche Verhiltnisse fibernehmen konnten, zumal auch die holli~ndisehe und die deutsche Gesetzgebung grundlegende Unterschiede auf- wiesen und auch heute noch aufweisen. * Das Kolloquium land im Sanatorium Bergisch Land, Wupper~al-Ronsdorf,start. ** Dr. W- WESSEL, 4000 Diisseldorf, KSnigsallee 71.

Die berufliche und soziale Rehabilitation

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Die Leistung des Isoxyls im Tierversuch ergibt sieh aus folgenden Einzel- befunden:

1. Identit~t der Wirkung yon 200 mg/kg/d Isoxyl und 50 mg/kg/d Athioniamid (Kaninehen, s. o.).

2. Unterlegenheit yon 100 mg/kg/d Isoxyl im Vergleich zu 50 mg/kg Athioni- amid (Maus).

3. Anni~hernde Ubereinstimmung des Effektes yon 100mg/kg/d Isoxyl, 20 mg/kg/d Athioniamid und 100 mg/kg/d Conteben bei friihem Ther~piebcginn (Maus).

4. Rangordnung der thcrapeutischen Wirkung bei der Maus: 500 mg;kg/d PAS ~ 100 mg/kg/d Isoxyl ~ 50 mg/kg/d Streptomycin ~ 5 mg/kg/d INH.

5. Langsamer Wirkungsabfall bei Unterdosierung (Maus). 6. Kein vollsti~ndiger Stoppeffekt mit 100 und 200 mg/kg/d Isoxyl auf Ir:fektion

mit chemoresistenten Erregern (Sm und INH) bei sp~tem Therapiebeginn (3Iaus). Bcim Nicoprazin konnten wir keinen tuberkulostatischen Effekt naehweisen - -

geprfift wurden 300 und 500 mg/kg im Vergcich effektiver Therapie mit 300 und 500 mg/kg Pyrazinamid bei Simultanverabreichung.

Kolloquium fiber Rehabilitation* W. WESSEL**~ Diisseldorf (LandesversicherungsanstMt Rheinprovinz) : Die be-

ru/liche und 8oziale Rehabilitation

Anl~131ich einer kurzen Studienfahrt (lurch holl~ndische Lungenheilstiitten, die ich im Oktober 1953 unternahm, hatte ieh in der tteilsti~tte ,,Berg en Bosch", in der N~he yon Utrecht gelegen, Gelegenheit, mit dem Problem der Arbeits- therapie und der Wiedereingliederung geheilter Tuberkulosekranker in das Er- werbsleben bekanntzuwerden. Dieser Heilstitte waren eine Reihe Werkst~tten angegliedert, die der Verarbeitung yon Textilien, Holz und Metall dienten und in denen unter anderem kunstgewcrbliche Artikel und Spielzeug hergestelIt wurden. Die tteilstit te hatte mit dem einschl~gigen Handel vertragliehe Ab- maehungen fiber den Absatz der Erzeugnisse getroffen, so da~ die Sonderein- richtung der Heilstiitte sich wirtschaftlich trug und die betriebswirtschaftiiche Unabh~ngigkeit vom fibrigen Heilstitttenbetrieb auf weitem Wege gegeben war. Die ehemaligen Patienten waren in kleinen H~usern im Anstaltsgel~nde unter- gebracht und verbrachten ihr Leben in Abgeschiedenheit vom fibrigen Heil- st~ttenbetrieb, mit dem sic nur bei gelegentlichen Kontrolluntersuchungen ~rieder in Berfihrung kamen. Die Verweildauer in der arbeitstherapcutischen Abteilung erstreckte sich auf etwa ein Jahr, und erst anschliel3end wurde der Versuch unter- nommen, den Betreuten in ein geordnetes und seinen Leistungen entsprechendes Arbeitsverh~ltnis zu vermitteln. Diese Wiedereingliederung in das normale Er- werbsleben erfolgte aUerdings auch nur dann, wenn die MSglichkeit eines Krank- hcitsriiekfalles so gut wie ausgesehlossen schien.

Es war mir schon damals klar, da~ wit diese holli~ndische Methode nieht so ohne weiteres auf deutsche Verhiltnisse fibernehmen konnten, zumal auch die holli~ndisehe und die deutsche Gesetzgebung grundlegende Unterschiede auf- wiesen und auch heute noch aufweisen.

* Das Kolloquium land im Sanatorium Bergisch Land, Wupper~al-Ronsdorf, start. ** Dr. W- WESSEL, 4000 Diisseldorf, KSnigsallee 71.

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Dem Problem der Arbeitstherapie und damit auch der beruflichen Rehabili- tation bei chronisch Kranken habe ich seit dieser Zeit meine besondere Auf- merksamkeit geschenkt. So war ich immer wieder besonders beeindruckt yon den aufschlul3reichen Erfolgsnachrichten fiber RehabilitationsmaBnahmen, wie sie im Ausland, besonders in den angels~chsischen L/indern, zur Anwendung kamen. Dort sind mustergiiltige Einriehtungen geschaffen und Mal3nahmen getroffen worden, fiber die wir uns in Deutschland freuen sollten, denn sie sind ein Beweis dafiir, dab die Anregungen, die gegeben, und die Einrichtungen, die in Deutsch- land seit Beginn des industriellen Zeitalters vor mehr als 60 Jahren geschaffen wurden, in diesen L~ndern als zweckms aufgenommen, vervollkommnet und systematisch ausgebaut wurden.

Die bei uns gegebenen Voraussetzungen, die besonderen Verhaltnisse im politischen und im sozialpolitisehen Bereich, insonderheit die Sozialgesetz- gebung, hat der Entwieklung des Rehabflitationsgeschehens einen anderen Weg gewiesen.

Einige Marksteine auf diesem Weg mSehte ich Ihnen aufzeigen: Aus der ur. sprfinglich als reines Werk der N/~ehstenliebe entstandenen Ffirsorge um den durch chronische Krankheit Behinderten, praktiziert durch caritative Organisationen und Einrichtungen, ist die umfassende Sozialgesetzgebung geworden, die also dieser Fiirsorge den gesetzlichen Charakter gegeben hat. Erinnern wit uns an das preul3ische Krfippelffirsorgegesetz, an das 1923 erlassene Gesetz fiber die Besch~ftigung Schwerbesch~digter, an die 1925 erlassene Erweiterung des Reichs- unfallgesetzes.

Man sagt, dal] Gesetze dem Zeitgeist entspreehen, aus dem sie geboren sind. Aus der Zeit nach dem ersten, besonder~ aber naeh dem zweiten Weltkriege, be- sitzen wit zahlreiche neugefaBte und erweiterte Sozialgesetze, die aus dem heutigen Zeitgeist gepr/igt sind. Ich ftihre an die Gesetze zur Neuregelung der Renten- versieherung, das neu gefal3te Gesetz fiber Arbeitsvermittlung und Arbeitslosen- versicherung, das Schwerbesch~idigtengesetz, das KSrperbehindertengcsetz, das Tuberkulosehilfegesetz, das Bundessozialhilfegesetz. Dureh diese Gesetze werden die MaBnahmen und Einriehtungen ffir die medizinische und berufliche Re- habilitation und damit f/Jr die Wiedereingliederung kSrperlieh oder geistig be- hinderter Personen in das Erwerbsleben in den Mittelpunkt der Bemfihungen der Sozialversicherungstr~ger und in den VordergTund des sozialpolitisehen Interesses gerfiekt. In diesen Gesetzen erscheint nicht das Wort ,,Rehabilitation". Um so mehr abet erscheinen in diesen Gesetzen die rechtzeitig von den Tr~tgern der Sozialversicherung durehzufiihrenden MaBnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsf~higkeit. Insofern also erstrecken sich die Lei. stungen der Tr~ger auf die Heilbehandlung, Berufsf6rderung und soziale Be- treuung.

Damit ist auch der deutsche Begriff des Wortes ,,Rehabilitation" erkl~rt, denn dieser deutsche Begriff schliel3t in sich die Summe aller MaBnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsf~lfigkeit.

So geht dieser deutsche Beg-rift der Rehabilitation wesentlich fiber den Re- habilitationsbegriff anderer L~nder hinaus, weil er bei uns nicht nur die Besserung und Wiederherstellung k6rperlich oder geistig behinderter Personen umschlie~t, sondern eingeschlossen ist auch die Erhaltung der Erwerbsfiihigkeit des Gesunden.

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I m w 1236 tiVO n. F. Absatz 1 heii]t es: ,,Ist die Erwerbsf/~higkeit eines Versicherten infolge yon Krankheit oder

anderen Gebrechen oder Sehw/iche seiner k6rperliehen oder geistigen Kr/ifte ge- f/ihrdet oder gemindert und kann sie voraussichtlieh erhalten, wesentlieh ge- bessert oder wiederhergestellt werden, so kann der Tr~ger der Rentenversieherung der Arbeiter Maitnahmen in dem in w 1237 bestimmten Umfang zur Erhaltung, Besserung oder Wiederherstellung der ErwerbsfAhigkeit gew/ihren."

Der Gesetzgeber hat mit dieser Formulierung eine meines Erachtens sehr gliieklich gew~hlte Umsehreibung des Begriffes ,,l~ehabflitation" gew/~hlt, die vor allem fiir die Gesundheitsvorsorge yon ganz besonderer Bedeutung ist.

Die Sozialversieherungs~r/~ger w~ren ohne diese gesetzliche Fundierung kaum in der Lage, die schon in Vielzahl praktizierten VorbeugungsmaBnahmen in Form yon Frfihheilverfahren, wie sie nicht nur als Terrain- und Belastungskuren, son- dern auch als klinisehe Heilverfahren durchgefiihrt werden, einzuleiten.

In dieser Formulierung des w 1236 RVO n. F. wird der gro2e Unterschied zum w 1252 RV0 a. F. deutlich siehtbar, der ja praktisch nur dann die Einleitung yon MaBnahmen zulieB, wenn vorzeitige Invalidit~it verhindert oder mit an Sieherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beseitigt werden konnte.

Um/anff der Au/gaben. Wer an die Bew~iltigung einer Aufgabe herangeht, muI~ sich zuerst des Umfanges dieser Aufgabe bewul]t werden.

Die gesetzlich fundamentierte MSglichkeit zur Durchffihrung yon MaP- nahmen mit dem Ziel der medizinischen, beruflichen und sozialen Rehabilitation lhBt erkennen, in welch gewaltigem Umfange sich diese Aufgabe in Deutschland darbietet.

Im Verlaufe der Deutschen Tuberkulose-Tagung sind Ihnen in ausreiehendem Maite Zahlen fiber Erkrankungsziffern im Sektor Tuberkulose genannt worden, so dal3 ich es mix ersparen kann, hier noehmals statistische Zahlen zu nennen.

Nach meiner Auffassung genfigt die Feststellung, da{3, wenn wh. in diesem Zusammenhang von Mal]nahmen zur Erhaltung der Gesundheit und Erwerbs- fAhigkeit absehen, ffir die Rehabilitation haupts/ichlich vier groi3e Personen- gruppen in Betracht kommen, und zwar

die Tuberkulosekranken. die Kriegsopfer, die Unfallgesehi~digten, die Behinderten dureh angeborene oder erworbene Leiden.

Uber diese vier Personengruppen existieren mehr oder weniger genaue sta~isti- sche Aufzeichnungen, und wenn wir dazu noch die Zahl ~ener Erwerbsti~tigen in unsere Betrachtungen einbeziehen, welche wegen Berufs- oder Erwerbsunfghig- keit vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden und fiir die nach dem aus- driicklichen Willen des Gesetzgebers die Rehabilit~tsmSglichkeiten offenstehen sollen, kann man sich einen ann/~hernden Begriff yon dem gewaltigen Ausmal3 der Aufgaben machen, welche durch die Rehabilitation auf alle Versicherungstriiger zukommen.

Rund 60 % der m/~nnliehen und 75 % der weiblichen Rentenempfgnger erhalten ihre Rente nicht wegen Erreichung der Altersgrenze, sondern wegen vorzeitiger Berufs- oder Erwerbsunf/~higkeit.

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In der Arbeiterrentenversicherung hat der Rentenbestand die Ffinfmillionen- grenze welt fiberschritten, und in der Angestelltenversicherung liegt die Rentenzahl mit fiber 1,7 Millionen.

Wenn a n / t a n d dieser Betrachtung der gewaltige Umfang der uns gestellten Aufgabe sichtbar wird, brauchen wir trotzdem nicht zu kapitulieren, denn wir stehen ja schon praktisch mitten in dem Versuch, dieser Aufgabe gerecht zu werden.

Durch Jahrzehnte hindurch haben Manner und Frauen durch ihre Initiative in den caritativen Organisationen hervorragende Einrichtungen geschaffen, die im Aufgabenbereich der Rehabilitation wertvolle Erfahrungen wachsen liel3en. Ffir K6rperbehinderte und ffir geistig Gesch/~digte und ffir unterentwickelte Personen konnte sich so eine eigene Methodik der Ffirsorge entwiekeln, welehe sieh von der Verfahrensweise in anderen L/~ndern wesentlieh un~erscheidet. Sie wird yon den einzelnen Tr/igern, Organisationen und Verb/inden trotz unterschiedlieher ideeller und finanzieller Voraussetzungen mehr oder weniger gleichmgl3ig angewandt.

DaB sich die Tr/iger der Sozialversicherung, besonders aber der gesetzlichen Rentenversicherung, beim Bau und der Einrichtung yon medizinischen Rehabili- tationsst/~tten diese Erfahrungen zunutze maehten, ist wohl selbstverst/~ndlich.

So ist im Laufe der Jahrzehnte durch die Initiative der Selbstverwaltungs- organe der Trgger der Sozialversieherung ein groBes Netz vonder medizinisehen Rehabilitation dienenden Einrichtungen entstanden, die die Voraussetzungen ffir die berufliche und soziale Rehabilitation zu schaffen verm6gen.

Die zentrale Stellung des Arztes im Rehabililationsgeschehen. Aus dem Vorher- gesagten mSge man erkennen, da~ die Rehabilitation sieh in drei Phasen unter- scheiden mull.

Der beruf/iehen Rehabilitation mull die medizinische Rehabilitation voraus- gehen. Der beruflichen Rehabilitation mul3 die soziale Rehabilitation folgen oder aber schon gleichzeitig mit eingeleitet werden. Man ersehe daraus, dall schon bei der Erfassung des Rehabilitationsbedfirftigen die besondere Stellung des Arztes deutlich sichtbar wird.

Die funktionelle Belastungsgrenze eines Behinderten, die ffir Beginn, Ablauf und Beendigung jeder einzelnen Mal~nahme in den verschiedenen Rehabilitations- phasen mallgebend sein mul~, kann nur durch den Arzt bestimmt werden. Bei der Erfassung der Rehabflitationsbediirftigen mfissen daher schon alle Arzte mit- wirken, die auf Grund ihrer amtlichen T/~tigkeit dazu berufen sind. Aber nicht nur allein diese Arzte, die fiir Kranken- oder Rentenversicherung, ffir die Unfall- versieherung nnd die Arbeitsverwaltung t/~tig sind, sind zur Mitwirkung berufen, sondern der in der freien Praxis t/~tige Hans- oder Spezialarzt, der Werksarzt und Heilst~ttenarzt ist genauso in die Verantwortung gestellt. Die vorurteilslose Zusammenarbeit der ~xrzte erm6glicht die friihzeitige Erfassung der Rehabili- tationsbedfirftigen und versetzt die Tr/~ger der Rehabilitationseinrichtungen in die Lage, gezielte MaBnahmen zur Durchffihrung zu bringen.

Die Frfiherfassung des bedfirftigen Personenkreises ist die Voraussetzung ffir einen optimalen Erfolg der durehzufiihrenden Mallnahmen. Der m6gliehst frfih- zeitigen und mSgliehst vollst/indigen Erfassung dienen auch die R6ntgenreihen- untersuchungen der Bev61kernng, die teils freiwillig, aber in einigen Bundes- liindern aueh gesetzlich vorgeschrieben, unternommen werden. Es diirften etwa

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25 Millionen solcher RSntgerrreihenuntersuchungen bisher im Bundesgebiet durch- geffihrt worden sein. Sie sind eine wiehtige Methode zur Auffindung unbekannter Tbc-F~lle, die - - weft sie oft vSllig symptomlos sind - - eine besondere Gefahr darstellen. - - Dal~ dabei aueh hin und wieder nicht bekannte Carcinom-F~lle und auch organische Herzerkrankungen festgestellt und rechtzeitiger Behandlung zugeffihrt werden, sei nur am Rande vermerkt.

Zur Frfiherfassung gehSren aueh die zwisehen manchen Landesversicherungs- anstalten und Werks&rzten getroffenen Vereinbarungen und die Vereinbarungen gem/iB w 1244 Absatz 2 RVO n. F. mit den Tr/igern der Sozialversicherung fiber die Meldepflicht, die ja dann besteht, wenn in den /irztlichen Diensten dieser Versieherungszweige F/~lle festgestell~ werden, ffir die die Einleitung yon Re- habilitationsmaBnahmen angezeig~ sind.

Eine gute ]-Iilfe bei der Frfiheffassung Rehabilitationsbedfifftiger sind die Ffirsorge- und Beratungsstellen der 6ffentlichen Gesundheitsgmter.

Wit sehen, dal3 ein dichtes Netz von MSglichkeiten besteht, Rehabilitations- bediirftige zu erfassen und - - was besonders wiehtig ist - - unter direkter Ein- sehaltung des Arztes den MaBnahmen zuzuffihren.

Die A rbeitsgemeinscha[ten. ]:)as Rehabilitationsgeschehen stellt eine Summe yon Einzelmal3nahmen dar, die sich, je nach Beschaffenheit und nach den besonderen Verh/fltnissen des Einzelfalles, voneinander unterseheiden. Sie mfissen auf- einander abgestimmt werden und gleichsam ineinander iiberflieBen. Um dieses Ineinandergreifen der efforderlichen MaSnahmen und damit das koordinierte Zusammenwirken der einzelnen Tr/iger und den lfickenlosen Ablauf des dem Einzel- fall angepaBten Rehabilitationsprogramms sicherzustellen, sind besondere Ver- fahrensmethoden notwendig, die zum Tefl im Gesetz verankert sind. Sie sollen unter anderem die konsequente F/ihrung und Beratung des Behinderten vom Krankenbet t bis zur Bew/~hrung am wiedergefundenen Arbeitsplatz gew/ihr- leisten.

I m w 1244 Absatz 1 RVO n. F. spricht der Gesetzgeber die Zusammenarbeit der Tr/iger der Rentenversieherung mit den Tr/~gern aller anderen Sozialver- sicherungszweige an. Er empfiehlt, Vereinbarungen abzusehlieSen bzw. Arbeits- gemeinschaf~en einzugehen. Beides hat sieh bei der Durchffihrung der Aufgaben ~rotz der Kfirze der Zei~ bereits sehr gut bew~hrt. Im besonderen is~ die enge Zusammenarbeit mit der Arbeitsverwaltung zu begrfil3en, die bei der beruflichen Rehabih~ation unerl/~131ich ist.

Naeh w 1240 RVO n. F. soll sieh der Tr/iger der Rentenversieherung bei der Durchffihrung von MaSnahmen der BerufsfSrderung der Bundesanstalt fiir Ar- beitsvermittlung lind Arbeitslosenversicherung bedienen, und zwar soweit diese zust/indig ist und fiber entspreehende Einriehtungen verffigt. Ffir den Bereich der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz is~ zu sagen, dab sich die Zusammen- arbeit auf diesem Gebiet gem/~ll Vereinbarung gut angelassen hat.

Da die MaBnahmen der Berufsf6rderung auf Grund yon Antr~gen aus dem Kreise der Versicherten und auf Grund yon Anregungen aus dem Kreise der ~rz te und der tteflst/~tten zentral in der Hauptverwaltung der Landesversiche- rungsanstalt Rheinprovinz bearbeitet werden, kann yon dieser Stelle aus auch die Mitarbeit der Berufsberater, Faehvermittler, der Psyehologen und teehnischen Berater - - alles Einriehtungen der Arbeitsverwaltung - - eingeschaltet werden.

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Duroh eine weitere Methode wird ebenfalls dem Gesetz in etwa Geniige getan, nnd zwar we das Gesetz davon spricht, dab bei Einleitung yon MaBnahmen der Rehabilitation dutch den Trgger der Rentenversicherung ein Gesamtplan auf- zustellen ist. Bei der Landesversicberungsanstalt Rheinprovinz ist zuniiehst nur mit Personen der Arbeitsverwaltung, soweit sic im ~rztliehen und Verwaltungs- dienst mit RehabilitationsmaBnahmen zu tun haben, ein PriifausschuB gebildet worden, der entspreehende F~lle medizinischer und beruflicher Rehabilitation vorentseheidet. Die personelle Besetzung dieses Prfifausschusses ist so gewi~hlt, dab neben der ~irztliehen und versicherungsrechtlichen Beratung auch der Be- rufsberater und der Arbeitspsychologe zu Worte kommen. Auf Wunsch des Betreuten kann auch der Hausarzt hinzugezogen werden. Dieses Gremium stellt den Ges~mtplan fiir den einzelnen Rehabilitationsfall auf und bespricht ihn mit dem Betreuten, der ja vor der Durehffihrung sein Einverstiindnis dazu geben muB.

Sozialbetreuer oder Krankenhaus/iirsorgerin. Bei der Durchffihrung der Re- habilitationsmal~nahmen kommt dem bei einzelnen Landesversicherungsanstalten bereits gesehaffenen Fiirsorgedienst eine besondere Bedeutung zu. Uberhaupt ist das Fiirsorgewesen und der Beruf der Ffirsorgerin in Deutschland eine l/ingst bekannte und in ihrer Wirksamkeit segensreiche Einrichtung. Die Tatigkeit der Caritasschwester oder der Gemeindeschwester der Inneren Mission oder die der Fiirsorgerin des Gesundheitsamtes in ihrer Mitarbeit im Rehabilitationsgeschehen ist wertm~Big gar nicht zu erfassen.

Die Aufgabe des Ffirsorgedienstes im Rehabilitationsgesehehen liegt in der Hauptsache darin, den Rehabilitationsbediirftigen durch alle Phasen der Re- habilitation zu begleiten und ihn zwischen den einzelnen Phasen sieh nicht selbst zu iiberlassen. Aus diesen Berufen hat sich mit der Zeit der etwas abgewandelte Beruf des Sozialarbeiters und Arbeitstherapeuten herausgebildet. Der Sozial- arbeiter, der nunmehr - - wie auch bei der Landesversieherungsanstalt Rhein- provinz - - in der Iteflst~tte selbst seinen Platz hat, sell Bindeglied und Brficke sein zur Familie des Betreuten. Er sell dem Betreuten hei allen Anliegen bei Be- hSrden und Versicherungstr~gern helfend zur Seite stehen. Die so notwendige Verbindung mit dem bisherigen oder zukiinftigen Arbeitgeber aufrechtzuerha|ten oder neu zu knfipfen, ist ffir eine erfolgreiche Durchffihrung der im Gesamtplan vorgesehenen EinzelmaBnahmen besonders wichtig. Auch darin mui~ der Sozial- betreuer eine wesentliche Aufgabe sehen. Dieser Ffirsorgedienst im Bereich der Rehabilitation stellt an die in diesem Dienst Stehenden besonders hohefaehliche und eharakterliehe Anforderungen.

Es ist daher nieht gerade leicht, unter dem an sich leider so geringen Angebot die wirklich geeigneten Kr~fte auszuw~hlen. Besser ist es, eine vakante Stelle fiber einen Zeitraum unbesetzt zu lassen, als einen nicht geeigneten Bewerber zu betrauen.

Rehabilltationszentren. Gestatten Sic einige Worte zur Frage der Errichtung yon Rehabilitationszentren in Deutschland, die in den letzten Jahren so sehr diskutiert wurde. Ieh sagte bereits, dab wir ausl~ndisehe Einriehtungen, die sich def t bewiihrt haben, nicht sehematiseh fibernehmen kSnnen. Man sollte sieh auch in dieser Frage nieht zu iiberstiirzten MaBnahmen verleiten lassen. Unsere

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Bemfihungen sollen darauf ausgerichtet sein, eine Vielzahl yon Mhglichkeiten zu sehaffen, die geniigend Raum fiir einc weitere gute Fortentwicklung lassen.

Ich glaube, dab wir gerade im medizinischen Bereich der Rehabilitation bereits hervorragende Rehabilitationszcntren besitzen, auch wenn sie a~s solche nieht besonders gekennzeichnet aind. Der Verband Deutscher Rentenversicherungs- tr/iger hat in diesen Tagen ein umfassendes Verzeichnis aller yon den Renten- versicherungstr/igern erriehteten und betriebenen Heflst/~tten in Druck gegeben, das der Unterrichtung der breiten 0ffentliehkeit fiber die Rehabilitationsein- richtungen der Rentenversicherungstr/iger dienlich ist. Man sollte sich ~A_rklich nicht scheuen, die Tuberkulosekliniken und Lungensanatorien, die modernen orthop/idischen Kliniken mit ihren ausgezeichnet ausgestatteten hydrotherapeuti- schen Einrichtungen, die Spezial-, tIerz- und Rheumasanatorien, die von den Rentenversicherungstr/~gern auf das modernste ausgestattet sind und von ihnen auch betrieben werden, als Rehabilitationszentren zu bezeichnen.

Die Diskussion sollte daher nicht so sehr um die Errichtung neuer medizini- seher Rehabihtationszentren geffihrt werden als vielmchr darum, die vorhandenen auszubauen, zu vervollst/~ndigen, auf das beste auszustatten und personell gut und ausreiehend zu besetzen. Was nfitzen schon neue medizh~isehe Rehabili- tationszentren, wenn sie bei Inbetriebnahme nicht ausreichend personell besetzt sind und deshalb vorhandene Betten nicht belegt werden khnnen. Man sollte daffir Sorge tragen, dab dem bestens ausgebildeten Arzt in einem solchen Re- habilitationszentrum eine aueh entsprechende Lebensexistenz geboten wird. Ebenso wichtig ist, dab die fibrigen Funktionskr/ffte, wie Pflegepersonal, medi- ziniseh-teehnisches Personal, Ffirsorgerin und Sozialarbeiter usw. eine gute Lebenssicherung finden, die in richtiger Zusammensetzung und guter Zusammen- arbeit mit den :4rzten erst dann Erfolg in der Arbeit zu garantieren vermhgen.

Berufliche Rehabilitation. Was uns in Deutschland fehlt, sind Rehabilitations- zentren fiir die Durchfiihrung yon MaSnahmen arbeits- und berufsfhrdernder Art, in denen eine/irztlich fiberwachte, der Leistungskapazits des Behinderten entsprechend dosier~e und sich langsam steigernde Arbeitsbelastung mhglich ist. Die Forderung heist : Errichtnng und Eim'iehtung von Rehabilitationszentren, die den Ubergang zum Berufseinsatz ffir schwerere Behinderungsgrade und ffir langwierige Krankheitszust/inde dienen. Wichtig ist, dal] diese Rehabilitations- zentren nicht in abgelegenen Gegenden, sondern am Rande odor gar ira Zentrum von Wirtschaftsr/~umen errichtet werden, die alle Berufssparten in sich bergen und damit die Vorschule ffir die Betriebe dieser Industrieansammlungen dar- stellen.

Dank der weir vorausschauenden Planung der Selbstverwaltungsorgane konnte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz im Mai 1960 bier in ~Vupper~al- Ronsdorf das Kurheim ,,Bergisch-Land" mit arbeitsphysiologiseher Station er- 6ffnen. Verwaltungstechnisch ist es dem Sanatorium ,,Bergisch-Land" ange- gliedert. Dieses Kurheim ist eine Einriehtung besonderer Art und ein Rehabili- tationszentrum mit Arzt, aber ohne Krankenhausmilieu. Es soll den bereits medizinisch Rehabilitierten, bei dem aber noeh berufliche Rehabilitation not- wendig ist, aufnehmen und ihn durch /irztlieh iiberwaehte und sieh langsam steigernde Arbeitsbela'stung, die genau dosiert und stufenweise vorgenommen wird, auch der beruf/ichen Rehabilitation zuffihren.

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Wir haben in Deutschland Rehabilitationszentren verschiedenster Art, wie z.B. die Arbeitsheilst~tte Gauting bei M/inchen, die Dr. Dorn-Arbeitsheilst~tte in Sch6mberg und verschiedene andere. Aber das, was die Landesversicherungs- anstalt Rheinprovinz hier in Wuppertal-Ronsdorf errichtet und in Betrieb ge- nommen hat, ist zuns noch einmalig. W~ihrend in den yon mir genannten Arbeitsheflst~tten die Betreuten in Berufen besehs oder sogar auf Berufe um- gesehult werden, die sie in ihrem tteimatort gar nicht auszuiiben vermSgen, liegt beim Kurheim ,,Bergiseh-Land" das Schwergewicht auf die sich steigernde Ar- beitsbelastung in seinem erlernten oder vor Beginn der Erkrankung ausge/ibben Beruf.

Wit h~ben nicht ohne Grund den Wuppertaler Wirtschaftsraum als Sitz ffir dieses Rehabflitationszentrum gewShlt. Er beherbergt alle Industrie- und Be- rufszweige, die es wohl gibt, und fiir jede vorkommende Berufsart bei unseren Patienten gibt es ha Wupper~aler Wirtschaftsraum die MSglichkeit, einen Be- seh/iftigungsplatz ausfindig zu machen, wo die ~rztlich iiberwaehte Arbeits- belastung im erlernten oder vor der Erkrankung ausgefibten Beruf vorgenommen werden kann.

Rein geht aber eine sorgfiiltige arbeitsphysiologische Untersuchung voraus, in weleher die Belastungskapazit~t des Betreuten genau bestimmt wird. Wie beim Lungen-, so ist auch beim Herzkranken die Atemfunktlon die wichtigste, um die Belastungskapazit~it festzustellen. Sorgf/~ltig aufeinander abgestimmt werden in der diagnostisehen Abteilung des Kurheimes unter Benutzung der dort aufge- stellten medizinisch-technischen Einrichtung die Werte ermittelt, dig dem Arzt die Erkenntnis ffir dig Belastungsf~higkeit des einzelnen Betreuten bringen. Er wird dadurch in die Lage versetzt, in Verbindung mit dem 5rtlichen Arbeitsamt den Beseh~ftigungsplatz zu bestimmen. Das Wiehtigste dabei ist, dab der Be- treute in seincm eigentliehen oder dem ~hnliehen Beruf und dem Arbeitsmilieu der Arbeitsbelastung ausgesetzt ~drd, die er auch zu Hause an seinem Heimatort wieder vorfindet.

Der Betreute soll unter allen Umst~nden wieder zurfiek an seinen Heimatort und unter Einsch~ltung des Wuppertaler Arbeitsamtes dureh sein Heimats- arbeitsamt vermittelt werden, soweit sein frfiherer Arbeitgeber ihn nicht wiedcr in seinen Betrieb aufnimmt. Die reiuen Umschulungsf~lle werden vom Kurheim nach sorgf/~Itiger, arbeitsphysiologiseher Untersuchung den Umsehulungsstgtten, mSglichst am Heimatort des Betreuten, zugewiesen. DaB die Durchffihrung dieser MaBnahmen nur nach vorheriger Zustimmung des Betreuten eingeleitet werden, ist selbstverst~ndlich, und dab neben dem Arzt und dem Betreuten der Berufs- berater und Arbeitspsychologe und der Sozialarbeitcr eingeschalte~ ist, ist wohl erw~hnenswert.

Dieses Kin'helm nimmt nicht nur Patienten des nebenanliegenden Sanatoriums auf, sondern alle unsere Lungenheilst~tten sollen Betreute einweisen.

Wiehtig ist, dal~ keiner der Betreuten, so welt er nachweisbar in seinem alten Beruf nicht mehr t~tig sein karm, mit einer bestimmtcn Richtung auf einen anderen Berufin das Kurheim kommt. Auch die/~rzte sollen dem Betreuten nicht sagen, dal~ er nunmehr nicht mehr Masehlnenschlosser sein kann und unbedingt auf Feinmeehanik umgeschult werden mul3. Ebenso sollen die Arzte nicht mit

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Vorsehl/~gen kommen, dab der Betreu~e nunmehr als Pf6rtner oder Werkstatt- sehreiber besch/iftig~ werden miisse. So viele Pf6rtnersgellen, wie gew6hnlieh ohne Aeh~ in Vorsehlag gebraeht werden, gibt es gar nieht. Hier im Kurheim wird die Entseheidung fallen, inwieweit und in welehem Berufszweig der Behinder~e wieder rehabilitier~ werden kann, und an dieser Entseheidung arbeitet er selbst in roller Veran~wor~ung gegen sieh selbst mi~.

Wit wissen, dab wit als Rentenversichertmgs~r~ger bier vor Neuland s~ehen und dal3 ein roller Erfolg in der Hauptsache abhang~ vom guten Zusammenspiel aller Krt~fte, die in der grol~en Verantwor~ung des Rehabilita~ionsgeschehens stehen. Hier erSffnet sieh ein eminen~ wieh~iges Begt~tigungsfeld f/Jr Pers6nlieh- keiten mi~ Initiative, Verantwortungsfreudigkeit und sozialpolitisehem Weitbliek. Dabei ist die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwisehen Arzt und Ver- waltung gegeben, und hier - - wie aufkeinem anderen Gebieb - - wird sieh zeigen, ob wit die Gesetze zur Neuregeltmg der Rentenversicherung wirldich als ~Ieu- regelung im echten Sirme vers~ehen wollen.

Ich habe herausgestellt, dal3 dieses Haus keine Umschulungsst~ttte sein soU, sondern hier sollen lediglich die Voraussetzungen fiir den weiteren Berufseinsatz getestet werden, ttier wird dariiber bestimmt, ob der Betreute wieder in seinem friiheren Beruf t~tig werden kann oder ob er weiteren BerufsfSrderungsmaB- nahmen zugefiihr~ werden mul~, d.h. also, ob vielleich~ eine vollst~indige Umsehu- lung stattzufinden hat. Insofern ist also die hier zu leistende Arbei~ eine Vorstufe fiir die berufsfSrdernden Mal3nahmen, die in den Umschulungs- und Ausbfldungs- s~t ten durchzufiihren sind.

Weft ein Mangel an solehen Umsehulungs- und Ausbildungsst~tten bei der grol~en Zahl der bertfflichen Rehnbilitationsf~]le, die die Rentenversicherungs- tr~ger abzuwickeln haben, deutlich sichtbar geworden ist, haben sich die Landes- versicherungsanstnlten Rheinprovinz und Westfalen entschlossen, zur Entlastung der bereits vorhandenen ein wei~eres BerufsfSrderungswerk, ~hnlich dem in Heidelberg in Betrieb befindlichen, zu errichten. Der Wirtschaftsraum Dortmund bietet sieh dafiir an, und wir hoffen, in etwa 2 Jahren so welt zu sein.

In Verbindung mit der Landesarbeitsverwaltung werden die Kursuspl~ne auf- gestellt, die Teilnehmerzahlen festgeleg~, d~mit eine Fehlsteuerung in bezug auf die einzelnen Berufssparten mSglichst ausgeschaltet ist. Es mul~ vermieden werden, einzelne Berufssparten zu iiberlasten und Berufsspartcn mit leichterer YermittlungsmSgllchkeit aul]er acht zu lassen. Die Landesarbeitsverwaltung ist zun~chst in der Lage, die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu beobuchten und die Umschulungsberufe in Vorschlag zu bringen, ffir die der Markt aueh noeh auf- nahmef~hig ist. Es ist nicht shmvoll, Rehabilitationsbediirftige in Berufe um- zusehulen, in die sie sparer nicht vermittelb werden k6nnen.

Die medizinische l~ehabilitation als Voraussetzung ]i~r die beru]liche Rehabili- tation. Der beruf/iehen Rehabilitation mul~ die medizinisehe Rehabilitation voraus- gehen. Beim weitaus fiberwiegenden Tell der MaBnahmen zur Erhaltung, Besse- rung und Wiederherstellung der Berufs- und Erwerbsf~higkeit ist die Einleitung berufsfSrdernder Mal3nahmen nicht notwendig, weft eine entsprechende Heil- behandlung die Wiedereingliederung in den ArbeitsprozeB ermSglich~. Die im besonderen vort den Rentenversicherungstr~gern durchzuftihrenden Gesundheits- maBnahmen miissen auf dieses Ziel abgestellt sein.

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Daraus ergibt sich, dab der Gedanke der Rehabilitation, also die Wiederher- stellung der Leistungsf~higkeit fiir den bisherigen Beruf oder Arbeitsplatz an die Krankenbehandiungsst~tten herangebraeht werden muB. Der Arzt in der freien PraMs, im Krankenhaus und in der Heilst~tte muB sein Wirken auf dieses Ziel ausrichten.

Wenn wir in Deutschland unter Rehabilitation die Summe aller MaBnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsf~thigkeit verstehen, folgert daraus, dab die Leistungen der Renten- und der Krankenversicherung, die Tgtigkeit des behandelnden Arztes in der freien Praxis und im Krankenhaus oder der Heilst~tte bereits eine echte Ma2nahme der medizinischen Rehabilitation ist. Die Leistungen der Sozialversieherungstr~ger und die T~tigkeit der/~[rzte sind besonders dann eine eehte RehabilitationsmaBnahme, wenn dutch die vor/iber- gehende Erkrankung der Arbeitsplatz oder die Erwerbsf~higkeit bedroht war. Man sollte daraus folgern, dab die seelisehe F/ihrung des Erkrankten w~hrend der Behandlung auf das Ziel ausgerichtet ist, sein LeistungsvermSgen zu erhalten oder wiederherzustellen.

Wie oft aber erleben wir, dab nach abgeschlossener Behandlung im Kranken- haus oder in der Heilst~te vom Arzt die Empfehlung ausgesproehen wird, dem Behandelten nur noch leichte oder im Sitzen auszuf/ihrende Arbeit zuzuweisen. Gewifl ist der behandeinde Arzt in der Lage, einen Krankheitsbefund festzustellen und die notwendige Behandlung einzuleiten. Er ist aber bestimmt nicht in jedem Falle in der Lage, die Dauerfolgen einer Erkrankung in Beziehung zu setzen zu den Leistungsanforderungen und zu den Arbeitsbedingungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder Berufes in diesem oder jenem Betrieb. Darum ist es immer riehtig, wenn der Arzt, sei es in der Praxis, fin Krankenhaus oder in der Heft- st~tte, sieh bei Empfehlungen auf Zuweisung leiehter Arbeit, Umsetzung im Betrieb oder gar LSsung des Arbeitsverh~ltnisses und Beantragung einer Rente ZuriiekhaRung auferlegt. Eine mit gutgemeinten, aber falschen Empfehlungen abgesehlossene medizinische Rehabilitation hat sehon manehe erfolgverspreehende berufliche Rehabilitation verhinder~. So kSnnen Schwierigkeiten und Kompli- kationen hervorgerufen werden, denen ein noch so sozial eingestellter Betrieb oder eine noch so wohlwollende BehSrde einfach rdcht gereeht werden kann.

Den Rentenversicherungstr~gern als den an erster Stelle f/it die Rehabilitation zust~ndigen 8ozialversieherungstr/igern gen/igg es vollkommen, wenn im Ab- sehluBgutachten der Vermerk enthalten ist, dab noch berufsfSrdernde NIal]- nahmen zur vollst~ndigen Rehabilitation notwendig sind. Jedenfalls werden bei der Landesversicherungsanstal~ Rheinprovinz solche F~lle unmittelbar nach AbsehluB der station~ren Behandlung aufgegrfffen.

.Die Heilver]ahren als besondere Methode der Rehabilitation. Als besondere NIethode der medizinischen Rehabilitation haben namentlieh die Rentenver- sieherungstrs bei langwierigen und chronischen Erkrankungen die Heilver- fahren engwiekelt, die meist in f/it diese Zwecke erriehteten 8pezialheils~s durchgef/ihr~ werden. Diese Heilveffahren, die vor der Neuregelung des Renten- gesetzes nur mSglieh waren, wenn drohende Invalidit/~t verhindert oder bereits eingetretene beseitigt werden konnte, kSnnen heute schon als vorbeugende Mal3- nahme gew~hrt werden. Es werden heute auf Grund der erweiterten gesetzlichen

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M6gliehkeiten, u n d zwar in Verbindung mit der verbesserten Erfassung und Auf- kl~rung der Versicherten enorme Mittel bereitgestellt und in einer stgndig steigen- den Zahl Heilverfahren nieht nur im Bereich der Tb-Erkrankung, sondern vor- nehmlich im Bereieh der sog. allgemeinen Erkrankungen durehgefiihrt, die sich bei riehtiger t Iandhabung und bei richtiger Einstellung des Versicherten zum Heilverfahren als echte RehabilitationsmaBnahme erweisen.

Es ist uns durchaus bekannt, dab viele Versieherte ihre Kur als Erholungskur oder einer Abaft eines bezahlten Urlaubs auffassen. Wenn wit bei der Landes- versicherungsanstalt Rheinprovinz beispielsweise in einem Jahr 120000Heil- verfahren durehgefiihrt werden, kSnnen wit eine miBbr/~uehliehe Ausnutzung trotz qualifizierter ~rztlieher ~berwaehung des Antragsverfahrens nicht ganz ausschalten. Um so mehr und um so grSSer abet ist die Verantwortung des Arztes, der den Versieherten dureh das tteilverfahren ffihrt. Der im Heflver- fahren wirkende Arzt wird seine T/~tigkeit nieht nut auf die kllnische Untersu- chung und die daraus folgernden therapeutisehen MaSnahmen medikamentSser und balneologiseher Art besehr/~nken dfirfen. Die seelisehe Ffihrung des Pa- tienten, die ein eehtes Vertrauensverh~ltnis zwisehen Arzt und Pat ient voraus- setzt, kann far den tteilerfolg unter Umst/~nden wichtiger skin als manche kost- spielige therapeutische MaBnahme, die infolge schleehter ethiseher Berufsalff- fassung yon nachgeordileten Kr/~ften im medizinisehen Dienst mangelhaft an- gewendet wird.

Heilverfahren sollen als Methode der medizinisehen Rehabilitation noeh be- wul~ter als bisher auf die Erziehung zu einer gesunden Lebensweise auszuriehten sein. Sit sollen auf die St/irkung des LeistungswJllens, die t Iebung des Selbst- vertrauens und vor allem auf die Wirkung und Erhaltung tier Selbstverantwortung hinarbeiten.

Die soziale Rehabilitation. Zusammen]assung. Rehabilitation in der deutschen Begriffserkl~rung ist die Zusammenfassung aller MaSnahmen, die zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsf~higkeit durehgefiihrt werden. Sie ghedert sieh in die

medizinisehe Rehabilitation, dig berufliehe Rehabilitation, die soziale Rehabilitation.

Die medizinische Rehabilitation umfaSt alle MaSnahmen, seien sit ambulant oder station/~r, die zur Gesundung eines vorfibergehend Erkrankten ffihren sollen.

Die berufliche Rehabilitation umfagt alle Magnahmen tier Arbeits- und BerufsfSrderung, zu denen die Methoden der Besch/fftigungs- und Arbeitstherapie hinzuzureehnen sind, weft diese Methoden der FSrderung des Gesundungs- und Leistungswillens dienlieh sind. Den MaBnahmen der BerufsfSrderung, die in der Methode des Anlern- und Umsehulungsverh/fitnisses gipfeln, sind zwei Leitsatze voranzustellen:

1. Die Art der MaSnahme mu$ auf die Konstanterhaltung des sozialen Niveaus des Rehabilitationsbedfirftigen ausgerichtet sein.

2. Allem anderen mu$ das Bemiihen vorangehen, den Rehabilitations- bedfirftigen fiir seinen bisherigen Arbeitsplatz oder seinen bisherigen Beruf ge- eignet zu machen.

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Die soziale Rehabilitation aber bedeutet, den Rehabilitationsbedfirftigen in Arbeits- und Lebensbedingungen zurfiekzuffihren, welche ihm zu gesellschaft- licher und wirtschaftlicher Unabh~ngigkeib verhelfen. I-Iierbei kommt der sozial- fiirsorgerischen Betreuung des Rehabilitationsbediifftigen w/~hrend aller Phasen der Rehabilitation, die sich nieht nur auf ihn, sondern auch auf seine Familie er- streeken muB, besondere Bedeutung zu. Dadurch, dal~ der Versieherungstr/iger mit den MaBnahmen und den finanziellen Leistungen eintritt, wird der Bebreute frei gemacht yon den drfickenden Sorgen um seine Familie und seine Zukunft. In der GewiBheit um die Abwendung sehwerer, wirt~chaftlieher Sorgen, die seine Familie haben kSnnte, wird or fiir alle MaBnahmen der Heflbehandlung und der BerufsfSrderung aufgesehlossener, das wieder um so mehr, wenn er erkennt, dab auch die Mal3nahmen der Berufsf6rderung auf die Erhaltung seines bisherigen sozialen Niveaus ausgerichtet sind.

So bedeutungsvoll der Ablauf eines Heilverfahrens und die MaBnahmen der Berufsf6rderung fiir den Betreuten sein mSgen, so entscheidend diirfte das Sehick- sal sein, das ihn naeh Beendigung aller Maf3nahmen erwartet. Das industrielle Arbeitsleben ist ein rauhes Leben, das wenig Rficksiehtnahme auf Einzelsehicksale kennt. Um so verh/ingnisvoller ist es, wenn der Betreute nach vielleicht monate- langem Verweflen in der Geborgenheit der Heflstatte oder der Berufsf6rderungs- st/~tte sieh selbst billies und ratlos fiberlassen bleibt und ohne Riickhalt in die rauhe Wirklichkeit des Alltagslebens zurfickkehrt.

Die auch im Gesetz w 1237 Absatz 4b RVO n. F. vorgesehenen MaBnahmen der naehgehenden Ffirsorge zur Sicherung der naeh Durehfiihrung der tteilbehandlung und BerufsfSrderung erzielten Ergebnisse miiBten bei den verantwortliehen Stellen wesentlich starker in Anwendung kommen. Der Betreute, der nach Beendigung der MaSnahmen sofort in geordnete soziale Verh~ltnisse zuriiekkehrt oder dem dureh fiirsorgerisehe MaBnahmen derWeg geebnet ist, ist nicht so sehr der Gefahr des Krankheitsrfiekfalles ausgesetzt als derjenige, der gleieh in den sozialen Sturm mit Windstgrke 12 gergt.

Ein wenig Naehdenken wird zu der Erkenntnis ffihren, dab ira Rehabilitations- geschehen die soziale Rehabilitation yon der medizinisehen und beruflichen Re- habilitation nicht zu trennen ist. Bei der Mensehenbehandlung und Mensehen- ffihrung hat sich der rein mathematisch-naturwissenschaftliehe Standpunkt als unzul/~nglich erw~esen. Der Mensch ist in seiner Gesamtheib eine Einheit yon Leib und Seele, und bei den MaBnahmen der Rehabilitation miissen dieselben auf diese Einheit abgestellt sein, wenn allen unseren Bemfihungen Erfolg besehieden sein sell. In einer Volksgemeinschaft d a f t - wenn MaBnahmen der Rehabilitation ehlgeleitet und durchgefiihrt werden sollen - - der volkswirtsehaftliehe Nutzen allein nicht ausschlaggebend sein. Das Sehieksal des Schwerkranken und des Schwerstbehinderten mul3 in einer solchen Volksgemeinschaft ebenso interessant sein, wenn es gilt, dutch solche Mal]nahmen ein sehweres und meist unverschulde- tes Los zu mfldern. Und dab heute ein solehes Schieksal, das bisber als aussiehts- los und daher ffir die Allgemeinheit als uninteressant angesehen wurde, wieder ein Anliegen der Allgemeinheit geworden ist, daf t als besonderer Fortschrit t un- serer heutigen Sozialgesetzgebung herausgestellt werden. Diese Sozialgesetze bieten die MSglichkeiten, und wir alle, die wir in der Verantwortung stehen, sind aufgerufen, ihren sozialen Gehalt in die Wirklichkeit umzusetzen.