Praxisbeiträge

Schlichtung —

die (bessere) Alternative?von Dr. Renate Jaeger und Dr. Sylvia Ruge

Nach zweijähriger Tätigkeit derSchlichtungsstelle stellen sich Fragen: Ist das Schlichtungsverfahrenbesser als ein gerichtliches Verfahren? Eignet es sich eher zur Herstellung des Rechtsfriedens bzw. und Vertretung.zur Beilegung von Streitigkeiten?Die Antwort lautet: Es kommtdarauf an — wie so häufig bei Juristen.

Es gibt zahlreiche Vorteile, die für die Durchführungeines Schlichtungsverfahrens sprechen, aber auchNachteile bzw. Grenzen.Über die Eignung kann nurin Kenntnis der konkretenBedingungen des Schlich

tungsverfahrens geurteilt werden, und diese sind jenach Branche unterschiedlich.

MEHRERE BEDINGUNGEN Das Schlichtungsver

fahren ist zulässig, wenn der Wert der Streitigkeit15.000 Euro nicht übersteigt, die Streitigkeit nichtbereits vor einem Gericht anhängig war oder ist, keinaußergerichtlicher Vergleich geschlossen worden istund ein Antrag auf Prozesskostenhilfe nicht wegenfehlender Erfolgsaussichten oder Mutwillen abgelehntworden ist. Zudem darf keine Strafanzeige in derselbenSache gestellt worden sein, eine berufsrechtliche bzw.strafrechtliche Prüfung des beanstandeten Verhaltensnoch nicht abgeschlossen sein und es darf kein Vermittl ungsverfahren bei einer örtlichen Rechtsanwalts-kammer laufen oder durchgeführt worden sein.

ABLAUF DES VERFAHRENS Wenn das Schlich

tungsverfahren zulässig ist, werden die am Verfahren Beteiligten umfassend schriftlich zum Streitgegenstand angehört. Danach wird unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage ein Schlichtungsvorschlag unterbreitet. Die Beteiligten können denSchlichtungsvorschlag innerhalb eines Monats nach

dessen Zugang annehmen oder ablehnen. Wenn einBeteiligter den Schlichtungsvorschlag ablehnt odersich nicht rechtzeitig äußert, ist das Schlichtunqsverfahren gescheitert. Falls ein Schlichtungsantrag offensichtlich unbegründet ist, kann die Durchführung desVerfahrens wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt werden. Dies wird den Beteiligten unter Darlegung der Gründe schriftlich mitgeteilt.

DIE VORTEILE Das Schlichtungsverfahren ist für

die am Verfahren Beteiligten kostenlos. Zudem kannim Rahmen eines Schlichtungsverfahrens eine schnelle und unkomplizierte Lösung des Konflikts gefunden werden. Auch die Bereitschaft zur Einigung ist imSchlichtungsverfahren deutlich erhöht. Dies lässt sichdamit erklären, dass der Konflikt von einem neutralenDritten — der Schlichterin — geprüft und ein Lösungsvorschlag unterbreitet wird. Da die Schlichtungsstelleunabhängig und neutral ist, besteht bei den Beteiligten eine hohe Akzeptanz. Schon das Bewusstsein,dass es sich um ein Schlichtungsverfahren und ebennicht um ein Gerichtsverfahren handelt, führt häufigzu einer größeren Einigungsbereitschaft.

SACHLICH HEISST NICHT EMOTIONSLOS Für

den Grad der Einigungsbereitschaft spielen die Artund Weise der erhobenen Vorwürfe eine entscheidende Rolle. Wenn bereits in der Antragsschrift der Gegner unangemessen angegriffen wird, sinkt die Einigungsbereitschaft und die Fronten verhärten sich weiter. Anders ist es, wenn ein sachlicher Antrag unterDarlegung der unterschiedlichen Sichtweisen bzw.der eigenen Einschätzung der Lage mit der Bitte um

Die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft wurde 2011 eingerichtet und ist bundesweit bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und (ehemaligem) Mandant zuständig.Dazu gehören Streitigkeiten über die Rechtsanwaltskosten bzw.Schadensersatz wegen vermeintlich falscher rechtlicher Beratung

SCHLICHTUNGSSTELLEder Rechtsanwaltschaft

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Schlichtungsverfahren

Schlichtung gestellt wird. Sachlich bedeutet nichtunbedingt emotionsios. Bei allen Konflikten spielenEmotionen eine große Rolle. Es gelingt nur wenigenMenschen, diese Emotionen vollständig zurückzustellen. Das muss auch nicht sein. Jeder darf schildern,wie ein bestimmtes Verhalten oder Vorgehen auf ihngewirkt hat. Die subjektive Sicht ist wichtig. Wennaber ein Beteiligter den Gegner unangemessen attackiert oder sogar beleidigt, ist die Wahrscheinlichkeiteiner erfolgreichen Schlichtung deutlich geringer.

BESSERE VERSTÄNDLICHKEIT Ein weiterer Vorteil:

Die Schlichtungsvorschläge bzw. Ablehnungen wegenfehlender Erfolgsaussichten werden für den Laien verständlich formuliert. Anders als bei einem Gerichtsurteil kann in einem Schlichtungsvorsch lag weitgehend auf Fachausdrücke und Paragraphen verzichtetwerden, wenngleich die Prüfungdes Falles selbstverständlich denüblichen juristischen Bahnen folgt.Mit einer Annahme des Schlichtungsvorschlags kann nur gerechnet werden, wenn die (ehemaligen) Mandanten denSchlichtungsvorschlag verstehen und nachvollziehenkönnen. Andererseits muss der Rechtsanwalt erkennen, dass der Vorschlag auch den Regeln der Kunstentspricht.

Sollte ein Schlichtungsversuch scheitern, weil einerder Beteiligten den Schlichtungsvorschlag nicht odernicht rechtzeitig annimmt, wird eine Bescheinigungnach § 1 5a Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (EGZPO) ausgestellt. In einigen Bundesländernist eine Klage bei Streitigkeiten über einen Wert biszu 750 Euro erst zulässig, wenn eine Bescheinigungüber einen gescheiterten Einigungsversuch vor eineranerkannten Gütestelle vorgelegt wird. Die erfolgloseDurchführung eines Schlichtungsverfahrens erfülltdiese Voraussetzungen.

NACHTEILE UND GRENZEN Das Schlichtungsver

fahren ist schriftlich. Eine mündliche Verhandlung findet nicht statt. Wir würden die Beteiligten öfter gerneanhören statt anschreiben. Gespräche sind deutlichbesser geeignet, die gegenläufigen Interessen zu klären und Standpunkte einander anzunähern.

Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens ist demnacheine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung,Parteivernehmung, Sachverständigengutachten undInaugenscheinnahme grundsätzlich nicht möglich. Eskann nur Beweis durch Vorlage von Urkunden geführtwerden, weil das Schlichtungsverfahren ein schriftliches Verfahren ist. Damit stößt das Schlichtungsverfahren an seine Grenzen, wenn eine Aufklärung des

Ist das Schlichtungsverfahrenbesser als ein

gerichtliches Verfahren?

Sachverhalts nur durch eine Beweisaufnahme möglich ist: Beispielsweise wenn Aussage gegen Aussagesteht und sich der wahre Sachverhalt nicht anhandder eingereichten Unterlagen rekonstruieren lässt.Dann wird die Durchführung des Schlichtungsverfahrens regelmäßig abgelehnt werden. Manchmal können aber auch Vorschläge erfolgreich sein, die nur aufeiner Plausibilitätsprüfung beruhen. Der Ausschlussvon Beweisaufnahmen ist indessen sinnvoll, denn einSchlichtungsverfahren würde dann überfordert undim Zweifel das anschließende Gerichtsverfahren nurhinauszögern.

STREITWERT UND URSACHE Ein weiterer Nach

teil: Bei Streitigkeiten, die einen Wert von 1 5.000 Euroübersteigen, ist ein Schlichtungsverfahren unzulässig. Bei einem Teilanspruch ist der gesamte strittigeAnspruch zur Wertbemessung heranzuziehen.

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Die Schlichtungsstelle kann zudem nur bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten vermitteln. Bei sonstigen Konflikten zwischen Rechtsanwalt und (ehemaligem) Mandant, wie zum Beispiel Untätigkeit desRechtsanwalts, die (noch) nicht zu einem Schadengeführt hat, sowie bei berufsrechtlichen oder strafrechtlichen Verfehlungen des Rechtsanwalts kann dieSchlichtungsstelle nicht tätig werden.

MÖGLICHE VERJÄHRUNG Der Antrag auf Schlich

tung hemmt im Übrigen nicht automatisch die Verjährung. Dazu ist nötig, dass zwischen den Parteien Verhandlungen im Sinne des § 203 BürgerlichesGesetzbuch (BGB) schweben. Die Rechtsprechung zuder Frage, ob und wann Verhandlungen schweben,ist stark einzelfallbezogen. Letztendlich werden dieGerichte klären müssen, unter welchen konkretenVoraussetzungen die Verjährung durch ein Schlichtungsverfahren gehemmt wird.

BEREITSCHAFT DER BETEILIGTEN Eine erfolg

reiche Schlichtung setzt voraus, dass die Beteiligten bereit sind, am Verfahren mitzuwirken und denunterbreiteten Schlichtungsvorschlag anzunehmen.Mit anderen Worten: Niemand kann zu seinem Glückgezwungen werden.

Allerdings kann die Schlichterin in geeigneten Fällenauch einen einseitigen Schlichtungsvorschlag unterbreiten. Dabei wird nur der Sachverhalt zugrundegelegt, den der Beteiligte vorgetragen hat, der amVerfahren teilnimmt. Der andere Beteiligte wird vorabauf diese Möglichkeit hingewiesen, um ihm die Gelegenheit zu geben, doch noch den Sachverhalt aus seiner Sicht zu schildern. Einseitige Schlichtungsvorschläge werden naturgemäß von der Partei nicht angenommen, die nicht an dem Verfahren mitgewirkt hat.Wenn es anschließend zu einem Gerichtsverfahrenkommt, kann der einseitige Schlichtungsvorschlag indem Prozess vorgelegt werden und als Argumentationshilfe dienen. Gerichte übernehmen häufig die Aus-

führungen in dem Schlichtungsvorschlag und machendiese zur Grundlage ihrer Entscheidung.

SÄULE DES RECHTSSTAATS Das Schlichtungs

verfahren ist eine gute Alternative zum Rechtsstreitbei vermögensrechtlichen Streitigkeiten zwischenRechtsanwalt und Mandant bis zu einem Wert von1 5.000 Euro. Das Schlichtungsverfahren kann undwill gerichtliche Streitigkeiten aber nicht in allenFällen ersetzen. Wir haben den Eindruck, dass dasSchlichtungsverfahren vor allem von Personen akzeptiert wird, die der langwierige Weg vor Gericht starkbelastet und die dies erkennen. Das ist insbesonderein emotional besetzten Rechtsgebieten wie Erbrecht,Familienrecht, Medizinrecht, Sozialrecht und Arbeitsrecht der Fall. Denn die Mandanten haben schon indem Streit erlebt, in dem sie den Rechtsanwalt beauftragt hatten, wie langwierig und belastend ein Rechtsstreit sein kann. Ein Streit zwischen Rechtsanwalt undMandant kann mit Hilfe eines Schlichtungsverfahrensunkompliziert gelöst werden. Das Schlichtungsverfahren ist eine zusätzliche Säule in unserem Rechtsstaatzur Herstellung des Rechtsfriedens.

Dr. Renate Jaeger

Schlichterin Schlichtungsstelle derRechtsanwaitschaft Berlin

Dr. Sylvia Ruge

Geschäftsführerin . Schlichtungsstelle derRechtsanwaltschaft Berlin

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