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Die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft Author(s): Rudolf Stucken Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 47. Jahrg., H. 2 (1930), pp. 247-256 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907976 . Accessed: 13/06/2014 03:52 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.216 on Fri, 13 Jun 2014 03:52:09 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft

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Die Besteuerung der deutschen LandwirtschaftAuthor(s): Rudolf StuckenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 47. Jahrg., H. 2 (1930), pp. 247-256Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907976 .

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Die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft. Von Professor Dr. Rudolf Stucken, Erlangen.

Dank einer neuen Veröffentlichung des Statistischen Reichsamtes *) haben wir nunmehr größere Klarheit über die Steuerleistungen der deutschen Landwirt- schaft gewonnen. Darüber hinaus bietet uns diese großzügige statistische Ver- arbeitung von Steuerakten einen wertvollen Beitrag zur Erkenntnis der wirt- schaftlichen Verhältnisse der Landwirtschaft, vor allem ihrer Einkommens- und Verschuldungsverhältnisse. Es ist selbstverständlich, daß an Hand des verwerteten Materials eine voll und ganz befriedigende Aufhellung dieser Tatbestände nicht erwartet werden darf, man denke nur daran, daß das Einkommen und Vermögen vieler Landwirte gar nicht veranlagt wird, da wegen ihrer geringen Höhe eine Besteuerung nicht in Frage kommt, und daß das Einkommen weitgehend durch Schätzungen der Steuerbehörden, nicht auf Grund ordnungsmäßiger Buchfüh- rung der Besteuerten ermittelt wird. Aber jedenfalls verdanken wir dieser Steuer- statistik eine Ergänzung der -Materialien, die andere Stellen, z. B. der Enquete- ausschuß 2) und der Deutsche Landwirtschaftsrat 3), geliefert haben. Und wir glauben, daß nunmehr einerseits die wirtschaftliche Lage, und damit auch die steuerliche Leistungsfähigkeit, und andererseits die steuerlichen Leistungen der Landwirtschaft soweit klargestellt sind, daß die Problematik der Besteuerung der Landwirtschaft aufgerollt werden kann. Eine solche Untersuchung erscheint be- sonders dringlich angesichts der vielfach erörterten Pläne, verschiedene von den Landwirten gezahlte Steuern in eine Einheitssteuer umzuwandeln, vor allem an- gesichts des Vorschlages der Reichsregierung in ihrem Wirtscbafts- und Finanz- plan vom 30. September 4), an die Stelle der Vermögen- und Grundvermögen- steuer sowie der Einkommensteuer für die ersten 8000 RM. des Einkommens eine einheitliche realsteuerartige Belastung der Landwirtschaft treten zu lassen.

Zunächst zur Frage der tatsächlichen Steuerleistungen. Am eindeutigsten geklärt ist durch die Veröffentlichung des Statistischen Reichsamtes die Höhe der Reichssteuern, die von der Landwirtschaft gezahlt werden, also der Einkommen-, Vermögen- und Umsatzsteuer; zu den Reichssteuern darf man nach dem Vorbild des Reichsamtes auch die steuerähnlichen Rentenbankgrundschuldzinsen rechnen, da sie für das ganze Reich einheitlich geordnet sind. Die Veröffentlichung kommt zu folgenden Ergebnissen 5) :

*) Einzelschriften zur Statistik des Deutschen Reiches Nr. 12 : Die Besteuerung der Landwirt- schaft, Berlin 1930. Im folgenden als ,,Die Besteuerung" zitiert.

*) Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirt- schaft, II. Unterausschauß, Bd. 2, 3, 4, 8, 11 und 12, Berlin 1927, 1928, 1929 und 1930.

8) Deutscher Landwirtschaftsrat, Veröffentlichungen Heft 16, Berlin 1929. «) Vgl. Reichszentrale für Heimatdienst, Richtlinie Nr. 204, Oktober 1930, S. 4 f. °) Die JBesteuerung ». 82 i. ; an verscniedenen »teilen wird mit »cnatzungen operiert, aa

-eindeutige zahlenmäßige Aufstellungen fehlen, doch glauben wir, daß die dadurch entstandenen Fehler sich in engen Grenzen halten.

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in Millionen1) Steuerart 1924 1925 1926 1927 1928

Einkommensteuer 100,12 65,72 65,72 2) Vermögenssteuer 148,6 73,0 65,0 Umsatzsteuer 170,6 97,9 48,0 48,0 54,0 Rentenbankgrundschuldzinsen 3) . 98,180 96,298 95,745 87,493

Zur Gewinnung dieser Feststellungen wurde aus dem Gesamtaufkommen dieser Steuern der auf die Landwirtschaft entfallende Teil ausgesondert. Es wäre wertvoll gewesen, entsprechende mit derselben Methode gewonnene Zahlen für andere Steuern, vor allem die Grund- und Gebäudesteuern zu erhalten. Das Sta- tistische Reichsamt bringt uns solche Zahlen nicht, es bleibt uns überhaupt die Angabe über die gesamte Steuerbelastung der Landwirtschaft mit solchen anderen Steuern schuldig. Wir fragen uns nun, ob nicht doch auf Grund der veröffentlichten Materialien die Höhe der sonstigen Steuern zu schätzen ist. Anhaltspunkte liefert jedenfalls der Abschnitt „Wirtschaftsstruktur und Steuerbelastung der Bevölke- rung in typischen Landgemeinden im Jahre 1928" 4), der Angaben für 417 Ge- meinden, davon 236 Landgemeinden mit überwiegend landwirtschaftlichem Ein- schlag („Agrargemeinden") und 181 gewerblich durchsetzte Gemeinden („Misch- gemeinden") bringt. Man kann ein Bild von der Gesamthöhe der verschiedenen Steuern dadurch gewinnen, daß man vergleicht, in welchem Maße die in diesen Gemeinden befindlichen Landwirte mit Reichssteuern einerseits, mit sonstigen Steuern andererseits belastet sind. Dabei ergibt sich, daß die Landes- und Ge- meindeabgaben 158%, die Kirchensteuern 9%, und die sonstigen Lasten an- nähernd 8% der Reichssteuern betragen, im ganzen also diese übrigen steuerlichen Leistungen annähernd 175% der Reichssteuern ausmachen 5). Zu etwas niedrigeren Ergebnissen kommt man auf Grund weiteren vom Statistischen Reichsamt darge- botenen Materials. In der genannten Veröffentlichung werden Angaben für 859 landwirtschaftliche Betriebe gebracht ·), die von den Finanzämtern als für ihren Bezirk typisch ausgesucht sind. Bei der Gesamtheit dieser Betriebe machen die Landes- und Gemeindeabgaben nur etwas unter 100%, die Kirchensteuern und sonstigen Lasten je 5,5% der Reichssteuern aus 7). Zu ähnlichen Zahlen führt eine dritte Untersuchung, die die Verschuldung, Zinsbelastung und Steuerleistung von 1950 bäuerlichen Betrieben behandelt 8). Die auf Grund der Verhältnisse in „typi- schen Landgemeinden" gefundenen Zahlen über die zu den Reichssteuern hinzu- tretenden sonstigen Steuern müssen danach vielleicht als übersteigert, jedenfalls aber wohl als Höchstzahlen angesprochen werden.

Zur Charakterisierung der Steuerlast der landwirtschaftlichen Betriebe ist

*) Von uns tabellarisch zusammengestellt. Soweit Rubriken freigelassen sind, fehlt die An- cabe in der Veröffentlichung.

a) „Für 1927 kann mit etwa derselben oder vielleicht etwas höheren Zahl als für 1926 ge- rechnet werden", a. a. O. S. 83.

8) Istaufkommen für das Rechnungsjahr; darunter sind im Rahmen der Ostpreußenhilfo aus Reichsmitteln übernommen in Millionen RM.: 1926: 1,593, 1927: 1,593, 1928: 6,4; a. a. O. S. 83.

*} T)ift ftafltftiieranff R.I SS ff. 6) Berechnet auf Grund der Tabellen a. a. O. S. 145 f., die gesamte Steuerbelastung nach

Steuerarten, je Landwirt, Deutsches Reich. *' TKa ■Rpaf.AnpTiino S ftÄ ff 7) Berechnet auf Grund der Tabelle a. a. O. S. 101. 8) Die Besteuerung S. 104 ff. Berechnet auf Grund der Tabelle 3 b auf S. 123. Bei der Be-

rechnung sind, um vergleichbare Zahlen zu erhalten, die Beiträge zur landwirtschaftlichen Berufs- genossenschaft aus der Summe der Zwangsabgaben ausgeschieden.

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ein Vergleich zwischen ihren Steuerleistungen und den durch die Betriebe repräsen- tierten Vermögenswerten (ohne Abzug der Schulden !) vorgenommen worden. Für die „typischen Landgemeinden" führt die Untersuchung zu dem Ergebnis, daß die Steuerleistungen im Jahre 1928 1,9% des berichtigten Wehrbeitragswertes in den Agrargemeinden und 2,0% in den Mischgemeinden ausmachten 1). Für die „typischen Betriebe" wird eine Belastung mit 25,5 RM. auf 1000 RM. Einheits- wert festgestellt 2). Die Untersuchung über die Verschuldung, Zinsbelastung und Steuerleistung bäuerlicher Betriebe rechnet mit einer durchschnittlichen Steuer- belastung von 27,4 RM. auf 1000 RM. Einheitswert im Osten Deutschlands bzw. 28,0 RM. im Westen 3). Die niedrigeren Zahlen der ersten Untersuchung sind dar- auf zurückzuführen, daß die zum Vergleich benutzten berichtigten Wehrbeitrags- werte durchgängig höher sind als die Einheitswerte 4).

Wir müssen nun die Frage der Belastung mit einzelnen Steuerarten weiter klären. Über die einzelnen Reichssteuern ist oben bereits gesprochen. Besondere Bedeutung haben daneben die Grund- und Gebäudesteuern der Länder und Ge- meinden, sie machen in den „typischen Gemeinden" fast die Hälfte des gesamten Steuersolls der Landwirte 5) aus, zählt man den Teil der Kirchensteuern und der sonstigen Lasten, die nach gleichem Maßstab erhoben werden, hinzu, so mögen die Grund- und Gebäudesteuern sogar mehr als die Hälfte der Steuerleistungen be- tragen. Fassen wir nun einmal diejenigen Steuern zusammen, bei denen ein irgend- wie geschätzter nachhaltig erzielbarer Ertrag die Be- messungsgrundlage bildet, also die Vermögensteuer, die Rentenbankzinsen und die Grund- und Gebäudesteuern, so stellen wir für die „typischen Gemeinden" einen Anteil von 73% an den gesamten Steuerleistungen der Landwirte fest e). Sehen wir hierbei von der Vermögensteuer ab, bei der bekanntlich die Schulden vom Aktivvermögen abgezogen werden, so verbleibt für die realsteuer- artigen Belastungen immer noch ein Anteil von 64%. Zur Charakterisierung mag noch gesagt werden, daß diese Realsteuern der Landwirte das siebenfache der von ihnen zu entrichtenden Einkommensteuer betragen. Das so gewonnene Ergebnis wird bei der Nachprüfung an dem sonstigen verfügbaren Material im großen und ganzen bestätigt7).

Soviel zunächst zur Frage der Höhe und Art der Steuerbelastung 8). Nun- mehr wollen wir des weiteren erörtern, inwieweit diese Steuersummen aus den Erträgen der landwirtschaftlichen Betriebe genommen werden konnten oder in- wieweit sie etwa zu einer Minderung des Vermögensbestandes, eventuell zur Schuld-

l) A. a. O. S. 143. a) A. a. O. S. 96. 3) A. a. O. S. 110. 4) Für die „typischen Betriebe" um etwa % des Einheitswertes. Vgl. die Tabelle: Berichtigter

Wehrbeitragswert und Einheitswert der untersuchten Betriebe, a. a. O. S. 89. 5) Vgl. die Tabelle a. a. O. S. 145 f. e) Berechnet auf Grund der Tabellen a. a. O. S. 145 f., die gesamte Steuerbelastung nach

Steuerarten, je Landwirt, Deutsches Reich; die Kirchensteuer und sonstige Lasten haben wir hierbei mit ihrem ganzen Betrage eingerechnet, hingegen haben wir die Gebäudeentschuldungs- steuer, die in mehreren Ländern auch von den landwirtschaftlichen Gebäuden und zwar auf einer den Realsteuern ähnlichen Grundlage erhoben wird, unberücksichtigt gelassen.

7) Die Nachprüfung bei den „typischen Betrieben" an Hand der Tabelle a. a. O. S. 96 er- gab für die Realsteuern einen Anteil an der Gesamtbelastung in Höhe von 61% und den 4,6- fachen Betrag der Einkommensteuer; die gleiche Untersuchung bei den „bäuerlichen Betrieben" an Hand der Tabelle 3 b a. a. O. S. 123 ergab - bei Ausschaltung der Beiträge zur landwirt- schaftlichen Berufsgenossenschaft aus den sog. Zwangsabgaben und der Insgesamtbelastung - für die Realsteuern einen Anteil an der Gesamtbelastung in Höhe von 65% und den 5fachen Be- trag der Einkommensteuer.

8) Von den sonstigen Steuern, die den Landwirt als Produzenten oder Konsumenten treffen, sowie von den Vermögensverkehrsteuern, die ebenfalls für ihn eine Rolle spielen, wird abgesehen. 783

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aufnähme führten. Die Beantwortung dieser Fragen wird wesentlich dadurch er- schwert, daß es eindeutige statistische Unterlagen dafür nicht gibt. Immerhin können uns einige Überlegungen weiterführen.

Zweifellos besteht die Gefahr eines Eingriffes in das Vermögen bei den Real- steuern. Denn diese Steuern sind zu zahlen gleichgültig ob Einkünfte erzielt sind oder nicht, es sei denn, daß Steuererlaß eintritt, der jedoch gewöhnlich nur in be- schränktem Umfang gewährt wird. Die Gefahr eines Eingriffes in das Vermögen besteht auch bei der Vermögensteuer, da auch bei ihr nicht die tatsächlich er- zielten Erträge, sondern der geschätzte nachhaltig erzielbare Ertrag die Bemes- sungsgrundlage bildet, die Steuer also auch zu zahlen ist, wenn in einem oder mehreren Jahren Einkünfte nicht vorliegen; bezüglich eines eventuellen Steuer- erlasses gilt annähernd dasselbe wie bei den Realsteuern. Bei der Einkommen- steuer hingegen ergibt sich nur unter besonderen Voraussetzungen die Notwendig- keit, die zu zahlende Summe aus dem Vermögen statt aus dem Einkommen zu nehmen, im allgemeinen darf man unterstellen, daß derjenige, der Einkommen- steuer zu zahlen hat, auch ein entsprechendes Einkommen bezieht oder bezogen hat !).

Die Gefahr, daß Steuern aus dem Vermögen gezahlt werden, ist sicherlich nicht neuen Datums. Trotzdem hat man ihr in früheren Zeiten keine große Be- achtung geschenkt und diese Angelegenheit meist nur im Zusammenhang mit der sogenannten großen Vermögensabgabe behandelt. Es lag auch kaum Veranlassung vor, diese Frage anzuschneiden, denn zu einem praktisch bedeutsamen Problem ist sie erst dadurch geworden, daß in der Nachinflationszeit massenweise werbende Anlagen ertraglos blieben und dann auch massenweise Steuer- beträge durch Schuldaufnahme aufgebracht wurden, und zwar vielfach nicht nur für ein einzelnes Jahr, sondern für eine Reihe von Jahren, wie es in der Landwirt- schaft oft genug zu beobachten war und ist. Der Frage gebührt auch deshalb heute ein besonderes Interesse, weil die lawinenartig anschwellende Verschul- dung der Landwirtschaft zu einem Krisenherd erster Ordnung geworden ist und deshalb alle Momente, die auf Entstehung und Vergrößerung der Verschuldung Einfluß haben, erhöhte Bedeutung gewinnen.

Entscheidend also dafür, daß tatsächlich heute in großem Umfang Vermö- gensteuer und Realsteuern aus dem Vermögen gezahlt werden müssen, ist der Umstand, daß bei einer Masse von Pflichtigen die Einkünfte fehlen, in einer Masse von Fällen sogar regelrechte Betriebsverluste vorliegen. Es ist sehr schwer, sich ein Bild davon zu machen, in welchem Umfang diese Tatbestände gegeben sind. Nach der Einkommensteuerstatistik 1926 weisen nur 1,57 von 100 landwirtschaft- lichen Pflichtigen einen Verlust auf 2); zweifellos entspricht das nicht den wirk- lichen Rentabilitätsverhältnissen der Landwirtschaft, die Zahl der Verlustfälle erscheint deshalb so gering, weil ein Verlust im allgemeinen nur an Hand einer ordentlichen von der Steuerbehörde anerkannten Buchführung nachgewiesen werden kann, die bei kleineren Betrieben selten vorhanden ist. Bei größeren Be- trieben tritt ein weit höherer Prozentsatz von Verlustfällen hervor, in der Betriebs- größe 500 ha und darüber 48 v. H., in der Betriebsgröße 200 bis unter 500 ha

x) Eine Notwendigkeit, die zu zahlende Einkommensteuer dem Vermögen zu entnehmen, ergibt sich in einem beschränkten Umfang infolge von falschen Schätzungen des Betriebsergeb- nisses sowie im Zusammenhang mit der steuerlichen Berücksichtigung des Eigenverbrauches.

a) Die Besteuerung S. 40. 784

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41 v. H., in der Betriebsgröße 100 bis unter 200 ha 21 ν. Η. 2). Es gibt nun jeden- falls eine Fülle von Materialien dafür, daß auch bei den mittleren und kleineren Betrieben Verluste in Massen auftraten oder die Einkünfte der Pflichtigen so gering waren, daß die Steuern nicht daraus gezahlt werden konnten, Wir ver- weisen auf die oben bereits erwähnten Veröffentlichungen des Enqueteausschus- ses 2) und des Deutschen Landwirtschaftsrates 3), in denen landwirtschaftliche Buchführungsergebnisse verarbeitet sind; wir verweisen besonders auf die Ver- öffentlichung des Enqueteausschusses über „die Lage der Landwirtschaft in Ost- preußen", die ein Bild gibt von der Zusammenballung von Verlustbetrieben in einem Teilgebiet Deutschlands 4). Alles in allem wird es trotz dieser Materialien kaum möglich sein, den Teil der gesamten Steuerbelastung der Landwirtschaft, der durch Vermögensminderung, insbesondere Schuldaufnahme, gedeckt ist, zahlenmäßig festzustellen; aber es erscheint uns eindeutig, daß es sich jedenfalls um einen gesamtwirtschaftlich beachtlichen Betrag handelt δ).

Auf die Zunahme der Verschuldung mangels genügender Erträge wirken in der Gegenwart die Realsteuern offensichtlich viel mehr hin als die Vermögen- steuer, einmal wegen ihrer Höhe, weiter aber auch wegen ihrer Bemessungsgrund- lagen. Bei der Vermögensteuer werden zur Feststellung des steuerpflichtigen Ver- mögens die Schulden vom Aktivvermögen abgesetzt, bei den Realsteuern nicht. Die Höhe der Schulden aber beeinflußt heute die Rentabilität der landwirtschaft- lichen Betriebe in entscheidender Weise, so daß man damit rechnen darf, daß die Vermögensteuerschuldigkeit der einzelnen Betriebe sich den Ertragsverhält- nissen der Betriebe viel besser anpaßt als die Realsteuerschuldigkeit.

Die heute vorhandene Steuer belastung der Landwirtschaft und die Art ihrer Verteilung auf die landwirtschaftlichen Betriebe, die auf das Vorhandensein ent- sprechender Erträge nur in geringem Maße Rücksicht nimmt, wirkt sich also bei den gegenwärtigen Rentabilitätsverhältnissen dahin aus, einen zusätzlichen Kapi- talbedarf zur Verlustdeckung entstehen zu lassen und die krisenhafte Lage der Landwirtschaft zu verschärfen. Berücksichtigen wir nun noch, wie von der Agrar- krise das ganze Wirtschaftsleben Deutschlands, vor allem in besonders bedrohten Teilgebieten, den östlichen Provinzen, in Mitleidenschaft gezogen wird, so wird man die heutige Regelung unter volkswirtschaftlichen Gesichts- punkten als unbefriedigend bezeichnen müssen. Geht man an den heutigen Zu- stand mit der Forderung nach gerechter Verteilung der Steuerlast heran, so wird das Urteil nicht günstiger lauten. Denn die Berechtigung der Vermögen- steuer und der Realsteuern haben wir letzten Endes darin zu suchen, daß im Falle der Verfügung über Vermögensgüter der Erwerb eines Einkommens gesicherter ist als beim Fehlen solcher Verfügungsmacht, und daß der Erwerb des Einkommens erleichtert wird, oder daß die Möglichkeit, ein höheres Einkommen zu erzielen, er- öffnet wird. Von all dem kann jedoch heute nur bei einem kleinen Teil der ver- mögen- und realsteuerpflichtigen Landwirte die Rede sein, gleichgültig ob wir die Verhältnisse bei größeren oder bei kleineren und kleinsten Betrieben ins Auge fassen; soweit die letztgenannten Betriebe in Frage kommen, ist ja zur Genüge

*■} "RrrAP.h-np.f auf ßriinri ή&τ TaV»f»llo q ο Π ö KO /é;q 2) A. a. O. 3) A. a. O. *) II. Unterausschuß Bd. 8. Berlin 1929. nassim. bfis. S. s«. 6) Sehr wichtig erscheinen uns auch die Darlegungen des Enqueteausschusses, II. Unteraus- schuß Bd. 12, Berlin 1930, S. 88, in denen ausgeführt wird, wie die Steuerbelastung mitgewirkt

hat, die Verschuldungslawine ins Rollen zu bringen. 785

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bekannt, daß das Einkommen der meisten kleinen Landwirte reines Arbeitsein- kommen darstellt und vielfach bei den herrschenden ungünstigen Rentabilitäts- verhältnissen kaum die Höhe des Einkommens entlohnter fremder Arbeitskräfte erreicht.

Angesichts dieses Urteils über die gegenwärtige Ordnung müssen wir nun- mehr nach Wegen suchen, um einen Zustand herbeizuführen, der einerseits das Gleichgewicht der öffentlichen Haushalte nicht gefährdet und andererseits auch unter den angeführten Gesichtspunkten befriedigend erscheint. Zunächst werfen wir nun die Frage auf: ist es möglich, die heutige Steuerlast der Landwirtschaft in solcher Weise auf die Landwirte neu zu verteilen, daß beim Fortbestand der letztjährigen Einkommensverhältnisse die bisher beobachteten ungünstigen Wir- kungen nicht eintreten ? Wir sehen eine solche Möglichkeit nicht, jedenfalls sehen wir keinerlei Lösung, die sich in wenigen Jahren verwirklichen ließe. Angesichts der Schwierigkeiten, die sich schon jetzt bei der Einkommensteuer zeigen, ist an eine stärkere Einkommensteuerbelastung zugunsten einer Realsteuerentlastung kaum zu denken. Schon eine Einschätzung der Betriebe zur Vermögensteuer und zu den Realsteuern, bei der die in den letzten Jahren herrschenden Ertragsver- hältnisse und eine den wirklichen Verhältnissen entsprechende Kapitalisierungs- ziffer zugrunde gelegt wird, würde zu den allergrößten Schwierigkeiten, vor allem für die Finanzen der örtlichen Verbände, führen. Wir sagen wohl nicht zuviel mit der Behauptung, daß insbesondere mit Rücksicht auf die Finanzen der ländlichen Kommunen die Herbeiführung einer befriedigenden Lastenverteilung unter Bei- behaltung der heutigen Lastenhöhe nicht möglich ist, solange nicht die Renta- bilität der landwirtschaftlichen Betriebe im großen und ganzen wieder hergestellt ist. Glaubt man die Rentabilität nicht wiederherstellen zu können, so bleibt wohl nur der Weg der Ausgabenverminderung und gleichzeitigen Realsteuersenkung in Verbindung mit weitgehender Dotierung der Landgemeinden, die von einer Reduktion der auf den ländlichen Grundstücken liegenden Realsteuern in erster Linie getroffen werden.

Die Möglichkeiten, das finanzwirtschaftliche Problem allein mit finanzwirt- schaftlichen Mitteln zu meistern, sind denkbar beschränkt. Wir glauben jedoch, daß eine Lösung der Schwierigkeiten auch von einer anderen Seite her zu erwarten ist, nämlich durch Wiederherstellung der Rentabilität der Landwirtschaft infolge von Veränderungen der Preisverhältnisse oder durch Steigerung der Erträge oder durch Verminderung der Unkosten. Wir haben die zur Erreichung dieses Zieles insgesamt notwendigen Schritte hier nicht zu erörtern. Aber wir müssen bemer- ken, daß Maßnahmen auf dem Gebiete der Besteuerung und des Finanzausgleichs sehr wohl dazu mithelfen können, die Rentabilität wiederherzustellen, und daß Maßnahmen auf diesen Gebieten auch zwecks Anpassung an die dann gegebene Lage erforderlich werden, sofern man einen unter den obengenannten Gesichts- punkten befriedigenden Zustand schaffen will. Mit diesen Maßnahmen wollen wir uns im folgenden noch kurz beschäftigen.

Als erstes erscheint es erforderlich, der Vermögensteuer und den Realsteuern wirklich zeitgemäße Werte unterzulegen. Wir können uns dem Eindruck nicht verschließen, daß die gegenüber der Vorkriegszeit stark veränderte Ertragsfähig- keit der landwirtschaftlichen Betriebe noch keineswegs ausreichend in einer ent- sprechend differenzierten Bewertung zum Ausdruck kommt; man denke nur an

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die stark gesteigerte Bedeutung der Verkehrslage, der Bodenqualität und des Klimas; wenig oder gar nicht hat sich die Bewertung bei solchen Grundsteuern der Länder angepaßt, bei denen die Feststellung der Steuerwerte zehn bis hundert Jahre zurückliegt. Am wichtigsten ist dieser Punkt wohl bei der preußischen Grundvermögensteuer angesichts der Größe des Landes und der sich daraus er- gebenden großen Unterschiede bezüglich Verkehrslage usw. bei den einzelnen Betrieben. Je zutreffender die Bewertung, um so geringer die Gefahr, daß Betriebe zu Steuerleistungen herangezogen werden, die ihre Leistungsfähigkeit überschrei- ten; ohne weiteres ist dieser Erfolg nur bezüglich der Vermögensteuer des Reichs und der Grundsteuern der Länder zu erwarten; bezüglich der kommunalen Zu- schläge zur Grundsteuer nur dann, wenn den Kommunen von einer bestimmten Zuschlagshöhe ab entweder Lasten abgenommen werden oder andere Einnahmen in erhöhtem Maße zufließen, denn sonst ist zu befürchten, daß eine niedrigere Bewertung, die häufig allen in einer Gemeinde befindlichen landwirtschaftlichen Betrieben zuteil werden müßte, nur zu einer Erhöhung der Zuschlagssätze führt. Auf diesen Punkt kommen wir noch zu sprechen.

Weiterhin erscheint, wenn man mit finanzwirtschaftlichen Mitteln dazu bei- tragen will, die Rentabilität landwirtschaftlicher Betriebe wiederherzustellen, eine Herabminderung der Realsteuern erforderlich; denn diese Lasten, die ge- tragen werden müssen unabhängig davon, ob Überschüsse erzielt werden, bil- den einen Teil der Produktionskosten. Und auch wenn die Rentabilität im großen und ganzen wiederhergestellt ist, muß die Reduktion der Realsteuerbelastung erfolgen. Und zwar vor allem mit Rücksicht darauf, daß bei den Realsteuern kein Schuldenabzug stattfindet. Diesem Punkte kommt heute eine vollkommen andere Bedeutung zu als etwa in den Vorkriegsjahren. Damals entstanden regelmäßig Schulden, weil der Betrieb einen Ertrag erzielte, in den letzten Jahren entstanden regelmäßig Schulden, weil der Betrieb keinen Ertrag erzielte. Selbstverständlich gibt und gab es Ausnahmen von dieser Regel, aber im allgemeinen ist die Ver- ursachung der Verschuldung so wohl richtig charakterisiert. In der Vorkriegszeit bildeten die Abfindungen weichender Erben und die Restkauf gelder den Haupt- teil der Verschuldung, sie aber stehen mit dem aus dem Betrieb positiv zu er- zielenden Ertrag in unmittelbarem Zusammenhang, in den letzten Jahren aber sind hauptsächlich Schulden gemacht, um regelrechte Betriebsverluste, nicht- erwirtschaftete Steuerbeträge und dergleichen zu decken. Angesichts des in der Vorkriegszeit herrschenden Zusammenhanges brauchte die derzeitige Unterlas- sung des Schuldenabzuges nicht zu Störungen zu führen, anders jedoch in der Ge- genwart, wo der genannte Zusammenhang zwischen Verschuldung und Erträgen nicht mehr besteht, wo also in einer Vielzahl von Fällen Realsteuern gefordert werden, ohne daß nach Begleichung der Schuldzinsen noch Reinerträge vorhan- den sind, um die Steuern zu zahlen.

Man könnte daraus den Schluß ziehen, daß dann bei der Grundbesteuerung der Abzug der Schulden bzw. der Schuldzinsen zugelassen werden soll. Doch sehen wir einerseits keine Möglichkeit, die mit dem landwirtschaftlichen Betrieb in Zu- sammenhang stehenden Schulden aus der Gesamtheit der Schulden eines Steuer- pflichtigen auszuscheiden, vor allem zu verhindern, daß die Schuldaufnahme zum Erwerb anderer Vermögensgüter die zugunsten des Landes und der Gemeinde erhobene Grundsteuer vermindert. Anderseits würden sich bei solcher Abwandlung

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der Realsteuern unüberwindbare Schwierigkeiten für eine große Zahl kleiner Gemeinden ergeben, weil dann möglicherweise die Hauptsteuerquelle dieser Ge- meinden überhaupt versiegen würde.

Wir halten eine solche Reduktion der Realsteuern für erforderlich, daß in der Regel auch nach Begleichung der Schuldzinsen noch ausreichende Ein- künfte zu ihrer Bezahlung vorhanden sind. Bei der gegenwärtigen Höhe dieser Steuern ist damit keinesfalls zu rechnen, man beachte nur, welchen Prozentsatz sie vom Einheitswert ausmachen, der sich nach dem „nachhaltig erzielbaren Er- trag" ohne Schuldzinsenabzug richtet 1). Nun ist es ein glücklicher Umstand, daß wenigstens mit dem Wegfall eines Teils dieser Realsteuern, nämlich der Renten- bankgrundschuldzinsen, in absehbarer Zukunft zu rechnen ist. Auf die Frage der vorzeitigen Einstellung oder Herabminderung der Rentenbankzinszahlung wollen wir nicht eingehen, da dieser Fragenkomplex andernorts ausgiebig erörtert wor- den ist 2). Immerhin bleibt auch danach noch eine so hohe Realbesteuerung - die Rentenbankzinsen machen bei den „typischen Gemeinden" beispielsweise noch nicht ganz x/ß von der Realsteuerbelastung der Landwirte aus 3) - daß wir auf ihre weitere Herabminderung sinnen müssen. Die verbleibenden Realsteuern fließen, mit Abzug eines Bruchteils für Kirchensteuern und sonstige Lasten, in die Länder- und Gemeindehaushalte, und zwar in weitaus überragendem Maße in die letzteren. Man muß sich fragen, ob nicht schlechthin darin schon eine Über- spannung der Realsteuern lag, daß man den Ländern und Gemeinden ausschließ- lich diese als bewegliche und anspannungsfähige Steuern gab; zweifellos resul- tiert daraus ihre starke Ausschöpfung. Wir wollen hier nicht die ganze Proble- matik des Finanzausgleichs auf steuerlichem Gebiet aufrollen 4). Aber jedenfalls scheint sich ein Abbau dieser Überspannung anzubahnen, nämlich sofern der in der Notverordnung des Reichspräsidenten vom 26. Juli 1930 ô) beschrittene Weg, der zur Einführung neuer Gemeindesteuern hinleitet, weiter verfolgt wird. Für die ländlichen Gemeinden hat vor allem die neugeschaffene Bürgersteuer Be- deutung, wohingegen die Gemeindebiersteuer nur in einem Teil dieser Gemein- den zur Auswirkung kommen kann. Man kann auch sagen, daß für die Bürger- steuer in den ländlichen Gemeinden eine besondere Berechtigung vorliegt, da eine vorhandene steuerliche Leistungsfähigkeit in ihnen nicht oder nicht in gleichem Maße durch die Einkommensteuer ausgeschöpft wird wie in den Städten; denn die Einkommensteuer richtet sich nach dem Nominaleinkommen, nicht nach dem Realeinkommen, sie berücksichtigt nicht die höhere Kaufkraft des Geldes auf dem Lande, sie begünstigt also die ländliche Bevölkerung und läßt auf dem Lande Personen mit einem Realeinkommen steuerfrei, bei dem in der Stadt be- reits Einkommensteuer erhoben wird. Die Bürgersteuer kann in den ländlichen Gemeinden auch eine besonders hohe Bedeutung für die Herabminderung der Realsteuern gewinnen, sofern, wie vorgesehen, ihre Erhebung mit der Höhe der

*) Für die „typischen Betriebe" 61 v. H. von 2,55 v. H. des Einheitswertes (s. o. S. 249 f.) = 1,55 v. H. des Einheitswertes, für die „bäuerlichen Betriebe" 65 v. H. von 2,74 bzw. 2,8 ν. Η. des Einheitswertes = ca. 1,8 v. H., für die „typischen Gemeinden" 64 v. H. von 1,9 bzw. 2,0 ν. Η. des Wehrbeitraeswertes = ca. 1,66 v. H. des Einheitswertes.

») Siehe Veröffentlichungen der Friedrich-List- Gesellschaft, Kapitalbildung und Besteue- runtr. Berlin 1930. I. Teil S. 481 ff.. II. Teil S. 114 und 445 ff.

8) Errechnet auf Grund der Tabellen a. a. O. S. 145 f. 4) Vgl. hierzu vom Verfasser: Zur Neuordnung des Finanzausgleichs, Jahrbücher für National-

ökonomie und Statistik. 127 Bd. 1927, S. 742 und 747 ff. *) Beichsgesetzblatt I S. 314 ff.; sie ist unten mitgeteilt.

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Page 10: Die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft

Die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft. 255

gemeindlichen Zuschlagssätze zu den Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern ver- koppelt wird 1). Und zwar nicht deshalb, weil in den ländlichen Gemeinden in- folge einer solchen Maßnahme die Ausgaben in Zukunft besonders stark gedros- selt werden, sondern vielmehr, weil die Bürgersteuer im Verhältnis zum Auf- kommen an Realsteuern in den kleineren Gemeinden wirklich erhebliche Summen zu bringen vermag.

In den preußischen Landgemeinden mit bis zu 2000 Einwohnern erbrachten die Grundvermögen- und die Gewerbesteuer 1928 zusammen durchschnittlich 12,3 RM pro Kopf der Bevölkerung 2). Rechnet man nun etwa mit einem durch- schnittlichen Aufkommen an Bürgersteuer in Höhe von 3 RM. pro Kopf der Be- völkerung (d. h. etwa 4,50 bis 6 RM. pro Pflichtigen), so würde das annähernd einem Viertel des gemeindlichen Realsteueraufkommens entsprechen.

Noch auf einem weiteren Wege halten wir die Herabminderung der kommu- nalen Grundsteuern für möglich, nämlich durch eine Veränderung im Ausgaben- bereich der Gemeinden. Preußen und eine Reihe weiterer Länder haben den Ge- meinden einen erheblichen Teil der Volksschullasten belassen, die Gemeinden haben dort neben den sächlichen Schulausgaben noch einen Teil der Lehrer- gehälter zu tragen. In den preußischen Gemeinden mit weniger als 2000 Ein- wohnern machte der Zuschußbedarf für Volks- und Fortbildungsschulen 1927 rund 40% des gesamten Zuschußbedarfs dieser Gemeinden aus 8); ferner konnten wir feststellen, daß neuerdings in einer großen Zahl von Gemeinden, deren Zahlen- material *) uns zugänglich war, dieser Zuschußbedarf über 200% der staatlich veranlagten Realsteuern betrug 6). Folgt Preußen nun dem Beispiel anderer Länder, z. B. Bayern, und entlastet die Gemeinden von einem Teil der heute noch auf ihnen ruhenden persönlichen Volksschullasten, so würde dadurch eine Senkung der Realsteuern möglich werden. Diese Senkung der Realsteuern würde in den ländlichen Gemeinden auch dann vor sich gehen können, wenn zum Zwecke dieser Entlastung die Einkommensteuerüberweisungen um einen für alle Gemeinden gleichen Prozentsatz geschmälert würden, denn die ländlichen Gemeinden sind an diesen Einkommensteuern ber Weisungen in viel geringerem Maße beteiligt als an den Scbullasten ·).

Wir würden es bereits als einen erheblichen Fortschritt begrüßen, wenn durch entsprechende Dotierung der Landesschulkasse, aus der die Lehrergehälter ge- zahlt werden und in die die Gemeinden pro Lehrerstelle Beiträge zu leisten haben, in Verbindung mit der Handhabung der Ergänzungszuschüsse erreicht würde, daß die Schulausgaben der ländlichen Gemeinden regelmäßig 100% der staatlich veranlagten Realsteuern nicht überschreiten. Schwierigkeiten bereiten für die Festsetzung der Ergänzungszuschüsse die sachlichen Schulausgaben, da ihre Höhe von örtlichen Verhältnissen abhängig ist und seitens der Gemeinden bestimmt wird; doch wird schon heute die Gefahr, daß die Gemeinden ihre sächlichen Schulaus- gaben im Hinblick auf die Ergänzungszuschüsse unnötig erhöhen, dadurch ver- mieden, daß nicht die tatsächlichen Schulausgaben, sondern Pauschalsätze, die sich nach der Zahl der Schüler und der Lehrerstellen richten, berücksichtigt werden.

x) S6 der Verordnung, a. a. O. S. 315. *) Errechnet auf Grund der Tabelle im Statistischen Jahrbuch für den Freistaat Preußen,

26. Bd., Berlin 1930, S. 330. 8) Statistisches Jahrbuch für den Freistaat Preußen, 26. Bd., a. a. O., S. 300. 4) Unveröffentlichtes Material. Es handelt sich dabei um Gemeinden mit ungünstigen Boden-,

Klima- und Verkehrsverhältnissen und hoher Verschuldung der Landwirte. *) In allen Fällen sind die von den preußischen Eegierungen gewährten Ergänzungszuschüsse

für leistungsschwache Gemeinden bereits in Abzug gebracht. ·) Vgl. hierzu die Tabellen im Statistischen Jahrbuch für den Freistaat Preußen, a. a. O.

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Page 11: Die Besteuerung der deutschen Landwirtschaft

256 Rudolf Stucken, Dio Besteuerung der deutschen Landwirtschaft.

Die hier besprochenen Maßnahmen sollen dahin wirken, einen unter den an- gegebenen Gesichtspunkten befriedigenderen Zustand der Besteuerung der Land- wirtschaft herbeizuführen. Wir geben zu, daß man in Hinblick auf andersartige Zielsetzungen auch andere Maßnahmen fordern kann. So beruht die Forderung nach realsteuerlicher Einheitsbesteuerung der Landwirtschaft, wie sie von Aereboe vertreten wird x) oder wie sie nach dem Programm der Reichsregierung 2) verwirk- licht werden soll, auf einer anders gearteten Zielsetzung. Wir können nun die ver- schiedenen Zielsetzungen nicht objektiv gegeneinander abwägen und die eine für besser oder wichtiger als die andere erklären. Wohl aber werden die vorher- gegangenen Ausführungen zur Genüge gezeigt haben, welche Nachteile eine solche Maßnahme wie die vorgeschlagene Einheitsbesteuerung in Hinblick auf die hier berücksichtigten Zielsetzungen, die sich weiter Anerkennung erfreuen, mit sich bringt.

*) Agrarpolitik, Berlin 1928, S. 310 ff. 2) s. o. S. 254.

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