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in unserem Land häufiger sind oder sein müssten. Belegt wird diese Annahme indes nicht. Auch bleibt eine Kontrollüber- legung unerwähnt: Wie würde die Öffentlichkeit und auch die Fachöffentlichkeit bei uns reagieren, wenn es tatsächlich zu einem Umweltunfall wie bei der Deep Water Horizon im Golf von Mexiko oder zum Auslaufen einer metall- und laugenhaltigen Brühe aus der Aluminiumproduktion käme wie vor einem Jahr in Ungarn und wir – bei Annahme reiner Fahrlässigkeit – allenfalls mit einem Bußgeldverfahren und nicht doch über § 324 Abs. 3 StGB strafrechtlich reagieren könnten? 57 Die Forderungen nach einer Verschärfung des Umweltstrafrechts wären sicher nicht zu überhören. 6. Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das deutsche Umweltstrafrecht kein Modell ist, an dem sich andere Län- der ohne wenn und aber orientieren sollten. Es ist aber bes- ser als sein Ruf: Wenn man vom Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts ausgeht, diesen ernst nimmt und akzeptiert, hat sich das geltende Recht bewährt. Es hat sich auch in der Strafrechtspraxis einigermaßen etabliert. Das mit dem neuen Strafrechtsänderungsgesetz verfolgte Konzept der Lückenschließung ist daher konsequent und zu begrüßen. Folgende Punkte sollten jedoch stärker beachtet werden: 1. Das Umweltverwaltungsrecht sollte klarer, einfacher und bestimmter gefasst und nicht ständig mit kompli- zierteren, kaum noch nachvollziehbaren Regelungen überfrachtet werden. 2. Das Umweltstrafrecht, insbesondere im Nebenstraf- recht, darf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht aus den Augen verlieren. 3. Der Staat darf sich weder im Bereich der Umweltver- waltung noch bei der Polizei auf die bloße „Kontrolle am Schreibtisch“ zurückziehen. Erforderlich ist eine aufsuchende Kontrolltätigkeit, die auf eigener Sach- kunde beruht. Für einen Praktiker bietet es sich an, mit einem Zitat aus einer Akte zu schließen. 1994 hat der BGH in der sogenann- ten Falisan- Entscheidung folgenden Leitsatz aufgestellt: 58 „Wer einen anderen mit der Beseitigung umweltgefähr- denden Abfalls beauftragt, muss sich vergewissern, dass dieser zur ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung tatsächlich im Stande und rechtlich befugt ist; andernfalls verletzt er seine Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig.“ Bei der Durchsuchung eines Altölaufbereitungsunterneh- mens wurde ein interner Aktenvermerk gefunden, der sich auf eine Betriebsbesichtigung durch einen potentiellen Kun- den, ein größeres Automobilunternehmen, bezieht. Zitat: „Herr X war anzumerken, dass er über die Art und Weise, wie ich seine Fragen beantwortete, verstört war. Durch die treffend gestellten Fragen anhand eines Fragenkatalogs und Betriebsrundgangs war nicht zu verbergen, dass zumindest offene Fragen hinsichtlich dem Umgang mit wassergefähr- denden Stoffen auf unserem Betriebsgelände bestehen … Für die Firma XY bedeutet dies, dass frühestens nach einer Be- antwortung einiger offener Fragen in Erwägung gezogen werden kann, bei uns anzuliefern. Es war zu erkennen, dass die Firma XY nicht allein interessiert, was unsere Behörde genehmigt hat bzw. was gebilligt wird, sondern was Gesetz ist und üblicherweise gefordert werden kann. Dies geht selbst über mein Empfinden in Richtung Sicherheit hinaus. … Wir arbeiten als Kleinbetrieb mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Sollten diese nicht genügen, müssen wir entweder auf solche Kunden verzichten oder die Auflagen erfüllen.“ Nicht nur der BGH dürfte sich über diesen Nachweis einer generalpräventiven Wirkung seiner Entscheidung freuen. Das Beispiel zeigt, dass auch das Umweltstrafrecht „sittenbildend“ wirken kann – ein individueller, kleiner, aber doch ein Erfolg des Umweltstrafrechts. Die Einbindung der Öffentlichkeit in formelle Verwaltungsverfah- ren beschäftigt die Rechtswissenschaft seit geraumer Zeit. Seit dem Schlichtungsversuch zu Stuttgart-21 und dem Volksentscheid in Ba- den-Württemberg über die Frage, ob das Land an der Finanzierung zu Stuttgart-21 festhalten soll, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung wieder vermehrt Gegenstand von rechtswissenschaftlichen Publikati- onen, Tagungen bis hin zu Parteiprogrammen und Gesetzesvorha- ben geworden. Der Beitrag möchte die bisherigen Ausführungen um eine weitere Facette anreichern: Der Klimawandel wird die Frage Ass. iur. Simone Hafner, L. L. M., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Öffentliches Recht, insbesondere Technik- und Umweltrecht im Kompetenzzentrum für Klimaschutz und Klimaanpassung (CliMA) der Universität Kassel aufwerfen, wie die Gesellschaft mit den klimatischen Veränderungen und Auswirkungen umgehen will und muss. Die Verwaltung wird in vielfältiger Weise durch Planung und Verfahrensentscheidungen Einfluss auf diese Fragen nehmen. Es ist daher notwendig, die Öf- fentlichkeitsbeteiligung bei Verwaltungsverfahren mit einem klima- anpassungsrelevanten Hintergrund einer kritischen Analyse zu un- terziehen. Es sollen Hinweise gegeben werden, welche Verfahren für Klimaanpassungsmaßnahmen relevant sind und wie die Beteiligung daran optimiert werden kann. I. Zivilgesellschaftlicher Anspruch auf Mitbestimmung Geht es um die Beteiligung der Zivilgesellschaft an staatli- chen Entscheidungen mit politischem Gehalt, fallen oft die DOI: 10.1007/s10357-012-2261-9 Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels Simone Hafner © Springer-Verlag 2012 NuR (2012) 34: 315–321 315 Hafner, Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels 123 57) Vgl. auch v. Danwitz (Fn. 52), S. 145: Die ersatzlose Streichung der §§ 324 ff. wäre kontraproduktiv, würde sie doch den Eindruck hervorrufen, dass Schädigungen der Umwelt kein strafwürdiges Verhalten mehr seien. 58) BGH, Urt. v. 2. 3. 1994 – 2 StR 620/93, BGHSt 40, 86 m. Anm. Hecker MDR 1995, 757; Michalke StV 1995, 137; Versteyl NJW 1995, 1071.

Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels

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Page 1: Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels

in unserem Land häufiger sind oder sein müssten. Belegt wird diese Annahme indes nicht. Auch bleibt eine Kontrollüber-legung unerwähnt: Wie würde die Öffentlichkeit und auch die Fachöffentlichkeit bei uns reagieren, wenn es tatsächlich zu einem Umweltunfall wie bei der Deep Water Horizon im Golf von Mexiko oder zum Auslaufen einer metall- und laugenhaltigen Brühe aus der Aluminiumproduktion käme wie vor einem Jahr in Ungarn und wir – bei Annahme reiner Fahrlässigkeit – allenfalls mit einem Bußgeldverfahren und nicht doch über § 324 Abs. 3 StGB strafrechtlich reagieren könnten? 57 Die Forderungen nach einer Verschärfung des Umweltstrafrechts wären sicher nicht zu überhören.

6. Fazit

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das deutsche Umweltstrafrecht kein Modell ist, an dem sich andere Län-der ohne wenn und aber orientieren sollten. Es ist aber bes-ser als sein Ruf: Wenn man vom Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts ausgeht, diesen ernst nimmt und akzeptiert, hat sich das geltende Recht bewährt. Es hat sich auch in der Strafrechtspraxis einigermaßen etabliert. Das mit dem neuen Strafrechtsänderungsgesetz verfolgte Konzept der Lückenschließung ist daher konsequent und zu begrüßen. Folgende Punkte sollten jedoch stärker beachtet werden:

1. Das Umweltverwaltungsrecht sollte klarer, einfacher und bestimmter gefasst und nicht ständig mit kompli-zierteren, kaum noch nachvollziehbaren Regelungen überfrachtet werden.

2. Das Umweltstrafrecht, insbesondere im Nebenstraf-recht, darf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht aus den Augen verlieren.

3. Der Staat darf sich weder im Bereich der Umweltver-waltung noch bei der Polizei auf die bloße „Kontrolle am Schreibtisch“ zurückziehen. Erforderlich ist eine aufsuchende Kontrolltätigkeit, die auf eigener Sach-kunde beruht.

Für einen Praktiker bietet es sich an, mit einem Zitat aus einer Akte zu schließen. 1994 hat der BGH in der sogenann-ten Falisan- Entscheidung folgenden Leitsatz aufgestellt: 58

„Wer einen anderen mit der Beseitigung umweltgefähr-denden Abfalls beauftragt, muss sich vergewissern, dass dieser zur ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung tatsächlich im Stande und rechtlich befugt ist; andernfalls verletzt er seine Sorgfaltspflicht und handelt fahrlässig.“

Bei der Durchsuchung eines Altölaufbereitungsunterneh-mens wurde ein interner Aktenvermerk gefunden, der sich auf eine Betriebsbesichtigung durch einen potentiellen Kun-den, ein größeres Automobilunternehmen, bezieht. Zitat: „Herr X war anzumerken, dass er über die Art und Weise, wie ich seine Fragen beantwortete, verstört war. Durch die treffend gestellten Fragen anhand eines Fragenkatalogs und Betriebsrundgangs war nicht zu verbergen, dass zumindest offene Fragen hinsichtlich dem Umgang mit wassergefähr-denden Stoffen auf unserem Betriebsgelände bestehen … Für die Firma XY bedeutet dies, dass frühestens nach einer Be-antwortung einiger offener Fragen in Erwägung gezogen werden kann, bei uns anzuliefern. Es war zu erkennen, dass die Firma XY nicht allein interessiert, was unsere Behörde genehmigt hat bzw. was gebilligt wird, sondern was Gesetz ist und üblicherweise gefordert werden kann. Dies geht selbst über mein Empfinden in Richtung Sicherheit hinaus. …

Wir arbeiten als Kleinbetrieb mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln. Sollten diese nicht genügen, müssen wir entweder auf solche Kunden verzichten oder die Auflagen erfüllen.“

Nicht nur der BGH dürfte sich über diesen Nachweis einer generalpräventiven Wirkung seiner Entscheidung freuen. Das Beispiel zeigt, dass auch das Umweltstrafrecht „sittenbildend“ wirken kann – ein individueller, kleiner, aber doch ein Erfolg des Umweltstrafrechts.

Die Einbindung der Öffentlichkeit in formelle Verwaltungsverfah-ren beschäftigt die Rechtswissenschaft seit geraumer Zeit. Seit dem Schlichtungsversuch zu Stuttgart-21 und dem Volksentscheid in Ba-den-Württemberg über die Frage, ob das Land an der Finanzierung zu Stuttgart-21 festhalten soll, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung wieder vermehrt Gegenstand von rechtswissenschaftlichen Publikati-onen, Tagungen bis hin zu Parteiprogrammen und Gesetzesvorha-ben geworden. Der Beitrag möchte die bisherigen Ausführungen um eine weitere Facette anreichern: Der Klimawandel wird die Frage

Ass. iur. Simone Hafner, L. L. M., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Öffentliches Recht, insbesondere Technik- und Umweltrecht im Kompetenzzentrum für Klimaschutz und Klimaanpassung (CliMA) der Universität Kassel

aufwerfen, wie die Gesellschaft mit den klimatischen Veränderungen und Auswirkungen umgehen will und muss. Die Verwaltung wird in vielfältiger Weise durch Planung und Verfahrensentscheidungen Einfluss auf diese Fragen nehmen. Es ist daher notwendig, die Öf-fentlichkeitsbeteiligung bei Verwaltungsverfahren mit einem klima-anpassungsrelevanten Hintergrund einer kritischen Analyse zu un-terziehen. Es sollen Hinweise gegeben werden, welche Verfahren für Klimaanpassungsmaßnahmen relevant sind und wie die Beteiligung daran optimiert werden kann.

I. Zivilgesellschaftlicher Anspruch auf Mitbestimmung

Geht es um die Beteiligung der Zivilgesellschaft an staatli-chen Entscheidungen mit politischem Gehalt, fallen oft die

DOI: 10.1007/s10357-012-2261-9

Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des KlimawandelsSimone Hafner

© Springer-Verlag 2012

NuR (2012) 34: 315–321 315Hafner, Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels

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57) Vgl. auch v. Danwitz (Fn. 52), S. 145: Die ersatzlose Streichung der §§ 324 ff. wäre kontraproduktiv, würde sie doch den Eindruck hervorrufen, dass Schädigungen der Umwelt kein strafwürdiges Verhalten mehr seien.

58) BGH, Urt. v. 2. 3. 1994 – 2 StR 620/93, BGHSt 40, 86 m. Anm. Hecker MDR 1995, 757; Michalke StV 1995, 137; Versteyl NJW 1995, 1071.

Page 2: Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels

Begriffe Partizipation, direkte Demokratie und Öffentlich-keitsbeteiligung. Partizipation ist als Überbegriff für Ein-flussnahme, Teilnahme oder Mitbestimmung von Bürgern an politischen Entscheidungen zu verstehen. Direkte De-mokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung sind daher Ausge-staltungsformen der Partizipation. Die direkte Demokratie, die die unmittelbare Beteiligung von Bürgern an Entschei-dungen ermöglicht, wird in den meisten Länderverfassun-gen durch Volksbegehren und Volksentscheide ermög-licht. Ein Volksbegehren und der sich – nach Zulassung des Begehrens – daran anschließende Volksentscheid, zielt auf Einflussnahme und Mitbestimmung auf Ebene der Ge-setzgebung ab. Will man aber die Beteiligung der Zivilge-sellschaft an staatlichen Entscheidungen stärken, nimmt die Beteiligung an Verwaltungsentscheidungen eine ebenso wichtige Stellung wie die direkte Beeinflussung der Ge-setzgebung ein. Denn Verwaltungsentscheidungen können sich in hohem Maße auf die Bürger auswirken und kön-nen Bürger in ihrer Wirkung unmittelbarer belasten oder tangieren als die meisten Gesetze. 1 Diese Argumentation ist ebenso auf Verwaltungsentscheidungen anzuwenden, die Belange der Klimaanpassung direkt oder indirekt be-rühren. Verwaltungsverfahren haben einen großen Einfluss darauf, ob und wie Klimaanpassungsaspekte berücksichtigt werden. Für eine Integration bürgerschaftlichen Engage-ments bei der Entwicklung und Umsetzung von Klima-anpassungsmaßnahmen ist die Verwaltungspartizipation daher mit Schlüsselelement. Im Folgenden werden in ers-ter Linie formelle Beteiligungsverfahren im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens behandelt.

II. Funktionen der Öffentlichkeitsbeteiligung

Im täglichen Verwaltungshandeln haben Behörden eine Vielzahl von Entscheidungsmöglichkeiten. Die Tätigkeit der Verwaltung folgt nicht einem mechanischen Gesetzes-vollzug, sondern es bestehen vielfältige Entscheidungsspiel-räume, die mit dem Oberbegriff „Ermessen“ nur ungenau erfasst werden. Gestaltungsraum besteht beim Erlass unter-gesetzlicher Normen, bei der gesetzesfreien Verwaltung in weiten Bereichen der Leistungserbringung, bei Beurtei-lungsspielräumen von unbestimmten Rechtsbegriffen und bei Planungsvorhaben. 2 Je nach rechtlichen Vorgaben hat die Verwaltung einen eigenen Anteil an der Konkretisierung und Ausführung ihrer Handlungsaufträge. Den Prozess der Rechtsanwendung steuert das Verfahrensrecht. Hierdurch werden Entscheidungsabläufe geordnet, die Zusammen-arbeit mit anderen Verwaltungseinheiten koordiniert und auch die Einbeziehung der Öffentlichkeit geregelt. 3

Aus einer staatszentrierten Position erfüllt eine Öffent-lichkeitsbeteiligung die Funktionen von Informations- und Wissenszugewinn für die Behörde. Das neu dazugewon-nene Wissen soll die Verwaltung bei ihrer Entscheidung unterstützen. 4 Durch die Einbeziehung von nichtstaat-lichen Akteuren kann deren Wissen für die Verwaltung sichtbar und nutzbar gemacht werden. Übergeordnete Be-hörden sind auf lokales Wissen angewiesen, da sie die Ge-gebenheiten vor Ort nicht kennen. Ebenso verfügen Ver-bände über Spezialwissen, das der Behörde nicht unbedingt zur Verfügung steht. Der Wissenszuwachs durch die Betei-ligung dient somit einer Qualitätssicherung der Entschei-dung. Die Beteiligung ist nach diesem Verständnis kein individuelles oder kollektives Recht, sondern hat eine „die-nende Funktion“, nämlich der Behörde zu Erkenntnissen zu verhelfen. 5

Mit der Mülheim-Kärlich Entscheidung wurde neben der staatszentrierten Perspektive die rechtsstaatliche Dimension von Beteiligungsverfahren anerkannt. 6 Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts haben Beteiligungsverfahren auch einen vorgelagerten Grundrechtsschutz, der durch die Behörde in der Entscheidung berücksichtigt werden muss. Diese Ergänzung der staatszentrierten Position entfachte

eine Diskussion der Funktion von Beteiligungsverfahren. Zu den Funktionen Information und Entscheidungsunter-stützung kam nun Kontrolle und Transparenz 7 wie auch Akzeptanzerzeugung 8 für die Entscheidung hinzu. Die Bedeutung der Akzeptanz von Verwaltungsverfahren ist ebenfalls historisch durch Protestbewegungen gegen um-weltrelevante Verwaltungsentscheidungen gewachsen. 9 Zunehmende Bürgerproteste entsprangen einem moder-nen Gefährdungsbewusstsein, das wiederum auf ein gestie-genes Gefährdungspotential von technischen Entwicklun-gen zurückzuführen ist. 10

Außerdem wird, nach einer Auffassung, der Öffentlich-keitsbeteiligung eine Legitimationsfunktion für Verwal-tungsverfahren, abgeleitet aus dem Demokratieprinzip, zu-geschrieben. 11 Das Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 2 GG ist für alle Erscheinungsformen der öffentlichen Ge-walt ein Staatstrukturprinzip. Streng genommen wird dem Demokratieprinzip Rechnung getragen, indem Bürger sich an Wahlen und Abstimmungen beteiligen können. Die Sachentscheidungen, die durch die Verwaltung getroffen werden, sind aber allein durch Wahlen nicht hinreichend legitimiert. Durch Wahlen wird einer Partei ein generali-siertes Mandat gegeben, mit dem innerhalb der gesetzlichen Grenzen eine „beliebige Politik“ betrieben werden kann. 12 Das reine Repräsentativsystem verkürzt jedoch das De-mokratieprinzip in seiner Reichweite. 13 Denn der fehlen-den Kopplung zwischen Wahlen und inhaltlicher Bindung entspringt eine „fehlende legitimatorische Substanz“ 14 für Sachentscheidungen von großer Tragweite und umstritte-nen Fragen. Dieses Legitimationsdefizit zeigt sich beson-ders dann, wenn der Gesetzgeber Regelungen erlassen hat, die von Seiten der Verwaltung spezifiziert werden müs-

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1) So auch Roßnagel, ZParl 1986, 587. Siehe auch Verwaltungsent-scheidungen zu Flughafenerweiterungen, Bahnhofumgestaltun-gen und Industrieanlagen.

2) Groß, DÖV 2011, 510, 511.3) Pünder, JuS 2011, 289; siehe ausführlich für das immissionsschutz-

rechtliche Genehmigungsverfahren Roßnagel in: Koch/Scheu-ing/Pache, Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissions-schutzgesetz, Neuwied 2010, 28. Lieferung, § 10, Rdnr. 59 ff.

4) Kopp in: Bachof/Heigl/Redeker (Hrsg.), Verwaltungsrecht zwi-schen Freiheit, Teilhabe und Bindung, München 1978, S. 387; Walter/Schmitt Glaeser, Partizipation an Verwaltungsentscheidun-gen, München VVDStRL 31 1973, S. 179.

5) BVerwG, Urt. v. 14. 4. 1967 – IV C 42.65, BVerw GE 26, 302/303; BVerwG, Urt. v. 20. 10. 1972 – IV C 107.67, BVerw GE 41, 58/63 ff.; BVerwG, Urt. v. 8. 10. 1976 – VII C 24.73, NJW 1977, 2367/2368.

6) BVerfG, Beschl. v. 20. 12. 1979 – 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30.

7) Hellmann, Die Öffentlichkeitsbeteiligung in vertikal gestuften Zulassungsverfahren für umweltrelevante Großvorhaben nach deutschem und europäischem Recht, Frankfurt a. M. 1992, S. 148; Deppen, Beteiligungsrechte des Bürgers in Planfeststel-lungsverfahren auf der Grundlage des Verwaltungsverfahrensge-setzes, Münster 1982, S. 98 ff; Wolfrum, DÖV 1981, 606.

8) Grundlegend hierzu Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Frankfurt a. M. 1983.

9) Bürgerbewegungen entstanden beispielsweise bei Planung des Kernkraftwerks in Whyl, Ausbau des Frankfurter Flughafens und der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf.

10) Würtenberger, NJW 1991, 257, 258.11) Gegenteilige Auffassung siehe Ramsauer/Kopp, Verwaltungsver-

fahrensgesetz, 12. Aufl., München 2011, § 73, Rdnr. 11; Bonk/Neumann, in: Bonk/Sachs/Stelkens, Verwaltungsverfahrens gesetz, 7. Aufl., München 2008, § 73, Rdnr. 7ff; Guckelberger, DÖV 2006, 97, 99; Lerche/Schmitt Glaeser/Schmidt-Assmann, Verfah-ren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, Heidelberg 1984, S. 37 ff.

12) Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, Baden-Baden 1970, S. 79 m. w. N.

13) Groß (Fn. 2), S. 511.14) Roßnagel (Fn. 1), S. 593.

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sen. Genehmigungsvoraussetzungen oder Planungsdirekti-ven beinhalten oftmals Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe. 15 Das Gesetz überlässt der Verwaltung die Abwägung zwischen den Interessen und die Wahl der Mit-tel. Dieser Interpretationsspielraum gibt der Verwaltung eine politische Entscheidungsmacht. Politische Fragen, wie die des Anlagenstandorts, Bedarf, Anlagentyp und damit verbunden die Fragen des zulässigen Risikos, werden nicht mit der Gesellschaft erörtert, sondern von Verwaltung, An-tragsteller und Gutachtern entschieden. 16 Um einem De-mokratiedefizit vorzubeugen, braucht es die Mitwirkung und Mitgestaltung dieses Prozesses durch die Bürger.

III. Öffentlichkeitsbeteiligung im Kontext Klimawandel

Sieht man sich die Funktionen der Öffentlichkeitsbetei-ligung an, ist festzustellen, dass Informations- und Wis-senszugewinn, Entscheidungsunterstützung, Kontrolle, Transparenz, Akzeptanzschaffung und Legitimität für den Prozess einer Klimaanpassung ebenfalls von Bedeutung sind. Der Prozess spannt sich von der Bildung eines Kli-mawandelbewusstseins bis hin zur Beteiligung von Akteu-ren an der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Auch bei der Implementierung von Klimaanpassungsmaß-nahmen bedarf es Rechte, die es dem Bürger ermöglichen, sich aktiv zu beteiligen.

Klimaanpassungsaspekte spielen in vielfältigen Verwal-tungsverfahren eine Rolle. Die Anpassungsrelevanz wird beispielhaft an einzelnen Planungs- und Genehmigungs-verfahren dargestellt, um die Bedeutung von Klimaanpas-sung in Verwaltungsverfahren zu verdeutlichen.

Der Raumplanung kommt aufgrund ihrer sektorüber-greifenden Koordinationsfunktion für Klimaanpassung eine herausgehobene Bedeutung zu. Die Folgen des Klimawan-dels haben erhebliche Auswirkungen auf die Beständigkeit von Raumnutzungen, die durch extreme Wetterereignisse und klimatische Veränderungen gefährdet sind. 17 Da in Planungsverfahren weitreichende und langfristige Raum-nutzungsentscheidungen getroffen werden, kann die räum-liche Gesamtplanung einen Beitrag dazu leisten, Nutzungs- und Infrastrukturen zu schützen, die Widerstandsfähigkeit der Sozial- und Ökosysteme zu stärken und eine klimaan-gepasste Siedlungs- und Freiraumstruktur zu schaffen, um für jetzige und zukünftige Klimawandelfolgen gerüstet zu sein. Die Verwaltung ist für die Erstellung von räumlichen Planungen, bei denen Klimaanpassungsaspekte eine Rolle spielen, wie beispielsweise die Gewässerbewirtschaftungs-planung, Hochwasserrisikomanagementplanung, Raum-ordnung, Bauleitplanung, Landschaftsplanung und Ver-kehrsplanung, zuständig.

Aber Klimaanpassungsaspekte sind nicht nur in der Pla-nung, sondern auch im Rahmen von genehmigungsrele-vanten Vorhaben und Zulassungsplanungen von raum-bedeutsamen Vorhaben (Planfeststellungsverfahren) zu berücksichtigen. Auch diese Einzelentscheide sollten unter dem Blickwinkel „klimaangepasst“ genehmigt werden. Dies betrifft sensible Infrastrukturen wie Kraftwerke an Gewäs-sern, Verkehrsstrecken, Wasserspeicher, Fernversorgungs-einrichtungen und Anlagen mit gefährdenden Stoffen.

Bei all diesen Verfahren besteht ein Entscheidungsspiel-raum seitens der Verwaltung hinsichtlich der Frage, mit welchem Maß, Dringlichkeit und Gewichtung Klimaan-passungsmaßnahmen verwirklicht werden sollen. Durch die aufgezeigten administrativen Verfahren wird festgelegt, wie auf die jetzigen und vorsorgend mit den zukünftigen Folgen reagiert werden soll. Die Entscheidungen hierüber sind richtungsweisend für Lebensweisen und Lebensgrund-lagen der Bürger, die von den Klimawandelfolgen betrof-fen sein werden. Es kann daher ein ganzes Argumentati-onsbündel angeführt werden, warum die Öffentlichkeit an diesen Fragen und Entscheidungen beteiligt werden sollte.

Erstens ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft an Ver-waltungsverfahren, die Klimaanpassung zum Gegenstand haben, wichtig, da bei diesen Akteuren oftmals wertvol-les regionales Erfahrungswissen und spezifische fachli-che Kenntnisse vorliegen. 18 Gibt man diesen Akteuren die Möglichkeit zur Beteiligung, kann eine Vernetzung der unterschiedlichen Wissensbestände und Interessenlagen stattfinden. Das Wissen der Akteure liegt oftmals perso-nengebunden vor, ist lokal eingebettet und beruht auf „Er-fahrungen, Hintergrundkenntnissen, Kernüberzeugungen und Wirklichkeitsdeutungen“ 19. Diese zum Teil hybriden Wissensbestände können für Klimaanpassungsmaßnahmen genutzt werden. Wissen kann beispielsweise zu vergange-nen Schadensereignissen und den daraus resultierenden Ge-genmaßnahmen vorliegen. Auch Wissen, das Aussagen über Vulnerabilitäten bezüglich ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Systeme zulässt, kann als lokales Wissen vor-liegen. Dies sind beispielsweise Wahrnehmungen zu Hitze- und Trockenperioden, Bodenerosion oder Hoch- und Nied-rigwasser. Da sich Auswirkungen des Klimawandels auf der lokalen und regionalen Ebene vollziehen, ist lokales Wissen und das Zusammentragen des „Wissens von Vielen“ beim Thema Klimaanpassung von zentraler Bedeutung. 20

Zweitens ist die Beschäftigung mit Fragen – was bedeutet der Klimawandel für unsere Lebensgrundlagen vor Ort und wie ist dem zu begegnen – für Verwaltung wie Bürger ein neues Thema. Es müssen Entscheidungen darüber getroffen werden, wie man auf die Spanne der möglichen Klimawan-delfolgen reagieren will. Es stellen sich hierbei die Fragen, was die Bürger und der Staat bereit sind, in Kauf zu neh-men, welche und in welchem Maße vorsorgende Maßnah-men ergriffen und welche Alternativhandlungen offen gehal-ten werden sollen. Um sich der Beantwortung dieser Fragen anzunähern, bedarf es einer offenen kommunikativen Vor-bereitung von Verwaltungsentscheidungen, die diese Fra-gen zum Gegenstand haben. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung kann den Rahmen für diesen kommunikativen Interaktions-prozess zwischen Staat und Bürgern bilden und die Legiti-mation von weitreichenden Entscheidungen stärken. 21

Drittens bedarf es einer Abschätzung und Austarierung der Interessenlagen, die durch Klimaanpassungsmaßnah-men oder Maßnahmen, die Auswirkungen auf klimasen-sible Bereiche haben, berührt werden. Durch partizipative Elemente können die bei Anpassungsmaßnahmen auftre-tenden Ziel- oder Interessenskonflikte entschärft und die Akzeptanz der Einzelmaßnahmen erhöht werden. Die an-gesprochene Wissensfunktion bietet auch ein breites Funda-ment dafür, geeignete Lösungsstrategien zur Reduzierung von Konflikten bei der Umsetzung von Klimaanpassungs-maßnahmen zu entwickeln. Verwaltungsentscheidungen, die eine große Bedeutung für die zukünftige Verwund-barkeit oder Widerstandsfähigkeit für den Lebensraum der Bürger haben, bedeuten auch eine gewisse „Schicksals-haftigkeit“ 22 der Entscheidung. So kann die Entscheidung im Bebauungsplan zur Ausweisung eines Gewerbegebietes nicht nur eine Wirtschaftlichkeitsentscheidung sein, son-

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15) Beispielsweise § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG, „Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG „nach Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge ge-gen Schäden“.

16) Roßnagel (Fn. 1), S. 600.17) Greiving/Fleischhauer, RaumPlanung 2008, 61.18) So auch Frommer, Regionale Anpassungsstrategien an den Klima-

wandel – Akteure und Prozesse, Darmstadt 2010, S. 67.19) Strassheim/Oppen, Lernen in Städtenetzwerken, Berlin 2006,

S. 28.20) Siehe Riechel in: Frommer/Buchholz/Böhm, Anpassung an den

Klimawandel regional umsetzen, München 2011, S. 201.21) Siehe Roßnagel (Fn. 3), § 10 Rdnr. 63.22) Begriff wird im Zusammenhang mit dem BImSchG von Roß-

nagel (Fn. 3), § 10 Rdnr. 67 benützt.

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dern auch eine Entscheidung darüber, ob eine in dem frag-lichen Gebiet verlaufende Frischluftschneise ihre Funktion in Zeiten der Temperaturerhöhung noch ausüben kann. 23 In städtischen Gebieten werden im Zuge des Klimawandels bis 2030 immer länger dauernde Hitzeperioden und häu-figere austauschärmere Wetterlagen erwartet. 24 Dies hätte besonders in Kessellagen zur Folge, dass Stickoxide und Feinstäube die Gesundheit der Bewohner mehr als heute belasten werden. Dies bedeutet, dass aufgrund des Klima-wandels die Entscheidung für oder gegen die Ausweisung eines Gewerbegebiets eine neue Dimension bekommt. Es bedarf eines auch durch die Öffentlichkeitsbeteiligung zu erarbeitenden Konsens im Spannungsfeld zwischen Klima-anpassungsaspekten und ökonomischen Belangen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft in die Entscheidungs-vorbereitung der Verwaltung für Klimaanpassungsbelange von enormer Bedeutung ist. Sie dient dazu, die relativ neue Querschnittsmaterie Klimaanpassung sichtbar zu machen, lokales Akteurswissen einzubringen und die Akzeptanz und Legitimität der Entscheidung zu erhöhen.

IV. Rechtliche Ausgestaltung der Öffentlichkeitsbeteiligung

Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist im nationalen Recht im Rahmen von bestimmten Genehmigungsverfahren, Planaufstellungen, Planfeststellungsverfahren und UVP-pflichtigen Vorhaben vorgeschrieben. Von der Umwelt-verwaltung verlangen diese partizipativen Elemente, die entsprechenden Verwaltungsverfahren in einer Weise zu organisieren, die private Dritte angemessen einbezieht. Die Verwaltung muss die aus der Beteiligung gewonnenen Erkenntnisse sachgerecht in die Genehmigungsentschei-dungen und Pläne einfließen lassen. Die Beteiligung be-gründet für Dritte Ansprüche auf Teilnahme an den ein-schlägigen Verfahren, gewährt diesen jedoch keine Rechte, aktiv auf den Inhalt der Entscheidung einzuwirken. Die Entscheidungsbefugnis verbleibt uneingeschränkt bei der Verwaltung. 25

Der Verwirklichungsmodus für die Öffentlichkeitsbetei-ligung ist die Festlegung und Ausgestaltung von formellen Verfahren. Instrumente für diese prozedurale Legitimation finden sich in Gesetzen in Form von Anhörungs- und In-formationsrechten wieder. Diese Rechte können aus Bür-gersicht als kapazitätsbildende Rechte kategorisiert werden. Sie verschaffen dem Bürger Zugang zu Umweltinformatio-nen und ermöglichen es ihm, sich an Entscheidungen über Einzelvorhaben, Planerstellung oder über Programme und Strategien kommunikativ zu beteiligen. 26

Die Öffentlichkeitsbeteiligung wird bei Genehmigungs-verfahren und zur Planfeststellung im deutschen Recht größtenteils dergestalt gehandhabt, dass das Vorhaben öf-fentlich bekannt gemacht wird, wenn alle Antragsunter-lagen vorhanden sind. 27 Für die Beteiligten bedeutet dies, dass zwischen Behörde und Vorhabenträger oftmals eine intensive Verhandlung über die für eine Genehmigung er-forderlichen Unterlagen und die Genehmigungsvorausset-zungen bereits stattgefunden hat. 28 Nach der öffentlichen Bekanntgabe werden die Unterlagen für eine bestimmte Dauer zur Ansicht ausgelegt und Einwendungen können ab diesem Zeitpunkt für eine bestimmte Dauer erhoben werden. Hieran kann sich fakultativ ein Erörterungster-min anschließen. 29 Im Zuge der Bestrebungen, Verfah-ren zu beschleunigen wurde in den meisten Fachgesetzen der Erörterungstermin in das Ermessen der Behörde ge-stellt. 30 Unterschiede gibt es in den einzelnen Fachgeset-zen im Ausmaß der Beteiligung je nach Größe oder Art des Vorhabens.

Im Unterschied zur Auslegung der fertigen Genehmi-gungsunterlagen geben die Aarhus-Konvention und die Beteiligungsrichtlinie der EU 31 vor, dass eine frühzeitige

Öffentlichkeitsbeteiligung, zu einem Zeitpunkt, zu dem alle Optionen noch offen sind und eine effektive Beteili-gung stattfinden kann, zu ermöglichen ist. Sinn und Zweck dieser Regelung liegt darin, die Bürger dann zu beteiligen, wenn noch die Möglichkeit besteht, auf die Ausgestaltung Einfluss zu nehmen und alternative Entscheidungen noch gangbar sind. Den Begriff der frühzeitigen Bürgerbetei-ligung findet man im deutschen Recht nur in § 3 Abs. 1 BauGB wieder. Die Öffentlichkeitsbeteiligung findet im Unterschied zu Planfeststellungsverfahren und immissions-schutzrechtlichen Genehmigungen zu einem deutlich frü-heren Zeitpunkt statt. Nach § 3 Abs. 1 BauGB sollen nicht schon die fertigen Bebauungspläne ausgelegt werden, son-dern die Bürger sollen vor der Planerstellung über die all-gemeinen Ziele und Zwecke der Planung sowie verschiede-nen Lösungsansätze informiert werden und sie in die Lage versetzen, dazu Stellung nehmen zu können. Bei einem Be-teiligungsverfahren zu einem späteren Zeitpunkt besteht die Befürchtung, dass sich die Behörde auf eine Alterna-tive festgelegt oder eine gewisse Tendenz entwickelt hat. Sie wird versucht sein, ihre Präferenz, in die sie auch Ar-beit investiert hat, zu rechtfertigen. 32 Das angeführte Ar-gument ist nicht nur für Bauleitpläne eingehend, sondern wäre ebenso auf die Planfeststellung und Genehmigungs-verfahren anzuwenden. In den relevanten Gesetzen findet sich eine solche frühzeitige Beteiligung jedoch nicht wie-der. Lediglich bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ist in § 5 UVPG eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung vor-gesehen.

Eine frühzeitige Beteiligung ist nicht nur im Zuge der Umsetzung der Aarhus-Konvention zum Diskussionsge-genstand in Deutschland geworden. Die Debatte wurde insbesondere durch die Bürgerproteste gegen Stuttgart 21 neu belebt. So hat die damalige CDU/FDP-Regierung in Baden-Württemberg ein 7-Punkte-Programm zu Schluss-folgerungen aus Stuttgart 21 erstellt. Hieraus ging unter anderem eine Vorlage an den Bundesrat zur Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben hervor. 33 Die jetzige Landesregierung von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD hat das Thema frühzeitige Öffentlichkeitsbeteili-gung in ihrem Koalitionsvertrag verankert und zu einem zentralen Thema ihrer Politik gemacht. 34 So wurde erstmals

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23) Exemplarisch siehe die Ausweisung eines Industriegebiets in Kassel in einer der wenigen verbleibenden Frischluftschneisen: http://www.stadt-kassel.de/miniwebs/langesfeld/ 14828/index. html.

24) So die Klimafunktionskarte für die Stadt Kassel, abrufbar un-ter http://www.uni-kassel.de/hrz/db4/extern/umet/cms/KFK_ZRK_2009.html.

25) Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltverwaltungen unter Reformdruck, Berlin 2007, S. 42.

26) Vgl. zu kapazitätsbildenden Instrumenten im Umweltrecht, Lübbe-Wolf, NVwZ 2001, 481, 493.

27) Siehe § 10 Abs. 3 BImSchG, § 73 VwVfG Abs. 3, § 9 UVPG, § 10 Abs. 1 ROG.

28) Fisahn, ZUR 2004, 136, 138.29) Beispielhaft siehe § 10 Abs. 6 BImSchG. Diese Regelung geht auf

das Gesetz zum Bürokratieabbau, BT-Drs. 15/4646 zurück.30) Der Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung und Beschleu-

nigung von Planfeststellungsverfahren beabsichtigt, ein für alle Planfeststellungsverfahren fakultativen Erörterungstermin ein-zuführen.

31) Richtlinie (EG) 2003/35 des Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Pro-gramme, Abl. EG L 156.

32) Siehe Fisahn (Fn. 28), S. 139.33) Antrag von BW: Entschließung des Bundesrates – Stärkung der

Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben, BR-Drs. 135/11.34) Bündnis90/Die Grünen/SPD, Der Wechsel beginnt, Koalitions-

vertrag zwischenBündnis90/Die Grünen und der SPD Baden-Württemberg, 2011–2016, Stuttgart 2011, S. 60 ff.

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überhaupt ein Staatsratsposten und Kabinettsausschuss für „Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung“ geschaffen. 35

Eine „moderne“ Ausformung von Öffentlichkeitsbetei-ligung findet sich in der Wasserrahmenrichtlinie wieder. In der Wasserrahmenrichtlinie wird durch Art. 14 WRRL eine „aktive Beteiligung der Öffentlichkeit“ durch Infor-mation, Konsultation und Einbeziehung in das Planverfah-ren gefordert. Diese Forderung geht über eine bloße mittel-bare Mitwirkung hinaus. Um die Beteiligung einer breiten Öffentlichkeit sicherzustellen, sind die Mitgliedsstaaten auf-gefordert, über geplante Maßnahmen in geeigneter Weise zu informieren und über deren Fortschreiten zu berichten, damit sich die Öffentlichkeit einbringen kann, bevor end-gültige Entscheidungen über Maßnahmen getroffen wor-den sind. Mit Art. 14 WRRL wird der Öffentlichkeit in-folge von europäischen Vorgaben erstmals in der deutschen Verwaltungspraxis die Möglichkeit gegeben, bereits in der Phase der wasserrechtlichen Planung und Konzeptionali-sierung oder sogar in einem noch früheren Stadium der Datenbeschaffung ihre Vorstellungen, Belange und Wissen einzubringen. 36 Wasserrechtliche Planungsentscheidungen sollen nicht von oben herab in einem Top-Down-Prinzip erlassen werden, sondern unter Einbeziehung der Zivilge-sellschaft in das Verfahren getroffen werden. 37 Die Öffent-lichkeitsbeteiligung ist als kontinuierlicher Begleitprozess gedacht, der auch dann durchzuführen ist, wenn die Pläne aktualisiert werden. Die nach Unionsvorgaben geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung hat einen anderen Charakter, als die im deutschen Recht verankerte „klassische Öffentlich-keitsbeteiligung“, die nur zu bereits ausgearbeiteten Vor-schlägen Stellung nehmen kann.

Jedoch ist die Umsetzung des Art. 14 WRRL durch den Bund in §§ 79 und 85 WHG weitestgehend unbestimmt gehalten und die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und der Hochwasserrichtlinie wurden ohne weitergehende Spezifizierung in Bundesrecht überführt. Es ist den Län-dern überlassen durch gesetzliche Bestimmungen die §§ 79, 85 WHG weiter zu konkretisieren. In den Landeswasserge-setzen finden sich jedoch keine Regelungen, die die Bun-desnormen konkretisieren. Der Gestaltungsspielraum für die Öffentlichkeitsbeteiligung verbleibt somit bei der Exe-kutive. Die Verwaltung hat die aktive Beteiligung durch Beiräte, Arbeitskreise, Foren und Steuerungsgruppen um-gesetzt. Die Zusammensetzung der Kreise hat jedoch auf-grund ihrer verwaltungs- und wirtschaftsnahen Zusam-mensetzung harsche Kritik hervorgerufen. 38

V. Schwächen der Öffentlichkeitsbeteiligung

Obwohl es eine quantitativ umfangreiche Öffentlichkeits-beteiligung gibt, kann diese ihre zugedachten Funktionen nur teilweise oder unzureichend erfüllen.

Von der Verwaltung werden politische Entscheidun-gen getroffen, die nur nachträglich durch eine gerichtliche Kontrolle überprüft werden können. Der politischen Ent-scheidung der Verwaltung, die durch unbestimmte Rechts-begriffe in den Gesetzen erforderlich wird, fehlt es an einer inhaltlichen demokratischen Steuerung als auch an einer demokratischen Kontrolle. 39 Von der Verwaltung werden Gemeinwohlbelange definiert und durchsetzende Inte-ressen bestimmt. Der Umstand, dass die Verwaltung formal an eine inhaltlich unbestimmte Regelung gebunden bleibt, und dass Ministerien als parlamentarisch verantwortliche Instanzen ein Weisungsrecht gegenüber der Verwaltung haben, genügt nicht Entscheidungen – von großer Trag-weite für die Bürger – zu legitimieren. 40 In einer Demokra-tie ist es jedoch zumindest diskutabel, ob ein Gemeinwohl durch Verwaltungshandeln festgesetzt werden kann oder ob es nicht vielmehr unter der Beteiligung der Bürger fest-gestellt werden muss. 41 Die Verfahren zur Öffentlichkeits-beteiligung sollen diese notwendigen demokratischen Ele-mente in das Verfahren implementieren. Wie die folgenden

Kritikpunkte aufzeigen, gelingt es aber oft nicht, die Wer-tehaltung und Interessen der Bevölkerung in das Verfahren zu integrieren und Akzeptanz herzustellen. Diese Schwä-chen werden auch bei Entscheidungen in Bezug auf Klima-anpassung zum Tragen kommen. Gerade hier muss ausge-handelt werden, wie mit der möglichen Eintrittsspanne von Klimawandelfolgen umgegangen werden soll und was eine Gesellschaft bereit ist zu tun, um gesellschaftliche Systeme robuster und somit anpassungsfähiger zu gestalten.

Ein zentraler Kritikpunkt, der eine echte Mitbestim-mung der Bürger verhindert, ist, dass die Beteiligung erst zu einem Zeitpunkt stattfindet, wenn eine konzeptionelle Ausgestaltung des Vorhabens oder des Plans schon vorge-nommen und die Planung durch Vorentscheidungen be-reits verfestigt wurde. 42 Hieraus entsteht ein Dilemma, das dadurch gekennzeichnet ist, dass aus Sicht der Bürger Ent-scheidungen schon vor Einbeziehung der Öffentlichkeit in den Planungs- und Entscheidungsprozess gefällt wurden und aus Sicht der Politiker sich Bürger nur engagieren, um etwas zu verhindern. 43 Diesem Dilemma wird insbesondere dann Vorschub geleistet, wenn ein konkretes Vorhaben zur Entscheidung steht, dessen Bedarf schon festgelegt wurde, da hierüber auf einer höheren Planungsstufe ohne Öffent-lichkeitbeteiligung entschieden wurde. Ähnliches gilt für Anlagenprojekte im Rahmen eines immissionsschutzrecht-lichen Genehmigungsverfahrens. Denn hier entscheidet grundsätzlich der Vorhabenträger über Standort und Aus-gestaltung seines Vorhabens. Eine große Frustration ist aber auch bei begleitenden informellen Verfahren zu beobach-ten, wenn deren Beschlüsse anschließend keinerlei Gewicht im Verfahren beigemessen wird. 44

Ein weiterer Kritikpunkt bei Praktikern und in der Lite-ratur ist der Erörterungstermin. Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem normativen Anspruch einer diskursiven, di-alogförmigen Auseinandersetzung über die Bedenken ge-genüber dem Vorhaben und eventuelle Anregungen zur veränderten Vorhabenkonzeption und dem in der Realität zu beobachtendem Ablauf solcher Termine. Von Seiten der Vorhabenträger werden die langen Verfahrensdiskussionen, Befangenheitsanträge und „Störversuche“ als Hindernis für eine konstruktiv sachgerechte Verfahrensabwicklung und – auch aus zeitlicher Sicht – angemessenen Abarbeitung von Einwendungen kritisiert. Von Seiten der beteiligten Öf-fentlichkeit wird der Termin oft nicht als unvoreingenom-mene Diskussion über Vor- und Nachteile eines Vorha-

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35) Ministerpräsident Kretschmann will Baden-Württemberg zum „Leuchtturm der demokratischen Beteiligung“ machen. Pressemit-teilung des Landesportals: http://www.baden- wuerttemberg. de/de/Meldungen/ 256050.html?referer=234408.

36) Guckelberger, NuR 2010, 835, 837.37) Laskowski, ZUR 2010, 171, 180.38) Fisahn, Herrschaft im Wandel, Köln 2008, S. 349 f. spricht in die-

sem Zusammenhang von „Kungelgremien“.39) Roßnagel (Fn. 1), S. 600.40) Walter/Schmitt Glaeser (Fn. 4), S. 157.41) Schumpeter/Seifert/Preiswerk, Kapitalismus, Sozialismus und De-

mokratie, 7. Aufl., Tübingen 1993, S. 397 ff.; Adrian, Demokratie als Partizipation, Meisenheim 1977, S. 52 ff.; Kielmansegg, Volks-souveränität, Stuttgart 1977, S. 207 ff.

42) Fisahn (Fn. 28), S. 138; Hagenah, Prozeduraler Umweltschutz, Baden-Baden 1996, S. 126 f.; Schmittel in: Kernforschungszen-trum Karlsruhe (Hrsg.), Zwischenergebnisse eines gemeinsa-men Forschungsprojektes, Speyer 1988, S. 73; Hoffmann-Riem/Rubbert, Atomrechtlicher Erörterungstermin und Öffentlichkeit, Heidelberg 1984, S. 30 ff.

43) Steinberg, ZUR 2011, 340, 344; Pünder, NuR, 2005, 71, 76 m. w. N.

44) So geschehen beim runden Tisch zum Teilstück 2/2 des Auto-bahnringes BAB 281 in Bremen. Die dort über mehrere Mo-nate ausgearbeitete Vorzugslösung wurde im weiteren Planfest-stellungsverfahren nicht erkennbar berücksichtigt. Genaueres bei Schütte, ZUR 2011, 169, 170.

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bens erlebt. Vielmehr wird er als mehr oder weniger lästige Pflicht von Vorhabenträger und Behörde zur Abarbeitung von Einwänden gegen ein Projekt wahrgenommen, das zwischen Behörde und Vorhabenträger längst abgestimmt ist und nun unbeschadet durch die Öffentlichkeitsbetei-ligung kommen soll. 45 Es ist daher nicht auszuschließen, dass der Erörterungstermin eine Verhärtung der Fronten zwischen den Befürwortern und den Gegnern eines Vor-habens hervorruft. 46 Eine Verbesserung der Beteiligung in diesem Verfahrensschritt könnte durch eine Strukturverän-derung und eine andere konzeptionelle Ausgestaltung er-reicht werden. 47

VI. Ansatzpunkte für eine verbesserte Öffentlichkeitsbeteiligung

Die dargestellten Schwächen der Öffentlichkeitsbeteili-gung können abgebaut werden indem die Information der Öffentlichkeit verbessert, die Beteiligung zu einem frü-hen Zeitpunkt ermöglicht und der Erörterungstermin eine Umstrukturierung erfährt.

1. Information der Öffentlichkeit

Eine verbesserte Informationsbasis der Öffentlichkeit könnte dazu geeignet sein, Konflikte frühzeitig zu erkennen und ein transparentes Verfahren von Anfang an zu gewährleis-ten. Eine solche Verfahrensgestaltung kann im besten Fall dazu dienen, dem Vorhabenträger eine Planungssicherheit zu geben und Widerstände gegen ein Projekt aufzufan-gen. Investieren Verwaltung und Vorhabenträger tatkräf-tig in diesen Verfahrensschritt, können Zeitverluste und Gerichtsverfahren vermieden werden. 48 Für eine breite Informationsbasis von Anfang an bräuchte es gesetzgebe-rische Impulse. Ein entsprechender Ansatz könnte durch das geplante Gesetz des Bundes über E-Government ver-wirklicht werden. In der nationalen E-Governmentstrate-gie heißt es:

„Informations- und Kommunikationstechnologien bieten eine zusätzliche Möglichkeit zur Teilnahme von Bürgern und Un-ternehmen an der politischen Meinungsbildung und bei der Gestaltung von Planungs- und Entscheidungsprozessen und, soweit dies rechtlich möglich und sinnvoll ist, an politischen Entscheidungen sowie der Ausgestaltung und Durchführung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken. Bund, Länder und Kom-munen bieten abgestimmte technische Möglichkeiten für mehr Partizipation an.“ 49

Der IT-Planungsrat konkretisiert dieses Ziel indem er transparentes Regierungs- und Verwaltungshandeln zu ei-nem Schwerpunktthema für die Jahre 2011–2015 erhebt. Mit geeigneten Maßnahmen der Informationstechnik und des E-Government sollen diese gefördert werden. Allen Fachbereichen sollen hierfür Basisdienste für Formen der Partizipation angeboten werden. 50 Im Zuge einer Verbes-serung der Informationsbereitstellung und -beteiligung der Öffentlichkeit ist es sicherlich sinnvoll auch neue Kommu-nikationswege zu erschließen. Die Auslegung von Unter-lagen die nur durch physische Anwesenheit und zu festge-legten Zeiten in einer Behörde eingesehen werden können, entspricht nicht mehr den gängigen Informationsbeschaf-fungskanälen der heutigen Zeit. Neben einer zeitgemä-ßen Ausgestaltung der Informationsmöglichkeit hätte eine elektronisch internetbasierte oder sogar multimediale Auf-bereitung der Informationen weitere Vorteile.

Informationen können zu einem frühzeitigen Zeitpunkt von allen Beteiligten zusammengetragen und sichtbar ge-macht werden. Ähnlich wie in § 3 BauGB könnte in wei-teren Verfahren eine Beteiligung etabliert werden, die zwar verbindlich festlegt, dass sie stattfinden muss, aber genügend Spielraum lässt, um neue Verfahren zu erpro-

ben und diese auch mit den Bedürfnissen eines speziellen Verfahrens oder des Teilnehmerkreises abgestimmt wer-den können. 51

Im Bereich Klimaanpassung könnten computerpro-grammierte Simulationen, Risikokartierungen sowie re-levantes kartographisches Material zu einem besseren Ver-stehen der Klimawirkungen auf Planungsvorhaben oder Genehmigungsentscheidungen verhelfen. Zusätzlich hätte dies den Vorteil, dass realitätsnahe, dynamische und vari-antenreiche Modelle des Planungsvorhabens oder der Ge-nehmigungsentscheidung bei frühzeitigem vorliegen ei-nen Diskussionsprozess befördern können. 52 Zu empfehlen wäre, wenn die nicht nur in Papierform sondern elektro-nisch und multimedial vorliegenden Informationen im In-ternet dauerhaft zur Ansicht stehen würden. Zum einen entspräche dies im Internetzeitalter den gängigen Kommu-nikationsformen und -wegen. Zum anderen könnte durch eine frühzeitige und dauerhafte Informationsbereitstel-lung aktualisiertes Wissen einfließen. Durch das kontinu-ierliche Arbeiten an den Wissensbeständen wäre ein ver-zahnter Prozessen zwischen Behörde, Antragssteller und Beteiligten möglich. Mit Nutzung der Internetkommuni-kationsmöglichkeiten könnte dieser Prozess parallel und fortlaufen stattfinden und bestenfalls zu einem gemeinsa-men Ergebnis führen. 53

2. Frühzeitige Beteiligung

Eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit sollte mit einer frühzeitigen Beteiligung ineinandergreifen und ver-bunden werden. Durch eine Beteiligung im frühzeitigen Stadium der Planung kann erreicht werden, dass die Kon-senssuche sehr viel früher beginnt und nicht erst, wenn Er-gebnisse vorliegen und die Fronten dadurch klar gezogen sind. Eine frühzeitige Beteiligung zu einem Zeitpunkt zu dem Handlungsspielräume noch offen sind, ist bei Belan-gen die die Anpassung an die Folgen des Klimawandels be-treffen zentral. Aufgrund der großen Spanne, welche Kli-mawandelfolgen in welcher Intensität, an welchem Ort und zu welcher Zeit eintreffen können, werden in der Klima-anpassungsdiskussion No-Regret-Maßnahmen – Maßnah-men, die man nicht bedauern muss, auch wenn die Aus-wirkungen nicht voll eintreffen – als sinnvoll angesehen. Die No-Regret-Maßnahmen sollten flexibel, modifizier-bar oder reversibel ausgestaltet sein. 54 Will man diese As-pekte in der Öffentlichkeitsbeteiligung mit einbeziehen, kann dies nur sinnvoll gelingen, wenn eine frühzeitige Be-teiligung stattfindet und der Spielraum für solche Maßnah-men noch besteht. Eine Vorfestlegung würde die Verwirk-lichung von Varianten abschneiden.

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45) Pünder, DV 2005, 1, 2; Schütte (Fn. 44); Würtenberger, (Fn. 10), S. 260; Hoffmann-Riem/Rubbert (Fn. 42) S. 29 ff.; Groß (Fn. 2), S. 512.

46) Sachverständigenrat für Umweltfragen (Fn. 25), S. 162; die Befrie-dungsfunktion wird sogar gänzlich verneint bei Gaentzsch in: Dolde/Hansmann/Schmidt-Aßmann, Verfassung-Umwelt-Wirt-schaft, München 2010, S. 219 ff; Versteyl, I+E 2011, 89, 90.

47) Sachverständigenrat für Umweltfragen (Fn. 25), S. 162.48) Schütte (Fn. 44), S. 170.49) IT-Planungsrat, Nationale E-Government-Strategie, Ziel 12

und 13, Berlin 2010, S. 13.50) Memorandum IT-Planungsrat, abrufbar unter: http://www.it-

planungsrat.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/ 2011/Me-morandum%20des%20IT-Planungsrats.html?nn=1299634.

51) Beispiele für E-Partizipation als Form der frühen Öffentlich-keitsbeteiligung Berghäuser/Berghäuser, NVwZ 2009, 766, 769.

52) Roßnagel/Schroeder: Multimedia in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, München 1999, S. 242 f.

53) Roßnagel/Schroeder, (Fn. 52), S. 240 f.54) Stellvertretend für viele Bundesregierung, Aktionsplan Anpassung

der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, Berlin 2011, S. 13.

Page 7: Die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels

Die Behörde ist nur nach § 3 BauGB und § 5 UVPG zu einer frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtet, aber eine Verwaltung wären nicht die Hände gebunden, würde sie eine frühzeitige Beteiligung durchführen wol-len. Sie könnte die Beteiligung initiieren. Jedoch wäre es, wie bei der frühzeitigen Information der Öffentlichkeit, sinnvoll, eine gesetzliche Verpflichtung zu verankern, die der Verwaltung eine frühzeitige Beteiligung der Öffent-lichkeit vorgibt, ihr aber genug Spielraum belässt diese sel-ber auszugestalten und so die Möglichkeit gibt innovative Beteiligungsformen zu erproben.

3. Erörterungstermin

Trotz der Kritik am Erörterungstermin bedarf es seiner Beibehaltung, damit EinwenderInnen entscheidungserheb-liche Sachverhalte und oder rechtliche Argumente vorbrin-gen können. Jedoch bedarf der Ablauf einer Korrektur. Ziel sollte sein, den Erörterungstermin zu optimieren und vor-handene Gestaltungsspielräume zu nutzen, um einen sach-orientierten Dialog zwischen Öffentlichkeit und Vorha-benträger führen zu können.

Eine strukturelle Änderung der Durchführung könnte darin liegen, dass eine klarere Zuweisung und Trennung von Rollen im Genehmigungsverfahren besteht. Um eine Interessenskollisionen der Behörde zu vermeiden, die in Behördenunion Planungs- oder Genehmigungsbehörde und ebenso Verantwortliche für die Ausgestaltung und Abwicklung der Öffentlichkeitsbeteiligung ist, könnte der Einsatz eines unabhängigen Verfahrensmittler für eine sachgerechte und dialogförmige Beteiligung sorgen. 55 In der Praxis zeigt die Erfahrung mit diesem Instrument, dass die Genehmigungsbehörde ihre Neutralität und Glaub-würdigkeit aus der Sicht der EinwenderInnen eher wahren kann, wenn sie sich nicht gleichzeitig mit den Einwendun-gen beziehungsweise der Form ihres Vorbringens ausein-andersetzen muss. 56 Die Möglichkeit einen externen Drit-ten zur Durchführung des Erörterungstermins zu berufen,

wurde stellenweise schon in Gesetze aufgenommen. 57 So-weit vorhanden gilt es diese Option zu nutzen und in an-dere Verfahrensvorschriften diese Möglichkeit ebenfalls aufzunehmen.

VII. Fazit

Die Aufarbeitung der Öffentlichkeitsbeteiligung hat ge-zeigt, dass unter dem Gesichtspunkt der Anpassung an den Klimawandel und den oft von Bürgern kritisch begleiten-den Planungs- und Infrastrukturprojekten eine Stärkung demokratischer Elemente notwendig ist, um die Funktio-nen der Öffentlichkeitsbeteiligung verwirklichen zu kön-nen. Bei Vorhaben und Plänen, die Elemente zur Anpas-sung an die Folgen des Klimawandels beinhalten, muss dem Bürger die Gelegenheit gegeben werden, an den Vorhaben zu partizipieren und sein Wissen und Belange einbringen zu können. Zum einen kann Wissen über die örtlichen Ge-gebenheiten, welches gerade bei Klimaanpassung mit einer lokalen Handlungsebene von Bedeutung ist, in den Pro-zess einfließen, zum anderen muss gerade bei der Kom-plexität und Vielschichtigkeit des Themas Klimaanpassung darauf geachtet werden, dass die Öffentlichkeit die Anpas-sungsmaßnahmen und Strategien nachvollziehen kann und sie akzeptiert. Auch hierfür ist die Öffentlichkeitsbeteili-gung ein zentrales Instrument, um Transparenz und Ak-zeptanz herzustellen. Die Vorschläge für eine verbesserte Ausführung der Öffentlichkeitsbeteiligung haben gezeigt, dass die Beteiligungsformen auf die Verfahren abzustim-men sind und sie zum richtigen Zeitpunkt durchgeführt werden. Hervorzuheben ist eine innovative und frühzeitige Informationsbereitstellung. Die Möglichkeiten der E-Par-tizipation sind weiter zu verfolgen.

Kommt es zu Planungen und Genehmigungsverfahren mit Aus-landsbezug, stellt sich schnell die Frage, ob und wie ausländische Belange Berücksichtigung in den nationalen Verwaltungsverfahren finden. Rechtsprechung und Literatur nehmen sich in Deutschland zunehmend dieser Thematik an, so dass wesentliche Grundlinien hierzu bereits herausgearbeitet werden konnten. Weitestgehend unberücksichtigt geblieben ist in diesem Zusammenhang jedoch die Rolle nationaler Behörden, wenn es – unter umgekehrten Vorzei-

Prof. Dr. Martin Kment, LL.M. (Cambridge), Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Europarecht, Recht der erneuerbaren Energie sowie Umwelt- und Planungsrecht an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden, Deutschland

chen – um Planungen und Vorhabenverwirklichungen im Ausland geht und sich in Deutschland ansässige Betroffene an ausländi-schen Verwaltungsverfahren beteiligen möchten. Auch das gesetz-liche Regelwerk schweigt sich hierzu aus. Einzig § 9 b UVPG lie-fert Handlungsanweisungen, wie aus deutscher Sicht die Kooperation mit den Grenznachbarn gepflegt und – im Rahmen des Möglichen – den Interessen deutscher Betroffener effektiv zur Durchsetzung verholfen werden kann. § 9 b UVPG soll nachfol-gend vorgestellt werden.

I. Kontext der Vorschrift

Die Verwirklichung größerer umweltrelevanter Vorha-ben in unmittelbarer Nähe von Staatsgrenzen trägt häu-fig ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial in sich.

Grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung bei ausländischen Vorhaben und Planungen – eine Analyse des § 9 b UVPGMartin Kment

© Springer-Verlag 2012

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55) Barth/Ziehm/Zschiesche, ZUR 2007, 295, 297.56) Versteyl, (Fn. 46), S. 93.57) § 4 b BauGB, § 2 Abs. 2 Nr. 5 9. BImSchV.