6
ANNALEN DER PHYSiK. JAHRGAKG 1812, DRITTES STijCK.. 1. Bhufaiire, die Jliichti,$Ze aller FdiiflLgkeicen, unil YerdunJirLitg~kiiIte. wcZcke /;e crregt; yon ti A Y - L u s s A c , Mitgl. d. Inn. (Vorgelefen im Inltit. am 4. Pebr. 1811.) Seit tler Eotdeckung der Blaufiure durcli Scheele, und reit den Arbeiten BerthoIlet’s und C I o u et’s iib’cr fie, haben wir nichts von Be- lang iiber die Natrir diefer S u r e erhalten. Zwar ifi lie nicht blos zerl‘etzt, fondern auch rfurch Uebcr- treiben von Ammoniakgas iiLer gliihende Kohlen wieder zufamrnengefetzt worden; bis jetzt hatte man fie aber ooch nicht vallig rein dargeflellt , uod es war unbekannt, in welchem Zultande fie Ech dann bcfiodrt. Ich habe mich bentiiht , diefes aus- zurnitteln, uod werde hier den Beweis fihren , dafs die Blaufiure kcine permanent - elallifche Fliilligkeit if€, wohl aber im tropfbaren ZuItande fellfi den And. d.Phyfik. B. 40. SL 5. J. 1812. St. 3. Q

Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

ANNALEN DER PHYSiK.

J A H R G A K G 1812, D R I T T E S STijCK..

1. Bhufaiire, die Jliichti,$Ze aller FdiiflLgkeicen,

unil YerdunJirLitg~kiiIte. wcZcke /;e crregt;

y o n

ti A Y - L u s s A c , Mitgl. d. Inn.

(Vorgelefen im Inltit. am 4. Pebr. 1811. )

S e i t tler Eotdeckung der Blaufiure durcli S c h e e l e , und reit den Arbeiten B e r t h o I l e t ’ s und C I o u et’s iib’cr fie, haben wir nichts von Be- lang iiber die Natrir diefer S u r e erhalten. Zwar ifi lie nicht blos zerl‘etzt, fondern auch rfurch Uebcr- treiben von Ammoniakgas iiLer gliihende Kohlen wieder zufamrnengefetzt worden; bis jetzt hatte man fie aber ooch nicht vallig rein dargeflellt , uod es war unbekannt, in welchem Zultande fie Ech dann bcfiodrt. Ich habe mich bentiiht , diefes aus-

zurnitteln, uod werde hier den Beweis fihren , dafs die Blaufiure kcine permanent - elall ifche Fliilligkeit if€, wohl aber im tropfbaren ZuItande fellfi den

A n d . d.Phyfik. B. 40. SL 5. J. 1812. St. 3. Q

Page 2: Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

[ 230 1 Schwefel- Aether an Fliichtigkeit iibertrifft. Sie fiedet namlich [unter dem gewiihnlichen Luftdrucke] fchon bei einer Wirme von 26",5 der Centefimal- fkale ( 2 1 O , 2 R.); und in Temperaturen von 20 bis 260 c. dilatirt Ee die Luft oder die Gasarten, mit denen lie in Beriihrung ill, To bedeutend, daG; fie ihnen ihre Eigenfchaften mittheilt , fo dafs es dann rcheint, man liabc es niit der Blaul'dure ,in einern permanent - elaftifchen Zufiandc zu thun.

Ich wiinfclite zum Behuf andrer Untedudiun- gen zu wiITen, 06 ficli die Blaufiure in dem Zu- fiande eines Gas erhalten IaCst, und verfuchte zu dem Ende blaufaures Queckfilber durch SalzGure zu zerfetzen, wie das Hrer Prourt gelehrt hat. Nachdem die Luft der Gefifse ubergegangcn war, vcrbreitete Ech ein heftiger Geruch nach BlauTaure, und nun ling ich das Gas, welches fich enthand, in Glocken iiber Quecklilber au€. Ich erhielt auf diele Art mehrere Glocken voll einer brennbaren und nark riechenden elaftikhen FIiilIigkeit, welche Blau- raure in Gasgellalt zu feyn fchien. Beim Fortgaage der Operation bemerkte icii aber, dafs Tropfen ei- ner FliilIigkeit eigner Art durch das Queckfilber in den Glocken anfchwammen, und, Tobald lie die Obertlache des Quecklilbers erreicht hatten, den Gaszufiand annahmen, und das Quecklilber bedeu- tend Enken machten. Die Temperatur war damals 20° C. Am andern Tage, als dieTemper. nur c 2 O C. war, hatte Iich das Gasvolumen fehr vermindert, und es erfchien tropfbare Fliiffigkeit felbTt in Glocken,

Page 3: Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

i n dtnen fie zuvor nicht ~f:wc~Ibn war. Diefa tiers mich niclit mehr daran ziveiftaln, c l a h die BlauTaure eirie fe t r Hiichtige tropf'bare Fliifiigkcit iit , und es gliickte mir endlich, fie a h Llchc wirklicli ZLI erhal- t en , nach manchen ftuchtloien Verlhchen , die ich h e r iilergehe; und zw3r aiif folgende V'eife :

Ich that blauraures QueckGlber in eine'l'ubulat- Rctorte, kittete an den Hals derlelben eine se- kriimmteKCihre, deren 15ngererSchenkel in eine klei- ne tubulirte Mittelflal'che Iierahging , weldie Kreide und falzlsuren Kalk enthielt, um Saldaure und Wall'er , die iibergelin wiirclen zuriick zu halten; verland diel'e FlaL'che durch eine gekriimmte RZihre niit eiuer zweiten Mittelflakhe voll falzfauren Kalk,' und diere mit einer dritten Flafche rnit cingeriebnem StGpkl, welche befiirnmt war, die Blauriure in Gch aufzunehrnen. Alle drei Flal'chen ivurden mit ei-' ner FrohiilcIiung aus P Theilen Eis und I Theil Salz unigeben. Als der Apparat eingerichtet war, go& ich fchwach rauchende Salzl'iure.in die Retorte iind gab niiil'sige Wirrne. Das blaulaure Kali Llle fich bald auf und die Flufligkeit fcliien zu kochen. In der That Iiiegen aus ihr Dampfe auf, welche Iich zum Theil aher fchon in dem Halfe der Retorte ver- dichteten und Streifen gleich dern Alkohol bilde- ten. Sobald WalTer uberzugehn anling, nn:erbrach ich die Operation. Zwar lalit [ich auch dann nocli nlnufaure uberdertilliren doch ill es befler , das e r h Product allein zu behalten und dann den Pro- cds FortzuIetzen.

Q O

Page 4: Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

[: 232 1 Gewijhnlich contlenlirt ficli alle Blaurriure in

der erfien Mittelfldche. Ilt kein Vl'alTer iiberge- gangen, fo behilt der falzraure Kalk, der in ihr be- fiqdlich war, die ferte Gefialt. Hat lich dagegen War-

mit eingefunden, 10 erhalt man zwei rehr ver- Ichiedne Fliiffigkeiten iiber einander rtehend ; nBm- lich zu unterfi eine AufliiLng von falzfaurem Kalk in Wafler , und dariiber Blaulaure, wilche in der erlicn Flakhe gemeiniglich etwas farbig errcheint. Will man lie rectiliciren, lo braucht man nur , fo- bald man mit dem Uebertreiben aufliiirt, aus der er- rtep Mittelflafche die Riihre herauszuziehn , welclie lie aiit der Retorte in Verbindung Ihtzt, den Tu- bulus genau zuzupfropl'en, und nachdem man die FrolimifcJJung yon der erllen Flakhe weggenoni- men hat, diere Flafche ein klein wenig, entwe- der in eineni WafT$rbade oder mittelii gliihender Kohlen, doch nicht iiber 30 bis 35" C., zu er- liitzen. Die Blaufiure wird aus ihr in dieSer War- me in die zweite Flafche iibergetrieben. Ut diere Defiillation geendigt, To nimmt nian die erne Flafche weg, Idst die Blaufiure mit deiii l'alzfau- ren Kalk 4er zweiten Flafche einige Stunden lang id Beriihrung, und treibt daun die B l a u h r e mi!- telft wenig Warme hi die dritte Flakhe iiber. Ill diel'es gefchehen, To ill die Rectification ~011- entlet.

Die auf diere Art dargertellte Blaufiure ill eine farbenlofe und klare Fliiffigkeit , wie VC'aTTer. lllr Gel'chmack ill anfangs ti-ifch, wird aber bald

Page 5: Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

fcharf und reizend. Auch wenn man fie mehr- mals iiber Kreide rectificirt hat, rijthet lie noch immer khwach das Lackmuspapier, denen Blau aber wiedererkheint , wenn die SPure allmahlig verfliegt. Uei 7" C. (5",6 H.) ilt ihr lpecit'. Ge- wiclit o ,~o5&3. Sie ill Tehr Hiichtig , denn Ge kocht fchon bei aG,5 der CenteGmal -Skale [unfireitig bei Jem gewiihnlichen Luftdrucke]; bei 10' C. hilt ihr Dampf einer QueckGlberfiiile von 0,38 Meter ( 1 4 par. Zoll) das Gleichgewicht ; und bei 2oo C. Warme verfiinffacht Ge das I'olumen der Luft, oder der Gasarten, mit denen Ge in Beriihrung gefetzt wird *). Will man daher nicht Tehi vie1 von ihr verlieren, To darf man lie nicht i n der Luft aus

einem Gef& in ein anderes giefseri, und diefes macht den Gebrauch des Appa-rats, den ich be- fchricben habe, nothwendig. Man begreift auch hieraus, woher einige Chemiker zu der Rehauptung qekommen find, die Blaufaure laUe Iich in dem Zurtande eines permanent elaftirchen Gas er- haltm.

Blaufaure, die man der Kalte einer Frolt- mirchung aus z Theilen Eis und I Theil Salz aus- Ietzt, kijmmt jeclesmal zum Gefrieren, und nimmt dabei oft eine regelmssige Gelialtung an ; ich habe einigeinal Kryfialle erhalten , welche denen

*) Der reinlte Scbwefel-Aether bar aach Hrn. v o n SP uf- f u r e bei 16' R. Warme drr fpecif. Gsnicht 0 ,717 , und dilrrirt die Luft bei 18' R. urn da8 a,63fache ihrer VoIumr. S. diefa Annal. B.29 S. 118 f. G id, * r 1.

Page 6: Die Blausäure, die flüchtigste aller Flüssigkeiten, und Verdunstungskälte, welche sie erregt

1. 234 ]

c: cs fa lkigen fa Ip c t erm uren A rn nioni:, ks kt i chen . Uei - 15' C. (- 1 ~ ~ 0 E.) lllieben fie fefi, in 1iC;he- re0 Tcmperaturen wiirtlen lie wiedcr f1ufFg.

A ~ , F der grorson ~ ~ i i c ~ i t i g k e i t ' tlieror SHu-re und auf ihrer Eigenfrhart , bei - 15' C. zu gcfrieren, benlht eine f t h r nufiallende Erl'chein~rng. Ein Tropfen H h u G u r e , der an dem Endr: einer Glas- r&re tiangt, oder den man noch befler auf ein Stiickchen PJpit?r bringt , gcfiiert irn Augen- blicke. meres i i t , lo vie1 ich weirs, das einzige Beifpiel feiner Art , dafs eine FliiIligkeit vermiige der durch ihre eigne Verdunhng erregten KaIre gefriert ; denn unter den iibrigen fehr fliichtigen Fliilligkeiten gefriert keine in einer Temperatur, die der des Eispunkts 10 nahe i k

Ich habe (lie- chemifchen Eigenkhaften dcr To hereiteten HlauGure ftudirt , und werde die vor- aehmrten derfelben in' einer befondern Abhand- lung bekannc machen.