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September / Oktober Jahrgang 2012 5 Euro TÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT · NR. 5/2012 Was ist Hiobs Botschaft? Leiderfahrungen DIE BRÜCKE

DIE BRÜCKE - Mennoniten.de | Arbeitsgemeinschaft ... · In dieser Ausgabe beleuchten die Autoren und Auto-rinnen zum einen die biblische Geschichte von Hiob, aber auch darüber hinaus

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TÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT · NR. 5/2012

Was ist Hiobs Botschaft?

Leiderfahrungen

DIE BRÜCKE

Herausgeberin:Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R. (AMG)

Vorsitzender: Frieder BollerBienenberg 86, CH-4410 Liestal Tel.: 0041 (0) 61 9067825 [email protected]

Internet:www.mennoniten.de/bruecke.html

© AMG 2012, Nachdruck nur mit vorheriger Genehmigung der Redaktion

Redaktion: Benji WiebeRugbiegel 10, 76351 Linkenheim-Hochs-tetten, Tel. 07247 / 9342551 -0 Fax -9 [email protected]

BRÜCKE-Team: J. Jakob Fehr, Volker Haury, Anita Hein-Horsch, Heiko Prasse, Wilfried Scheuvens, Oskar Wedel

Korrektorat: Elke Foth, Hamburg

Redaktions- und Anzeigenschluss der nächsten Ausgabe: 8.10.2012Erscheint Anfang November 2012Die Redaktion behält sich vor, Beiträge zu redigieren und gegebenenfalls zu kürzen.

Lyrik-Seite: Oskar WedelNeue Straße 14, 31559 HohnhorstFax: 0 5723 / 8 28 58

Chronik: Irmtraud NeufeldWeichselgasse 10, 32339 [email protected]

Anzeigen: Christoph Wiebe, FreiburgTel.: 0157 - 34 89 15 46 [email protected]

Layout: Benji Wiebe, www.mennox.de

Druck: Art + Image GmbH Dresdener Str. 4 32423 Minden

Vertrieb & Leserservice: Regina Ruge Wollgrasweg 3d, 22417 Hamburg Telefon/Fax 0 40 / 5 20 53 25 [email protected]

Titelbild und Seite 3 : Foto: aboutpixel.de - L. Binder

Abonnement: DIE BRÜCKE erscheint sechs Mal jährlich und kostet im Abonnement € 28,– (För-derabo € 39,–; ermäßigtes Abo € 15,–) einschließlich Versandkosten und 7% Mehrwert steuer. Das Abonnement verlängert sich automatisch um je ein weiteres Kalenderjahr, wenn es nicht bis zum Ende des Jahres gekündigt wird.

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Gegründet 19861974 bis 1985 »Mennonitische Blätter«

und »Gemeinde Unterwegs«bis 1973 »Der Mennonit«

DIE BRÜCKETÄUFERISCH-MENNONITISCHE GEMEINDEZEITSCHRIFT

Nur ausdrücklich als solche gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung von Her-ausgeberin oder Redaktion wieder. Ansonsten sind die AutorInnen der Artikel bzw. die AuftraggeberInnen der Anzeigen für ihre Inhalte verantwortlich.

Thema Umschau

Rubriken

DIE BRÜCKE 6/2012 erscheint Anfang November 2012, mit dem Thema

„Dialog der Religionen“ Redaktionsschluss ist der 08.10.2012

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  DIE BRÜCKE 5 / 2012

inhalt

3 Auf ein Wort Wilfried Scheuvens

4 Das Leben Hiobs Franz Esau

7 Von Gott sprechen im Leid Kurt Kerber

12 Ein Stück des Weges mitgehen Doris Hege

14 Trauerarbeit mit Psalmen Monika Müller

17 Wenn Leid zum Handeln auffordert Christoph Landes

19 Aus dem Vergangenen wachsen neue Blüten Dorsi Hege

20 Wie lange noch? Susanne Isaak-Mans

22 Wenn Leid sprachlos macht Nina Horsch

23 Lyrik 38 Personen 42 Termine 47 Leserecho 48 Friedensfoto

24 Von Winnipeg über Grassy Narrows nach Kenora Ernst Christian Driedger

26 Wieder zurück? Heike Geist

30 Die Rückkehr der Druckplatten Sibylla Hege-Bettac

32 Versöhnungsgottesdienst in Augsburg Sybille Lichti

34 Gemeinsam in Gottes Mission Christoph Landes

44 Gespräche statt Gewalt auf Mindanao Daniel Pantoja

Ein kleines Kind fällt hin und schlägt sich das Knie blutig und fängt an zu weinen. Ehe es sich versieht, ist die Mutter an seiner Seite, „pustet“ den Schmerz weg 

und verpflastert das Knie. Ihre Fürsorge tut auch der Seele gut, so dass die Tränen bald versiegen.

Nicht alle Wunden, die wir im Leben erleiden, sind so leicht zu versorgen, weder die körperlichen noch die seelischen. Wer eine Trennung erlebt, wem der Tod einen geliebten Menschen entreißt, der trägt den Schmerz darum manchmal für den Rest seines Lebens mit sich herum. Wer einen operativen Eingriff über sich ergehen lassen muss, leidet oft Wochen unter den Folgen. Die medizinische Versorgung in unserem Land ist recht gut. Die menschliche Betreuung dagegen lässt manchmal zu wünschen übrig. Schwestern und Pfleger geben ihr Bestes, um Wunden zu versorgen. Ein Gespräch oder ein tröstliches Wort sind in ihrem Zeitplan oft nicht vorgesehen. Dabei wäre gerade das manchmal hilfreich für die Genesung von Körper und Seele.

Wie gut, dass wir einen Gott haben, der sich für Wunden und zerbrochene Herzen zugleich zuständig erklärt. Er heilt zerbrochene Herzen, indem er sich unser Klagen und Weinen anhört und uns sein tröstliches Wort zuspricht.

Wir können uns mit allem, was uns das Leben schwer macht, an Gott wenden. Er gibt das tröstliche und liebevolle Wort, das Körper und Seele neue Kraft gibt.

Die Bibel spricht oft vom Herzen, wenn es um Vorgänge der Seele geht. Für den Hebräer sitzen im Herzen wichtige Gefühle wie Traurigkeit, Angst oder Freude. Das Herz ist auch Sitz des Verstandes und der Vernunft. Was uns Kopfzerbrechen bereitet, bricht dem Hebräer das Herz. Menschen mit zerbrochenen Herzen müssen also nicht allein ihre Gefühle neu ordnen, son-dern auch ihre Gedanken und Entscheidungen. Und für einen solchen tiefgreifenden Zerbruch ist Gott die beste Adresse. Der Beter hat die Erfahrung gemacht: Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind!

Es gibt viele Christen, die Gottes Trost und heilende Kraft erfahren haben und im Rückblick bezeugen, wie Gott in schwe-ren Zeiten da ist. Es gibt ein „Danach“. Mit Gottes Hilfe! Was für ein Trost, der nicht nur vertröstet, sondern Zerbrochenes wieder ganz macht.

Wilfried ScheuvensZweibrücken

Liebe Leserinnen und Leser,

Die Frage nach Gott und dem Leid ist, wenn sie den christlichen Glauben betrifft, eine der schwie-rigsten und auch forderndsten Fragen. Wie passt 

das kindliche Bild vom „lieben Gott“ zu den Hiobs-botschaften, die wir Tag für Tag hören? Jeder Mensch hat seinen eigenen Leiderfahrungen, kennt Trauer und Schmerz, Abschiede und Verlust. Doch gehen wir ganz unterschiedlich damit um.

Die einen klagen Gott an, andere wenden sich vom Glauben ab, und wieder andere suchen und finden gerade in der Not die Nähe Gottes und erfahren Trost. 

Mancher sucht Trost im Hier und Jetzt, andere ver-trauen auf das zukünftige Leben, von dem es in Ofb 21 heißt „Es wird keinen Tod mehr geben, kein Leid und keine Schmerzen, und es werden keine Angstschreie mehr zu hören sein“

In dieser Ausgabe beleuchten die Autoren und Auto-rinnen zum einen die biblische Geschichte von Hiob, aber auch darüber hinaus setzten sich mit der Frage nach dem Leid und dem Umgang damit auseinander.

Ich wünsche  gute  Gedanken, Gesprächsanregungen und Impulse beim Lesen der neuen BRÜCKE

Benji Wiebe

„Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind und verbindet ihre Wunden.“

(Psalm 147,3)

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  DIE BRÜCKE 5 / 2012

editorial | auf ein wort

Von Gott sprechen im Leid

Die Rahmerzählung des alttes-tamentlichen Hiobbuches in Kapitel 1, 1-22 und Kap 2,1-

10 überliefert uns die Geschichte ei-nes untadligen und rechtschaffenen Mannes, der Gott fürchtet und Böses meidet und große materielle Güter besitzt. Er heißt Hiob; er gehört nicht zum jüdischen Volk, sondern stammt aus dem Land Uz, möglicherweise aus Edom. 

Hast du auf meinen Knecht Hiob geachtet?Nach der Schilderung von Hiobs Le-bensumständen wechselt die Szene von der Erde an den himmlischen Hof Gottes, wo Satan mit Gott eine Wette schließt: Jahwe bringt Satan seinen Stolz darüber zum Ausdruck, welch ein treuer Mann Hiob doch sei: „Hast du auf mein Knecht Hiob geachtet? Seinesgleichen gibt es nicht auf der Erde“ (2,3)  und so wiederholt er noch einmal das, was wir bereits aus den Eingangsworten wissen: Untadelig und rechtschaffen ist er, er fürchtet Gott und meidet das Böse. 

An dieser Stelle fordert Satan Gott heraus. Er fragt: Geschieht es ohne Grund, dass Hiob dich fürchtet. Bist du es nicht, der ihn, sein Haus und all das Seine ringsum beschützt. Das 

Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land. Aber streck nur deine Hand gegen ihn aus, und rühr an all das, was sein ist, wahrhaftig, er wird dir ins Gesicht fluchen

Rühr Hiob an und er wird dir ins Gesicht fluchen…Für Satan lässt sich die Gottesfurcht Hiobs nicht verstehen, ohne dass Hiob eine Gegenleistung erwartet und schon bald werden wir sehen und hören, dass dies auch die Haltung der Freunde Hiobs ist. In der Annahme, dass Hiob Lohn für seine Gottesfurcht erwartet, formuliert Satan seine Wette gegen-über Gott: „Rühr Hiob an und er wird dir ins Gesicht fluchen“ (2,5). Mit an-deren Worten: wenn Hiob nichts mehr hat und bekommt, was er sich durch seine Frömmigkeit erhofft, dann wird er von dir ablassen.

Gott aber glaubt daran, dass Hiobs Rechtschaffenheit frei ist von Berech-nung und deshalb nimmt er die Her-ausforderung an.

Merken wir, um was es hier thema-tisch geht? Es geht um die Frage von Gottesfurcht aus der Erwartung von Lohn oder um Gottesfurcht aus Ver-trauen, frei von jeglicher Berechnung, frei von der Erwartung von Lohn. Eine 

Kurt Kerber über das Buch Hiob als Weg zu Befreiung und Heilung.

Frage, die wir ruhig einmal auch uns selbst stellen sollten. Was motiviert uns, was bewegt uns, an Gott zu glau-ben? 

Gott nimmt die Herausforderung Satans deshalb an, weil er Hiob ver-traut. „Der Herr sprach zu Satan: Gut, all sein Besitz ist in deiner Hand, nur gegen ihn streck deine Hand nicht aus.“ An dieser Stelle wechselt die Sze-ne wieder. Wir sind wieder auf der Erde. Hiob erhält die Nachricht vom Tod seiner Söhne und Töchter und vom Verlust seiner Güter (1, 13-20). Trotz seiner plötzlichen Einsamkeit und Armut sündigt Hiob nicht – so der Erzähler – und äußert nichts Ungehö-riges gegen Gott (1,22). Gott gewinnt die Wette.

Noch immer hält er fest an seiner Frömmigkeit…Nach dieser Niederlage Satans lässt Gott es nicht an Deutlichkeit man-geln und verkündet die Leiden hätten Hiob in seiner Schuldlosigkeit nichts anhaben können. So sagt er zu Satan: „Noch immer hält er fest an seiner Frömmigkeit, obwohl du mich gegen ihn aufgereizt hast, ihn ohne Grund zu verderben“ (2,3). Obwohl Hiob seinen Besitz und seine Lieben verliert, hält er an Gott fest. Sein Glauben und sein 

Foto: Terry U. Weller - pixelio.de

7leiderfahrungen

  DIE BRÜCKE 5 / 2012

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Verhalten sind absichtslos, uneigen-nützig, einfach so. Darauf kommt es dem Verfasser des Hiobbuchs an. Das ist für ihn wahre Gottesfurcht, wahre Religion – Leben in der Verbindung zu Gott ohne die Erwartung, dass mir dieses Vertrauen wie auch immer ver-gütet wird.

Doch Satan gibt nicht auf. Er be-steht auf seinem Ansinnen und for-dert Gott ein zweites Mal heraus. Das erste Mal hat nicht gereicht; denn so Satan: „Haut um Haut“. Alles, was der Mensch besitzt, gibt er hin für sein Leben. „Doch streck deine Hand aus und rühr sein Gebein an und Fleisch, wahrhaftig, er wird dir ins Gesicht fluchen“ (2,4.5). 

Der Verlust seiner Güter und seiner Familie war nicht genug,  um  Hiob dazu zu bewegen, schlecht von Gott zu reden, jetzt soll er an seinem eige-nen Leib getroffen werden. Indem Sa-tan Hiob selbst aufs Korn nimmt, ist er sich sicher, das Spiel zu gewinnen. Zum letzten Mal spielt die Szene am himmlischen Hof, fort an läuft alles auf der Erde.

Lästere Gott und sterbe…Hiob erkrankt. Geschlagen mit einem bösartigen Geschwür von der Fußsoh-

le bis zum Scheitel setzt er sich mitten in die Asche (2,7-8). Von nun an ist er arm und krank. Zum Tod, den Hiob im Fleisch trägt kommt der gesell-schaftliche Tod hinzu, denn in der zeitgenössischen Vorstellung lebten unheilbar Kranke in gewissem Sinn am Rand der Gesellschaft. Erhärtet wird die Idee noch von der Überzeu-gung, Armut und Krankheit seien eine Strafe für persönliche oder von der Familie begangene Verfehlungen. So erscheint Hiob in den Augen seiner Zeitgenossen als Sünder und in seinem Fall, da er doch reich und angesehen ist, als ein großer Sünder. All dieses – der Verlust seines Besitzes und seiner Lieben, persönliches Leiden und dann noch die Infragestellung seiner Lauter-

keit bringen ihn in eine Situation der  Isolierung und  der  tiefen Einsamkeit. Zum Ausdruck kommt 

das in dramatischer Weise in der Geste Hiobs, sich außerhalb der Stadt auf einem Müllhaufen aufzuhalten. Von dort aus trägt er sein Klagen und Stöh-nen vor.

Als das zweite Unglück über Hiob hereinbricht, fordert ihn seine Frau, die das ganze Ungemach nicht kalt lässt und sich mit ihm angesichts aller Umstände solidarisch weiß, auf, Gott 

zu lästern. „Hältst du noch immer an deiner Frömmigkeit fest. Lästere Gott und stirb“ (2,9). Hiob aber entgegnet ihr: „Wie eine Törin redest du (2,10). 

Hiob bleibt bei seiner Frömmig-keit. „Bei all dem sündigte Hiob nicht mit seinen Lippen“ (2,10). Er fluchte nicht, er lästerte nicht. Gott gewinnt die Wette. Hiobs Gottesfurcht ist un-eigennützig. 

Denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war…Hiobs Freunde hören von all dem Bösem, das über Hiob gekommen ist. Und sie kommen jeder aus seiner Heimat: Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach und Zofar aus Naama. Sie vereinbaren zu Hiob zu gehen, um ihre Anteilnahme zu bezeugen und ihn zu trösten, heißt es in Kap 2,11. 

Es ist die Absicht der Freunde, das Leid ihres Freundes zu teilen und es ihm etwas leichter zu machen. Dass sie Hiob in seinem Leiden nicht im Stich lassen, das ist ihr Verdienst. Alle drei sind gebildete Leute, die sich ihres Wissens vielleicht sogar ein wenig zu sicher sind. So versuchen sie, Hiob das Warum zu erklären, was ihm da widerfährt, denn wenn man seine Widrigkeit versteht, ist sie schon er-träglicher, so glauben sie.

Doch bevor die drei Freunde auf Hiobs Klage über sein Schicksal und 

Gott gewinnt die Wette. Hiobs Gottesfurcht ist

uneigennützig

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  DIE BRÜCKE 5 / 2012

leiderfahrungen

seine tiefe Klage, dass er lieber gestor-ben oder überhaupt nicht auf die Welt gekommen wäre eingehen, schreien sie auf und weinen unter dem Eindruck der Situation Hiobs. Sie verstummen und sitzen bei ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte; keiner sprich ein Wort zu ihm. Denn sie sahen, dass sein Schmerz sehr groß war (2,13). 

Das Ganze zeugt von Mitleid und Achtung und bekundet den Ernst, mit dem sie die Lage ihres Freundes be-trachten. Schmerz schweigend teilen, ist ein Ausdruck von Geschwister-lichkeit.

Hiobs Unglück nimmt kein Ende und scheint sogar noch die Grenzen zu übersteigen, die seine erste Reaktion angedeutet hatte. Der Monolog Hiobs mit dem der Hauptteil des Hiobbuchs beginnt,  ist  von  großer  poetischer Schönheit und beschreibt in herzzer-reißender Weise, wie der Schmerz all-mählich tiefer wird. „Danach tat Hiob seinen Mund auf und verfluchte seinen Tag. Hiob ergriff das Wort und sprach: „Ausgelöscht sei der Tag, an dem ich geboren bin, die Nacht, die sprach: „Ein Mann ist empfangen!“ (3,1-3)

Hiob geht noch weiter und will – so unmöglich das ist – vor seine Geburt zurück. Warum hat man ihn geboren werden lassen, fragt er: „Warum starb ich nicht schon vom Mutterschoß weg, 

kam ich aus dem Mutterleib und ver-schied nicht gleich?“ (3, 11)

Bedenk doch. Wer geht ohne Schuld zugrunde?

Schweigend sitzen die drei Freunde bei Hiob. Da bricht Hiob die Stille mit einem Monolog. Doch Hiobs Freunde sind empört über seine Worte. Der Freund redet irr – so denken sie – voller Bitterkeit und voller Schmerz und ohne Reue vor seiner Schuld. Aber Verantwortung für sein Tun trage er ohne Zweifel, meinen seine Freunde und fangen an, in diesem Sinn zu ar-gumentieren. 

Ihr lehrmäßiger Horizont ist der der zeitlichen Belohnung. Zwar kennt auch Hiob diese Theorie und Theo-logie, aber seine Erfahrung und sein Gottesglaube machen diesen Ansatz einfach hinfällig. Das Bewusstsein ein rechtschaffener Mann zu sein, passt nicht dazu. 

Wenn Hiob kei-ne  Schuld  trifft, wie  ist  dann  zu verstehen, was ihm da widerfährt? Sei-ne Freunde wollen ihm helfen, können es aber nicht, es sei denn aus ihrer Sicht der Dinge.

Kernstück ihrer Lehre, die Elifas und seine Kollegen mit unerbitterli-cher Überzeugung darlegen, ist folgen-des: Den Bösen bestraft und den Ge-rechten belohnt Gott. So sagt Eliphas denn auch in herausforderndem Ton: Bedenk doch. Wer geht ohne Schuld zugrunde? Wo werden Redliche im Stich gelassen? Wohin ich schaue: wer Unrecht pflügt, wer Unheil sät, der erntet es auch. (4,7-8)

Ja, das haben wir erforscht, so ist es…Reichtum und Gesundheit auf der einen und Armut und Krankheit auf 

der anderen Seite sind Vergeltungs-maßnahmen, mit denen Gott, die, die Gutes tun, belohnt bzw. die, die Böses tun, bestraft, so denken die Freunde. In Hiobs Fall geht es um eine Ableitung auf derselben Schiene, nur in umge-kehrter Richtung. Wenn der Mann das ganze Unglück zu erleiden hat, dann deshalb, weil er ein Sünder ist, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. 

Die Freunde stürmen auf Hiob ein, sich ihre Sicht der Dinge anzueignen. Eliphas greift zu theologischen Argu-menten, spricht im Namen der Freun-de und beschließt seine Rede in Hiob 5, 27 so: „Ja, das haben wir erforscht, so ist es. Wir haben es gehört, nimm du es an.“

Die  Lehre  ist  klar:  Armut  und Krankheit, die Hiob erleidet, sind eine Strafe für seine Vergehen. Wer das bestreitet, bestreitet Gottes Recht. Das erste, was Hiob mithin zu tun hat, ist seine Schuld anzunehmen und Gott 

um  Verzeihung dafür zu bitten. 

Die Stärke der Theorie  besteht in ihrer Einfach-heit:  Geht  es  dir schlecht, hast du 

Schlechtes getan: Leid und Krank-heit sind das Ergebnis von Sünde. Für Leute, denen es gut geht, ist diese Lehre bequem und beruhigend, während sie bei denen, denen es nicht gut geht, Resignation und Schuldgefühle weckt.

Die Freunde argumentieren auf dem Hintergrund ihres Weltverständnis-ses, so wie sie gelernt haben, Leid und Krankheit zu deuten. So auch Eliphas: Hiob, bedenk doch. Wer geht ohne Schuld zugrunde? Wo werden Red-liche im Stich gelassen? Wohin ich schaue: wer Unrecht pflügt, wer Unheil sät, der erntet es auch (4,7-8)

Klingt fast so wie: geschieht dir recht Hiob. Du hast deine Untaten oder Sün-

Schmerz schweigend teilen, ist ein Ausdruck von Geschwisterlichkeit

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de vergessen oder verdrängt, so dass du nicht weißt, warum du so leiden musst. Hier tritt das unterschiedliche Denken der Freunde und des Hiob in aller Deutlichkeit in Erscheinung. Die  Freunde  reden  von  Gott  und seinen Ordnungen, wie sie sie ver-stehen. Gott ist ein gerechter Gott, der Gutes belohnt und Böses straft und das schon im zeitlichen Leben. Hiob aber entzieht sich dieser Ebene. Es ist ihm zu we-nig, von Gott nur als dem Prinzip zeitlicher Belohnung und Strafe für das gelebte Leben zu sprechen. Hiob sucht eine persönliche Beziehung zu Gott. Er hält an ihm fest und setzt seine ganze Erwartung darauf, dass Gott zu ihm spricht und sein rechtschaffenes und ihn freispre-chendes Wort an ihn richtet.

Der kritische Punkt ist für Hiob nicht, ob er Sünder ist oder nicht. Für ihn ist klar, dass er als Mensch Sünder ist. Die Frage ist nur, ob er die Strafe verdient, an der er zu leiden hat. Und Hiobs Antwort ist eindeutig: Nein, er verdient sie nicht.

Es geht Hiob nicht mehr allein um den Schmerz des Armen und Kranken, den er zu erleiden hat. Das Problem ist bei ihm tiefer und breiter geworden: es geht ihm um das Unglück des Un-schuldigen. Warum müssen Menschen unschuldig leiden? 

So wird die Frage von dem indivi-duellen Hintergrund gelöst und nun auf kollektiver Ebene behandelt noch spannender und grausamer: Warum müssen Menschen unschuldig leiden. Warum lässt Gott so etwas zu?

Wer die Reden Hiobs und seiner Freunde liest, wird feststellen, dass wir es da mit zwei verschiedenen Formen theologischen Denkens zu tun haben. Aber damit kann sich der Verfasser des Hiobbuches nicht zufrieden geben. Deshalb lässt er die Hauptgestalt sich klar und deutlich dieser Tatsache be-wusst werden. Eliphas und seine Kolle-

gen äußern sich auf der Grundlage der lehrmäßigen Prin-zipien und wollen sie  in  Hiobs  Fall anwenden.  Am 

Schluss seiner ersten Einlassung sagt Eliphas mit einer Sicherheit, die anste-ckend wirken soll zu seine Freunden: „Ja, das haben wir erforscht, so ist es. Wir haben es gehört. Nimm auch du es an! 5,27

Warum bleiben Frevler am Leben?Der Dialog zwischen Hiob und sei-nen Freunden wird, obwohl er sich ungleich entwickelt, dennoch reifer. Während die Freunde sich wiederho-len und zusehends aggressiver wer-den, betrachtet Hiob seine Erfahrung immer  tiefer  und  verfeinert  seine Überlegungen weiter. Ein wichtiger Aspekt des Fortschritts besteht in der Erkenntnis, dass der Zufall des unge-rechten Leidens nicht nur ihn alleine betrifft. Vielmehr ist dies die Situati-on zahlloser Armer dieser Erde, die am Straßenrand und außerhalb des Landes, das ihnen eigentlich Arbeit und Brot geben soll, mehr sterben als  leben. Erschrocken stellt Hiob fest, dass sein Unglück auch das Los zahlreicher anderer ist.

Die Frage, die er an Gott richtet, ist nicht mehr bloß seine Sache, son-dern sie wird konkret im Schmerz der Armen dieser Erde. Sein Empfinden drückt er so aus: Denk ich daran, bin ich erschreckt, und Schauder packt meinen Leib. Warum bleiben Frevler am Leben, werden alt und stark an Kraft. Ihre Nachkommen stehen fest vor ihnen, ihre Sprösslinge vor ihren Augen. Ihre Häuser sind in Friede, ohne Schreck. Die Rute Gottes trifft sie nicht (21, 6-9)

Hiob erkennt, dass Armut und Ver-lassenheit nicht ausschließlich sein eigenes Los sind. Er wird gewahr, dass das Ergehen der Armen von bösen Menschen verursacht worden ist, die dennoch ein ruhiges und zufriedenes Leben führen. Dies klagt Hiob an. Die Verse in Hiob 24, 2-14 sind ein zutiefst prophetischer Text: über die damalige, aber auch heutige Situation unter dem Blickwinkel der Gerechtigkeit:

Jene verrücken die Grenzen, rauben Herden und führen sie zur Weide.Den Esel der Waisen treiben sie fort,pfänden das Rind der Witwe.Vom Weg drängen sie die Armen,es verbergen sich alle Gebeugten des Landes. Wie Wildesel in der Steppe ziehen sie zu ihrer Arbeit aus;Die Steppen suchen sie nach Nah-rung ab, nach Brot für ihre Kinder. Auf dem Feld schneiden sie des Nachts, halten im Weinberg des Frevlers Nachlese.Nackt verbringen sie die Nacht, ohne Kleider, haben keine Decken in der Kälte. Vom Regen der Berge sind sie durchnässt, klammern sich ohne Schutz an den Fels. Von der Mut-terbrust reißen sie die Waisen, den Säugling des Armen nehmen sie zum Pfand. Nackt müssen sie fliehen ohne Kleid, hungernd tragen sie Garben.Zwischen Mauern pressen sie Öl,treten die Kelter und müssen doch dürsten. Aus der Stadt stöhnen Sterbende, der Erschlagenen Leben schreit laut. Doch Gott achtet nicht auf ihr Flehen. Sie sind die Rebellen gegen das Licht; sie nehmen seine Wege nicht wahr, bleiben nicht auf seinen Pfaden. Ist kein Licht, erhebt sich der Mörder, tötet Elende und Arme. In der Nacht gleicht er dem Dieb. (24, 2-14)

Diese Beschreibung trifft auch heu-te noch mit einigen Abstrichen zu. Die Schilderungen zeigen, dass der Verfasser einen Blick für die kon-krete Lage der Armen hat. Ihre Not ist nicht einfach ein Schicksalsschlag oder das Ergebnis von unerklärlichen Ursachen.

Warum müssen Menschen unschuldig

leiden?

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Doch ich, ich weiß, dass mein Erlöser lebt…

Die Verantwortlichen werden vom Verfasser schonungslos benannt. Die beschriebene Lage geht auf das Konto einiger weniger, die die Armen aus-beuten und bestehlen. So verweist unschuldiges Leiden nicht selten auf Schuldige. Das tägliche Leben der Ar-men, so heißt es in der Bibel, ist der Tod. Deshalb nennt sie die Unterdrü-cker auch Mörder.

Hiob hält in seinem Leiden daran fest, das Gott Gerechtigkeit und Leben verheißt. Doch ich, ich weiß, dass mein Erlöser lebt, als letztes erhebt er sich aus dem Staub. Ihn selber werde ich dann für mich schauen, meine Augen werden ihn sehen. Danach sehnt sich mein Herz (19, 25.27). Diese Hoffnung verändert nicht nur sein Leben, son-dern auch das Leben aller Leidenden, die in ihrem Schicksal ganz auf Gott vertrauen. 

Arm nach Verständnis des Alten Testaments ist, wer in seiner sozialen, materiellen, psychischen Lage, in der er nicht mehr aus noch ein weiß, sich ganz an Gott hält und allein auf seine Gerechtigkeit vertraut. 

Hiobs Klage ist nicht bloß von per-sönlichen Beweggründen getrieben, nein er weiß sich selbst zu den Ar-men, den Leidenden und Verlassenen gehörig und von dort aus formuliert er seine Fragen und seine Klagen, die die Fragen und Klagen aller Leiden-den sind. 

Aus der Problematik eines Einzel-nen wird vom Verfasser des Hiobbu-ches die Problematik aller in ähnlicher Situation nachgezeichnet. Das ist Ab-sicht. Er stellt den Weg Hiobs als einen Lern- und Weisheits- und Glaubens-weg vor. Dieser Weg soll allen, die angesichts ihres Leides an der Gerech-tigkeit Gottes zweifeln, einen Weg der Befreiung und Heilung aufzeigen. 

Kurt KerberSinsheim

Die Bibel erzählt ...

Vor mir liegt ein kleines Büch-lein  „Die  Bibel  erzählt….Hiob“.  Auf  dem  hinteren 

Buchdeckel  lese ich: Hiob ist Got-tes Antwort auf Untreue und Gewalt, damit die Welt nicht zum Teufel geht. Spannend, interessant! So geht es mir auch, als ich in das Vorwort blättere. Diese Reihe: die Bibel erzählt ist eine Reihe für Menschen, „die an einer en-gagierten und weltoffenen Auslegung der Bibel interessiert sind“.

Geleitet ist diese Buchreihe von „der Überzeugung, dass uns in der Vielfalt der biblischen Texte eine Stimme be-gegnet, die jede und jeden zu einem Zusammenleben in Gerechtigkeit und Frieden ruft“. 

Ich blättere weiter, finde interessante Autorinnen und Autoren, z. B. Carola Moosbach, Jürgen Ebach, Magdalene Frettlöh, aber auch mir nicht bekannte. Ich finde Ausführungen zum Textver-ständnis, zur Auslegungsgeschichte und Hiob aus jüdischer und musli-mischer Sicht.  Ich entdecke Bilder, die Hiob zeigen, aus verschiedenen Epochen und Bilder zu Leid, z. B von Frieda Kahlo.

Ich schaue in den ersten Aufsatz und horche auf.  „Der Missstand, dass die Erde sich in gottlosen Händen be-findet, ist eine Herausforderung Got-tes.“… „Gott hat seine eigene Ehre, genauso wie die Zukunft der Erde den Menschen anvertraut. Indem Gott sich derart an die Menschen gebunden hat, gibt er dem Satan Raum. Gott rottet das Böse nicht aus. Vielmehr muss 

Gott die erdumspannende Macht der Gottesentfremdung der Menschen an-erkennen…“ 

Am liebsten würde ich weiterlesen, aber das muss noch etwas warten. Ich habe es also noch nicht gelesen, das Büchlein mit 106 Seiten, aber ich bin neugierig geworden. Ich lege es zu dem Stapel für die Urlaubslektüre in diesem Sommer. 

     Doris Hege

Frankfurt

„Hiob“ - Klara ButtingErev Rav Verlag, 125 Seiten

ISBN 978-3-932810-19-016,00 EUR

Ein Büchlein über Hiob

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  DIE BRÜCKE 5 / 2012

Am 24.07.2012 stand ich vor unserem Haus Am Hirschsprung 68 Berlin Dahlem und wollte das 

Auto mit den Reisesachen unseres Sohnes und der Enkelkinder beladen, denn sie mussten zum Haupt-bahnhof. Da kam ein älteres Ehepaar etwas müde die Straße entlang. Er sah mich und fragte, wo es denn hier ein kleines Café gebe. Ich beschrieb ihm den Weg. Sagte dann aber, dass er mit seinem norddeutschen Dialekt wohl nicht aus Berlin stamme; dies sagte ich auch mit einem etwas norddeutsch gefärbten Klang. Beide teilten mit, dass sie aus Emden stammten. Meine Antwort war, die Stadt kenne ich. Ihre Frage woher beantwortete ich mit dem Hinweis auf Mennoniten. 

Sie waren überrascht und bekannten: sie seien ebenfalls Mennoniten. Ich gab mich als Pastor der Ber-liner Mennoniten-Gemeinde zu erkennen. Sie hätten ihren Enkel zu einer Tauffreizeit in das Menno-Heim gebracht und spazierten nun ein wenig durch die wei-tere Umgebung. Schnell waren wir im Gespräch und spielten das beliebte Mennospiel, nannten bekannte Namen wie Heinold Fast und Jan Lüken Schmid.

Welche Überraschung, da treffen sich in der Groß-stadt Berlin mit 3,5 Millionen Einwohnern Menno-niten auf der Straße. 

Horst KrügerBerlin

StraßenbekanntschaftDIE BRÜCKE ist

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Die nächsten Nummern:DIE BRÜCKE 6/2012 erscheint Anfang November 2012, mit dem Thema „Dialog der Religionen“, Redaktionsschluss ist der 08.10.2012

DIE BRÜCKE 1/2013 erscheint Anfang Januar 2013, mit dem Thema „Vielfalt in Bibel und Glauben“, Redaktionsschluss ist der 05.12.2012

Wir freuen uns über Leserbriefe, Beiträge, Berichte und Zusendungen für die Rubriken „Lyrik“ und „Friedensfoto“

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Kurz notiert:

Wie die Augsburger Allgemeine berichtet, erlang-te Wolfgang Krauß den zweiten Platz im 2. „Augs-

burger Predigt-Slam“. Als „theologisch tiefgründig“ wurde seine 7-minütige Kurzpredigt gelobt, sie habe „visionäre Kraft in die Gegenwart geholt“. „Friede auf Erden“ hieß das Thema, das die Mitglieder von „Biblia Viva Augustana“ der teilnehmenden Prominenz aus der Augsburger Kultur, Wirtschaft und Politik herausfor-dernd aufgegeben hatten – passend zum Veranstaltungs-rahmen, dem Modul „Frieden und Religion“ im Pro-gramm zum Augsburger Friedensfest 2012. 

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leserecho

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Frieden braucht mutige FrauenFrieden braucht mutige Frauen

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.org

Ulrike  Schmutz  absolvierte  ein CPT-Training in Chicago. Mit 

einer Gruppe von 11 Freiwilligen aus Australien, Schweden, Deutschland und Nordamerika haben sie gewaltfreie Aktion, Deeskalation und Öffentlich-keitsarbeit eingeübt. CPT („Christian Peacemakerteams“) ist auch in Kolum-bien präsent. 

Am 20.07.1972 wurde die OFP (Or-ganización  Feminina  Popular)  ge-gründet. Diese mutigen Frauen wid-men ihr Leben der Verteidigung von Frauenrechten und Menschenrechten, dem Schutz und der Sicherheit ihrer Familien und sie unterstützen die Ent-eigneten in ihrem Land. Da 10% der kolumbianischen Bevölkerung unter Vertreibung leidet, ist die Unterstüt-zung durch OFP für diese Menschen von entscheidender Bedeutung! 

Unglücklicherweise wird die Land-Vertreibung in Kolumbien fortgesetzt. 124 Familien aus Las Pavas, einem klei-nen kolumbischen Ort, haben dort über viele Jahre ihr Land bestellt. 2006 waren sie von einer Palmöl-Firma von ihrem Land vertrieben worden. Erst 2011 konnten sie zurückkehren. Ein Ge-richtsentscheid verbietet Palmölfirmen, auf diesem Land weiter zu machen.

Am 9.7.12 drangen trotzdem Arbeiter von Aportes San Isidro gewaltsam in das bestellte Land in Las Pavas ein, zerstörten Bepflanzungen, stohlen 40 Rinder und gingen mit einem Busch-messer auf einen Maulesel  los. Mit einem Traktor, vollbeladen mit Pal-menpflanzen rückten die Arbeiter an, um diese zu pflanzen. Illegalerweise!

Mercelis Payaras, eine mutige Frau, legte sich spontan in den Weg des Trak-

tors – blockierte den Weg und riskierte ihr eigenes Leben. Es gelang ihr und den Anwesenden, den Traktor an der Weiterfahrt zu hindern.

Zwei Wochen später, am 20.7.12, dem 40. Jahrestag von OFP, konnten fünf Teilnehmende der CPT-Trainingsgrup-pe die Geschichte von Mercelis Payaras und die ihres Dorfes und Landes vor dem US amerikanischen Senator Ri-chard Durbin persönlich vortragen, in seinem Büro im Federal Building in Chicago. Das war so nicht geplant, aber der Senator tauchte einfach auf. Und so galten ca. 8 Minuten dieses einflussreichen Mannes dieser starken Frau und der Bedrohung, der sie, ihre Familie und die Bürger von Las Pavas ausgesetzt sind.

Ulrike Schmutz

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