5
Jahrgang 1896. "1 Heft 19. 1. Oclober 1896.J Bodlaender: Chemie des Cyanidverfahrens. 583 Die Bestimmung der in Leinkuchen an- wesenden Unkrautsamenschalen durch das übliche Mikroskopirverfahren nach vorher- gehender Behandlung mit Salpetersäure und Kalilauge ist also nicht im Stande, ein end- gültiges Urtheil über die Reinheit der un- tersuchten Leinkuchen zu geben. Eine Be- stimmung der Jodzahl in dem bei der Roh- fettbestimmung erhaltenen Öl ist nach un- serer Meinung nothwendig. Findet man eine kleine Jodzahl und ist die Menge anwesender Unkrautsamenschalen gering, so ist danach zu ermitteln, ob zur künstlichen Erhöhung des Fettgehaltes den Leinkuchen fremde, darin nicht gehörende Fette hinzugefügt worden sind. Amsterdam, August 1896. Die Chemie des Cyanidverfahrens. "Von G. Bodlaender, Clausthal. Trotz der grossen Bedeutung des Cyanid- verfahrens für die Goldgewinnung ist über die hierbei verlaufenden chemischen Processe noch wenig mit Sicherheit bekannt. Bei der Auflösung des Goldes entsteht Kalium- goldcyanür, KAu(CN) 3 . Es wird also aus je 2 Mol. Cyankalium 1 Atm. Kalium durch das Gold verdrängt. Da das Kalium sich nicht metallisch ausscheiden kann, geht es in Kaliumhydroxyd über, wobei entweder Wasserstoff entwickelt oder Sauerstoff aus der Luft aufgenommen werden müsste. Dem- entsprechend sind zwei Umsetzungsgleichun- gen aufgestellt worden. Der Erfinder des Verfahrens, Mac Arthur, nimmt an, dass die Reaction erfolgt: 2 Au + 4 KCN + 2 H 3 O = 2 K Au (CN) 2 + 2 KOH+ H 2 (1) Dagegen geben Maclaurin, Goyder und Andere an, dass der Sauerstoff der Luft für den Process nöthig ist: 4 Au + 8 KCN + 2 H 2 O 4- O 2 = 4 K Au (CN) 2 + 4K0H (2) Um eine sichere Entscheidung treffen zu können, wurde der folgende Versuch ange- stellt. Der Hals einer Retorte von 100 cc Inhalt wurde in der Mitte V-förmig gebogen. In die Retorte wurden 35 cc einer 0,6 proc. Cyankaliumlösung gebracht und in die Bie- gung des Halses 0,8286 g reinen schwamm- förmigen Goldes, das aus einer Legirung mit 6 Th. Silber durch Extraction mit Salpeter- säure abgeschieden worden war. Es wurde dafür gesorgt, dass das Gold mit der Cyan- kaliumlösung nicht in Berührung kam. Das Ende des Rohres wurde eng ausgezogen und mit einer Quecksilberluftpumpe verbunden. Nachdem die Retorte leer gepumpt war, wurde die eingeengte Stelle des Halses an der Luftpumpe abgeschmolzen. Darauf wurde das Gold in die Cyankaliumlösung gespült und mit derselben 14 Tage bei gewöhnlicher Temperatur unter häufigem, längerem Um- schütteln in Berührung gelassen. Wenn die Goldauflösung nach der ersten Gleichung erfolgt, so musste dieselbe auch in der eva- cuirten Retorte unter Wasserstoffentwicklung stattfinden. Die angewandte Menge Cyanka- lium hätte 18,45 cc Wasserstoff entwickeln müssen. Das Gold war im fast 2,5 fachen Überschuss zugegen. Nach 14 Tagen wurde die Spitze des Retortenhalses durch einen Gummischlauch mit der Quecksilberluft- pumpe "verbunden, der Gummischlauch wurde leer gepumpt und darauf wurde die Spitze der Retorte innerhalb des Schlauches abge- brochen. Beim Evacuiren zeigte sich, dass nur 0,5 cc Gas in der Retorte vorhanden waren. Das Gas wurde mit 1,5 cc Luft vermischt, und es wurde versucht, durch Inductionsfunken eine Explosion herbeizu- führen. Eine solche trat nicht ein, und das Gas veränderte sein Volumen nicht. Es war also kein Wasserstoff entwickelt wor- den; die 0,5 cc Gas bestanden wahrschein- lich aus Stickstoff, da die Cyankaliumlösung durch Evacuiren nicht vollständig von der gelösten Luft befreit werden konnte und auch das schwammförmige Gold adsorbirte Luft hartnäckig zurückhält. Nach Entfer- nung von der Luftpumpe wurde der Retor- teninhalt möglichst schnell durch ein Filter gegossen und das im Filtrat enthaltene Gold wurde bestimmt. Es hatten sich 0,0164 g Gold gelöst, wahrscheinlich zum Theil unter Verbrauch des von der Flüssigkeit und vom Gold zurückgehaltenen Sauerstoffs zum Theil während der bei Luftzutritt erfolgenden Fil- tration. 35 cc 0,6 proc. Cyankaliumlösung, die 14 Tage mit 0,8286 g Gold in einem lose verschlossenen Kölbchen unter häufigem Schütteln in Berührung geblieben waren, hatten 0,2818 g Gold gelöst, also fast 18 mal so viel als die gleiche Lösung im Vacuum und fast 90 Proc. derjenigen Menge, welche durch das Cyankalium nach der zweiten Gleichung hätte gelöst werden können. Es ergibt sich hieraus, dass das Gold bei Luftabschluss nicht gelöst wird und dass es keinen Wasserstoff aus Cyankaliumlösung entbindet. Aber auch die zweite Gleichung drückt nicht die wirklichen Vorgänge bei der Auflösung des Goldes aus. Die Gegen- wart des Sauerstoffs ist für die Auflösung 75*

Die Chemie des Cyanidverfahrens

Embed Size (px)

Citation preview

Jahrgang 1896. "1Heft 19. 1. Oclober 1896.J Bodlaender: Chemie des Cyanidverfahrens. 583

Die Bestimmung der in Leinkuchen an-wesenden Unkrautsamenschalen durch dasübliche Mikroskopirverfahren nach vorher-gehender Behandlung mit Salpetersäure undKalilauge ist also nicht im Stande, ein end-gültiges Urtheil über die Reinheit der un-tersuchten Leinkuchen zu geben. Eine Be-stimmung der Jodzahl in dem bei der Roh-fettbestimmung erhaltenen Öl ist nach un-serer Meinung nothwendig.

Findet man eine kleine Jodzahl und istdie Menge anwesender Unkrautsamenschalengering, so ist danach zu ermitteln, ob zurkünstlichen Erhöhung des Fettgehaltes denLeinkuchen fremde, darin nicht gehörendeFette hinzugefügt worden sind.

Amsterdam, August 1896.

Die Chemie des Cyanidverfahrens."Von

G. Bodlaender, Clausthal.

Trotz der grossen Bedeutung des Cyanid-verfahrens für die Goldgewinnung ist überdie hierbei verlaufenden chemischen Processenoch wenig mit Sicherheit bekannt. Beider Auflösung des Goldes entsteht Kalium-goldcyanür, KAu(CN)3. Es wird also ausje 2 Mol. Cyankalium 1 Atm. Kalium durchdas Gold verdrängt. Da das Kalium sichnicht metallisch ausscheiden kann, geht esin Kaliumhydroxyd über, wobei entwederWasserstoff entwickelt oder Sauerstoff ausder Luft aufgenommen werden müsste. Dem-entsprechend sind zwei Umsetzungsgleichun-gen aufgestellt worden. Der Erfinder desVerfahrens, Mac Arthur , nimmt an, dassdie Reaction erfolgt:

2 Au + 4 KCN + 2 H3O = 2 K Au (CN)2 +2 KOH+ H2 (1)

Dagegen geben Maclaurin, Goyder undAndere an, dass der Sauerstoff der Luft fürden Process nöthig ist:

4 Au + 8 KCN + 2 H2O 4- O2 = 4 K Au (CN)2 +4K0H (2)

Um eine sichere Entscheidung treffen zukönnen, wurde der folgende Versuch ange-stellt. Der Hals einer Retorte von 100 ccInhalt wurde in der Mitte V-förmig gebogen.In die Retorte wurden 35 cc einer 0,6 proc.Cyankaliumlösung gebracht und in die Bie-gung des Halses 0,8286 g reinen schwamm-förmigen Goldes, das aus einer Legirung mit6 Th. Silber durch Extraction mit Salpeter-säure abgeschieden worden war. Es wurdedafür gesorgt, dass das Gold mit der Cyan-kaliumlösung nicht in Berührung kam. Das

Ende des Rohres wurde eng ausgezogen undmit einer Quecksilberluftpumpe verbunden.Nachdem die Retorte leer gepumpt war,wurde die eingeengte Stelle des Halses ander Luftpumpe abgeschmolzen. Darauf wurdedas Gold in die Cyankaliumlösung gespültund mit derselben 14 Tage bei gewöhnlicherTemperatur unter häufigem, längerem Um-schütteln in Berührung gelassen. Wenn dieGoldauflösung nach der ersten Gleichungerfolgt, so musste dieselbe auch in der eva-cuirten Retorte unter Wasserstoffentwicklungstattfinden. Die angewandte Menge Cyanka-lium hätte 18,45 cc Wasserstoff entwickelnmüssen. Das Gold war im fast 2,5 fachenÜberschuss zugegen. Nach 14 Tagen wurdedie Spitze des Retortenhalses durch einenGummischlauch mit der Quecksilberluft-pumpe "verbunden, der Gummischlauch wurdeleer gepumpt und darauf wurde die Spitzeder Retorte innerhalb des Schlauches abge-brochen. Beim Evacuiren zeigte sich, dassnur 0,5 cc Gas in der Retorte vorhandenwaren. Das Gas wurde mit 1,5 cc Luftvermischt, und es wurde versucht, durchInductionsfunken eine Explosion herbeizu-führen. Eine solche trat nicht ein, und dasGas veränderte sein Volumen nicht. Eswar also kein Wasserstoff entwickelt wor-den; die 0,5 cc Gas bestanden wahrschein-lich aus Stickstoff, da die Cyankaliumlösungdurch Evacuiren nicht vollständig von dergelösten Luft befreit werden konnte undauch das schwammförmige Gold adsorbirteLuft hartnäckig zurückhält. Nach Entfer-nung von der Luftpumpe wurde der Retor-teninhalt möglichst schnell durch ein Filtergegossen und das im Filtrat enthaltene Goldwurde bestimmt. Es hatten sich 0,0164 gGold gelöst, wahrscheinlich zum Theil unterVerbrauch des von der Flüssigkeit und vomGold zurückgehaltenen Sauerstoffs zum Theilwährend der bei Luftzutritt erfolgenden Fil-tration.

35 cc 0,6 proc. Cyankaliumlösung, die14 Tage mit 0,8286 g Gold in einem loseverschlossenen Kölbchen unter häufigemSchütteln in Berührung geblieben waren,hatten 0,2818 g Gold gelöst, also fast 18 malso viel als die gleiche Lösung im Vacuumund fast 90 Proc. derjenigen Menge, welchedurch das Cyankalium nach der zweitenGleichung hätte gelöst werden können.

Es ergibt sich hieraus, dass das Goldbei Luftabschluss nicht gelöst wird und dasses keinen Wasserstoff aus Cyankaliumlösungentbindet. Aber auch die zweite Gleichungdrückt nicht die wirklichen Vorgänge beider Auflösung des Goldes aus. Die Gegen-wart des Sauerstoffs ist für die Auflösung

75*

584 Bodlaender: Chemie des Cyanidverfahrens. Zeitschrift fürangewandte Chemie.

nöthig, es entstehen aber bei derselben nichtnur Kaliumgoldcyanür und Ätzkali, sondernes tritt dabei auch Wassers toffsuperoxydauf, indem die Umsetzung nach der Gleichungerfolgt:2 Au + 4 KCN + 2 H2O + O2 = 2 K Au (CN)2 -4-

2 KOH + H, O2 . . . . (3)Die Hauptmenge des Wasserstoffsuper-

oxyds wird in einem zweiten Process wiederverbraucht, in welchem die Auflösung desGoldes ohne Aufnahme von Sauerstoff ausder Luft erfolgt:

2 Au + 4 KCN + H2O2 = 2 K Au (CN)2 +2K0H (4)

Die Reactionen (3) und (4) folgen ein-ander beständig, so dass sich keine grösse-ren Mengen Wasserstoffsuperoxyd ansammelnkönnen. Fassen wir unter Eliminirung desabwechselnd gebildeten und verbrauchtenWasserstoffsuperoxyds die Gleichungen (3)und (4) zusammen, so erhalten wir Glei-chung (2), welche das R e s u l t a t der Um-setzungen, nicht aber ihren eigentlichen Ver-lauf richtig darstellt.

Dass Wasserstoffsuperoxyd bei der unterSauerstoffaufnahme erfolgenden Auflösungdes Goldes auftreten würde, war wahrschein-lich, nachdem M. Traube1) gezeigt hatte,dass bei vielen durch freies Sauerstoffgaserfolgenden Oxydationen, namentlich aberbei den in der Kälte langsam stattfindenden,Wasserstoffsuperoxyd ein nothwendiges Zwi-schenproduct sei. Dass sich beim Schüttelnvon Zink mit Wasser und Luft, von Kupfermit verdünnter Schwefelsäure und Luft Was-serstoffsuperoxyd bilde, hatte schon Schön-bein erkannt, aber erst Traube hatte nach-gewiesen, dass unter bestimmten Umständenso grosse Mengen Wasserstoffsuperoxyd ge-wonnen werden können, dass die Verbindungals nothwendiges, nicht als zufälliges Pro-duct der Reactionen anzusehen ist. So ent-stehen bei der Reaction von Zink mit Kali-lauge die der Gleichung

Zn + 2 KOH + O2 = Zn O2 K2 + H3 O3

entsprechenden Mengen Wasserstoffsuperoxyd,wenn man durch Zusatz von Atzkalk undÜberführung des Wasserstoffsuperoxyds inCalciumsuperoxyd, CaO2, den Eintritt derzweiten Reaction:

Zn + 2 K O H + H2 O2 = Zn O, K2 + 2 H2 Overhindert.

Es gelang mir, für die Auflösung desGoldes in Cyankaliumlösungen den Eintrittanaloger Reactionen nachzuweisen. Schüt-telt man blechförmiges oder schwammiges

]) Über Traube's diesen Gegenstand betref-fende Arbeiten vergleiche des Yerf. Nekrolog aufMoritz Traube, Ber. d. d. ehern. Ges. 28, (4) '1085,1895.

Gold oder noch besser echtes Blattgold mitCyankaliumlösungen, so kann man die Bil-dung des Wasserstoffsuperoxyds schon nachkurzer Zeit qualitativ nachweisen. Mansäuert die Flüssigkeit mit verdünnter Schwe-felsäure an und setzt Jodzinkstärke hinzu.Eine Bläuung tritt nicht ein, und dies istein Beweis, dass keine stärker oxydirendenSubstanzen wie Ozon, salpetrige Säure u. s. w.zugegen sind. Erst auf Zusatz je einesTropfens sehr verdünnter Lösungen vonFerrosulfat und Kupfersulfat tritt die fürWasserstoffsuperoxyd charakteristische Bläu-ung ein. Noch sicherer ist der Nachweisdurch die Gelbfärbung der angesäuerten Lö-sung auf Zusatz einer schwefelsauren Titan-säurelösung. Der Nachweis des Wasser-stoffsuperoxyds durch Chromsäure und Ätherin der angesäuerten Lösung gelang nur ineinzelnen Fällen, indem eine schwache,aber deutliche Bläuung auftrat. Der Grundfür das Ausbleiben der Reaction in an-deren Fällen, in denen durch Titansäuredie Gegenwart von Wasserstoffsuperoxyddeutlich nachgewiesen wurde, liegt einmalin der schwächeren Empfindlichkeit derProbe an sich, vor allem aber darin, dassCyanwasserstoff die bei Zusatz grosser Men-gen Wasserstoffsuperoxyd auftretende Bläuungsehr schnell zum Verschwinden bringt. DurchdieEntfärbung von Kaliumpermanganat konnteder qualitative Nachweis des Wasserstoff-superoxyds nicht direct erbracht werden,weil auch die angesäuerte Cyankaliumlösunggeringe Mengen Permanganat schnell re-ducirt.

Die qualitativen Proben ergaben, dassum so mehr Wasserstoffsuperoxyd gebildetwird, je schneller das Gold gelöst wird.Auf die Geschwindigkeit der Auflösung hatin erster Linie die Vertheilung des Goldeseinen Einfluss. Körniges oder blechförmigesGold löst sich sehr langsam, schwammiges,durch Fällung oder Extraction des Silbersaus einer Goldsilberlegirung erhaltenes Goldlöst sich rascher. Weitaus am schnell-sten aber erfolgt die Auflösung des echtenBlattgoldes. Dasselbe wurde für die mei-sten Versuche benutzt, wiewohl es einengeringen Gehalt an Silber besitzt. Da dieAuflösung des Silbers in Cyankalium ganzanalog erfolgt wie die des Goldes, andereVerunreinigungen aber in dem Blattgoldnicht zugegen sind, so konnte dasselbe un-bedenklich benutzt werden. Seine Verwen-dung bietet den besonderen Vortheil, dassProben von genau gleichem Gewicht undgenau gleicher Oberflächenbeschaffenheit undDicke für alle Versuche gebraucht wer-den können. Die Oberfläche jedes Gold-

Jahrgang 1896. 1Heft 19. 1. October 1896.J Bodlaender: Chemie des Cyanidveifahrens. 585

blättchens beträgt 6 ,8x6,8 = 46 qc, seinGewicht 7,1 mg, seine Dicke also beiAnnahme eines specifischen Gewichtes von19,55 nur 0,00007854 = Y13000 mm. Diegrosse Oberfläche erklärt die Schnelligkeitder Auflösung des Goldes. Dieselbe hängtausserdem noch von der Concentration derCyanidlösung ab; es ergab sich, dass siemit der Concentration steigt, indem 20 cceiner 0,1 Proc. enthaltenden Lösung einGoldblättchen in etwa 12 Minuten lösen,•während die Lösung in 20 cc einer 0,25 proc.Lösung etwa 5 Minuten, in einer 1 proc. Lö-sung etwa 4 Minuten und in einer 3 proc.Lösung etwa 3 Minuten erfordert. Die Ge-schwindigkeit der Auflösung steigt also sehrschnell mit der Concentration, bis eine solchevon 0,25 Proc. erreicht ist, und wächst dannlangsamer. Ein Maximum der Auflösungsge-schwindigkeit bei einem Gehalt von 0,25 Proc.Cyankalium, welches Maclaurin2) beob-achtet hat, konnte unter den von mir ge-wählten Bedingungen nicht constatirt wer-den.

Dass sich mehr Wasserstoffsuperoxydnachweisen lässt, wenn die Auflösung desGoldes schnell erfolgt, ist dadurch, zu er-klären, dass in diesem Falle die Reactionhauptsächlich nach Gleichung (3) verläuft,während bei langsamerer Auflösung das zu-erst gebildete "Wasserstoffsuperoxyd zur Auf-lösung des übrigen Goldes nach Gleichung(4) mit verwandt wird. Um die letztereReaction, welche auch bei sehr schnellerAuflösung niemals ganz ausbleibt, weil dasWasserstoffsuperoxyd stärker oxydirend wirktals freier Sauerstoff, möglichst zu eliminiren,wurde versucht, das Wasserstoffsuperoxydsofort nach seiner Entstehung dem Bereichder reducirenden Wirkung des Goldes zuentziehen. Dies geschah durch Versetzender Cyankaliumlösung mit Ätzkalk odermit Indigcarmin. Mit Ätzkalk reagirt Was-serstoffsuperoxyd unter Bildung des schwerlöslichen Calciumsuperoxyds, welches sichzum Theil ausscheidet und dadurch vor derZerstörung geschützt wird:

H2 O2 + Ca (OH)2 = 2 H2 O + Ca O2.1. 20 cc einer 2,5 Proc. Cyankalium ent-

haltenden Lösung wurden mit etwas Calciumhy-droxyd und einem Goldblättchen geschüttelt. Nach-dem sich dasselbe nach 3 bis 4 Minuten langemSchütteln gelöst hatte, wurde ein zweites Gold-blättchen zugefügt und bis zur vollständigen Auf-lösung, die nach 12 Minuten erfolgte, mit derLösung geschüttelt. Darauf wurde filtrirt (A) undder Rückstand wurde, ohne ausgewaschen zu wer-den, mit verdünnter Schwefelsäure behandelt und

vom ausgeschiedenen Gyps filtrirt. Filtrat A gabeine starke Gelbfärbung mit Schwefelsäure undTitansäure, Filtrat B gab eine noch stärkere Re-action mit Titansäure und eine schwache, aberdeutliche Reaction mit Kaliumdichromat und Äther.In einem aliquoten Theil des Filtrates B wurdedas Wasserstoffsuperoxyd durch Titration mit ver-dünnter Permanganatlösung bestimmt (l-ce=0,5mgEisen = 0,15 mg Wasserstoffsuperoxyd). Auf dengesammten Niederschlag berechnet, ergab sich nachAbzug des Verbrauchs einer Controlprobe, dieganz ebenso behandelt, aber nicht mit Gold ge-schüttelt worden war, ein Verbrauch von 2,6 ccPermanganatlösung = 0,39 mg Wasserstoffsuper-oxyd. Nach Gleichung 3 hätten zwei Goldblätt-chen = 14,2 mg 1,224 mg Wasserstoffsuper-oxyd bilden müssen. Hiervon wurden 32 Proc.gefunden, wobei aber die beträchtliche in Lösung Aqualitativ nachgewiesene Menge Wasserstoffsuper-oxyd nicht in Betracht gezogen ist.

2. Um die Ausscheidung des Wasserstoff-superoxyds in Form von Calciumsuperoxyd ausder Lösung vollständiger zu machen, wurde eineetwas grössere Menge Ätzkalk angewandt. 20 cceiner 2,5 proc. Cyankaliumlösung wurden mit dreiGoldblättchen, die gle ichzei t ig in die Lösunggebracht wurden, geschüttelt. Die Auflösung desGoldes war nach 3 bis 4 Minuten beendet. DieLösung wurde noch 10 Minuten lang geschütteltund dann filtrirt; das Filtrat gab mit Titansäurekeine Reaction auf Wasserstoffsuperoxyd. DerRückstand wurde mit verdünnter Schwefelsäurebehandelt und vom Gyps filtrirt. '/10 des Filtratswurde für die qualitativen Proben verwendet, 9/iowurden titrirt und verbrauchten 7,6 cc Chamäleon.Die Lösung gab mit Titansäure eine sehr starkeGelbfärbung, mit Chromsäure und Äther eineintens ive Bläuung. Der Nachweis beträcht-licher Mengen Wasserstoffsuperoxyd war also aufdas sicherste erbracht. Eine ganz ebenso langemit Ätzkalk aber ohne Gold geschüttelte 2,5 proc.Cyankaliumlösung enthielt weder im Filtrat nochim unlöslichen Rückstand Spuren von Wasserstoff-superoxyd. Die Lösung des Rückstandes ver-brauchte bis zum Auftreten einer deutlichen blei-benden Rothfärbung 0,5 cc Chamäleonlösung. So-mit enthielten 9/10 der von der Behandlung mitGold erhaltenen Lösung eine 7,6—0,5 cc Cha-mäleonlösung entsprechende Menge Wasserstoff-superoxyd, der ganze Rückstand also

o,15 = 1,185 mg H3 O2.

!) Chem. News 71, 73. 1895: Chem. Central-blatt 1895, I, 628.

Die drei Goldblättchen hätten nach Gleichung (3)1,836 mg H2 O3 liefern müssen; die nachgewieseneMenge Wasserstoffsuperoxyd betrug also 63,6 Proc.der theoretischen.

Es ist durch diese Versuche der unzwei-deutige Nachweis nicht nur des Auftretensvon Wasserstoffsuperoxyd bei der Goldauf-lösung erbracht, sondern auch des Verlaufsder Reaction nach der Gleichung:

2Au + 4KCN + 2H)O + O, = 2KAu (CN)2+ 2 K O H + H2 O2.

Dass nur etwa 2/3 des nach dieser Gleichungzu erwartenden Wasserstoffsuperoxyds that-

586 Bodlaender: Chemie des Cyanidverfahrens. r Zeitschrift für[.angewandte Chemie.

sächlich gewonnen "wurden, kann nicht "Wun-der nehmen, wenn man die Unbeständigkeitdes Wasserstoffsuperoxyds in alkalischenFlüssigkeiten, die reducirende Wirkung desCyankaliums und namentlich des noch nichtgelösten Goldes in Betracht zieht.

Um das einmal entstandene Wasserstoff-superoxyd den zersetzenden Einflüssen mög-lichst schnell zu entziehen und seine Mengebequem messen zu können, wurden die Lö-sungen mit gemessenen Mengen Indigo ver-setzt. Da erwartet werden konnte, dass dasWasserstoffsuperoxyd eher das Indigcarminoxydiren würde als das Cyankalium oderdas Gold, sollte die Bestimmung des oxy-dirten Indigos zur Feststellung des Betra-ges der Wasserstoffsuperoxydbildung dienen.Auch hierbei mussten immer Controlver-suche ohne Gold unter den gleichen Bedin-gungen gemacht werden wie die Hauptver-suche, weil die mit Indigcarmin versetztenLösungen sich bei der Aufbewahrung lang-sam entfärben. Die Bestimmung des imHauptversuch und im Controlversuch nochvorhandenen Farbstoffs erfolgte durch Ti-tration mit verdünnter Permanganatlösungbis zum Eintritt des nämlichen gelben Farben-tons. Der Mehrverbrauch an Permanganat fürdie Oxydation des Indigcarmins der Control-lösung zeigte die Menge des im Hauptver-such gebildeten und sofort wieder zur Oxy-dation verbrauchten Wasserstoffsuperoxydsan. Auch hier entsprach wieder 1 cc =0,5 mg Fe einer Wasserstoffsuperoxydmengevon 0,15 mg. Wenn die Auflösung des Gol-des nur nach Gleichung (3) erfolgt, so muss-ten bei der Auflösung von einem Goldblätt-chen von 7,1 mg 0,612 mg Wasserstoffsuper-oxyd entstehen , bez. eine entsprechendeMenge Indigo oxydirt werden.

3. 40 cc Indigolösung und 20 cc 6 proc.Cyankaliumlösung wurden vermischt. 30 ccMischung wurden für sich, 30 cc mit einem Gold-blättchen geschüttelt. Nach 4 Minuten war dasGold vollständig gelöst, nach 10 Minuten wurden,beide Lösungen angesäuert und titrirt. Die gold-freie Lösung verbrauchte 18,32 cc Permanganat-lösung, die goldhaltige 15,60 cc. Die Differenz2,72 cc entspricht 0,408 mg Wasserstoffsuperoxyd,also 66,7 Proc. der theoretischen Menge.

4. 20 cc Indigolösung wurden mit 40 cc6 proc. Cyankaliumlösung vermischt, die eineHälfte des Gemisches wurde mit einem Goldblätt-chen, die andere für sich geschüttelt; die Auf-lösung des Goldes "war nach 3 Minuten beendet.Je 10 cc aus jedem Kölbchen wurden nach 14Minuten angesäuert und titrirt. Verbrauch dergoldhaltigen Lösung 3,36 cc, der goldfreien 4,10,Differenz 0,74 cc = 0,111 mg Wasserstoffsuper-oxyd in einem Drittel der Lösung, also im Ganzen0,33 mg = 54,2 Proc. der theoretischen Menge.Der Rest der Lösungen wurde nach weiteren 15

Minuten titrirt. Verbrauch der goldhaltigen Lö-sung 6,74 cc, der goldfreien 8,28, Differenz 1,54entsprechend 0,231 mg in 2/3, also 0,347 mgWasserstoffsuperoxyd, im Ganzen = 56,7 Proc.der theoretischen Menge.

5. 20 cc Indigo wurden mit 40 cc 2,8 proc.Cyankaliumlösung gemischt, und die Hälfte desGemisches wurde mit drei Goldblättchen, dieandere Hälfte wurde für sich geschüttelt. Nach5 Minuten war das Gold gelöst, nach 60 Minutenwurden beide Lösungen angesäuert und titrirt,die goldhaltige Lösung verbrauchte 4,2, die gold-freie 10,2 cc Permanganatlösung, die Differenz ent-spricht 0,9 mgWasserstoffsuperoxyd, also 49,0 Proc.der theoretischen Menge.

6. Von einem Gemisch aus 20 cc Indigo-lösung und 40 cc 2,8 proc. Cyankaliumlösungwurde die eine Hälfte mit einem Goldblättchen,die andere für sich geschüttelt. Auflösung tratnach 4 Minuten ein. 1J3 jeder Lösung wurde nach30 Minuten, der Rest nach 80 Minuten titrirt.Verbrauch im ersten Drittel 2,45 bez. 3,50 cc,im Rest 5,10 bez. 7,0 cc. Die Differenz beträgtim Ganzen 2,95 cc = 0,442 mg Wasserstoffsuper-oxyd = 72,3 Proc. der theoretischen Menge.

7. Von einem Gemisch aus 20 cc Indigo-lösung mit 40 cc 1 proc. Cyankaliumlösung wurdeeine Hälfte für sich, eine Hälfte mit einem Gold-blättchen geschüttelt, das nach 4 Minuten gelöstwar. Die nach 75 Minuten vorgenommene Titra-tion ergab 1,5 cc Verbrauch der goldhaltigen Lö-sung, 4.0 cc Verbrauch der goldfreien Lösung.Die Differenz entspricht 0,375 mg Wasserstoff-superoxyd gleich 61,3 Proc. der theoretischenMenge.

Je verdünnter die Cyankaliumlösungensind, um so geringer ist die Zerstörung derIndigolösung. Dies liegt einmal daran, dassin der verdünnteren Lösung die Auflösungdes Goldes langsamer erfolgt und Wasser-stoffsuperoxyd auch hierfür verbraucht wird,namentlich aber daran, dass das Wasser-stoffsuperoxyd in der verdünnteren Lösungschwächer oxydirend auf das Indigo einwirkt.Als in einem Versuche je ein Goldblättchenmit je 5 cc Indigolösung und 20 cc einer1 proc. und 20 cc einer 0,1 proc. Cyankalium-lösung geschüttelt wurde, trat die Auflösungdes Goldes in der concentrirteren Lösungschon nach 4 Minuten, in der verdünnterenLösung erst nach 10 Minuten ein. Die Farbeder verdünnteren Lösung war kaum merklichgeschwächt, während die concentrirtere Lö-sung stark verblasst war. Jene verbrauchte2,0 cc, diese nur 0,4 cc Chamäleonlösung.Der Unterschied entspricht einer scheinbarengeringeren Wasserstoffsuperoxydbildung inder verdünnteren Lösung, die 37,3 Proc. dertheoretischen Menge beträgt. Wenn nichtdas gesammte, in der Lösung vorhandeneWasserstoffsuperoxyd zur Oxydation desIndigos benutzt wird, so wird der Verbrauchan Permanganat vermehrt, sowohl deshalb,

Jahrgang 1896. THeft 19. 1. October 1896.J Bodlaender: Chemie des Cyanidverfahrens. 587

weil mehr Indigo durch das Permanganatzu entfärben ist, als auch, weil das unver-änderte "Wasserstoffsuperoxyd selbst Perman-ganat reducirt.

Wenn trotz der yielen Nebenreactionenund Unvollkommenheiten des Nachweisesdes entstandenen Wasserstoffsuperoxyds nochMengen desselben gefunden wurden , diemehr als 70 Proc. der theoretischen Mengeentsprechen, so ist das als sicherer Beweisdafür anzusehen, dass die Auflösung desGoldes thatsächlich unter intermediärer Bil-dung von Wasserstoffsuperoxyd erfolgt.Dass, wenn nicht besondere Fürsorge fürdie anderweitige Verwendung des Wasser-stoffsuperoxyds getroffen wird, dieses haupt-sächlich zur Auflösung neuer Mengen Goldnach Gleichung (4) benutzt wird, geht dar-aus hervor, dass sich Gold in Cyankalium-lösungen auf Zusatz auch nur geringer Men-gen Wasserstoffsuperoxyd viel schneller löst,als unter sonst gleichen Bedingungen ohneWasserstoffsuperoxyd bei blossem Luftzutritt.Dieser die Auflösung des Goldes sehr be-schleunigende Einfluss des Wasserstoffsuper-oxyds wurde in vielen Versuchen bestätigt.

Die Auflösung des Goldes mit Hilfezweier so indifferenter Stoffe, wie es dasCyankalium und, bei gewöhnlicher Tempera-tur, der Luftsauerstoff sind, ist eine dervielen abnormen Reactionen, die ihre be-friedigende Erklärung nur auf Grund derDissociationstheorie finden können. Wasdie Auflösung des Goldes in Säuren so sehrerschwert, ist der Umstand, dass in denLösungen der einfachen Salze des Goldesdas Metall als positiv geladenes Kation vor-handen ist. Die Verwandtschaft des Goldeszur positiven Elektricität ist so sehr vielgeringer als die des Wasserstoffes zu der-selben, dass der Übergang des Goldes inden Jonenzustand weder unter Entbindungfreien Wasserstoffs erfolgen kann, noch unterZufuhr von fremder Energie, die der Oxy-dation des Wasserstoffs entstammt. Nurdie Intensität, mit der das vom Königswasserentbundene oder das im Chlorwasser gelösteChlor unter Übergang in den JonenzustandElektricität aufnimmt, ist gross genug, umden grossen Energieverbrauch zu compen-siren, den die Aufnahme der positiven La-dungen durch das Gold erfordert. Bei derAuflösung des Goldes in Cyankaliumlösun-gen findet ein solcher Energieverbrauch abergar nicht statt. Hier treten gar keine Gold-ionen auf, oder doch nur eine äusserst ge-ringe Menge derselben. Es bilden sich com-plexe Ionen Au (CN)2, bei deren Bildung dasGold keine positive Ladung aufnehmen muss,da in ihnen das Metall nur der fest gebun-

dene Bestandtheil eines negativen Ions ist.Die feste Bindung, in die das Gold bei derBildung dieser complexen Ionen übergeht,ist in letzter Linie die Ursache, weshalbdie Bildung dieser Jonen mit verhältniss-mässig so grosser Leichtigkeit erfolgt. DieReaction bei der Goldauflösung geht nachdem Schema vor sich:

2 Au (C N)2 4- 4 K + 2 O H + H2 O2.Man könnte die hier nachgewiesene Bil-

dung des Wasserstoffsuperoxyds als eine derUrsachen für den unverhältnissmässig gros-sen Verbrauch an Cyankalium bei der tech-nischen Goldextraction ansehen, da durchRadziszewski3) nachgewiesen worden ist,dass durch Wasserstoffsuperoxyd Cyanwasser-stoff zu Oxamid oxydirt wird:

2 H C N + H2 O2 = C2 O2 N2 H4.Die aus dem Oxamid entbundene Oxal-

säure könnte das Gold wieder ausfällen undso eine erneute Bildung von Wasserstoff-superoxyd bei der Auflösung des ausgefäll-ten Goldes und erneute Zerstörung von Cyan-wasserstoff herbeiführen, die sich häufig wie-derholen könnte. Indessen erfordert dieEinwirkung des Wasserstoffsuperoxyds eineTemperatur von 40° und eine längere Zeit,um erkennbare Mengen Oxamid zu liefern.

Bei Anwendung von reinem Golde kanndie Überführung des Cyanwasserstoffs inOxamid und andere Zersetzungsproductekeine bedeutende Rolle spielen, da nachdem oben mitgetheilten Versuche durch dasCyankalium 90 Proc. der theoretischen MengeGoldes gelöst worden waren. Es wäre abermöglich, dass die Gegenwart von katalytischwirkenden Stoffen in den ausgelaugten Erzen,etwa von Ferrosulfat, die Zerstörung einesTheils des Cyankaliums durch das Wasser-stoffsuperoxyd unter Umständen beschleunigt.

Clausthal, Bergakademie, August 1896.

Über die technische Verwendung vono- und p-Nitrophenol.

VonLudwig Paul, Charlottenburg.

A. Herstellung von o-Nitranisol, Dianisidin,Dianisidinmono- und disulfosäure und o-Amido-

phenol.

Bei der Nitrirung von Phenol entstehenbekanntlich 2 isomere Mononitroverbindun-gen, das o-Nitrophenol, lange, schwefelgelbeNadeln von widerlichem Geruch bildend,

3) Ber. d. d. ehem. Ges. 18, 355, 1885.