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DIE DEUTSCHE KAMMER- PHILHARMONIE BREMEN 12. DEZEMBER 2017 ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL

DIE DEUTSCHE KAMMER- PHILHARMONIE BREMEN · cken, an dem Prokofjew 1935 parallel gearbeitet hatte. Im Stile eines jugendlichen Stürmers präsentiert sich der damals immerhin schon

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Page 1: DIE DEUTSCHE KAMMER- PHILHARMONIE BREMEN · cken, an dem Prokofjew 1935 parallel gearbeitet hatte. Im Stile eines jugendlichen Stürmers präsentiert sich der damals immerhin schon

DIE DEUTSCHE KAMMER- PHILHARMONIE BREMEN

12. DEZEMBER 2017ELBPHILHARMONIE GROSSER SAAL

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Dienstag, 12. Dezember 2017 | 20 Uhr | Elbphilharmonie Großer Saal Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen | 1. Konzert

19 Uhr | Einführung mit Klaus Wiegmann im Großen Saal

DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN VIKTORIA MULLOVA VIOLINE DIRIGENT PAAVO JÄRVI Richard Wagner (1813–1883) Waldweben / Aus: Siegfried WWV 86C (1876) Arrangement von Hermann Zumpe (1850–1903)

ca. 10 Min.

Sergej Prokofjew (1891–1953) Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 63 (1935) Allegro moderato Andante assai – Allegretto Finale. Allegro ben marcato

ca. 25 Min.

Pause

Johannes Brahms (1833–1897) Sinfonie Nr. 4 e-Moll op. 98 (1884–1885) Allegro non troppo Andante moderato Allegro giocoso. Poco meno presto Allegro energico e passionato. Piu allegro

ca. 45 Min.

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»Eine Brahms-Offenbarung«, schwärmte die New York Times nach einem Gastspiel der Deutschen Kammerphilharmonie. Und in der Tat, so durchsichtig und klar hat man den berühmten Hamburger Sohn bisher nur sel-ten gehört. Damit verpassen die Bremer nach ihren fulminanten Beethoven- und Schumann-Zyklen nun auch Brahms eine Frischzellenkur. Zusammen mit ihrem Künstlerischen Leiter Paavo Järvi präsentieren sie die Früchte ihrer Arbeit mit der Vierten Sinfonie auch hier in Hamburg – im ersten von gleich vier Konzer-ten der »DDKB« allein in dieser Saison. Beim heutigen Auftakt steht dem Orchester in Person von Viktoria Mullova zudem eine der besten Geigerinnen der Welt zur Seite.

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VOGELCHÖRE

Richard Wagner: Waldweben aus Siegfried

Ob in Romanen und Erzählungen, ob auf der Schauspiel- oder der Opernbühne – in der Romantik war der Wald ein beliebter Ort für Sagen und Märchen. Auf Schritt und Tritt konnte man hier Feen und Elfen, Zwergen und Riesen, Kobolden und Hexen begegnen. Und weil sich im 19. Jahrhundert Künstler aller Art magisch vom Wald angezogen fühlten, kamen natürlich auch hochrangige Komponisten nicht um ihn herum. Carl Maria von Weber schrieb mit dem Freischütz quasi die erste große Wald-Oper. Aber auch Richard Wagner erkundete als begeisterter Naturbursche nicht nur auf langen Wanderungen Berge und Täler. In seiner Opern-Tetralogie Der Ring des Nibelungen und speziell im dritten Teil Siegfried hat er einen dunklen Zauber-wald zum Dreh- und Angelpunkt dieser mythischen Heldensaga gemacht. Im 2. Akt beispielsweise begegnen wir Siegfried, wie er dem Drachen Fafner auflauert, um ihn zu töten. An einer Quelle wartet der Drachentöter in spe und lässt sich unter einer Linde nieder.

Diese Szene hat Wagner in einer der schönsten musikali-schen Naturschilderungen eingefangen, in dem Orchesterwerk Waldweben. Die Streicher lauschen hier förmlich dem Murmeln des Bachs. Und wie es Wagner im Libretto beschrieben hat, sin-niert Siegfried zu dem idyllischen Waldesrauschen verträumt, wie seine Eltern wohl gewesen sein mögen. In dieser friedvollen Atmosphäre stimmen die Holzbläser Vogelgesänge an, hinter denen Siegfried die Stimme seiner Mutter vermutet.

Von Richard Wagner gibt es von dieser Szene zwar eine eigene Orchesterfassung. Zu hören ist das Waldweben heute aber in einem Arrangement des deutschen Dirigenten Hermann Zumpe (1850–1903), der 1872 von Wagner nach Bayreuth geholt worden war und später als Generalmusikdirektor in München wirkte. GUIDO FISCHER

DIE MUSIK

Richard Wagner und sein Sohn Siegfried (1880)

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NEUE ZEIT, NEUER SCHWUNG

Sergej Prokofjew: Violinkonzert Nr. 2

Wer zu Despoten und Diktatoren ein entspanntes Verhältnis pflegen wollte, der musste von jeher einen sehr guten Wendehals besitzen. Denn wie rasch man in Ungnade fallen konnte, mussten auch namhafteste Künstler in der Sowjetunion unter der blutigen Herrschaft Stalins am eigenen Leibe erfahren. Das vielleicht berühmteste Beispiel dafür ist der Komponist Dmitri Schostakowitsch, der 1936 ins Fadenkreuz der sowjetischen Kunstrichter geraten war und fortan auf dem schmalen Grad zwischen offizieller Anpassung und innerem Widerstand balan-cierte. Doch selbst (etwas) systemkonformere Komponisten wie Sergej Prokofjew bekamen nicht selten heftigen Gegenwind zu spüren. Obwohl der einstige Stalin-Preisträger Prokofjew dem Regime mit entsprechenden Repräsentationsstücken gehuldigt hatte, wurde seine Musik 1948 vom sowjetischen Komponistenverband scharf als »volksfremd« gerügt. Fünf Jahre später verstarb Prokofjew als gebro-chener Mann und Künstler. Und was für eine Ironie des Schicksals: An jenem 5. März 1953 starb auch Josef Stalin – was dazu führte, dass Prokofjews Tod erst mit fünf Tagen Verspätung gemeldet wurde und fast niemand zu seiner Beer-digung kam.

20 Jahre zuvor hatte Sergej Prokofjew bei seiner endgültigen Rückkehr aus New York bzw. Paris 1936 in die mittlerweile sowjetische Heimat noch alles rich-tig gemacht, um dem musikalischen Geschmack der Machthaber gerecht zu werden. So setzte er nun auf eine melodische, verständliche Klangsprache – »ohne aber ins Hausbackene oder Triviale abzugleiten«, wie er einmal betonte.

»In meiner Musik war ich auf eine klare und melodische Sprache aus. Gleichzeitig aber war ich in keiner Weise bemüht, mich mit allgemein bekannten harmonischen und melodischen Wendungen zu schmücken. Darin besteht eben die Schwierigkeit, in einer klaren Sprache zu komponieren – und dass diese Klarheit nicht die alte, sondern eine neue sein muss.«

– Sergej Prokofjew 1937 über seine musikalische Neuorientierung

Bis dahin hatte Prokofjew vor allem im westlichen Ausland eine fulminante Karriere als Pianist und Komponist hingelegt, wobei er seine Werke oftmals mit effektvollen und experimentellen Avantgardismen, mit schrillen Dissonanzen und urwüchsigen Rhythmen spickte. Mit diesen aufreibenden Klängen konnte Prokofjew in Paris oder New York auftrumpfen; in Moskau oder Leningrad hingegen waren sie nun tabu. Prompt schlug Prokof-jew 1935 einen neuen musikalischen Weg ein, und zwar mit sei-nem Zweiten Violinkonzert, das rasch auch in der Sowjetunion großen Anklang fand.

In Auftrag gegeben hatte das Werk der französische Geiger Robert Soëtans, der es 1935 in Madrid erfolgreich aus der Taufe hob. Komponiert hatte es Prokofjew aber »in den verschiedens-ten Ländern, wodurch es zum Spiegelbild meines nomaden- haften Konzertierens wurde. So entstand das Hauptthema des ersten Satzes in Paris, das Thema des zweiten Satzes in Woro-nesch [500 km südlich von Moskau], die Instrumentation wurde in Baku abgeschlossen.«

So international sich die Genese des Zweiten Violinkonzerts liest – im Mittelpunkt steht eine russisch gefärbte Melodik. Gleich den ersten Satz eröffnet Prokofjew mit einem rhapso-dischen Thema, das die Solovioline unbegleitet vorstellt. Aus diesem bittersüßen Gesang entwickelt sich rasch ein enorm ausdrucksintensiver, sich bis ins bärbeißig Virtuose steigernde Dialog zwischen Violine und Orchester, bei dem es zwischen-durch dennoch immer wieder zu höchst empfindsamen Ruhe-punkten kommt. Melancholischen Atem besitzt auch der lang-same Satz. Und wer will, kann hier und da eine musikalische Verwandtschaft zum berühmten Ballett Romeo und Julia entde-cken, an dem Prokofjew 1935 parallel gearbeitet hatte.

Im Stile eines jugendlichen Stürmers präsentiert sich der damals immerhin schon 44-jährige Prokofjew schließlich im Finalsatz. Brillant, mit starken rhythmischen Impulsen treibt er den tänzerischen Gestus an. Kastagnetten sorgen für ein leicht spanisches Kolorit. Und als extrem fulminant erweist sich der irrwitzige Schlussspurt, den Sologeige und Orchester gemein-sam bis zur Ziellinie hinlegen. GUIDO FISCHER

DIE MUSIK

Sergej Prokofjew an seinem Schreibtisch in New York (1918)

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EINHEIT IN DER VIELFALT

Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 4

»Leider nicht von Johannes Brahms.« So kommentierte der Hamburger Kom-ponist den berühmten Donauwalzer von Johann Strauß (Sohn). In den 1880er und 1890er Jahren hatte Brahms vermehrt den Kontakt zu Strauß gesucht. Man traf sich zu Hause in Wien oder im Urlaub im berühmten österreichischen Kur-ort Bad Ischl, wo beide Komponisten gerne die Sommer verbrachten. Bei einer ihrer zahlreichen Begegnungen in Strauß’ Villa im Jahr 1894 entstand auch das hier abgedruckte Foto.

Schon rein optisch bieten die beiden ja einen merkwürdigen Konstrast: Links der schnieke, weltläufig gekleidete Walzerkönig mit adrett onduliertem Schnauz-bart und Pomade im Haar; rechts der zauselige, sackartig gewandete, acht Jahre jüngere (!) Akademiker Dr. Johannes Brahms (auf den Dr. legte er großen Wert). In ihrem Erscheinungsbild spiegeln beide Komponisten den Stil ihrer Musik wider: Während Strauß eingängige Hits für die im Walzertakt taumelnden Mas-sen aus dem Ärmel schüttelte, brütete Brahms jahrelang über seinen Partituren, deren Komplexität sich vom bloßen Hören her kaum erschließen lässt.

Die Beziehung war jedoch eher einseitiger Natur. Während Brahms fröhlich zu jeder Operettenpremiere seines »liebsten Kollegen« pilgerte, sah Strauß »voll scheuer Bewunderung zu Brahms auf als zu einer allgemein beglaubigten Autorität, mit der nicht gut Kirschen essen sei«, wie es Brahms’ Biograf Max Kalbeck formulierte. Brahms’ freundschaftliche Zuneigung ging sogar so weit, dass er die Donauwalzer-Melodie einmal testweise als Kontrapunkt in den Anfang seiner Vierten Sinfonie einkomponierte. Die kollegiale Geste mutet rührend an, wenn man sich vor Augen hält, welche krassen musikästhetischen Gegensätze hier aufeinanderprallen.

Hinter Brahms’ Interesse steckte die Hochachtung für einen Musiker, dem es wie keinem anderen gelungen war, »dem Volk aufs Maul zu schauen«. Denn auch wenn Brahms seine Werke – gerade in seinen späten Jahren – mit fast mathe-matischer Logik konstruierte, so war ihm Volkstümlichkeit doch immer als ein lohnenswertes Ideal erschienen. Nun, im Falle seines Wiegenliedes Guten Abend, gut’ Nacht ist ihm dies ja auch gelungen. Bei der Vierten Sinfonie dagegen waren sich seine Zeitgenossen nicht so sicher. Brahms’ enge und kunstverständige Freundin Elisabeth von Herzogenberg etwa artikulierte ihre Skepsis in einem Brief: »Mir ist, als wäre diese Schöpfung zu sehr auf das Auge des Mikroskopi-kers berechnet, als lägen die Schönheiten nicht für jeden einfachen Liebhaber offen da, und als wäre es eine kleine Welt für die Klugen und Wissenden, an der das Volk, das im Dunkeln wandelt, nur einen schwachen Anteil haben könnte.«

Johann Strauß (Sohn) und Johannes Brahms (1894)

DIE MUSIK

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Der Brahms eigentlich freundlich gesonnene Kritiker Eduard Hanslick maulte nach einer Probe des ersten Satzes, er fühle sich, als ob er »von zwei schrecklich geistreichen Leuten durch-geprügelt« worden sei. Und bis heute kursiert unter Musikern eine hämische Textunterlegung des Anfangs: »Es fiel / ihm wie- / der gar / nichts ein.«

Nett ist das nicht – und zutreffend auch nicht. Denn erstens bietet diese grandiose Musik natürlich einen wunderbaren Hör-genuss. Und zweitens fiel Brahms jede Menge ein, unter ande-rem die verblüffende Idee, den Großteil des ersten Satzes und weite Teile der gesamten Sinfonie aus einem einzigen Inter-vall heraus zu entwickeln, der Terz nämlich. Das verunglimpfte Hauptthema des Kopfsatzes etwa besteht ausschließlich aus Terzen, sieben abfallenden und sieben aufsteigenden. Damit man der Melodie die Konstruktion nicht anhört, wich Brahms allerdings bei jedem zweiten Ton auf das Komplementär-Inter-vall aus, die Sexte (siehe Kasten links).

Die Entwicklung der Musik aus dieser Urzelle heraus ist in der Partitur so omnipräsent, dass Brahms sogar die üblichen Formteile eines Sonatensatzes aufweicht, um sein Konzept ungestört verfolgen zu können. Den Mittelteil (»Durchführung« genannt) etwa bemerkt man erst gar nicht, weil er sich als wort-wörtliche Wiederholung des Beginns tarnt. Und die Wiederkehr des A-Teils ist nicht mit viel Bombast inszeniert wie in Sinfonien anderer Komponisten, sondern geschieht ganz organisch, quasi im Vorbeigehen. Der Komponist und Musiktheoretiker Arnold Schönberg hat diese typisch Brahms’sche Technik später unter dem Titel Brahms the Progressive analysiert und als Wegweiser in die musikalische Zukunft und die von ihm proklamierte Zwölf-tonmusik gedeutet, als Sieg der musikalischen Logik.

Nach diesem elaborierten Kopfsatz folgt ein langsamer Satz im wiegenden Sechsachteltakt. In seiner ruhigen Schönheit scheint er auf ewig um sich selbst zu kreisen, in ständig neuen Variationen. An dritter Stelle setzt Brahms ein zackig stampfen-des Scherzo, das wie ein derber Volkstanz wirkt.

Das Finale schließlich ist, kaum zu glauben, noch systema-tischer konstruiert als der Kopfsatz. Das bringt schon die Form mit sich, die Brahms wählt: eine Passacaglia. Dieses strenge barocke Modell beruht auf einem unverändert wiederholten

Bass-Schema, über dem eine Folge melodischer Variationen erklingt. Der Pachelbel-Kanon ist ein gutes Beispiel für diese Form. Brahms kam das Konzept sehr entgegen. Einem Freund schrieb er: »Bei einem Thema mit Variationen bedeutet mir eigentlich nur der Bass etwas. Aber dieser ist mir heilig. Er ist der feste Grund, auf dem ich meine Geschichten baue. Was ich mit der Melodie mache, ist nur Spielerei.«

Ergo ist das Thema dieses Satzes eben keine Melodie, son-dern eine feste Folge von Akkorden. Diese entlehnte Brahms wiederum aus Johann Sebastian Bachs Kantate Nach dir, Herr, verlanget mich BWV 150. Erst kurz zuvor war die Kantate im jüngsten Band der Bach-Gesamtausgabe erschienen, die Brahms natürlich abonniert hatte. Die kompromisslose Umset-zung seines Plans bescherte Brahms am Ende eine herbe, im Finale gar düstere Sinfonie, die nicht auf Anbiederung ausgelegt war. Ein Umstand, der ihm sehr wohl bewusst war.

Zu Papier gebracht hatte er die Partitur in den Sommermo-naten 1884 und 1885 im steirischen Mürzzuschlag, einem ande-ren seiner Sommerdomizile. Mit Blick auf das dortige Klima schrieb er an die bereits erwähnte Elisabeth von Herzogenberg: »In der hiesigen Gegend werden die Kirschen nicht süß und ess-bar – wenn Ihnen das Ding also nicht schmeckt, so genieren Sie sich nicht.« War es da ein Wunder, dass sich die Freundin zunächst abschrecken ließ?

Der durchschlagende Erfolg blieb Brahms’ letzter Sin-fonie allerdings nicht lange verwehrt. Er selbst dirigierte bei der umjubelten Uraufführung 1885 die Meininger Hofkapelle. Anschließend nahm der Dirigent Hans von Bülow das Werk mit auf Tournee, elektrisiert von seiner »beispiellosen Energie«, und machte es so in ganz Europa bekannt. Auch der damalige Zweite Kapellmeister von Meiningen, ein 21-jähriger Jüngling namens Richard Strauss, äußerte sich zutiefst beeindruckt und schwärmte vom zweiten Satz als einem »Trauerzug, der sich still über mondbeglänzte Höhen bewegt«. Am Ende war sogar die kritische Elisabeth von Herzogenberg überzeugt: »Je tiefer ich in das Stück hineingucke, desto mehr Sterne tauchen auf, und desto deutlicher wird der durchgehende Zug, der aus der Vielheit eine Einheit macht.«

CLEMENS MATUSCHEK

Johannes Brahms in seiner Hausbibliothek

DIE MUSIK

KLEINE INTERVALL-LEHRE

Im europäischen Tonsystem besteht eine Tonleiter aus acht Tönen, die eine Oktave bilden, z.B. von c bis c1. Die Intervalle werden vom Grund- ton aus gezählt, wobei sich immer zwei Intervalle zur vollen Oktave ergänzen:

c-c Prime c-d Sekunde c-e Terz c-f Quarte c-g Quinte c-a Sexte c-h Septime c-c1 Oktave

DIE MUSIK

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VIKTORIA MULLOVA VIOLINEMit ihrer außerordentlichen Vielseitigkeit und musikalischen Integrität zählt Viktoria Mullova zu den gefragtesten Geigerin-nen weltweit. Nach ihrem Studium in Moskau erregte sie inter-nationale Aufmerksamkeit, als sie 1980 den Ersten Preis beim Sibelius-Wettbewerb in Helsinki sowie 1982 die Goldmedaille beim Tschaikowsky-Wettbewerb gewann. 1983 folgte ihre von einem großem Medienecho begleitete dramatische Flucht aus der Sowjetunion in den Westen während einer Konzertreise. Seither musiziert sie mit den besten Orchestern und Dirigenten der Welt und tritt bei allen großen internationalen Festivals auf.

Mullovas Interesse gilt der musikalischen Bandbreite vom barocken und klassischen Repertoire bis hin zu zeitgenössi-schen Werken und den aktuellen Entwicklungen im Bereich Fusion und Experimentalmusik. Gefeiert wurde sie einerseits für ihre Bach-Interpretationen – »Viktoria Mullova Bach spie-len zu hören ist eine der großartigsten Erfahrungen, die man machen kann«, jubelte The Guardian. Andererseits begeis-tert sie sich auch für Jazz, Welt- und Popmusik, wie auf dem Album Through the Looking Glass zu hören ist. Auf der Platte The Peasant Girl ergründet sie ihre ukrainischen Wurzeln und den Einfluss der Gypsy-Musik auf Klassik und Jazz im 20. Jahrhun-dert. Ihre Liebe zu brasilianischen Liedern inspirierte ihr Projekt Stradivarius in Rio. Auf Mullovas jüngster, begeistert aufgenom-mener CD widmet sie sich Werken Prokofjews.

Zu Höhepunkten der aktuellen Saison zählen neben ihrer Tournee mit Paavo Järvi und der Deutschen Kammerphilhar-monie auch jene mit dem Estonian Festival Orchestra, auf der sie die Violinkonzerte von Brahms und Sibelius spielt. Mit der Geneva Camerata ist sie außerdem auf Tournee in Asien. Kon-zerte mit den Bamberger Symphonikern führen sie nach Bam-berg und Spanien. Darüber hinaus ist sie bei der Uraufführung von Pascal Dusapins At Swim – Two Birds mit Matthew Barley und dem Radio Filharmonisch Orkest zu erleben sowie in Auf-führungen mit dem Radionsinfonieorchester des italienischen RAI, dem Gewandhausorchester und dem Orchestre National de France.

DIE KÜNSTLER

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DIRIGENT PAAVO JÄRVI Der estnische Dirigent und Grammy-Preisträger Paavo Järvi ist seit 2004 Künst-lerischer Leiter der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen. Darüber hinaus ist er Chefdirigent des NHK Symphony Orchestra Tokio.

Mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gab er weltweit umjubelte Konzerte mit dem Beethoven-Zyklus, der von der Kritik hoch gelobt wurde. 2010 wurde er für die Aufnahme der Sinfonien Nr. 2 und Nr. 6 mit dem Echo Klassik als Dirigent des Jahres geehrt. Im Anschluss setzte sich Järvi mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen ebenso erfolgreich mit dem sinfonischen Schaf-fen Robert Schumanns auseinander. Das erste Schumann-Album wurde auf NDR Kultur gleich als »CD der Woche« vorgestellt. »Damit ist dem Bremer Dream-team unter Leitung von Järvi erneut ein großer Wurf gelungen«, lobte WDR 3. »Auch bei Schumann führt kein Weg an der Kammerphilharmonie vorbei.«

Paavo Järvi ist außerdem künstlerischer Berater des Estonian National Sym-phony Orchestra sowie des Järvi Sommer Festivals im estnischen Pärnu. In sei-nen Programmen legt er besonderen Schwerpunkt auf Werke estnischer Kom-ponisten wie Arvo Pärt, Erkki-Sven Tüür, Lepo Sumera und Eduard Tubin. Als Gastdirigent arbeitet er regelmäßig mit renommierten Orchestern wie dem Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, dem Philharmonia Orchestra London, den Wiener und Berliner Philharmonikern, der Staatskappelle Dresden sowie mit dem New York Philharmonic, dem Chicago und dem Los Angeles Symphony Orchestra. Bis 2016 war er zudem Musikdirektor des Orchestre de Paris.

Im Rahmen der alljährlichen Verleihung der renommierten Gramophone Classical Music Awards in London wurde Paavo Järvi 2015 mit der Auszeichnung »Künstler des Jahres« geehrt; das Magazin Diapason wählte ihn zum »Künstler des Jahres«. 2012 erhielt er den französischen Orden »Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres«.

Geboren wurde Paavo Järvi in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Er ent-stammt einer echten Musikerdynastie: Sein Vater Neeme ist ebenso Dirigent wie sein jüngerer Bruder Kristjan. Paavo Järvi lernte aber erst einmal Schlag-zeug – eine zeitlang spielte er sogar in einer Rockband. Er studierte in seiner Heimatstadt und zog 1980 mit seiner Familie in die USA, um seine Ausbildung am Curtis Institute of Music und am Los Angeles Philharmonic Institute unter Leonard Bernstein fortzusetzen.

DIE KÜNSTLER

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Im Anschluss setzten sich Die Deutsche Kammerphilharmo-nie Bremen und Paavo Järvi ebenso erfolgreich mit den Sinfo-nien Robert Schumanns auseinander, für deren Einspielung das Orchester den Diapason d’Or der französischen Musikzeitschrift Diapason erhielt. Seit einigen Jahren hat sich das Orchester nun einem neuen sinfonischen Großprojekt zugewandt: den vier Sinfonien von Johannes Brahms.

Daneben widmen sich die Orchestermitglieder mit großem persönlichen Engagement den gemeinsamen Projekten mit der Gesamtschule Bremen-Ost, in deren Gebäude sich seit einigen Jahren die Probenräume des Orchesters befinden. Die daraus erwachsene Zusammenarbeit wurde seit Beginn mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, darunter 2007 mit dem »Zukunfts- award« als »beste soziale Innovation«. Die Musiker verfolgen hier das Ziel, individuelles Wachstum – gerade auch, aber nicht nur in bildungsferner Umgebung – mittels Musik zu fördern. 2009 ernannte der Staatsminister für Kultur das »Zukunfts- labor« der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen zum Modellprojekt.

2008 erhielt Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen für die gelungene Verbindung von Unternehmertum und Kultur den renommierten Deutschen Gründerpreis. 2009 gewannen gleich drei ihrer CD-Produktionen einen von inzwischen sieben Echo Klassik. 2010 wurde sie als erstes Orchester für ihr editorisches Gesamtwerk von Bach bis Ruzicka mit der Ehrenurkunde des Preises der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet; Paavo Järvi erhielt für die Beethoven-Aufnahmen den Echo Klassik als Dirigent des Jahres 2010. Deutschlandfunk Kultur zeichnete die Kammerphilharmonie 2016 als »Orchester des Jahres« aus.

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen gastierte in den vergangenen Jahren regelmäßig in der Laeiszhalle; ihren Ein-stand in der Elbphilharmonie feierte sie im März 2017. Auch in dieser Saison ist das Orchester mit vier Konzerten in Hamburg präsent (siehe Vorschau auf der nächsten Seite).

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen ist eines der führenden Orchester und begeistert mit ihrem einzigartigen Musizierstil weltweit ihr Publikum. Künst-lerischer Leiter ist seit 2004 der estnische Dirigent Paavo Järvi.

Ein Höhepunkt ihrer langjährigen erfolgreichen Zusammenarbeit war das Beethoven-Projekt, auf das sich Dirigent und Orchester sechs Jahre lang kon-zentrierten. Weltweit wurden ihre Beethoven-Konzerte von Publikum und Presse als maßstabsetzend gefeiert. Mit dem gesamten Zyklus der neun Sinfonien begeisterten sie unter anderem in Paris, Tokio, Straßburg, Warschau, São Paulo sowie bei den Salzburger Festspielen und dem Beethovenfest Bonn. Auch die CD-Einspielung wurde von Kritikern weltweit gefeiert. Darüber hinaus entstand eine mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete TV- und DVD-Dokumentation über das Projekt von der Deutschen Welle und Unitel.

DIE DEUTSCHE KAMMERPHILHARMONIE BREMEN

DIE KÜNSTLER

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JOSEPH HAYDN DIE JAHRESZEITENGleich mehrfach beglücken die fulminanten Musiker der Deut-schen Kammerphilharmonie Bremen in dieser Saison das Ham-burger Publikum. Schon im Februar kommen sie mit Haydns Oratorium Die Jahreszeiten zurück, das nach der Schöpfung das nächste Meisterwerk des großen Wiener Klassikers darstellt. Mit seinen vielen tonmalerischen Elementen und eindringlichen Naturschilderungen – darunter ein Weinfest mit tanzenden Bau-ern und ein dramatischer Sturm – gehört das Werk zu Haydns beliebtesten Klangschöpfungen. Unterstützt wird die »DDKB« durch die Sänger der Gaechinger Cantorey unter ihrem Leiter Hans-Christoph Rademann und drei hervorragenden Solisten.

7. Februar 2018 | Laeiszhalle Großer Saal

VIOLINE ISarah Christian*Daniel Sepec*Timofei BekassovStefan LatzkoKonstanze LerbsHozumi MurataHanna NebelungKatherine RoutleyJohannes HaaseZuzana Schmitz-Kulanova

VIOLINE IIJörg Assmann**Matthias CordesGunther SchwiddessenBeate WeisKonstanze GlanderAstrid KumkarEmma YoonHannah Zimmer

VIOLAFriederike Latzko**Anja MantheyJürgen WinklerTomohiro AritaFederico CarraroMaria Scheid

VIOLONCELLOMarc Froncoux**Tristan CornutUlrike RübenStephan SchraderVolker BohnsackLeander Kippenberg

KONTRABASSMatthias Beltinger**Juliane BruckmannKlaus LeopoldStefan Preyer

FLÖTEBettina WildUlrike Höfs

OBOERodrigo BlumenstockUlrich König

KLARINETTEMatthew HuntMaximilian Krome

FAGOTTRie KoyamaFrancisco EstebanUlrich Kircheis

HORNElke Schulze HöckelmannMarkus KünzigJakob KnauerThomas Sonnen

TROMPETEChristopher DickenBernhard Ostertag

POSAUNEOliver MeißnerBarbara LeoLars Henning Kraft

PAUKE & SCHLAGWERKStefan RappRaúl Camarasa

** Konzertmeister** Stimmführer

Es ist nicht gestattet, während des Konzerts zu filmen oder zu fotografieren.

IMPRESSUMHerausgeber: HamburgMusik gGmbHGeneralintendanz: Christoph Lieben-SeutterGeschäftsführung: Jack F. KurfessRedaktion: Clemens Matuschek, Simon Chlosta, Laura EtspülerLektorat: Reinhard HellingGestaltung und Satz: breeder typo – alatur, musialczyk, reitemeyerDruck: Flyer-Druck.de

Anzeigenvertretung: Antje Sievert, +49 40 450 698 03, [email protected]

BILDNACHWEISRichard Wagner und Sohn Siegfried (unbezeichnete Fotografie); Sergej Prokofjew (Library of Congress); Johannes Brahms (beide Brahms-Institut Lübeck); Viktoria Mullova (Henry Fair); Paavo Järvi (Julia Bayer); Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen (Oliver Reetz); Joseph Haydn (Royal College of Music)

BESETZUNG VORSCHAU

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WIR DANKEN UNSEREN PARTNERN

PRINCIPAL SPONSORSBMWMontblancSAP

FÖRDERSTIFTUNGENStiftung ElbphilharmonieKlaus-Michael Kühne StiftungKörber-StiftungHans-Otto und Engelke Schümann StiftungHaspa Musik StiftungHubertus Wald StiftungErnst von Siemens MusikstiftungCyril & Jutta A. Palmer StiftungMara & Holger Cassens StiftungHonorarkonsulat der Tschechischen Republik Hamburg

Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e.V.

MEDIENPARTNERNDRDer SpiegelByte FMVAN MagazinNDR Kultur

PRODUCT SPONSORSCoca-ColaHaweskoLavazzaMeßmerRicolaRuinartStörtebeker

CLASSIC SPONSORSAurubisBankhaus BerenbergCommerzbank AGDG HYPGALENpharmaHamburger FeuerkasseHamburger SparkasseHamburger VolksbankHanseMerkur VersicherungsgruppeHSH NordbankJyske Bank A/SKRAVAG-VersicherungenM.M.Warburg & CO

ELBPHILHARMONIE CIRCLE

ALS OFFIZIELLER WEINPARTNER DER ELBPHILHARMONIE BEGRÜSSEN WIR HAMBURGS NEUES WAHRZEICHEN FÜR KULTUR.

ES IST DAS BESONDERE, DAS WELLEN SCHLÄGT.

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W W W. E L B P H I L H A R M O N I E . D E