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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 3 16. Jahrgang · Nr. 4/2014 Ständige Rubriken Testiertes interaktives Selbststudium 11 Kommentar des Herausgebers 15 Impressum 35 Buchbesprechungen (Seiten 36, 52) 36 Who is who 50 Pharmazeutisch-onkologische Apps 59 EDITORIAL Inhalt Das CUP-Syndrom 4 Klug auswählen Übertherapie in der Onkologie 12 13. NZW-Süd in München 16 Tiere als Krebspatienten 30 DGHO Jahrestagung 2014 32 Krebs und Adipositas: Eine therapeutische Herausforderung 38 Die Photodynamische Therapie Eine Option in der palliativen Behandlung von Gallengangtumoren 46 Die Diagnose "Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor" wird gestellt, wenn eine Geschwulst als Metastase identifiziert wurde, sich der Primärtumor aber trotz umfang- reicher Untersuchungen nicht fin- den lässt. Symptome und Verlauf des CUP-Syndroms (Cancer of Unknown Primary) unterscheiden sich von Patient zu Patient sehr stark. Über die Biologie dieser Erkrankungen ist weiter- hin nur wenig bekannt, obwohl in den letzten Jahrzehnten neue und verfeinerte Diagnoseverfahren etabliert wurden. Die wenigsten Patienten überleben die nächsten zwei Jahre nach der Diagnose. Seit 2004 arbeitet in der AIO eine Arbeitsgruppe CUP- Syndrom 1 . Diese stellte fest „Die Forschung zum CUP-Syndrom fristet gemessen an der Häufigkeit der Erkrankung (2–4% aller Tumorerkrankungen) weiter ein Schattendasein.“ 2 „… In der Fläche wird weiter meist empirisch oder orientiert an Expertenmeinung behandelt, wobei viel zu oft jeder Arzt sein eigener Experte ist 3 .“ Deshalb rekrutieren Mitglieder der Arbeitsgruppe Patienten für die von ihnen initiierte prospek- tiv randomisierte PACET-CUP- Studie (Paclitaxel/Carboplatin mit und ohne Cetuximab bei CUP-Syndrom). Da der Schlüssel für die Behandlung dieser seltenen Erkrankung deren Diagnostik und prognostische Einordnung ist, finden Sie, liebe Leser, im vorliegenden Heft hochkarä- tige Beiträge zu dieser Thematik. Neben den Berichten vom NZW-Süd und der DGHO Jahrestagung 2014 ergänzen wei- tere Beiträge wie Übertherapie in der Onkologie, Krebs und Adipositas und Photodynamische Therapie als Option in der palliativen Behandlung von Gallengangtumoren das breit gefächerte Fachwissen für onkologisch tätige Pharmazeuten in der Praxis. … und sicher haben Sie bereits in Ihrem persönli- chen Fortbildungskalender für 2015 einen der nächs- ten NZWs oder ein Seminar in der FortbildungsAkademie ONKOLOGISCHE PHARMAZIE“ notiert (www.nzw.de; http:// fortbildungsakademie.de). Ihre Karla Domagk 1 Arbeitsgemeinschaſt Internissche Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaſt e.V. 2 hp://www.aio-portal.de/index.php/informaonen-2011-353. html vom 19.10.2014 3 hp://www.aio-portal.de/index.php/113.html vom 19.10.2014

Die Diagnose Krebserkrankung bei EDITORIAL · 2019-03-19 · Krebs und Adipositas: Eine therapeutische Herausforderung 38 Die Photodynamische Therapie Eine Option in der palliativen

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 3

16. Jahrgang · Nr. 4/2014

Ständige Rubriken

Testiertes interaktives Selbststudium 11

Kommentar des Herausgebers 15

Impressum 35

Buchbesprechungen (Seiten 36, 52) 36

Who is who 50

Pharmazeutisch-onkologische Apps 59

ED

ITO

RIA

L

Inhalt

Das CUP-Syndrom 4

Klug auswählen Übertherapie in der Onkologie 12

13. NZW-Süd in München 16

Tiere als Krebspatienten 30

DGHO Jahrestagung 2014 32

Krebs und Adipositas: Eine therapeutische Herausforderung 38

Die Photodynamische Therapie Eine Option in der palliativen Behandlung von Gallengangtumoren 46

Die Diagnose "Krebserkrankung bei unbekanntem Primärtumor" wird gestellt, wenn eine Geschwulst als Metastase identifiziert wurde, sich der Primärtumor aber trotz umfang-reicher Untersuchungen nicht fin-den lässt.

Symptome und Verlauf des CUP-Syndroms (Cancer of Unknown Primary) unterscheiden sich von Patient zu Patient sehr stark. Über die Biologie dieser Erkrankungen ist weiter-hin nur wenig bekannt, obwohl in den letzten Jahrzehnten neue und verfeinerte Diagnoseverfahren etabliert wurden. Die wenigsten Patienten überleben die nächsten zwei Jahre nach der Diagnose.

Seit 2004 arbeitet in der AIO eine Arbeitsgruppe CUP-Syndrom 1. Diese stellte fest „Die Forschung zum CUP-Syndrom fristet gemessen an der Häufigkeit der Erkrankung (2–4% aller Tumorerkrankungen) weiter ein Schattendasein.“ 2 „… In der Fläche wird weiter meist empirisch oder orientiert an Expertenmeinung behandelt, wobei viel zu oft jeder Arzt sein eigener Experte ist 3.“ Deshalb rekrutieren Mitglieder der Arbeitsgruppe Patienten für die von ihnen initiierte prospek-tiv randomisierte PACET-CUP- Studie (Paclitaxel/Carboplatin mit und ohne Cetuximab bei CUP-Syndrom).

Da der Schlüssel für die Behandlung dieser seltenen Erkrankung deren Diagnostik und prognostische Einordnung ist, finden Sie, liebe Leser, im vorliegenden Heft hochkarä-tige Beiträge zu dieser Thematik. Neben den Berichten vom NZW-Süd und der DGHO Jahrestagung 2014 ergänzen wei-tere Beiträge wie Übertherapie in der Onkologie, Krebs und Adipositas und Photodynamische Therapie als Option in der palliativen Behandlung von Gallengangtumoren das breit gefächerte Fachwissen für onkologisch tätige Pharmazeuten in der Praxis.

… und sicher haben Sie bereits in Ihrem persönli-chen Fort bil dungs kalender für 2015 einen der nächs-ten NZWs oder ein Seminar in der FortbildungsAkademie „ONKOLOGISCHE PHARMAZIE“ notiert (www.nzw.de; http://fortbildungsakademie.de).

Ihre Karla Domagk

1 ArbeitsgemeinschaftInternistischeOnkologieinderDeutschenKrebsgesellschafte.V.

2 http://www.aio-portal.de/index.php/informationen-2011-353.htmlvom19.10.2014

3 http://www.aio-portal.de/index.php/113.htmlvom19.10.2014

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4 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Das CUP-Syndrom

Das CUP-SyndromPrognosegruppen und therapeutische Strategie

Von Gerhard Fischer und Martin Heuschmid, Ravensburg

Trotz verbesserter diagnostischer Möglichkeiten ist das CUP-Syndrom (“cancer of unknown primary“) häufig eine Herausforderung im klinischen Alltag. Unter diesem

Begriff finden sich jedoch sehr heterogene Krankheitsbilder mit einem breiten Spektrum an Manifestationsformen. Entsprechend schwierig sind die Einschätzung der Prognose und die Wahl der Therapie.Durch verbesserte Bildgebung, immunhistochemische und molekulare Diagnostik besteht neuerdings die Möglichkeit, durch Zuordnung in definierte Subgruppen eine präzisere Prognoseabschätzung vorzunehmen und die bestmögliche Therapie zu wählen.

EpidemiologieDas CUP-Syndrom, definiert als eine meta-stasierte Tumorerkrankung, bei der trotz intensiver Diagnostik der Primärtumor nicht identifiziert werden konnte, ist eine häufige Erkrankung. Die Inzidenz beträgt in westli-chen Industrienationen 6-16/100.000, ent-sprechend 2-4 % aller Tumorerkrankungen [1]. Mit einer Mortalität von 8,4/100.000 [RKI 2010] liegt es immerhin an 7. Stelle der Todesursachen bei bösartigen Erkrankungen.

Durch Fortschritte in der Bildgebung, ins-besondere durch die PET-CT gelingt es zwar zunehmend, bisher okkulte Primär-tumoren zu identifizieren, sodass seit der Jahrtausendwende sogar ein leichter Rückgang der Inzidenz zu verzeichnen ist,

jedoch stellt das CUP-Syndroms weiterhin eine häufige Herausforderung im klinischen Alltag dar.

Das mittlere 5-Jahres-Überleben dieser Gesamtpopulation beträgt trotz der medi-zinischen Entwicklung in den letzten Jahren weiterhin nur ca. 10% [2]. Die individuelle Prognose ist jedoch sehr variabel und reicht vom Langzeit-Überleben bis hin zu der kur-zen Überlebenswahrscheinlichkeit von weni-gen Wochen [3]; (Abb. 1).

So konnte in Untersuchungen gezeigt werden, dass Patienten mit einer solitä-ren Organmetastase oder einer befallenen Lymphknotenregion eine deutlich bessere Prognose mit bis zu 30% Langzeit-Überleben

haben [4,5] , Patienten mit disseminiertem Organbefall, insbesondere bei schlechtem Allgemeinzustand, aber unabhängig von der Therapie nur ein mittleres Überleben unter 12 Monaten.

Liegen noch weitere negativ-prädik-tive Faktoren wie hohes Alter, reduzierter Allgemeinzustand (ECOG >2) und erhöhte LDH vor, muss von einer primär infausten Prognose und einer mittleren Überlebenszeit von ca. 3 Monaten ausgegangen werden [3]. Hier sollten ein kausaler Therapieansatz kri-tisch überprüft werden und symptomorien-tierte palliativ-medizinische Maßnahmen im Vordergrund stehen.

Prognostische Subgruppen

Eine gute Prognose bis hin zur Möglichkeit des Langzeitüberlebens besteht bei 8 klar abgegrenzten prognostischen Subgruppen [6], die aber leider nur etwa 15% der Betroffenen einschließen. In diesen Fällen ist eine ent-sprechende spezifische Therapie erfolgver-sprechend. Die Kenntnis dieser definierten

OBERSCHWABENKLINIK

Abbildung 1

Hübner, G, Tamme C, Schöber C et al. (1989) Prognostically different subgroups in patients with carcinoma of unknown primary.

Z Antimikrob Antineopl Chemoth (Suppl 1): A16

I: Primär lokalisierte Erkrankung

Eine solitäre Organmetastase oder Metastasierung in nur einer Lymphknotenregion

Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 20 Monate, die 5-Jahresüberlebensrate 30-35%

II: Primär disseminierte Erkrankung

Primär disseminierter Organbefall ± LK-Befall. Keine Kriterien der Gruppe III

Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 7 Monate, die 5-Jahresüberlebensrate ca. 5%

III: Primär infauste Prognose

Primär disseminierter Organbefall ± LK-Befall. biol. Alter > 70, red. AZ (ECOG > 2)

Die mittlere Überlebenszeit beträgt ca. 3 Monate, kein Patient lebt länger als 2 Jahre

Abb. 1

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 5

Das CUP-Syndrom

OBERSCHWABENKLINIK

Abbildung 2

Subgruppen ist daher Voraussetzung für eine sinnvolle Therapie (Abb. 2).

Bildgebende Diagnostik

Mit der Diagnose CUP-Syndrom ist meist eine diagnostische Bildgebung verbun-den, die weitere Erkenntnisse über Aus-maß und möglichen Ursprungsort der Erkrankung bringen soll. Ziel ist dabei, aus der Bildgebung Handlungskonsequenzen für die Therapie abzuleiten. Es gilt, entspre-chende Patientengruppen zu separieren, die einer zielgerichteten Therapie zugeführt werden können, wie das okkulte Maligne Melanom oder das zervikale CUP-Syndrom. Ein kostenintensiver und ungerichteter Einsatz der unterschiedlichen bildgebenden Verfahren sollte hingegen vermieden wer-den, zumal deren Ergebnisse nicht zwangs-läufig ein verbessertes Behandlungskonzept für die Patienten implizieren [7]. Beim CUP bestimmen Histologie und Lokalisation der Erkrankung meist die therapeutische Strategie.

Bei Patienten mit CUP-Syndrom gilt inzwi-schen die Durchführung einer sogenannten Ganzkörper-Computertomographie als Basisdiagnostik in der Bildgebung [8]. Der Untersuchungsbereich umfasst die Bereiche

Kopf-Hals, Thorax, Abdomen sowie Becken und kann bei medizinischer Notwendigkeit auch auf die unteren Extremitäten ausge-weitet werden. Die Computertomographie wird unter Verwendung von intravenösen nicht-ionischen jodhaltigen Kontrastmitteln in ihrer Aussagekraft verbessert. Die hohe Verfügbarkeit von CT-Scannern, die Kosten-effizienz sowie die kurzen Untersuchungs-zeiten sind nur einige Vorteile der CT bei Patienten mit CUP [9]. Die diagnostische Wertigkeit der CT beim CUP zeigt bei unter-schiedlichen Autoren eine Detektionsrate des Primärtumors von 16-50% [10-12]. Der Einsatz konventioneller Röntgen-Untersuchungen wie beispielsweise des Thorax sowie die Sonographie abdominel-ler Organsysteme als alleinige bildgebende Diagnostik sind beim CUP-Syndrom hin-gegen nicht ausreichend.

Durch die hohe Weichteilauflösung und die fehlende Strahlenexposition der Magnetresonanztomographie (MRT) ist deren Einsatz in der onkologischen Diagnostik zu empfehlen, in den Punkten Kosten, Verfügbarkeit und Länge der Untersuchungszeiten ist sie jedoch der CT unterlegen. In den letzten zehn Jahren wurde die Ganzkörper-MRT technisch zur Routineverwendung weiterentwickelt, wenngleich sie bislang bei der Erkrankung

CUP-Syndrom keine wesentliche Rolle in der Basisdiagnostik darstellt. Zusätzliche bild-gebende Informationen zur weiteren funk-tionellen Analyse von Tumorcharakteristika ermöglicht die MRT unter anderem durch den Einsatz von Perfusionsmessungen sowie der Diffusionsgewichteten Bildgebung (kurz: DWI) [7].

Als nuklearmedizinisches Verfahren ist die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eine Möglichkeit, erhöhte Stoff-wechsel vorgänge von Tumoren durch einen schwach radioaktiven Tracer wie F18-FDG (Fluordesoxyglukose) nachzuweisen. Insbesondere die Hybridscanner, welche die PET mit der CT in einem System kombi-niert anbieten, ermöglichen neben der hoch-sensitiven Detektion stoffwechselaktiver Regionen (am Beispiel des F18-FDG) eine anatomisch detaillierte Zuordnung dieser Regionen anhand der CT-Bildinformationen. In einer Übersichtsarbeit von Neben et al. aus dem Jahr 2008 wurde der Einsatz der PET- und PET/CT-Diagnostik im Rahmen der CUP-Diagnostik diskutiert. Als Indikation beim CUP dient die PET-Untersuchung zum Ausschluss von Metastasen in Fällen einer lokalisierten Tumorerkrankung. Hier wird besonders die Unterscheidung eines cervikalen CUP-Syndroms (histolo-gisch sind Plattenepithelkarzinome über-wiegend) von einem extracervikal meta-stasierten CUP-Syndrom (histologisch meist Adenokarzinome) getroffen. Für die extracervicale CUP-Erkrankung zeigte eine Metaanalyse an 152 Patienten eine Primärtumor-Detektionsrate von knapp 40% (hiervon etwa 50% in der Lunge). Die Sensitivität, Spezifität und diagnostische Genauigkeit wurden mit 87%, 88% bzw. 87,5% angegeben [13].

Kwee et al. [14] konnten in der Auswertung von 11 Studien mit insgesamt 433 Patienten mit einem CUP-Syndrom eine Detektionsrate von 37% hinsichtlich des Primärtumors bei einer Sensitivität und Spezifität von je 84% feststellen. Durch PET/CT-Untersuchungen kann die Detektion von Metastasen bzw. deren Ausschluss relevanten Einfluss auf die Therapieentscheidungen nehmen (zwischen 15 und 64% relevante Therapieänderung aufgrund der PET/CT-Diagnostik). Eine Arbeitsgruppe aus Tübingen zeigte, dass die Ganzkörper-MRT- und die Abb. 2

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Das CUP-Syndrom

PET/CT-Diagnostik bei insgesamt 64 Patienten mit Malignem Melanom eine Therapieveränderung bei 64% (41 Patienten) zur Folge hatte [15]. Die Lokalisation des Primärtumors, die Gabe von Kontrastmittel während der CT und die Bildnachverarbeitung hatten im Rahmen einer Metaanalyse keinen signifikanten Einfluss auf die diagnostische Aussagekraft der PET/CT-Untersuchung [14]. Da die Diagnostik auch von der FDG-Aufnahme der Tumoren (beispielsweise bei Tumoren mit geringem Metabolismus) und der Läsionsgröße abhängt (Läsionen unter 10 mm sind in der PET-Diagnostik teils nicht ausreichend darstellbar), sind auch falsch-negative PET/CT-Ergebnisse beschrie-ben. Entzündungen, zeitnah stattgehabte Eingriffe (wie Biopsien oder Operationen), erhöhte Muskelaktivität wie auch reaktive Lymphknoten können hingegen Ursachen für falsch-positive Befunde sein.

Bei CUP-Syndromen mit der Histologie eines neuroendokrinen Tumors (NET) wird der Nachweis einer Somatostatin-Rezeptor-Expression in der Bildgebung genutzt; entsprechende Verfahren hierzu sind die Octreotid-Szintigraphie und die PET/CT mit den Tracern DOTATATE oder DOTATOC (Ga-68-DOTA-konjugierten

Peptiden). Einflüsse auf die Tumorresektion von neuroendokrinen Tumoren durch die PET/CT-Diagnostik wurden mit 10-15% angegeben [7,16,17].

Zusammenfassend gilt für die Bild ge-bung beim CUP-Syndrom, dass die Diag-nostik hinsichtlich der Primärtumorsuche und des Ausmaßes der Erkrankung auch unter Kosten-/Nutzen aspekten abzuwä-gen ist. Neben der Differenzierung einer lokalen bzw. disseminierten Erkrankung sollte die Bildgebung zum Erkennen von Therapie beeinflussenden Subgruppen des CUP-Syndroms eingesetzt werden. Die als Basisdiagnostik geltende Ganzkörper-Computertomographie sollte bei Bedarf durch eine weiterführende Diagnostik wie der PET/CT ergänzt werden, die in Bereichen Primärtumorsuche, Tumorausbereitung und unklarer Konstel lation die Bildgebung des CUP-Syndroms verbessern kann.

Pathologische Diagnostik

Histologisch dominieren beim CUP-Syndrom Adenokarzinome (40-60%) vor undifferenzierten Karzinomen (15-30%) und Plattenepithelkarzinomen (5%) sowie

5% schlecht oder undifferenzierte Histologie [18,19].

Immunhistochemie

Neben der Bildgebung ist es vor allem die differenzierte immunhistochemisch-patho-logische und neuerdings auch molekulare Diagnostik, die die gezieltere Zuordnung zu speziellen Tumorentitäten ermöglicht [20]. Die Grundlage hierfür ist die Annahme, dass das immunhistochemische Markerprofil am ehesten den mutmaßlichen Entstehungsort des Tumors und damit auch den biologischen Charakter der Erkrankung widerspiegelt. Zum Beispiel ist der Phänotyp mit positi-vem Nachweis des Thyroids Transkriptions Faktors 1 (TTF 1) mit positivem Zytokeratin 7 Nachweis sehr suggestiv für einen Tumor bronchialer Genese, beziehungsweise der Phänotyp mit positivem Zytokeratin 20, negativem CK 7 und positivem CDX-2 Nachweis sehr suggestiv für einen Tumor des unteren Gastrointestinaltrakts. Obwohl prospektive Studien fehlen, konnte gezeigt werden, dass Patienten mit CDX-2 posi-tiven Tumoren, die analog eines kolorek-talen Karzinoms behandelt wurden ein

OBERSCHWABENKLINIKC. Wittekind, L.C. Horn Onkologe 2008 14:870-878

Abbildung 3

Abb. 3

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Das CUP-Syndrom

OBERSCHWABENKLINIK

C. Wittekind, L.C. Horn Onkologe 2008 14:870-878

Abbildung 4

Abb. 4

OBERSCHWABENKLINIK

A.Tannapfel, J Munding Onkologe 2013 19:15-21

Abbildung 5

A. Tannapfel, J. Munding, Onkologe 2013, 19:15–21

Abb. 5

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8 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Das CUP-Syndrom

OBERSCHWABENKLINIK

„SCLC-Typ“„Kopf-Hals-Typ“

Cisplatin / 5-FU ±Radiatio

Cisplatin / Etoposid

„NSCLC-Typ“

Carboplatin / Paclitaxel

„Mamma-Typ“

Hormontherapie Taxanhaltige Kombination Monotherapie

„Ovar-Typ“

Carboplatin / Paclitaxel

„Magen-Typ“

Oxaliplatin / 5-FU

„Pankreas / CCC-Typ“

Gemcitabin / Cisplatin

„Kolorektal-Typ“

Oxaliplatin / 5-FU

„Spezielle Oberflächen-Antigene oder Mutationen“

Targeted Therapy

Abbildung 6

Abb. 6

Gesamtüberleben von mehr als 30 Monaten aufwiesen [21].

Der Pathologe benötigt zur Interpretation unbedingt Anamnese und Symptome des Patienten, die Mitteilung zur Entnahme-stelle der Biopsie sowie vorliegende kli-nische Be fun de (Bildgebung, evtl. auch Tumormarker).

Durch die Bedeutung der Pathologie für die Subgruppen-Einteilung des CUP-Syndroms ist es auch wichtig, frühzeitig und nicht erst nach wochenlanger Primärtumorsuche eine Histologiegewinnung anzustreben und gege-benenfalls eine weitere immunhistochemi-sche beziehungsweise molekulare Diagnostik einzuleiten. So kann auch die Information der Lokalisation der Metastase mit der Histologie umgekehrt einen Hinweis auf den möglichen Sitz des Primärtumors lie-fern [22]; (Abb. 3).

Hierbei ist auch aus Gründen der Kosten-effizienz ein gewisser Algorithmus in eine enger Absprache des Klinikers mit dem Pathologen erforderlich [23]; (Abb. 4 und 5).Die Möglichkeit durch weitere mole-kular-pathologische Methoden wie

DNA-Mikroarray oder quantitative Real-time-PCR eine spezielle Signatur des Tumors zu identifizieren, ist in zahlreichen prospek-tiven und retrospektiven Studien untersucht worden [24].

Diese zeigen eine hohe Plausibilität der angenommenen Primärhistologie. Obwohl aus wirtschaftlichen und infrastrukturel-len Gründen diese Methoden noch nicht als Standard angesehene werden können, bestehen hier sehr interessante Ansätze, die in innovative prospektiven klinische Studien integriert werden sollten.

Therapie

Trotz seiner Heterogenität wurde das CUP-Syndrom lange als eine Entität behandelt, die in erster Linie mit einer Platin-basierten Chemotherapie behandelt wurde. Über die letzten 2 Jahrzehnte wurden verschiedene Kombinationen in Studien geprüft und zeig-ten dabei Ansprechraten von 25-35% und Gesamtüberleben von 6-16 Monaten.

Durch bessere Diagnostik und Kenntnis prognostisch relevanter Subgruppen kann

heute in Analogie zur Behandlung spezifi-scher Tumorerkrankungen deutlich differen-zierter vorgegangen werden (Abb. 6).

AUTOREN:

Dr.GerhardFischerOnkologischesZentrum,KlinikfürInnereMedizin,Gastroenterologie,Hä[email protected]

Prof.Dr.med.MartinHeuschmidKlinikfürDiagnostischeundInterventionelleRadiologieundNuklearmedizinOberschwabenklinikGmbH, KrankenhausSt.Elisabeth,Ravensburg

REFERENZEN

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 9

Das CUP-Syndrom

Abb. 1a

Abb. 1b

Kasuistik 151-jährige weibliche Patientin tastete eine noduläre Veränderung am Hals rechts oberhalb des Schlüsselbeins. Die Ausbreitungsdiagnostik ergab einen singulären, hoch FDG-aviden Herdbefund mit 2,3 cm Durchmesser an der genannten Lokalisation (Abb. 1a), die Histologie ergab nach erfolgter Resektion den Nachweis eines Malignen Melanoms. In Abb. 1b zeigt die PET-Darstellung den beschriebenen stoffwechselaktiven Tumor rechts cervical, weitere Tumormanifestationen (insbesondere ein kutaner bzw. subkutaner Primärtumor) konnten mittels PET/CT nicht nachgewiesen werden. Physio-logisch hohe Tracerakkumulation findet sich im Gehirn, dem Herzmuskel und der Blase (durch die Ausscheidung über die Nieren und ableitenden Harnwege).

Kasuistik 2Ein 63-jähriger männlicher Patient stellt sich mit dem klinischen Verdacht auf einen vergrößerten suspekten Lymphknoten am Hals auf der rechten Seite vor. In der Stan-dard-Diagnostik konnte der Lymphknoten computertomographisch identifiziert werden (Abb. 2a). Die genaue Lokalisation des Primärtumors (Größe ca. 1,2 cm) am rechten Zungengrund (Abb. 2b) wurde mittels der 18F-FDG-PET/CT diagnostiziert. Aufgrund der zentralen Nekrose des Lymphknotens war dessen FDG-Aufnahme nur im Randbe-reich sehr gering.

Abb. 2a Abb.2b

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Das CUP-Syndrom

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Kasuistik 339-jähriger Mann mit einer LK-Schwellung im Bereich der linken Axilla. Zu diagnosti-schem Zweck wurde ein Lymphknoten lokal entfernt, histologisch fand sich ein Malignes Melanom. In der ergänzenden PET/CT-Untersuchung zur Primärtumorsuche und Ausbrei-tungsdiagnostik fand sich neben den frischen postoperativen Weichteilveränderungen ein weiterer, nahe der Thoraxwand gelegener Lymphknoten in der linken Achselhöhle mit hoher Stoffwechselaktivität (18F-FDG-Uptake) (Abb. 3a). In der PET-Bildgebung in koronarer Schnittführung konnte neben dem Stoffwechselaktiven Lymphknoten kein Primärtumor gesichert werden (der hohe Stoffwechsel des Gehirns und des Herzens sowie die Ansammlung von Tracer im Blasenlumen sind physiologisch) (siehe Abb. 3b).

Abb. 3a

Abb. 3b

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23. MundingJTannapfelAPathologiedesCUP-Syn-dromsOnkologe20131915-21

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 11

Das CUP-Syndrom

Fragen für das testierte interaktive Selbststudium DGOP 4/2014

Nach der Beantwortung der Fragen zu vorangegangenem Artikel in der „ONKOLOGISCHEN PHARMAZIE“ und der Ergänzung der erforder lichen Angaben können Sie den gekennzeichneten Bereich der Zeitung ausschneiden oder kopieren und an nachfolgende Fax-Nummer der DGOP faxen. Auch mehrere Antworten können richtig sein. Beim Selbststudium wünschen wir viel Erfolg!Per Fax: +49-40-79 14 03 02

Ich versichere hiermit, dass ich den o.g. Artikel gelesen und die Fragen persönlich beantwortet habe. Zum Zweck der Erreichung von Fortbildungspunkten für „Testiertes interaktives Selbststudium DGOP“ bitte ich um die Registrierung meiner Zusendung bei der DGOP und die Übermittlung der erreichten Punktzahl.

Unterschrift:Datum:

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PLZ/Ort:

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Testiertes interaktives Selbststudium – DGOP 2014

Das CUP-SyndromPrognosegruppen und therapeutische Strategie(ONKOLOGISCHE PHARMAZIE Nr. 4/2014)

Meine Antwort (X) lautet bei:

Frage 1: a b c d

Frage 2: a b c d

Frage 3: a b c d

Frage 4: a b c d

Frage 5: a b c d

1. Welche der folgenden Aussagen trifft zu:a) Im Zeitalter der PET-CT kommt das CUP-Syndrom fast nicht

mehr vor. b) Das mittlere 5-Jahres-Überleben aller CUP-Patienten be-

trägt ca. 10%.)c) Unabhängig vom mutmaßlichen Ursprungsort des Tumors

ist die Prognose aller CUP-Syndrome schlecht. d) Bei spezifischen Subgruppen liegt eine deutlich bessere

Prognose vor.

2. Welche der folgenden Manifestationen gelten als günstige Subgruppen eines CUP

a) Axilläre Lymphknotenmetastase eines Adenokarzinoms bei Frauen

b) Peritonealkarzinose durch ein (serös-papilläres) Adenokar-zinoms bei Frauen

c) Zervikale Lymphknotenmetastasen eines undifferenzierten oder Plattenepithelkarzinoms

d) Neuroendokrine gut differenzierte Karzinome

3. Der Nachweis von TTF-1 in der Metastase eines Adenokar-zinoms legt den Ursprung der Erkrankung in folgendem Organ nahe:

a) Mamma b) Lunge c) Ovar d) Kolon

4. Die typische immunhistochemische Konstellation für die Metastase eines Kolorektalen Karzinoms ist:

a) CK7 pos CK20 pos CDX2 pos b) CK7 pos CK20 pos CDX2 neg c) CK7 neg CK20 pos CDX2 pos d) CK7 neg CK20 neg CDX2 neg

5. Als Basisdiagnostik in der Bildgebung beim CUP-Syndrom wird vorwiegend empfohlen:

a) Röntgen-Thorax und Sonographie als alleinige Bildgebung b) Ganzkörper-Computertomographie c) Diffusionsgewichtete Ganzkörper-MR-Tomographie d) Octreotid-Szintigraphie

Richtige Antworten zum Beitrag „Strahlentherapie beim Lungenkarzinom“in Heft 2/2014

Frage 1: a, b, dFrage 2: a, b, c, d

Frage 3: cFrage 4: a, b, d

Frage 5: b, d

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12 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Übertherapie in der Onkologie

Klug auswählenÜbertherapie in der Onkologie

Von Günther J. Wiedemann, Ravensburg

Im Rahmen des Projekts „Choosing Wisely“, das vom ABIM (American Board of Internal Medicine) initiiert wurde, gingen aus den Reihen aller medizinischen Fächer zahlreiche

Vorschläge ein, welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen in eine Liste der evidenzbasierten, konsensbestimmten sinnlosesten Interventionen aufgenommen werden sollten. Von der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurde zunächst eine „Hitliste“ der fünf nutzlosesten onkologischen Interventionen erstellt, die mittlerweile durch fünf weitere ergänzt wurde (1). Es ging darum, die Maßnahmen zu identifizieren, die zwar nicht evidenzbasiert, aber dennoch weit verbreitet sind. Diese widersprechen damit den Grundregeln einer vernünftigen Onkologie: ausreichende Evidenz, keine Doppelung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen, geringstmöglicher Schaden für den Patienten und tatsächlich gegebene Notwendigkeit. Die Evidenz für die Begründung der Nutzlosigkeit der genannten Maßnahmen ist sorgfältig in der Literatur belegt (siehe www.choosingwisely.org bzw. www.choosingwisely.org/wp-content/uploads/2013/10/ASCO10ThingsList-1020131.pdf ).

Die Top Ten der nutzlosesten onkologischen Maßnahmen

Die Warnung vor unnötigen Maßnahmen in der Choosing Wisely-Liste reicht von eher allgemein gehaltenen Empfehlungen bis zu sehr konkreten Einzelinterventionen. Nicht eingeschlossen sind Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten aufgrund besonderer Organtoxizitäten bzw. Toxizitäten, die sich aufgrund verminderter renaler oder hepa-tischer Medikamentenelimination ergeben (Abb. 1, Tab. 1, Kasten).

Die Liste wird angeführt von der wichtigsten Voraussetzung, um onkologische Patienten vor unnötigem Schaden zu bewahren:

1. Eine Anti-Tumor-Therapie außerhalb von Studien ist zu unterlassen, wenn fol-gende Bedingungen vorliegen: Patienten mit unheilbaren, metastasierten/fort-geschrittenen soliden Krebsleiden, schlechter Allgemeinzustand, feh-lender Nutzen bisheriger evidenz-basierter Interventionen, geringe Wahrscheinlichkeit eines klinischen Nutzens. Diese Patienten benötigen aber palliativmedizinische und suppor-tive Maßnahmen.

Es schließen sich dann sehr konkret gehal-tene Negativempfehlungen an:

2. Kein PET, CT oder Knochenszintigramm als Staging-Maßnahme bei Patienten mit Prostata-Frühkarzinom (T1c/T2a, PSA<10ng/ml, Glea son Score ≤6) mit gerin ger Metas tasie rungs wahr scheinlichkeit.

Begründung: keine Evidenz, dass die frühzeitige Entdeckung von Metastasen das Überleben verbessert, überflüssige Strahlenexposition.

3. Kein PET, CT oder Knochen szinti gramm zum Staging von Mamma-Früh karzi-nomen (DCIS, Stadium I und II) mit gerin-ger Metas ta sie rungs wahrscheinlichkeit.

Begründung: keine Evidenz, dass die frühzeitige Entdeckung von Metastasen das Überleben verbessert, überflüssige Strahlenexposition.

4. Keine Bestimmung von Bio/Tumor-markern und keine Kontroll-Bild ge-bung bei asympto matischen Brust krebs-Patientinnen, die kurativ be handelt wurden.

Begründung: kein nachgewiesener Nutzen, Gefahr falsch positiver Befunde mit unnötiger Folgediagnostik und -therapie.

5. Keine Granulozyten-Wachstumsfaktoren zur Prävention einer febrilen Neutropenie bei Patienten, bei denen diese Kompli-kation mit weniger als 20% Wahr-scheinlichkeit zu erwarten ist.

Begrün dung: ASCO-Guidelines (2).

6. Bei Chemotherapien mit geringem Risiko für Emesis und Nausea primär keine Antiemetika einsetzen, die bei Chemotherapien mit hohem emetischem Risiko indiziert sind.

Begründung: Die neueren hocheffek-tiven Antiemetika sind teuer und haben beträchtliche unerwünschte Wirkungen.

7. Bei metastasierten Mammakarzinomen ist eine Mono-Chemotherapie gegen-über einer Kombinations-Chemotherapie zu bevorzugen, es sei denn, ein rasches Ansprechen ist zur Symptomlinderung notwendig.

Begründung: Bei palliativer Therapie sind additive Toxizitäten möglichst zu vermeiden.

8. Kein PET oder PET-CT in der therapie-freien Nachsorge bei asymptomatischen Patienten zur Frage eines Tumorrezidivs, es sei denn in begründeten Einzelfällen (z. B. Möglichkeit eines kurativen Ein griffs).

Begründung: PET und PET-CT sind indiziert in der Diagnostik, zum Staging und bei der Beurteilung des Therapieerfolgs, nicht aber in der thera-piefreien Nachsorge.

9. Kein PSA-Screening bei symptomfreien Männern mit einer Lebenserwartung von unter 10 Jahren.

Begründung: Männer mit erheblichen Komorbiditäten haben ein größeres Risiko, aufgrund dieser Erkran kungen innerhalb von 10 Jahren zu versterben als aufgrund eines nicht ent deckten, asympto-matischen Pros ta ta karzinoms.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 13

Übertherapie in der Onkologie

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14 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Übertherapie in der Onkologie

10. Keine „Targeted Therapy“ ohne Nachweis der entsprechenden Zielstruktur.

Die Kampagne „Choosing Wisely“ möchte dazu beitragen, dass Sinn und Unsinn geplanter diagnostischer und therapeuti-scher Interventionen evidenzbasiert mit Patienten diskutiert werden können. Auf www.choosingwisely.org gibt es daher auch Informationen, die sich direkt an Patienten richten (Patient Friendly Ressources, z.B. http://www.choosingwisely.org/doctor-pati-ent-lists/pet-scans-after-cancer-treatment/). Sie sind auch eine gute Grundlage für die Beratungssituation in der Apotheke.

Korrespondenz: [email protected]

LITERATUR

(1) SchnipperLE,SmithTJ,RaghavanDetal.Ame-ricanSocietyofClinicalOncologyidentifiesfivekeyopportunitiestoimprovecareandreducecosts:thetopfivelistforoncology.JClinOncol2012;30:1715-24

(2) SmithTJ,KhatcheressianJ,LymanGHetal.ASCO2006updateofrecommendationsfortheuseofwhitebloodcellsgrowthfactors:Anevidencebasedclinicalpracticeguideline.JClinOncol24:3187-3205,2006

Clearance eines Zytostatikumsn Totale Arzneimittel-Clearance = renale Clearance + hepatische

Clearancen Anteil der Niere ist substanzspezifisch, wobei:

q 1-Qo = bioverfügbarer Anteil bei normaler Nierenfunktion, welcher in aktiver Form renal eliminiert wird

q Qo = Extrarenal ausgeschiedener Dosisanteil bei normaler Nierenfunktion: errechnet sich als: Qo= T1/2 Normale Nierenfkt

§ T1/2Anurie

Alle Rechte vorbehalten. Copyright © 1998 - 2006 Abt. Innere Medizin VI, Klinische Pharmakologie & Pharmakoepidemiologie, Universitätsklinikum Heidelberg

Clearance eines Zytostatikums

Drugs Affected by Changes in Hepatic Metabolism

Ausscheidung in Abhängigkeit von Qo und Nierenfunktion

Abb. 1

Tab. 1

% Dose reduction for hepatic dysfunction

Mild(bili* 1.5–3.0; SGOT** 60–180)

Moderate(bili* 3.1–5.0; SGOT** >180)

Severe(bili* >5.0)

AnthracyclinesAndriamycinDaunorubicin

50%25%

75%50%

OmitOmit

Taxanes Omit Omit Omit

Vinca AlkaloidsEpipodophyllotoxinsSynthetic alkaloids

50% Omit Omit

Methotrexate 0% 25% Omit

Cyclophosphamide 0% 5% Omit

5-Fluorouracil 0% 0% Omit

* bili = total bilirubin, ** SGOT = serum aspartate

Ausscheidung in Abhängigkeit von Q0 und Nierenfunktion

Bei einer Krea-Clearance < 50 ml/Min steigt die Arzneimittelmenge imKörper für Pharmaka mit niedrigem Qo stark an. Korrekturen in Dosis oder Dosierintervall sind erforderlich

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 15

Kommentar des Herausgebers

Kommentar des Herausgebers

Neue Herausforderungen für die Onkologische Pharmazie in Europa

In Europa ist die neue EU-Kommission ge-bildet und gerade zur richtigen Zeit ist die

Entscheidung gefallen: Der neue EU-Kom-missar für Gesundheit, Vytenis Andriukaitis aus Litauen, soll auch in Zukunft für Fragen des Verbraucherschutzes sowie für Arznei-mittel und Medizinprodukte zuständig sein.

Die mögliche Verquickung von Industrie- mit Verbraucherschutzinteressen im Ressort für Binnenmarkt hätte ansonsten zu Unguns-ten von Patienteninteressen wirken können.

Nachdem sich der ESOP (European Society of Oncology Pharmacy) bei dem scheiden-den EU-Kommissar Tonio Borg für die Unter-stützung bei der Durchführung des ECOP in Krakau bedankt hatte, teilte uns dieser mit, dass ihm nicht nur die Stärkung der Rolle der Pharmazie im Patientenprozess ein beson-deres Anliegen gewesen sei, sondern dass er auch dafür Sorge getragen hätte, dem neuen EU-Kommissar durch die Bereitstel-lung entsprechender Informationen die Fort-führung bisheriger Aktivitäten als Auftrag für die Zukunft ans Herz zu legen.

Unsere Arbeit für die Onkologische Phar-mazie ist in Brüssel angekommen! Die-ser Zwischen- Erfolg gibt Kraft, mutig die Bedürf nisse der Krebs patienten in den einzel nen Län dern in den Vordergrund zu stellen und sich dienstbar als deren Part-ner zu erweisen.

Die Aktivitäten der DGOP zur Begleitung der oralen Krebstherapie begannen im Zusam-menwirken mit allen Akteuren des Gesund-heitswesens vor fünf Jahren. Der Fortschritt hierbei wurde für Uneingeweihte nicht so-fort sichtbar.

Ein bekannter Krankenhausapotheker hat einmal von sich gesagt, dass er die meiste

Zeit in seinem Amt damit beschäftigt ge-wesen wäre, Steine zu klopfen und Schwel-brände zu beseitigen. Aber ein Haus kann nur fertig werden, wenn man über die an-fänglichen Widrigkeiten der Realität hinweg-kommt und wenn es gelingt, ein Team aus allen beteiligten Gewerken zu motivieren.

Wenn dafür gesorgt wird, die Sprache und das Denken der Menschen zu erklären und inneres Verständnis zu erzeugen, dann ist Globalisierung im Sinne des wachsenden Verständnisses aller Völker ein hehres Ziel.

Wie steht es in diesem Zusammenhang mit der Diskussion um das Projekt „Transat-lantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP)? Wer kennt den Inhalt der Verhand-lungen zwischen EU und den Vereinigten Staaten von Amerika? Politiker von Berlin bis Brüssel reden nicht gerne über das, was in dem angestrebten Vertrag zum transatlan-tischen Freihandelsabkommen stehen soll.

Ist es so, dass Europas Bürger nicht zu früh erfahren sollen, dass die Privilegien von Konzernen und Investoren durch die-ses Abkommen abgesichert und sogar noch ausgeweitet werden sollen?

Die EU und die USA wollen ihre jeweiligen Standards in „nicht handelspolitischen“ Bereichen vereinheitlichen. Aber diese an-gestrebte „Harmonisierung“ wird voraus-sichtlich die Interessen der kapitalkräftigen Konzerne und Investoren vorrangig berück-sichtigen. Mögliche Einsprüche, die zu Ver-zögerungen beschlossener Maßnahmen füh-ren, könnten dann mit der Drohung von Ent-schädigungszahlungen beantwortet werden.

Nun bestehen Volkswirtschaften nicht allein aufgrund der Wirtschaftskraft von Großkon-zernen. Betrachtet man die Zahlen der Bun-

desrepublik Deutschland, so umfasst der Mittelstand nach quantitativer Definition

rund 99,7 % aller umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen, in denen knapp

65,9 % aller sozialversicherungspflichti-gen Beschäftigten angestellt sind,

rund 38,3 % aller Umsätze erwirtschaftet sowie

rund 83,0 % aller Auszubildenden ausge-bildet werden.1

Diese Rolle in einem nationalen Gesell-schaftsgefüge ist entscheidend für die dau-erhafte Einbeziehung der Gesamtbevölke-rung und für soziale Gerechtigkeit.

Den Patienten, nicht nur als zahlenden Ver-braucher sondern als Mittelpunkt persönli-chen Handelns zu betrachten, wird man am ehesten von denen erwarten können, die bei sich selbst die gleiche Erfahrung machen: nicht namenlos sein, sondern als Teil des Ganzen wahrgenommen werden.

Der neue EU-Gesundheitskommissar An-driukaitis scheint der richtige Mann hier-für zu sein, nicht nur weil er selber Arzt ist, sondern bereits seit über zwei Jahren als Gesundheitsminister Litauens für gesund-heitspolitischen Fortschritt im Interesse von Patienten steht.

Gemeinsam mit ihm wollen wir für eine Ver-besserung der pharmazeutischen Betreuung unserer Krebspatienten auf europäischer Ebene zusammenarbeiten.

1 DiagnoseMittelstand2012;DeutscherMittelstand–stabilauchinschwierigenZeiten(HerausgeberDeutscherSparkassenundGiroverband)

Klaus Meier

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16 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

16 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

Kann man mit einem ganzen Kon-gress einfach umziehen? Es war

gewiss ein Wagnis, den NZW Süd nach 12 erfolgreichen Jahren vom oberschwä-bischen Ravensburg in die bayrische Landeshauptstadt zu verpflanzen. Doch die große Zahl der Anmeldungen zeigte, dass Infrastruktur, touristisches Potenzial und Erreichbarkeit von München viele Kongressteilnehmer überzeugten.

Ein leichtes Fremdeln im eher anonymen Kongresshotel auf dem Messegelände ließ sich dennoch bei jenen nicht verleugnen, die das lebensfrohe Ravensburg mit der neuba-rocken Konzerthalle über die Jahre ins Herz geschlossen hatten. Ein internationales Hotel als Tagungsstätte ist ohne Frage ano-nymer, doch die hervorragende technische Ausstattung der Vortragssäle, der großzügige Rahmen für die Industrieausstellung und das gute Catering in den Pausen sprachen für sich. Und an der gewohnt hohen Qualität

der Vorträge mit namhaften Referenten aus Deutschland und Österreich gab es ohne-hin keinen Zweifel. Aufgrund der besse-ren räumlichen Ausstattung war es erstmals auch möglich, parallel zum Hauptprogramm eine Fachtagung „Orale Krebstherapie“ für Offizinapotheker anzubieten.

Am Abend brach sich dann nach einem anre-genden und anspruchsvollen Kongresstag im Augustinerkeller bajuwarische Feierwut Bahn, der sich auch die „Fischköpfe“ aus dem Norden nicht entziehen konnten – ange-heizt von reichlichem Bierkonsum und einer Blaskapelle, die niemanden auf den Stühlen ließ. Der Kongress tanzte!

13. NZW-Süd in München

NZW weiß-blau: Neuer Standort, gewohnte Qualität

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 17

Chirurgische Therapieoptionen im Behandlungs konzept von Kopf- und Halskarzinomen

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 17

13. NZW-Süd in München

Die meisten Kopf- und Halstumoren sind Plattenepithelkarzinome. Sie stellen eine heterogene Tumorgruppe mit unterschied-lichen Tumorlokalisationen dar (Lippen, Mundhöhle, Rachen – hier gibt es die höher gelegenen Oropharynx- und die tiefer gele-genen Hypopharynxkarzinome – , Kehlkopf bzw. Larynx, Speicheldrüsen, Haut und Nasennebenhöhlen).

Rauchen in Kombination mit übermäßigem Alkohol konsum erhöht das Karzinomrisiko um den Faktor 7.

Unabhängig von diesen Risikofaktoren ent-stehen schätzungsweise 20-80% der Kopf- und Halstumoren auf dem Boden einer HPV-Infektion.

Die Prognose hängt stark von der Tumor-lokalisation ab (Abb. 1).

Primäres Therapieziel: Komplette operative Tumorentfernung mit Sicherheitsabstand

Wenn Tumorgröße, Lokalisation und Allgemeinzustand des Patienten es zulas-sen, ist die Operation die primäre Therapie. Radio- und/oder Chemotherapie kommen i.d.R. postoperativ zum Einsatz, es gibt aber auch neoadjuvante Ansätze. Neu sind Antikörpertherapien.

Grundsätzlich gibt es zwei operative Ver-fahren: den so genannten offenen Zugang (von außen) oder den geschlossenen Zugang durch die Mundhöhle (Abb. 2).

Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten im Kopf- und Hals-Bereich ist bei der geschlos-senen Laser chirurgie eine Tumor entfernung en bloc (im Ganzen) oft nicht möglich; hier ist es, im Gegensatz zu den allgemeinen Regeln der Tumorchirurgie, zulässig, den Tumor zu zerteilen und stückweise zu entfernen.

Chirurgische Therapieoptionen im Behandlungs-konzept von Kopf- und HalskarzinomenReferent: Prof. Dr. Konrad Sommer, Osnabrück

1. Interdisziplinäres Symposion des Operativen Kopfzentrums am MHO - 2008aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

SCCHN-Patienten: AbsolutesÜberleben nach TumorlokalisationSCCHN-Patienten: AbsolutesÜberleben nach Tumorlokalisation

1. Interdisziplinäres Symposion des Operativen Kopfzentrums am MHO - 2008aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

Offener versus geschlossener Zugang

transcutan

Kalter Stahl

transoral

Laser

Operation

Abb. 1

Abb. 2

Larynxkarzinome: Gute Prognose dank Früherkennung

Das Leitsymptom des Kehlkopfkarzi noms ist anhaltende Heiserkeit bereits im Früh-stadium. Jede Heiserkeit, die länger als 3 Wochen anhält, muss vom HNO-Arzt

abgeklärt werden. Abb.3 zeigt die knotige Verdickung einer der beiden Stimmlippen im Kehlkopf, die einem Frühkarzinom ent-spricht. Mit einem solchen Befund über-leben nach alleiniger operativer Therapie mehr als 80% der Patienten die nächsten 10 Jahre. Doch auch in fortgeschritteneren

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18 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Chirurgische Therapieoptionen im Behandlungs konzept von Kopf- und Halskarzinomen

18 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

Tumorstadien sind die Kontrollraten annehmbar (Abb. 4).

Bei fortgeschritteneren Tumorstadien wird häufig eine Entfernung des Kehlkopfes (Laryngektomie) notwendig. Der damit einhergehende Verlust der Sprache ist für die Patienten belastend und stigmatisierend. Nur eine Minderheit erlernt die so genannte Ructussprache, bei der Luft aus dem Magen („Rülpsen“) zur Stimmbildung in Speiseröhre und Mundhöhle benutzt wird.

Es gibt auch verschiedene Stimmprothesen, die zwischen der Trachea- und der Pharynxwand eingesetzt werden können, mit denen der Patient eine Stimme bilden kann. Nicht selten kommt es hier allerdings zu Undichtigkeiten und Infektionen.

Problemfeld Halslymphknoten

Bei der Operation des Primärtumors ist häu-fig die Ausräumung verschiedener zervika-ler Lymphknotengruppen erforderlich. Das Ausmaß dieser so genannten Neck Dissection ist abhängig von Zahl, Größe und Lokalisation der Lymphknotenmetastasen. Die Neck Dissection ist gleichermaßen kurativer Eingriff und Staging-Verfahren. Insbesondere bei einer Radikalen Neck Dissection (Abb. 5) können funktionell und ästhetisch beeinträchtigende Defekte entstehen.

FAZIT: Die möglichst vollständige Resek-tion des Tumors sowie die gründliche Entfernung von Lymphknotenmetasta-sen sind bei operablen Patienten die wichtigsten Maßnahmen bei kurativer Intention.

Die adjuvante Radio- und Chemotherapie spielt in der postoperativen und palliati-ven Situation eine zusätzliche entschei-dende Rolle.

1. Interdisziplinäres Symposion des Operativen Kopfzentrums am MHO - 2008aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

LarynxkarzinomLeitsymptom Heiserkeit

Wichtig:Jede Heiserkeit, die länger als 3 Wochen anhält muss vom HNO Arzt abgeklärt

werden

1. Interdisziplinäres Symposion des Operativen Kopfzentrums am MHO - 2008aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa

Strahlentherapie Extralaryngeale Larynxresektion

Endoskopische Laserchirurgie

5 – Jahres lokale

Kontrollrate

60 – 76%

73 – 83%

71 – 87%

5 – Jahres Larynxerhalt-

rate

70 – 76%

76 – 82%

78 – 87%

ErgebnisseT2, T3 Larynxkarzinome

Radikale Neck dissection:

Level 1 -5

M. sternocleido.V. jugularisN. accessorius

Aktuelle Klassifikation der Neck dissection2000 – American Academy of Otolaryngology –

Head and Neck Surgery

LarynxkarzinomLeitsymptom Heiserkeit

ErgebnisseT2, T3 Larynxkarzinome

Aktuelle Klassifikation der Neck dissection2000 – American Academy of Otolaryngology – Head and Neck Surgery

Abb. 3

Abb. 4

Abb. 5

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 19

Strahlentherapie von Kopf- und Halstumoren

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 19

13. NZW-Süd in München

Im Rahmen eines primär operativen Therapiekonzeptes kommt ab dem Stadium III (N+) eine adjuvante Radiochemotherapie zum Einsatz, wenn nach Entfernung des Tumors die Resektionsränder nicht tumorfrei sind und/oder wenn Lymphknotenmetastasen vorliegen, die die Kapselgrenzen überschritten haben.

Bei lokal fortgeschrittenen Kopf- und Halstumoren (Abb. 1) ist die Radiotherapie die entscheidende Therapiemodalität. Selbst bei technisch resektablen Tumoren ist angesichts häufiger Komorbiditäten und schwieriger sozialer Hintergründe (z.B. bei Alkoholabusus) nicht jeder Patient operabel. Selbst im Stadium IV ist mithilfe kombinier-ter Therapiemodalitäten eine Heilung prin-zipiell möglich (20-30% 5-Jahresüberleben im Stadium IV A, 10% im Stadium IV B). Hervorzuheben ist, dass damit auch verstüm-melnde operative Eingriffe vermieden werden können.

Eine simultane Cisplatin-basierte Radio-chemo therapie bzw. eine Radioimmun-therapie mit Cetuximab ergibt bessere Resultate als eine Radiotherapie alleine (33,7 vs. 27,2% 5-Jahresüberleben; MACH-NC Pignon Radiother Oncol 2009) und gilt heute als Therapiestandard. Hinsichtlich der Bestrahlung ist eine so genannte normofraktio-nierte Radiotherapie üblich, bei der 5x 2,0 Gy /Woche bis zu einer Gesamtdosis von 70-74,0 Gy verabreicht werden. Eine hyperfraktioniert-akzelerierte Radiotherapie (Bestrahlungen 2x statt 1x täglich, gleiche Strahlendosis) verbessert zwar das 5-Jahresüberleben um rund 5%, jedoch um den Preis deutlich höherer Toxizität. Darüber hinaus ist ihr Vorteil im Kontext einer Cisplatin-basierten Radiochemotherapie zweifelhaft.

Reduktion strahlenbedingter Toxizitäten durch verbesserte Planung und Technik

Die Strahlentherapie lokal fortgeschrittener Kopf- und Halstumoren war bisher geprägt von erheblichen Akut- und Spättoxizitäten

Strahlentherapie von Kopf- und Halstumoren

Referent: Dr. med. Bernhard Berger, Ravensburg

(u.a. Xerostomien, Schluckstörungen, Atem- und Sprechstörungen, erhöhte nicht krebs-spezifische Gesamtmortalität). Fast die Hälfte der geheilten Patienten bleibt nach der Therapie dauerhaft arbeitsunfähig. Die hohe Toxizität erfordert eine Optimierung auch der Strahlentherapie. Das Ziel ist eine effektivere Bestrahlung (höhere Strahlendosis am Tumor) bei Reduzierung der Toxizität an den Normalgeweben.

Diesem Ziel ist man in den letzten 10 Jahren durch verschiedene technische Neuerungen näher gekommen:

Die Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT) kann heute als klinischer Standard gelten. Hier ermöglichen dynamische Blenden im Strahlengang individualisierte Dosisverteilungen zur Schonung kritischer Organe. Es kommt beispielsweise signifikant seltener zu Xerostomien, die Lebensqualität der Patienten ist deutlich besser.

Bei der Schnittbild-basierten/-fusionierten Therapieplanung wird mit Unterstützung funktioneller Bildgebung die Strahlendosis gezielter im Tumor verabreicht.

Bei der Bildgeführten Strahlentherapie (IGRT) kann anhand simultan erstell-ter Schnittbilder (CT) und mithilfe eines

beweglichen Lagerungstisches genau nach-justiert werden.

Dank eines um den Patienten rotierenden Gerätes (VolumetricArcTherapy (VMAT) werden in kurzer Zeit komplexe Bestrahlungen möglich, die Patienten müssen dann während der Bestrahlung deutlich kürzer still liegen (z.B. nur 1-2 Minuten statt 10 Minuten).

Es ist auch versucht worden, die radiothera-piebedingte Toxizität durch eine zusätzliche präoperative Induktionschemotherapie (und Reduzierung der Strahlendosis) zu mindern, jedoch ergaben die PARADIGM Studie (2013) und die DECIDE Studie (2014) keine eindeutigen Überlebens-/Kontrollvorteile bei deutlich erhöhter Toxizität und Gefahr der Kompromittierung der RCT.

Derzeit laufen erste randomisierte Studien, in denen geprüft wird, ob die Strahlendosis bei HPV-positiven Kopf- und Halstumoren, die gut auf eine Induktionstherapie mit Paclitaxel und Cetuximab ansprechen, reduziert werden kann (siehe auch Seite 21).

FAZIT: Die Strahlentherapie trägt im Rah-men eines multimodalen Therapiekon-zeptes dazu bei, die Therapie zu individu-alisieren und Toxizitäten zu reduzieren.

Lokal fortgeschrittene Kopf-Hals-Tumore (LA HNSCC)

Abb. 1

Lokal fortgeschrittene Kopf-Hals-Tumore (LA HNSCC)

• Stadien III-IVB (TxN1-TxN3) und bei primärer Irresektabilität/Inoperabilität

• hohe Komorbidität und schwierige psychosoziale Hintergründe

• klinische Heterogenität (Epipharynx-Larynx)

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20 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Medikamentöse Therapie von Kopf- und Halstumoren

20 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

In den letzten Jahren hat sich die Erkennt-nis durchgesetzt, dass ein Großteil (schät-zungsweise 70% in den USA) der Platten-epithelkarzinome im Kopf- und Halsbereich (Head and Neck Squamous Cell Carcinoma – HNSCC) durch HP-Viren (vor allem HPV 16) bedingt ist. Undifferenzierte Lymphoepitheliale Tumoren (Schmincke-Regaud-Tumoren) werden vom Epstein-Barr Virus (EBV) verursacht. Viren können nach der Primärinfektion von Nasopharynxzellen in diesen Zellen persistieren. Oncogene HPV-Proteine und EBV-DNA bzw. –Proteine interagieren mit wichtigen Kontrollgenen der infizierten Zellen und bewirken u.a. eine inadäquate Zellproliferation und eine Hemmung der Apoptose.

HPV-positive Tumoren sind anders

HPV-bedingte Kopf-und Hals-Platten-epithel karzinome unterscheiden sich in ihren Eigenschaften und bezüglich der Prognose von nicht-HPV-positiven Tumoren (Tabelle 1).

Die virale Genese impliziert ein Umdenken sowohl in diagnostischer, therapeutischer als auch in präventiver Hinsicht. So ist, wie bei den ebenfalls HPV-induzierten Zervixkarzinomen der Frau, eine Primär-prävention HPV-bedingter Kopf- und Halstumoren mithilfe einer Impfung vorstell-bar. Erste Daten aus dem Jahr 2013 (Herrero et al.) zeigen, dass HPV 16/18-Infektionen der Mundhöhle durch eine Impfung zu 92-100% vermieden werden können. Ob damit auch eine Abnahme der Inzidenz von HNO-Tumoren einhergeht, werden erst die Follow up-Daten in den nächsten Jahren zeigen.

Die generell bessere Prognose HPV-positiver Tumoren lässt möglicherweise eine Individualisierung der Therapie im

Medikamentöse Therapie von Kopf- und HalstumorenReferent: Prof. Dr. Günther J. Wiedemann, Ravensburg

Clinical Trials Testing Specific Treatments for HPV-Related HNSCC

Presented By Stephen Schwartz at 2014 ASCO Annual Meeting

ADJUVANTE THERAPIE?

Clinical Trials Testing Specific Treatments for HPV-Related HNSCC

Presented By Stephen Schwartz at 2014 ASCO Annual Meeting

GERINGERESTRAHLENDOSIS BEI R0-RESEKTION?

Abb. 2

Abb. 1

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 21

Medikamentöse Therapie von Kopf- und Halstumoren

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 21

13. NZW-Süd in München

Sinne einer Dosisreduzierung und gerin-gerer Toxizität zu. Auf dem ASCO 2014 in Chicago wurden mehrere Phase II/III Studien mit entsprechenden Fragestellungen vorgestellt (Abb. 1– 4). Allen Studien gemein-sam ist die Risikostratifizierung bei Patienten mit HPV-positiven Tumoren. Geklärt wer-den soll, ob bei Low-Risk-Patienten auf eine adjuvante Therapie verzichtet wer-den kann, ob die Strahlentherapiedosis reduziert bzw. im Rahmen der systemi-schen Therapie auf das besonders toxi-sche Cisplatin (oder überhaupt auf eine Chemotherapie) verzichtet werden kann. So könnten häufige unerwünschte Wirkungen der Therapie wie Schluckstörungen, Mund-trockenheit, Verlust des Geschmacks sinns, Schilddrüsenschädigung und Bewegungs-einschränkungen des Halses reduziert oder vermieden werden.

In der ECOG 1308 Studie (Abb. 2) erhiel-ten 90 Patienten mit operablen HPV-posi-ti ven Platten epithelkarzinomen zu nächst eine Induk tions-Chemo therapie mit Paclitaxel, Cisplatin und Cetuximab. Bei 62 Patienten wurde damit eine komplette Remission erreicht. Diese erhielten im Anschluss eine reduzierte Strahlendosis von 54 Gy, Patienten ohne komplette Remission dagegen die Standarddosis von 70 Gy. Das 2-Jahresüberleben lag unter der reduzierten Dosis bei 93% (progressionsfreies Überleben 80%). Die prognostisch ungünstigere Patientengruppe, die die höhere Strahlendosis erhalten hatte, zeigte erwartungsgemäß schlechtere Überlebensdaten

Clinical Trials Testing Specific Treatments for HPV-Related HNSCC

Presented By Stephen Schwartz at 2014 ASCO Annual Meeting

KÖNNEN WIR CISPLATIN VERMEIDEN?

Tab. 1 Unterschiedliche Eigenschaften HPV-positiver und -negativer Tumoren

HPV+ HPV-

Lokalisierung Tonsillen/Zunge keine Präferenz

Histologie Basalzellen verhornend

Alter jünger älter

Rauchen/Alkohol wenig Einfluss starker Einfluss

Inzidenz zunehmend abnehmend

Prognose besser schlechter

Abb. 3

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22 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Medikamentöse Therapie von Kopf- und Halstumoren

22 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

Clinical Trials Testing Specific Treatments for HPV-Related HNSCC

Presented By Stephen Schwartz at 2014 ASCO Annual Meeting

CHEMOTHERAPIE BEI HPV+?

(2-Jahresüberleben 87%, progressions-freies Überleben 65%). Eine reduzierte Strahlendosis ist für Patienten mit HPV-positiven Kopf- und Halstumoren im Rahmen von Studien also möglicherweise bis zum Stadium IVa zu verantworten, sofern diese im Vorfeld auf eine Induktions-Chemotherapie gut angesprochen haben.

In Zukunft vermehrt immuntherapeutische Konzepte?

Es ist plausibel, dass insbesondere virusbe-dingte Tumoren eine körpereigene Immun-antwort, beispielsweise eine T-Zellinfiltration von Tumor und Tumorum gebung, induzie-ren. T-Zellaktionen können jedoch über PD-L1, (PD1-Liganden) von Tumorzellen oder Makrophagen unterdrückt werden, PD-L1 stellt also eine „Immunbremse“ dar. Die Blockierung der PD-L1/PD1-Interaktion mit spezifischen Antikörpern inhibiert diese Immunbremse und verstärkt

damit die Aktivität der T-Lymphozyten. Ein solcher monoklonaler PD1-Antikörper ist Pembrolizumab, der aktuell bei metas-tasierten Melanomen und fortgeschritte-nen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen erprobt wird. Tanguy Seiwert präsentierte beim ASCO 2014 erstmals Daten, die darauf hinweisen, dass dieser Antikörper auch insbe-sondere bei Kopf- und Halstumoren mit star-ker T-Zell Infiltration wirksam sein könnte.

Umdenken in der Diagnostik

Die sich abzeichnenden individualisierten Therapiekonzepte in Abhängigkeit von einer Virusgenese erfordern vor Therapiebeginn eine entsprechende Spezialdiagnostik. Die HPV-Diagnostik ist im Kopf-Hals-Bereich noch nicht routinemäßige etabliert. Die DNA von Epstein-Barr Viren (EBV-DNA) kann im Blutserum bestimmt werden. Die Konzentration von EBV-DNA korreliert bei Lymphoepithelialen HNO-Tumoren

mit der Tumorzellzahl und könnte somit als Tumormarker sowohl in der Primärdiagnostik als auch in der Verlaufskontrolle unter Therapie zum Einsatz kommen.

FAZIT: Virusinduzierte Kopf- und Halstu-moren unterscheiden sich bezüglich ihrer Eigenschaften und Prognose deutlich von nicht-virusinduzierten Tumoren. Dies eröffnet die Möglichkeit einer individua-lisierten systemischen und/oder Strah-lentherapie mit reduzierten Toxizitäten.

Abb. 4

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 23

Kann/soll ich zu meiner Tumortherapie Vitamine und/oder Antioxidanzien zu mir nehmen?

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 23

13. NZW-Süd in München

Tumorpatienten gehen generell davon aus, dass Vitamine und Antioxidanzien „gesund“ seien. Sofern am Nutzen gezweifelt wird, gilt sowohl in Fachkreisen als auch unter Laien verbreitet die Annahme, solche Supplemente könnten jedenfalls nicht schaden. Supplemente mit Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen werden vornehmlich wegen ihrer antioxidativen und „guten“ Wirkung auf das Immunsystem eingenommen. Damit hoffen Patienten den oxidativen Stress, der mit einer Radio- oder Chemotherapie (z.B. Bleomycin, Anthrazykline) einhergeht, in den Normalgeweben reduzieren zu können und sich „zu stärken“. So sollen unerwünschte Therapiewirkungen vermieden werden. Selten wird bedacht, dass damit auch der therapeutisch wirksame, also beabsichtigte oxidative Stress in den Tumorzellen reduziert wird und damit die Therapiewirkung kompromittiert werden kann (Selen ist z.B. Bestandteil intrazellulä-rer Reparaturenzyme – auch in Tumorzellen!).

Unzweifelhaft muss ein nachgewiese-nes Vitamindefizit ausgeglichen werden. Begleitend zu einer onkologischen Therapie kommt es aber oft zur Übersupplementierung.

Reduzieren Antioxidanzien tatsäch-lich unerwünschte Wirkungen?

Auch wenn die Wirkungsweise von Anti-oxidanzien bisher nur exemplarisch gezeigt werden konnte, gibt es doch ca. 50-100 Verbindungen, die aufgrund ihres antioxi-dativen Potenzials geeignet sein könnten, Nebenwirkungen zu vermindern oder gar zu vermeiden. Dazu gehören Vitamin E und C, Provitamin A (Betacarotin), Carotinoide, Flavonoide und Spurenelemente wie Selen. Einige Substanzen reichern sich in bestimm-ten Geweben an (Carotinoide: Lunge, Haut; Lutein, Zeaxanthin: Auge) und könnten so eine organspezifische Schutzwirkung ent-falten. In vielen Fällen sind Wirkorte,

Kann/soll ich zu meiner Tumortherapie Vitamine und/oder Antioxidanzien zu mir nehmen?Referent: Jürgen Barth, Gießen

Jürgen Barth | Apotheker für Klinische Pharmazie -ONKOLOGISCHE PHARMAZIE- StiL-Studienzentrale | Justus-Liebig-Universität | Medizinische Klinik IV

Capecitabin und Interaktionen mit Vitaminen/vitaminähnlichen Substanzen

• Keine Folate zu Capecitabin– (Multi-)Vitaminpräparate!

• Clippe et al. Clin Oncol (R Coll Radiol) 2003;15:299-300

• Achtung! Lebensstil

erforderliche Gewebekonzentrationen und die notwendige funktionelle Vernetzung der Antioxidanzien untereinander nicht bekannt.

Risiken der Einnahme von Supplementen

Getreu des Prinzips „viel hilft viel“ neigen Patienten zur Überdosierung. Riskant ist

z.B. eine hoch dosierte Folatsubstitution unter Capecitabin-Therapie, da diese die Myelosuppression und andere Toxizitäten verstärkt. Hier muss berücksichtigt wer-den, dass Folsäure auch in Alltagsprodukten bereits in hoher Dosierung vorhanden sein kann (Abb. 1). In den nordamerikanischen Ländern Kanada, USA und in Mexiko wer-den im Rahmen von Studien generell mehr Grad3/4 Toxizitäten unter Capecitabin

Jürgen Barth | Apotheker für Klinische Pharmazie -ONKOLOGISCHE PHARMAZIE- StiL-Studienzentrale | Justus-Liebig-Universität | Medizinische Klinik IV

• Prospektiv,• randomisiert,• Placebo kontrolliert,• verblindet

α-Tocopherol (400 U/d = 120 µg), RDA* = 800 µgβ-Carotin = Pro Vit. A (30 mg/d)

*= Recommended Daily Allowance

Vitamine – antioxidative „Risiken“?Vitamine – antioxidative „Risiken“?

Abb. 1

Abb. 2

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24 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Kann/soll ich zu meiner Tumortherapie Vitamine und/oder Antioxidanzien zu mir nehmen?

24 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

beobachtet als in anderen Ländern; dies ist möglicherweise der dort weit verbreite-ten Folatanreicherung von Lebensmitteln geschuldet (Folate Fortification Policy (1)).

Ein warnendes Beispiel für negative Aus-wirkungen einer Übersupplementierung ist die CARET-Studie. Hier hatten Raucher in einer prospektiven Untersuchung 30mg Betacarotin und 25 000 IE Retinol (vs. Placebo) täglich erhalten, in der Hoffnung, damit die Inzidenz von Lungenkarzinomen reduzieren zu können. Die Studie musste vorzeitig abgebrochen werden, weil sich in der Interventionsgruppe die Fälle von Lungenkrebs häuften (2). Wie man später herausfand, hatte sich insbesondere Retinol in der Lunge angereichert und wurde dort nicht-enzymatisch zu hoch reaktiven, toxi-schen und karzinogenen Produkten metabo-lisiert. Ein Beispiel für falsche pharmakologi-sche Vorstellungen einer Substanz.

In einer weiteren Studie wurde versucht, die Toxizität der Radiotherapie bei Kopf- und Halstumoren mit Vitamin E und Betacarotin zu reduzieren (Abb. 2). Tatsächlich traten weniger unerwünschte Wirkungen (z.B. Xerostomie, Mukositis) auf – jedoch um den Preis einer um 10% (absolut!) höheren Mortalität nach 8 Jahren. Offenbar hatten die Antioxidanzien die oxidativen Schäden der Radiotherapie in den Tumorzellen kon-terkariert (3).

Auch für Selen konnte in mehreren Studien bisher weder ein primär- noch ein sekun-där präventiver Nutzen (Lungen-, Prostata-karzinome) nachgewiesen werden; in der Sekundärprävention ist sogar ein erhöhtes Rezidivrisiko nicht auszuschließen.

Vitamin C trägt möglicherweise dazu bei, Tumorzellen resistent gegen onko-logische Therapien zu machen (Abb. 3). Von einer therapiebegleitenden Vitamin C-Supplementierung ist abzuraten. Das gleiche gilt für Thiamin/Vitamin B1 (4, 5).

In welchen Fällen sollte supplementiert werden?

Viele Patienten sind unzureichend mit Vitamin D versorgt. Dies scheint ein Risikofaktor bezüglich der Tumorentstehung

und des Rezidivrisikos zu sein (Abb. 4). Wenn tatsächlich ein Mangel vorliegt (zunächst ent-sprechende Diagnostik!) sollte hoch dosiert supplementiert werden (50 I.E./kg).

Nach operativer Entfernung des Magens müs-sen Patienten mit Vitamin B12 (i.m.) supple-mentiert werden, da der zur Resorption notwen-dige Intrinsic Factor nicht mehr vorhanden ist.

Vor einer Pemetrexed-Therapie müssen Patienten mit Folat + Viamin. B12 „aufgesät-tigt“ werden (350-1000 µg Calciumfolinat oral, min. (!) 5 x ab Tag –7 vor Pemetrexed; dann weitere 21 Tage + 1000 µg Vitamin B 12 i.m. in der Woche vor Pemetrexed Applikation). Dadurch steigt die therapeutische Breite/Dosistoleranz um ungefähr den Faktor 10.

1. MidgleyR,KerrDJ.Capecitabine:havewegotthedoseright?NatClinPractOncol2009;6:17-24.

2. OmennGS,GoodmanGE,ThornquistMD,etal.RiskfactorsforlungcancerandforinterventioneffectsinCARET,theBeta-CaroteneandRetinolEfficacyTrial.JNatlCancerInst1996;88:1550-9.

3. BairatiI,MeyerF,GelinasM,etal.Randomizedtri-alofantioxidantvitaminstopreventacuteadver-seeffectsofradiationtherapyinheadandneckcancerpatients.JClinOncol2005;23:5805-13.

4. CascanteM,CentellesJJ,VeechRL,LeeWN,Bo-rosLG.Roleofthiamin(vitaminB-1)andtrans-ketolaseintumorcellproliferation.NutrCancer2000;36:150-4.

5. Comin-AnduixB,BorenJ,MartinezS,etal.Theeffectofthiaminesupplementationontumourproliferation.Ametaboliccontrolanalysisstudy.EurJBiochem2001;268:4177-82.

FAZIT: Vitamine/Antioxidanzien können die Akuttoxizität von Radio- und Chemotherapie reduzieren. Sie kompromittieren aber möglicherweise die Effektivität der onkologischen Therapie. Nachgewiesene Vitamindefizite sollten ausgeglichen werden, eine Übersupple-mentierung ist nach derzeitiger Datenlage zu vermeiden.

Abb. 3

Abb. 4

Jürgen Barth | Apotheker für Klinische Pharmazie -ONKOLOGISCHE PHARMAZIE- StiL-Studienzentrale | Justus-Liebig-Universität | Medizinische Klinik IV

Ein paar Worte zu Vitamin C

• For example, the mechanism by which oxidized dehydroascorbicacid universally enters cells via glucose transporters andaccumulates inside the cells in its reduced state (ascorbic acid) hasbeen well described– Vera et al. Nature 1993; 364: 79–82.

• Cancer cells have been shown to exhibit upregulation of thesefacilitative glucose transporters and hence take up more glucoseand more vitamin C than their normal neighbors– Vera et al. J Biol Chem 1995; 270: 23706–23712.

• This would suggest that the protective effect of vitamin C might beeven greater for tumors than for normal cells.

• It has been empirically demonstrated that cancer cells can becomeresistant to oxidative injury by treatment with vitamin C.– Guaiquil et al. J Biol Chem 2001; 276: 40955–40961.

Ein paar Worte zu Vitamin C

Jürgen Barth | Apotheker für Klinische Pharmazie -ONKOLOGISCHE PHARMAZIE- StiL-Studienzentrale | Justus-Liebig-Universität | Medizinische Klinik IV

Vitamin D• Diverse Publikationen zu besserem Outcome wenn Vit. D „gut“

– Kolorektal• Zgaga et al. Plasma Vitamin D Concentration Influences Survival Outcome After a Diagnosis

of Colorectal Cancer J Clin Oncol. 2014; 32: 2430-2439– Mamma

• Mohr et al. Meta-analysis of Vitamin D Sufficiency for Improving Survival of Patients with Breast Cancer Anticancer Res. 2014; 34(3):1163-1166

– CLL• Molica et al. Vitamin D insufficiency predicts time to first treatment (TFT) in early chronic

lymphocytic leukemia (CLL) Leuk Res (2011), doi:10.1016/j.leukres.2011.10.004– NHL

• Drake et al. Vitamin D Insufficiency and Prognosis in Non-Hodgkin’s Lymphoma J ClinOncol. 2010; 28: 4191-4198

– NSCLC• Zhou et al. Circulating 25-Hydroxyvitamin D Levels Predict Survival in Early-Stage Non–

Small-Cell Lung Cancer Patients. J Clin Oncol 2007; 25: 479-485

• Reduktion von Nebenwirkungen à AI• Rastelli et al. Vitamin D and aromatase inhibitor-induced musculoskeletal symptoms

(AIMSS): a phase II, double-blind, placebo-controlled, randomized trial Breast Cancer Res Treat. 2011;129:107-116

Vitamin D

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 25

Antiangiogenese- und PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 25

13. NZW-Süd in München

Mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von knapp 40% stellt das Ovarialkarzinom nach wie vor eine prognostisch ungünstige Tumorentität dar. Die Prognose der Patientinnen hängt, abgesehen vom Tumorstadium, entschei-dend davon ab, wie umfassend und sorg-fältig die primäre Operation durchge-führt wurde. Entscheidend ist eine radikale Ausräumung von Lymphknoten, Metastasen in Nachbarorganen, einer Peritonealkarzinose oder von Metastasen im großen Netz (Abb. 1). Um ausreichenden Überblick im Bauchraum zu gewinnen, ist ein großer Längsschnitt erforderlich (Abb. 2).

Tritt ein Rezidiv auf, hängt die Prognose wesentlich davon ab, wie früh dieses erfolgt. Fast jedes 4. Rezidiv ereignet sich inner-halb der ersten 6 Monate nach OP, mit ent-sprechend negativen Auswirkungen auf die Überlebenschancen (Abb. 3).

Antiangiogenese- und PARP-Inhibitoren beim OvarialkarzinomReferent: Prof. Dr. Werner Meier, Düsseldorf

Netzmetastase

Abb. 1

Abb. 2

Nabel

Xiphoid

Symphyse

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26 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Antiangiogenese- und PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom

26 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

Neue Optionen in der Systemtherapie

1. Angiogenese-Inhibitoren: Die primäre/adjuvante Standardchemotherapie mit Carboplatin und Paclitaxel (6 Zyklen, alle 3 Wochen) wird heute in den Stadien IIIB – IV ergänzt durch den Angiogenese-Inhibitor Bevacizumab (ein VEGF-Inhibitor = vascular endothelial growth factor inhibitor). Damit kann eine Verlängerung zumindest der progressions-freien Zeit, bei Hochrisikogruppen auch eine Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht werden. In der Phase III Zulassungsstudie (Perren T et al. Ann Oncol 2010; 21 (Suppl. 8):viii2 (Abstr. LBA4) wurde Bevacizumab in der Interventionsgruppe für 12 Monate verabreicht. Möglicherweise wäre eine längere Therapiedauer besser, denn der Vergleich der progressionsfreien Zeit in Interventions- und Kontrollarm zeigt, dass der Vorteil nach 12 Monaten, also nach Abschluss der Bevacizumab-Behandlung, wieder verloren geht (Abb. 4); dieser Frage wird zurzeit in einer Anschlussstudie (AGO-17) nachgegangen. Eine retro-spektive Subgruppenanalyse (Abb. 5)

Bevacizumab plus Carboplatin / PaclitaxelPhase-III-Zulassungsstudie ICON7 / AGO-OVAR11 – PFS

1. Kristensen et al. J Clin Oncol 2011; 29(18S): 781s (Abstract LBA5006). 2. Perren T et al. Ann Oncol 2010; 21 (Suppl 8):viii2 (Abstract LBA4).3. Aktuelle Fachinformation Avastin®

Avastin® in Kombination mit Carboplatin / Paclitaxel und anschließende Monotherapie über insgesamt 12 Monate verlängert signifikant das progressionsfreie Überleben.1,3

Der PFS-Vorteil war nach 12 Monaten am größten. Zu diesem Zeitpunkt wurde protokollgemäß die Avastin®-Gabe beendet.2

+2,4 Monate

Abb. 4

134,908.011/2014

17,7%ohne

Rezidiv

100

0

Zeit (Monate)

70

0 120108

50

132

30

10

2412 48 72 84 9636 60

90

60

40

20

80

Progressionsfreies Überleben bei FIGO IIB-IVIndividuelle Patienten-Metaanalyse der AGO-Phase III-Studien

2 Modifiziert nach: Du Bois A et al. | Cancer 2009; 15:1234-44

PFS

(3,1

26 p

ts. /

2,3

75 e

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s)P

rogr

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(3.1

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/ 2.3

75 E

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5-PFS22,6%

Median PFS 18,2 Monate

5,3% Progression während Chemotherapie (refraktär)

17,2 % Rezidiv in 0-6 Monaten nach Chemotherapie (resistent)

22,7% Rezidiv innerhalb 6-12 Monaten nach Chemotherapie (teilweise sensitiv)

22,5% Rezidivinnerhalb 6 Monaten

59,9% Rezidivnach >6 Monatenund 37,2% nach>12 Monaten nach Chemotherapie

3,7% Rezidiv 60-120 Monate nach Chemotherapie (2. Primärtumor?)

33,5% Rezidiv innerhalb 12-60 Monaten nach Chemotherapie (sensitiv)

Abb. 3

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 27

Antiangiogenese- und PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 27

13. NZW-Süd in München

Bevacizumab plus Carboplatin / PaclitaxelPhase-III-Zulassungsstudie ICON7 / AGO-OVAR11 – OS

Retrospektive Subgruppenanalyse zum OS bei Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko (FIGO III Tumorrest > 1 cm und FIGO IV)

Kristensen et al. J Clin Oncol 2011; 29(18S): 781s (Abstract LBA5006).

+7,8 Monate

Abb. 5

Angiogenese-Hemmung

Die Hemmung der Angioneogenese ist als neuer integraler Bestandteil der Thera-pie des Ovarialkarzinoms anzusehen.

Die frühe und kontinuierliche Therapie mit Carboplatin / Paclitaxel plus Bevaci-zumab gefolgt von Bevacizumab Mono über 15 Monate verlängert signifikant das progressionsfreie Überleben beim Ovarialkarzinom.

Bevacizumab ist die erste zielgerichtete und antiangiogene Therapie, die einen PFS-Vorteil in der Primärbehandlung des Ovarialkarzinoms zeigt. Hinsichtlich der Dauer einer Erhaltungstherapie besteht weiterhin Forschungsbedarf.

Andere Wirkmechanismen wie die selektive Beeinflussung von Angiopoeitin 1 und 2 sowie des transmembranen Tie2 Rezeptors zeigen vielversprechende Ansätze. Die Ergebnisse laufender Studien mit Trebananib bleiben abzuwarten.

Progression-free survival

0

Time from randomization (months)

136 104 51 23 6 0 0129 72 23 7 1 0 0

At risk (n)OlaparibPlacebo

0.6

0.8

Prop

ortio

n of

pat

ient

s pr

ogre

ssio

n fr

ee

0.9

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.7

1.0

3 6 9 12 15 18

No. of events: Total patients (%)Median PFS (months)

Olaparib60:136 (44.1)8.4

Placebo93:129 (72.1)4.8

Hazard ratio 0.35 (95% CI, 0.25–0.49)P<0.00001

Olaparib 400 mg bidPlacebo

Randomized treatment

zeigte, dass Patientinnen mit hohem Rezidivrisiko besonders von der zusätz-lichen Gabe von Bevacizumab profitieren.

Beim rezidivierenden Platin-sensiblen Ovarialkarzinom führt Carboplatin/ Gemcitabin + Bevacizumab, gefolgt von Bevacizumab-Monotherapie bis zum Progress, zu einem klinisch bedeutsamen Benefit im Vergleich zur Chemotherapie allein (signifikante PFS-Verlängerung um 4 Monate; Aghajanian C et al. J Clin Oncol 2012;30(17):2039–45). Dieses Therapieregime sollte daher als neue Standardtherapie beim rezidivierenden Platin-sensiblen Ovarialkarzinom berück-sichtigt werden.

2. PARP-Inhibitoren: Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP)-Inhibitoren hemmen die Reparatur von DNA-Einzelstrang-brüchen, die in Tumorzellen häufig auftreten. Dies führt zum Bruch des DNA-Doppel stranges und so zum Zell untergang. Vertreter der Substanz-klasse sind Olaparib und Niraparib. In einer Phase II Studie wurde Ola-parib als Erhaltungs therapie nach der Chemotherapie rezidivierter Ovarial-karzinome eingesetzt (Drittlinie nach mindestens zwei platinhaltigen Regimen; Jonathan Ledermann et al.). Damit konnte die progressionsfreie Zeit sig-nifikant verlängert werden (Abb. 6). Zurzeit laufen prospektiv randomisierte Studien mit Olaparib und Niraparib beim Rezidiv (in Kombination mit Standard-Chemotherapie), auch eine Studie mit Bevacizumab und Olaparib in der Primärtherapie soll Anfang 2015 anlaufen.

FAZIT: Die Hinzunahme von Biologicals hat zu einer Verbesserung der Therapie beim Ovarialkarzinom geführt. Bevaci-zumab bewirkt sowohl in der Primär- als auch in der Rezidivtherapie eine signi-fikante Verlängerung der progressions-freien Zeit. Für PARP-Inhibitoren konnte bisher in Phase II-Studien die Wirksam-keit beim platinsensiblen Rezidiv nach-gewiesen werden. Phase III-Studien mit PARP-Inhibitoren für die Primär- und Re-zidivtherapie sind bereits gestartet oder in Vorbereitung.

Abb. 5

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28 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Prostatakarzinom: Update 2014

28 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

13. NZW-Süd in München

Langzeitprognose

In den letzten Jahren hat es zahlrei-che Verbesserungen in der Therapie des Prostatakarzinoms gegeben, die sich deut-lich im Langzeitüberleben niederschlagen. So zeigte sich in der EUROCARE Studie (De Angelis et al. Lancet Oncology 15(1) 23-34,2014), dass nur 73,4% der Patienten, deren Karzinom zwischen 1999 und 2001 diagnostiziert worden war, länger als 5 Jahre lebten. Bei Diagnosestellung zwischen 2005 und 2007 hatte sich dieser Anteil auf 81,7% erhöht.

Reicht aktive Überwachung bei low risk-Tumoren?

Mehrere große Studien beschäftigten sich mit dem Verlauf bei Patienten mit low risk-Tumoren, die primär nicht behandelt, sondern nur engmaschig kontrolliert wurden (Tab.1). Diese so genannte „Active Surveillance“ zeigt ungelöste Probleme: Jeder 5. Patient erscheint nicht zu den Kontrollen, ungefähr jeder 3. Patient entwickelt einen progredien-ten Tumor.

Einiges Aufsehen erregte eine Studie (Wilt et al. 2012 NEJM 367(3):203-213), die bei frühen Prostatakarzinomen hinsicht-lich der Mortalität keinen Unterschied zwischen Active Surveillance und opera-tiver Therapie fand. Diese Ergebnisse sind wohl wenig valide, da es im Operationsarm keinen verbindlichen und hochwertigen Operationsstandard gab.

Neues zur Systemtherapie fortgeschrittener Tumoren

1. Behandlungsstandard bei metastasier-tem Lei den ist zunächst die Andro-gen deprivation, bei Resistenz entwick-lung folgen weitere Therapien nach einem Stufen schema (Kasten Seite 29).

Prostatakarzinom: Update 2014

Referent: Prof. Dr. Thomas Otto, Neuss

Tab. 1 Verlauf unter Active Surveillance

Patientenzahl Studie

Kein Follow up

2494 19% Bul et al. 2013

Progredient

3659 29% Bokhorst et al. 2014

5357 38% Loeb et al. 2014

Christopher Swee ney zeigte beim ASCO 2014 Daten von hormon sensitiven Patienten, die sehr früh, zusätzlich zur Androgendeprivation, mit Docetaxel behandelt wurden. Unter Hormon-entzug alleine betrug das mediane Überleben 44 Monate, bei gleichzeiti-ger Gabe von Docetaxel 57,6 Monate. Besonders Patienten mit hoher Tumor-last profitierten bei insgesamt schlech-terer Gesamtprognose von der frü-hen Docetaxelbehandlung (medianes Überleben 49,2 vs. 32,2 Monate).

2. Beim ASCO 2014 wurden Daten vor-gelegt, die für die Therapie mit dem Alpha- Strah ler Radium-223-Chlorid (Rd-223Cl) erstmals einen Überlebens-vorteil beim kastrationsresistenten meta-stasierten Prostatakarzinom zeigten, nicht nur eine Symptomlinderung bei Knochenmetastasen (Abb. 1). Diese Daten lassen sich offenbar nicht auf andere Strahler (Strontium) übertragen.

Abb. 1

ProstatakarzinommCRPC

Radium-223Cl

OS Time to SRE n (Monate) (Monate)

307 11.2 8.4 p=0.00185 p=0.00046614 14.0 13.6

Nilsson, ASCO GU 2014

Placebo

Rad-223Cl

Randomisierte Phase II Studien=265 Docetaxel+/- Strontium89med. OS 27.9 vs 26.5 Monate, p=0.62,ns, Wang et al.2014PSMA PET/CTHellwig et al. 2014

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 29

Prostatakarzinom: Update 2014

Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 29

13. NZW-Süd in München

3. Beim kastrationsresistenten fortgeschritte-nen Pros ta ta karzinom verlängert Abira -terone das mediane Überleben um 5 Monate (Abiraterone: 35,3 Monate, Placebo: 30,1 Monate; p=0,015; Rathkopf et al. 2013, Ryan et al.2013).

4. Neben Abiraterone steht seit neuestem auch Enzalutamid in der First Line-Therapie kastrationsresistenter Karzinome zur Verfügung. Die Substanz interagiert mit den Hormonrezeptoren. Im Vergleich zu Placebo zeigte sich in der PREVAIL-Studie ein sehr großer Vorteil für das radiologisch ermittelte progressionsfreie Überleben (rPFS; Abb. 2). In der Second Line ist bei Abiraterone-resistenten Karzinomen mit Enzalutamid im Schnitt noch eine 8-monatige Lebensverlängerung zu erzielen (Brasso, Eur Urol, in press. 2014).

5. Zwei Studien, die die neue Substanz Orteronel/TAK-700 beim kastrationsre-sistenten metastasierten Prostatakarzinom testeten, fanden weder für die First noch für die Second Line einen Überlebens-vorteil gegenüber Placebo (De Wit et al.2014; Dreicer et al.2014). Auch Ipilimumab enttäuschte als Second Line Therapie (Kwon Lancet Oncol, 2014).

Neue Therapiesequenz für das primär metastasierte Prostatakarzinom

Basierend auf den neuen Studiendaten emp-fiehlt sich jetzt die Docetaxel Behandlung als 4. Stufe im Rahmen der Sequenztherapie des

Abb. 2

noch hormonsensitiven Prostatakarzinoms. Damit entfällt die Unterscheidung von First und Second Line für das kastrationsresistente Karzinom (siehe Kasten). Stufenunabhängig wird bei hormonsensitiven Karzinomen bei

Knochenmetastasen Zoledronsäure, alter-nativ Denosumab, zugegeben. Bei kas-trationsresistenten Karzinomen werden Knochenmetastasen mit LHRH+Rd-223Cl oder LHRH+Samarium behandelt.

14. NZW-Süd in Münchenvom 5. bis 6. September 2015

Metastasiertes Prostatakarzinom, hormonsensitiv

1. Stufe: sofort LHRH

2. Stufe: Intermittierende Androgendeprivation (IAD)

3. Stufe: LHRH+Antiandrogen

4. Stufe: LHRH+Docetaxel

Metastasiertes Prostatakarzinom, kastrationsresistent

5. Stufe: LHRH+Abiraterone, alternativ Enzalutamid

6. Stufe: LHRH+Enzalutamid, alternativ Abiraterone

7. Stufe: LHRH+Cabazitaxel

8. Stufe: LHRH+Best Supportive Care

ProstatakarzinommCRPC first line

Enzalutamide vs. PlaceboPREVAIL-Studie

n med. OS rPFS

ENZ 842 32.4 13.8 p<0.0001 p<0,0001Placebo 845 30.2 3.7

Armstrong et al. 2014

Enzalutamide ist auch für alle Nebenzielkriterien signifikant (p<0.0001) überlegen •FACT-P•time to SRE•time to PSA PROG•best objective response•time to CTX

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30 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Tiere als Krebspatienten

Tiere als KrebspatientenInterview mit dem Veterinär

Dr. Ulf Krohn, Hamburg

Von Sigrid Rosen-Marks,

Hamburg

Wer mit seinem geliebten Vierbeiner zum Tierarzt geht, dem geht es ähnlich wie bei den Begegnungen mit Vertretern der Human-Medizin: Man sollte sich seinen

Tierarzt genau anschauen!Eine Herzerkrankung unseres Pudels Felix hat mich vor einigen Jahren zu Dr. Krohn geführt, der auf Herzultraschall-Untersuchungen spezialisiert ist. Seine Untersuchung war so ausführlich und mit erklärenden Kommentaren versehen, dass ich mir ernsthaft überlege, meine nächste eigene Herzuntersuchung hier durchführen zu lassen.Aber natürlich gehören auch Krebserkrankungen von Tieren in einer Tierarztpraxis zum Alltag. Was wäre, wenn das Familienmitglied Tier an Krebs erkrankt? Denn als Familienmitglied betrachtet die überwiegende Anzahl der Besitzer ihr Tier. Und die Fürsorgepflicht für dieses Mitglied beinhaltet selbstverständlich eine gute medizinische Versorgung - auch wenn an diesem Punkt die Ansichten sicher weit auseinander gehen.

Sigrid Rosen-Marks: Herr Dr. Krohn, welche Tierarten bekommen besonders häufig Krebs?Dr. Krohn: Bei Hunden und Katzen kommen Krebsdiagnosen eher vor als bei Heimtieren, wie Kaninchen oder Meerschweinchen. Krebserkrankungen sind bei Hunden und Katzen etwa gleich häufig.

Gibt es Krebsarten, die bei Tieren häufi-ger vorkommen? Tatsächlich belegen Studien, dass z.B. Lungenkrebs bei Hunden in Städten häufiger vorkommt. Das liegt wohl daran, dass Hunde sich auf Auspuffhöhe bewegen. Außerdem finden wir sehr häufig diverse Haut- und Milztumore.

Wie oft haben Sie bei einem Tier den Verdacht auf eine Krebserkrankung und welche diagnostischen Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung?Bei etwa 10% der Patienten entdecken wir eine Krebserkrankung, die wir dann durch bild-gebende Verfahren wie Röntgen, Ultraschall und ggfs. CT oder MRT untermauern. Dann können wir mit weiteren diagnosti-schen Maßnahmen, wie einer Biopsie, einer Punktion der Zellen oder der Tumorentnahme den Befund pathologisch absichern. Das hängt allerdings auch von der Entscheidung des Besitzers ab. Tumormarker stehen uns dabei nicht zur Verfügung. Sie sind in der Veterinärmedizin leider – wenn sie denn über-haupt zur Verfügung stehen – sehr unsicher.

Wie geht es nach der Diagnose weiter?An erster Stelle steht eine intensive Beratung und Aufklärung der Tierbesitzer. Das ist für mich das A und O. Was möchte der Tierbesitzer? Was möchte er seinem Tier zumuten? Ist er bereit, den Weg einer Chemotherapie oder je nach Lage einer Strahlentherapie zu gehen? Wir schicken die Tiere dann in Fachkliniken, d.h. wir überwei-sen an spezialisierte Kollegen. Aber die enorm wichtige erste Aufklärung ist die Aufgabe eines jeden Tierarztes. Ich denke nicht, dass es eine Verantwortung ist, die man einfach so abschieben kann. Ich gehe dabei so weit wie möglich ins Detail: Was sind die Wege? Welche Verantwortung kommt auf uns zu? Welche Prognose kann gestellt werden? Ist eine Heilung möglich oder kommt eine pal-liative Behandlung in Frage?

Wie weit gehen Tierbesitzer normaler-weise bei der Therapie?Der zeitliche und finanzielle Aufwand für die Besitzer kann enorm hoch sein. Es gibt Besitzer, die sich gegen eine spezifi-sche Behandlung entscheiden. Dann ist es meine Aufgabe, den Patienten so gut und schmerzfrei wie möglich zu betreuen, damit er einen erträglichen Lebensabend hat. Hier kommen Schmerzmittel und

I N T E R V I E W

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 31

Tiere als Krebspatienten

der Patientenbesitzer mit einer ganz norma-len Lebenserwartung seines Tieres rechnen. Ein dreibeiniger Hund kommt gut mit seiner Situation klar. Und dann hat sich aus meiner Sicht der Aufwand auf jeden Fall gelohnt.

Auf der anderen Seite, wenn ich bei einem 13jährigen Hund ein Osteosarkom fest-stelle, der Hund vielleicht vergrößerte Lymphknoten oder Begleiterscheinungen von Tumorerkrankungen, z.B. ein Thymom, das bei bildgebenden Verfahren diagnostiziert wurde, hat, dann rate ich von einer aggres-siven Therapie ab und schlage eine palliative Behandlung vor, um dem Tier einen guten Lebensabend zu ermöglichen.

Da liegt wohl der grundlegende Unterschied zur Humanmedizin. Hier würde wohl mit allen Mitteln versucht – wenn sich der Patient nicht dagegen entscheidet – die Lebensdauer doch so lange wie möglich zu erhalten.

In der Veterinärmedizin ist die Abwägung zwischen Lebensdauer und Lebensqualität der entscheidende Faktor. Für mich ist immer zuerst die Lebensqualität entscheidend. Wir können heute gut palliativ begleiten. Manchmal muss man dann dem Patienten-Besitzer die Augen öffnen. Abschied nehmen bedeutet loslassen, aber auch das Übernehmen von Verantwortung für ein Wesen, das viel-leicht zehn oder dreizehn Jahre mit mir zusammengelebt hat. In der Tiermedizin haben wir eben die Möglichkeit, das Leiden an einer bestimmten Stelle zu beenden. Auch diese Form der Beratung gehört zu unseren Aufgaben. Wir müssen sehr sensibel für die Zeichen der Patienten sein. Halter und Tierarzt müssen gut zusammenarbeiten.

Nahrungsergänzungsmittel, Futtermittel mit erhöhtem Eiweißgehalt und Antioxidanzien in Frage, da besonders wachsende Tumore einen Eiweißverlust hervorrufen können.

Ungefähr die Hälfte der Besitzer entscheidet sich für eine Chemotherapie. Ich empfehle dann, dass der Besitzer das Tier während der Therapie begleitet. Das Tier ist dann ent-spannter und ruhiger. Aber das ist wirklich meine persönliche Einstellung. Es gibt auch Kliniken, die das Tier morgens entgegen-nehmen und wo man es zum verabredeten Zeitpunkt wieder abholt.

Gibt es ähnlich wie in der Humanmedizin vorgeschriebene Standards für die Therapien? Es gibt auch in der Veterinärmedizin Chemotherapie-Standards und Chemo-therapie protokolle für die einzelnen Tumorarten. Allerdings gibt es Tumorarten, wie den Krebs der Brustleiste der Hündin, für die es keine oder keine überzeu-gende Chemotherapie gibt. Dann käme je nach Krebsart unter Umständen eine Strahlentherapie in Frage.

Die Vorbereitung für diese Therapien entspricht der Vorgehensweise in der Humanmedizin. Je nach Medikament/ Präparat muss vorher eine Herzuntersuchung erfolgen, die Blutwerte müssen kontrolliert werden; Leber und Niere müssen untersucht werden. Die Mittel werden dann intravenös oder oral verabreicht, wobei bei letztgenann-ter Therapie Sicherheitsmaßnahmen, wie das Tragen von Handschuhen, vom Besitzer ein-gehalten werden müssen. Teils muss auch der Urin gesondert entsorgt werden.

Woher beziehen die Kliniken die Zytos ta tika?Ein Teil der Mittel kommt aus der Humanmedizin. Ein Teil aber auch aus der spezialisierten Tiermedizin. Wo uns Zytostatika aus der Tiermedizin zur Verfügung stehen, greifen wir natürlich dar-auf zurück.

Sind Tiere geduldige Patienten?Zu 99,9 % sind Tiere geduldige Patienten. Aber auch bei uns gibt es Ausnahmen (hier müssen wir herzlich lachen, denn Dr. Krohn kennt meinen Hund gut!). Tiere lassen eine Chemotherapie normalerweise problemlos

ohne Beruhigungsmittel über sich ergehen. Lediglich bei der Strahlentherapie muss eine Narkose gegeben werden.

Spielt ähnlich wie beim Menschen die Psyche der Tiere eine Rolle?Nein, das glaube ich nicht. Entscheidender ist die Belastbarkeit des Tieres. Kommt ein Tier aufgrund seiner persönlichen Voraussetzungen für die onkologische Behandlung in Frage, d.h. kann das Tier es vertragen, wöchentlich in die Praxis zu kom-men oder ein- oder zweimal wöchentlich an die Infusion gelegt zu werden.

Sind die Besitzer in der Regel bereit, die Kosten zu übernehmen?Die Besitzer sind zunächst auf jeden Fall an der Diagnosestellung interessiert. Die Kosten einer Strahlen- oder Chemotherapie über-nehmen bei einer guten Prognose ca. 70% der Patientenbesitzer. Schon bei der Diagnostik kommen allerdings hohe Kosten auf den Besitzer zu. Alleine eine CT-Untersuchung kostet je nach Tier 750 bis 1000 Euro. Für die anschließende Chemotherapie kommen geschätzte 1000 bis 2000 Euro dazu. Manche Kliniken erlauben die Abzahlung der Summe oder arbeiten mit Finanzierungsinstituten zusammen.

Müssen sich die Besitzer mit in die Behandlung einbringen? 50% der Therapie ist vom Besitzer abhängig. Bringt er die Zeit für die Behandlung mit? Hat er das Durchstehvermögen? Kann er ertragen, dass es dem Tier vielleicht zunächst schlechter geht? Und auch damit leben, dass die Prognose vielleicht nicht so gut ist und die Bemühungen nicht zum gewünschten Erfolg führen.

Was können Sie generell über die onkolo-gische Behandlung Ihrer Patienten sagen?Die Onkologie hat in der heutigen Tier-medizin einen festen Stellenwert. Sie wird sicher im Vergleich zur Humanmedizin in einer abgeschwächten Form angewandt. Der Patientenbesitzer muss schließlich auch mit den Nebenwirkungen umgehen kön-nen. Wir haben auch Patienten, die wir als geheilt entlassen. Wenn wir beispielsweise einen jungen, zweijährigen Hund mit einem Osteosarkom durch eine Amputation und eine Strahlenbehandlung retten können, und sich dann keine Metastasen bilden, dann kann

Zeichnung:RoMa

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32 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

DGHO Jahrestagung 2014

DGHO Jahrestagung 2014

Von Petra Jungmayr, Esslingen

Bei der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die vom 10. bis

14. Oktober 2014 in Hamburg stattfand und von rund 6.000 Teilnehmern besucht wurde, standen die Immuntherapie und die Behandlung maligner Lymphome im Vordergrund. Weitere Highlights waren Vorträge zu neuroendokrinen Tumoren, zur Thrombose und Tumorprogression, zum Signalweg des B-Zellrezeptors sowie zur Bedeutung des Mikroenviroments und der Angiogenese.

Traditionsgemäß wurde der Kongress mit einem Rückblick eröffnet, in dem ein Onkologe, ein Hämatologe und ein Experte der translationalen Forschung über wichtige Neuerungen in diesem Jahr berichteten. Aus der Sicht des Onkologen fällt eine retrospektive Analyse auf, in der untersucht wurde, ob beim adjuvanten Mammakarzinom der Zeitabstand zwischen Operation und Beginn einer Chemotherapie eine Rolle spielt. Wie Prof. Martin Schuler, Essen, erläuterte, ist dem so. Vor allem bei Patientinnen, die von einer Chemotherapie profitieren (bei Vorliegen triple-negativer und HER2-positiver Tumore), sollte diese innerhalb von zwei Monaten nach dem chi-rurgischen Eingriff erfolgen. Ein weiterer Beitrag zum Mammakarzinom befasste sich mit Trastuzumab Emtansin, das auch noch nach intensiven Vortherapien wirk-sam ist. Beim Prostatakarzinom hat sich gezeigt, dass jüngere Patienten von einer

Operation profitieren, ältere weniger. Beim Magen- und Ösophaguskarzinom hat sich die Zweitlinientherapie mit Taxanen und Ramucirumab etabliert und ist mit einem Überlebensvorteil verbunden. Bei kolorek-talen Karzinomen mit RAS-Wildtyp zeich-net sich ein Trend zur kontinuierlichen Erhaltungstherapie mit Cetuximab ab. Beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom ist eine dynamische Entwicklung der Biomarker-stratifizierten Therapie zu beobachten.

Neue Erkenntnisse in der Hämatologie betreffen unter anderem den Eisen-stoff wechsel, das multiple Myelom, die chro nisch lympha tische Leukä mie (CLL) sowie myeloproliferative Neoplasien. Wie Prof. Tim Brümmendorf, Aachen, erläuterte, haben sich insbesondere bei der Therapie der CLL eindrucks-volle Veränderungen ergeben. So konnte etwa die ausgeprägte

Überlegenheit des Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitors Ibrutinib im Vergleich mit dem CD20-Antikörper Ofatumumab gezeigt werden. Beim multiplen Myelom des älteren Patienten wird aktuell die Erhaltungstherapie mit Lenalidomid diskutiert.

Die translationale Forschung beschäf-tigt sich derzeit unter anderem mit neuen „Hallmarks of Cancer“, die bei Leukämien und Lymphomen eine Rolle spielen können. Bis die molekularbiologisch gesammelten Erkenntnisse allerdings in die Praxis umge-setzt werden können, wird viel Zeit und Geduld benötigt, so Prof. Andreas Neubauer, Marburg,

Hoffnungsträger Immunonkologie

Mit der Zulassung von Ipili-mu mab im Juli 2011 fand die Immuntherapie Einzug in den klinisch-onkologischen Alltag. Langezeit im Schatten ande-rer Entwicklungen wird die Immuntherapie heute als Behandlungs möglichkeit mit erfolgsversprechendem,

K O N G R E S S B E R I C H T

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 33

DGHO Jahrestagung 2014

aber auch schwer einschätzbarem Potential betrachtet. Der immunologische Therapie-ansatz hat ebenfalls Eingang in die „Hallmarks of Cancer“ gefunden. Diese beschreiben bekannte Überlebensstrategien von Tumoren und die entsprechenden therapeutischen Möglichkeiten, diesen gegenzusteuern.

Wie Prof. Dr. Andreas Mackensen, Erlangen, erläuterte, verfolgt eine immunologische Strategie, die blockierenden körpereigenen regulatorischen Mechanismen aufzuheben. Durch die Hemmung wichtiger interner Kontrollpunkte (Checkpoints) soll das kör-pereigene Immunsystem wieder in die Lage versetzt werden, Tumorzellen zu vernichten. Medikamentös kann dies durch Antikörper gegen das zytotoxische T-Lymphozyten assoziierte Antigen (CTLA-4) oder mit Hilfe von PD-1-Antikörpern (Antikörper gegen Programmed Death-1-Rezeptor und seines Liganden PD-L1) erfolgen. Diese Antikörper richten sich also gegen körper-eigene Immunzellen, und nicht wie die klas-sischen Antikörper gegen Tumorzellen.

Antikörper gegen CTLA-4 unterdrücken in der frühen Phase der T-Zellaktivierung im Lymphknoten die Immuntoleranz und lösen so antitumorale Effekte aus. Ein Vertreter ist das bereits zugelassene Ipilimumab, das beim metastasierten Melanom eingesetzt wird. Bei 20 – 30% der mit Ipilimumab behandelten Patienten

konnten lang anhaltende Therapieerfolge erzielt werden – ein bei der üblicherweise sehr schlechten Prognose eines weit fort-geschrittenen Melanoms beachtenswertes Ergebnis.

PD-1-Antikörper wirken in der Effektor-phase des Immunsystems im peripheren Gewebe und damit an der Kontaktstelle zwischen Tumorzelle und T-Zelle. Nivolumab, ein erster Vertreter die-ser Wirkstoffgruppe, wurde bereits in Japan zur Therapie des fortgeschrittenen Melanoms zugelassen und scheint noch höhere Ansprechraten als Ipilimumab zu

Immuntherapeutische Ansätze zur Behandlung maligner Erkrankungen

Unspezifische Immuntherapie mit Zytokinen (Interferontherapie)

Allogene Stammzelltransplantation

Checkpoint-Blockade CTLA-4-Antikörper (Ipilimumab) PD-1-Antikörper (in klinischen Studien Nivolumab, Pembrolizumab, Pidilizumab) PD-L1-Antikörper (in klinischen Studien)

Tumor-Impfung (aktive Immunisierung gegen Tumoren)

Bite-Antikörper (bispezifische Antikörper, die sowohl an Immunzellen als auch an Tumorzellen binden und beide miteinander verknüpfen; in klinischen Studien bei ALL, Lymphomen)

Transfer von T-Zellen (Entnahme körpereigener T-Zellen, dann Modifikation mit einem chimären Antigenrezeptor und anschließender Reinfusion; die gentechnisch veränderte T-Zelle soll dann in der Lage sein, Tumorzellen zu vernichten)

DGHO JahrestagungDie Jahrestagung der Deutschen, Ös-terreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie ist der größte Fachkongress für Hämato-logie und medizinische Onkologie im deutschsprachigen Raum. Der diesjährige Kongress, der von rund 6.000 Teilnehmern besucht wurde, umfasste etwa 200 Veranstaltun-gen, wissenschaftliche Symposien, Fortbildungsvorträge, Expertenwork-shops sowie Posterpräsentationen und wurde flankiert von einer Indus-trieausstellung, einer Pflegefachta-gung sowie einem Patienten- und einem Studententag.

erzielen. Mit dem in den USA bereits zuge-lassenen Pembrolizumab steht ein weiterer PD-1-Antikörper zur Melanomtherapie zur Verfügung.

Unklar ist derzeit noch, wie die Checkpoint-Blockade optimiert werden kann. Denkbar sind Kombinationen unterschiedlicher Wirkstoffe oder sequenzielle Therapien. Ein besonderes Augenmerk ist auf neue, immunologisch basierte Nebenwirkungen und Autoimmunphänomene zu richten. In Studien wird der Einsatz von Check-point-Inhibi toren bei weiteren Tumor-entitäten wie etwa dem nicht-kleinzelligen

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34 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

DGHO Jahrestagung 2014

Lun gen karzi nom sowie bei Nieren- und Blasen krebs untersucht.

Verbesserte Lymphomtherapie

Ein weiterer wissenschaftlicher Schwer-punkt lag auf der Behandlung maligner Lymphome. Einblicke in die Molekular-genetik der Erkrankungen führten zu neuen Therapiekonzepten und besseren Behandlungsergebnissen. Dies gilt für nahezu alle Lymphomarten, insbesondere für Non-Hodgkin-Lymphome mit ihren zahlreichen Subtypen der B- und T-Zell-Lymphome. So konnte beim diffusen großzelligen

B-Zell-Lymphom durch die Kombination aus Chemotherapie und Rituximab die Prognose der Betroffenen deutlich verbessert werden. Die Therapie der selteneren T-Zell-Lymphome richtet sich nach dem zugrunde-liegenden Genexpressionsmuster und sollte im Rahmen von Studien erfolgen.

Forderung nach anderen Studienregularien

Zu den gesellschaftlichen Problemen, die bei der diesjährigen Jahrestagung ange-sprochen wurden, zählen unter anderem Versorgungsaspekte im Hinblick auf die

Bevöl kerungs entwicklung sowie die Forderung nach einer anderen Studien land schaft. Wie Prof. Norbert Schmitz, Hamburg, hervor-hob, sind die derzeitigen Regularien für die Durchführung von Studien mit derart hohen Kosten verbunden, dass ihre Finanzierung fast ausschließlich von der Industrie erfolgt. Die öffentliche Förderung von Studien ist gering, so dass Fragen von klinischer Relevanz, die nicht mit der Neueinführung von Medikamenten verbunden sind, ungeklärt bleiben. Solange die Rahmenbedingungen für die Durchführung klinischer Studien nicht geändert werden, besteht die Gefahr, dass der Einfluss der Industrie in der Studienlandschaft zu groß wird.

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 35

PTA-Weiterqualifizierung

Herausgeber: Klaus Meier, Soltau

Verlag: onkopress, Theo-Mülders-Straße 92, 47918 Tönisvorst, www.onkopress.de ISSN-Nr.: 1437-8825

Chefredakteurin: Dr. Karla Domagk, Cottbus

Fotos: Seite 51 oben: www.istockphoto.com/Knape, Seiten 36, 52 oben: www.istockphoto.com/Sasa

Redaktion: Prof. Dr. Jens Büntzel, Nordhausen; Dr. Gabriele Gentschew, Frankfurt/M.; Anja Holsing, Köln; Dr. Brigitte Hübner,

Quedlinburg; Dr. Petra Jungmayr, Stuttgart; Henrik Justus, Uslar; Michael Marxen, Wesseling; Dr. Jochem Potenberg, Berlin; Dr. Susanne Rau, Hannover; Thomas Schubert, Mönchen-gladbach; Wioletta Sekular, Oldenburg; Dr. Gisela Sproßmann-Günther, Berlin; Dr. Robert Terkola, Wien; Dr. Sabine Thor-Wiedemann, Ravensburg; Andrea van Treeck, Mistelbach; Simone Widmer-Hungerbühler, Winterthur.

Wissenschaftlicher Beirat:Prof. Dr. U. Jaehde, Pharmazeutisches Institut, Abt. Klinische Pharmazie, Universität Bonn; Prof. Dr. Günter Wiedemann, Klinik für Innere Medizin, Hämatologie, Onkologie und Gastroenterologie, Oberschwabenklinik Ravensburg; Univ. Prof. DI Dr. Robert Mader, Universitäts klinik für Innere Medizin I, Medizinische Universität Wien; Sigrid Rosen-Marks, Hamburg; Carola Freidank, Hannover.

Alle Rechte, insbesondere die des Nachdrucks, der Übersetzung, der photomechanischen Wiedergabe und Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen sind vorbehalten und bedürfen der schriftli-chen Genehmi gung. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Illustrationen wird nicht gehaftet. Der Leser darf darauf vertrauen, dass Autoren und Redak tion größte Mühe und Sorgfalt bei der Erstellung der Zeitung verwandt haben. Für etwaige inhaltliche Unrichtigkeit von Artikeln übernehmen Herausgeber, Verlag und Chefredakteur keinerlei Verantwortung und Haftung.

Ein Markenzeichen kann warenzeichenrechtlich geschützt sein, auch wenn ein Hinweis auf etwa beste-hende Schutzrechte fehlt.

Namentlich gekennzeichnete Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar.

am 12. September 2014

Bennecke, Sarah/KölnBieg, Renate/GröbenzellGiebelhausen, Steffi/SangerhausenHundt, Anett/SangerhausenRoth, Sabrina/GröbenzellSchnoper, Andrea/DüsseldorfSchröde, Judith/Lutherstadt WittenbergWittmann, Galina/Balingen

Mündliche Gruppen-Prüfung im Rahmen der PTA-Weiterqualifizierung: „PTA Onkologie (DGOP)“Folgende PTAs haben diese Prüfung bestanden:

am 28. September 2014

Inter, Gundela/WittenbergeKaiser, Birgit/SiegenKrebs, Mathias/BremenMantsch, Christine/CoburgPlatz, Debora/ChurSchaffer, Claudia/LeipzigSchindele, Carmen/GröbenzellWilming, Eva-Maria/RheineZobel, Anja/Mannheim

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36 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Buchbesprechung

Schattauer Verlag, 1. Auflage 2013, Softcover, 162 Seiten ISBN: 978-3-7945-2891-2 (Print);978-3-7945-6725-6 (eBook PDF)24,99 Euro

Das vorliegende Buch ist eine Neuerschei-nung und stellt eine Unterstützung für Eltern und Bekannte von Kindern mit einer Krebs-erkrankung dar. Die Autoren dieses Buches, drei Psycholog(inn)en und ein Mediziner, befassen sich mit möglichen Strategien, eine Krebserkrankung bei Kindern und Ju-gendlichen zu begreifen und zu bewältigen.

Dieses Buch ist sehr übersichtlich in sechs Kapitel gegliedert. In jedem Kapitel gibt es neben den entsprechenden Inhalten einen „Exkurs“, in dem Informationen oder Aussa-gen erklärt oder vertieft werden, „Tipps“, in denen den Eltern sehr gute praxisorientierte Ratschläge gegeben werden, und „Wichtige Erkenntnisse, die Ihnen dieses Kapitel ver-mitteln möchte“, in dem abschließend eine kurze und prägnante Zusammenfassung for-muliert wird. Besonders zu beachtende In-formationen wurden jeweils rot hinterlegt.

Die ersten beiden Kapitel beschäftigen sich einführend mit der Definition einer Krebs-

Rezension von Carola Freidank, Hannover

erkrankung und den Unterschieden einer Krebserkrankung bei Kindern und Jugend-lichen im Vergleich zu Erwachsenen. Ein kurzer Einblick in verschiedene Therapie-möglichkeiten wird durch ausgewählte Ne-benwirkungen mit möglichen Interventionen ergänzt. Dabei werden leider medizinische Hintergrundinformationen sowie das pfle-gerische Nebenwirkungsmanagement ver-nachlässigt.

Das dritte Kapitel befasst sich mit der ver-änderten Lebenssituation in der Behand-lungsphase und dem Alltag, aber auch in der Palliativphase und Sterbesituation. Der Umgang mit den eigenen Gefühlen und Un-sicherheiten, sowie das Verständnis für das Verhalten und die Reaktionen der eigenen Kinder wird den Eltern durch Zitate von be-troffenen Kindern und deren Eltern sowie mit Tipps wie „Lassen Sie sich Zeit, damit sich Ihre aufgewühlten Emotionen beruhigen können“ oder „Beziehen Sie nach Möglich-keit die Geschwisterkinder von Anfang an in alle Überlegungen und Sorgen mit ein“ verdeutlicht. Die Autor(inn)en ermutigen die Eltern, auch in der Palliativphase ehrlich mit ihren Kindern umzugehen und eigene Emo-tionen und Gedanken zuzulassen.

Im vierten Kapitel „Wie sag’ ich es meinem Kind“ wird den Eltern ein sehr gut struktu-rierter Einblick in die altersentsprechenden Denkweisen der Kinder und Jugendlichen gegeben. Auch hier werden einzelne Aus-sagen durch Bilder und Informationen wie „…Kinder und Jugendliche sollten möglichst konkret-sachlich und in dem von ihnen vor-gegebenem Tempo informiert werden“ klarer und verständlicher.

Im fünften Kapitel zu Entlastung und Ent-spannung geht es einerseits um Bewälti-gungsstrategien und Entspannungstechni-ken für die Angehörigen und andererseits um Hilfestellungen zur Entspannung für die Kinder, z.B. Entspannungsgeschichten zum Vorlesen bzw. ein Download mit Hörspielen zur Entspannung.

Im sechsten und letzten Kapitel werden Hin-weise zur Unterstützung durch Angehöri-ge, Freunde und andere Bezugspersonen gegeben. Hier wird den Eltern verdeutlicht, dass es sehr hilfreich sein kann, Hilfe anzu-nehmen. Aber auch Bekannte und Freunde werden ermutigt, Hilfe anzubieten „Denken Sie als Freund daran, dass Worte heilen und auch verletzen können.“

Buchbesprechung

Doch nicht unser Kind – Unterstützung für Eltern krebskranker Kinder

Von M. Hoffmann, E. Freudenberg, G. Michauxx, S. Gottschling

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Buchbesprechung

Dieses Buch gibt sowohl den Eltern als auch allen, die Kinder mit einer Krebserkrankung in deren Alltag begleiten (Freunde, Bekann-te, Lehrer oder Erzieher), sehr gute Einblicke, um die erkrankten Kinder besser zu verste-hen, deren veränderte Verhaltensweisen nachzuvollziehen und darauf entsprechend zu reagieren. Es wäre zu begrüßen, wenn in einer zweiten Auflage der Beitrag des Pflege-personals, z.B. in Bezug auf die Symptom-pflege und entsprechende hilfreiche Inter-ventionen bei Nebenwirkungen durch die Therapie, berücksichtigt würde.

Besonders für Gespräche mit den betrof-fenen Kindern (und Geschwisterkindern) bietet dieses Buch sehr hilfreiche Anregun-gen, Unterstützungsangebote und klar for-mulierte Tipps.

Durch die im Anhang aufgeführte Fachlite-ratur, weiterführende Literatur für die Fami-lien sowie Kontaktadressen in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat der Leser die Möglichkeit, sich auch weiterführend zu informieren und Ansprechpartner zu finden.

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Krebs und Adipositas: Eine therapeutische Herausforderung

Krebs und Adipositas: Eine therapeutische HerausforderungVon Veronika Nagy, Luzern

Risikoerhöhung für Krebs durch AdipositasEin übermäßig hohes Körpergewicht führt nicht nur zu einer deutlichen Erhöhung der Sterblichkeit an kardiovaskulären Krankheiten, Diabetes mellitus, Nieren-, Leber- und Atemwegserkrankungen, sondern auch an Krebskrankheiten (1). Der Body Mass Index (BMI) setzt das Gewicht einer Person ins Verhältnis zur Körpergröße (Einheit kg/m²) und wird zur Klassifikation von Übergewicht und Adipositas verwendet. Dabei ist Übergewicht gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert als BMI von 25-29.9, Adipositas als BMI von 30-34.9 kg/m². Von morbider Adipositas spricht man ab einem BMI von 40 kg/m² (2).

Weltweit gelten über 500 Millionen Erwachsene als adipös, wobei sich die Häufigkeit der Fettleibigkeit in den Jahren zwischen 1980 und 2008 in etwa verdop-pelt hat (3). In den USA sind mehr als ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung adi-pös (4). In Deutschland liegt die Prävalenz

der Adipositas bei erwachsenen Frauen bei 23.9%, bei erwachsenen Männern bei 23.3% (5), in der Schweiz bei insge-samt 10.3% der erwachsenen Bevölkerung (11.2% der Männer, 9.4% der Frauen) (6). Die Häufigkeit der Adipositas in anderen europäischen Ländern weist Schwankungen

auf von beispielsweise 7.6% in Italien bis knapp über 20% in Kroatien und England (7). Schätzungen zufolge sind etwa 6% der neudiagnostizierten Krebserkrankungen auf Adipositas zurückzuführen, wobei Brustkrebserkrankungen bei postmeno-pausalen Frauen, kolorektale Karzinome, Endometriumkarzinome, Nieren- und Ösophaguskarzinome und wahrschein-lich noch weitere andere Krebskrankheiten gehäuft mit Adipositas assoziiert sind (8). Auch hämatologische Neo plasien wie akute und chronische Leukämien sowie Lymphome treten gehäuft bei Adipösen auf (9). Die pathophysiologischen Ursachen für den Zusammenhang zwischen Adipositas und Krebs sind bislang nicht genau geklärt. Fo

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Krebs und Adipositas: Eine therapeutische Herausforderung

Wahrscheinlich wird die Krebsentstehung bei Adipositas durch einen chronischen Entzündungszustand im Körper begünstigt, den das übermäßige Fettgewebe über eine Adipozyten-Dysfunktion, Insulin-Resis tenz und exzessive Freisetzung von in flam ma-torischen Zyto kinen und Wachs tums faktoren hervorruft (Abb. 1) (10). Mög licher weise kann diese chronische Ent zündungs reaktion nicht nur Zellschäden und die Entstehung von Krebserkrankungen fördern, sondern sogar eine Resistenz gegenüber Zytostatika vermitteln (11).

Adipositas, Krebs und Mortalität

Eine im Jahr 2003 publizierte, prospektive Studie an über 900 000 US-Bürgern zeigte eine Erhöhung der Mortalität für mehrere Tumorentitäten bei Adipösen, wobei das tumorspezifische Sterblichkeitsrisiko mit zunehmendem BMI anstieg. Bei einem BMI von über 40 kg/m² war das Risiko, an einer Krebserkrankung zu versterben, 52% höher für Männer und 62% höher für Frauen verglichen mit Normalgewichtigen (12). Eine 2014 am Jahreskongress der American Society of Clinical Oncology (ASCO) präsentierte Metaanalyse von 70 Studien zur Therapie bei frühen Stadien des Mammakarzinoms mit 80 000 Patientinnen wies eine signifikant höhere Brustkrebs-Mortalität bei adipösen, prämenopausa-len Frauen mit Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinomen nach (10-Jahres-Brust-krebs-spezifisches Sterbe risiko 21,5% bei adi-pösen gegenüber 16,6% bei normalgewichti-gen Erkrankten, relatives Risiko 1.34) (13). Die Gründe für die Mortalitätser höhung bei adipösen Krebskranken sind höchst-wahrscheinlich multifaktoriell. Einerseits kann eine bei Adipösen gehäuft bestehende Komorbidität mit z.B. kardiovaskulären Erkrankungen oder Diabetes mellitus eine

Auswirkung auf die Überlebenschancen haben. Das schlechtere tumorspezifische Überleben bei Adipösen deutet aber darauf hin, dass dies nicht die alleinige Erklärung sein kann. Obwohl prospektive, randomi-sierte Studien zur Zytostatikadosierung bei Adipösen und Übergewichtigen bislang feh-len, lassen mehrere prospektive und retro-spektive Analysen vermuten, dass bei adi-pösen Krebskranken häufig willkürliche Dosisreduktionen der onkologischen Therapie erfolgen und dadurch die Wirkung einer Chemotherapie stark beeinträchtigt werden kann.

Berechnung der Zytostatika-Dosis bei adipösen Krebskranken

Auch im Zeitalter der personalisier-ten Medi zin werden in der Tumor thera-pie „klassi sche“ Zyto statika noch häu-fig ein ge setzt. Diese haben eine schmale thera peu tische Breite und bergen ein hohes Toxizitäts risiko im Falle einer Überdosierung. Zur Dosisberechnung von Chemotherapien hat sich als Skalierungs-maß die Körperoberfläche (KOF) etab-liert, wobei anhand von Körpergröße und Gewicht die Zytostatikadosis kalkuliert wird. Für die Berechnung der KOF stehen meh-rere Formeln zur Verfügung: In der täglichen

Praxis werden die Formeln nach DuBois und DuBois (14) und nach Mosteller (15) häufig verwendet. Dabei handelt es sich aber nicht um exakte Berechnungen, sondern um praxisorientierte Instrumente, die historisch als Basis zum Vergleich des Metabolismus zwischen Individuen und Spezies entwickelt wurden (16). Menschen mit hohem BMI haben eine hohe Körperoberfläche, wes-halb sich bei diesen Patienten sehr hohe Absolutdosen der Zytostatika ergeben. Diese ungewöhnlich hohen Zytostatikadosen füh-ren bei vielen onkologisch tätigen Ärzten zu der Befürchtung, eine übermässige Toxizität bis hin zu lebensbedrohlichen Nebenwirkungen zu verursachen. Dass eine daraus resultierende a priori Reduktion von klassischen Chemotherapeutika bei adipö-sen Krebspatienten gelebte Praxis ist, zeigen beispielsweise zwei Umfragen, die bei spa-nischen und australischen Onkologen und Hämatologen durchgeführt wurden. Etwa 70% der befragten spanischen Hämato-Onkologen benutzten bei übergewichtigen und adipösen Patienten eine auf 2.0-2.2 m² begrenzte Körperoberfläche zur Berechnung der Zytostatikadosierungen (17). Ein sol-ches Dosis-„Capping“ praktizierten unge-fähr die Hälfte der befragten australischen Onkologen, weitere 22.1% kalkulierten die Chemotherapiedosis anhand des ermittelten idealen Körpergewichts, und lediglich 6.1%

Abb. 1: Mechanismen der Krebsentstehung bei Adipositas. COX-2, Cyclooxygenase-2; IGF-1, Insulin-like Growth Factor-1; mTOR, Mammalian Target of Rapamycin; PI3K/Akt, Phosphoinositid 3-Kinase/Akt "NF-kB, Nuclear Factor kappa B; übersetzt und adaptiert nach (10).

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verwendeten das tatsächliche Gewicht bzw. die reale KOF zur Dosisberechnung (18).

Die American Society of Clinical Oncology hat 2012 eine Guideline herausgege-ben, die sich speziell mit dem Thema der Zytostatikadosierung bei adipösen Patienten mit soliden Tumoren beschäftigt. In die darin formulierten Empfehlungen gingen Studien aus den Jahren 1966 bis 2010 ein. Diese Leitlinie ist in Ermangelung von Daten nicht auf die Behandlung von Patienten mit Leukämien und die Therapie von Kindern übertragbar, und die Empfehlungen gelten nicht für „zielgerichtete“ Medikamente wie Antikörper, Immuntherapien, Tyro sin kinase-inhibitoren oder andere sogenannte „small molecules“ (19).

Zytostatikadosis, Toxizität und Outcome

Bestrebungen, die Toxizität einer Zytostatika-therapie zu reduzieren oder zu verhindern, können die Wirksamkeit der Therapie beeinträchtigen. Beispielsweise zeigte eine Analyse bei Patientinnen, deren Brustkrebs in kurativer Absicht behandelt wurde, dass stärkere hämatologische Nebenwirkungen einer Chemotherapie signifikant mit einer höheren Überlebenswahrscheinlichkeit asso-ziiert waren (20). Weitere Untersuchungen bei Patientinnen und Patienten mit Hodenkarzinomen, Ovarialkarzinomen und Lymphomen unterstützen diese Beobachtung (21). In einer Metaanalyse wurde eine Reduktion des Mortalitätsrisikos um 30% bei Patienten mit höhergradigen Zytopenien unter einer Chemotherapie demonstriert (22). Im Gegensatz dazu deu-ten mehrere Untersuchungen darauf hin, dass ein Dosis-Capping bei adipösen Patienten mit einem schlechteren progressionsfreien Überleben assoziiert ist (23-25). Hingegen scheint die Besorgnis über Toxizität durch Überdosierungen bei Adipösen in den meis-ten Fällen unberechtigt zu sein. Mehrere ret-rospektive Analysen bei Patienten mit klein-zelligem Lungenkrebs (26), Brustkrebs (25, 27, 28) und Darmkrebs (24, 29) ergaben keine Hinweise auf vermehrte toxische Effekte wie Nausea, Myelosuppression, Diarrhoe oder Stomatitis bei adipösen Patienten, deren reale Körperoberfläche zur Berechnung der Zytostatika-Dosierungen herangezogen

wurde. Adipositas scheint zudem keinen rele-vanten Risikofaktor für die Neurotoxizität einer Chemotherapie mit Taxanen oder Bortezomib darzustellen (30). Ob adi-pöse Patienten ein höheres Risiko kardialer Nebenwirkungen bei Anwendung kardioto-xischer Zytostatika haben, ist bisher nicht ausreichend untersucht worden (30). Für das Nebenwirkungsspektrum bei morbid adipösen (BMI > 40 kg/m²) Patientinnen und Patienten existieren keine verwertbaren Daten, aller-dings gibt es auch keine Hinweise darauf, dass für diese Patienten andere Grundsätze gelten.

Die ASCO gab somit die klare Empfehlung heraus, Zytostatikadosen generell (mit weni-gen Ausnahmen) unter Verwendung der tat-sächlichen Körperoberfläche zu berechnen und Dosisanpassungen bei allen Patienten nach Auftreten von Toxizitäten und unter Beachtung von Begleiterkrankungen vor-zunehmen (19). Seit dem Erscheinen der ASCO-Guideline wurden weitere Studien publiziert, die diese Empfehlungen auch

bei anderen Tumorentitäten und modernen Therapieschemata bestätigen. 2013 wurde eine Metaanalyse veröffentlicht, in die Daten von 9314 Patientinnen und Patienten einge-schlossen wurden, die an 13 unterschiedlichen Krebsarten erkrankt waren und 21 verschie-dene Zytostatika erhielten. Schwerwiegende hämatologische und nichthämatologische Toxizitäten waren bei Adipösen gleich oder weniger häufig als bei Normalgewichtigen, wenn zur Berechnung der Zytostatikadosis die tatsächliche KOF verwendet wurde. Es gab keine Hinweise auf eine schlechtere Überlebenswahrscheinlichkeit bei adipösen Patientinnen und Patienten. Lediglich in einer Studie mit Patienten, die einer hoch-dosierten Chemotherapie mit autologer Stammzelltransplantation unterzogen wur-den, war die hämatologische Toxizität bei Adipösen höher und das Gesamtüberleben schlechter als bei den Normalgewichtigen (31). Wenngleich eine andere aktuelle Analyse keine negativen Auswirkungen einer auf der tatsächlichen KOF basierenden

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Dosierung einer Induktions-Chemotherapie bei adipösen Patienten mit akuter mye-loischer Leukämie zeigte (32), sind die Dosierungsempfehlungen somit nicht zwin-gend auf alle adipöse Patienten mit hämato-logischen Neoplasien übertragbar, insbeson-dere nicht bei Hochdosis-Chemotherapie mit Stammzelltransplantation.

Die Beobachtung, dass schwerwiegende hämatologische Nebenwirkungen bei Adipösen im Allgemeinen weniger häufig sind, auch wenn die Chemotherapie-Dosis mit dem tatsächlichen Körpergewicht berech-net wird, wirft die Frage auf, ob Zytostatika bei dieser Patientengruppe vielleicht sogar noch höher dosiert werden müssten. Diese Frage lässt sich jedoch anhand der bisher ver-fügbaren Daten nicht beantworten.

Adipositas und Pharmakokinetik in der Zytostatikatherapie

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Tab. 1: Schätzung der Kreatinin-Clearance nach den Formeln nach Cockcroft-Gault und Jelliffe sowie daraus resultierende berechnete Carboplatin-Dosierungen am Beispiel einer adipösen und einer normalgewichtigen Patientin.

(ASCO: American Society of Clinical Oncology; AUC: Area under the Curve; BMI, Body Mass Index; KOF: Körperoberfläche; *Jelliffe-Formel korrigiert für Körperoberfläche

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vielen Chemotherapeutika nur gering mit Pharmakokinetik-Messungen, insbeson-dere mit der Gesamtkörper-Clearance (31). In Dosisfindungsstudien von Zytostatika sind adipöse Patienten unterrepräsentiert. Menschen mit Adipositas haben ein höhe-res Verteilungsvolumen und häufig eine gesteigerte Medikamen ten-Clearance im Vergleich zu Normal gewichtigen. Eine Dosisberechnung nach Körperoberfläche könnte im Vergleich zu einer körperge-wichtsbasierten Dosis kalkulation sogar zu einer geringeren Konzentration des Wirkstoffs am Wirkort bzw. zu einer ten-denziellen Unterdosierung bei Adipösen führen (33). Zudem kann bei Adipösen eine vergleichbare Plasmakonzentration wie bei Normalgewichtigen auch unter Verwendung der realen Körperoberfläche zur Dosisberechnung möglicherweise nicht erreicht werden (34). Verfügbare Untersuchungen zur Pharmakokinetik ver-schiedener Zytostatika bei adipösen Patienten zeichnen ein widersprüchliches Bild. Dass sogar zur gleichen Medikamentenklasse gehörende Chemotherapeutika ein unter-schiedliches Verhalten aufweisen, zeigen fol-gende Beispiele: Cyclophosphamid schien bei Adipösen eine verminderte Clearance zu haben, während für Ifosfamid in einer kleinen Studie eine normale Clearance bei höherem Verteilungsvolumen nachgewiesen wurde (35). Während eine Verminderung der Clearance von Doxorubicin bei Adipösen beschrieben wurde, die möglicherweise zudem geschlechtsabhängig ist, weisen andere Daten im Gegensatz auf eine redu-zierte Plasmakonzentration von Doxorubicin bei Adipositas hin. Hingegen konnte kein relevanter Effekt des Körpergewichts oder des BMI auf Pharmakokinetik oder Toxizitiät von Epirubicin beobachtet wer-den (35). Während die Clearance von Paclitaxel bei Adipositas erhöht war, zeigte das strukturell verwandte Docetaxel bei gleicher Clearance bei Adipösen ein höhe-res Verteilungsvolumen (36). Eine Studie zur Pharmakokinetik bei 152 Patienten, die Docetaxel erhielten, zeigte hingegen eine Zunahme der Clearance bei Patienten mit höherer Körperoberfläche (33% höher bei KOF über 2.0 m²), aber keine signi-fikante Assoziation mit dem BMI (37). Methodologische Schwierigkeiten und unzureichende Dokumentation von kon-komitierend verabreichten Arzneimitteln

(z.B. Inhibitoren von Cytochrom-P450-Isoenzymen, P-Glykoprotein, etc.) erschwe-ren die Interpretation dieser Resultate. Medikamente wie Platinderivate, die über eine tubuläre Sekretion ausgeschieden wer-den, werden bei Adipösen überdurchschnitt-lich schnell eliminiert. Eine durchschnitt-lich um 13% höhere Cisplatin-Clearance (60 versus 53.3 L/h) und ein wesentlich höheres Verteilungsvolumen (58.9 versus 50.2 L) wurden bei Adipösen dokumentiert (36). Allerdings fehlen Daten darüber, ob und in welchem Ausmass die Dosis dieser Medikamente bei Adipösen zu steigern sei.

Die einzigen Zytostatika, für die die ASCO eine Dosisbegrenzung bei allen Patienten explizit empfiehlt, sind Vincristin (maxi-male Absolutdosis 2 mg), Bleomycin im BEP-Schema (Fixdosis 30 000 I.E.) und Carboplatin (19). Carboplatin ist ein Chemotherapeutikum, das seit über drei Jahrzehnten erfolgreich und noch immer sehr häufig in der Therapie von Krebserkrankungen der Lunge, des weiblichen Genitaltraktes und anderen Organen eingesetzt wird. Die Carboplatindosis wird anhand der Calvert-Formel (38) berechnet, in die die Nierenfunktion des Patienten mittels glome-rulärer Filtrationsrate (GFR) miteinbezogen wird. Eine gute Korrelation der Carboplatin-Clearance wurde beobachtet, wenn die GFR mit einer Radioisotopen-Methode gemes-sen wurde (38). Da diese Methode teuer und für die meisten Onkologen nicht ver-fügbar ist, wird die GFR meist durch die nach der Cockcroft-Gault-Formel berech-nete Kreatinin-Clearance ersetzt (39). In diese Formel geht das Gewicht des Patienten ein, was besonders bei adipösen Patienten zu einer erheblichen Überschätzung der GFR und einer Überdosierung von Carboplatin führen könnte (Tab. 1) (40). Modifizierte Kalkulationen unter Verwendung des berechneten idealen Körpergewichts (Ideal Body Weight, IBW) oder des fettfreien Körpergewichts (Lean Body Mass, LBW) konnten die Vorhersage der Carboplatin-Clearance aber nicht steigern (36, 41). Ein möglicher Lösungsansatz dieser Problematik ist der Einsatz von Carboplatin als Fixdosis durch Capping der geschätzten Kreatinin-Clearance bei 125 ml/min (Empfehlung der ASCO) (19) oder 140 ml/min (40) bei adipö-sen Patienten mit normaler Nierenfunktion. Andere Autoren empfehlen, dass bei der

Berechung der Kreatinin-Clearance nach Cockcroft-Gault bei Patienten, deren Körpergewicht mehr als 30% über dem IBW liegt, das IBW plus 30% in die Cockcroft-Gault-Formel eingesetzt wird (42). Die Schätzung der Kreatinin-Clearance mit der Formel nach Jelliffe hingegen (43), die tra-ditionell in den Studien der Gynecologic Oncology Group (GOG) verwendet wurde, kann besonders bei adipösen Patienten zu erheblichen Reduktionen der Carboplatin-Dosis führen (Tab. 1). Der Einsatz der Jelliffe-Formel könnte somit zum schlechteren pro-gressionsfreien Überleben bei Adipösen beigetragen haben (44), das die GOG in einer retrospektiven Analyse zum Einsatz von Carboplatin beim Ovarialkarzinom beobachtet hat.

Zusammenfassung und Fazit für die Praxis

Adipositas ist ein wichtiger Risikofaktor für die Entstehung und Prognose von Krebserkrankungen. Für die häufig prak-tizierte, willkürliche Dosisreduktion bzw. ein Dosis-Capping klassischer Zytostatika bei adipösen Krebskranken existiert keine wissenschaftliche Grundlage. Adipöse Patientinnen und Patienten leiden bei volldo-sierten Chemotherapien nicht häufiger unter Nebenwirkungen als Normalgewichtige. Die Pharmakokinetik vieler Zytostatika scheint bei Adipösen anders als bei Normalgewichtigen zu sein, die bisherigen Pharmakokinetik-Analysen lassen praxisre-levante Rückschlüsse aber nicht zu. Bis auf weiteres gelten für die Chemotherapie bei Adipösen folgende Empfehlungen:

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Die Chemotherapiedosis sollte mit einer etablierten Schätz-Formel (akzeptable Formeln gemäss ASCO-Guideline: DuBois und DuBois, Mosteller, Haycock, Gehan und George, Boyd) unter Verwendung des tatsächlichen Körpergewichts bzw. der realen Körperober-fläche ohne Dosis-Capping berechnet werden.

Eine stringente Einhaltung dieser Empfehlung wird besonders bei Chemotherapien gefordert, die in kurativer Absicht durchgeführt werden.

Ausnahmen bilden laut ASCO die Zytostatika Vincristin (maximale Absolutdosis 2 mg), Bleomycin im BEP-Schema (Fixdosis 30 000 I.E.) und Carboplatin (Capping der in die Calvert-Formel eingesetzten GFR bei 125 ml/min).

Eine Anpassung der Zytostatikadosis an die individuell beobachteten Toxizitäten sowie an begleitende Erkrankungen und die Berücksichtigung der konkomitierenden Medikation sind zwingend erforderlich.

Diese Empfehlungen sind nicht auf die Therapie von Kindern sowie von Patienten mit Leukämien und die Behandlung mit Hochdosis-Chemotherapien, „zielgerichteten“ Me-dikamenten, Antikörpern, Immuntherapeutika und „small molecules“ anwendbar.

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33. PaiMP.Drugdosingbasedonweightandbodysurfacearea:mathematicalassumptionsandlimitationsinobeseadults.Pharmacotherapy.2012;32(9):856-68.

34. BarpeDR,RosaDD,FroehlichPE.Pharmacoki-neticevaluationofdoxorubicinplasmalevelsinnormalandoverweightpatientswithbreastcancerandsimulationofdoseadjustmentbydifferentindexesofbodymass.Europeanjour-nalofpharmaceuticalsciences:officialjournaloftheEuropeanFederationforPharmaceuticalSciences.2010;41(3-4):458-63.

35. HallRG,2nd,JeanGW,SiglerM,ShahS.Dosingconsiderationsforobesepatientsreceivingcancerchemotherapeuticagents.TheAnnalsofpharma-cotherapy.2013;47(12):1666-74.

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41. SchmittA,GladieffL,LansiauxA,Bobin-DubigeonC,Etienne-GrimaldiMC,Boisdron-CelleM,etal.AuniversalformulabasedoncystatinCtoperformindividualdosingofcarboplatininnor-malweight,underweight,andobesepatients.Clinicalcancerresearch:anofficialjournaloftheAmericanAssociationforCancerResearch.2009;15(10):3633-9.

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2008;109(3):353-8.

AUTORIN:

Dr.med.VeronikaNagyOberärztinMedizinischeOnkologieLuzernerKantonsspitalEmail:[email protected]

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46 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Die Photodynamische Therapie

Die Photodynamische Therapie Eine Option in der palliativen Behandlung von Gallengangtumoren

Von Manfred Fleischer, Mistelbach

EinleitungUnter einer photodynamischen Therapie (PDT) versteht man die therapeutische Nutzung von Lichtenergie über Vermittlung eines Photosensitizers (PS), der das Körpergewebe für eine gezielte Bestrahlung mit Licht empfindlich macht. Diese Behandlungsmethode wird vor allem in der Onkologie bei verschiedenen Tumoren in unterschiedlichen Fachgebieten, z. B. in der Urologie, Pulmologie, HNO-Heilkunde, Gastroenterologie und Dermatologie eingesetzt, aber auch bei benignen Hauterkrankungen (z. B. PUVA-Therapie bei Psoriasis vulgaris).

Das primäre Gallengangskarzinom (cholan-giozelluläre Karzinom) ist ein seltener Tumor mit einer Inzidenz von 5-6/100.000 Ein-wohnern/Jahr im mitteleuropäischen Raum. Es tritt häufiger in den größeren ableitenden Gallenwegen auf – in ca. 60 % im Bereich der Leberpforte, der Gallengangsbifurkation (= sog. Klatskin tumor). Die Behandlung ist schwierig, da der Tumor zumeist in einem bereits fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird. Der einzige kurative Therapieansatz ist die vollständige chirurgi-sche Entfernung des Tumors (im Sinne einer sog. R0-Resektion), die aber nur in weniger als 30 % der Patienten in Frage kommt.

Somit kommt der palliativen Therapie des Gallengangskarzinoms eine große Bedeutung zu.

Mögliche palliative Therapieoptionen sind: das Stenting von Tumorstenosen der grö-

ßeren Gallengänge die palliative Chemotherapie die Radiotherapie die photodynamische Therapie im Gallen-

gang (immer in Kombination mit Stenting) neuerdings auch die Radiofrequenzablation

von Tumorstenosen im Gallengang

Ablauf der photodynamischen Therapie

Die photodynamische Therapie wird übli-cherweise als zweistufiger Prozess durch-geführt (Tab. 1). Zuerst wird den Patienten eine photosensibilisierende Substanz i.v.

verabreicht (z. B. Photofrin II® oder Photosan-3®), die sich bevorzugt und in höherer Konzentration im Tumorgewebe anreichert. In einer 2. Stufe wird der Tumor nach 48-96 Stunden lokal mit einem kal-ten Laserlicht einer definierten Wellenlänge bestrahlt, bei welcher der Photosensitizer (PS) sein Absorptionsmaximum hat:

Profimer-Natrium

Photofrin II® 630 nm

Hämatoporphyrinderivat

Photosan-3® 633 nm

Tab. 1: Ablauf der Photodynamischen Therapie

Stufe 1 Systemische Verabreichung des Photosensitizers

Bevorzugte Anreicherung in Tumorzellen

Abwarten der Verteilungsphase von z. B. 48-96 Std.

Stufe 2 Lokale Bestrahlung des Tumors mit kaltem Licht der absorbierten Wellenlänge (Farblaser, Dioden-Laser)

Durch die Energie der Laserbestrahlung wird in Gegenwart von Sauerstoff in der Zielzelle ein zytotoxischer Prozess ausgelöst.

Der direkte zytotoxische Effekt wird durch zwei photochemische Reaktionen beschrie-ben. Nach Anregung des PS durch Licht kann der PS durch Transfer von Elektronen

und Wasserstoffionen auf andere Moleküle der Zelle toxische Zwischenprodukte wie Wasserstoffperoxid, Superoxid und weitere reaktive Sauerstoffspezies bilden (Typ-I-Reaktion). Die Typ-II-Reaktion wird durch einen Energietransfer zwischen Sauerstoff im energetischen Grundzustand und dem akti-vierten PS beschrieben, was zur Bildung von Singulettsauerstoff (¹O₂) führt. Dieser reagiert mit ungesättigten Fettsäuren, Cholesterin, Phospholipiden, einigen Aminosäuren und den Basen Guanin und Guanosin. Dadurch werden mehrere zelluläre Kompartimente und ganz besonders Zellmembranen ange-griffen. Aufgrund der sehr hohen Reaktivität des Singulettsauerstoffs ist die Toxizität zeit-lich und lokal begrenzt.

Zusätzlich soll auch eine indirekte Wirkung auf den Tumor durch Störung der lokalen Mikrozirkulation und durch immunologi-sche Prozesse stattfinden [1, 10].

Prinzip der Photodynamischen Therapie (PDT)

Photosensibilisator + Licht einer definierten Wellenlänge + O²

Photochemische Reaktion

Typ-I-Reaktion: Übertragung von Elektronen direkt auf zelluläre Moleküle

Typ-II-Reaktion: Elektronenübertragung auf O² → Singulett-O-Radikal

Die Eindringtiefe der PDT mit Photofrin® und Photosan® beträgt ca. 3-4 mm, weshalb diese Photosensitizer für die Anwendung im Gallengang besonders geeignet sind. Die Bestrahlung des Tumors erfolgt entweder im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung des Gallengangs (ERC; Abb. 1, 2) oder durch einen perkutanen transhepatischen Zugang zum Gallengang (PTC).

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 47

Die Photodynamische Therapie

Abb. 1: Schematische Darstellung der intraluminalen Laserbestrahlung (rot) eines Klatskintumors (blau) vom Gallengang aus

Die Tumorzellnekrose entsteht also auf einem photochemischen Weg und beruht nicht auf einer thermischen Wirkung des Lasers. Durch das Absterben von Tumorzellen kommt es zu einer Verkleinerung des Tumors. Dies kann den natürlichen Galleabfluss über den Gallengang wiederherstellen und damit neben einer Verbesserung der Lebensqualität auch zu einer Verlängerung der Überlebenszeit führen. Der Tumor kann mit dieser Therapieform allerdings nicht geheilt werden.

Unerwünschte Wirkungen der Therapie

Phototoxizität an der Haut für mehrere Wochen: bei Einhalten von Sonnen schutz-maßnahmen (Sonnenbrille, Hautcreme, etc.) üblicherweise kein großes Problem.

Gallengangsentzündung bzw. -infektion (Cholangitis): Dieses Risiko besteht bei jeder Manipulation an den Gallenwegen (also auch beim Stenting alleine) und kann für den Patienten durchaus gefährlich sein (Sepsis!); daher ist zwingend eine begleitende antibio-tische Behandlung notwendig. Üblicherweise werden Chinolone (z. B. Ciprofloxacin) oder Amoxicillin in der Prophylaxe verwendet.

Historisch-wissenschaftlicher Kontext

Der Begriff der „photodynamischen Wir-kung“ wurde bereits im Jahre 1904 von Hermann von Tappeiner, dem damaligen Direktor des pharmakologischen Instituts der Universität München, beschrieben. Kurze Zeit später wurde bereits Hämatoporphyrin als photosensibilisierende Substanz unter-sucht (Selbstversuch von Meyer-Betz). Der eigentliche Beginn des klinischen Einsatzes der PDT erfolgte aber erst in den 1960er Jahren als eine Forschungsgruppe um Schwartz et al. ein Hämatoporphyrinderivat (HpD) mit doppelter Toxizität und höherer Spezifität entwickelte [1, 10].

Die technische Entwicklung der Endoskopie und Lasertechnologie in den 1980er Jahren ermöglichte schließlich auch die Anwendung in der Gastroenterologie.

1991 erschien der erste Case-Report für PDT bei cholangiozellulärem Karzinom (McCaughan et al., Arch. Surg. 1991 – Behandlung transhepatisch über perkutanem Wege).

In weiterer Folge brachten Phase II-Pilot-studien von Ortner et al. [3], Berr et al. [7] und Dumoulin et al. [5] mit dem Photosensitizer “Photofrin” erste messbare klinische Erfolge in der palliativen Behandlung des hilären Cholangiokarzinoms (Klatskintumor).

Abb. 2: Laserlichtapplikation im Rahmen einer retrograden endoskopischen Cholangiographie (ERC)[Fotos mit freundl. Genehmigung von G. Hofmann, Photodynamic Therapy Handels GmbH]

Singulettsauerstoffs ist die Toxizität zeitlich und lokal begrenzt. Zusätzlich soll auch eine indirekte Wirkung auf den Tumor durch Störung der lokalen Mikrozirkulation und immunologische Prozesse stattfinden. [1, 10]

Prinzip der Photodynamischen Therapie

Photosensibilisator + Licht einer bestimmten Wellenlänge + O2

Photochemische Reaktion

► Typ I – Reaktion: Übertragung von Elektronen direkt auf zelluläre Moleküle ► Typ II – Reaktion: Elektronenübertragung auf O2 Singlet-O-Radikal

Systemische Verabreichung des Photosensitizers

Bevorzugte Anreicherung in Tumorzellen

Abwarten der Verteilungsphase

von z. B. 48-96 Std.

Lokale Bestrahlung des Tumors mit kaltem Licht

der absorbierten Wellenlänge (Farblaser, Dioden-Laser)

Die Eindringtiefe der PDT mit Photofrin und Photosan beträgt ca. 2-3 mm, weshalb sie für die Anwendung im Gallengang besonders geeignet sind. Die Bestrahlung des Tumors erfolgt entweder im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung des Gallengangs (ERC) oder durch einen perkutanen transhepatischen Zugang zum Gallengang (PTC)

Laserlichtapplikation im Rahmen einer retrograden endoskop. Cholangiographie (ERC)

Grafik aus: Harrod-Kim, J. Vasc. Interv. Radiol. 2006;17

Singulettsauerstoffs ist die Toxizität zeitlich und lokal begrenzt. Zusätzlich soll auch eine indirekte Wirkung auf den Tumor durch Störung der lokalen Mikrozirkulation und immunologische Prozesse stattfinden. [1, 10]

Prinzip der Photodynamischen Therapie

Photosensibilisator + Licht einer bestimmten Wellenlänge + O2

Photochemische Reaktion

► Typ I – Reaktion: Übertragung von Elektronen direkt auf zelluläre Moleküle ► Typ II – Reaktion: Elektronenübertragung auf O2 Singlet-O-Radikal

Systemische Verabreichung des Photosensitizers

Bevorzugte Anreicherung in Tumorzellen

Abwarten der Verteilungsphase

von z. B. 48-96 Std.

Lokale Bestrahlung des Tumors mit kaltem Licht

der absorbierten Wellenlänge (Farblaser, Dioden-Laser)

Die Eindringtiefe der PDT mit Photofrin und Photosan beträgt ca. 2-3 mm, weshalb sie für die Anwendung im Gallengang besonders geeignet sind. Die Bestrahlung des Tumors erfolgt entweder im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung des Gallengangs (ERC) oder durch einen perkutanen transhepatischen Zugang zum Gallengang (PTC)

Laserlichtapplikation im Rahmen einer retrograden endoskop. Cholangiographie (ERC)

Grafik aus: Harrod-Kim, J. Vasc. Interv. Radiol. 2006;17

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48 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Die Photodynamische Therapie

Eine prospektive randomisierte Multicenter-studie [4] an 39 Patienten (plus 31 offen behandelte Patienten) musste vorzeitig been-det werden, da die mittlere Überlebenszeit in der PDT-Gruppe mit 493 Tagen gegenüber der Kontrollgruppe mit 98 Tagen hochsig-nifikant besser war. Auch wenn man dieser Studie aufgrund der Patientenselektion und des offenen Behandlungsarmes methodische Mängel vorwerfen kann, hat sie doch den positiven Nutzen der PDT in der palliati-ven Behandlung des Klatskintumors zeigen können.

Diese positiven Effekte der PDT konnten 2005 auch in einer 2. randomisierten prospek-tiven Studie von Zoepf et al. an 32 Patien ten mit Photo san-3 als Photo sensi bilisator wie-derholt werden [9].

In nachfolgenden Studien und retrospektiven Beobachtungen (mit allerdings zumeist klei-nen Patientenzahlen) wurden die Studien-ergebnisse im Wesentlichen bestätigt.

Zusammenfassung

Zusammengefasst kann die PDT in Kombi-nation mit dem Stenting der Gallenwege die

Abb. 3: Beispiel eines Patienten mit Klatskintumor (ERC-Röntgenbilder): Tumorstenose im Bereich der Gallengangsbifurkation mit Kontrastmitteldarstellung nur des linken Hepaticusastes und Implantation eines Metallstents

Abb. 4: Z. n. Implantation eines Metallstents über den Tumor. Nach der Durchführung einer PDT kann auch der rechte Hepaticusast mit Kontrastmittel dargestellt werden und dadurch ein besse-rer Galleabfluss erzielt werden.

Anhang: Beispiel eines Patienten mit Klatskintumor (ERC-Röntgenbilder):

Langstreckige Tumorstenose im Bereich der Gallengangsbifurkation mit Kontrastmitteldarstellung nur des linken Hepaticusastes Z. n. Implantation eines Metallstents über den Tumor Nach der Durchführung einer PDT kann auch der rechte Hepaticusast mit Kontrastmittel dargestellt werden und dadurch ein besserer Galleabfluß erzielt werden.

Anhang: Beispiel eines Patienten mit Klatskintumor (ERC-Röntgenbilder):

Langstreckige Tumorstenose im Bereich der Gallengangsbifurkation mit Kontrastmitteldarstellung nur des linken Hepaticusastes Z. n. Implantation eines Metallstents über den Tumor Nach der Durchführung einer PDT kann auch der rechte Hepaticusast mit Kontrastmittel dargestellt werden und dadurch ein besserer Galleabfluß erzielt werden.

Anhang: Beispiel eines Patienten mit Klatskintumor (ERC-Röntgenbilder):

Langstreckige Tumorstenose im Bereich der Gallengangsbifurkation mit Kontrastmitteldarstellung nur des linken Hepaticusastes Z. n. Implantation eines Metallstents über den Tumor Nach der Durchführung einer PDT kann auch der rechte Hepaticusast mit Kontrastmittel dargestellt werden und dadurch ein besserer Galleabfluß erzielt werden.

Überlebenszeit von Patienten mit inoperablen Klatskintumoren gegenüber der alleinigen Stenttherapie um das 2-3fache verlängern und dabei auch die Lebensqualität verbessern (Abb. 3 und 4). Die zusätzliche Kombination mit einer palliativen Chemotherapie ist mög-lich. Klinisch relevante Nebenwirkungen sind eine leicht erhöhte Cholangitisrate und eine Phototoxizität an der Haut und den Augen für 4-6 Wochen.

AUTOR:

Dr.ManfredFleischer,MPHN.Ö.LandesklinikumMistelbach-Gänserndorf2.Med.Abteilung,Vorstand:Prim.Dr.BernhardJaritzA-2130Mistelbach,Liechtensteinstrasse67e-mail:[email protected]

LITERATUR:

1. Chr.Elletal.,PhotodynamischeTherapie;Deut-schesÄrzteblatt,Jg.97,Heft49,8.Dezember2000

2. PaulHarrod-Kim,TumorAblationwithPho-todynamicTherapy, J.Vasc. Interv.Radiol.2006;17:1441-48

3. Ortneretal.,PhotodynamicTherapyofNonre-sectableCholangiocarcinoma,Gastroenterology1998;114:536–542

4. Ortneretal.,SuccessfulPhotodynamicTherapyforNonresectableCholangiocarcinoma:ARan-domizedProspectiveStudy;Gastroenterology2003;125:1355–1363

5. DumoulinFL,etal.,PhaseIIstudyofphotodyna-mictherapyandmetalstentaspalliativetreat-mentfornonresectablehilarcholangiocarcinoma.GastrointestEndosc2003;57:860–867.

6. Rumalla,etal,Endoscopicapplicationofpho-todynamictherapyforcholangiocarcinoma,GIEVol.53,No.4/2001

7. BerrF,Wiedmannetal.Photodynamictherapyforadvancedbileductcancer:evidenceforimpro-vedpalliationandextendedsurvival.Hepatology2000;31:291–298

8. F.Berr,PhotodynamicTherapyforCholangiocar-cinoma,SEMINARSINLIVERDISEASE/VOLUME24,NUMBER22004

9. Zoepfetal.,PalliationofNonresectableBileDuctCancer:ImprovedSurvivalAfterPhotodynamicTherapy,AmericanJ.ofGastroenterology2005;100:2426–2430

10. MarekChristophMazan,DiephotodynamischeTherapiebeiCholangiokarzinom;DissertationzurErlangungdesakademischenGradesDoctorme-dicinae(Dr.med.),vorgelegtderMedizinischenFakultätderCharité–UniversitätsmedizinBerlin,DatumderPromotion:27.03.2009

Handbook of Photomedicine,herausgegebenvonMichaelR.Hamblin,Ying-YingHuang,Oktober2013CRCPress

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50 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Who is who

Auf dem Gebiet der pharmazeutisch-onkologischen Versorgung kann sich die DGOP zu Recht nach über

20 Jahren als die führende Fort- und Wei-terbildungsorganisation in Deutschland bezeichnen. Die Fort- und Weiterbildung des pharmazeutischen Personals im gro-ßen Themenfeld der Onkologie ist ihr er-klärtes Ziel. Mit dem Wissen um die not-wendige Kontinuität dieser Aufgabe wurde der DGOP-Fortbildungsausschuss etabliert. Seine Mitglieder besitzen fast alle langjähri-ge Erfahrungen in diesem Metier und küm-mern sich um die Weiterbildung der PTAs und Apotheker sowohl in allen Facetten der Zytostatika-Herstellung als auch um neu-este wissenschaftliche Erkenntnisse in der Krebstherapie. Dabei geht es um die Inhalte genauso wie um die Auswahl der Referenten und Prüfungsthemen. Für alle Beteiligten ist es eine ehrenamtliche Tätigkeit, die nicht nur Zeit und Organisationstalent sondern auch die eigene Beschäftigung mit den The-men bedeutet. Deshalb ist es klar, dass für die Mitglieder diese Ausschussarbeit eine Herzensangelegenheit ist, die ihnen Arbeit und manchmal auch Freude bringt.

Prof. Dr. med. Jens BüntzelBereits in früher Kindheit interessiert sich Jens Büntzel für Medizin, Chemie und die russische Sprache. Deshalb ist es nicht wei-ter verwunderlich, dass beide Interessen zu einer Berufsausbildung führten. Parallel zum Medizinstudium beschäftige er sich mit der russischen Sprache, so dass er seine Ausbildung nicht nur als Arzt, sondern auch als Fachübersetzer für Russisch abschloss. Die Medizin wurde jedoch zur Leidenschaft und zum Beruf. Heute arbeitet Jens Büntzel als Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und

Ohrenheilkunde im SüdharzKlinikum Nord-hausen. Sein Engagement gilt insbesondere den onkologischen Patienten, der Palliativ-medizin und vor allem der medikamentösen Tumortherapie. Neben der schulmedizini-schen Behandlung der Tumorerkrankungen ist er den Alternativmethoden gegenüber sehr interessiert und aufgeschlossen. Zu diesen Themen betreut er regelmäßig Stu-dien und veröffentlicht Beiträge mit den Ergebnissen naturheilkundlicher Behand-lungen (auch in unserer Zeitschrift). Da ne-ben der russischen Sprache sein Interesse Osteuropa und der dazugehörigen Literatur gilt, ist es nicht verwunderlich, dass er mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern gerne in Ländern wie Litauen und Lettland Urlaub macht.

Dr. Karla DomagkAls Chefredakteurin „unserer“ Zeitung „ONKOLOGISCHE PHARMAZIE“ ist uns Kar-la Domagk allen bekannt, denn von Anfang an war sie aktiv dabei – nicht nur bei der Erstellung der QuapoS. Ihrem Verständnis nach ist der Apotheker immer und selbst-verständlich Teil des onkologischen Teams. Sie steht für die fachliche, orts- und zeit-nahe multiprofessionelle Zusammenarbeit im Interesse des onkologischen Patien-ten. Ihre Arbeit und ihr Wirken innerhalb der DGOP bei der Weiterentwicklung der „ONKOLOGISCHEN PHARMAZIE“, beim Or-ganisieren unserer Fachkongresse, als QM-Ausbilderin und Auditorin für die Zertifizie-rung der Zytostatika herstellenden Berei-che nach QuapoS stehen auf einer breiten Basis: Neben dem Studium der Pharmazie, der Promotion mit einem pharmakoökono-mischen Thema hat Karla Domagk eine QM- und zusätzlich eine betriebswirtschaftliche

Ausbildung. Die beiden Kinder sind bereits erwachsen, so dass ihr privat mehr Zeit für Fahrradtouren, Tennis, Skifahren und manch-mal auch Segeln mit ihrem Mann bleibt.

Claus RolandGeboren und aufgewachsen in Bochum, hat es Claus Roland dann in den Norden Deutschlands verschlagen. Nach der Prak-tikantenzeit ist er zunächst in Kiel geblieben und hat anschließend mehr als 15 Jahre eine Krankenhausapotheke in Flensburg geleitet. Von dort aus ging es nach Rostock, um in der Apotheke der Universitätsmedizin die Herstellung steriler und unsteriler Arznei-mittel zu leiten. Das zeigt, dass Claus Roland schon von Beginn an der Sterilherstellung und damit auch der Zytostatika-Herstellung eng verbunden ist. Nach dieser Zeit ging er als leitender Angestellter in eine öffentliche Apotheke, um sich neben der Planung und Umsetzung der GMP-gerechten Verblisterung auch dem Aufbau eines Betreuungsmanage-ments onkologischer Patienten zu widmen.

Seine Tätigkeit im stationären und ambu-lanten Bereich macht ihn zum Fachmann in der Vernetzung ambulanter und statio-närer Strukturen. Als Gründungsmitglied der DGOP und Referent bringt er sein Wis-sen in der Herstellung von Parenteralia, in der Arzneimittelberatung und -information und seine Erfahrung in Budgetsteuerung und Controlling ein. Seine wenige Freizeit verbringt er mit seiner Frau und seinen drei inzwischen erwachsenen Kindern.

Corinna JansenCorinna Jansen ist der „Youngster“ im Fort-bildungsausschuss und der DGOP. Sie ist

Bearbeitet von Gisela Sproßmann-Günther, Berlin

Heute: Fortbildungsausschuß der DGOP

Who is who

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Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014 | 51

Who is who

seit 2013 Apothekerin und hat neben dem „normalen“ Pharmaziestudium auch ein Masterstudium im Bereich Arzneimittel-forschung (Drug Research) absolviert. Seit 2013 arbeitet sie als wissenschaftliche Mit-arbeiterin der Universität Bonn und promo-viert unter der Leitung von Prof. Dr. Jaehde zum Thema „Multiprofessionelles Medika-tionsmanagement bei Krebspatienten im Centrum für Integrierte Onkologie in Bonn“. Gerade durch diese Arbeit sieht sie, dass es für onkologische Patienten wichtig ist, konti-nuierlich über Jahre pharmazeutisch betreut zu werden. Da das am Besten im regelmäßi-gen Austausch mit Kollegen funktioniert, ist sie seit 2014 DGOP-Mitglied und war auch gleich bereit im Fortbildungsausschuss mit-zuarbeiten. Die private Corinna Jansen spielt gerne Badminton, liebt Kino und Theater und findet beim Wandern Erholung vom Alltag.

Daniel Seebach-SchielzethDaniel Seebach-Schielzeth ist seit mehr als 5 Jahren PTA für Onkologie (DGOP) in der Uniklinik Heidelberg in der Klinik mit dem größten Tumorzentrums Deutschland tä-tig. Er arbeitet rotierend in der Zytostatika-herstellung und Sterilherstellung/TPN. Das macht seine Arbeit vielseitig, spannend und auch manchmal anstrengend.

Diese Erfahrung, seine Lust und Freude am Beruf und an der Vermittlung von „gu-ter Arbeit“ gibt er gerne als Ausbilder in Seminaren weiter. So ist er nicht nur Mit-glied im Fortbildungsausschuss der DGOP sondern auch für die Planung der Fortbil-dungen/ Schulungen in der Apotheke des Universitätsklinikums zuständig. In seiner offenen, extrovertierten Art ist er für alle Kollegen immer ansprechbar und hilfsbe-

reit. Zitat: „Wie wichtig Fort- und Weiterbil-dung ist, sehe ich immer wieder, wenn ich als Referent in der FortbildungsAkademie „ONKOLOGISCHE PHARMAZIE“ tätig bin, aber auch im Alltag bei uns in der Apotheke. Dinge verändern sich so schnell, gerade im Bereich der sterilen (Zytostatika-) Herstel-lung. Es gibt viele offene Fragen und dabei rücken immer mehr die Anforderungen der Behörden in den Mittelpunkt. Es gilt also, einen guten Kompromiss aus Erfahrungs-austausch, Praxis und Theorie anzubieten, um diesen Fragen gerecht zu werden. Dazu bleibt im laufenden Apothekenbetrieb oft nicht die Zeit, um diese umfassend zu klä-ren“.

Um einen Ausgleich für die körperlich doch recht anstrengende Arbeit im Labor zu schaffen, geht er gerne joggen. Doch auch der Garten bietet ihm eine Oase der Entspannung. Ansonsten gilt wie für alle Häuslebesitzer: „Zu tun gibt es immer et-was“. Wenn er mal keine Lust auf „was tun“ hat, ist Entspannen, Lesen oder Treffen mit Freunden angesagt.

Wioletta SekularWioletta Sekular ist als PTA für Onkologie (DGOP) prädestiniert, sich den Fragestel-lungen in der Fort- und Weiterbildung zu widmen. Einerseits kennt sie die prakti-sche Arbeit in der Zytoherstellung und an-dererseits kennt sie durch ihre Tätigkeit bei ConEvent alle Fortbildungsinhalte. Sie or-ganisiert nicht nur Fortbildungsveranstal-tungen, sondern ist auch als Ausbilderin im Bereich „Aseptisches Arbeiten“ vielen Kolleginnen bekannt. Durch die genaue Kenntnis des PTA-Alltages und der Fort-bildungsinhalte ist sie als Prüferin für die

onkologische Fachprüfung von PTAs her-vorragend geeignet. Auch wenn zwei ihrer drei Kinder schon recht selbstständig sind, beansprucht der zweieinhalbjährige Jacub die mütterliche Freizeit und bringt Freude und beruflichen Ausgleich. Als PTA glück-lich, bleibt es ein bisher unerfüllter Traum als Ärztin Menschen zu helfen. Mal sehen, was noch nicht ist, kann ja noch werden.

Claudia WoesteClaudia Woeste ist bereits seit 40 Jahren als PTA, inzwischen als PTA für Onkologie (DGOP), tätig. So hat sie den Beruf der PTA fast von Anfang an bis heute in seiner Ent-wicklung erlebt. Es waren für sie meist span-nende Jahre in öffentlichen Apotheken, im Gesundheitsamt, im Krankenhaus bis hin zur Tätigkeit im Herstellungsbetrieb. Da sich die Anforderungen im Alltag ständig verän-dern, muss sie auch als „Oldie im Beruf“ – eigentlich heißt das Experte – immer wie-der neu anpassen und mit lernen. Doch das ständige Lernen, sich entwickeln macht ihr Freude. Diese Freude gibt Claudia bei ihrer Tätigkeit in der PTA-Weiterqualifizierung, bei den Seminaren über „Aseptisches Ar-beiten“ und im Fortbildungsausschuss ger-ne weiter. Zusammen mit Wioletta Sekular und Daniel Seebach-Schielzeth ist sie in der Prüfungskommission bei den onkologischen Fachprüfungen für PTAs.

Claudia Woeste lebt in Berlin und sie liebt die kulturellen Möglichkeiten der Stadt. Mu-sik, Theater, Ausstellungen – alles was die Stadt so hergibt, steht auf dem Programm und auch noch: Ohne Krimi geht die Claudia nicht ins Bett.

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52 | Onkologische Pharmazie | 16. Jahrgang | Nr. 4/2014

Buchbesprechung

Schattauer Verlag 2013,24,99 Euro

In ihrem ersten Buch hat sich Katja Geuenich mit der Akzeptanz in der Psychoonkologie als Weg zu einer Verbesserung der Lebens-qualität in der Krebserkrankung befasst. In dem nun vorliegenden neuen Buch beschäf-tigt sich die Autorin mit dem aktuellen und wichtigen Thema Achtsamkeit als Hilfe zur emotionalen und mentalen Bewältigung von Krebs. Auf 182 Seiten umkreist sie das The-ma in drei Kapiteln.

Im ersten Kapitel geht es um die Beschrei-bung von Achtsamkeit – sie beschreibt sechs Merkmale des Themas: Wahrnehmen, Beschreiben, Sich-einlassen, Konzentrati-on, Nichtbewerten und Wirkungsvoll. Diese Merkmale werden auf ihre Bedeutung hin untersucht und durch Übungen erfahrbar gemacht.

Das zweite Kapitel behandelt den Zusam-menhang von Achtsamkeit und psychischen Grundbedürfnissen. Die Autorin bezieht sich hier auf die Konsistenztheorie von Grawe mit den menschlichen Grundbedürfnissen nach Kontrolle und Orientierung, Lustgewinn und Vermeiden von Unlust, Stabilität des Selbst-werts sowie Bindungsangst und Zugehö-rigkeit. Geuenich beschreibt Achtsamkeit als Hilfe zur Regulation dieser Bedürfnisse. Indem man sie bei sich selber erkennt und versteht sowie in der Auseinandersetzung damit zu einer Befriedigung und Verteidi-gung der eigenen Bedürfnisse kommt. Die-ses Kapitel ist angereichert durch Symbole

Rezension von Susanne Bertels, Hamburg

Buchbesprechung

Achtsamkeit und Krebs

Von Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Katja Geuenich

(z.B. Bedürfnisse als „Wasserfässer“) und Weisheitsgeschichten (z.B. Überquerung des Abgrundes), welche helfen, die Theorie ins Leben zu übertragen.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Phasen der Krebser-krankung, von der Diagnose bis zum evtl. Fortschreiten, d.h. Abschied und Tod. Hier werden die Möglichkeiten von Achtsamkeit als Bedürfnisregulation ausgelotet. Dieser Teil des Buches ist von besonders vielen Anleitungen zur Imagination durchzogen (Gefühlstorte, Sicherer Ort). Im Anhang be-finden sich 22 Arbeitsbögen als Vorlage für die Übungen der einzelnen Kapitel.

Das Buch richtet sich überwiegend an be-troffene Krebserkrankte und an mitbetroffe-ne Angehörige. Das Motto, welches die Au-torin in ihrem Vorwort gewählt hat, stammt von Seneca: „Weise Lebensführung gelingt keinem Menschen durch Zufall. Man muss, solange man lebt, lernen wie man leben soll.“ Das klingt erst einmal anstrengend. Will ich das, wenn ich krank bin? Doch wohl nur, wenn etwas Wichtiges dabei heraus-kommt! Was hat das Buch dafür zu bieten? Die Autorin verspricht drei Funktionen von Achtsamkeit:

Achtsamkeit als Hilfe zur Selbsthilfe in Kri-sensituationen.

Achtsamkeit als innerer Kompass für Le-bensqualität und Zufriedenheit.

Achtsamkeit als Hilfe zur Beziehungshilfe.

„Achtsamkeit und Krebs“ ist ein Arbeits-buch. Es gibt Verständnishilfen und leitet an, sie einzuüben. Das erfordert vom Leser einiges an Disziplin. Die Autorin unterstützt ihn hierbei mit vielen Arbeitshilfen und Ge-schichten. Sowohl Fall- als auch narrative Geschichten. Sehr sympathisch liest sich, dass alle „Fälle“ einen Namen, ein Alter und eine Krebsart als Überschrift haben. Das erleichtert die Identifizierung und macht es lebensnah. Ebenso stellt die Hervorhebung besonders wichtiger Gedanken in kleinen Kästchen eine deutliche Lesehilfe dar.

Krebspatienten erleben ihre Situation weit-gehend von Ohnmacht und dem Gefühl des Ausgeliefertseins an Institutionen, Men-schen und Maschinen geprägt. In dieser Si-tuation bietet der Ansatz von Achtsamkeit die Möglichkeit, wieder handlungsfähig zu werden, eine Möglichkeit zur Selbstkontrol-le und zur Kontrolle des entstandenen Ge-fühlschaos. Auch vermittelt es das Gefühl, etwas tun zu können in einer Situation, die dazu einlädt, sich abzugeben an Ärzte und Behandlung. Es braucht Geduld, innere Ruhe und ein gewisses Durchhaltevermögen, sich

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Buchbesprechung

mit den vielen Anregungen in diesem Buch zu beschäftigen. Ob Betroffene das in der Situation ihrer Krankheit können, ist die Fra-ge. Sich mit den eigenen Gefühlen auseinan-der zu setzen, ist für die meisten Menschen nicht selbstverständlich und eine Heraus-forderung. Es besteht die Gefahr, dass es den Einzelnen überfordert und das Buch aus der Hand gelegt wird. Das wäre schade. Hier wäre das Buch mehr in der Hand eines erfahrenen Therapeuten zu sehen, der es zusammen mit seinem Patienten bearbeitet, sei es in einer Gruppe für Krebskranke oder im Einzelgespräch. Gewinnbringend ließe

sich das Buch auch einsetzen in Selbsthilfe-gruppen; es bietet gute Möglichkeiten, über die verschiedenen Aspekte von Achtsamkeit ins Gespräch zu kommen.

Nach der Lektüre des Buches ist es schlüs-sig vorstellbar, dass sich die Lebensquali-tät durch Achtsamkeit erhöht. Letztendlich empfiehlt es sich aber, diesen Weg selber auszuprobieren und zu einer eigenen Be-antwortung zu kommen. Stellvertretend soll hier ein Patient aus dem Buch zu Wort kommen:

Hannes, 66 Jahre, Lungenkrebs,„Manche Übungen konnte ich nicht, kann sie auch heute nicht und habe sie für mich abgehakt. Andere Übungen taten mir gut, auch wenn ich sie erst üben musste. Acht-samkeit als Hilfe, um sich zu verstehen und das, was der Krebs in einem durcheinander gebracht hat, zu sortieren, würde ich auf jeden Fall bejahen.“

Dieses Buch wird ohne Zweifel Leser fin-den, die von ihm profitieren können.

Susanne Bertels

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Informationen aus der Industrie

Die Bedeutung von E-Commerce in der Onkologie: Eine marktwirtschaftliche BetrachtungVon Eldar Sultanow und Michael Kretzer, Gattendorf

Der Pharmamarkt ist durch besondere Eigenschaften gekennzeichnet, aus

denen sich Rückschlüsse auf die Bedeu-tung des elektronischen Handels ziehen lassen. Der vorliegende Beitrag arbeitet aus marktwirtschaftlicher Perspektive diese Eigenschaften heraus, leitet dar-aus eine Notwendigkeit von E-Commerce für die Onkologie ab und stellt ein Pilot-projekt vor.

Marktbesonderheiten im Umfeld der Onkologie

Der onkologische Pharmamarkt, insbeson-dere jener der lange auf dem Markt befindli-chen generischen Zytostatika, kennzeichnet sich durch einen strengen Verdrängungs-wettbewerb. Die vermehrte Verwendung von oralen onkologischen Therapeutika als auch das fokussierte Therapiemanagement füh-ren zu einer Reduzierung von Infusionszu-bereitungen. Zudem wird die Verdrängung durch bestimmte Markteigenschaften her-vorgerufen, aufrechterhalten und weiter aus-geprägt, die nachfolgend genannt und näher erläutert werden.

Keine Geltung von Marken

Ein fundamentales und vor allem diesem Wettbewerb zugrundeliegendes Spezifikum ist die Markengleichgültigkeit. Während in ei-nem markenbewussten Wettbewerb wie etwa im Automobilhandel der Leitsatz „Fahrzeug ist nicht gleich Fahrzeug“ gilt, werden alle Produkte mit ein und demselben Wirkstoff gleichgesetzt, unabhängig davon, wer ihn wo und unterwelchen Bedingungen herge-

stellt hat – solange die Herstellung im Rah-men der gesetzlichen Bestimmungen erfolgt. In einem solchen Wettbewerbsumfeld zählt nur der Preis. In jüngster Zeit spielt in diesem Zusammenhang die Versorgungssicherheit eine zunehmende Rolle.

Ein bekanntes Beispiel für Markengeltung findet sich außerhalb der Onkologie und ist die am 10. August 1897 erstmals im Bayer-Stammwerk in Elberfeld gelungene Synthese von nebenproduktfreier o-Acetylsalicylsäu-re aus Acetanhydrid und Salicylsäure als Grundlage für das 1897 „Aspirin“ genannte Produkt, das unter gleichem Namen immer noch im Original nachgefragt und (teurer als die generischen Produkte) verkauft wird.

Disintermediation

Ein Wettbewerb, der ausschließlich über den Preis ausgetragen wird, muss sich Kosteneffizienz-steigernden Mechanismen bedienen. Einer der wesentlichsten und weitreichendsten ist die Ausschaltung von Wertschöpfungsstufen zwischen Herstel-ler (Pharmaunternehmen) und Verbraucher (Patienten). Je weniger Beteiligte an einem Produkt entlang seiner Wertschöpfungsket-te verdienen, desto größer ist der Spielraum für die Preisgestaltung durch den Hersteller. Eine Erscheinungsform dieses in der Wirt-schaftswissenschaft als Disintermediation bezeichneten Phänomens im Pharmamarkt ist der paradigmatische Wechsel des Begriffs „Großhändler“ vom Dienstleister zum Recht-einhaber beziehungsweise Besitzer einer Großhandelserlaubnis. So beantragen Apo-theken, die zugleich Herstellungsbetriebe nach Paragraph 13 AMG sind, eine Großhan-

delserlaubnis mit dem Ziel, günstiger einzu-kaufen und untereinander Handel zu treiben.

Großes Zeitfenster zwischen Entwicklung und Verwertung

In der Pharmaindustrie ist der Prozess der Produktentwicklung zeitlich stark getrennt vom Prozess der Produktverwertung, da hier der Entwicklungsprozess (im Mittel 12,7 Jah-re) und die Genehmigungs- und Zulassungs-verfahren (circa 2,2 Jahre) sehr langwierig sind (Feldmann, 2007, S. 132). Diesem Zeit-raum stehen noch keine Einnahmen aus der Nutzung gegenüber, wobei die frühzeitige Lizenzvergabe eine Ausnahme bildet. Un-ter Berücksichtigung der F&E-Kosten von ungefähr 800 Millionen Euro für einen neu-en Wirkstoff (Blockbuster) wird ersichtlich, welch existenzielle Bedeutung die Innova-tionssicherung seitens des Staates für die Pharmaindustrie hat (Bayer, 2014). Parado-xerweise sind die Sicherungsinstrumenta-rien der Pharmaindustrie besonders stark eingeschränkt, da der Produzent die Zusam-mensetzung seines Arzneimittels, die präkli-nischen und klinischen Befunde sowie die medizinische Wirksamkeit und Sicherheit (einschließlich der Nebenwirkungen) genau offenlegen muss.

Politischer und staatlicher Einfluss

Der Pharmamarkt ist aufgrund von politi-schem und staatlichem Einfluss nicht cha-rakteristisch innerhalb des Begriffsverständ-nisses der freien Marktwirtschaft. Neben dem Mehr- und Fremdbesitzverbot von Apo-theken zählen hierzu staatlich vorgeschrie-

INFORMATIONEN AUS DER INDUSTRIE

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bene Gewinnmargenreduktionen (GKV-ÄndG 2010; AMNOG 2011) für Arzneimittel, die bereits Einsparungen auf Seite der GKV und damit Kosten auf Seite der Pharmaindust-rie von 1,2 Milliarden EUR für den Zeitraum Januar bis April 2011 ergaben (IMS Health, 2011). Verschärft wird die Situation durch die Änderung der Hilfstaxe, des Abrechnungs-preises zwischen Apotheke und Kranken-versicherung, zum 1. September dieses Jah-res, die den Preisdruck auf Großhandel und Hersteller erhöht, welche die Arzneimittel zu niedrigeren Preisen anbieten müssen.

Hoher Globalisierungsgrad

Forschungs- und Produktionskapazitäten kommen weltweit vor, insbesondere zuneh-mend in den asiatischen Ländern China und Indien. Im Zeitraum von 1970 bis 2005 exis-tierte kein wirksamer Patentschutz in Indi-en. Dies führte dazu, dass viele indische Pharmahersteller teure Originalpräparate ausländischer Herstellern kopierten und mit Hilfe alternativer Herstellungsverfahren pro-duzierten, was aufgrund des entfallenen finanziellen Risikos der eigenen Forschung kostengünstiger war als die teure Entwick-lung von Originalpräparaten (Perlitz, 2008). Dafür gilt heute jede fernöstliche Beteiligung am deutschen, europäischen oder insge-samt westlichen Pharmamarkt als zuver-lässiger Indikator für eine stark negative Preisentwicklung generischer Arzneimittel.

Stand der Technik

Nach heutigem Stand der Technik bieten Großhändler ihren Kunden einen Online-

Zugang an, über diesen sie Arzneimittel bestellen kön-nen. Im Vordergrund dabei steht die Bestellmöglichkeit auf elektronischem Wege als Alternative zur telefonischen Bestellung. Diese Form des Online-Handels im Bereich der Onkologie ist stark auf den Primärzweck, den Arz-neimittelverkauf an sich, ausgerichtet. E-Commerce bietet jedoch über den blo-ßen Verkauf hinausgehende Möglichkeiten und Vorteile für den elektronischen Han-del. Diese Vorteile, nach-folgend vorgestellt, werden durch die verfügbaren Lösun-gen momentan nicht vollum-fänglich ausgeschöpft. Insbe-sondere existieren erhebliche Potenziale im Bereich der di-rekten Interaktion zwischen Apotheke und Hersteller, in der Aufwertung von Leis-tungsangebot durch Perso-nalisierung und Optimierung der Bedarfsgenauigkeit von an Kunden kommunizierten Angeboten und im Bereich der Resteverwertung.

Vorteile von E-Commerce in der Onkologie

Die oben genannten Eigen-schaften des onkologischen Pharmamarkts, insbesondere Abbildungen: Screenshots vom MaxShop

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Informationen aus der Industrie

der hohe Preisdruck, Globalisierungsgrad und die Disintermediation, sind indikativ dafür, dass der Markt sich durch eine extrem hohe Affinität zu effizienzsteigernden Me-chanismen kennzeichnet, wobei ausschließ-lich der Preis und nicht die Qualität eine tra-gende Rolle spielen. Die zu gewährleistende Qualität legen gesetzliche Bestimmungen fest, was in diesem Markt dazu führt, dass ihre Teilnehmer die, nur geringste Kosten verursachende, Erfüllung des geforderten Mindestmaßes zur Maxime erheben. Mehr Qualität im Angebot enthalten, kann unter den genannten Marktbedingungen kein Vor-teil, sondern nur ein Nachteil des Anbieters sein. Im Folgenden werden die Vorteile von E-Commerce beschrieben (siehe auch Sul-tanow, 2010).

Kostenreduktion

E-Commerce bietet genau den passenden Mechanismus, der die Effizienz von Kunden- und Unternehmensprozessen steigert und außerdem einen disintermediativen Cha-rakter aufweist. Eine wesentliche Effizienz-steigerung von E-Commerce-Lösungen be-steht darin, dass sie informationstechnisch den Bestellprozess sowie die Prozesse der Auftragserfassung, Beschaffung und des Verkaufs auf Seiten des Anbieters automa-tisieren.

Reduktion örtlicher Geschäftsbeschränkungen

Das Produkt- und Dienstleistungsangebot über traditionelle Medien unterliegt räum-lichen Schranken. Dementgegen ergibt sich für den Anbieter im Internet eine weltweit sichtbare Präsenz, ohne dass dieser phy-sisch vor Ort sein müsste. So liegt in der überregionalen (ja sogar globalen) Ange-botsverfügbarkeit das Hauptpotential zur Kundenkreiserweiterung.

Reduktion zeitlicher Geschäftsbeschränkungen

Im Internet stehen Angebote permanent zur Verfügung. Demzufolge können Nachfrager

beliebiger Orte zu jedem Zeitpunkt auf die-se Angebote zugreifen. Schließlich ist eine zeitlich nicht limitierte Abwicklung von Ge-schäften möglich.

Aufwertung von Leistungsangebot

E-Commerce-Lösungen erweitern das Leis-tungsangebot durch zusätzliche Services und kundenindividuellere Produkte. Neben bedarfsgenauen Produktvorschlägen, die von Empfehlungsdiensten (Recommender Systemen) generiert werden, werten zum Beispiel eine Preisverhandlungs-, Merk-zettel- sowie Preisalarm-Funktion das Leis-tungsangebot auf.

Direkte Interaktion zwischen Kunde und Anbieter

Auf einem elektronischen Marktplatz inter-agieren Kunden mit Herstellern direkt, in-dem sie zum Beispiel Anbietern eine Liste nachgefragter Produkte und gegebenen-falls Preisvorschläge (sofern diese Funktion vom Anbieter aktiviert wird) übermitteln. Die unmittelbare Interaktion umfasst auch die herstellerseitige Benachrichtigung in Echtzeit der Kunden über die Verfügbarkeit

von genau auf ihre Belange zugeschnittenen Angeboten.

Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern

Die Architektur von Onlineplattformen liefert eine integrierte Informations- und Kommu-nikationsbasis für den effizienten, medien-bruchfreien Daten- und Dokumenten-Aus-tausch. So lassen sich die online generierten Kunden- und Bestellinformationen direkt in das Warenwirtschaftssystem des Herstel-lers und in jenes des Kunden importieren. Auf Seiten der Hersteller werden Lagerwirt-schaft, Nachschub und Logistik optimiert sowie auf Kundenseite die Kaufbestände und mit der Kassenabrechnung (Taxierung) zu-sammenhängenden Prozesse automatisiert.

Rettung von kurz vor Verfall stehender Ware

Ein weiterer Vorteil des Online-Handels (vor allem im Pharmabereich) ist die Bewerbung besonders günstiger Angebote solcher Pro-dukte, die kurz vor dem Verfall stehen, so-genannte Kurzläufer. Anbieter verkaufen die Produkte und nehmen einen geringfügige-

Die Max Pharma GmbH nimmt die Ver-änderungen der Märkte auf und bietet seinen Kunden und zukünftigen Kunden einen 24/7/365 Shop für Apotheken und Kliniken. Besonderheit ist, dass die Lauf-zeiten kurz und die Preise für Produkte für die parenterale Zubereitung sehr klein sein werden.

Online als Plattform sozusagen im Hin-tergrund?Reduzierter und fokussierter Service senkt die Preise für die Kunden. Dies ist nur mit einer Online-Plattform möglich.

Als Leistungsmerkmal des Arzneimittel-großhändlers?Dies ist eine offene Plattform. Alle Her-steller können ihre Angebote zum Ver-

werten zur Max Pharma geben. Unsere breite Kundenbasis erlaubt die rasche Umsetzung zum Vorteil der Kunden und der Hersteller.

Lieferant muss ein inländischer Betrieb sein?Auf der Online-Plattform werden aus-schließlich in Deutschland zugelasse-ne, verkehrsfähige Fertigarzneimittel angeboten.

Tangiert das die „Arzneimittelvermitt-lung“ gesetzestechnisch?Wir arbeiten als ganz normaler Großhan-del mit Wareneingang, Ausgang und GDP-Transport. Nur das Bestellwesen hat sich um die Option online erweitert.

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Informationen aus der Industrie

ren Verlust hin, der dann größer ausfällt, wenn er seine Produkte nach ihrem Verfall vernichten muss (nicht nur Zytostatika sind toxische Abbauprodukte). Der Markt mit Kurzläufern ist sehr heterogen und desori-entiert – er liefert keinen systematischen Absatzweg für Anbieter und gleichermaßen keine dedizierte Bezugsquelle für die Ab-nehmer. Ein strukturierter Online-Vertrieb von Kurzläufern ist die synergetische Kom-bination aus dem

Absatz von kurz vor Verfall stehender Ware, welcher den Schaden auf Herstel-lerseite begrenzt und

Einsparpotenzial für Apotheker, welche auf dieses in Anbetracht der aktuellen Marktbedingungen in hohem Maße an-gewiesen sind.

Das Risiko, dass die kurzen Haltbarkeits-zeiten zu einem Lagerverlust führen, ist vernachlässigbar gering, da im Bereich der

Abbildung 1: Flyer des E-Commerce Portals shop.max-pharma.de

Onkologie die Arzneimittel oft am selben oder spätestens am nächsten Tag verbraucht werden. Kaum eine Apotheke kauft Zytos-tatika auf Vorrat. Selbst wenn auf Seite der Apotheke Ware verfällt, entsteht wegen der niedrigen Preise kein großer Schaden.

Die Tatsache, dass permanent neue Her-steller in den gesättigten onkologischen Markt eintreten, beeinträchtigt nicht das auf E-Commerce basierende Geschäftsmo-dell, sondern fördert dieses, weil mit der wachsenden Überversorgung die Zahl der Kurzläufer im Gleichschritt zunimmt.

Das Pilotprojekt der onkologischen Resterampe

Die Einführung von E-Commerce in den On-kologiemarkt ist daher die folgerichtige Kon-sequenz aus dessen beschriebenen Markt-eigenschaften.

Der Markt prägt seine Teilnehmer auf Konsu-mentenseite, die sich durch einen rein Preis-fixierten Habitus hervorheben. Aus diesem Grund hat sich die E-Commerce-Plattform an seine Benutzer in ihrem Stil und äußeren Er-scheinungsbild angepasst, um die Aufmerk-samkeit auf den nicht zu unterbietenden niedrigen Preis zu richten (Abb. 1).

Es sind bereits Angebote von mehr als 10 Herstellern im Shop. Die Usermeldungen verändern sich täglich und zielen im onko-logischen Bereich auf 250 bis 300 ab.

LITERATUR

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Feldmann,C.(2007).StrategischesTechnologiema-nagement.Wiesbaden:GWVFachverlage.

IMSHealth(2011).AMNOG-EinsparungenimerstenJahresdrittel2011:Zwangsrabatteüberschreitenbe-reitsdieMilliardenmarke.Abgerufenam25.08.2011vonhttp://www.imshealth.de/de/artikel/id/15375

Perlitz,U.(2008).IndischePharmaindustrieaufGlo-balisierungskurs.DeutscheBankResearch,AktuelleThemen413.

Sultanow,E.(2010).ZusammenarbeitinverteiltenProjekten:Dekomposition,BarrierenundLösungenimKontextderWebentwicklung.Berlin,Deutsch-land:Gito.

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