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Die Digitalisierung der Verwaltung braucht effiziente föderale Kooperation Klaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie IT-Beauftragter der Bundesregierung, Berlin Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Wirtschaft, der Gesell- schaft und des Staates. Mit ihr verändern sich die Prozesse und Abläufe in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend. Zudem kennt die Digitalisierung technisch keine „Grenzen“ . Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen auf Mobilität innerhalb der EU erfordern daher zusätzlich eine grenzüberschrei- tende Digitalisierung der Verwaltung. U m der Herausforderung der Digita- lisierung angemessen begegnen zu können, benötigt Deutschland eine zukunftsfähige und sichere Verwaltungs- landschaft. Sie sollte die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen wissen und dabei nicht nur die nationalen Belange in den Blick nehmen, sondern immer auch die Vorgaben und Pläne der EU beden- ken. Darüber hinaus sollten konsequent nutzerorientierte Angebote bereitgestellt werden. Denn nur wenn es der Verwal- tung gelingt, ihr Online-Angebot attrakti- ver zu gestalten, werden Bürger ihre Ver- waltungsanliegen künftig öfter per Maus- klick erledigen. Im föderalen Deutsch- land müssen Bund, Länder und Kommu- nen diese Herausforderung gemeinsam meistern und sie fangen nicht bei Null an. Es gibt zahlreiche gute digitale Lösungen für die unterschiedlichen Anliegen von Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen. Aber diese Ange- bote sind nicht flächendeckend in jeder Kommune und in jedem Bundesland und nicht für jedes Anliegen verfügbar. Die heutigen Online-Angebote sind zudem nicht miteinander vernetzt, sodass der Bürger wissen muss, auf welcher Inter- netseite welcher Behörde er welche Lösung für sein Anliegen findet. Auch werden die Bedarfe von EU-Bürgerinnen und -Bürgern noch zu selten beachtet. Hierauf wird nachfolgend noch einzuge- hen sein. Zunächst soll aber die natio- nale Situation in den Blick genommen werden. Rechtliche Grundlage Im Sinne gleichwertiger Lebensverhält- nisse in Deutschland muss auch der Zugang zu Verwaltungsleistungen über- all gleich gut und einfach sein. Das ist eines der zentralen Ziele, die Politik und Verwaltung mit der Digitalisierung der Verwaltung erreichen wollen. Zugleich soll der elektronische Gang ins Amt für die Nutzerinnen und Nutzer ihren Erwar- tungen entsprechend intuitiv, unkompli- ziert und sicher gestaltet werden – so, wie sie es längst vom Online-Handel gewöhnt sind. In der Umsetzung bedeu- ten diese Ziele einen immensen Transfor- mationsprozess für die deutsche Verwal- tung – einen Transformationsprozess, an dem Bund, Länder und Kommunen glei- chermaßen engagiert und aktiv mitarbei- ten müssen. Die rechtliche Grundlage dafür wurde 2017 mit dem Onlinezu- gangsgesetz – kurz OZG – geschaffen. Es verpflichtet Bund, Länder und mittelbar auch die Kommunen alle Verwaltungs- leistungen auch digital anzubieten. Dies soll schrittweise bis Ende 2022 durch Bereitstellung der technischen Infra- struktur, der benötigten Basisdienste sowie der Online-Leistungen geschehen. Technische Infrastruktur In Umsetzung des Onlinezugangsgeset- zes wird eine gemeinsame Digitalisie- rungsplattform für die föderale Verwal- tung errichtet. Diese Plattform ist der Portalverbund, der auf allen drei Ebe- nen aus folgenden Bausteinen besteht: aus lebenslagenorientierten Verwal- tungsportalen, die aus Sicht der Bür- gerinnen und Bürger gestaltet sind; aus intelligent verknüpften Portalen, die ihre Besucherinnen und Besu- cher immer auf das Portal weiterlei- ten, auf dem sie die von ihnen gesuchte Verwaltungsleistung nutzen können; aus Nutzerkonten für Bürger und Unternehmen, die wie die Kunden- konten zum Beispiel von Versiche- rungen den Nutzerinnen und Nut- zern die Speicherung ihrer persönli- chen Daten ermöglichen und deren Verwendung etwa beim Ausfüllen eines elektronischen Formulars; aus weiteren Basiskomponenten wie Postfach, Bezahlfunktion und Doku- mentensafe. Für das Nutzerkonto wird ein „Single- Sign-On“ angestrebt. Das bedeutet, die Bürgerinnen und Bürger registrieren sich einmal bei einem Nutzerkonto, melden sich dann an und sind damit für den gesamten Portalverbund freigeschaltet, können also bundesweit Verwaltungs- leistungen mit einem Nutzerkonto in Anspruch nehmen. schwarz gelb cyan magenta TypoScript GmbH Di 04.06.2019 13:47:47 z:/jehle/bbm/bbm2019-06 S. 11 11 THEMA DES MONATS 243 6/2019 Der Bayerische Bürgermeister

Die Digitalisierung der Verwaltung braucht effiziente föderale … · 2019-07-31 · Die Digitalisierung der Verwaltung braucht effiziente föderale Kooperation Klaus Vitt, Staatssekretär

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Die Digitalisierung der Verwaltung brauchteffiziente föderale KooperationKlaus Vitt, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sowie IT-Beauftragterder Bundesregierung, Berlin

Die Digitalisierung betrifft alle Bereiche der Wirtschaft, der Gesell-schaft und des Staates. Mit ihr verändern sich die Prozesse undAbläufe in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend. Zudemkennt die Digitalisierung technisch keine „Grenzen“. Die Rechte derBürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen auf Mobilitätinnerhalb der EU erfordern daher zusätzlich eine grenzüberschrei-tende Digitalisierung der Verwaltung.

U m der Herausforderung der Digita-lisierung angemessen begegnen zu

können, benötigt Deutschland einezukunftsfähige und sichere Verwaltungs-landschaft. Sie sollte die Vorteile derDigitalisierung zu nutzen wissen unddabei nicht nur die nationalen Belange inden Blick nehmen, sondern immer auchdie Vorgaben und Pläne der EU beden-ken. Darüber hinaus sollten konsequentnutzerorientierte Angebote bereitgestelltwerden. Denn nur wenn es der Verwal-tung gelingt, ihr Online-Angebot attrakti-ver zu gestalten, werden Bürger ihre Ver-waltungsanliegen künftig öfter per Maus-klick erledigen. Im föderalen Deutsch-land müssen Bund, Länder und Kommu-nen diese Herausforderung gemeinsammeistern und sie fangen nicht bei Nullan. Es gibt zahlreiche gute digitaleLösungen für die unterschiedlichenAnliegen von Bürgerinnen und Bürgersowie Unternehmen. Aber diese Ange-bote sind nicht flächendeckend in jederKommune und in jedem Bundesland undnicht für jedes Anliegen verfügbar. Dieheutigen Online-Angebote sind zudemnicht miteinander vernetzt, sodass derBürger wissen muss, auf welcher Inter-netseite welcher Behörde er welcheLösung für sein Anliegen findet. Auch

werden die Bedarfe von EU-Bürgerinnenund -Bürgern noch zu selten beachtet.Hierauf wird nachfolgend noch einzuge-hen sein. Zunächst soll aber die natio-nale Situation in den Blick genommenwerden.

Rechtliche Grundlage

Im Sinne gleichwertiger Lebensverhält-nisse in Deutschland muss auch derZugang zu Verwaltungsleistungen über-all gleich gut und einfach sein. Das isteines der zentralen Ziele, die Politik undVerwaltung mit der Digitalisierung derVerwaltung erreichen wollen. Zugleichsoll der elektronische Gang ins Amt fürdie Nutzerinnen und Nutzer ihren Erwar-tungen entsprechend intuitiv, unkompli-ziert und sicher gestaltet werden – so,wie sie es längst vom Online-Handelgewöhnt sind. In der Umsetzung bedeu-ten diese Ziele einen immensen Transfor-mationsprozess für die deutsche Verwal-tung – einen Transformationsprozess, andem Bund, Länder und Kommunen glei-chermaßen engagiert und aktiv mitarbei-ten müssen. Die rechtliche Grundlagedafür wurde 2017 mit dem Onlinezu-gangsgesetz – kurz OZG – geschaffen. Esverpflichtet Bund, Länder und mittelbarauch die Kommunen alle Verwaltungs-

leistungen auch digital anzubieten. Diessoll schrittweise bis Ende 2022 durchBereitstellung der technischen Infra-struktur, der benötigten Basisdienstesowie der Online-Leistungen geschehen.

Technische Infrastruktur

In Umsetzung des Onlinezugangsgeset-zes wird eine gemeinsame Digitalisie-rungsplattform für die föderale Verwal-tung errichtet. Diese Plattform ist derPortalverbund, der auf allen drei Ebe-nen aus folgenden Bausteinen besteht:

aus lebenslagenorientierten Verwal-tungsportalen, die aus Sicht der Bür-gerinnen und Bürger gestaltet sind;aus intelligent verknüpften Portalen,die ihre Besucherinnen und Besu-cher immer auf das Portal weiterlei-ten, auf dem sie die von ihnengesuchte Verwaltungsleistung nutzenkönnen;aus Nutzerkonten für Bürger undUnternehmen, die wie die Kunden-konten zum Beispiel von Versiche-rungen den Nutzerinnen und Nut-zern die Speicherung ihrer persönli-chen Daten ermöglichen und derenVerwendung etwa beim Ausfülleneines elektronischen Formulars;aus weiteren Basiskomponenten wiePostfach, Bezahlfunktion und Doku-mentensafe.

Für das Nutzerkonto wird ein „Single-Sign-On“ angestrebt. Das bedeutet, dieBürgerinnen und Bürger registrieren sicheinmal bei einem Nutzerkonto, meldensich dann an und sind damit für dengesamten Portalverbund freigeschaltet,können also bundesweit Verwaltungs-leistungen mit einem Nutzerkonto inAnspruch nehmen.

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2436/2019 Der Bayerische Bürgermeister

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Der Portalverbund wird schrittweiseaufgebaut. Ein erster Pilot wurde bereitsmit den Verwaltungsportalen von Bay-ern, Berlin, Hamburg, Hessen und demBund gestartet. Hierzu wurde einOnline Gateway entwickelt, mit demdie Informationen über Verwaltungsleis-tungen von einem Portal zum anderenübermittelt werden können und dieintelligente Verknüpfung realisiert wird.Es wird derzeit die Rolloutplanung fürden gesamten Portalverbund erarbeitet.Hierzu stimmen sich der Bund mit denLändern und die Länder mit den Kom-munen ab.

Bund und Länder realisieren den Portalverbund gemeinsam. Quelle: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Im September 2018 wurde das neuelebens- und geschäftslagenorientierteVerwaltungsportal des Bundes als Beta-Version in den Wirkbetrieb übernom-men. Aktuell zeigt der Prototyp mit derURL www.beta.bund.de anhand vonAnschauungsbeispielen, wie das Portalspäter von Bürgerinnen, Bürgern undUnternehmen genutzt werden kann. Essoll die Verwaltungsleistungen der Bun-desbehörden bündeln und zugleich alsTeilnehmer des Portalverbunds eineneinheitlichen und nutzerfreundlichenZugang zu den Verwaltungsleistungendes Bundes sowie der Länder und Kom-munen bieten. Zugleich werden zen-trale Basisdienste bereitgestellt, zumBeispiel das Postfach, das E-PaymentBund sowie ein Formular-Management-System, die alle Bundesbehörden ver-wenden können.

Auch das eIDAS-konforme NutzerkontoBund wird auf dem Verwaltungsportaldes Bundes in Betrieb genommen. Bun-desbehörden können das NutzerkontoBund kostenfrei einsetzen und damitauf eine eigene Identifizierungslösungverzichten. Dank Postfach-Komponentekönnen sie ihren Verwaltungskundenelektronische Nachrichten übermitteln,zum Beispiel Statusmeldungen zumBearbeitungsstand eines Anliegens. DerPilot des Nutzerkontos Bund wurdeEnde März 2019 begonnen.Derzeit werden neben den Infrastruk-turkomponenten für den Portalverbundund die Bundesverwaltung Integrations-leitfäden für Bundesbehörden erarbei-tet, die sie bei der digitalen Bereitstel-lung ihrer Verwaltungsleistungen zielge-richtet unterstützen.

Digitale Verwaltungsleistungen

Der Portalverbund wird benötigt, umdie OZG-Kernanforderung umzusetzen:Alle für die Digitalisierung geeignetenVerwaltungsanliegen müssen bis Ende2022 online im Portalverbund angebo-ten werden.Um festzustellen, welche und wie vieleLeistungen gemäß OZG digital erreich-bar sein müssen, wurde eine umfangrei-che Bestandaufnahme vorgenommen.Zugrunde gelegt wurden der Leistungs-katalog der öffentlichen Verwaltung(LeiKa), Analysen von Verwaltungspor-talen und behördlichen Internetauftrit-

ten, zum Beispiel dem des Bundesver-waltungsamt, Ergebnisse von Work-shops und Befragungen, etwa derGeschäfts- und Koordinierungsstelle Fö-derales Informationsmanagement beimMinisterium der Finanzen des LandesSachsen-Anhalt (GK FIM), sowie Vorga-ben der Europäischen Union zum SingleDigital Gateway. Die hierbei identifizier-ten circa 575 Verwaltungsleistungen –circa 115 OZG-Leistungen, die in derRechtsetzung und im Vollzug in alleini-ger Verantwortung des Bundes liegen,und circa 460 OZG-Leistungen, die inder Rechtssetzung beim Bund und imVollzug in der Verantwortung von Län-dern beziehungsweise Kommunen lie-gen – wurden in 35 Lebenslagen sowie17 Geschäftslagen von Unternehmengebündelt. Weitere Leistungen wurdenQuerschnittslagen für Bürger undUnternehmen zugeordnet. Beispiele fürQuerschnittslagen sind die Beantragungeines Führungszeugnisses, einer Ge-burtsurkunde und eines Handelsregis-terauszugs. Die Lebens- und Ge-schäftslagen wurden 14 Themenfeldernzugeordnet, unter anderem „Familieund Kind“ sowie „Unternehmensfüh-rung und -entwicklung“. Aus dieserBestandsaufnahme ist der OZG-Umset-zungskatalog entstanden. Mit ihm wer-den detaillierte Fachinformationen füralle Leistungen erfasst, z. B. neue Vorga-ben aufgrund gesetzlicher Änderungen,bestehende Online-Services und für die

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Leistungen genutzte Fachverfahren. DerOZG-Umsetzungskatalog ist seit Okto-ber 2018 als interaktive Webanwendungunter www.katalog.ozg-umsetzung.deonline und wird in Zusammenarbeit mitder Föderalen IT-Kooperation (FITKO)schrittweise zu einer Collaboration-Plattform ausgebaut.

Weit über 500 nutzerfreundliche Verwaltungsleistungen sind bis Ende 2022 von Bund, Ländern und Kommunen gemäß OZG anzubieten.Quelle: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Eine effiziente Zusammenarbeit ist an-gesichts dieser hohen Anzahl an Verwal-tungsleistungen unabdingbar. Deshalberfolgt ihre Digitalisierung arbeitsteilignach dem Einer-für-Alle-Prinzip. Einerübernimmt ein Anliegen und stellt seineLösung später allen anderen zur Verfü-gung, sodass sie nachgenutzt werdenkann. Die 14 Themenfelder werdendaher federführend von jeweils einemfachlich zuständigen Bundesressortsowie mindestens einem Bundeslandgemeinsam mit Projektpartnern bear-beitet, unter ihnen zahlreiche Kommu-nen. Da die nutzerorientierte Umset-zung eine zentrale Voraussetzung fürden Erfolg der Verwaltungsdigitalisie-rung ist, werden die Nutzerinnen undNutzer aktiv in den Digitalisierungspro-zess eingebunden. Dies geschieht ininterdisziplinären „Digitalisierungslabo-ren“. Vertreter der fachlichen, organisa-torischen und technischen Seite sowieNutzer arbeiten räumlich oder virtuell

in kurzen Intervallen zusammen. Siegreifen auf gemeinsame Materialien,Standards und Methoden zurück. IhreErgebnisse werden unmittelbar nachder Ideenentwicklung in Prototypenumgesetzt und Nutzertests unterzogen.Hieraus können unmittelbare Erkennt-nisse gewonnen und die Rückmeldun-gen der Nutzer in der weiteren Entwick-lung betrachtet werden. Fehlentwick-lungen werden korrigiert oder ange-passt. Die Teams entwickeln nutzerori-entierte Zielprozesse, „Mock-ups“ oderUmsetzungspläne unter Berücksichti-gung der Standards für die Integrationin den Portalverbund mit agilen undkreativen Methoden wie Design-Thin-king und Scrum. Auf diese Weise sollenPrototypen und Referenzimplementie-rungen entstehen, auf deren BasisLösungen für den bundesweiten Einsatzbereitgestellt werden können.

Registermodernisierung und

Once Only-Prinzip

Mit der Umsetzung des Onlinezugangs-gesetzes wird die föderale Verwaltungeinen großen Fortschritt erzielen. Aller-dings reicht es nicht, Verwaltungsleis-tungen digital bereitzustellen und ihredigitale Nutzung zu ermöglichen. DieErwartungen der Bürgerinnen und Bür-

ger sowie der Unternehmen gehendeutlich weiter. Sie wollen Daten, dieeiner Behörde bereits vorliegen, nichtnoch einmal eingeben bzw. zur Verfü-gung stellen, wenn sie von einer ande-ren Behörde benötigt werden. Zukünf-tig sollen daher Bürgerinnen und Bür-gern sowie Unternehmen dieselbenDaten und Urkunden für verschiedeneAnliegen nicht immer wieder neu ein-reichen müssen. Diesen Service kanndie Verwaltung jedoch nur anbieten,wenn die deutsche Registerlandschaftneu gestaltet und das Once Only Prin-zip eingeführt wird. Etwa 200 Registerwerden heute auf allen Ebenen derstaatlichen Verwaltung geführt unddecken sehr unterschiedliche Rechtsbe-reiche ab. Aus der Vielzahl bestehenderRegister ergibt sich die Notwendigkeitder Festlegung von Verfahren für eineregisterübergreifende Kommunikation,denn im Moment sind viele Registerjedoch noch als abgeschottete „Daten-silos“ organisiert, sodass eine standardi-sierte Kommunikation außerhalb desfachlichen Bereiches nicht möglich ist.Darüber hinaus sind eine hohe Daten-qualität und ein registerübergreifendesund datenschutzkonformes Identitäts-management erforderlich. Im Rahmenvon Once Only muss zudem gewährleis-

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tet sein, dass auch künftig jede Behördenur die Daten bekommt, die sie für ihrekonkrete Aufgabenerfüllung benötigt.Das setzt ein entsprechendes Rechte-und Rollenkonzept voraus. Nicht zuletztsind auch die rechtlichen Regelungenden neuen Anforderungen anzupassen.Die föderale Erfüllung der Vorgaben ausdem OZG, insbesondere im Rahmen derErrichtung des Portalverbunds, kannwertvolle Hinweise liefern sowohl hin-sichtlich der erforderlichen einheitli-chen Standards für den Datenaustauschund die Datensicherheit als auch hin-sichtlich der zunehmenden föderalenKooperationsformate.

Bund, Länder und Kommunen digitalisieren die Verwaltungsleistungen arbeitsteilig. Quelle: Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat

Single Digital Gateway

Im Dezember 2018 ist die EU-Verord-nung zum Single Digital Gateway (SDG)in Kraft getreten. Ziel der EU ist es, aufBasis des Portals „Your Europe“ ein ein-heitliches digitales europäisches Zu-gangstor zu den Verwaltungsportalender Mitgliedstaaten zu errichten. Dafürmüssen die Portale der EU-Mitgliedstaa-ten bis Ende 2020 über eine von derKOM vorgegebene Schnittstelle mitdem Single Digital Gateway (d. h. demmodernisierten „Your Europe“ Portal)

verknüpft werden. Zudem wird die EUKommission eine mehrsprachige Such-maschine für das SDG bereitstellen,über die man von dem EU-Portal direktauf die digitalen Angebote der Mitglied-staaten gelangt. Das Single Digital Gate-way eröffnet somit den Verwaltungsver-fahren im deutschen Portalverbund eineEU-weite Sichtbarkeit und systemati-sche Auffindbarkeit, die mit kommerzi-ellen Suchmaschinen nur unter großemfinanziellem Aufwand erzielt werdenkönnte.Die Erreichbarkeit über das europäischeZugangstor bringt Anforderungen andie Digitalisierung der öffentlichen Ver-waltung mit sich. Im Kern richten sichdiese Anforderungen auf drei Bereiche:(i) Umfassende Informationsbereitstel-lung, (ii) einheitliches Angebot von voll-ständig medienbruchfrei online abzuwi-ckelnden Verfahren in allen EU Mitglied-staaten unter grenzüberschreitenderAnwendung des Once Only Prinzips,(iii) nutzerfreundliches einheitlichesAngebot von Hilfs- und Problemlösungs-diensten in allen EU Mitgliedstaaten.Die SDG-Verordnung hat unmittelbareWirksamkeit in den Mitgliedsstaatenund gilt in Deutschland gleichermaßen

für Bund, Länder und Kommunen. Dieföderale deutsche Verwaltung befindetsich mit der laufenden Umsetzung desOnlinezugangsgesetzes in einer gutenAusgangslage, um den Anforderungender SDG-Verordnung effizient zu begeg-nen. Zwischen der SDG-Verordnungund dem OZG gibt es nicht nur zahlrei-che enge Bezüge – SDG-Umsetzung undOZG-Umsetzung gehen vielmehr Handin Hand. Eine aktive Beteiligung an denOZG-Umsetzungsinitiativen erleichtertdaher Behörden aller föderalen Ebenendie Umsetzung der SDG-Anforderungenerheblich.Bund, Länder und Kommunen sindsomit gut beraten, bereits mit derUmsetzung des Onlinezugangsgesetzeseine effiziente und belastbare Koopera-tionsroutine zu etablieren, die es ihnenermöglicht, auch alle weiteren undkünftigen Herausforderungen im Be-reich der digitalen Verwaltung zumeistern.

Weitere Informationen

� www.ozg.it-planungsrat.de

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Bayerns Strategie für die OZG-UmsetzungJudith Gerlach, Staatsministerin im Bayerischen Staatsministerium für Digitales, München

Bayern hat sich beim eGovernment ehrgeizige Ziele gesetzt. Die 54wichtigsten Verwaltungsleistungen wollen wir bereits Ende 2020online anbieten. Wir treiben das eGovernment energisch voran undverfolgen mit mGovernment bereits die nächste Stufe.

D as „Gesetz zur Verbesserung desOnlinezugangs zu Verwaltungsleis-

tungen“, wie das Onlinezugangsgesetz(OZG) eigentlich heißt, ist eines dieserPhänomene der Digitalisierung. Außer-halb überschaubarer Expertenzirkel weißkaum ein Mensch, was sich hinter diesemlangen Titel verbirgt. Dabei bietet dasOZG gerade für Bürgerinnen und Bürger,aber auch für Unternehmen, einen ech-ten Mehrwert als Treiber des digitalenWandels in der Verwaltung.Runtergebrochen verlangt das OZG,dass bis Ende 2022 alle Verwaltungsleis-tungen von Bund, Ländern und Kommu-nen über Online-Portale angeboten wer-den müssen. Insgesamt sind das über5.000 einzelne Verwaltungsleistungenunterschiedlicher Behörden aus 14 The-menbereichen – etwa ein Anwohner-parkausweis oder die Beantragung einerGeburtsurkunde. Für die Menschen inunserem Land heißt das, dass sie künf-tig keine Nummern mehr ziehen oderin Warteschlagen ausharren müssen.Stattdessen kann man den „Behörden-gang“ bequem zu Hause am Computererledigen und das 24 Stunden am Tag,sieben Tage die Woche.

Digitales Amt spart Zeit

In den über 2.000 bayerischen Gemein-den ist die Kommunalverwaltung dieerste Anlaufstelle für Bürgeranliegenaller Art. Gerade dort spart das „digitaleAmt“ Zeit und beschleunigt Verfahren.Die Vorzüge des eGovernment spürendie Bürgerinnen und Bürger also direktin ihrem Alltag. Damit wird die Digitali-sierung plastisch und greifbarer fürjeden als bei smart factory, KünstlicherIntelligenz oder Blockchain.

Auch wenn es bei der Digitalisierungum das große Ganze geht, muss derMensch im Mittelpunkt stehen und dieFrage, wie Digitalisierung zum Nutzender Gesellschaft beitragen kann. Klar:Bayern will bei digitalen Schlüsseltech-nologien vorne mit dabei sein und diedigitale Transformation aktiv gestalten.Im Rahmen von BAYERN DIGITALinvestieren wir daher insgesamt fast 6Milliarden Euro. Neben Forschung undEntwicklung, dem digitalen Klassenzim-mer oder der Digitalisierung im Hand-werk, ist eGovernment eine unserervordringlichsten Herausforderungen.

Bayern hat sich ehrgeizige Ziele

gesetzt

Wir wollen die 54 wichtigsten Verwal-tungsleistungen bereits Ende 2020 überdas BayernPortal (www.freistaat.bayern)anbieten. Weitere Online-Dienste wer-den dort sukzessive hinzugefügt. Einerder Vorteile dabei ist, dass wir so einezentrale Anlaufstelle für Verwaltungs-leistungen anbieten und die Bürgerdamit auch einen zentralen Ansprech-partner haben und nicht immer wiedereine andere Behörde. Alle Bürgerservi-ces sind mit nur einem Account, derBayernID, nutzbar. Ein integriertes Post-fach ermöglicht die sichere Kommuni-kation zwischen Bürger und Verwal-tung. Und mittels ePayment könnenkostenpflichtige Leistungen direkt ausdem Portal heraus bezahlt werden. Einweiterer Vorteil liegt darin, dass wir denKommunen bestimmte Basisdienste kos-tenlos anbieten. Das heißt, Gemeindenund Landratsämter müssen nicht jeweilsdas Rad neu erfinden, sondern könnendarauf zurückgreifen. Auch hier sparen

wir durch den bayernweiten Austauschvon Technik, Wissen und Erfahrung fürden Bürger kostbare Zeit. Künftig gehenwir noch weiter und verfolgen dasnächste Level unseres Serviceangebots:das mGovernment, die mobile Verwal-tung. Wir wollen das BayernPortal auchals App anbieten und schaffen damitdas bequem erreichbare, benutzer-freundliche 24-Stunden-Amt. So könnendie Bürgerinnen und Bürgern be-stimmte Verwaltungsleistungen schonbald auch unterwegs vom Smartphoneoder Tablet aus erledigen. Das ist fürmich moderne, nutzerfreundliche Ver-waltung.Für die Authentifizierung im BayernPor-tal wird, neben dem neuen Personalaus-weis künftig auch authega nutzbarsein – eine Zertifikat-Lösung, die in ähn-licher Form bereits im Online-Finanz-amt ELSTER zum Einsatz kommt. Dabeiist der Freistaat im Hinblick auf Infra-struktur und Basisdienste gut aufge-stellt. Für uns steht die Serviceorientie-rung an erster Stelle. Daher binden wirbei der Umsetzung der digitalen Verwal-tung alle Akteure – Kommunen, Kam-mern, Unternehmen und Bürger –intensiv ein.Es hilft niemandem, einen Papierantrageinfach in ein Webformular zu überfüh-ren. Wir müssen auch klare, einfacheund leicht verständliche Prozesse entwi-ckeln. Deshalb haben wir haben vorKurzem gemeinsam mit dem Bayeri-schen Landkreistag das „DigitallaborBayern“ in sieben Pilotlandkreisen(Aschaffenburg, Bad Tölz-Wolfratshau-sen, Cham, Fürth, Kulmbach, Neu-Ulmund Passau) gestartet. Innerhalb einesJahres werden wir so insgesamt 21 Ver-waltungsleistungen digitalisiert haben.Wichtig dabei ist, dass im Digitallabornicht nur Verwaltungsexperten undProgrammierer aufeinandertreffen, son-dern die späteren Nutzer von Anfang anmit am Tisch sitzen. Nach Abschluss derProjektphase stehen die erarbeiteten

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2476/2019 Der Bayerische Bürgermeister

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Webformulare und Onlinedienste auchallen anderen bayerischen Landkreisenzur Verfügung.

Bayern in der Vorreiterrolle

Die Kommunen leisten einen wichtigensolidarischen Beitrag dafür, dass die bay-erischen Behörden schneller als derBund digitale Lösungen anbieten. Damitist Bayern Vorreiter bei der digitalenVerwaltung. Gleichzeitig arbeiten wirim IT-Planungsrat, dem koordinierendenGremium für die digitale Verwaltung,eng mit dem Bund und den übrigenLändern zusammen. In 12 der 14 vomOZG betroffenen Themenbereichenwirkt Bayern aktiv mit. Wir wollen, dawo es sinnvoll ist, die gemeinsam erar-beiteten Lösungen übernehmen. Woerforderlich setzen wir die digitale Ver-waltung in Eigenregie um. Damit sindwir treibende Kraft beim eGovernment.Die föderale Zusammenarbeit ist aberauch deswegen wichtig, weil die Inter-operabilität der Servicekonten vonBund und Ländern gewährleistet seinmuss. Außerdem wollen wir unsereErfahrungen einbringen, damit der bun-desweite Portalverbund ein Erfolg wird.Nachdem wir mit dem BayernPortal inSachen one-stop-shop schon sehr weitsind, ist die Umsetzung des once only-Prinzips einer der nächsten wichtigenSchritte. Bislang ist es so, dass Bürgerin-nen und Bürger für verschiedene Ver-waltungsleistungen oftmals die gleichenDaten mehrfach übermitteln müssen.Damit soll möglichst bald Schluss sein.Eine umfassende Registermodernisie-rung ist hierfür der Grundstein und hatfür uns eine hohe Priorität. So sollenBürgerinnen und Bürger ihre Daten wieAdresse, Geburtsdatum oder SteuerIDkünftig nur noch einmal eintragen müs-sen. Und wenn das Einkommen fürdie Steuererklärung bereits gemeldetwurde, wird es für den Elterngeld-Antrag automatisch ausgefüllt. Dasbeschleunigt Verwaltungsverfahren und

bringt einen echten Mehrwert für dieBürgerinnen und Bürger. Voraussetzungdafür ist natürlich, dass die Nutzer demzustimmen. Im Fokus stehen für unseffiziente und transparente Verwal-tungsprozesse und eine Verwaltung, diegerne genutzt wird, weil sie einfach undbequem ist.

Unterstützung für Kommunen

Gerade die Kommunen sind dasGesicht der Verwaltung hin zu denBürgerinnen und Bürgern. Wir sindbeim eGovernment deswegen soerfolgreich, weil Bayerns Kommunenso vorbildlich und tatkräftig mithelfen.Mir ist durchaus bewusst, dass vieleRathäuser dabei an Kapazitätsgrenzenstoßen. Wir unterstützen die Kommu-nen daher zum einen mit den Basis-diensten des BayernPortals. Weit über90 Prozent der Kommunen nutzen die-ses Angebot bereits. Künftig will dieBayerische Staatsregierung die Kommu-nen auch finanziell bei der Digitalisie-rung der Verwaltung unterstützen.Zweck der Förderung ist insbesonderedie Vergrößerung des Angebots anVerwaltungsleistungen, die bayerischeGemeinden als Online-Dienste anbie-ten. Damit leistet der Freistaat Bayerneinen wesentlichen Beitrag zur Umset-zung des Onlinezugangsgesetzes imkommunalen Bereich.Die Digitalisierung ist der größte Inno-vationstreiber seit Erfindung der Dampf-maschine. Der Staat kann dabei vieleWeichen stellen, etwa indem er denBreitbandausbau vorantreibt oder For-schung und Entwicklung digitaler Tech-nologien fördert. Die digitale Verwal-tung ist ein Kernstück der Digitalisie-rung und wahrscheinlich der Baustein,der den Menschen den größten Mehr-wert bietet.

Blockchain-Strategie

Bayern will nicht nur schneller sein alsandere, wir wollen auch mehr errei-

chen, auch durch den Einsatz neuerTechnologien. Teil meiner Blockchain-Strategie werden daher potenzielleAnwendungsmöglichkeiten in der Ver-waltung sein. Denkbar sind hier zumBeispiel automatisierte Verwaltungsleis-tungen, etwa wenn bei der Meldung derGeburt eines Kindes gleich das Kinder-geld bewilligt wird. Blockchain bedeu-tet auch volle Datensouveränität fürunsere Bürgerinnen und Bürger undmehr Sicherheit vor Hackern oder Mani-pulation. Für viele Online-Angebote,von der Buchung einer Reise bis hinzum Browser-Game, verwenden dieNutzer heute einen Social Media-Account zum Login. Künftig könnte die-ses Verfahren durch eine blockchain-basierte ID ersetzt werden. Das bedeu-tet mehr Transparenz und mehr Unab-hängigkeit von globalen Plattformen.Gleichzeitig könnten die Nutzer selbstentscheiden, wem sie welche Daten zurVerfügung stellen.Neben den großen, disruptiven Ent-wicklungen – wie etwa künstliche Intel-ligenz oder Industrie 4.0 – bewegt dieMenschen im Alltag oft mehr, ob sie einstabiles Mobilfunknetz und schnellesInternet haben. Und sie wollen einedigitale Verwaltung, die Behördenleis-tungen so einfach macht, wie Online-Shopping. Deswegen ist eGovernmentneben den großen Zukunftstechnolo-gien und ethischen Fragen der Digitali-sierung einer der entscheidendenSchwerpunkte für mich im Digitalminis-terium. Mein Ziel ist eine digitale Ver-waltung, die den Bürgerinnen und Bür-gern das Leben leichter macht. Einfach,transparent und barrierefrei. Dannbleibt den Menschen mehr Zeit fürandere Dinge.

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Das OZG aus kommunaler SichtGeorg Große Verspohl, Bayerischer Gemeindetag & Richard Stelzer, Bayerischer Städtetag &Klaus Geiger, Bayerischer Landkreistag & Irmgard Gihl, Bayerischer Bezirketag, München

Die Digitalisierung betrifft die Kommunen in vielfältiger Weise, etwaim Hinblick auf die notwendigen technischen Infrastrukturen (v. a.Breitband und Mobilfunk) oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben(z. B. in den Bereichen Bildung, Mobilität und Wirtschaftsförderung).Sie betrifft aber auch die Verwaltungen selbst. Gerade die Kommu-nen nehmen die sich verändernden Anforderungen, Bedarfe undErwartungen der Bürgerinnen und Bürger wie auch der mittelstän-dischen Betriebe und Handwerker im direkten Kontakt unmittelbarwahr.

W er online einkaufen geht undonline seine Bankgeschäfte

abwickelt, will auch online zum Amtgehen können. Diese veränderte Erwar-tungshaltung der Bürgerinnen und Bür-ger fordert die Kommunen in besonde-rer Weise, da 80–90 % der Bürgerkon-takte auf sie entfallen. Sie sind die ersteAnlaufstelle, wenn es darum geht, Ver-waltungsleistungen online anzubieten.Das ist zunächst einmal eine Chancedafür, sich modern und bürgerorientiertaufzustellen.Gleichwohl ist Deutschland bei derelektronischen Verwaltung nicht in derChampions League, sondern eher imMittelfeld. Die Gründe hierfür sind viel-schichtig. Vergleiche mit Ländern wieEstland und Dänemark „hinken“ oft, daunterschiedliche Rahmenbedingungenin diesen Ländern vorhanden sind.Selbstverständlich kann man von ande-ren Ländern lernen und gute Ansätzeübernehmen. Mit dem Ziel, die Verwal-tungsdigitalisierung zu beschleunigen,wurde im Zuge der Neuregelung desBund-Länder-Finanzausgleichs 2017sogar das Grundgesetz geändert.Art. 91c erhielt einen neuen Absatz 5:„Der übergreifende informationstechni-sche Zugang zu den Verwaltungsleistun-gen von Bund und Ländern wird durchBundesgesetz mit Zustimmung desBundesrates geregelt.“ Der Bund hatvon dieser Gesetzgebungskompetenz

Gebrauch gemacht. Am 18.8.2017 istdas Gesetz zur Verbesserung desOnlinezugangs zu Verwaltungsleistun-gen (Onlinezugangsgesetz – OZG) inKraft getreten.

Das OZG hat im Wesentlichen

drei Säulen:

Bund und Länder sind verpflichtet, ihreVerwaltungsleistungen bis Ende 2022auch online über Verwaltungsportaleanzubieten. Ob diese Verpflichtungauch für Kommunen gilt, war bereits imGesetzgebungsverfahren zum OZGumstritten. Die Bundesregierung gehtwie selbstverständlich davon aus, dassdas OZG auch die Kommunen ver-pflichtet, ihre Verwaltungsleistungenonline anzubieten. Der Bundesrat hatdiesen „Durchgriff“ im Gesetzgebungs-verfahren infrage gestellt. Die Kommu-

nen stehen einer zunehmenden Digitali-sierung offen gegenüber, benötigenjedoch dringend Rechts- und Planungs-sicherheit, um die damit verbundenenHerausforderungen bis Ende 2022bewältigen zu können.

Onlineverwaltungsleistungen

Die Federführung auf Bundesebene fürdie OZG-Umsetzung liegt beim Bundes-innenministerium und dem AufbaustabFITKO (Föderale IT-Kooperation). Ineinem ersten Schritt wurde ein OZG-Umsetzungskatalog erstellt. Dieser ent-hält 575 OZG-Leistungsbündel mit zahl-reichen einzelnen Verwaltungsleistun-gen einschließlich einer Priorisierung.Um alle Leistungen in der vorgegebenenZeit digital bereitstellen zu können,werden sie arbeitsteilig in 14 Themen-feldern von Bund, Ländern und Kom-munen gemeinsam geplant und bearbei-tet. Jedes Themenfeld wird dabei vonjeweils einem fachlich zuständigen Bun-desressort und mindestens einem Bun-desland federführend bearbeitet. Ineinem ersten Schritt werden bis Som-mer 2019 (entsprechend dem rollieren-den Start) alle Leistungen in den The-menfeldern analysiert (z. B. hinsichtlichbereits bestehender digitaler Angebote,Potenzial für länderübergreifendeLösungen) und ein Umsetzungsplan jeThemenfeld erstellt. Dieser detailliertdas Digitalisierungsvorgehen für jededem Themenfeld zugeordnete Leistung.Parallel beginnt bereits der Digitalisie-rungsprozess für im Themenfeld priori-sierte Leistungen. Diese werden ininterdisziplinär besetzten und alle föde-ralen Ebenen einschließenden „Digitali-sierungslaboren“ bearbeitet.Die Ziele der Bayerischen Staatsregie-rung gehen sogar noch über die Vorga-ben des OZG hinaus: Bereits bis Ende2020 sollen die 54 wichtigsten Verwal-tungsverfahren (zum Beispiel Beantra-gung Geburtsurkunde, Kfz-Zulassung,

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Gesundheitszeugnis, Wohnsitzmeldun-gen, Baugenehmigung, Elterngeld, Mut-terschaftsgeld, Unternehmensanmel-dung, Hundesteuer) flächendeckend alsOnline-Services für die Bürgerinnen undBürger sowie Unternehmen zur Verfü-gung stehen. Ob und wie dieses ambiti-onierte Ziel erreicht werden kann, mussnoch näher geklärt werden.

Portalverbund

Nach §1 Abs.2 OZG sind Bund und Län-der verpflichtet, ihre Verwaltungspor-tale miteinander zu einem Portalver-bund zu verknüpfen. Bürger und Unter-nehmen sollen einen zentralen „Ein-stiegspunkt“ für elektronische Verwal-tungsleistungen haben. Die technischeUmsetzung des Portalverbunds obliegtdem Bund und den Ländern. Die bayeri-schen Kommunen pflegen ihre Verwal-tungsleistungen in das BayernPortal(www.freistaat.bayern) ein. Das Bayern-Portal ist dann Teil des Portalverbunds.Selbstverständlich ist es auch weiterhinmöglich, kommunale Onlineverwal-tungsleistungen zusätzlich über dezen-trale kommunale Portale anzubieten.

Nutzerkonten

Nach § 3 Abs. 2 OZG stellen Bund undLänder im Portalverbund Nutzerkontenbereit, über die sich Nutzer für die imPortalverbund verfügbaren elektroni-schen Verwaltungsleistungen von Bundund Ländern einheitlich identifizierenkönnen. Die besonderen Anforderun-gen einzelner Verwaltungsleistungen andie Identifizierung ihrer Nutzer sind zuberücksichtigen. In Bayern ist mit der

BayernID und dem Postkorb bereits einNutzerkonto verfügbar. Bayern ist mitdieser Technologie „Vorreiter“ inDeutschland. Die Entwicklung wurdemaßgeblich von der Anstalt für Kommu-nale Datenverarbeitung in Bayern(AKDB) durchgeführt. Die BayernID,der Postkorb und eine Komponente fürePayment werden aufgrund einer Initia-tive der kommunalen Spitzenverbändeden Kommunen vom Freistaat als Basis-dienste dauerhaft betriebskostenfrei zurVerfügung gestellt. Als Authentifizie-rungsvarianten sind bei der BayernIDBenutzername/Passwort, die eID desPersonalausweises und künftig Authega(vergleichbar mit ELSTER-Zertifikaten)verfügbar. Die beiden letztgenanntenVarianten haben sogar schriftformerset-zende Wirkung.Nachdem viele Verwaltungsleistungenvon juristischen Personen in Anspruchgenommen werden, ist neben der Bay-ernID für Bürgerinnen und Bürger auchein Unternehmerkonto dringend erfor-derlich. Auch dieses muss vom Freistaatden Kommunen ebenfalls als Basis-dienst zur Verfügung gestellt werden.

OZG-Umsetzung in Bayern

Die konzeptionelle Hauptarbeit für dieOZG-Umsetzung erfolgt derzeit auf Bun-des- und Landesebene. Bei der konkre-ten Umsetzung in den Kommunenkommt den jeweiligen IT-Dienstleisterneine Schlüsselrolle zu. Diese bietenbereits für zahlreiche Verwaltungsleis-tungen Onlinedienste an. Gleichwohlbrauchen die Kommunen einen „rotenFaden“ für die OZG-Umsetzung nach

dem Motto „Wann ist was wie zu tun“.Der Freistaat Bayern muss deshalb zeit-nah eine „bayerische Roadmap zurOZG-Umsetzung“ erarbeiten und denKommunen – Gemeinden, Märkten,Städten, Landkreisen, Bezirken – als Hil-festellung an die Hand geben.

Unterstützung der Kommunen

bei der OZG-Umsetzung

Der Freistaat Bayern unterstützt dieKommunen bei der elektronischen Ver-waltung bereits mit der Überlassungvon Basisdiensten. Wenn künftig Ver-waltungsleistungen auch online angebo-ten werden müssen, sind bei den Kom-munen zusätzliche Investitionen erfor-derlich. Die Kommunen sind dabei aufdie finanzielle Unterstützung des Frei-staats angewiesen. Das BayerischeFinanzministerium hat bereits eine ent-sprechende Förderrichtlinie angekün-digt.Die OZG-Umsetzung bei den Kommu-nen kann nur mit tatkräftiger Unterstüt-zung durch die Mitarbeiterinnen undMitarbeiter gelingen. Dies setzt abereine entsprechende Qualifizierungvoraus. Die kommunalen Spitzenver-bände setzen sich daher dafür ein, dassder Freistaat die Kommunen bei denerforderlichen Schulungsmaßnahmenunterstützt. Angedacht ist eine viertä-gige Fortbildung zum Digitallotsen, beider in einem Grundkurs die wesentli-chen rechtlichen und technischenInhalte zur elektronischen Verwaltungvermittelt werden.

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Interoperable Servicekonten undPortalverbund – eine gute Basis für diedigitale VerwaltungMichael Diepold, Stabsstelle Digitalisierung, AKDB, München

Mit dem 2017 in Kraft getretenen Onlinezugangsgesetz (OZG) hatder Bund einen wichtigen Rahmen für E-Government in Deutsch-land vorgegeben. Die E-Government-Nutzung soll so vereinfachtwerden. Konkret zielt das Gesetz darauf ab, dass Bürger und Unter-nehmen alle Leistungen leicht in einem Portalverbund finden, jedeeinzelne Online-Leistung von jedem Verwaltungsportal aufrufen undmit jedem Nutzerkonto abwickeln können. Demnach sind Bund undLänder verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen bis 2022 onlineüber Portale anzubieten und alle Portale zu einem Portalverbund miteinheitlichem Nutzerkonto zu verknüpfen.

Föderale Organisation im

Portalverbund

H äufig werden in diesem Zusam-menhang erfolgreiche Beispiele

aus Ländern wie Estland oder Frank-reich zitiert, in denen die Verwaltungs-struktur und das entsprechende Portalzentral organisiert sind, was eineschnelle Digitalisierung ermöglicht. InDeutschland berücksichtigt das OZGhingegen das föderale System und ver-netzt Bund, Länder und Kommunengemäß ihren jeweiligen Kompetenzensinnvoll miteinander.In der Praxis bedeutet das, dass Bund,Länder und Kommunen ihre jeweils eige-nen Portale intelligent miteinander ver-knüpfen, sodass der Nutzer über jedesPortal Zugang zu allen angebotenen Ver-waltungsleistungen hat. Bei der technolo-gischen Umsetzung ist die Einhaltung vonStandards wichtig, damit die von einemAkteur entwickelten Angebote auch vonanderen genutzt werden können.

Einheitliches Nutzerkonto mit

Postfach

Das einheitliche Nutzer- bzw. Service-konto bietet Bürgern und Unternehmen

eine „digitale Identität“ für ihr Handelnmit der öffentlichen Verwaltung imInternet. Es kann für alle Online-Verwal-tungsleistungen genutzt werden undwird von allen Portalen im Verbundanerkannt, ist also interoperabel. ImSinne einer konsequenten Nutzerorien-tierung ist neben dem Single Sign-Onunter anderem ein digitales PostfachBestandteil dieses Nutzerkontos, in dasBehörden Bescheide und Nachrichtenübermitteln können. Zudem sollenAnforderungen aus der Wirtschaft – wieeine Verifizierung über einen Register-abgleich – sowie Anforderungen vonder EU wie die eIDAS-Verordnung oderdas Once-Only-Prinzip berücksichtigtwerden. Nicht zuletzt ermöglicht dastechnikoffene Nutzerkonto je nach Ver-waltungsleistung diverse Vertrauensni-veaus sowie den Zugang über verschie-dene Identifizierungsmittel.

AKDB-Servicekonto für Bürger

und Wirtschaft

In Bayern wurde solch ein einheitlichesNutzerkonto mit der BayernID vom Frei-staat und der AKDB bereits erfolgreichumgesetzt. Im Rahmen des Bürgerser-vice-Portals ist es seit 2011 im produkti-

ven Einsatz. Der Freistaat Bayern stelltdiese Infrastruktur-Komponente allenbayerischen Kommunen betriebskosten-frei zur Verfügung. Die BayernID ermög-licht verschiedene Vertrauensniveaussowie den Zugang über eID, künftig auchSoftware-Zertifikat (authega auf Basis derElster-Technologie) oder Benutzernameund Passwort. Bis Ende März 2019 legtenrund 131.000 Nutzer ein Servicekonto inBayern an, Tendenz stark steigend.Neben dem Bürgerkonto steht speziellfür juristische Personen im Pilotbetriebdas Unternehmenskonto bereit. Vertre-tungsberechtigte Mitarbeiter, zum Bei-spiel von Wohnbaugesellschaften oderAutohäusern, können sich mit ihremneuen Personalausweis als Administra-tor über das Unternehmenskonto regis-trieren und entsprechende Verwaltungs-dienstleistungen in Anspruch nehmen.Außerdem kann der Administrator wei-tere Nutzer aus seinem Unternehmenzum Konto hinzufügen.Die AKDB pilotiert gemeinsam mit derStadt Ingolstadt, der Audi AG und demBMVI die medienbruchfreie Außerbe-triebsetzung (Projekt i-Kfz 1) in Verbin-dung mit dem Unternehmenskonto alsGroßkunden-Lösung. Bei diesem Prozessist es möglich, bis zu 999 Fahrzeuge proVorgang abzumelden. Aktuell sind es biszu 200 Fahrzeuge täglich, bis Ende 2018beliefen sich die Außerbetriebsetzungenauf über 41.000 insgesamt. Rückmeldun-gen erfolgen elektronisch in das Postfachdes Servicekontos.Der bayerische Portalverbund existiertseit langem mit der Anbindung vonetwa 15 Drittanbietern wie der Staatli-chen Fischerprüfung oder BAföG-Online. Im Rahmen der Entwicklerge-meinschaft des Servicekontos (Bayern,Hessen, Bund) arbeitet die AKDB stets

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an Neuerungen. Auch in anderen Bun-desländern wie Hessen und Nordrhein-Westfalen sowie auf Bundesebene tutsich viel.

Anbindung des Service-

kontos.NRW

Im bevölkerungsreichsten BundeslandNordrhein-Westfalen wurde im Herbst2018 die Anbindung des Service-konto.NRW an das Bürgerservice-Portalder AKDB vorgestellt – die bundesweitreichweitenstärkste E-Government-Platt-form für Onlineverwaltungsdienste.Damit arbeiten die beiden Lösungennahtlos zusammen. Im Vorfeld habendie NRW-Betreiber des Bürgerservice-Portals, das Kommunale Rechenzen-trum Minden-Ravensberg/Lippe (krz),kdvz Rhein-Erft-Rur und die StadtBochum sowie der Servicekonto-Anbie-ter AKDB mit seiner VertriebstochterkommIT GmbH das Anbindungskon-zept miteinander abgestimmt.Obwohl das Bürgerservice-Portal bereitsein persönliches Nutzerkonto inklusivePostfach beinhaltet, sollte auf Wunschder regionalen Rechenzentren die Lan-deslösung Servicekonto.NRW zusätzlichim Portal zur Verfügung stehen. Da dieLandeslösung nur eine Identifizierungs-komponente hat, profitiert es vom Post-fach des Bürgerservice-Portals, das mit-genutzt wird. So kann beispielsweiseein bei der Stadt Bochum registrierterBenutzer mit den gleichen Zugangsda-ten auch ein Wunschkennzeichen beimKreis Lippe reservieren oder dort einFahrzeug online abmelden. Umzügeinnerhalb Nordrhein-Westfalens werdenkünftig ebenfalls leichter.

Servicekonto Hessen flächen-

deckend ausgerollt

Bereits seit 2018 macht das Service-konto Hessen Verwaltungsleistungenfür Bürger leichter zugänglich – dankeiner Länderkooperation zwischen Bay-ern und Hessen. Zunächst von Darm-stadt als erster Kommune genutzt,wurde es Anfang 2019 flächendeckendmit Online-Angeboten der Standesämterausgerollt. Nun können mehr als vierMillionen hessische Bürger Geburts-,Ehe- und Lebenspartnerschaftsurkun-den schnell und einfach online beantra-gen. Das Land Hessen beabsichtigt, das

Angebot künftig mit weiteren Online-Services auszubauen, um die Nutzernoch unabhängiger von Ort oder Öff-nungszeiten der Verwaltungsstellen zumachen. In einigen hessischen Groß-städten können auf diese Weise auchBewohnerparkausweise beantragt wer-den, Ähnliches ist im Bereich BAföG-Anträge vorgesehen.Die Softwarehäuser ekom21 und AKDBarbeiten hier eng zusammen: Das Service-konto Hessen wird von der ekom21betrieben, die AKDB liefert die erforderli-che Basistechnologie und steht derekom21 beratend zur Seite. „Die länder-übergreifende Zusammenarbeit vonAKDB und ekom21 ist eine Erfolgsge-schichte für funktionierendes E-Govern-ment in Deutschland. Bürgerkonto undPostfach der AKDB sowie Online-Servi-ces der ekom21 machen modernenBürgerservice möglich“, sagt RudolfSchleyer, Vorstandsvorsitzender derAKDB. Auch ekom21-GeschäftsführerBertram Huke freut sich: „Wir haben jetztdie Fachdienste im Bereich des Personen-standswesens flächendeckend im Ser-vicekonto Hessen ausgerollt. Ein wichti-ger Meilenstein, den wir damit gemein-sam mit der AKDB erreicht haben“.

eIDAS – sichere Authentifizie-

rung EU-weit

Zudem engagiert sich die AKDB dafür,dass E-Government nicht mehr an derGrenze endet. Die eIDAS-Verordnung derEU schaffte 2016 eine einheitliche Rege-lung für Online-Dienste. Bisher hatDeutschland als Erstes, danach Italien,Spanien, Kroatien, Luxemburg und Est-land die Notifizierung des elektronischenIdentitätsnachweises eID abgeschlossen.Seit September 2018 begann dieEU-weite Anerkennung notifizierterelektronischer Identifizierungssysteme.Konkret heißt das für deutsche Bürger,die einen Personalausweis mit eID-Funktion einsetzen: Alle anderen EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, ihreeigenen Verwaltungsverfahren für diedeutsche Online-Ausweisfunktion zuöffnen. Nun ist es theoretisch möglich,als deutscher Bürger in Italien oder Spa-nien ein Auto abzumelden oder eineMeldebescheinigung zu beantragen.Voraussetzung für diese „Freigabe“: hoheSicherheitsstandards bei der Authentifi-

zierungs-methode. Es muss also garantiertwerden, dass die allseits bekannte ErikaMustermann auch tatsächlich diejenigeist, für die sie sich ausgibt! Darum enga-gierte sich die AKDB im EU-Projekt TRE-ATS (TRans-European AuThentication Ser-vices) für eine prototypische eIDAS-Umsetzung, das heißt für eine entspre-chende Realisierung der notwendigenKomponenten und Dienste. Es gingdarum, für das Servicekonto der AKDBdie Prozesse für das Einlesen unterschied-licher nationaler eIDs und für das Spei-chern der Daten im Servicekonto zu ent-wickeln.Damit wollte man die Interoperabilität zueuropäischen eID-Infrastrukturen herbei-führen. Die AKDB verfolgte dabei denAnsatz, ohne vorherige Registrierungeines Servicekontos eine nationale eIDim Portalverbund auszuwählen. Getestetwurde der Prototyp bereits mit der öster-reichischen Bürgerkarte. Dabei stießendie Projektbeteiligten auf Herausforde-rungen jenseits der Technik: Die Anwen-dungen bzw. Fachdienste unterliegennämlich häufig einer Gesetzeslage, wel-che die eIDAS-Konformität noch nichtkannte. Wie soll man zum Beispiel mitfehlenden Attributen umgehen, die derMindestdatensatz einer eID nicht enthält?Müssen sie manuell nacherfasst werden?Das heißt: eIDAS hat Auswirkungen aufjedes Online-Behördenverfahren. Imnächsten Schritt werden nun die Anwen-dungen des Bayerischen PortalverbundseIDAS-fähig gemacht.

Fazit

Der Einsatz des interoperablen Service-kontos der AKDB ist ein bedeutenderSchritt bei der Umsetzung des Online-zugangsgesetzes. Mit der Bereitstellungin den drei Bundesländern Bayern, Hes-sen und Nordrhein-Westfalen könnenbis zu 37 Millionen Bürger in Deutsch-land dieses Konto als Online-Zugang zurVerwaltung nutzen. Auch der Bundwird das AKDB-Servicekonto zukünftigeinsetzen und die Verwendung auf EU-Ebene wird im Rahmen des TREATS-Projekts vorbereitet. Die positive Ent-wicklung im E-Government lässt unsoptimistisch nach vorne blicken.

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Onlinezugangsgesetz – Vorteile fürKommunen, Bürger und WirtschaftClemens Krüger, Leiter Geschäftsfeld E-Government, AKDB, München

Seit einem Jahr beschäftigt sich die AKDB intensiv mit der Umset-zung der Anforderungen aus dem Onlinezugangsgesetz (OZG),nämlich mit der umfassenden Online-Bereitstellung aller Verwal-tungsdienste. Nach dem Gesetz müssen alle Behörden von Bundund Ländern bis spätestens Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen,die auch über das Internet abgewickelt werden können, elektro-nisch über Verwaltungsportale anbieten und ihre Verwaltungspor-tale miteinander zu einem Portalverbund verknüpfen.

A us Sicht des Bundes ist neben derengen Zusammenarbeit von Bund,

Ländern und Kommunen die Arbeitstei-lung ganz entscheidend für eine erfolg-reiche Implementierung. Als Grundlagedafür hat der IT-Planungsrat den soge-nannten OZG-Umsetzungskatalog be-schlossen, der etwa 575 Verwaltungs-leistungen kategorisiert – und zwar inüber 50 Lebens- und Geschäftslagen injeweils 14 Themenfeldern. Der Katalogsoll kontinuierlich fortentwickelt undfür eine bessere gemeinsame Nutzungals interaktive Version realisiert werden.Themenfelder und Lebens- bzw. Ge-schäftslagen werden zur Bearbeitungverschiedenen Ländern übertragen. Inden Digitalisierungslaboren des Bun-des werden OZG-relevante Leistungenexemplarisch erarbeitet und allen Län-dern und Kommunen bereitgestellt.Zudem erfolgt eine Priorisierung derLeistungen bezüglich des Nutzens fürBürger bzw. Unternehmen, die sich aufdrei Quellen stützt: Top 100 Bürger-und Wirtschaft-Studie, einheitlicheBehördennummer 115 und das EU-Sin-gle Digital Gateway – ein zentralesZugangstor auf europäischer Ebene, dasdirekt auf die Angebote der nationalenPortale verlinkt, ähnlich wie der Portal-verbund in Deutschland.Das Problem an den Digitalisierungsla-boren ist, dass zum Teil bereits online

verfügbare Leistungen nochmals neuentwickelt werden, während gleichzei-tig aufgrund der großen Anzahl an Pro-zessen im OZG-Umsetzungskatalog eineviel zu geringe Zahl über diesen Wegumgesetzt werden kann. Die AKDB kon-zentriert sich deshalb darauf, Verwal-tungsvorgänge vorrangig zu digitalisie-ren, die für Bürger, Wirtschaft und Ver-waltung gleichermaßen den größtenEffekt erzeugen.

Online-Fachdienste der AKDB

Schon seit 2011 bietet die AKDB über dasBürgerservice-Portal eine Vielzahl anOnline-Verwaltungsprozessen, die vonden Kommunen entweder in Eigenver-antwortung oder aber im Auftrag der Lan-des- bzw. Bundesverwaltung erbrachtwerden. Mit diesen Fachdiensten sindKommunen bereits heute in der Lage,rund die Hälfte der kommunalen Prio 1und Prio 2 OZG-Leistungen zu bedienen.Hierzu zählen Leistungen wie zum Bei-spiel:

Meldebestätigung, Übermittlungs-sperren, Umzug innerhalb der Ge-meinde, Wohnungsgeberbestätigung,Statusabfrage Personalausweis, Brief-wahlunterlagenGeburts-, Heirats-, Lebenspartner-schafts- und SterbeurkundeKraftfahrzeugzulassung, -ummeldungund -abmeldung

allgemeine Fahrerlaubnis, internatio-naler Führerschein, Personenbeför-derungFeinstaubplakette, Bewohnerpark-ausweisStatusabfrage BauantragGewerbeanmeldung

Kennzeichnend für diese Fachdiensteist die medienbruchfreie Anbindung indie Fachverfahren der Verwaltungen.Antragsdaten werden so direkt in die IT-Anwendungen übernommen, ein manu-elles Einarbeiten der Daten durch Sach-bearbeiter entfällt. Zudem stellen dieseFachdienste oftmals umfassende Plausi-bilitätsprüfungen einschließlich Echt-zeitabfragen in das Fachverfahrenbereit. Auf diese Weise profitieren nichtnur Bürger und Wirtschaft von einermodernen und leistungsfähigen Kom-munalverwaltung rund um die Uhr.Auch Kommunen nutzen die Vorteiledurchgängiger elektronischer Verwal-tungsprozesse.Ein beeindruckendes Beispiel für diegelungene Digitalisierung von Verwal-tungsleistungen ist die Online-Beantra-gung von Briefwahlunterlagen, die fürden Wähler in Verbindung mit einerQR-Code-Funktion eine effektiveLösung mit hoher Akzeptanz darstellt.Hierbei beantragt der Wähler per Smart-phone seine Briefwahlunterlagen undder Antrag wird direkt an das Fachver-fahren übergeben. Dieser Fachdienstder AKDB verzeichnet von Wahl zuWahl eine Nutzungssteigerung um rund30 Prozent.Aber es gibt natürlich auch Verwal-tungsleistungen, die eher selten genutztwerden und die oftmals nicht über eineigenes Fachverfahren im Hintergrundverfügen. Hier lohnt es sich in der Regelnicht, aufwendige Online-Workflowsbereitzustellen. Dennoch sind auchdiese Leistungen im Rahmen des

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Onlinezugangsgesetzes sinnvoll zu digi-talisieren.Für derartige Leistungen steht mit demFachdienst Sicherer Dialog ein sehrbreit einsatzfähiges Tool zur Verfügung,das eine Vielzahl von Themen flexibelabbilden und bedienen kann. DerSichere Dialog ermöglicht die Kommu-nikation zwischen Bürger bzw. Wirt-schaft und Verwaltung sowie einesichere Authentifizierung des Absen-ders. In Verbindung mit der eID-Funk-tion des neuen Personalausweises istdie Kommunikation schriftformerset-zend. Die Antwort der Verwaltung wirdin das digitale Postfach des Nutzersgestellt. Zu den möglichen Kategorienzählen unter anderem das Ordnungs-,Sozial- und Schulwesen, die Sondernut-zung von Straßen oder das Gesundheits-zeugnis.

OZG-konformer Ausbau des

Bürgerservice-Portals

Als verlässlicher Partner der Kommunenist es klare AKDB-Zielsetzung, die Kom-munen fristgerecht mit einem Online-Angebot zu unterstützen – bis 2022 fürkommunale OZG-Leistungen – bezie-hungsweise in Bayern bereits bis 2020für alle Prio 1 und Prio 2 Leistungenmit kommunalem Bezug. Im Fokus ste-hen hier die hoch priorisierten OZG-Dienstleistungen und die von AKDB-Kunden bevorzugten Prozesse, in allerRegel also Dienste mit einer hohen Nut-zung. Der Ausbau des Fachdienste-Port-folios wird dabei auf unterschiedlicheWeise vorangetrieben.

Im Zuge der technologischen Umstel-lung des Bürgerservice-Portals auf dieneue Generation M werden gleichzeitigauch technische und fachliche Voraus-setzungen für eine schnelle Entwick-lung neuer, komplexer Fachdienstegeschaffen. Weniger anspruchsvolleVorgänge erlauben den Einsatz desSicheren Dialogs sowie Lösungen überFormularserver. Ob Prozess mit oderohne Anbindung an ein Fachverfahren,synchron oder asynchron, mit Online-Bezahlung oder ohne, mit Authentifizie-rung über eID oder andere Mittel – fürjeden Vorgang wird eine optimaleLösung gefunden.

Weitere Rahmenbedingungen

schaffen

Das OZG beinhaltet viele Pflichtenfür Bund, Länder und Kommunen,allerdings auch viele Chancen füreine beschleunigte Digitalisierung inDeutschland. Es geht hierbei nichtallein darum, die Dienste im Umset-zungskatalog abzuarbeiten. Vielmehrmüssen zusätzliche Rahmenbedingun-gen für eine zukunftsfähige Verwal-tung in der digitalen Welt geschaffenwerden.Ein konkretes Beispiel ist das seit lan-gem diskutierten Once-Only-Prinzip:Bürger und Unternehmen sollen für ver-schiedene Anliegen nicht immer wiederneu dieselben Daten einreichen müs-sen – eine einmalige Angabe soll genü-gen. Staatssekretär Klaus Vitt aus demBundesinnenministerium geht nocheinen Schritt weiter: „Once-Only ist die

Pflicht. Once-Only 2.0 ist die Kür (eGo-vernment Computing, 06/2018).“ Esgeht dabei darum, die Daten über denverwaltungsinternen Gebrauch hinauszu nutzen: „Wenn der Bürger zustimmt,werden die vorhandenen und qualitativhochwertigen Daten auch zum BeispielVertragspartnern des Bürgers zur Verfü-gung gestellt. Dann könnte ein Immobi-lienmakler oder eine Hausverwaltungseine Ummeldung nach einem Umzugübernehmen“, so Vitt weiter. Auf euro-päischer Ebene gibt es bereits entspre-chende Vorgaben zu diesen Diensten.In Deutschland setzt das eine neugestal-tete Registerlandschaft voraus, im Ein-klang mit dem Datenschutz.Wie geht es jetzt weiter mit dem OZG?Der Freistaat Bayern hat ein Förderpro-gramm für Online-Dienste im kommu-nalen Bereich angekündigt, um dasWeb-Angebot für Bürger und Wirtschaftin Bayern auszuweiten – eine Maß-nahme, die die AKDB ausdrücklichbegrüßt. Die Details sind derzeit nochnicht veröffentlicht (Stand Redaktions-schluss). Die AKDB geht davon aus,dass die Anbindung der vom Freistaatfinanzierten Basisdienste in die Online-Dienste sowie deren Einbindung insBayernPortal eine zentrale Rolle spielenwerden. Selbstverständlich wird dieAKDB ein entsprechendes Angebot anförderfähigen Fachdiensten bereitstel-len, um die Kommunen bestmöglich zuunterstützen.

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2556/2019 Der Bayerische Bürgermeister