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Die Dschungel-Armee

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Nr. 183Die Dschungel-ArmeeEr flieht in den Dschungel - und kehrt mit einer Armee zurückvon William Voltz

Seit dem 2. November 2328 kursiert die Nachricht vom Tode Perry Rhodans, Atlans und Reginald Bulls in derGalaxis. Die Unbekannten, die diese Meldung verbreiten, können auch mit Bildern von der völlig zerstörtenCREST, des ehemals stolzen Flaggschiffs der Solaren Flotte, aufwarten. In Terrania weiß man, daß sich diedrei wichtigsten Persönlichkeiten des Vereinten Imperiums zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich auf der CRESTaufhielten. Die Todesnachricht läßt sich nicht dementieren, denn die Verschollenen, die sich - wie die Leserwissen - im Gewahrsam des Obmannes von Plophos befinden, können kein Lebenszeichen übermitteln.Während die Galaktische Allianz sich langsam, aber unaufhaltsam aufzulösen beginnt und die Mitgliederdieses Bundes in zunehmendem Maße ihre eigenen Interessen verfolgen, gehen Allan D. Mercants Agentenjeder Spur nach. Selbst wenn der Weg sie in den sicheren Tod führt - sie erfüllen bis zur letzten Sekunde ihrePflicht!Ein weiterer Mann, der unter allen Umständen seine Pflicht erfüllt, ist Melbar Kasom, der ertrusischeUSO-Spezialist, der den Häschern des Obmanns entfliehen konnte.Melbar Kasom kommt jetzt nach Zentral-City zurück, um die Gefangenen zu befreien. Er kommt mit derDSCHUNGEL-ARMEE!

Die Hautpersonen des Romans:Melbar Kasom - Der Ertruser flieht in den Dschungel und kehrt mit einer Armee Zurück.Trat Teltak - Vormann von Greendoor.Perry Rhodan, Reginald Bull, Atlan und Andre Noir - Die Gefangenen von Central-City.Schwarzbart Breth - Anführer der Rebellen von Greendoor.Smitty - Ein Kontaktmann.Pearton - Er kennt den Weg in das Herz von Zentral-City.

1.

Die Tür sprang auf. Im Eingang standen zweibreitschultrige Männer mit verkniffenen Gesichtern.Sie hielten einen dritten Mann, der kaum nochaufrecht stehen konnte, unter den Schultern fest. Sielächelten, aber der blick ihrer Augen blieb kalt undprüfend. Der Mann, den sie festhielten, stöhnte leise.Er war hohlwangig. Seine Augen glänzten wie imFieber.

Die beiden, die ihn stützten, gaben ihm einen Stoß.Der Mann schrie auf und torkelte in das Zimmerhinein. Er drehte sich um die eigene Achse und brachzusammen.

Einer der Männer im Eingang lachte, als sei ersoeben Zeuge eines überaus lustigen Schauspielsgeworden. Hinter den beiden tauchte ein dritter Mannauf. Er blickte in den Raum hinein, schüttelte kurzden Kopf und trat durch die offene Tür.

Er schritt gleichgültig über den wimmernden Mannam Boden hinweg und blieb vor Perry Rhodanstehen. Dann blickte er kurz zurück.

»Schließt die Tür«, befahl er. Seine Stimme klangnicht unangenehm, aber sie drückte Gleichgültigkeitfür das Schicksal des Unglücklichen am Boden aus.

Atlan, Reginald Bull und Andre Noir lagen noch in

den schmalen Betten. Rhodan stand direkt vor demeinzigen Tisch im Zimmer. Er beobachtete die Szenegelassen, nichts deutete darauf hin, was in seinemInnern vorging.

Die beiden Breitschultrigen postierten sich nebender Tür. Lässig lehnten sie sich gegen die Wand.Doch ihre Blicke zeugten von gespannterWachsamkeit. Nichts entging ihnen. Sie waren durcheine harte Schule gegangen. Ihre einzige Aufgabebestand darin, das Leben des RegierendenMinisterpräsidenten des Eugal-Systems, IratioHondro, zu schützen. Doch Hondro war bereits nachPlophos abgeflogen.

Trat Teltak war Hondros Stellvertreter auf demPlaneten Greendoor. Er hatte die Aufgabe, sich umdie vier Gefangenen zu kümmern. Ein Teil vonHondros Leibwache war auf Greendoor geblieben,um das Leben Trat Teltaks zu schützen. Die Freundeeines Diktators sind ebenso gefährdet wie derDiktator selbst. Deshalb ging Teltak kein Risiko ein.Nie kam er allein, um mit den Gefangenen zusprechen. Trat Teltak grüßte Rhodan.

»Ich bin gekommen, um Ihnen etwas zu zeigen«,sagte er.

Rhodan schwieg. Es hatte wenig Sinn, mit einemPlophoser zu argumentieren. Die Nachkommenehemaliger terranischer Kolonisten waren von ihren

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Anschauungen so überzeugt, daß eine Diskussionausgeschlossen war.

Trat Teltak wandte sich von Rhodan ab undversetzte dem am Boden Liegenden einen heftigenTritt. Rhodans Gesicht verhärtete sich. Reginald Bullstieß eine leise Verwünschung aus. Unwillkürlichspannten sich die beiden Wächter an der Tür.

Teltak tat, als hätte er die Reaktionen derGefangenen nicht bemerkt. Wieder trat er nach demMann. Sein wehrloses Opfer wälzte sich herum. Inden Augen des Mannes loderten Haß und panischeAngst. Man hatte ihm die Uniform abgenommen undihn mit verwahrlosten Kleidern versorgt.

Teltak deutete mit dem Daumen auf ihn.»Das war einmal ein stolzer Mann, ein sehr stolzer

Mann«, sagte er befriedigt. »Er beging jedoch denFehler, den Obmann zu verraten.«

»Das ist nicht wahr«, stammelte der angeblicheVerräter. »Jiggers hat durch seine brutalenVerhörmethoden ein falsches Geständniserzwungen.«

Teltak lachte schallend. »Er glaubt, daß er sichnoch rechtfertigen könnte«, sagte er. »Er weiß, daß ernur noch Minuten zu leben hat.«

»Gebt mir die Injektion«, flehte der Mann. »Ichbin kein Verräter.«

Teltak schaute auf die Uhr über der Tür. Erumfaßte die Gefangenen mit einem Blick.

»Am ersten November terranischer Zeitrechnunghaben Sie ebenfalls das Gift bekommen«, erinnerte ersich. »Damit wollte der Obmann sichergehen, daßSie nicht die sinnlose Flucht in den Dschungel vonGreendoor wiederholen.«

Rhodan blickte ebenfalls zu der Uhr. Unter derZeiteinteilung zeigten zwei nebeneinanderliegendeLeuchttafeln das Datum von Greendoor und dasterranische Datum an.

Es war der 10. November 2328.Vor zehn Tagen hatte man ihnen das Gift

verabreicht. Es war die letzte Handlung des Obmannsvor seinem Abflug nach Plophos gewesen. Ihr Lebenwar nun in Hondros Hand. Wer eine Giftinjektionbekam, mußte spätestens nach vier Wochen dasAbsorberserum erhalten, um am Leben zu bleiben.Mit dieser Methode sicherte sich der Obmann die»Treue« seiner Gefolgsleute. Nur Hondro selbstkannte die Quelle, aus der er das Gift bezog. Dasmachte ihn zum Herrscher über Leben und Tod vonmehreren tausend Menschen.

Rhodan ahnte, daß Teltaks Opfer vor etwa vierWochen die letzten Gegeninjektionen erhalten hatteund nun unter Qualen sterben mußte, wenn nichtsgeschah.

»Dies ist eine Art Anschauungsunterricht«,erklärte Teltak ironisch. »Hier sehen Sie, wie esIhnen ergehen wird, wenn Sie es wagen, sich den

Plänen des Obmanns zu widersetzen.«Bully schnaufte heftig. »Wenn Sie denken, daß wir

vor Ihnen auf dem Boden kriechen, dann täuschenSie sich.«

»Ich werde Sie gelegentlich an diese Worteerinnern«, versprach der Vormann leidenschaftslos.

Dem Todgeweihten war es inzwischen gelungen,sich aufzurichten. Es schien, als sammelte seinvergifteter Körper die letzten Energien, um sich nocheinmal gegen das sichere Ende aufzubäumenUnwillkürlich wich Teltak einen Schritt zurück.

Die beiden Wächter stießen sich von der Tür abund beobachteten den Sterbenden.

»Teltak«, sagte dieser merkwürdig ruhig. »Ichweiß, daß auch Sie in regelmäßigen AbständenGegengift benötigen.«

»Na, und?« höhnte der Vormann. »Mich wird mannie in Ihre Lage bringen.«

»Eines Tages werden Sie Hondro unbequemwerden, Teltak«, prophezeite der ehemaligeLeibwächter. »Für solche Fälle hat der Obmann einenSpezialisten. Sie kennen ihn. Er heißt Jiggers. Wirnennen ihn Al. Der Giftzwerg preßt Sie aus wie eineZitrone Er holt ...«, das Gesicht des Mannes verfärbtesich. Rhodan wollte zu ihm, um ihn zu stützen, dochTeltak hielt ihn mit der ausgestreckten Hand zurück.

»Er holt alles aus Ihnen heraus« brachte derVergiftete mühsam hervor »Ich weiß, daß Siegenauso sterben werden wie ich, Tel ...« Er konnteden Namen nicht mehr vollenden. Sein Gesichtverzerrte sich. Seine Hände wurden zu Krallen, diezuckend nach Halt griffen.

Dann fiel er langsam zu Seile. Als er auf demBoden aufschlug, war er bereite tot. Die beidenWächter bewegten sich unruhig. Teltak wurdeplötzlich unsicher.

»Schafft ihn weg!« schrie er.Die roten Vs auf den Uniformjacken der

Leibwächter leuchteten im Licht der Deckenlampewie blutige Narben, als sie den Toten aufhoben.

»Sie kommen jetzt in andere Räume« sagte Teltakzu den Gefangenen. »Folgen Sie uns.«

»Einen Augenblick«, sagte Rhodan ruhig.Teltak fuhr herum Man sah ihm an, daß er mit

Schwierigkeiten rechnete. Man sah aber auch, daß ernur darauf wartete.

»Sicher wollen Sie erfahren, was wir von diesemSchauspiel gehalten haben?« erkundigte sich Rhodan.»Es war unmenschlich, Teltak. Deshalb wird einMensch nichts als Abscheu vor einer solchen Szeneund ihren Initiatoren empfinden.«

Teltaks Backenmuskeln traten hervor. Die Händeder Wächter schlossen sich über den Waffen. Teltakstarrte Rhodan an, aber dem durchdringenden Blickdes Terraners konnte er nicht lange standhalten.Atlan, Bully und Noir kletterten betont langsam aus

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ihren Betten. Keiner machte eine verdächtigeBewegung.

Teltak spürte, daß sich ihm keine Gelegenheitbieten würde, gegen die Gefangenen vorzugehen. Erwußte nicht genau, welche Pläne der Obmann mitdiesen Männern hatte. Es war deshalb gefährlich,wenn er sich zu einer unbedachten Handlunghinreißen ließ. Hondro hatte für unzuverlässigeMitarbeiter kein Verständnis.

»Los!« knurrte der Vormann harsch. »Nehmen SieIhre Sachen und verlassen Sie diesen Raum.«

*

Flankiert von zwei weiteren Wächtern die vor derTür gewartet hatten, folgten sie Trat Teltak zum Lift.Rhodan hatte allmählich den Eindruck, daß diePlophoser selbst nicht wußten, was mit denGefangenen geschehen sollte. Hondro schien keinenVertrauten zu haben, mit dem er alle Pläne besprach.Immer wieder war bei seinen Vertretern Unsicherheitzu bemerken.

Rhodan dachte daran, daß sie in ungefähr zwanzigTagen das Gegengift erhalten mußten. War dadurchnicht jeder Gedanke an eine nochmalige Fluchtausgeschlossen? Atlan hatte alle kühnen Pläne Bullysabgelehnt Der Arkonide stand auf dem Standpunkt,daß eine Flucht erst dann sinnvoll war, wenn es ihnengelang, in den Besitz des Gegenmittels zu kommen.

Rhodan erinnerte sich an Melbar Kasom. DerErtruser, der als einziger den Plophosern entkommenwar, hatte allem Anschein nach den Tod gefunden.Die Soldaten hatten ihn nicht fangen können. Kasomwar im mörderischen Dschungel von Greendoorverschollen. Hondro und seine Helfer hatten klar zumAusdruck gebracht, daß sie nicht daran glaubten, daßder USO-Spezialist noch am Leben sei.

Rhodan, den man nach der mißlungenen Fluchtzuerst wieder festgenommen hatte, glaubte ausAtlans Berichten entnehmen zu können, daß Kasomin der brennenden Drenhol umgekommen war, die inwilder Flucht vor HondrosFlammenwerfer-Mannschaften in den Dschungelgerast war.

Rhodan war nicht zum erstenmal inGefangenschaft. Er konnte sich jedoch nicht erinnern,daß man ihn jemals so lange hatte festhalten können.Immer wieder fragte er sich in stiller Verzweiflung,wie es um das Vereinigte Imperium stand. NachAussagen Hondros stand der endgültigeZusammenbruch bevor.

Es gab keinen Grund, die Worte der Plophoseranzuzweifeln. Das Verschwinden der mächtigstenMänner des Imperiums, Gerüchte und Bilder desvöllig zerstörten Flaggschiffes mußten genügen, umChaos über die Galaxis hereinbrechen zu lassen.

Genau das wollten die Plophoser erreichen.Was mochte im Gehirn eines Mannes vorgehen,

der sich nicht scheute, ganze Zivilisationen in denKrieg zu treiben, um an die Macht zu gelangen?

Unbewußt schüttelte Rhodan den Kopf. Nein, sodurfte er Hondro nicht beurteilen. Der Obmannträumte von Macht über die Galaxis, aber er fühltesich gleichzeitig zum Herrscher der Menschheitberufen. Das vergrößerte die Gefährlichkeit diesesMannes. Hondro konnte man nicht mit einem kleinenVerbrecher vergleichen, der sich widerrechtlich ineine ihm nicht zustehende Position drängen wollte.

Sich selbst sah Hondro wahrscheinlich als eine ArtNationalheros, als den Mann mit demFlammenschwert, der gekommen ist, um frischenSchwung in die Vorwärtsentwicklung derMenschheit zu bringen. Immer wieder hatte erRhodan und Atlan als konservative alte Männerbezeichnet, die nutzlose Überbleibsel einerVergangenheit waren, über deren VerhältnisseMänner wie Hondro nur mitleidig lachen konnten.

Einen Augenblick mußte Rhodan seineAufmerksamkeit auf den Lift konzentrierten. Teltakund einer der Wächter traten zuerst ein. Dann folgtendie Gefangenen. Zuletzt kam der zweite Wachter. Erließ die Tür hinter sich zugleiten und zog einekurzläufige Strahlenwaffe. Rhodan konnte einLächeln nicht unterdrücken. Wenn sie den Mannzwangen, die gefährliche Waffe innerhalb einesderart kleinen Raumes abzufeuern, würde er mitihnen den Tod erleiden.

Der Lift setzte sich in Bewegung. Teltak fühltesich offensichtlich nicht wohl in unmittelbarer Näheder gefangenen Gegner. Rhodans Vermutung, daßTeltak ein Feigling war, verstärkte sich.

Der Lift hielt an, und sie wurden hinausgetrieben.Sie überquerten einen großen, mit Teppichenausgelegten Raum. An den Wänden hingen Bilderberühmter plophosischer Pioniere. Ernst starrten dielängst verstorbenen Männer aus den kunstvollgearbeiteten Rahmen herab. Durch den 3-D-Effektsah es aus, als lebten sie. Keiner von ihnen hätte dasTreiben ihrer Nachkommen wohl gutgeheißen. Dochauch sie, die noch die Urwälder von Plophos gerodetund sumpfigen Boden urbar gemacht hatten, gehörtender Vergangenheit an.

Der gleichen Vergangenheit wie Rhodan undAtlan.

Früher oder später würde man diese Bilderwegnehmen. Man würde andere aufhängen. Bildervon Männern wie Hondro, Jiggers und Teltak.

Rhodan und Atlan wechselten einen kurzen Blick.»Es sieht so aus, als befänden wir uns hier im

vornehmen Teil des Regierungsgebäudes vonZentral-City«, bemerkte Bully sarkastisch. »Voneiner Kellerwohnung hierher, das will schon etwas

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bedeuten. Wir steigen im Wert.«Sie wurden in ein großes Zimmer gebracht. Durch

großzügig angelegte Fenster hatten sie Aussicht aufdie Stadt. Die Temperatur wurde von einerunsichtbaren Klimaanlage geregelt An diesen Raumschloß sich ein kleineres Zimmer an, dessenSchiebetür geöffnet war, so daß die Gefangenen diefür sie bestimmten Betten sehen konnten. DerWohnraum war luxuriös eingerichtet.

Teltak machte eine einladende Geste »DiesesAppartement wurde auf besonderen Wunsch desObmanns für Sie reserviert«, sagte er spöttisch »Siesollen sich auf Greendoor wohlfühlen und nichtsVermissen.«

Die Wächter kamen mit herein. Auf demgeschwungenen Tisch stand ein Projektionsgerät. DieLeinwand war auf der dem Schlafzimmergegenüberliegenden Wand angebracht. Auf einenWink Teltaks verdunkelten die Wächter den Raum.

»Ich habe einige interessante Aufnahmen für Sie«,sagte der Vormann. Er schaltete den Projektor ein.Für einen kurzen Augenblick geriet sein Gesicht inden Strahl der Leuchtröhre.

»Nehmen Sie doch Platz«, forderte er mitgespielter Höflichkeit auf.

Schweigend ließ sich Rhodan in einem dergepolsterten Pneumosessel nieder. Sofort paßte sichdas Polster seinen Körperformen an.

»lch werde Ihnen nun die neuesten Aufnahmen ausder Galaxis zeigen«, kündigte Teltak an. »UnserenAgenten ist es gelungen, an allen wichtigenSchauplätzen diese Bilder zu machen.«

Ein kaum hörbares Klicken kam vomProjektionsgerät Das erste dreidimensionale Bildwurde sichtbar. Rhodan erblickte einen ausgedehntenRaumhafen. Auch ein Laie hätte sehen können, daßhier der Start einer großen Flotte von Kriegsschiffenvorbereitet wurde. Die Raumschiffe zeigtenKugelform.

»Das ist ein Teil der plophosischen Streitmacht«,erklärte Teltak. »Die Schiffe sind startbereit. SobaldHondro den Befehl zum Losschlagen gibt, werdendiese Verbände in den Raum rasen. Doch dieses Bildist bei allen Kolonialvölkern gleich. Alle autonomenSysteme wittern eine Chance, die eigene Macht zufestigen und vielleicht zu vergrößern. GroßeVerbände durchstreifen den Raum.«

Teltak zeigte ihnen mehrere Dutzend Aufnahmen,aus denen eindeutig hervorging, daß die Wirrnisseinnerhalb des Imperiums in kurzer Zeit zur Anarchieführen mußten. Schon waren heftige Raumschlachtenentbrannt. Niemand richtete sich noch nach denBefehlen, die Rhodans Vertreter, Mercant und JulianTifflor, an die einzelnen Planeten richteten. Mit demscheinbaren Ende Rhodans hatte das VereinigteImperium zu existieren aufgehört.

Dadurch entstand für die Plophoser eine denkbargünstige Position. Da Hondros Männer über allesinformiert waren, mußten sie nur auf den geeignetenZeitpunkt warten. Rhodan war längst überzeugt, daßdie Plophoser die gefährlichsten Gegner waren, diejemals das Imperium bedroht hatten.

»Ich hoffe, diese Vorführung hat Sie allebeeindruckt«, sagte Teltak. »Es wäre schade, wennSie nicht die Konsequenzen aus den Tatsachenziehen würden. Arbeiten Sie mit uns zusammen, wieHondro es vorgeschlagen hat, dann werden Sie amLeben bleiben.«

»Wie soll diese Zusammenarbeit aussehen?«erkundigte sich Atlan.

Teltak nahm das Gerät vom Tisch. Die Wächterließen die Jalousien aufgleiten. Der Vormannblinzelte in der plötzlichen Helligkeit.

»Darüber wird Sie der Obmann nochunterrichten«, sagte Teltak ausweichend.

Er winkte seinen Männern und verließ mit ihnenden Raum. Bully blickte sich mißtrauisch um.

»Abhöranlagen, Mikrophone, Bildübertragung undalles, was dazugehört«, sagte er zornig.

»Das glaube ich nicht«, widersprach Rhodan.»Wenn Hondro verschiedene Dinge erfahren will,dann braucht er nur diesen Jiggers auf unsloszulassen. Weder Hondro noch Teltak wird uns fürso naiv halten, daß wir in einem Zimmer wie diesemüber wichtige Geheimnisse reden.«

»Perry hat recht«, stimmte Atlan zu »Ich möchtebehaupten, daß wir hier in Jeder Beziehung ungestörtbleiben. Die größte Sicherheit des Obmanns, daß wiruns nicht gegen ihn stellen, liegt in der Tatsachebegründet, daß wir auf das Gegengift angewiesensind. Es bleibt uns keine andere Wahl, als uns denWünschen Hondros zu fügen.«

Atlans Worte waren bittere Wahrheit. Hondrohatte Greendoor ohne Sorgen verlassen können.Ohne daß er sich um die Gefangenen kümmerte,wußte er, daß sie in seiner Hand waren.

»Dieser Teltak ist ein ziemlich labiler Bursche«,bemerkte Andre Noir, der lange Zeit geschwiegenhatte.

Rhodan verstand sofort, was Noir gemeint hatte.»Das hätten Sie nicht versuchen sollen«, sagte er

zu dem Hypno. »Die Plophoser sind über IhreFähigkeit unterrichtet. Sobald Sie nur den geringstenparanormalen Impuls spüren, sind Sie ein toter Mann,Andre.«

Der Mutant breitete seine Hände aus. In diesemprunkvollen Zimmer wirkte er wie einGeschäftsmann, dem gerade ein guter Handelgelungen war.

»Ich bin schließlich kein Anfänger, Chef«,bemerkte er trocken. »Als sich Teltak ganz auf densterbenden Plophoser konzentrierte, tastete ich mich

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ganz behutsam in das Willenszentrum seines Gehirnsvor. Auch ein Mensch mit feiner ausgeprägtenSinnen als der Vormann hätte diesen Kontakt nichtspüren können.«

»Auf diese Weise können Sie ihn aber niemalsrichtig packen«, sagte Rhodan.

»Wenn nichts dazwischenkommt, habe ich in dreibis vier Wochen einen Hypnoblock in ihm errichtet,ohne daß es ihm bewußt wird.«

Atlan lächelte mitleidig. »Drei bis vier Wochen?Um Himmels willen. Noir was kann bis dahin allesnoch geschehen.«

Noir verteidigte sein Vorhaben. Inzwischen warRhodan aufgestanden und zum Fenster gegangen.Unter ihm breitete sich Zentral-City aus, einegewaltige Stadt aus Stahl. Glas, Beton und Plastik.Überall schwirrten Fluggleiter zwischen denGebäuden herum. Auch auf den Straßen herrschtestarker Verkehr. Im Hintergrund sah Rhodan denOzean. Auf der anderen Seite, für ihn unsichtbar,lagen der Dschungel und das Hochgebirge, die dieHauptstadt von Greendoor umschlossen. Es schien,als sei Zentral-City von Fesseln umgeben. Und dochbreitete sich diese Stadt immer weiter aus.

Ringsum dröhnten ununterbrochen dieFlammenwerfer, zischten pausenlos dieSäurespritzen. Meter um Meter rangen die Plophoserdem Urwald an Boden ab.

Rhodan preßte beide Hände gegen die kühlenScheiben. Er fühlte sich seltsam eingeengt. Vielleichtberuhte das auf der Wirkung von Hondros Gift. Erglaubte, sein Blut in den Fingerspitzen pulsieren zufühlen. Jedesmal, wenn das Herz schlug, pumpte esdas tödliche Gift durch die Adern seines Körpers.

Im Hintergrund hörte er noch immer NoirsStimme, der Atlan seine Pläne erläuterte. Rhodankonnte sich nicht erinnern, jemals soniedergeschlagen gewesen zu sein.

Sie lebten nur noch auf Abruf.Und Iratio Hondro, der Diktator der Plophoser,

war der Mann, der das entscheidende Wort sprechenkonnte, wann immer er wollte. Rhodan spürte dieLast von über dreihundert anstrengenden Jahren.

Alles in diesem Universum ging einmal zu Ende.Auch das Leben eines Unsterblichen.

2.

Melbar Kasom erwachte von einem seltsamenGeräusch, das wie fernes Gewehrfeuer klang. Erfragte sich, wie es überhaupt möglich war, daß erinnerhalb dieses schwankenden Baumes, der mitunglaublicher Geschwindigkeit durch den Dschungelstampfte eingeschlafen war. Vielleicht lag es an derSäure, die die Pflanze versprüht hatte die vor ihm indieser Aushöhlung des Riesenbaumes gelebt hatte.

Kasom hatte das Gewächs nach kurzem, aberheftigem Kampf getötet.

Er schüttelte sich, um einen klaren Kopf zubekommen. Das Schaukeln und Vibrieren hatteaufgehört. Die Drenhol war zum Stehen gekommen.Durch die Öffnung in ihrem Stamm drang beißenderQualm.

Kasom fuhr hoch. Seine Erinnerung kehrtevollständig zurück Es fiel ihm ein, daß die Plophoserden Baum in Brand geschossen hatten, bevor diesemdie Flucht gelungen war.

Das vermeintliche Gewehrgeknatter war nichtsanderes als das Prasseln der Flammen. Ächzend kamKasom auf die Beine und arbeitete sich bis zu demLoch vor, durch das er hereingekommen war.

Rings um die Drenhol schienen noch anderePflanzen zu brennen, denn es wurde zunehmendheißer. Der Rauch war so dicht, daß Kasom kaumEinzelheiten erkennen konnte. Er hatte sich unterhalbder Öffnung einen Hügel gebaut, so daß er ohneAnstrengung hinausblicken konnte.

Hustend zog er sich von dem Eingang derBaumhöhle zurück. Die Drenhol war offensichtlichbereits soweit abgebrannt, daß sie nicht weitervorankam. Wahrscheinlich hatten längst alle mit ihrin Symbiose lebenden Pflanzen ihre sonst so sicherenPlätze verlassen. Nur er, Kasom, hockte nochinnerhalb des Stammes und schwebte in Gefahr, beilebendigem Leibe geröstet zu werden.

Der Ertruser war kein Mann, der im Augenblickdrohender Gefahr die Nerven verlor. Ruhig begann erseine Lage zu überprüfen. Er zweifelte nicht darandaß die weitverzweigten Wurzeln des Baumes inFlammen standen. Das bedeutete, daß sich rings umdie Drenhol ein brennender Kranz zog, der nurschwer zu überwinden sein würde. Innerhalb desStammes schien im Augenblick noch der sicherstePlatz zu sein. Das konnte sich allerdings raschändern. Kasom mußte damit rechnen, daß dieFlammen durch die Öffnung hereinschlugenAußerdem konnte es geschehen, daß der Stammeinfach in sich zusammenrutschte und Kasom untersich begrub.

Wie er seine Aussichten auch betrachtete,besonders erfreulich sah es nicht für ihn aus. DerBaum knackte und ächzte, die Peitschenäste, dienoch nicht dem Brand zum Opfer gefallen waren,trommelten gegen den ausgehöhlten Stamm. DieDrenhol befand sich in Agonie.

Die Luft innerhalb der Höhle wurde schlechter.Mit tränenden Augen drang Kasom abermals bis zurÖffnung vor. Unbeschreiblicher Lärm drang an seinGehör. Der gesamte Dschungel schien in Aufruhr zusein. Mit Mißbehagen dachte Kasom daran, daß ihnder schwerverletzte Baum wahrscheinlich tief in denWald geschleppt hatte.

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Der Rauch stach ihm in die Lungen. Er packte mitbeiden Händen den Rand des Spaltes und zog sichhoch. Glühende Hitze schlug ihm entgegen.Widerlicher Gestank verpestete die schon unternormalen Umständen übelriechende Luft desDschungels.

Kasom hing quer im Eingang der Baumhöhle, alsder Stamm unter ihm nachgab. Er war unterhalb derWurzeln bereits so weit abgebrannt, daß KasomsKörpergewicht genügte, um ihn endgültig zumEinsturz zu bringen.

Kasom spürte, wie sich der Überrest der einstriesigen Drenhol zur Seite neigte Er kniff die Augenzusammen, um in den Rauchschwaden etwas sehenzu können, doch der Boden unter ihm war eineundeutliche Masse ohne feste Konturen. Er konntenicht einfach hinabspringen So blieb ihm nichtsanderes übrig, als sich festzuklammern.

Er schnappte nach Luft. Irgendwo brach ein Astab. Einer der letzten Peitschenarme der Drenholstreifte Kasoms Körper. Der Ertruser fühlte, wie derSchmerz, den die Dornen auf seiner Hautverursachten, bis zur Unerträglichkeit zunahm.Verzweifelt hielt er sich fest. Der Stamm, oder das,was noch von ihm übrig war, kippte weiter zur Seite.Der mit Dornen bewehrte Ast pendelte wieder anKasom vorbei, doch diesmal berührte er den Ertruserkaum. Der Schmerz in Kasoms Rücken ließ nach. Erwürgte nach Luft. Er glaubte, daß er in wenigenAugenblicken ersticken würde.

Da zerbarst die untere Hälfte des Stammes.Flammen schlugen bis zu Kasom empor undversengten seine Haut. Ohrenbetäubender Lärm kamaus der Tiefe. Der Teil des Baumes? an den sichKasom klammerte, wurde zur Seite katapultiert.Krachend löste sich die äußere Schale derAushöhlung vom Rest des Stammes. Kasom verlordas Gleichgewicht. Er schloß die Augen. Sein Mundwar vollkommen ausgetrocknet, seine Zungeangeschwollen.

Er spürte, daß er fiel. Aber er hatte keine Zeit sichdarüber Gedanken zu machen, denn fast im gleichenAugenblick erfolgte der Aufprall. Kasom gab einendumpfen Laut von sich. Er wurde einige Meterdavongeschleudert und landete auf dem Rücken. DasPrasseln der Flammen war noch immer ingefährlicher Nähe. Kasom öffnete die Augen undsah, daß er durch die Trümmer der Drenhol krochDer Qualm war so dicht, daß er kaum drei Meter weitsehen konnte. Auf Händen und Knien bewegte ersich weiter fort. Gierige Schlingpflanzen, bereits inFlammen stehend, versuchten ihn festzuhalten. Halbblind und völlig erschöpft riß sich derUSO-Spezialist los. Hinter ihm, im Zentrum desBrandes, war eine tobende Hölle. Kasom biß dieZähne aufeinander. Seine Sichellocke, auf die er so

stolz war, schien halb abgesengt zu sein. SeineKleider, die bereits durch die Flucht aus denAbwässerkanälen von Zentral-City gelitten hatten,wiesen große Brandlöcher auf.

So schnell er konnte, bewegte sich Kasom vomHerd des Feuers hinweg. Erleichtert atmete er auf, alsder Rauch sich lichtete. Er taumelte in eineAnsammlung kleinerer Büsche hinein und ließ sicheinfach niedersinken. Im Augenblick war er zuerschöpft, um irgend etwas zu tun. Er starrte zurDrenhol hinüber, aber es waren nur noch brennendeWurzeln und Bruchstücke des Stammesübriggeblieben. Kasom wußte, daß er an diesem Platznicht sicher war. Das Feuer konnte sich ausbreiten.Außerdem mußte er jetzt wieder mit Angriffen durchdie zahllosen Mordpflanzen rechnen, die in ihm einwillkommenes Opfer sehen würden.

Sein Herzschlag begann sich zu beruhigen. Diestrapazierten Lungen atmeten allmählich wieder imgewohnten Rhythmus. Kasom untersuchte dieGewächse, zwischen denen er sich niedergelassenhatte. Die Stengel sahen dick und wie mit einem Pelzbewachsen aus. Kasom brach ohne zu zögern einenab und preßte Flüssigkeit aus ihm heraus. Prüfendließ er sie über die Hände laufen. Sie ätzte nicht.Kasom rieb sein trockenes Gesicht damit ein. Erwagte nicht von der Flüssigkeit zu trinken. Gründlichuntersuchte er seine Verletzungen. Den Umständenentsprechend hatte er das Ende der Drenhol gutüberstanden.

Kasoms Gedanken begannen sich intensiver mitder Zukunft zu beschäftigen. Er war irgendwoinmitten des Dschungels von Greendoor. Allein undunbewaffnet Das bedeutete, daß er nur wenigAussichten besaß, Zentral-City jemals lebend zuerreichen. Jeder Schritt, den er in diesem Waldmachte, konnte sein letzter sein.

Ganz in der Nähe standen unbeweglich einigeDrenhols. Es sah nicht danach aus, als wollten sie ihnangreifen. Doch die Riesenbäume waren sicher nichtdie einzigen Gegner, mit denen er hier zu rechnenhatte Kasom richtete sich auf und band die Überresteseiner Kleidung notdürftig zusammen. Erkontrollierte den Mikrogravitator. Das Gerätfunktionierte noch, aber es war sinnlos, es innerhalbdes Dschungels einzuschalten. Hier konnte er keinegroßen Sprünge machen Er beschloß, die erhöhteSchwerkraft in diesem Fall als einen Vorteilanzusehen Wenn er zur Flucht gezwungen wurde,konnte er sich immer noch anders entscheiden.

Hatte es überhaupt einen Sinn, wenn er versuchte,sich durch den Dschungel zu kämpfen? Er wußtenicht, in welcher Richtung Zentral-City lag. DasLicht der Doppelsonne reichte nicht aus, um dasdichte Dach des Waldes zu durchdringen Kasomhatte keine Möglichkeit für eine sichere Orientierung.

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Da fiel ihm ein, daß die brennende Drenhol eineeinigermaßen gut zu erkennende Spur hinterlassenhaben mußte. Auf diese Weise konnte es ihmgelingen, in die Nähe der Hauptstadt von Greendoorzurückzukehren.

Kasom arbeitete sich zwischen den niedrigenPflanzen hindurch. Er hatte vor, den Brandplatz zuumgehen und den Weg zu suchen, den sich dersterbende Baum durch den Dschungel gebahnt hatte.Einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, sicheiner Drenhol zu nähern, um von ihr Hilfe zu erhaltenEs war jedoch ungewiß, wie der Baum reagierenwürde.

Kasom hatte noch nicht zehn Meter zurückgelegt,als vor ihm ein breites Gitter auf den Boden fiel undauf ihn zukam Das Gitter ähnelte einemüberdimensionalen Rechen, nur standen die einzelnenZinken dichter beieinander und waren aus Holz.Kasom blieb verwirrt stehen. Hinter sich hörte er einKratzen im Boden. Et fuhr herum und sah einweiteres Gitter, das sich ihm von hinten näherte.Beide hingen an biegsamen Ästen, die zu einemgedrungenen Baum hinführten. Doch es war keinBaum, wie Kasom gleich darauf erkannte Es schiensich um eine riesige Wurzel zu handeln. Innerhalbder Wurzel hatte sich eine Pflanze niedergelassen, dienun ihre Fanggitter nach ihm auswarf. Die Höhedieser lebendigen Fallen betrug fast zehn Meter.

Noch sah Kasom keine besondere Gefahr. Erkonnten jederzeit zur Seite ausweichen Mißtrauischbeobachtete er die beiden Gitter. Als sie schnellerzusammenrückten, bewegte er sich seitwärts.

Doch die Pflanze, die in der hohlen Wurzel lebte,reagierte schneller, als Kasom erwartet hatte. Ausdem Hintergrund schnellte ein drittes Gitter heran. Eslegte sich horizontal über die beiden anderen, so daßeine Art vielschneidige Riesenschere entstand.Kasom mußte sich bücken, um nicht vom oberenGitter getroffen zu werden. Da bogen sich die beidenFallen links und rechts von ihm an den Endenzusammen Kasom war gefangen.

Lauernd blickte er sich um. Die Pflanze hatte keineMöglichkeit, ihn zu ihrem Zentrum zu transportieren,denn sobald sie ihre Fangäste anhob, konnte er unterihnen durchschlüpfen. Ein Blick nach oben ließ denErtruser jedoch erschauern. Unterhalb des Gitterswuchsen Hunderte von Dornen aus dem Holz. DieFalle würde sich tiefer und tiefer auf ihn herabsenkenund ihn aufspießen. Dieser Vorgang hatte bereitsbegonnen. Kasom blieb nichts anderes übrig, als sichauf die Knie sinken zu lassen.

Hastig kroch er zum seitlichen Gitter und packtedie Stäbe. Es gelang ihm nicht, sie zu zerbrechen. Siewaren zäh und biegsam, aber er konnte sie nicht weitgenug auseinanderdrücken, um seinen mächtigenKörper zwischen ihnen hin durchzuschieben.

Er hörte das Reiben der Hölzer gegeneinander. DieGitter verspannten sich so ineinander, daß Kasombezweifelte, daß sie sich jemals wieder lösenkonnten. Er verwünschte seinen Leichtsinn. Eineschnellere Flucht in seitlicher Richtung hätte ihn inSicherheit gebracht.

Wieder kam das obere Gitter ein Stuck tiefer.Kasom spürte die Dornen im Nacken. Sie waren spitzwie Pfeile und hart wie Metall. Sie widerstandenKasoms Versuchen, sie abzubrechen.

Kasom konnte sich nicht länger auf den Knienhalten. Er mußte sich auf den Bauch legen, um sichnoch ungehindert bewegen zu können. Sofort rücktedie Pflanze ihre Fangvorrichtungen weiterzusammen. Der Ertruser überlegte fieberhaft. Wenner hier nicht schleunigst herauskam, war ihm der Todsicher.

Gegen die teuflische Methode der Pflanze konnteer nichts unternehmen. Er robbte auf dem Baucheinige Meter weiter. Da stieß er auf eine große, halbverfaulte Frucht von fast einem Meter Durchmesser.Kleinere Schmarotzer hatten sich auf ihrniedergelassen. Kasom überwand seinen Ekel undpackte die Frucht mit beiden Händen. Sie wogbestimmt einen Zentner, doch für den ertrusischenRiesen war sie leicht. Mit einem Ruck stemmteKasom die Frucht in die Höhe und trieb sie in dieDornen des Fallgitters hinein.

Die Pflanze reagierte sofort. Mit einerGeschwindigkeit, die Kasom für unmöglich gehaltenhätte, löste sich das obere Gitter und schnellte mit derFrucht davon.

Der USO-Agent wartete nicht darauf, daß er erneuteingeschlossen wurde. Er sprang hoch und stürmtezwischen den seitlichen Gittern hinaus. Derdavongeschnellte Ast machte mit der Frucht oberhalbder Wurzeln halt. Kasom sah, wie sich der Ast zueinem engen S krümmte. Dann fiel die verfaulteFrucht mit einem Platscher in die Wurzel hinein. EinSchmatzen und Knirschen wurde laut das KasomsNackenhaar aufsteigen ließ. Er konnte sich gutvorstellen, was ihm widerfahren wäre wenn er sichnicht durch diesen Trick hätte befreien können.

Kasom sah seine Lage jetzt noch kritischer alszuvor. Er hatte noch nicht einmal die Brandstellehinter sich gebracht und war nur mit knapper Mühedem Tod entronnen. Was mochte ihm erst auf einemMarsch nach Zentral-City bevorstehen?

Kasom war realistisch genug, um dieUnmöglichkeit seines Vorhabens einzusehen. Ermußte versuchen, mit einer Drenhol Verbindungaufzunehmen. Noir hatte bewiesen, daß diese Bäumezumindest einen gewissen Instinkt besaßen und aufparanormale Kontakte ansprachen. Kasom war keinMutant, aber da er seither nicht wieder von einerDrenhol angegriffen worden war, konnte er

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annehmen, daß das von Noir herbeigeführte Bündnisnoch immer bestand.

In unmittelbarer Nähe des Ertrusers wuchs eineDrenhol mit weitausladenden Wurzeln. Sie schienerst vor kurzer Zeit einen längeren Weg zurückgelegtzu haben. Unsicher steuerte Kasom auf denRiesenbaum zu. Er wußte, wie gefährlich diedornenbewehrten Peitschenäste waren. Wenn dieDrenhol nach ihm schlug, half ihm auch seineSchnelligkeit nicht mehr. Kasom geriet in dieReichweite der Tentakel. Der Baum blieb jedochruhig. Er schien die Anwesenheit des Fremden nichtzu bemerken. Kasom hielt an. Er suchte eine Öffnungdurch die er in das Innere des Stammes kriechenkonnte. Jede Drenhol besaß mehrere solcherAushöhlungen. Die bis zu zweihundert Meter hohenBäume lebten mit unzähligen anderen Pflanzen inSymbiose. Dafür waren diese Hohlräume vorhanden.Kasom ahnte, daß ihm wiederum eine harteAuseinandersetzung mit einem »Untermieter«bevorstand, wenn er in eine der Höhlen kriechenwollte.

Kasom schwang sich auf die erste Wurzel hinauf,ohne dabei belästigt zu werden. Er ging bis zumStamm weiter und stützte sich mit den Händen aufder riesigen Oberfläche.

Einige Meter weiter sah Kasom eine Öffnung, indie er bequem eindringen konnte. Allerdings hingeneinige schleimige Wedel daraus hervor, die nichtgerade verlockend aussahen. Der Ertruser ahnte, daßdiese Auswüchse zu einer Pflanze gehörten, die sichinnerhalb des Baumes niedergelassen hatte. DieseFangarme dienten dazu, unvorsichtige Opfereinzufangen.

Die Wedel waren nur armdick, aber sehr zahlreich.An ihren Spitzen waren sie gespalten und nahmendadurch die Form einer Zackenkrone an. Sie warendunkelblau gefärbt, so daß Kasom vermutete, daß essich um Blüten handelte. Das besagte allerdingsnicht, daß der Bewohner der Höhle harmlos war.Kasom riß einen kleinen Ast ab und berührte damitvorsichtig einen der Wedel. Der Ast klebte fest.Kasom zog daran, der Saugarm pendelte in seineRichtung, doch der Ast ließ sich nicht mehr lösen.Die Wedel waren mit einer klebrigen Flüssigkeitbehaftet, die offenbar ungewöhnliche Eigenschaftenbesaß.

Kasom beschloß sein Glück an einer anderenStelle des Stammes zu suchen. Er wanderte über diedicken Wurzeln weiter. Die nächste Öffnung, diesichtbar wurde, lag wesentlich tiefer als die zuerstentdeckte. Trotzdem bot sie genügend Platz, um denErtruser einzulassen. Erleichtert stellte Kasom fest,daß hier kein Bewohner sein »Aushängeschild«zeigte. Trotzdem mußte er vorsichtig sein. Erkletterte auf der Wurzel hinab und blickte in das

Loch hinein. Im Innern des Stammes war es sodunkel, daß er kaum etwas sehen konnte. Er glaubteein leises Knistern zu hören, als raschele irgendwoPapier, doch das konnte auch von der Drenhol selbstherrühren.

Der Ertruser gab sich einen Ruck. Er durfte nichtlänger zögern. Hier draußen war er ständig in Gefahr.Wenn er erst in der Aushöhlung weilte, konnte ernoch immer nach einer Verständigungsmöglichkeitsuchen.

Er bückte sich und zwängte sich durch das Loch.Diesmal fiel er nicht in die Tiefe. Etwa einen Meterunterhalb des Loches war bereits fester Boden.Kasom wurde nicht angegriffen Er atmete erleichtertauf. Langsam drang er tiefer in seinen neuenSchlupfwinkel vor. Plötzlich hatte er das Gefühl,nicht allem zu sein. Er lauschte nervös. Seineüberreizten Nerven spielten ihm einen Streich. Erhatte sich so auf eine Abwehr konzentriert, daß dasAusbleiben eines Angriffs ihn nun völlig verwirrte.

Kasom hörte nichts als seinen stoßweisen Atemund das Schlagen seines Herzens. Er redete sich ein,daß kein Grund zur Beunruhigung bestand. Er konntejedoch nicht verhindern, daß wirre Gedanken durchseinen Kopf jagten.

Er wandte sich um und blickte zurück zurÖffnung.

Im gleichen Augenblick preßte sich ein harterGegenstand in seine Seite. Kasom erstarrte und hieltden Atem an.

»Wer immer Sie sind« sagte eine harteMännerstimme. »Bewegen Sie sich nicht, oder ichbrenne Ihnen ein Loch in den Bauch.«

3.

Der Himmel über Zentral-City warwolkenverhangen. Die Stadt war jetzt ein grauesLabyrinth von Gebäuden, Hochstraßen Tunnels unddüster emporragenden Gerüsten, Regen trommeltegegen die große Scheibe. Die Klimaanlage innerhalbdes Raumes surrte kaum hörbar. Ein frischer Geruchlag in der Luft. Unter dem Fenster standen drei Vasenmit großen, vielfarbigen Blumen. Warme, indirekteBeleuchtung erfüllte das Zimmer mit behaglichemLicht.

Hier schien alles geschaffen zu sein, um unter denBewohnern Zufriedenheit hervorzurufen.

Doch die vier Männer, die diesen Raumbewohnten, waren alles andere als zufrieden.

Andre Noir hatte sich in den Schlafraumzurückgezogen, um allein zu sein. Er wollte denparanormalen Kontakt zu Trat Teltak nicht verlieren.Reginald Bull und Atlan saßen am Tisch und spieltenSchach. Bully lag bei der laufenden Partiehoffnungslos im Hintertreffen. Das lag nicht an

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seinen mangelnden spielerischen Qualitäten, sondernan der mangelnden Konzentration.

Perry Rhodan hatte sich einen Sessel ans Fenstergeschoben. Seit Stunden saß er schweigend da undblickte auf die Stadt hinaus. Seine Augen waren halbgeschlossen.

Bully stieß seinen König um und stand mit einemRuck auf. Atlan lehnte sich in seinem Sessel zurück.

»Ich gebe auf«, knurrte Bully. »Ich muß ständig andieses verdammte Gift denken.«

Er ging quer durch den Raum und wollte die Türöffnen. Sie war jedoch verschlossen. Ein Plophoseröffnete und blickte zu ihnen herein.

»Nein!« rief Bully aufgebracht, bevor der Mannnoch etwas sagen konnte. »Wir haben keinenbesonderen Wunsch.«

Der Wächter zuckte mit den Schultern und zogsich zurück. Die Tür wurde wieder verschlossen.

»Eingesperrt -- trotz des Giftes«, murmelte deruntersetzte Terraner.

Rhodan löste seine Blicke von der Stadt undwandte sich zu seinem alten Freund um. Bullybetrachtete ihn angriffslustig, als erwarte er, einenStreit anfangen zu können.

»Setz dich hin Dicker«, forderte Rhodan Bully auf»Selbst bei unverschlossenen Türen wäre es eineVerrücktheit, aus diesem Raum auszubrechen.«

»Ihr habt eure Energie verloren«, warf ihm Bullyvor. Sein strafender Blick bezog Atlan mit ein. »NurNoir und ich versuchen noch, uns gegen dasVorhaben der Plophoser aufzulehnen. Man könnteglauben, daß euch diese Injektion gelähmt hat.«

»In gewissem Sinne hat sie das schon«, gab derArkonide ZU. Mit ruhigen Bewegungen sammelte erdie Schachfiguren ein und legte sie in den Kastenzurück.

»Mich nicht!« behauptete Bully böse. »Ich binnoch immer bereit, eine nochmalige Flucht zu wagen,ganz gleich, wie sie enden mag. Wir haben nichts zuverlieren.«

Atlan schlug den Deckel des Kastens zu.»Richtig«, stimmte er zu. »Aber alles, was wir nochgewinnen können, befindet sich hier - hier inZentral-City. Schon deshalb wäre eine Fluchtunsinnig.«

»Kommt zum Fenster!« rief Rhodan dazwischenund sprang auf.

Ein kleiner Fluggleiter hatte sich demRegierungsgebäude genähert und schwebteunmittelbar vor dem Fenster des luxuriösenGefängnisraumes. Durch die regenüberströmteKuppel war das vor Anspannung verzerrte Gesichteines Mannes zu erkennen.

Atlan und Bully tauchten neben Rhodan auf.»Hoffentlich rammt er nicht die Scheibe«, flüsterte

Bully.

Der Gleiter bewegte sich unsicher wie ein Blatt imWind. Er hüpfte vor dem Fenster auf und ab, trieb zurSeite und kam wieder zurück. Dann begann der Pilotihnen zuzuwinken. Er war ein großer Mann miteinem breiten Mund und langen Haaren, die imNacken zu einem Zopf geflochten waren. Er trugeinen einfachen Überhang.

»Er will etwas von uns«, sagte Rhodan gepreßt.»Er gibt uns ein Zeichen.«

»Wir müssen das Fenster öffnen«, sagte Atlanschnell.

Sie begannen die Öffnungsvorrichtung zu suchen.Doch es schien, als existiere diese überhaupt nicht.Der Raum war nach allen Seiten abgeschlossen.

Der Mann im Gleiter deutete nach unten. Er wollteihnen irgend etwas klarmachen.

»Er muß verrückt sein«, meinte Bully.Da rasten von oben drei andere Gleiter heran.

Rhodan sah, daß die Besatzungen dieser FlugzeugeUniformen trugen. Auch der geheimnisvolle Fremdehatte diese Annäherung bemerkt. Er kümmerte sichnicht länger um die Gefangenen. Mit wahnsinnigerBeschleunigung schoß er davon. Wie Raubvögelzischten die Verfolger hinter ihm her.

Gespannt beobachteten die drei Männer die Jagd.Der kleinere Gleiter hatte keine Chance. Erverschwand in einer einzigen Explosion. Eine dunkleRauchwolke bildete sich am Himmel.

»Sie haben ihn einfach abgeschossen«, murmelteRhodan erschüttert.

»Was bedeutet das?« fragte Bully verwirrt. »Werwar dieser Mann?«

Die drei Gleiter, die ihr Vernichtungswerk beendethatten, kehrten zum Regierungsgebäude zurück. Sieschwangen sich zum Dach hinauf, wo sie stationiertwaren.

»Der Fremde wollte etwas von uns, das steht fest«,sagte Rhodan. »Die führenden Männer vonGreendoor waren jedoch nicht damit einverstanden,daß ihm der Kontakt mit uns gelang.«

Wenige Augenblicke später kam Teltak herein. Erwirkte erregt. Auch ihn schien dieses Ereignisüberrascht zu haben. Er erschien in Begleitungzweier Wächter, die ihre Waffen schußbereit hielten.

»Wenn sich wieder ein Verrückter hier sehen läßt,muß ich Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit in andereRäume bringen«, verkündete der Vormann. »Siehaben gesehen, wie groß der Haß unter derBevölkerung gegen Sie ist.«

»Haß?« wiederholte Rhodan spöttisch. »DieserMann, den Sie brutal töten ließen, hatte nicht dieAbsicht, gegen uns vorzugehen. Ich bezweifle auch,daß die Einwohner von Zentral-City von unseremHiersein wissen.«

Teltak ging zum Fenster. Er sah wie ein müderalter Mann aus. Alle Grausamkeit schien von ihm

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abgefallen zu sein. Doch als er sich umwandte,glitzerten seine Augen bösartig.

»Er hätte das Fenster zerschossen und Sie getötet«,behauptete er. »Sie verdanken es nur dem raschenEingreifen der Polizeigleiter, daß Sie noch am Lebensind.«

»Ich glaube Ihnen nicht«, sagte Rhodan gelassen.»Ich bin überzeugt, daß der Fremde einerWiderstandsgruppe angehört. Der Obmann hatnaturgemäß politische Feinde. Dieser Mann war einervon ihnen. Er interessierte sich dafür, wen Hondro indiesem Raum festhält.«

Trat Teltak grinste. »Denken Sie, was Sie wollen«,knurrte er. Er winkte den Wächtern und ging wiederhinaus. Kaum hatte er die Tür hinter sichgeschlossen, als Andre Noir aus dem Nebenraumkam. Die Augen des Hypnos brannten.

»Ich erwische ihn«, sagte er ruhig. »Ich versprechees - ich erwische ihn.«

4.

Ein Guß eiskalten Wassers hätte keineverheerendere Wirkung auf Melbar Kasom habenkönnen als die Stimme eines Mannes, der ihm inInterkosmo Bewegungslosigkeit befahl. Mit allemhatte der Ertruser gerechnet, aber niemals damit,inmitten des Dschungels auf einen Menschen zustoßen. So blieb er ruhig stehen, schockiert wieniemals zuvor in seinem ereignisreichen Leben.Allmählich erst wurde er sich bewußt, daß es derLauf einer Waffe war, der sich ihm in die Seitepreßte.

Jetzt konnte er den anderen Mann atmen hören.»Wer sind Sie?« fragte der geheimnisvolle

Bewohner der Baumhöhle.Kasoms Lippen lösten sich, aber er war noch zu

verwirrt, um irgend etwas hervorzubringen. Erspürte, wie der Druck der Waffe nachließ und dannganz aufhörte. Schritte wurden laut. Der Unbekanntezog sich zum anderen Ende der Höhle zurück.

»Los!« ordnete er an. »Sprechen Sie schon. Ichkann Ihren Körper gut erkennen. Er zeichnet sich vorder hellen Öffnung ab. Keine Tricks also.«

Kasom zwang sich zu ruhiger Überlegung. Derandere mußte ihn schon längere Zeit beobachtethaben, sonst wäre er nicht so gut vorbereitetgewesen. War er einer von Hondros Männern, der esebenfalls verstand, mit den Drenhols umzugehen?

»Mein Name ist Kasom«, sagte Kasom schließlich,um den Gegner nicht zu reizen.

»Kasom«, wiederholte der andere nachdenklich.»Ich habe gesehen, daß Sie aus der brennendenDrenhol geflüchtet sind. Sie sind kein Plophoser.«

»Nein«, gab Kasom zu.»Sie sind humanoid«, stellte der Mann sachlich

fest. »Ihre Urahnen waren Terraner. Woher kommenSie?«

Befriedigt registrierte Kasom, daß er sich jetztschnell beruhigte. Der Unbekannte redete mit ihm -und wer sprach, der schoß nicht. Im Augenblickkonnte er also wieder hoffen.

»Ich bin Ertruser«, berichtete er. »Ich komme vonZentral-City.«

»Sind Sie ein Hondro-Anhänger?«Irgendwie schien diese Frage besonders

bedeutungsvoll zu sein. Kasom spürte förmlich, wieder Mann im Hintergrund der Höhle auf seineAntwort lauerte. Jetzt durfte er keinen Fehlerbegehen.

»Das kommt darauf an«, sagte er vorsichtig.Der Mann stieß einen kräftigen Fluch aus. »Auf

jeden Fall sind Sie keiner von Schwarzbarts Leuten«,sagte er zufrieden. »Breth würde nie einen so starkenMann neben sich dulden. Wahrscheinlich kommenSie tatsächlich von Zentral-City und sind ein AgentTeltaks, oder sogar ein persönlicher Beauftragter desObmanns.«

Wer zum Teufel, ist dieser Breth? fragte sichKasom unsicher.

»Ich habe wichtige Informationen für Hondro«,erklärte der Fremde. »Ich habe bisher mitSchwarzbart Breth zusammengearbeitet.« Er fluchteschon wieder. »Doch jetzt habe ich die Nase voll. Ichwerde Breths Lager auffliegen lassen. Er hat michlange genug schikaniert.«

»Da sind Sie bei mir gerade richtig«, sagte Kasommit Nachdruck.

Plötzlich war die Höhle mit Licht erfüllt. DerUnbekannte richtete den Strahl eines Scheinwerfersdirekt auf Kasoms Gesicht. Geblendet schloß derUSO-Spezialist die Augen. Er hörte den anderen leiselachen.

»Sie sehen nicht gerade gepflegt aus, Kasom.«Kasom hörte Mißtrauen aus der Stimme. Er durfte

den ehemaligen Anhänger von Schwarzbart Brethnicht unsicher werden lassen.

»Das würde Ihnen ebenso ergehen, wenn Sie denDschungel in einer brennenden Drenholdurchstreifen«, sagte er mürrisch.

»Ich heiße Denner«, stellte sich der andere vor.»Ich bin aus dem Lager des Schwarzbarts geflohen.Bringen Sie mich nach Zentral-City, damit ich Teltakeine Geschichte erzählen kann.«

»Ich bin völlig erschöpft, Denner«, murmelteKasom schwerfällig. »Ich hatte einen Zusammenstoßmit Breths Männern.«

Der Schein der Lampe strich über ihn hinweg.Dann schaltete Denner das Licht wieder aus. Erschien nicht mehr daran zu zweifeln, in Kasom einenVerbündeten zu haben.

»Legen Sie sich hin«, sagte er zu dem Ertruser.

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»Ich werde ihnen etwas zum Essen machen, währendSie sich ausruhen. Ich kann die Drenhol auch inBewegung setzen.«

Dieser Vorschlag erschien Kasom wie einGeschenk des Himmels. Denner leuchtete in eineEcke der Höhle, die er mit Blättern ausgepolsterthatte. Überhaupt war der natürliche Raum in einemsauberen Zustand, ein sicheres Zeichen dafür, daßsich Denner schon längere Zeit innerhalb desStammes aufhielt. Kasom ließ sich auf dem Lagernieder. Längst hatte Denner seine Waffe eingesteckt.Jetzt hätte ihn Kasom leicht erledigen können, docher war auf den Plophoser angewiesen. Denner schienzu wissen, wie man eine Drenhol behandeln mußte.Mit Denners Hilfe konnte er Zentral-City erreichen.Dann war immer noch Zeit, um den anderen zuüberwältigen.

Kasom streckte sich und holte tief Atem. Schnellerals erwartet hatte er einen sicheren Platz gefunden.Zum erstenmal dachte er wieder an Rhodan und dieanderen drei Männer, die nun wieder Gefangene desObmanns waren.

Kasom wußte, wie gering die Chance war, denFreunden zu helfen, aber er beschloß, alles zuversuchen, um sie zu befreien.

Denners Stimme unterbrach seine Gedankengänge.»Ich verlasse jetzt die Höhle«, sagte der Plophoser.

»Ich hole uns etwas zum Essen. Ich bin gleichzurück.«

Kasom brummte zustimmend, und wälzte sich aufdie Seite. Er schlief sofort ein. Er fand jedoch keinenfesten Schlaf. Träume plagten ihn, in denenabwechselnd Rhodan, Atlan, Noir und Al Jiggerserschienen. Schließlich kehrte Denner zurück, undKasom erwachte vom Lärm, den der Plophoser dabeimachte.

Denner schaltete das Licht em. Triumphierendhielt er zwei dicke Früchte über Kasoms Lager.Denner war ein verwahrlost aussehender Mann, miteinem dünnen, hellblonden Bart und einerTätowierung auf der Brust. Er hatte kleine, blaueAugen, deren Ränder entzündet waren. Seine Kleiderbestanden nur aus Fetzen. Er machte trotzdem einenausgeruhten und kräftigen Eindruck.

Denner zog ein Messer aus dem Gürtel, dernachlässig um seine Hüfte hing und vonPflanzenfasern zusammengehalten wurde. Geschicktschnitt er beide Früchte auf und trennte sie in vierTeile. Den Saft fing er in einem halbrunden Gefäßeiner aufgeschlagenen Fruchtschale, auf.

»Trinken Sie!« forderte er Kasom auf.Kasom trank. Der Fruchtsaft schmeckte bitter,

hatte aber eine erfrischende Wirkung. Denner sahihm grinsend zu. Er wartete, daß Kasom fertig wurdeund überreichte ihm dann Stücke der eigentlichenFrucht.

Im Gegensatz zum Saft war das Fleisch süßlich.Ein öliger Saft quoll daraus hervor. Kasom aß beideFrüchte und lehnte sich dann behaglich zurück. Erwar todmüde.

»Glauben Sie, daß Hondro mich straffreidavonkommen läßt?« fragte Denner sorgenvoll. DerPlophoser hatte jedes Mißtrauen verloren und hieltKasom für einen Agenten des Obmanns.

»Sicher«, meinte Kasom schläfrig. Er schloß dieAugen und stellte sich schlafend. Es war zugefährlich, sich mit Denner auf ein Gespräch überIratio Hondro einzulassen. Kasom wußte über denRegierenden Ministerpräsidenten desEugaul-Systems überhaupt nichts - und Dennerwußte sicher eine ganze Menge.

Nach einer Weile schlief der Ertruser ein. Ererwachte von einem seltsamen Pfeifen. Sofort wurdeer hellwach. Es war dunkel. Durch die Öffnung fielnur wenig Licht, so daß er nicht erkennen konnte,was innerhalb der Höhle geschah. Kasom spürte, daßder Stamm schwankte. Die Drenhol hatte also ihrenfesten Platz verlassen und wanderte durch denDschungel.

Kasom richtete sich auf.»Denner!« rief er leise.Das Pfeifen verstummte. Kasom hörte, wie sich

jemand bewegte. Dann wurde es hell. Er sah denPlophoser inmitten des Raumes stehen. Sein Gesichtzeigte einen mürrischen Ausdruck. Er hielt eineselbstgefertigte Holzflöte in der Hand.

»Schlafen Sie immer tagelang?« erkundigte sichDenner.

Kasom klopfte die Blätter von seinem Körper undstand auf. Er fühlte sich frisch und ausgeruht. SeinMagen meldete sich. Er entdeckte, daß Denner einigeFrüchte für ihn vorbereitet hatte. Schweigend beganner zu essen.

Denner spielte einen Augenblick auf derprimitiven Flöte, dann steckte er sie weg. Kasomfühlte, daß der Mann sehr nervös war, und er wurdesofort mißtrauisch.

»Sie reden nicht viel«, bemerkte Denner.»Das hat man mir schon als Kind beigebracht«,

erwiderte Kasom gleichgültig. »Vieles was man sagt,wird von anderen falsch ausgelegt. Dadurch ergebensich Schwierigkeiten, die man durch Schweigen hättevermeiden können.«

»Feiner Lebensgrundsatz«, höhnte Denner. »Siesind wohl ein Mann mit Prinzipien, Ertruser?«

Kasom nickte und biß ein gewaltiges Stück auseiner der Früchte heraus. Ruhig kaute er daraufherum. Denner fing an, in der relativ engen Höhle aufund ab zu gehen. Er paßte seinen Körper dabei denSchwankungen des Riesenbaumes an.

»Gehören Sie zu Hondros Spezialtruppe?« fragteDenner nach einiger Zeit.

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Kasom spuckte einen Kern vor Denners Füße undgab ein grunzendes Geräusch von sich. Da wurdeDenner ärgerlich.

»Noch habe ich Sie in der Hand!« schrie erwütend. »Fangen Sie nicht an, sich aufzuspielen.«

»Ich gehöre zu Jiggers' Männern«, sagte Kasommit vollem Mund. Er hoffte, daß er Denner mit dieserMitteilung beruhigen konnte. Jiggers war eineundurchsichtige Persönlichkeit. Kasom nahm an, daßkein Plophoser viel über den kleinen Agenten wußte.

Denner unterbrach seine Wanderung. In seinemGesicht spiegelte sich die Angst, die die Nennungvon Jiggers' Namen in ihm hervorgerufen hatte.

»Jiggers«, murmelte er vor sich hin. »Al Jiggers.«»Er kann sehr großzügig sein«, beeilte sich Kasom

zu versichern. Er hatte kein Interesse daran, voneinem Mann, der plötzlich seine Meinung geänderthatte, mit dem Strahler bedroht zu werden.

In den folgenden Stunden versank der Plophoser inSchweigen. Er hockte sich in einer Ecke nieder undbrütete mit offenen Augen vor sich hin. Kasomschlief immer wieder ein. Draußen herrschte jetzt eineigenartiges Zwielicht. Greendoor besaß eineEigenrotation, aber da der Planet eine extremeUmlaufbahn um die Doppelsonne beschrieb, wurdees in verschiedenen Teilen dieser Welt niemalsrichtig Nacht. Die Sonne hing dann wie einerlöschender Feuerball flach über dem Horizont. Fürdie Augen eines Beobachters auf Greendoorbeschrieb sie eine beinahe wellenförmige Bahn.

Längst hatte Kasom herausgefunden, daß Dennerkein sehr intelligenter Mann war. Der Plophoser warein Mann, der in einer Schwarzweißwelt lebte, in deres keine Farbschattierungen gab. Hatte er vorherbedingungslos zu Schwarzbart Breth gehalten - werimmer das war-, so schien er jetzt nichts dabei zufinden, seinen ehemaligen Chef an Hondro zuverraten. Denner war ängstlich, aber im stillen hoffteer wahrscheinlich auf eine Belohnung.

Melbar Kasom war in einen leichten Schlummergefallen, als ihn Denner am Arm rüttelte. In derBaumhöhle war es dunkel. Kasom wurde soforthellwach. Er spürte Denners Unruhe.

»Wachen Sie auf!« flüsterte Denner. »Wir sind inGefahr.«

»Was ist passiert?« dröhnte der Ertruser.Denner versuchte ihm seine schmale Hand auf den

Mund zu pressen. »Hören Sie um Himmels willenauf zu schreien!« stieß er hervor. »Dort draußenschleichen Breths Männer herum. Wenn sie unsfinden, sind wir verloren.«

Kasom wurde munter. Er stieß Denner von sichweg und ging zur Öffnung. Eine fahle Dämmerunghatte sich im Dschungel ausgebreitet. Kasom sahkeinen einzigen Menschen. Ganz in der Nähe hieltensich einige Drenhols auf.

»Sie sehen Gespenster«, knurrte Kasom undwandte sich wieder ab.

Denner stürzte sich förmlich auf ihn. Er zitterte vorAngst.

»Sie stecken in den Bäumen«, sagte er. »Deshalbkönnen Sie auch immer wieder Hondros Männernentkommen. Sie haben ein Bündnis mit denDrenhols.«

»Die Bäume dort draußen sehen aus wie alleanderen«, meinte Kasom.

»Sie umzingeln uns«, sagte Denner weinerlich.»Sie wissen, daß ich hier bin.«

Er zerrte die kleine Strahlwaffe hervor und machtesie schußfertig. Kasom blickte wieder ins Freie.Diesmal sah er, daß Denner sich nicht getäuschthatte. Aus den dort draußen versammelten Bäumenkletterten zerlumpte Gestalten. Bärtige, verwildertaussehende Männer mit blitzenden Waffen in denHänden, kamen über die ausladenden Wurzeln derDrenhol heran.

»Die Neutralisten«, wimmerte Denner.Kasom wußte nicht, wie er sich jetzt verhalten

sollte. Noch war nicht sicher ob die Männerüberhaupt von ihrer Anwesenheit wußten Es schiensich um eine Widerstandsgruppe zu handeln. Kasomstellte sachkundig fest, daß die Bewaffnung dersogenannten Neutralisten hochmodern war. ImGegensatz zu ihrem räuberischen Aussehen schienendiese Männer viel Zeit zur Pflege ihrer Waffen zuverwenden. Das allein schon deutete darauf hin, daßsie ihre Waffen auch benutzten - oder zumindest dieAbsicht hatten, es in naher Zukunft zu tun.

Denner verlor die Nerven und beschwor eine Kriseherauf. Er gab einen Schuß aus seiner Strahlwaffe aufeinen der Neutralisten ab. Doch er hatte so starkgezittert, daß der Mann nicht getroffen wurde.Kasom warf noch einen letzten Blick hinaus, sah, wiedie Männer in Deckung sprangen, dann begann er zuhandeln. Er verspürte wenig Lust, für DennersDummheit mit dem eigenen Leben zu bezahlen. Erpackte den Plophoser am Hals und zog ihn vomBoden hoch. Denner japste, würgte nach Luft undließ die Waffe vor Schreck fallen. Kasom schwenkteihn wie einen nassen Lappen herum.

»Wir ergeben uns!« brüllte er durch die Öffnung.»Laßt uns herauskommen.«

Die Lautstärke seiner Stimme schien einen derNeutralisten so zu verwirren, daß dieser einen Schußauf die Drenhol abgab. Kasom glitt in Deckung.

»In Ordnung«, klang dann eine Stimme auf.»Kommt ins Freie.«

Kasom schob Denner vor sich her durch das Loch.Denner schnaufte und stöhnte. Er machte keineAnstrengung, sich von Kasoms Griff zu befreien. DieNeutralisten tauchten aus ihren Deckungen auf. Siehielten ihre Waffen schußbereit. Kasom, der genau

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wußte, welche Wirkung seine Erscheinung immerwieder auslöste, winkte den anderen friedfertig zu. Erstieß Denner unsanft vor sich her.

Die Drenhol hatten sich auf einer Art Lichtung mitniedrigem Pflanzenwuchs versammelt. Die Bäumebildeten einen Ring um die Männer und verhindertensomit jeden Angriff von anderen Pflanzen. Etwadreißig Widerstandskämpfer erwarteten Kasom undDenner.

Kasom ließ Denner los, der in die Knie sank undsein Unglück verwünschte.

Ein großer Mann mit einem wallenden schwarzenBart trat vor. Kasom ahnte, daß dies SchwarzbartBreth war, der Anführer der Neutralisten. Breth waraußergewöhnlich muskulös, er hatte einen breitenNacken. Sein Kopf erschien im Verhältnis zumübrigen Körper klein, aber Kasom sah sofort, daß ereinen intelligenten Mann vor sich hatte.

Breth ging bis zu Denner und hob ihn auf. Er tatdas mühelos, als sei der Verräter ein kleines Kind.Schweigend starrte er Denner in die Augen. Kasomempfand Mitleid mit seinem seitherigen Gefährten,aber es wäre zwecklos gewesen, ihm jetzt nochhelfen zu wollen.

Schwarzbarth Breth gab Denner einen Stoß, daßdieser rückwärts taumelte. Einige von BrethsMännern fingen ihn auf und hielten ihn fest.

Nun richtete der Neutralistenführer seineAufmerksamkeit auf Kasom.

»Ich hatte nicht gedacht, daß Sie noch am Lebensind, Melbar Kasom«, sagte er. Seine grauen Augenschienen bis ins Innerste des Ertrusers blicken zuwollen. Kasom wußte genau, daß der andere ihn mitder Nennung des Namens verwirren wollte. Brethschien gut informiert zu sein.

Kasom zuckte mit den Schultern »Ich wunderemich selbst darüber«, sagte er trocken.

Einen Augenblick verschwanden die winzigenLachfältchen um Breths Augenwinkel. Kasom sahunbarmherzige Kälte in den Augen des anderen. EineWarnglocke schlug in seinen Gedanken an.Schwarzbart Breth verfolgte andere Ziele als Hondro,was aber nicht bedeutete, daß sie unbedingt sauberersein mußten.

»Wie kommen Sie mit Denner zusammen?« fragteBreth.

Kasom machte eine weitausholende Geste. »SagenSie Ihren Männern, daß sie ihre Waffen einsteckensollen. Ich rede nicht gern unter solchen Umständen.Es sieht so nach einem Verhör aus.« Bei den letztenWorten lächelte er unschuldig.

»Wer in einer Lage wie der Ihren nochForderungen stellt, ist ein Narr«, stellte Breth fest.

Kasom grinste unbeeindruckt. Ein sicheres Gefühlsagte ihm, daß von den Neutralisten im Augenblickkeine Gefahr drohte. Er mußte sich von Anfang an

behaupten, wenn er sie für seine Zwecke einsetzenwollte.

Ruhig deutete er auf den Dschungel. »Ich bin oftdem Tod entronnen«, erklärte er. Er sprachabsichtlich laut, damit ihn auch die Männer desSchwarzbarts verstehen konnten. »Eine HandvollWaffen kann mich nicht erschüttern, Breth.«

Mit einer Handbewegung veranlaßte Breth seineMänner, die Waffen zu senken. Denner wurdegefesselt.

»Was geschieht mit ihm?« erkundigte sich Kasom.»Er wird den Tod aller Verräter sterben«,

versicherte Breth.Kasom hatte kein Verlangen danach, zu erfahren,

wie dieser Tod aussah. Er war sich darüber im klaren,daß diese Männer harte Gesetze geschaffen hattenNur dann konnten sie am Leben bleiben. In diesemmörderischen Dschungel durfte es keine Schwachegeben.

Bereitwillig berichtete Kasom nun demNeutralistenführer von seiner Flucht und demZusammentreffen mit Denner. Breth unterbrach ihnauch dann nicht, wenn er bei seinen Schilderungenkleinste Ereignisse berichtete.

Als Kasom erwähnte, daß er vorhatte, Rhodan unddie anderen Gefangenen zu befreien, lächelte Brethmitleidig.

»Zentral-City wird von einem Ring ausFlammenwerfern, Säuresprühern undHochspannungssperren umgeben«, sagte er. »Da gibtes für einen einzelnen kein Durchkommen.«

»Ich könnte versuchen, durch die Abwasserkanälein die Stadt zu gelangen«, meinte Kasom.

Breth schüttelte nachdrücklich den Kopf. »BeiHondro gelingt jeder Trick nur einmal«, sagte er.»Sie haben nur dann eine Chance, wenn wir Sie beider Vorbereitung einer Flucht unterstützen.«

Kasoms Herzschlag beschleunigte sich. DerGedanke, an der Spitze einer Gruppe entschlossenerMänner einen Handstreich gegen Zentral-City zuführen, erschien ihm durchaus erfolgversprechend.

»Rhodan, Atlan, Reginald Bull und der Mutantsind noch am Leben«, erklärte Breth. »Hondro hältsie im Regierungsgebäude gefangen. Der Obmann istinzwischen wieder nach Plophos abgeflogen. TratTeltak, der Vormann von Greendoor, hat nun denBefehl übernommen. Teltak ist ein Feigling, aber erist raffiniert. Eine Befreiung wird nicht einfach sein.«Breth verzog das Gesicht. »Außerdem ist es nochfraglich. Ob Ihre Freunde daran interessiert sind, eineFlucht durchzuführen.«

»Was?« entfuhr es Kasom. »Wie meinen Sie das?«»Rhodan, Atlan und Bull haben inzwischen von

Hondro die gleichen Giftinjektionen erhalten wiebereits Andre Noir«, verkündete Breth. »Wenn sieam Leben bleiben wollen, müssen sie in der Nähe des

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Obmanns sein, denn nur er kann ihnen in Abständenvon vier Wochen das Gegengift spritzen lassen. EineFlucht würde einem Selbstmord gleichkommen.«

Diese Nachricht war für Kasomniederschmetternd. Er zweifelte nicht daran, daß derNeutralist die Wahrheit gesprochen hatte. Esentsprach durchaus den Gepflogenheiten desObmanns, sich die wertvollen Gefangenen auf dieseunmenschliche Weise zu sichern.

Kasom war ratlos. Irgendwie schien Breth seineHilflosigkeit zu spüren.

»Sie dürfen trotzdem nicht aufgeben«, sagte er.»Wir werden versuchen, daß wir uns in den Besitzdes wichtigen Serums bringen können. Auf jeden Fallsollten Sie Ihre Freunde zunächst einmal befreien,alles andere überlassen Sie uns.«

Breth schien von einer solchen Flucht bereits festeVorstellungen zu haben. Kasom vermutete, daß dieNeutralisten in die Städte auf Greendoor, vor allemjedoch in Zentral-City, Agenten eingeschleust hatten.

Kasom hatte weitere Fragen, doch Breth lehnte esab, zusätzliche Auskünfte zu geben.

»Wir kehren in unser Hauptlager zurück«, sagte erzu dem Ertruser. »Danach werden wir uns mit IhrenPlänen befassen.«

Kasom sah ein, daß es wenig Zweck hatte, denNeutralisten zu drängen. Schwarzbart Breth schien esnicht eilig zu haben. Die Männer verschwanden inden Bäumen. Kasom folgte Breth. Nachmehrstündigem Marsch durch den Dschungelerreichten sie das Lager der Neutralisten.

Melbar Kasom hatte nicht damit gerechnet, eine sogut organisierte Ansiedlung vorzufinden, wie er sieerblickte, als er aus der Drenhol kletterte. DelDschungel war auf einer ausgedehnten Flächegerodet worden. Das Lager selbst wurde vonDrenhols umgeben, deren Aufgabe es war, einneuerliches Vordringen des Waldes zu verhindern.Das eigentliche Dach des Dschungels hatte man nichtzerstört, so daß sich über der Siedlung ein riesigesnatürliches Zelt spannte. Die Besatzungen derFluggleiter, die es wegen der Gefährlichkeit derPflanzen nicht wagen konnten, tief über dem Wald zufliegen, hatten so keine Möglichkeit, das Lager zuentdecken. Die Neutralisten hatten sich gegen jedeOrtung zusätzlich abgesichert.

Kasom sah primitive Gebäude, die ausschließlichaus Material gebaut waren, das der Dschungel bot.Der Ertruser schätzte, daß in dieser Ansiedlungmindestens fünfzehnhundert Menschen Platz hatten.

Schwarzbart Breth ließ dem USO-SpezialistenZeit, sich die Umgebung zu betrachten. Einige Metervon ihnen entfernt wurde der unglückliche Dennerdavongeschleppt und in ein flaches Gebäude gezerrt.

»Lassen Sie sich nicht durch Äußerlichkeitenverwirren«, sagte Breth. »Unsere Ausrüstung kann

sich überall sehen lassen. Es wird Sie interessieren,daß wir Hyperfunkgeräte zur Verfügung haben.«

»Geben Sie mir Gelegenheit, einen Funkspruchabzusetzen«, sagte Kasom sofort. »Ich könnte Hilfevon der Flotte herbeirufen.«

Berth lachte kurz auf. »Nein«, widersprach er.»Wir werden Ihnen bei der Flucht Ihr er Freundehelfen, aber ansonsten unsere eigenen Pläneweiterverfolgen. Dazu gehört nicht, daß hier einVerband der Flotte auftaucht.«

Kasom gab es auf. Aus Breths Worten war zuerkennen, daß sich der Widerstandskämpfer nichtumstimmen lassen würde. Vielleicht gab es spätereine Möglichkeit, an das Hyperfunkgerätheranzukommen.

Breth packte Kasom am Arm. »Kommen Sie«forderte er den Ertruser auf. »Ich werde Sieherumführen.«

Überall, wo sie auftauchten, wurde SchwarzbartBreth ehrerbietig begrüßt. Er verfügte über großeAutorität. Das Waffenarsenal der Neutralisten warbeträchtlich.

»Trotzdem ist unsere stärkste Waffe derDschungel«, sagte Breth stolz. »Die Drenholsverfügen über eine schwache Intelligenz. DieseRiesenbäume haben längst erkannt, daß die großenStädte eine Gefahr für ihre Rasse darstellen. DieDrenhols leben mit unzähligen kleineren Pflanzen inSymbiose.«

»Wie ist es Ihnen gelungen, Kontakt mit ihnenaufzunehmen?« erkundigte sich Melbar Kasom.

»Wir sind ebenfalls eine Symbiose mit denDrenhols eingegangen«, erklärte Breth. »Das klingtunwahrscheinlich, beruht aber, wie Sie selbst gesehenhaben, auf Wahrheit.« Er zog eine kleine Holzflötehervor, wie sie bereits Denner verschiedentlichgespielt hatte.

»Die Verständigung wird mit diesen Flötengewährleistet«, sagte Breth. »Sie sind aus dem Holzvon Drenholwurzeln geschnitzt. Ein verstorbenerBiologe, der den Neutralisten angehört, fand heraus,wann die Drenhol zu wandern beginnen. Die Bäumereagieren auf Geräusche des Windes, auf die Töneder Luft, die überall im Dschungel zu hören sind.Viele natürliche Feinde der Drenhols sind stark vomKlima abhängig, also waren die Riesenbäumegezwungen, sich ebenfalls an diesen Klimarhythmusanzupassen, wenn sie in dem gigantischen Kampf desWaldes nicht unterliegen wollten. So lernten dieDrenhols, aus dem Summen des Windes eineklimatische Veränderung zu erkennen. Jeder Ton warfür sie wie eine Alarmanlage, manchmal gab esEntwarnung, aber sehr oft wurden die Bäume auchgewarnt. Dann begannen sie zu wandern. DieseFähigkeit haben wir uns zunutze gemacht. Wirkönnen mit verschiedenen Pfeiftönen die Drenhols in

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die gewünschte Richtung lenken. Da uns die Bäumeals eine Art Partner akzeptiert haben, besteht indieser Methode keine Gefahr für uns.«

Kasom verschwieg, daß Noir noch eine andereMöglichkeit zur Kontaktaufnahme gefunden hatte.Berth sagte ihm nicht alles - und er sollte auch nichtalles erfahren.

»Bei einem Kampf stehen uns nicht allein dieDrenhols zur Seite«, erklärte Breth. »Alle Pflanzen,die von den Drenhol abhängig sind - und deren Zahlist unglaublich hoch - unterstützen uns unbewußt imKrieg gegen Hondros Soldaten.«

Für Kasom waren die Neutralisten dieaußergewöhnlichste Truppe, von der er jemals gehörthatte. Er wunderte sich nicht länger darüber, wie einezahlenmäßig so schwache Rebellengruppe demDruck Hondros standhalten konnte. Die Neutralistenhatten im Dschungel von Greendoor einen starkenVerbündeten.

»Wir haben noch kleinere Lager im Dschungel«,fuhr Breth fort. »Es ist immerhin möglich, daßHondro eines Tages von diesem Platz erfährt und ihnzerstören läßt. Für diesen Eventualfall haben wir unsAusweichmöglichkeiten geschaffen.«

Kasom wurde von Breth auf ein kleines Gebäudezugeführt. Unmittelbar davor blieb Breth stehen.Kasom spürte, daß ihn Neugierige von allen Seitenbeobachteten. Er behielt jedoch seine Ruhe bei. Fürdie Neutralisten mußte es selbstverständlich werden,daß er sich unter ihnen aufhielt, sie mußten ihn alseinen der ihren betrachten.

»Hier werden Sie vorläufig wohnen«, gabSchwarzbart Breth bekannt.

In Kasom stieg Ärger auf. Er war nichthierhergekommen, um lange Zeit darauf zu warten,daß Breth sich entschließen konnte, irgend etwas fürdie Gefangenen in Zentral-City zu tun.

Der Neutralistenführer schien ein guterMenschenkenner zu sein. Er erstickte Kasomsaufsteigenden Willen zum Widerstand mit denWorten: »Sobald unsere Jetzigen Probleme gelöstsind, kümmern wir uns um die Befreiung Rhodans.Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich Ihnen einenPlan vorlege.«

Es blieb Kasom nicht anderes übrig, als sich damitabzufinden. Schwarzbart Breth knüpfte hier dieFäden. Er, Kasom, war nur ein unbedeutender Mann,der warten mußte, bis er an der Reihe war.

Ohne gegen die Entscheidung des Plophosers zuprotestieren, ging Kasom in die Hütte hinein. Sie warin zwei Räume unterteilt, die mit durchsichtigenWanden aus Blättern abgeteilt waren. Im kleinerenRaum hockte ein blasser Mann auf dem Boden undrührte mit einem abgerundeten Holzpflock in einemTopf herum.

Als Kasom eintrat, blickte er kurz auf. Sein

Gesicht war von Falten überzogen. Er hatte einenTurban auf dem Kopf und die Füße mit Lappenumwickelt.

»Treten Sie nicht so fest auf«, sagte er. »Die Hüttewird einstürzen, wenn Sie wie ein Elefant hierhereingetrampelt kommen.«

Er schüttete den umgerührten Brei in ein anderesGefäß und stand auf. Er reichte Kasom gerade biszum Nabel, schien aber dadurch nicht im geringstenbeeindruckt zu sein.

»Ich bin Tscherlik«, sagte er. »Wir werdenzusammen hier wohnen. Richten Sie sich nachmeinen Anweisungen, und wir werden zusammenauskommen.«

»Natürlich«, stimmte Kasom zu und hieb Tscherlikfreundschaftlich auf die Schulter. Tscherlik verlorseinen Turban und ließ das Gefäß fallen. Auf seinemKopf saß eine merkwürdige Pflanze. Ihre Wurzelnhatten den gesamten Schädel Tscherliks überzogen.

Hinter sich hörte Kasom ein spöttisches Lachen. Erfuhr herum und sah Schwarzbart Breth im Eingangstehen.

»Tscherlik ist ein Verräter wie Denner«, sagteBreth gelassen. »Und er stirbt den Tod einesVerräters.«

Tscherlik bückte sich und hob den Turban wiederauf. Kasom erkannte entsetzt, daß der Mann verrücktwar. Diese schreckliche Pflanze ... Kasom dachte denGedanken nicht zu Ende.

»Wie können Sie den Befehl zu einer solchunmenschlichen Tat geben?« brach es aus ihmhervor.

Breth war nur eine dunkle Silhouette im Eingang,die sich leicht bewegte.

»Hondro ist ein harter Mann«, sagte Breth leise.»Nur ein Rebell, der noch härter ist als er, kann ihnniederzwingen. Ich bin es, Kasom.«

Kasom schluckte. Das- Entsetzen ließ nicht nach.Er hörte, wie sich Breth langsam entfernte. DerNeutralistenführer hatte ihn zusammen mit Tscherlikin eine Hütte geschickt. Das war Absicht. Tscherliksollte für Kasom eine sichtbare Warnung sein.

Wer nicht für Schwarzbart Breth war, mußtesterben.

Aber nicht schnell und schmerzlos.Erleichtert sah Kasom, daß der Verrückte den

Turban wieder aufgesetzt hatte. Er durfte nichtzulassen, daß Denner ein ähnliches Schicksal ereilte.Das hatte Denner nicht verdient. Was aber sollte erfür den Plophoser tun? Ohne es zu wollen, hatte erden Mann ins Unglück gestürzt. Ein rascher Todwäre für Denner eine Erlösung gewesen.

Was war das für eine Welt, auf der die Männer imKampf um die Macht vor nichts zurückschreckten?Lag es an dieser wilden Natur daß hierunmenschliche Gesetze galten?

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Kasom ging in den größeren Raum hinüber undließ sich auf das einfache Lager sinken. ImNebenraum hatte Tscherlik leise zu singen begonnen.Kasom hörte die Geräusche des Lagers zu sichhereindringen. Ein gellender Schrei ließ Kasomhochfahren. Es war ein Schrei aus Todesangstgewesen.

Kasom stand auf und trat zu dem einfachenFenster.

Er glaubte, die Stimme erkannt zu haben, die denSchrei ausgestoßen hatte. Sie hatte wie DennersStimme geklungen. Ein dumpfer Druck breitete sichin Kasoms Magen aus.

Er war sicher, daß Denner von jetzt an einenTurban tragen würde.

Den gleichen wie Tscherlik.Langsam kehrte Kasom zur Liege zurück. Er

wußte, daß er keinen Schlaf finden würde. Niemalsschien im Lager der Rebellen vollkommene Ruheeinzukehren. Am Lärm stellte der Ertruser fest, daßimmer wieder neue Gruppen eintrafen oder sichentfernten. Ab und zu drang das Rauschen undStampfen einer Drenhol bis in die Hütte vor.

Mit weit geöffneten Augen lag Kasom da. EinigeStunden später erschien ein dürrer Mann und warf einBündel Kleider herein. Er musterte Kasom mit einergewissen Scheu, blieb aber im Eingang stehen.Kasom ergriff die Kleider.

»Sie werden zu klein für mich sein«, vermutete er.Tscherlik kam von der anderen Seite der Hütte

herübergetrottet und blickte um sich. Kasom stelltefest, daß er ohne Schwierigkeiten in densackähnlichen Umhang schlüpfen konnte. Derschüchterne Mann verschwand, ohne ein Wort zusagen.

Kasom rollte seine alte Kleidung zu einem Bündelzusammen und warf sie in eine Ecke.

Tscherlik betrachtete ihn aus traurigen Augen. DieLappen hingen von seinen Füßen und schleiften ihmnach.

»Sie können mit mir zusammen essen«, sagte ergroßartig.

»Ja«, sagte Kasom mit zugeschnürter Kehle. »Ichkomme später 'rüber.«

Tscherlik gluckste zufrieden und zog sich zurück.Die folgenden Tage wurden für Kasom zu einer

beinahe unerträglichen Qual. Das Zusammensein mitTscherlik belastete ihn. Außerdem wuchs seineUngeduld ständig. Breth schien vollkommenvergessen zu haben, daß Kasom darauf wartete,etwas für seine Freunde in Zentral-City zu tun.

Kasom erhielt gutes und ausreichendes Essen undwurde nicht belästigt. Im Lager selbst herrschte einununterbrochenes Kommen und Gehen. Von Dennerbekam Kasom nichts zu sehen. Er versuchte, dieGedanken an diesen Mann zu unterdrücken.

Etwa drei Tage, nachdem Kasom im Lagerangekommen war, starb Tscherlik. Kasom fand ihnnach seinem Erwachen aus einem unruhigen Schlafim Eingang zum größeren Raum liegen. Der Körperdes Unglücklichen war bereits kalt. Der Turban warzur Seite gerollt. Die Wurzeln der Pflanze reichtenbis zum Nacken hinab. Mit zusammengebissenenZähnen machte sich Kasom daran, den Turban neu zuwickeln. Dann lud er sich Tscherlik auf die Schulterund verließ die Hütte.

Er stieß auf einen Rebellen, der ihn mitaufgerissenen Augen anstarrte.

Kasom beherrschte seinen unbändigen Zorn undfragte: »Wo finde ich Schwarzbart Breth?«

Der Mann deutete auf eine quadratische Hütte aufder anderen Seite der Ansiedlung. Ohne aufgehaltenzu werden, erreichte Kasom sein Ziel. Die Hüttebesaß eine überdachte Veranda.

Schwarzbart Breth saß mit zwei anderen Männernum einen Tisch herum. Sie hatten- Zeichnungen vorsich ausgebreitet. Alle drei waren bewaffnet. Brethsah müde aus.

Kasom stampfte die kurze Treppe zur Verandahinauf. Er ließ Tscherlik unmittelbar vor Breth aufden Boden gleiten. Die beiden anderen Plophosersprangen auf, stießen den Tisch weg und zogen dieWaffen.

Kasoms Augen funkelten.»Meine Geduld ist am Ende angelangt«, donnerte

Kasom, ohne sich um die Rehellen zu kümmern. Erhieb mit der Faust auf den Tisch und spaltete ihn inzwei Hälften. »Wenn Sie nichts unternehmen wollen,werde ich auf eigene Faust handeln.«

Breth blieb vollkommen ruhig. Er deutete auf denToten und sagte zu den beiden Männern: »Los,begrabt ihn!«

Verwirrt steckten die Neutralisten ihre Waffenzurück und hoben den Leichnam Tscherliks auf. Mitmißtrauischen Blicken, die ausschließlich Kasomgalten, zogen sie sich zurück.

Breth nickte spöttisch zum zerstörten Tisch.»Kraftakte können mich nicht beeindrucken,

Kasom«, erklärte er. »Ich bin gewohnt, erst dann zuhandeln, wenn ich es für richtig halte.«

»Geschwätz«, grollte Kasom. »Sie wissen ebensowie ich, daß es die Position der Neutralisten stärkenwürde, wenn es Ihnen gelänge, Rhodan zu befreien.Wahrscheinlich würde es das Ende von HondrosMacht sein. Deshalb sind Sie stark an einer BefreiungRhodans interessiert. Aber Sie werden dieGelegenheit dazu verschlafen.«

Breth sammelte die verstreuten Zeichnungen vomBoden auf; Kasom ließ sich auf dem Stuhl nieder, derunter ihm zusammenzubrechen drohte. Breth richteteden Tisch notdürftig wieder auf und nahm Platz. Abund zu wischte er sich über die Augen. Seine

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Erschöpfung war nicht zu übersehen.»Einer unserer Kontaktmänner in Zentral-City

wurde getötet«, begann Breth. »Er hat jedoch zuvorherausgefunden, wo Rhodan festgehalten wird. DieseAktion hat uns nicht nur einen wertvollen Mann,sondern auch einen Gleiter gekostet.«

»Dabei wird es nicht bleiben«, versprach Kasomdüster.

Breth lachte lautlos. Er breitete eine derZeichnungen vorsichtig auf dem wackligen Tischaus.

»Das ist Zentral-City«, sagte er. »Alle wichtigenGebäude sind hier eingezeichnet, mitZufahrtsstraßen, Depots, Polizeistationen undVerkehrsmöglichkeiten.« Er deutete auf einen rotenKreis. »Hier liegt das Regierungsgebäude. Sie sehen,daß es etwa einen Kilometer vom Stadtrand entferntist Diese Lage ist für unser Vorhaben sehr günstig.«

»Halten sich Rhodan, Atlan, Bully und Noir indiesem Gebäude auf?« erkundigte sich Kasomangespannt.

»Im achtzehnten Stockwerk«, sagte Breth. »Siewerden kaum bewacht, aber das hat nichts zu sagen,denn im gesamten Gebäude wimmelt es von Soldatenund Abwehrleuten. Auf dem Dach stehen zwanzigstartklare Gleiter des Polizeichefs. In jedemStockwerk sind Waffen und Sperren montiert.«

»Das klingt nicht gerade ermutigend«, meinteKasom enttäuscht.

»Die Befreiung wird etwa fünfhundert Männerndas Leben kosten«, sagte Breth gelassen. Trotzdemspürte Kasom, daß sein Gegenüber diesenvorauszusehenden Verlust innerlich bedauerte,weniger aus menschlichen als aus strategischenGründen.

Kasom fragte sich, aus welchem Grund derNeutralistenführer sich die Befreiung Rhodansfünfhundert Mitglieder der Widerstandsbewegungkosten lassen wollte. Breth erschien ihm nicht als einMann, der dies aus reiner Menschenfreundlichkeitgegenüber Rhodan oder den anderen Gefangenen tat.Mit großer Wahrscheinlichkeit verfolgte Brethgrößere Ziele, aber diese waren im Augenblick nichterkennbar.

Breth zückte einen Schreibstift und malte einenweiteren roten Kreis auf die Kalte.

»Das ist die einzige große Funkstation, über dieGreendoor verfügt«, erklärte er. »Hier befindet sichein starker Hyperkomsender, über den die gesamteNachrichtenverbindung mit Plophos und HondrosFlotte aufrechterhalten wird.«

»Interessant«, sagte Kasom ruhig. »Ich verstehejedoch nicht, was diese Sendeanlage mit unseremPlan zu tun haben könnte.«

Breth stocherte mit dem Stift auf der Karte herum.Nachlässig lehnte er sich im Stuhl zurück. Mit der

freien Hand strich er durch den schwarzen Bart, demer seinen Namen verdankte.

»Wie ich schon sagte, handelt es sich bei derSendestation um die einzige VerbindungsmöglichkeitGreendoors mit dem Eugaul-System. Für HondrosSchergen ist dieser Sender von außerordentlicherWichtigkeit. Bei einem gezielten Angriff auf dasFunkgebäude würde Teltak sofort alle Abwehrkräftedort zusammenziehen.«

»Selbst auf die Gefahr hin, das Regierungsgebäudezu entblößen«, vermutete Kasom.

»Ja«, sagte Breth einfach. »Fünfhundert meinerMänner werden einen Scheinangriff auf dieSendestation vortragen. Diese Zeit müssen Sie für dieBefreiung der Gefangenen ausnutzen.«

Kasom legte seine riesige Hand auf die Karte.»Halten Sie es überhaupt für möglich, daß ich mit

einer kleiner Truppe bis zum Regierungsgebäudevordringen kann?« fragte er.

Breth beugte sich vor, zog die Karte zu sich heranund faltete sie sorgfältig zusammen.

»Unter normalen Umständen hätten Sie keineChance«, sagte er. »Auch unter den Bedingungen, diewir für Sie schaffen können, ist es einHimmelfahrtskommando, bei dessen Ausführung Siesterben können.«

»Sehr tröstlich«, bemerkte Kasom.»lhr Vorteil wird sein«, fuhr Breth unbeirrbar fort,

»daß weder Hondro noch Teltak einkalkulieren, daßwir einen offenen Angriff auf die Stadt wagenkönnten. Der Vorteil der Überraschung wird unszustatten kommen.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich einfachdurch Zentral-City spazieren kann, bis ich mit einerGruppe Schwerbewaffneter am Regierungsgebäudeangelangt bin«, sagte Kasom sarkastisch.

Breth stand auf.»Bis es soweit ist, werden Sie noch eine Menge

lernen müssen«, sagte er mit gespielterFreundlichkeit.

5.

Der Kontaktmann hieß Smitty. Das war natürlichnicht sein richtiger Name, aber diesen verheimlichteer sogar vor Kasom. Smitty war ein dicker, aberungemein wendiger Mann, den ein jahrelanges Lebenin ununterbrochener Angst nervös gemacht hatte.

Zwei Tage, nachdem Kasom mit SchwarzbartBreth über die Befreiung Rhodans gesprochen hatte,tauchte Smitty in der Hütte auf, die der Ertruser nachTscherliks Tod allein bewohnte. Im Gegensatz zu denRebellen sah Smitty gepflegt aus, er trug einenbraunen Tuchanzug und weite Sandalen.

Er ließ sich ächzend in den einzigen Stuhl imZimmer fallen. Dann preßte er beide Hände gegen

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den Bauch und stöhnte.Kasom lehnte mit dem Rücken gegen die Wand

und wartete, was dieser Mann von ihm wollte.»Mein Name ist Smitty«, sagte der Kontaktmann.

»Ich arbeite für die Neutralisten in Zentral-City.« Einsäuerliches Grinsen breitete sich in seinemaufgedunsenen Gesicht aus. »Glauben Sie nur nicht,daß das eine einfache Sache ist. Ständig bin ich aufder Flucht vor Jiggers' Bluthunden.« Wieder drückteer die Hände in den Bauch. »Magengeschwüre«,erklärte er.»Magengeschwüre und Kreislaufstörungendurch dieses verdammte Klima. Ich müßte michdringend aufkurieren aber ich komme nie dazu.«

Geduldig ließ Kasom den Wortschwall desanderen über sich ergehen. Smitty war also ein Agentder Neutralisten in Zentral-City, ein Kontaktmannder Rebellen Beunruhigt fragte sich Kasom, wieBreth einem derart schwatzhaften Mann vertrauenkonnte. Doch das sollte nicht seine Sorge sein.

Smitty fuhr fort, Kasom seine Leidensgeschichtezu erzählen, wobei er abwechselnd seinen Bauchdrückte und mit einem gewaltigen Tuch den Schweißvon der Stirn wischte.

»Ich kenne mich im Regierungsgebäude aus«, kamSmitty schließlich zur Sache. Er winkte ab. »Ichwünschte, das wäre nicht der Fall. Schwarzbart Brethmuß verrückt geworden sein, daß er Ihnen diesenVersuch erlaubt.«

»Machen Sie sich darüber keine Sorgen«, meinteKasom.

»Ich mache mir über alles Sorgen«, erklärte Smittytrotzig. »Seit ich für Breth arbeite, bin ich so gut wietot.« Er sprang auf und machte eine bezeichnendeGeste vom Kehlkopf zum Nacken. »Männer wiemich schätzt der Obmann in keiner Weise.«

»Kommen Sie zur Sache«, forderte Kasom.»Ich soll Sie mit den Gegebenheiten innerhalb des

Regierungsgebäudes vertraut machen«, verkündeteder Kontaktmann. »Sie müssen jeden Winkel kennen,als seien Sie schon einmal dort gewesen.« Erprustete. »Was heißt hier einmal - Sie müssen sichdort bei vollkommener Dunkelheit zurechtfinden.«

Er zog einen Stapel Zeichnungen. Bilder undBeschreibungen hervor.

»Das werden wir studieren«, sagte er. »Zum Glückhabe ich nur dieses Gebäude mit Ihnen zubesprechen. Für die Gänge hat Breth andereMänner.«

Vier Stunden später wußte Melbar Kasom, daß erden Dicken unterschätzt hatte. Smitty stellte sich alsausgezeichneter Lehrer heraus. Allerdings verlangteer von seinem Zuhörer eine überdurchschnittlicheAuffassungsgabe Immer wieder ließ er Kasomverschiedene Einzelheiten wiederholen. Schließlichbegann auch Kasom zu schwitzen.

Einmal tauchte Breth für einen kurzen Augenblick

auf, aber als er sah, daß Smitty bei der Arbeit war,zog er sich wortlos zurück.

»Sie sind ein elender Stümper«, sagte Smitty nachvier Stunden mit inbrünstiger Überzeugung. »Siewerden nie über das dritte Stockwerk hinauskommen- und dabei müssen Sie bis zum achtzehnten.«

»Ich dachte, ich hätte es ganz gut verstanden«,sagte Kasom.

Smitty raffte die Unterlagen zu einem Stapelzusammen. »Ich lasse Ihnen diese Sachen hier.Lernen Sie und lernen Sie wieder. Während derBefreiung bleibt Ihnen keine Zeit für dieOrientierung. Sie müssen sich wie ein Blinderbewegen.«

»Ich werde mir Mühe geben«, versprach Kasom.Breth kam herein. Er zeigte sich überraschend

freundlich. Kasom vermutete daß dies mit SmittysAnwesenheit zu tun hatte.

»Nun?« erkundigte sich der Rebellenchef. »Machtunser neuer Freund Fortschritte?«

»In Richtung auf den Tod - ja«, knurrte derKontaktmann griesgrämig.

Breth grinste. »Machen Sie sich nichts daraus«,sagte er zu Kasom. »Er ist ein unheilbarer Pessimist.«

Der Ertruser deutete auf die Unterlagen, die ihmSmitty überlassen hatte.

»Mir ist immer noch nicht klar, wie ich überhauptin das Gebäude kommen soll«, sagte er.

»Auf dem gleichen Weg, den unsereKontaktmänner benutzen, wenn sie in die Stadt gehenoder diese verlassen«, sagte Breth. »Wir verfügenüber ein System unterirdischer Gänge, wovon dieSoldaten Hondros keine Ahnung haben.«

Mit Unbehagen erinnerte sich Kasom an seineAbenteuer in den Abwässeranlagen der Stadt.Hoffentlich meinte Breth nicht die Kanäle. Doch dienächsten Worte des Rebellen beruhigten Kasom.

»Diese Gänge wurden von den Grundwühlernangelegt«, sagte Breth. »Sie führen vom Dschungelaus unter dem Ring aus Flammenwerfern undSperren hindurch.«

Smitty winkte ab. »Er weiß überhaupt nicht, wasGrundwühler sind«, murmelte er verdrossen.

»Die Pflanzenwelt Greendoors bringt dieunglaublichsten Arten hervor«, sagte Breth. »Inihrem Kampf ums Leben blieb verschiedenenPflanzen nichts anderes übrig, als ihreLebensgewohnheiten radikal zu verändern. Da dieTierwelt durch die klimatischen Verhältnisseallmählich ausstarb, ging ein großer Teil derfleischfressenden Pflanzen zugrunde. Andere Artenstellten sich auf Pflanzenkost um. Nur dieGrundwühler sind nach wie vor Fleischfresser Unterder Oberfläche Greendoors leben noch genügendWürmer und Insekten, die den Grundwühlern alsNahrung dienen. Wie die Drenhols sind diese

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Pflanzen beweglich, aber sie haben die Möglichkeit,sich auch unter der Erde fortzubewegen. Eine ArtBohrkranz aus einem Dornengeflecht gestattet ihnen,jedes Hindernis zu überwinden.«

»Wollen Sie behaupten, daß es Ihnen gelungen ist,diese Grundwühler wie die Drenhols für Ihre Zweckeeinzusetzen?« erkundigte sich Kasom skeptisch.

Breth schüttelte den Kopf. »Nicht unmittelbar«,gab er zu. »Aber zwischen den Drenhols und denGrundwühlern besteht eine Partnerschaft, die wirausnutzten. Die Gänge unter Zentral-City wurdenvon den Grundwühlern im Auftrag der Drenholshergestellt.«

Der Ertruser blickte an sich herunter. »Ich binnicht gerade klein«, gab er zu bedenken. »Hoffentlichsind diese Gänge groß genug.«

»Sie sind es«, versicherte Schwarzbart Breth.»Grundwühler sind große Pflanzen, die, bedingtdurch ihre gewaltigen Körper, einen kaum zudeckenden Bedarf an Nahrung entwickeln. Sie sindalso daran gewöhnt, sich ständig durch die Erde zubohren.«

Kasom zuckte mit den Schultern. »Auf Greendoorscheint den Pflanzen nichts unmöglich zu sein«, sagteer.

»Die Hauptarbeit ruht auf unseren Schultern«,warf Smitty ein.

Schwarzbart Breth legte dem Ertruser nun seineweiteren Pläne dar. Nach wie vor wollte derRebellenführer mit einem Scheinangriff auf dieFunkstation die Städter von seinem eigentlichenVorhaben ablenken. Die Verwirrung sollte Kasomausnutzen, um mit einer kleinen Gruppe in dasRegierungsgebäude einzudringen.

»Wir dürfen Teltak nicht unterschätzen«, sagteBreth. »Er wird schnell herausfinden, daß dieserWahnsinnsangriff nur eine Finte ist. Sein nächsterGedanke wird ihm die Wahrheit eingeben, die darinbesteht, daß wir in Wirklichkeit versuchen, PerryRhodan zu befreien.«

»Wenn Teltak so schnell reagiert, werde ich kaumeine Chance haben«, sagte Kasom.

»Darüber bin ich mir im klaren«, nickte derNeutralist. »Deshalb habe ich mir noch etwasausgedacht. Im gleichen Augenblick, da Teltak seineMänner zum Regierungsgebäude befiehlt, werdenmehrere hundert Drenhols und andere Pflanzen dieStadt angreifen. Das wird Teltak verwirren. Er mußzwangsläufig glauben, daß der Angriff auf denSender keine Täuschung war, sondern daß dieNeutralisten die Stadt erobern wollten. Ich hoffe, daßSie dadurch eine weitere Frist bekommen, Kasom.«

»Wann werden wir Zentral-City erreichen?« fragteKasom.

»Morgen«, sagte Breth beiläufig. »Am elftenNovember. Die Männer sind fertig. Sie haben

unterwegs noch genügend Zeit, Smittys Lektion zuüben. Wir werden mit den Drenhols durch denDschungel marschieren.«

Für Kasom bedeutete das, daß er dieses Lager vielfrüher verlassen würde, als er angenommen hatte.Sofort fiel ihm Denner wieder ein. Er wußte nicht, obes einen Sinn hatte, mit Breth darüber zu sprechen,aber er wollte es immerhin versuchen.

»Quälen Sie Denner nicht unnötig«, sagte er zuBreth. »Für mich ist es unerträglich, mit demGedanken das Lager zu verlassen, daß es ihm gehenkönnte wie Tscherlik.«

»Nun gut«, sagte Breth. »Ich - werde den Befehlgeben, Denner zu erschießen. Mehr kann ich füreinen Verräter nicht tun.«

»Ein Menschenfreund«, seufzte Smitty mit einemSeitenblick auf Kasom. »Ich hoffe nur, daß er nichtdas Bewußtsein verliert, wenn der entscheidendeAugenblick gekommen ist.«

6.

Der größte Teil der Neutralisten warseltsamerweise nicht auf Greendoor beheimatet, wieKasom schnell herausgefunden hatte. Es handeltesich um Plophoser, die von Hondro ausverschiedenen Gründen nach Greendoor abgeschobenworden waren. Unter den Rebellen befanden sichviele ehemalige Gefangene, denen die Flucht in denDschungel gelungen war.

So kam es, daß die Machtergreifung auf Greendoornur ein vorläufiges Ziel von Schwarzbart Breth undseinen Männern war. Zwar sprachen die Rebellen nievon Plophos, aber Kasom hatte immer wieder erlebt,daß die Augen der Männer aufleuchteten, wenn dasEugaul-System erwähnt wurde.

Schwarzbart Breth nahm an demBefreiungsversuch nicht teil. Ihm standen weitausschwierigere Unternehmungen bevor. Da Breth allesandere als ein Feigling war, glaubte ihm Kasom.

Zusammen mit zehn Neutralisten hielt sich derErtruser in einer Drenhol auf. Kasom hatte ebenfallseine Waffe erhalten. Die Männer, die mit Kasom inder Baumhöhle hockten, blieben zurückhaltend.Unter normalen Umständen hätten sie sichwahrscheinlich unterhalten, doch die AnwesenheitKasoms ließ sie verstummen.

Der Anführer dieser Gruppe hieß Pearton. Er warein dürrer Mann mit verkniffenem Gesicht. Wenn ersprach, traten die Backenmuskeln stark hervor.

Kasoms Versuche, mit Pearton in ein Gespräch zukommen, schlugen fehl. Pearton gab nur einsilbigeAntworten. Erst nach stundenlangem Marsch, alsZentral-City fast erreicht war, legte der Neutralistseine Schweigsamkeit ab.

»Wir werden den Baum jetzt verlassen«,

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verkündete er. Er zog die kleine Holzflöte hervor undproduzierte auf ihr einige unmelodische Pfiffe. DasSchwanken des Baumes hörte auf. Die Männerstanden auf und drängten dem Ausgang zu.

Kasom und Pearton kletterten als letzte ins Freie.Um sie herum wimmelte es von Männern. Überalldort, wo sich die Drenhols ihren Weg gebahnt hatten,sah es aus, als hätte ein Orkan gewütet. Mindestensfünfhundert Widerstandskämpfer hielten sich auf derkleinen Lichtung auf.

Pearton und seine Männer blieben jedoch abseits.Sie mußten Melbar Kasom bei seiner schwierigenAufgabe unterstützen Die Hauptstreitmacht derNeutralisten würde sich um die Sendestationkümmern.

»Wir warten, bis die anderen durch den Gangverschwunden sind«, erklärte Pearton eifrig. »Esdauert bestimmt eine Stunde, bis wir ihnen folgenkönnen.«

Nach und nach tauchten die Plophoser imDschungel unter. Die Drenhols verharrtenbewegungslos auf ihren Plätzen.

»Wenn Sie vollkommen still sind, können Sie denLärm der Stadt hören«, sagte Pearton.

Kasom lauschte, aber außer dem Rauschen desWindes und den anderen typischen Geräuschen desDschungels hörte er nichts. Da ihn Pearton jedocherwartungsvoll anschaute, nickte er.

»Die vorderen Flammenwerfer sind nurachthundert Meter von diesem Platz entfernt«,erklärte Pearton. »Die Stadt breitet sich immer weiteraus.«

Kasom war mit seinen Gedanken bereits imunterirdischen Gang, den er nur aus den Berichtenkannte.

Pearton, der ein kleines Funksprechgerät mit sichführte, stellte die Verbindung zur Hauptgruppe her.Leise unterhielt er sich mit dem Anführer dieserMänner.

»Sie sind bereits alle im Gang«, gab er befriedigtbekannt. »Sie gehen durch den Haupttunnel bis PunktV, dann biegen sie in Richtung des Rondells ab. DieSendestation ist zweihundert Meter vom Rondellentfernt.«

»Rondell?« fragte Kasom.»Ein runder, freier Platz, auf dem ab und zu von

Teltak oder Hondro Reden gehalten werden«,erklärte Pearton. »Der Tunnel führt nicht bis unterdie Sendestation. Das bedeutet, daß die Männerbereits am Rondell an die Oberfläche müssen.«

»Man wird sie entdecken«, sagte Kasom.»In der Nähe des Rondells entsteht eine neue

Schwimmhalle«, berichtete Pearton. »Dieser Neubauist unbewacht. Dort kommt unsere Hauptmacht ausder Erde. Man wird sie nicht sehen. ZweihundertMeter ist eine kurze Strecke. Sie werden es

schaffen.«Kasom wagte nicht, nach den

Rückzugsmöglichkeiten der Rebellen zu fragen. Sieschienen nicht günstig zu sein. Die Worte Brethsfielen ihm ein, der prophezeit hatte, daß ihm RhodansBefreiungsversuch fünfhundert Männer kostenwürde. Damals hatte Kasom gedacht, daßSchwarzbart Breth nur prahle, aber jetzt war erdessen nicht mehr so sicher.

Pearton und seine Männer schienen jedocherleichtert zu sein, daß sie bei Kasom waren undnicht bei den Angreifern auf die Sendestation.Pearton drückte das deutlich aus.

»Natürlich haben wir es etwas einfacher«, sagte er.»Der Seitentunnel, den wir benutzen, führt direktunter das Regierungsgebäude. Man wird uns alsofrühestens dann entdecken, wenn wir bereitsinnerhalb der unteren Räume sind.«

Das war immer noch früh genug, überlegte Kasom.Wieder sprach Pearton mit der anderen Gruppe.

Schließlich gab er das Zeichen zum Aufbruch.Zusammen mit Kasom übernahm er die Spitze. Sieverließen- die Lichtung und drangen in denDschungel ein. Kasom bemerkte, daß sie einenschmalen, aber sorgfältig abgesicherten Pfadbenutzten. Er hörte, daß sich hinter ihnen dieDrenhols ebenfalls in Bewegung setzten. DieRiesenbäume würden sich dicht an die Stadtheranarbeiten, um im geeigneten Augenblickvorzubrechen.

»Der Tunnel«, sagte Pearton und teilte einigegroße Blätter. Direkt vor ihnen lag der Einhang, sogut geschützt, daß ihn ein Uneingeweihter höchstensdurch einen Zufall hätte entdecken können. Peartonmusterte Kasom abschätzend.

»Für Sie wild es etwas eng werden« meinte er.»Der eigentliche Tunnel ist nicht so breit wie derEingang.«

Kasom nickte. Er war bereit, jedes Hindernis zuüberwinden. Der Tunnel führte schräg in die Erdehinein. Verschiedentlich war er mit Balkenabgestützt, aber je tiefer sie kamen, desto seltenerwurden diese Stützen. Das Grundwasser reichteihnen bis zu den Knöcheln. Pearton ließ einenScheinwerfer aufblitzen. Kasom mußte in gebückterHaltung gehen, aber er kam trotzdem gut voran. Abund zu hatte der Ertruser Schwierigkeiten durch seineenorme Schulterbreite. Pearton drängte jedoch nicht.Geduldig wartete er jedesmal, bis Kasom einenEngpaß überwunden hatte.

Blundell, der Anführer der anderen Gruppe,meldete sich über das Funksprechgerät. Er teilte mit,daß er mit den fünfhundert Männern unterhalb derSchwimmhalle angekommen wäre.

»Wir haben jetzt die Stadtgrenze erreicht«,antwortete Pearton. »Sie können anfangen. Hals- und

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Beinbruch, Blundell.«Kasom fühlte, daß Peartons spürbare Erregung auf

ihn übergriff. Er versuchte sich vorzustellen, wie indiesem Augenblick fünfhundert bis an die Zähnebewaffnete Männer aus einer halbfertigenSchwimmhalle hervorstürmten und an verblüfftenPassanten vorüber auf die Sendestation zurannten.Kasom bewunderte den Mut dieser Männer. Siekonnten sich zweifellos denken, daß nur wenigeüberleben würden.

Kasom fragte sich, ob Rhodan von diesem Angriffsofort erfahren würde. Doch das war bedeutungslos,denn keiner der Gefangenen konnte auf denGedanken kommen, daß Hilfe unterwegs war.Hoffentlich begingen die Männer nicht irgendeineDummheit.

Der Strahl von Peartons Scheinwerfer huschte vorihnen über den schwarzen Boden Blasen stiegen ausdem morastigen Wasser. Hier unten war es feuchtund kalt.

»So«, sagte Pearton befriedigt. »Jetzt werden wirgleich in den seitlichen Gang einbiegen.«

Blundell rief an. Pearton schaltete auf Empfang.Die Stimme des Neutralisten war diesmal so deutlich,daß Kasom den Eindruck hatte, der Mann würdeneben ihm stehen.

»Wir sind jetzt in der Schwimmhalle«, gabBlundel bekannt. »Es regnet. Weiter drüben ist eineRoboter-Kolonne an der Arbeit. Noch hat man unsnicht entdeckt. Auf dem Rondell herrscht kaumVerkehr. Passanten sind nicht zu sehen.«

Pearton warf Kasom einen triumphierenden Blickzu. Er antwortete Blundell kurz, dann setzten sieihren Weg fort. Kasom blickte zu den Männernzurück. Ihre Gesichter lagen fast völlig in derDunkelheit, aber Kasom konnte Entschlossenheitdarin erkennen.

Sie kamen am Seitentunnel an. Pearton zog Kasommit sich in den engeren Gang hinein.

»Unter normalen Umständen begnügen sich dieGrundwühler mit kleineren Bohrungen«, erklärte er.»Aber die Drenhols haben sie beeinflußt, für unsdiese Gänge anzulegen.«

»Werden wir eine dieser seltsamen Pflanzensehen?« erkundigte sich Kasom.

Pearton schüttelte den Kopf. »Das glaube ichnicht«, sagte er. »Die Grundwühler sind scheu undlichtempfindlich.«

Sie kamen jetzt langsamer voran, denn Kasomkonnte verschiedene Engstellen nur mit Mühepassieren. Er begann zu befürchten, daß sie sichverspäten würden. Doch Pearton zerstreute seineBedenken.

»Bevor Blundell die Sendestation nicht angreift,wird Teltak die Männer im Regierungsgebäude nichtzur Funkanlage beordern«, sagte er.

»Vielleicht gibt Teltak den Befehl nie, auf den wirwarten«, sagte einer der Rebellen düster.

»Das werden wir bald wissen«, sagte Peartonlakonisch.

Kasom hatte längst begriffen, daß dieserunscheinbare Mann zäh und hart war. Nicht ohnetriftigen Grund hatte Schwarzbart Breth ihn für dieseAufgabe ausgewählt.

»Wir werden in einem Lagerschuppen hinter demRegierungsgebäude herauskommen«, sagte Pearton.»Dort halten sich nur Roboter auf. Sie werden sichnicht um uns kümmern, denn sie sind lediglich fürBe- und Entladearbeiten bestimmt.«

»Woher wissen Sie das alles?« fragte Kasomverblüfft.

»Smitty«, sagte Pearton. »Er hat im Schuppen allesvorbereitet.«

Auf die Organisation der Neutralisten schienVerlaß zu sein. Da die Rebellen Plophoser waren,lieferten sie Kasom einen erneuten Beweis ihrerGefährlichkeit. Diese junge Rasse war eine Gefahrfür die Galaxis. Mit dem Diktator Hondro an derSpitze konnte sie die Macht übernehmen.

Pearton leuchtete auf einen rot angemaltenHolzpflock, der in der Wand befestigt war.

»Gleich haben wir es geschafft«, sagte Pearton.Der Tunnel wurde breiter. Eine Strickleiter geriet inden Lichtschein von Peartons Lampe. Peartonrichtete den Scheinwerfer in die Höhe. Kasom sahdicke Holzbretter, mit denen der Schachtoffensichtlich abgedeckt war. Er fragte sich, warumHondros Männer diesen primitiven Zugang bishernoch nicht entdeckt hatten.

Pearton schien die Gedanken des Ertrusers zuerraten.

»Die Wächter kommen nie auf den Gedanken, daßwir unter der Erde bis zum Regierungsgebäudevorstoßen können«, sagte er. »Sie wissen noch nichteinmal, wie stark wir in Wirklichkeit sind.« Erkicherte in sich hinein. »Sie werden sehr überraschtsein, wenn wir kommen.«

Er rief Blundell. Die Stimme des Unterführersklang abgehackt, als er sich meldete.

»Man hat uns entdeckt«, berichtete Blundell. »DreiPolizisten stießen direkt auf uns, als wir das Rondellüberquerten. Sie sind jetzt tot, aber man wurdebestimmt schon aus der Luft auf uns aufmerksamNoch hundert Meter bis zur Sendestation.« SeineStimme hob sich. »Ja, dort kommen die erstenGleiter. Es geht los.«

Pearton unterbrach die Verbindung und packte dieStrickleiter mit beiden Händen. Sie schwankte leichtals er daran emporzuklettern begann. Die Männerscharrten unruhig mit den Füßen. Prüfend zog Kasoman den Seilen.

Pearton grinste. »Auch daran haben wir gedacht«,

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sagte er. »Die Leiter wird Ihr Gewicht aushalten.«Schnell klomm er in die Höhe. Als er unter den

Brettern angekommen war, warf er die Lampe zuKasom herunter. Der Ertruser fing sie auf undleuchtete zu Pearton hinauf.

Pearton hielt sich mit einer Hand fest und drücktemit der anderen ein Brett zur Seite.

»Licht aus!« zischte er.Kasom schaltete den Scheinwerfer aus. Durch den

Ritz über ihnen drang Helligkeit. Die Strickleiterpendelte hin und her. Pearton vergrößerte dieÖffnung und zog sich hoch. Einen Augenblick hinger dort oben, dann verschwand er zwischen denBrettern. Gleich darauf wurde sein Gesicht sichtbar.

»Jetzt Sie, Kasom!« rief er herab. »Keine Gefahr.«Einer der Männer versuchte Kasom auf die

Schulter zu schlagen, traf aber nur das Schulterblattdes Riesen.

Kasom schaltete seinen Mikrogravitator aus. Jetztwar es für ihn eine Kleinigkeit, Pearton zu folgen.Rasch war er oben angekommen. Peartons hageresGesicht wich zur Seite. Mit festem Griff packteKasom die Bretter und stemmte sich hinauf. Erblickte in einen großen Raum. Um sie herum warenPlastikkisten gestapelt. Der Ertruser zog sich völlig indie Halle, und Pearton signalisierte dem nächstenMann. Kasom schaltete den Mikrogravitator wiederein, um zu vermeiden, daß er versehentlich einenZehnmeterschritt machte.

Hinter den Kisten war das Summen vonMaschinen zu hören.

»Die Roboter sind bei der Arbeit«, flüstertePearton. »Sie werden sich Jedoch nicht um unskümmern.«

Kasom hätte gern einen Blick zwischen denStapeln hindurchgeworfen, aber dazu bestand keineMöglichkeit. Als der dritte Mann bei ihnenangekommen war, rief Blundell wieder an. DieStimme des Rebellen klang atemlos.

»Wir sind bis zur Station vorgedrungen und habensie umzingelt. Sie wird jedoch von starken Einheitender Polizei verteidigt. Die Gleiter können nichteingreifen, da für die Piloten die Gefahr besteht,Männer aus den eigenen Reihen zu treffen.« Blundellschöpfte nach Luft. »Es treffen jedoch laufendVerstärkungen ein. Wir haben starke Verluste. Langekönnen wir uns nicht mehr halten.«

»Wir sind bereits im Schuppen«, informierte ihnPearton. »Sobald wir im eigentlichen Gebäude sind,können Sie den Befehl zum Rückzug geben.«

Es kam keine Antwort. Verzweifelt wiederholtePearton den Erkennungskode. Gleich darauf drangdie angsterfüllte Stimme eines anderen Mannes ausdem Gerät.

»Blundell hat's erwischt«, keuchte er. »Siekommen jetzt von allen Seiten. Sie kreisen uns ein.«

Peartons Backenmuskeln traten hervor. »Werspricht?« fragte er knapp.

»Ennjing«, kam die Antwort. »Was sollen wir jetzttun?«

»Sie müssen noch einen Augenblick aushalten,Ennjing«, sagte Pearton ruhig. »Geben Sie in fünfMinuten den Rückzugsbefehl.«

»Verstanden«, krächzte Ennjing.Einen Moment stand Pearton wie gelähmt da.

»Blundell«, murmelte er. »ausgerechnet Blundell.«Da schwang sich der letzte Mann ihrer Gruppe aus

dem Schacht. Pearton umfaßte die Rebellen miteinem Blick. Dann zeigte er auf den kleinsten derKistenstapel.

»Los«, rief er. »Die räumen wir aus dem Weg.«Bevor einer der Neutralisten reagierte war Kasom

bereits bei den Kisten angelangt. Er drückte denStapel einfach auseinander, als handele es sich umPapierschachteln. Pearton begriff sofort. Mit knappenBefehlen verteilte er die Männer um diezusammenfallenden Kistenberge, so daß Kasom sichungehindert einen Weg bahnen konnte.

Als das letzte Hindernis beseitigt war, konnte derErtruser das Innere des gesamten Schuppensübersehen. Das Gebäude war fast hundert Meter lang,aber noch nicht einmal dreißig Meter breit Amanderen Ende war eine Gruppe von Robotern damitbeschäftigt, weitere Kisten von Robot-Transporternabzuladen und in den Lagerraum zu schaffen. DieMaschinen nahmen keine Notiz von denEindringlingen.

Kasom wandte sich um und sah Pearton über dieKisten klettern. Der Rebell grinste ihm zu. Kasomwartete, bis Pearton neben ihm angelangt war.

»Wie geht es weiter?« erkundigte er sich.Der Neutralist deutete zum anderen Ende der

Halle, dorthin, wo die Roboter arbeiteten.»Sehen Sie das Fließband?« erkundigte er sich.Kasom nickte. Ein Teil der Kisten wurde von den

Robotern auf das Band geworfen. Das Band führtedurch eine ovale Öffnung in einen unsichtbarenRaum.

»Dort müssen wir hindurch«, sagte Pearton.»Warum benutzen wir nicht die Tür direkt

daneben?« erkundigte sich der Umweltangepaßte vonErtrus.

Pearton zuckte mit den Schultern. »Smitty sagte,daß dies zu gefährlich sei. Wahrscheinlich ist dorteine Alarmeinrichtung eingebaut, um zu verhindern,daß ein wildgewordener Roboter insRegierungsgebäude eindringt. Smitty wird schonwissen, warum er uns das Band empfiehlt.«

Sie durchquerten die Halle. Die Roboter arbeitetenunverdrossen weiter. Ihre rein zweckmäßigkonstruierten Körper bewegten sich ruckartig. Dieseautomatischen Vielzweckmaschinen konnten für

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unzählige Arbeiten eingesetzt werden. Entgegen denhochqualifizierten Robotern besaßen sie keinePositronik. Lediglich ein einfacher Speicherkernbeinhaltete ihr gesamtes Leistungsprogramm, dasnach Bedarf gewechselt werden konnte.

Das leise Surren des Bandes wurde hörbar Die ausKunststoff gefertigte Tragfläche federte unter derLast der Kisten. Das Band lief verhältnismäßigschnell, aber durch das exakte Beladen der Robotergab es keinen Aufenthalt.

Abschätzend starrte Kasom zur Öffnung hinüber.»Da komme ich nur hindurch, wenn ich mich flach

auf das Band lege«, sagte er zu Pearton. »Für Sie unddie anderen Männer ist seitlich genug Platz.«

»In Ordnung«, nickte der Neutralist. »Machen Sieden Anfang.«

Die Kisten wurden in Abständen von genau einemMeter gefördert, so daß für Kasom nicht genügendPlatz blieb. Ohne Zweifel gab es im Innern desHauptgebäudes eine Zählmaschine. Trotzdementschloß sich Kasom, den Ausfall von zwei KistenZU riskieren. Es war kaum anzunehmen, daß wegendieses geringfügigen Zwischenfalls sofort Alarmgegeben wurde. Die Aufmerksamkeit der Bewacherwar mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Kampfum die Funkstation gelichtet.

Kasom erreichte das Band und warf zwei Kistenherunter. Inzwischen waren Pearton und seineGruppe bei der Öffnung angekommen. Einer nachdem anderen krochen die Männer hindurch. Kasomsprang auf den freien Platz des Bandes. Im erstenAugenblick fürchtete er, daß die Anlage unter ihmzusammenbrechen würde, doch dann wurde er mitdavongetragen. Blitzschnell ließ er sich flach auf denKunststoff sinken. Einen kurzen Augenblick nochsah er die Kisten, dann sauste er ebenfalls durch dasLoch in der Wand - hinein in völlige Dunkelheit.

Da hörte er Pearton leise rufen: »Springen Sie ab,Kasom!« Gleich darauf flammte der Scheinwerferdes Plophosers auf. Mit einem Satz landete Kasomneben den Rebellen. Der Lichtstrahl glitt über weißeWände und unsauberen Boden. Sie waren in einenKellerraum des Regierungsgebäudes eingedrungen.

Das Förderband führte weiter durch einenschmalen Gang. Kasom erinnerte sich, daß er dieseUmgebung aus Smittys Beschreibung kannte. Erstjetzt sah er, daß ihm der Kontaktmann derNeutralisten eine unübertrefflich plastischeSchilderung gegeben hatte. Er wußte sofort, wo dieTür zu finden war, die zum Transportlift führte.Smitty hatte gehofft, daß sie unentdeckt mit demAufzug in den ersten Stock gelangen konnten. Dannwürden sie herauskommen, in hell erleuchtete Gängetreten und wahrscheinlich entdeckt werden.

Der Lastenaufzug ging nur bis zur ersten Etage.Von dort aus wurden die Bewohner des Gebäudes

mit wesentlich schöner ausgestatteten Lifts in dieanderen Stockwerke transportiert.

Pearton wollte Ennjing den Befehl zum Rückzuggeben, doch von der Gruppe, die die Sendestationangegriffen hatte, meldete sich niemand. Dreimal gabPearton den Erkennungskode durch.

»Nichts«, murmelte Pearton schließlich.»Entweder sind sie alle tot, oder sie haben bereits denRückzug angetreten und das Gerät verloren.«

Kasom hoffte, daß das letztere zutraf. DerGedanke, daß fünfhundert Plophoser für seine Plänegeopfert worden wären, erschien ihm unerträglich.

Peartons Stimme riß ihn aus den Gedanken.»Wir müssen weiter«, sagte der Neutralist. »Nun

übernehmen Sie die Führung, Kasom.« Kasomfühlte, daß ihm Pearton den Scheinwerfer in dieHand drückte. Ohne sich dessen richtig bewußt zuwerden, schlug Kasom die Richtung auf dieVerbindungstür ein. Bereitwillig folgten ihm dieanderen. Plötzlich spürte er, daß seine Handflächenschweißnaß waren. Die Verantwortung, die aufKasom lastete, erschien ihm auf einmal unerträglich.Nicht nur für über fünfhundert Plophoser mußte ereinstehen - von ihm hing es auch ab, ob Rhodan,Atlan, Bully und der Hypno aus der Gefangenschaftentkommen konnten.

Gewaltsam riß sich der Ertruser von diesenGedanken los. Er mußte sich jetzt voll und ganz aufdie bevorstehende Aufgabe konzentrieren.

Mit festen Schritten steuerte er auf die Tür zu, diezum Transportlift führte. Smitty hatte berichtet, daßder Tragkorb des Aufzugs beleuchtet sei. Kasomwitterte Unheil. Im Laufe der vergangenen Jahre,während der er als Agent der USO unzähligeAbenteuer bestanden hatte, hatte sich in Kasom einsicherer Instinkt für Gefahren entwickelt.

Fester packte er die Waffe, die man ihm gegebenhatte. Kein verdächtiges Geräusch war zu hören.Dann erfaßte der Strahl des Scheinwerfers die Tür.Hinter ihnen führte das Transportband weiter insGebäude hinein. Kasom glaubte das leise Summendes Lifts zu hören, der offenbar in Betrieb war.

Sie kamen bei der Tür an. Kasom schaltete dieLampe aus. Neben der Tür war eine Reihe vonDrucktasten angebracht. Drückte man die untere, sohatte Smitty erklärt, kam der Lift automatisch in denKeller, und die Tür glitt auf. Ohne zu zögern, schobKasom die Taste in die Arretierung.

Er hatte nicht die geringste Ahnung wie lange esdauerte, bis der Tragkorb hier unten ankam. Aus denGeräuschen hinter der Tür konnte man nichtsentnehmen. Kasom glaubte das Schlagen seinesHerzens zu hören. Die Männer an seiner Seitebewegten sich unruhig. Blundells rasche Niederlagehatte ihnen gezeigt, wie gut die Streitkräfte desObmanns organisiert waren.

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Die Lifttür glitt so leise zur Seite, daß Kasom esnur am Licht bemerkte, das plötzlich auf sie fiel. Erfuhr zusammen. Dann öffnete sich der Aufzugvollständig. Der Tragkorb war jedoch nichtleer.

In ihm hockten vier Bewaffnete und versuchten,mit zusammengekniffenen Augen die Dunkelheit imHintergrund des Kellers zu durchdringen.

7.

An trüben Tagen wie diesem pflegte Trat Teltakim allgemeinen sein Frühstück über mehrere Stundenauszudehnen. Dann saß er im Pyjama am Tisch direktvor dem Fenster und starrte in den Dunst hinaus, ausdem die Gebäude von Zentral-City in denwolkenverhangenen Himmel ragten. Im Grundegenommen war die Hauptstadt von Greendoor eineAnsammlung unästhetischer Bauwerke. Trat Teltakjedoch liebte diese Stadt.

Trat Teltak war als Vormann von Greendoor derStatthalter des Obmanns auf diesem Planeten So kames, daß er diese Stadt als eine Art privaten Besitzbetrachtete. Hondro ließ ihm großeBewegungsfreiheit, er kümmerte sich nur um diewichtigsten Dinge und überließ alles andere demVormann.

An diesem Morgen, es war der 11. November9328, bekam Teltak jedoch keine Gelegenheit zueinem großen Frühstück. Seit einer Stunde stand ermit den Polizeieinheiten in Verbindung, diefünfhundert verrückte Neutralisten an der Eroberungder Sendestation hindern sollten.

Vor etwas mehr als einer Stunde hatte Trat Teltakdie Nachricht von diesem wahnsinnigen Angrifferhalten. Weder er noch Hondro hatten geahnt, daßdie Rebellen so gut organisiert waren, daß sie einengroßangelegten Angriff auf Zentral-City wagenkonnten. Für den Vormann war es ein Rätsel, wie dieNeutralisten bis in die Nähe der Funkstation gelangenkonnten, ohne daß sie von jemand entdeckt oderaufgehalten worden waren. Auch Schwarzbart Brethund seine Männer konnten nicht hexen. Es mußteeine Erklärung für den selbstmörderischen Vorstoßder Männer geben.

Teltak überlegte seit einer Stunde, was diewirkliche Absicht bei dem selbstmörderischenEindringen der Rebellen in die Stadt sein konnte. Eserschien ihm unglaubhaft, daß Breth nicht vonAnfang an gewußt hatte, daß dieser Handstreichscheitern mußte. Wenn es keine Verzweiflungstatwar, mußte Breth einen ganz bestimmten Zweckverfolgen.

Zunächst hatte Teltak angenommen, daß dieRebellen unter allen Umständen eine Funknachrichtüber den Hyperkomsender ausstrahlen wollten. Erwußte nicht, wer der mögliche Empfänger sein

konnte.Teltak hatte alle verfügbaren Streitkräfte zur

Sendeanlage beordert, bis Ihm der Gedankegekommen war, daß Breth vielleicht gerade dieserreichen wollte. Doch an keinem anderen Platzinnerhalb Zentral-Citys schien ein Angriff zu drohen.Waren die Neutralisten verrückt geworden?

Teltak, der sich gegen eine Überraschungabsichern wollte, verteilte die verbliebenen Wächterüberall im Regierungsgebäude. Vielleicht hatteSchwarzbart Breth vor, das Hauptquartieranzugreifen.

Während der Kampf um die Funkstation seinenHöhepunkt erreichte, grübelte Teltak noch immerüber den Sinn dieses Angriffes nach. Schnell hattesich herausgestellt, daß die fünfhundert Rebellengegen die gut organisierte Abwehr derRegierungstruppen keine Chancen hatten. Nur dreider Neutralisten kamen bis zum Haupttor derSendestation heran, dann starben sie in derEnergieflut der Strahlkanonen.

Vor fünfzehn Minuten waren die Überlebendengeflüchtet. Teltak hatte eine rasche Verfolgungbefohlen. Trotz dieses leichten Sieges ließ TeltaksUnsicherheit nicht nach. Er konnte einfach nichtglauben, daß die Rebellen so einfältig waren, mit nurfünfhundert Mann einen Angriff auf die Sendestationzu wagen. Breth mußte einen Hintergedanken dabeihaben.

Teltak, der den Pyjama längst mit seiner Uniformvertauscht hatte, ging nachdenklich vor dem Fensterauf und ab Der Anführer der Neutralisten mußtedamit rechnen, daß Teltak einen so plumpen Trickdurchschauen würde. Das war der Grund, der Teltaknoch immer an einen Verzweiflungsakt denken ließ.Ein unbekanntes Geschehnis hatte die Rebellenveranlaßt, unter allen Umständen zu versuchen, einenFunkspruch über den starken Sender auszustrahlen.

Teltak begann zu ahnen, daß Breth die Galaxisüber das Hiersein Rhodans informieren wollte. DieseNachricht würde die Flotte der Terraner nachGreendoor holen. Wollte Schwarzbart Breth auf demUmweg über die Terraner die Macht über Plophos ansich reißen?

Irgend etwas war auf Greendoor im Gange. Seitder Ankunft der Gefangenen war Teltak beunruhigtgewesen. Jetzt machte er sich ernsthafte Sorgen. Erfragte sich, ob er Iratio Hondro von diesem Überfallberichten sollte. Es erschien ihm lächerlich, denObmann jetzt mit einer solchen Angelegenheit zubelästigen. Die Angreifer waren zurückgeschlagen,der Sender war unbeschädigt, und nichts deutetedarauf hin, daß irgendwo eine neue Gefahr drohte.Hondro würde nur ein mitleidiges Lächeln für ihnhaben, wenn er einen Funkspruch nach Plophosabstrahlen ließ.

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Zum erstenmal begann Trat Teltak zu befürchten,daß er durch eine Verkettung unglücklicherUmstände nicht die Gegeninjektion erhalten könnte,die sein Leben garantierte. Wenn auf Greendoorirgend etwas geschah, das Hondros Mißfallen erregte,war er, Teltak, in einer gefährlichen Situation. AlsMitarbeiter Hondros konnte man nur einen Fehlerbegehen, für einen zweiten bekam man keineGelegenheit. Bisher hatte Teltak diesen Grundsatzdes Obmanns für durchaus richtig gehalten, jetztbegann er daran zu zweifeln.

Er ärgerte sich über seine zunehmende Nervosität,aber er vermochte sie nicht zu unterdrücken. Erwünschte er hätte in diesem Augenblick dieWeitsicht Hondros besessen.

Wieder traf eine Meldung ein. Die Flüchtlingehatten sich in der neuen Schwimmhalle verschanztund lieferten den Verfolgern ein erbittertes Gefecht.

»Umzingelt sie«, ordnete Teltak an.War es Zufall, daß die Neutralisten sich in den

Neubau zurückgezogen hatten oder verfolgten siedamit einen bestimmten Zweck?

Teltak erinnerte sich an den Gleiter, der von denPolizeimaschinen unmittelbar nach dem Versuch, mitden Gefangenen Verbindung aufzunehmen,abgeschossen worden war. Der Pilot war dabeigetötet worden, aber es bestand kein Zweifel, daß essich bei ihm um einen Angehörigen der Neutralistengehandelt hatte.

Dieser Mann hatte irgend etwas herausfindensollen. Vielleicht hatte sein Auftrag auch gelautet,den Gefangenen eine bestimmte Nachricht zuübermitteln.

Teltaks Unruhe wuchs. Bedeutete das nicht, daßdieser Angriff etwas mit den Gefangenen zu tunhatte? Diente der Vorstoß nur dazu, dasRegierungsgebäude von Soldaten zu entblößen?

Teltak fühlte sich auf einmal nicht mehr so sicherin diesem Raum. Hastig beugte er sich über dieSprechfunkanlagen, um einzelne Verbände zumHauptquartier zurückzurufen. Es erschien ihm nichtmehr unmöglich, daß die Rebellen einen Versuch zurBefreiung Rhodans und seiner Freunde unternehmenkonnten.

Bevor er jedoch den entsprechenden Befehl gebenkonnte, erreichte ihn eine andere alarmierendeNachricht. Vom südlichen Stadtrand meldete sicheiner der Beobachtungsgleiter.

»Hunderte von Drenhols brechen aus demDschungel hervor, Sir«, meldete der Pilot aufgeregt.»Die Mannschaften verstärken bereits den Ring vonFlammenwerfern. Es sieht so aus, als sei der ganzeDschungel in Aufruhr.«

Teltak versuchte diese neue Situation in dasGesamtbild einzufügen Er hatte es immer für einMärchen gehalten, daß die Rebellen in der Lage

wären, die Riesenbäume für ihre Zwecke zubenutzen. Jetzt erschien es ihm nicht mehr sounwahrscheinlich.

Er forderte weitere Meldungen an.»Es sind nicht nur die Drenhols, Sir«, berichtete

der Pilot. »Hier ist plötzlich die Hölle los. Sie müssendringend Verstärkung zum Stadtrand schicken, sonstbrechen die Drenhols in die Stadt ein.«

Teltak begann zu schwitzen. Er sah sich in einerKlemme. Er durfte die Verfolgung der Rebellen nichtbeenden, mußte jedoch gleichzeitig die Stadtschützen. Schwarzbart Breth hatte sich einengünstigen Augenblick für den Überfall ausgesucht.Kein einziges plophosisches Kriegsschiff kreiste umGreendoor. Trat Teltak war auf die in der Stadtstationierten Einheiten angewiesen.

Teltak gab den Befehl, daß ein Teil der Verfolgerden Stadtrand absperren sollte. DasRegierungsgebäude mußte mit den verbliebenenWächtern gehalten werden. Der Vormann glaubteauch nicht länger an einen Angriff auf dasHauptquartier Er vermutete, daß die vorstoßendenPflanzen die Flüchtlinge entlasten und ihnen eineMöglichkeit zur Flucht geben sollten.

Teltak telefonierte zum Dach.»Haben Sie noch einen Gleiter dort oben, Serton?«

fragte er, als sich der Wächter meldete.»Ja, Sir«, kam die Antwort.»Machen Sie ihn startbereit«, befahl Teltak. »Ich

bin rasch bei Ihnen.«Trat Teltak übergab die Funksprechanlage seinem

Adjutanten und stürmte aus dem Raum. Er hatte vor,sich zum Stadtrand fliegen zu lassen. Eine düstereAhnung sagte ihm, daß irgend etwas bevorstand.Deshalb wollte er sich persönlich vom Ausmaß desKampfes überzeugen.

Der Lift brachte den Vormann zum Dach hinauf.Als er ins Freie trat, schlug ihm ein feuchtkalterWind entgegen. Serton rannte auf ihn zu, seinRegenumhang flatterte hinter ihm her.

»Alles vorbeleitet. Sir«, rief Serton.Teltak nickte und steuerte auf den Gleiter zu. Sie

kletterten hinein, und Serton nahm im PilotensesselPlatz. Ruhig hob sich die Flugmaschine vom Dachab. Serton kreiste noch einen Augenblick über demGebäude, dann lenkte er den Gleiter in Richtung dessüdlichen Stadtrandes.

Trat Teltak starrte durch die Klarsichtkuppel aufdie Stadt hinunter.

Er wußte nicht, daß er gerade den entscheidendenFehler seines Lebens begangen hatte.

*

Melbar Kasom brauchte nur den Bruchteil einerSekunde, um zu erfassen, daß ihn die vier Wächter

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erst viel später sehen konnten als er sie. Als dervordere der Männer seine Waffe anlegte hatte Kasombereits geschossen. Hinter ihm stieß Pearton eineVerwünschung aus und feuerte in den Transportkorbhinein.

Der Plophoser vor Kasom kippte aus dem Aufzugheraus, seine Waffe polterte zu Boden. Ein zweiterMann sank innerhalb des Korbes zusammen, derdritte taumelte schwer getroffen gegen die hintereWand. Der vierte Wächter war unverletzt, aber erergab sich nicht. Er schoß aus seiner kurzläufigenWaffe und traf einen der Rebellen, der mit einemAufschrei zusammenbrach.

Mit einem Sprung war Kasom im Innern des Lifts.Bevor der Mann wieder abdrücken konnte, wurde ervon Kasoms mächtiger Faust getroffen. Stöhnendging der Plophoser zu Boden.

Pearton tauchte neben Kasom auf. Der Lauf seinerWaffe richtete sich auf den Bewußtlosen. DochKasom schlug die Hand des Rebellen zur Seite.

Zornig fuhr Pearton hoch.»Er lebt noch!« zischte er.»Sie sagten selbst, daß ich jetzt die Gruppe

anführe«, knurrte Kasom. »Ich dulde keinen Mord.«Pearton zeigte in die Dunkelheit des Kellers

hinaus. »Er hat einen unserer Männer erschossen.«Kasom lud den Bewußtlosen mühelos auf die

Schulter und trug ihn in den Keller. Dort legte er ihnauf den Boden. Pearton verfolgte sein Tun mitfinsteren Blicken.

»Wer gegenüber Hondros Männern Nachsichtzeigt, lebt in den meisten Fällen nicht mehr lange«,sagte er warnend, aber Kasom fühlte, daß sein Willezum Widerstand bereits gebrochen war.

Der Ertruser schaffte die Toten aus dem Lift. Siesammelten die Waffen ein und stiegen in denAufzug. Pearton gab das Signal zur Abfahrt. Der Liftruckte an und glitt langsam in die Höhe.

»Es sieht so aus, als sei Teltak mißtrauischgeworden«, brach Pearton das Schweigen. »DieWächter sollten sicher den unteren Eingangabsperren.«

Das Auftauchen der vier Plophoser hatte Kasombeunruhigt. Wenn man innerhalb desRegierungsgebäudes ahnte, daß einBefreiungsversuch bevorstand, würde dieDurchführung ihres Planes unmöglich werden. Dochzu einer Umkehr war es jetzt zu spät.

Der Lift hielt an. Die Tür glitt auf. Von Smittywußte Kasom, daß sie nun in einen großen Raumtreten würden. Auf der anderen Seite befand sich dasgroße Hauptportal. Ein großzügig angelegterEmpfangsraum war auf der rechten Seite neben demEingang erbaut worden.

»Darin halten sich in den meisten Fallen drei bisvier Plophoser auf«, hatte Smitty erklärt. »Mehrere

Frauen, die Karteiarbeiten erledigen, sind im hinterenZimmer. Unterschätzen Sie die Damen nicht. Sie sindnicht bewaffnet, aber ihr Geschrei kann unterUmständen die Wirkung einer Alarmeinrichtungersetzen.«

An diese Worte mußte der USO-Mann denken, alser vorsichtig aus dem Lift spähte. Das Hauptportalwar verschlossen. Drei bewaffnete Posten standendavor. Kasom winkte Pearton zu sich.

»Die Burschen richten ihr Augenmerk auf dieStadt«, flüsterte der Rebell. »Sie denken nicht daran,daß wir von hier kommen könnten.«

Eine Weile beobachteten sie das Portal. Hintereiner durchsichtigen Wand hockten drei Männer. IhreNervosität war offensichtlich, ihre Blicke schweiftenimmer wieder von der Arbeit ab und richteten sichauf die Soldaten vor dem Portal.

Der Personenlift lag auf der linken Seite desPortals. Das bedeutete, daß Kasom und die Rebellennicht nur an den Posten, sondern auch an denMännern hinter der Glaswand vorüber mußten »ImEmpfangsraum gibt es Alarmanlagen«, murmelteKasom. »Wenn man uns sieht, wird in kürzester Zeitdiese Halle von Wächtern überschwemmt werden.«

Pearton sah zum erstenmal ratlos aus. Kasomüberlegte fieberhaft.

Da näherte sich von der anderen Seite ein Mann imgrauen Kittel. Er war aus dem Hinterzimmer nebendem Empfangsraum gekommen. Er trug ein kleinesPaket und kam zielbewußt auf den Transportlift zu.Kasom schob Pearton zurück.

Er preßte sich eng gegen die Wand. Die Schrittedes Unbekannten wurden lauter. Wie aus dem Nichtsschoß Kasoms gewaltige Hand heraus und packte denPlophoser im Nacken. Der Überraschte gab einkrächzendes Geräusch von sich und strampeltewütend. Mühelos zog ihn Kasom in den Tragkorb.

»Lassen Sie mich los, Kasom«, brachte derÜberfallene mühsam hervor. »Sie benehmen sichnoch ungeschickter als ich befürchtet hatte.«

»Smitty!« stieß Kasom überrascht hervor. »Ichhabe Sie in dieser Aufmachung nicht erkannt.« Erließ den Kontaktmann los, der wütend über denKitte] strich.

»Mich wundert es, daß es Ihnen überhaupt gelang,bis hierher vorzudringen«, zischte er. »Sie habenmich fast totgequetscht.«

»Ich wußte, daß Sie uns treffen wollten«, gabKasom zu. »Aber ich konnte nicht ...«

»Ich bin Hausdiener«, knurrte Smitty. »Was,glauben Sie, trägt ein solcher Mann bei der Arbeit -einen Smoking?«

»Sagen Sie uns lieber, wie wir von hierwegkommen«, mischte sich Pearton ungeduldig ein.

Smitty strafte ihn mit einem verächtlichen Blick.»Ohne meine Hilfe schaffen Sie es nicht«, sagte er.

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»Aber Sie haben Glück. Teltak hat den größten Teilder Wächter zur Sendestation geschickt. Insgesamthalten sich nur noch hundert bewaffnete Männer imHauptquartier auf.«

»Nur hundert«, wiederholte Kasom. »Wie schönfür uns.«

»Sie sind über das ganze Gebäude verteilt«,beruhigte ihn der Agent der Neutralisten. »Allerdingshalten sich mindestens zwanzig im achtzehntenStockwerk auf.«

Kasom deutete zum Portal. »Wie kommen wir inden Personenlift?«

»Überhaupt nicht«, erwiderte Smitty. »Es ist zugefährlich. Sie müssen die Treppen benutzen.«

Pearton begann zu schimpfen. »Die Treppen? Wirwerden nicht weit kommen. Jeder kann uns sehen,wenn wir diesen Weg nehmen.«

»Das stimmt«, gab ihm Smitty recht. »Deshalbmüssen die Wächter von den Treppen abgelenktwerden. Das übernehme ich.«

Pearton starrte den dicken Mann ungläubig an.»Wie wollen Sie das machen?«

Smitty winkte geringschätzig ab. »Lassen Sie dasmeine Sorge sein«, sagte er. »Aber ich werde Siewährend des Rückzuges begleiten müssen. Nach derFlucht wird man schnell herausfinden, daß ich nichtder stumpfsinnige Haustrottel bin, für den ich michdie ganzen Jahre über ausgegeben habe. Ich muß mitIhnen zurück in den Dschungel.«

»Erst einmal müssen wir hier heraus«, erinnerteihn Pearton. »Die Treppen liegen neben dem Lift.Sagen Sie mir, wie wir am Portal vorbeikommensollen?«

»Ich werde die Posten ablenken«, versprachSmitty. »Passen Sie auf den richtigen Moment auf.«Er versetzte Kasom einen leichten Schlag mit derFaust. »Und Sie passen gefälligst auf, wen Sie in dieLuft heben, bevor Sie in Aktion treten!«

Damit verschwand Smitty aus dem Lift. Peartonblickte Kasom ratlos an. Der Ertruser schaute demKontaktmann nach. Smitty schlenderte in aller Ruhezum Portal. Dort klopfte er gegen die Glaswand. DieMänner im Empfangsraum blickten zu ihm heraus.Smitty grinste albern und deutete zu den Posten.Dann ging er langsam hinaus Die Männer starrtenhinter ihm her. Kasom sah, daß der Agent denWächtern etwas zurief und auf die Stadt deutete. DiePosten richteten ihre Aufmerksamkeit auf diegegenüberliegenden Gebäude, die Männer imEmpfangsraum beobachteten ihrerseits neugierig dieWächter.

»Los!« stieß Kasom hervor.Sie verließen den Aufzug und rannten durch die

große Halle zu den Treppen hinüber. Kasom kamzuerst an. Er hielt auf den unteren Stufen an.Keuchend sprang Pearton zu ihm herauf. Die anderen

folgten dichtauf. Pearton atmete schwer.»Geschafft!« brachte er hervor. »Dieser Smitty

scheint keine Nerven zu besitzen.«Kasom fühlte sich hier nicht sicher. Jeden

Augenblick konnte jemand von oben kommen oderdurch das Portal ins Gebäude treten. DasTreppengeländer bestand aus dunklenKunststoffplatten. Kasom gab den Befehl, daß dieMänner sich auf den Stufen niederließen. So konntensie vom oberen Stockwerk nicht gesehen werden.

Gleich darauf kam Smitty.»Ich habe den Männern im Empfangsraum erzählt,

daß ich die Posten etwas ärgern würde. DenWächtern zeigte ich einen fremden Gleiter, den esüberhaupt nicht gab.« Er streifte den grauen Kittel ab.Im Gürtel seiner Hose hing eine schwereEnergiewaffe. Smitty hatte Jede Harmlosigkeitverloren.

»Es wird einige Zeit dauern, bis sie feststellen, daßich sie an der Nase herumgeführt habe«, meinte erspöttisch. »Bis es soweit ist, müssen wir mindestensim zehnten Stockwerk sein.«

Gelassen überprüfte er seine Waffe.»Ich werde in den hinteren Räumen des vierten

Stockes etwas für Stimmung sorgen«, verkündete er,als habe er einen Spaziergang vor. »Die Wächterwerden sich dort zusammenziehen. Dann kommt esauf euch an.«

Er nickte kurz, bedachte Kasom mit einemunfreundlichen Blick und verließ die Treppe. Siehörten ihn im Personenlift verschwinden. DreiMinuten später kam von oben wilder Lärm. Gleichdarauf wurde das Heulen der Alarmsirenen hörbar.

Die Männer rannten los. Kasom nahm sieben, achtStufen auf einmal. Die Posten vor dem Portalverließen ihre Plätze und stürmten in den Innenraum.Zwei von Peartons Männern waren zurückgebliebenund empfingen sie mit einem wahren Feuersturm.Zwei der überraschten Männer starben auf der Stelle,der dritte flüchtete schwerverletzt in denEmpfangsraum, wo die verwirrten Zivilisten hinterden Schreibtischen Deckung suchten. Schreienddrang eine Gruppe junger Frauen aus demHinterzimmer. Peartons Männer gaben ihre Stellungauf und folgten Kasom und den anderen.

Im zweiten Stock lief ein alter Mann aus einemZimmer. In der Hand hatte er eine winzigeNadelpistole. Als er den Furchterregend aussehendenKasom an der Spitze einer Horde verwahrlosterIndividuen über die Treppe stürmen sah, ließ er miteinem Aufschrei die Waffe fallen und zog sich insZimmer zurück.

»Weiter!« schrie Kasom mit dröhnender Stimme,die selbst das schrille Heulen der Alarmsirenenübertönte Jetzt kam es darauf an, daß sie möglichstviele Etagen weiterkamen.

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Im dritten Stock kam ihnen Smittyentgegengehumpelt. Sein Gesicht war vor Schmerzenverzogen, aber seine Augen glänzten triumphierend.

»Sie durchsuchen die hinteren Räume über uns«,erklärte er. »Jetzt können wir den Lift benutzen, umweiterzukommen.«

Sie schlossen sich dem Agenten an und drängtensich in den Aufzug. Smitty ließ ihn starten. Sie warennoch nicht drei Meter höher gefahren, als derTragkorb plötzlich anhielt. Es war totenstill. Selbstdas Sirenengeheul drang nicht bis zu ihnen in denSchacht.

Die Tür ließ sich nicht öffnen.»Verdammt«, murmelte Pearton vor sich hin und

schüttelte drohend die Waffe. »Was bedeutet das?«»Sie haben den Aufzug stillgelegt«, erklärte Smitty

trübsinnig. »Damit wollen sie verhindern, daß ihn einFremder benutzen kann.«

»Vielleicht wissen sie, daß wir hier sind«,vermutete einer der Rebellen.

»Nein.« Smitty untersuchte die Schalttafel nebender Tür. »Sie werden es aber bald herausfinden.«

Kasom verwünschte ihr Pech. Er hatte bereitsgehofft, daß sie ohne große Verluste das achtzehnteStockwerk erreichen könnten. Nun saßen sie indiesem kleinen Raum fest und konnten weder nachoben noch nach unten. Es war nur eine Frage derZeit, bis die Wächter den Tragkorb kontrollierenwürden. Wenn es soweit war, hatten die Rebellen undihr ertrusischer Verbündeter ihr Leben verspielt.

Noch während Smitty die Schalttafel untersuchte,erlosch das Licht.

»Sie haben den Generator abgestellt«, sagte Smittygleichmütig. »Jetzt sitzen wir in der Falle.«

8.

Das erste schrille Heulen riß Rhodan von seinemSessel. Im ersten Augenblick dachte er, es wäre vonder Stadt aus gekommen, doch dann wurde ihm klar,daß die Sirenen innerhalb dieses Gebäudes montiertsein mußten.

Andre Noir kam aus dem Schlafraumherausgestürzt. Bully ging rasch zum Fenster, umhinauszublicken. Er hatte sich ebenso getäuscht wieRhodan.

»Was bedeutet das?« erkundigte er sich. »EinProbealarm?«

Rhodan, der schon seit Stunden auf die Stadthinausblickte, schüttelte den Kopf. Die ganze Zeitüber hatte er bereits das Gefühl gehabt, daß etwas imGange war. Vom Dach des Hauptquartiers warenmehrere Gleiter gestartet und alle in eine Richtunggeflogen. Auf der Straße hatte er Polizeifahrzeuge inrasender Fahrt dem Zentrum der Stadt entgegenrollensehen.

Irgendwo in Zentral-City schien es zu brennen,denn zwischen zwei hohen Gebäuden stiegen dunkleRauchwolken in den Himmel. Auch dieZivilbevölkerung auf den Straßen verhielt sichmerkwürdig. Soviel Rhodan sehen konnte, waren dieMenschen dort unten aufgeregt und diskutiertenheftig miteinander.

Nun heulten im Regierungsgebäude dieAlarmanlagen. Was ging auf Greendoor vor? Wurdeder Planet vom Weltraum aus angegriffen, oder warein Sonderkommando der terranischen Flottegelandet? Rhodan unterdrückte diesehoffnungsvollen Gedanken sofort. Kein Terranerwußte, daß er noch am Leben war. Iratio Hondrohatte dafür gesorgt, daß die Nachricht von seinemund Atlans Tod in der Galaxis verbreitet wurde.

Der abgeschossene Gleiter fiel ihm ein. Gab es aufGreendoor Rebellenorganisationen, mit denen sichder Obmann auseinanderzusetzen hatte? Vielleichtwar irgendwo ein Sabotageakt verübt worden.

Noir ging zur Tür und rüttelte daran.Normalerweise kam ein Wächter, wenn sie sich anden Türen zu schaffen machten, doch jetzt blieb allesruhig. Der Mutant zog die Augenbrauen hoch.Nacheinander wiederholte er den Versuch an allenTüren, aber der Erfolg blieb jedesmal derselbe.

»Im Augenblick gibt es anscheinend wichtigereDinge als uns«, vermutete Atlan, der als einzigerbewegungslos auf seinem Platz geblieben war.

»Vielleicht bietet sich uns eine Möglichkeit zurFlucht«, meinte Bully. »Die Plophoser sind mitanderen Angelegenheiten beschäftigt. Ich bin dafür,daß wir es versuchen.«

»Der Wirkung des Giftes können wir nichtdavonlaufen«, bemerkte Atlan trocken. »Das müßtestdu eigentlich auch begriffen haben, Dicker.«

»Noch wissen wir nicht, was das alles bedeutet«,warf Rhodan besonnen ein. »Wir wollen warten, wiesich die Sache entwickelt.«

Sie konnten nicht ahnen, daß wenige Stockwerkeunter ihnen Melbar Kasom im Personenliftfeststeckte.

*

Der Dschungel von Greendoor brodelte Eine grüneWand schien unablässig gegen die Front derFlammenwerfer vorzurücken. Der Gleiter war vonden aufsteigenden Qualmwolken fast völligeingehüllt. Geschickt manövrierte Serton dieFlugmaschine am Stadtrand entlang. Auf den Straßenrückten die ersten Verbände der Armee an. Dievorderen Gebäude waren von den Drenhols einfacheingedrückt worden. Brennende Baumstämme lagenquer über der Straße. Im Durcheinander glaubteTeltak rennende Gestalten zu sehen, Soldaten der

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plophosischen Polizei, die in vorderster Linie gegendie Eindringlinge kämpften.

Trat Teltak erkannte, daß es nicht die Drenholsallein waren, die gegen Zentral-City vorrückten. DieBedienungsmannschaften der Flammenwerferkonnten sich kaum vor der Flut fliegender Giftblätterretten.

Ganze Horden von Paruppkas waren von denDrenhols zum Stadtrand geschleppt worden. DieParuppkas schleuderten ihre Samenknollen nach denGleitern. Angezogen von der extremen Hitze derDüsen, schlüpften die Knollen in den Austritt einerDüse hinein, verhärteten sich augenblicklich undbrachten das Flugzeug so zum Absturz. Serton mußtewiederholt zum Sturzflug ansetzen, um denSamenknollen zu entgehen, die so groß wie einMännerkopf waren.

Erbittert starrte der Vormann auf das Chaoshinunter. Er mußte die gesamten verfügbarenStreitkräfte hier konzentrieren, wenn er die Pflanzenaufhalten wollte. Es war unvorstellbar, wasgeschehen konnte, wenn es einigen der riesigenDrenhols gelang, ins Innere der Stadt vorzudringen.Teltak wußte, daß es nicht allein um die Stadtsondern auch um sein Leben ging. Hondro würde ihnunnachsichtig bestrafen, wenn er jetzt versagte. Überdas Funkgerät des Gleiters befahl er weitereVerbände zum Kampfplatz. Nur eine kleinere Gruppeblieb bei der Schwimmhalle, um die Neutralisten inSchach zu halten.

»Es ist gefährlich hier« sagte Serton. »Wenn wirnicht landen, sollten wir uns etwas zurückziehen,Sir.«

Teltak konnte die Sorgen des Piloten verstehen.Aber er konnte jetzt auf die Gefühle dieses Manneskeine Rücksicht nehmen Notfalls mußte er eineNotlandung riskieren. Er wünschte, Hondro wärenicht nach Plophos abgereist. Die Anwesenheit desObmanns auf Greendoor hätte bedeutet, daß Hondrosich um alles gekümmert hätte. Teltak begann zubegreifen, daß er nur ein Strohmann Hondros war,unfähig, im entscheidenden Augenblick eine klareEntscheidung zu treffen.

Unter ihnen wälzten sich drei Drenhols über eineingefallenes Gebäude hinweg. Die ausgedehntenWurzeln der Bäume tasteten sich wie Riesenfingerüber die Trümmer. Ein Teil der Peitschenäste standin Flammen, doch das hinderte die Drenhols nicht amweiteren Vordringen. Mit tollkühnem Mut sprangendie Mannschaften mit den Flammenwerfern immerwieder in die Bahn der Bäume. Teltak wagte nicht,den Befehl zum Abwurf von Bomben zu geben. Erhätte dadurch die Bauwerke am Stadtrand gefährdet.

Serton zog den Gleiter so plötzlich hoch daßTeltak den Halt verlor und ein Stück aus dem Sesselrutschte.

»Paruppkas«, murmelte der Pilot zwischenzusammengebissenen Zähnen.

Teltak setzte sich wieder zurecht.Da wurde er vom Hauptquartier angerufen. Sein

Adjutant meldete sich.»Sir«, sagte der Mann aufgeregt. »Sie müssen

sofort zurückkommen.«Teltak sah das Unheil über sich hereinbrechen. Die

fürchterlichsten Gedanken durchzuckten sein Gehirn.Gewaltsam riß er sich zusammen. Serton beobachteteihn von der Seite. Er durfte sich vor dem Pilotennicht bloßstellen. Dadurch würde er jede Autoritätverlieren.

»Was ist geschehen?« fragte er beherrscht.»Ich ... ich weiß es nicht«, kam die unsichere

Antwort. »Es sieht so aus, als seien Neutralisteneingedrungen. Es kam zu Schießereien imRegierungsgebäude, aber wir konnten die Rebellenbisher nicht entdecken.«

Teltaks Gesicht verfärbte sich. Er fühltegrenzenlose Wut in sich.

»Wollen Sie damit sagen, daß Sie nicht imstandesind, eine Handvoll Neutralisten zurückzuschlagen?«

»Wir können sie nicht finden«, verteidigte sich derMann. »Bestimmt stellt sich alles als ein Irrtumheraus. Es kann sich auch um die Einzelaktion einesVerrückten gehandelt haben.«

Teltak glaubte nicht an einen Zufall in einersolchen Situation. In den verschiedenen Angriffensteckte Methode. Schwarzbart Breth hatte einen Plan.Der Angriff auf die Sendestation war nur ein Trickgewesen. Was aber bedeutete der Ansturm derPflanzen am Stadtrand?

Teltak fühlte sich hin und her gerissen. Er wußtenicht, was er jetzt unternehmen sollte. »Was ist mitden Gefangenen?« fragte er besorgt.

»Der Zusammenstoß geschah in den unterenEtagen«, berichtete der Adjutant des Vormanns. »Inden oberen Stockwerken ist alles ruhig.«

Erleichtert atmete Teltak auf. Was immer imRegierungsgebäude vorging, die Sicherheit derGefangenen schien nicht bedroht.

»Ich komme sofort zurück«, kündigte er an.»Versuchen Sie inzwischen herauszufinden, wo sichdie Eindringlinge versteckt halten.«

Er nickte Serton zu. Der Pilot änderte den Kurs,doch im gleichen Augenblick gab es einen Ruck, undder Gleiter begann zu schwanken, als sei er von einerWindströmung gepackt worden. Teltak hielt sich festund warf Serton einen bestürzten Blick zu. Der Pilotversuchte die Flugmaschine abzufangen, doch sieverlor an Höhe und trieb auf den Stadtrand zu.

»Was machen Sie da?« schrie Teltak außer sich.»Wir werden in den Dschungel stürzen.«

Verzweifelt bemühte sich Serton, die Kontrolleüber den Gleiter zurückzugewinnen.

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»Paruppkasamen«, sagte er knapp. »Es sieht soaus, als seien wir manövrierunfähig, Sir.«

Teltaks Augen umflorten sich. Er fühlte Übelkeitin sich aufsteigen. Er hatte Angst, nackte, panischeAngst. Er stieß Serton zur Seite und sprang auf. Wiewild riß er an den Steuergeräten. Der Gleiterreagierte mit wilden Sprüngen, ohne jedoch dieRichtung zu ändern.

Teltak sah eine quirlende Masse auf sichzukommen, das war der Wald, der sich unter ihnendrehte, als säßen sie in einem riesigen Karussell. Dasraubte dem Vormann die letzte Vernunft. Er stürztesich auf Serton. Überrascht trat der Pilot zurück, dochin der engen Kanzel konnte er dem Angriff desVormanns nicht völlig ausweichen.

»Sie sind ein Neutralist«, beschuldigte ihn Teltak.»Sie sollen mich umbringen.«

»Sie sind im Irrtum, Sir«, widersprach Sertonschnell. Fassungslos stand er dem Gefühlsausbruchseines Vorgesetzten gegenüber.

Teltak packte ihn an den Aufschlägen derUniform. »Los, reden Sie. Was haben Sie vor?«

Serton begann um sein Leben zu bangen. DerGleiter trudelte weiter in die Tiefe. Er würde inwenigen Minuten aufschlagen und explodieren, wennes Serton nicht gelang, an die Kontrollen zu kommen.

In einer zweiten Schleife kehrte die Maschine zumStadtrand zurück. Durch die Klarsichtkuppel sahSerton direkt in die brodelnde Hitze derFlammenwerfer. Fast schien es, als reichten dieFlammen bereits bis zu ihnen herauf. Ein ganzerHagel von Paruppkasamen prasselte auf den Gleiter.

Da kam Trat Teltak zur Besinnung. Er ließ vonSerton ab und taumelte in seinen Sitz zurück. Sertonschüttelte sich, als müsse er einen unsichtbarenDruck loswerden, und stürzte auf die Kontrollen zu.Nun waren beide Düsen von den Samen verstopft.Hastig schaltete Serton das Triebwerk aus. DieGefahr einer Explosion bestand, da die Gase keineMöglichkeit zum Entweichen hatten. Entschlossenklinkte Serton beide Düsenaustritte aus. Jetzt hatte erkeine Möglichkeiten, den Gleiter in der Luft zuhalten, aber die Gefahr einer Detonation war auf einMinimum verringert.

Die Maschine war über den Stadtrandhinweggeschwebt und taumelte nun über der Straßedahin. Unter ihnen rannten die Soldaten auseinander,um durch den zu erwartenden Absturz nicht verletztzu werden.

Sertons Gesicht war eine verzerrte Maske. Teltakwimmerte leise. Der Pilot sah die graue Wand eineshohen Gebäudes auf sich zukommen, doch wie durchein Wunder erhielt der Gleiter noch einmal Auftrieb.

Aus der Funkanlage kam die Stimme von TeltaksAdjutanten. Serton hörte nicht darauf. Das Prasselnder Flammen drang bis in die Kanzel herauf. Der

Gleiter näherte sich wieder dem Stadtrand. Sertonhielt den Atem an. Wenn sie über den Ring derFlammenwerfer hinwegschossen, waren sie verloren.Innerhalb von Sekunden würden die Drenhols dieKanzel aufsprengen und sie töten.

Ein konvulsivisches Zucken überzog SertonsGesicht. Er ahnte, daß er keine Zukunft besaß, auchwenn er den Absturz überlebte. Teltak würde nichtvergessen, daß der Pilot seine Schwäche erlebt hatte.Männer wie Teltak hatten es nicht gern, wenn mansie in solchen Situationen beobachtete.

Trotzdem zögerte der Pilot keinen Augenblickalles zur Rettung zu tun, was in seinen Kräften stand.

Der Gleiter verlor an Geschwindigkeit und senktesich in die Tiefe. Vor Serton türmte sich eine Wandbrennender Bäume auf. Der Gleiter schien direkthineinzurasen. Sertons Zunge fuhr über die sprödenLippen. Seltsamerweise empfand er keine Furcht. Daberührte die Maschine den Boden. Serton klammertesich fest. Als hätte er einen Schlag erhalten, hob sichder Gleiter noch einmal ab, prallte wieder auf undglitt aus Sertons Blickfeld, als zöge ein unsichtbarerRegisseur einen riesigen Vorhang zur Seite. Einzusammengefallenes Gebäude wurde sichtbar. DerGleiter drohte sich zu überschlagen, aber eingnädiges Schicksal ließ ihn vorher in einen Berg vonTrümmern rasen. Der Aufprall schleuderte Serton ausdem Sitz und warf ihn gegen die Kuppel. Teltaktaumelte quer durch die Kanzel. Ein durchdringenderSchmerz durchzog Sertons Nacken. Er riß sichzusammen. Blut rann über sein Gesicht. Von draußenhörte er das Schreien von Soldaten. Er blickte auf.Aus den Trümmern des Hauses stampften zweibrennende Drenhols auf den Gleiter zu. Das Bildschien einem Alptraum zu entstammen. Serton schrieauf und stürzte zum Ausstieg. Noch immer kam dieStimme des Adjutanten aus dem Funkgerät. DerMann im Regierungsgebäude schien vollkommenverwirrt zu sein. Der Ausstieg war verklemmt. Sertonfluchte. Er eilte zurück zum Pilotensessel und riß denEnergiestrahler aus dem Futteral.

Er zielte kurz und drückte ab. Etwas Dunkleshuschte über die Kanzel hinweg - der Peitschenarmeiner Drenhol. Zu beiden Seiten des Gleiters tratendie Flammenwerfer der herbeistürmenden Soldatenin Tätigkeit. Die Gluthitze von Sertons Strahlerzerschmolz das verklemmte Schloß des Ausstieges.Der Weg wurde frei. Um den Piloten herum war eineFlut von Geräuschen. Frische Luft strömte vondraußen herein. Der Gestank von brennendenPflanzen wurde von ihr mitgeführt. Serton taumeltehinaus, er sah kaum, wohin er trat. Zwei Soldaten derplophosischen Armee fingen ihn auf.

»Teltak ist im Gleiter«, stieß er mit schwererZunge hervor. Er hörte, wie Befehle geschrieenwurden, dann schleppte man ihn aus der

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Gefahrenzone. Zum erstenmal wurde er sich seinerUmgebung richtig bewußt. Er blickte zurück und sahden völlig zerstörten Gleiter, jetzt bereits in Flammengehüllt. Aus dem Qualm kam eine Gruppe vollSoldaten mit Teltak hervorgerannt.

Serton spürte, daß er am ganzen Körper zitterte. Ersehnte sich nach Ruhe, aber er ahnte, daß imAugenblick nicht damit zu rechnen war. Teltak rißsich aus den Armen seiner Retter los und kam aufSerton zu.

Jetzt passiert es, dachte Serton müde, und indiesem Augenblick wurde ihm die ganze unsinnigeStruktur der plophosischen Regierungsform bewußt,die Männer wie Teltak hervorbringen konnte.

Doch Trat Teltak sagte nur: »Wir müssen sofortzum Regierungsgebäude.«

Serton sah, daß der Vormann ernsthafteVerbrennungen davongetragen hatte. Einer derSoldaten übersprühte Teltak mit flüssiger Haut. ZweiBecher mit einer dampfenden Flüssigkeit wurdenherangebracht. Serton trank in kurzen Schlucken undfühlte die Müdigkeit von sich abfallen.

Er ahnte, daß Teltak von den gleichen Sorgengeplagt wurde, die auch ihn beschäftigten. Teltakhatte Hondro Rechenschaft abzulegen.

Teltak warf den Becher von sich und sammeltedreißig Soldaten um sich.

Er wußte, daß er sich im Augenblick amverkehrten Platz aufhielt, aber er wollte nichtsunversucht lassen, um den richtigen Schauplatz nochrechtzeitig zu erreichen.

Hinter ihnen ging der erbarmungslose Kampfgegen den vorrückenden Dschungel weiter. Eineriesige Rauchwolke hing träge über dem Stadtrandvon Zentral City. Die Natur schien gegen die Herrenvon Greendoor aufzustehen, um sich für dieNiederlage vergangener Jahrzehnte zu rächen.

*

»Wir müssen ausbrechen«, sagte Melbar Kasom.»Wie sollen wir hier herauskommen?« erkundigte

sich Pearton resigniert.»Wir brennen ein Loch ins Dach«, schlug Kasom

vor. »Dann versuchen wir durch den Schacht insnächste Stockwerk zu gelangen.«

»Der Lift wird durch ein Magnetfeld gefahren«,sagte Smitty. »Im Schacht befindet sich nichts, woranSie sich festhalten könnten.«

»Der Tragkorb kann nicht mehr weit vom nächstenStock entfernt sein«, sagte Kasom. »Wenn ich aufdem Dach stehe, können die Männer auf meineSchulter klettern und versuchen, den Ausgang derhöher gelegenen Etage zu erreichen.«

Die Neutralisten begannen über Kasoms Vorschlagzu diskutieren. Der Ertruser spürte, daß die meisten

für seinen Plan waren, es aber dem skeptischenPearton gegenüber nicht zugeben wollten. Schließlichunterbrach Smitty den Streit.

»Wir können es versuchen«, schlug er vor. »Zuverlieren haben wir nichts.«

Pearton stimmte zu. Sie kauerten sich auf demBoden des Lifts zusammen. Kasom und Smittynahmen die Decke unter Beschuß. Es war eingewagtes Vorgehen, denn das Dach sprühteauseinander, und alle Teile, die nicht verglühten,fielen über die Männer herab. Kasom hatte dasvorhergesehen und seinen Umhang über den Kopfgezogen. Schmerzensschreie wurden laut, dannschlugen die Männer um sich, um die Brände aufihrer Kleidung zu löschen. Einer der Rebellen wurdeso schwer verletzt, daß er starb, bevor das Dachausgeglüht war und es wieder dunkel wurde. Kasomschaltete Peartons Scheinwerfer ein und leuchtete indie Höhe. Die zackige Öffnung erschien ihm großgenug, um ihn durchzulassen. Er schaltete denMikrogravitator aus und sprang mühelos hinauf. Derschmale Rand, der noch geblieben war, genügte umden Ertruser zu stützen. Kasoms Beine bildeten nuneine Brücke über dem Tragkorb.

Unter ihm errichteten die Rebellen eine Pyramide.Dann konnte Kasom die ausgestreckten Hände desersten Mannes ergreifen und ihn hochziehen. Es warPearton. Kasom reichte ihm den Scheinwerfer. Dannstemmte er den Neutralisten hoch.

»Ich schaffe es«, sagte Pearton. Kasom sah, daßder Rebell sich an der Tür im oberen Stockwerkfesthielt.

»Können Sie öffnen?« fragte Kasom.»Ja«, stieß Pearton hervor. »Ich hoffe, daß wir dort

draußen nicht erwartet werden.« Er löschte dieLampe und drückte die Tür auf. Licht fiel in denSchacht. Kasom hielt den Atem an.

»Keine Gefahr!« rief Pearton leise.Kasom packte den nächsten Mann und stemmte

ihn in die Höhe. Pearton half dem Rebellen aus demSchacht heraus. Auf diese Weise gelang es ihnen, denLift zu verlassen. Kasom folgte zuletzt. Da derMikrogravitator nicht in Betrieb war, bedeutete es fürden Ertruser keine Schwierigkeit, die für ihn geringeSchwerkraft auszunutzen. Mit einem mühelosenSprung erreichte er den Ausgang und zog sichhinaus.

Sie befanden sich jetzt in einem langen Gang, derauf der rechten Seite in eine Halle mündete. Im Ganghielt sich niemand auf, aber aus der Halle klangStimmengewirr herüber. Links vom Lift führte dieTreppe weiter hinauf.

Pearton, der seine gewohnte Sicherheit raschwiedergewonnen hatte, deutete mit dem Lauf derWaffe zur Treppe.

»Der Weg scheint frei«, sagte er.

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Smitty humpelte vor ihnen her. Kasom schalteteden Mikrogravitator wieder ein. Erst jetzt fiel demErtruser auf, daß die Alarmanlage abgeschaltetworden war. Doch das hatte nichts zu bedeuten. MitSicherheit wußte Jetzt jeder Plophoser innerhalb desRegierungsgebäudes, daß etwas nicht stimmte.Kasom konnte sich lebhaft vorstellen, daß einefieberhafte Suche nach den Eindringlingen begonnenhatte. Er hoffte, daß die Verwirrung von HondrosTruppen so groß war, daß sie nicht an dasNächstliegende dachten: nämlich, alleTreppenaufgänge zu besetzen, nachdem der Liftabgeschaltet war.

Das Glück blieb ihnen jedoch treu. Ohneaufgehalten zu werden, drangen sie bis ins zehnteStockwerk hinauf.

Doch dann begannen die Schwierigkeiten. Vomelften Stockwerk kam ihnen eine Gruppeschwerbewaffneter Wächter entgegen. Die Männertrugen die blaue Uniform der »Blauen Garde« IratioHondros. Das rote V leuchtete auf den Jacken. Vbedeutete Victory, denn die Plophoser glaubten anihren Sieg und an ihre Vorherrschaft innerhalb derMilchstraße.

Die sieben Plophoser sahen die Rebellen imgleichen Augenblick, als sie von diesen bemerktwurden. Sie reagierten sofort. Blitzschnellverschwanden sie hinter den Kunststoffplatten, mitdenen das Treppengeländer verkleidet war, underöffneten das Feuer. Zwei Rebellen fielen unter denersten Schüssen.

Kasom nahm an, daß auch sie mindestens einenGegner hätten ausschalten können, bevor diePlophoser in Deckung gegangen waren. Allerdingshatten Hondros Männer den Vorteil, daß sie nur aufVerstärkung warten mußten, während dieEindringlinge auf jeden Fall weiter mußten um nichtvon einer Übermacht überrollt zu werden.

Durch den Verlust von zwei weiteren Männernwar Kasoms Truppe auf sieben Kämpferzusammengeschrumpft. Trotz ihrer gutenBewaffnung konnten sie sich gegen eine Übermachtnicht durchsetzen.

»Wir müssen den Aufgang stürmen«, flüsterteKasom Pearton zu.

»Das wäre Selbstmord«, gab der Neutralist zurück.Die Wächter zögerten noch immer die

Eindringlinge anzugreifen. Sie wußten, daß einoffener Kampf schwere Beschädigung des Gebäudeszur Folge haben würde. Wenn sie jedoch auf Hilfewarteten, konnten sie die Rebellen ohne großeVerluste überwältigen.

»Hier können wir nicht bleiben«, stellte nun auchSmitty kategorisch fest. Er griff in die Tasche undzog zwei runde Kapseln hervor. Mit einem Blinzelnüberreichte er sie Kasom.

»Können Sie die Dinger bis zur oberen Treppewerfen?« fragte er.

Kasom nickte. Die Kapseln waren unerwartetschwer, aber Kasom hätte sie bis zum anderen Endeder Stadt geworfen, wenn man es von ihm verlangthätte. Er zielte bedächtig und schleuderte die Kapselnin die Deckung der Wächter.

Kasom erwartete einen Lichtblitz oder eineExplosion, aber nichts geschah. Nachdem zweiMinuten verstrichen waren, erhob sich Smitty undwinkte den anderen zu.

Von unten drang Stimmengewirr zu ihnen herauf.Smitty humpelte vor ihnen her. Von der Halle

kamen einige Zivilisten herüber, aber sie zogen sichschreiend zurück, als sie die Rebellen erblickten.

Die Hondro-Männer mit den blauen Uniformenlagen bewußtlos auf den Stufen der Treppe, als dieNeutralisten dort ankamen.

»Schnell wirkendes Nervengas«, erklärte Smitty.»Inzwischen hat es sich verflüchtigt.«

Das Geschrei der Zivilisten schien die Soldaten inden unteren Etagen zu alarmieren. Alles deutetedarauf hin, daß sie jetzt mit Verfolgung von untenrechnen mußten.

Ohne auf weiteren Widerstand zu stoßen,gelangten sie bis ins siebzehnte Stockwerk.Einzelnen Wächtern, die sich ihnen entgegenstellten,blieb nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen.

In der achtzehnten Etage jedoch wurden sieerwartet. Der Treppenaufgang war verbarrikadiert.Mindestens zwanzig Plophoser hatten sich hinter derBarrikade verschanzt.

Der Lärm der Verfolger, die ihnen von untennachstürmten, wurde immer lauter. Eng gegen dieWand gepreßt, hielten die Rebellen an. Pearton undSmitty gesellten sich zu Kasom.

»Da kommen wir nicht durch«, sagte Pearton miteinem Blick nach oben.

Kasom schaute Smitty an. »Haben Sie nochGasbomben?«

Der Kontaktmann schüttelte den Kopf. SeinGesicht war grau vor Schmerzen. Aber- keinKlagelaut kam von seinen Lippen. Die Wächter imachtzehnten Stock schienen sie entdeckt zu haben,denn sie eröffneten ein wütendes Feuer auf dieEindringlinge, ohne jedoch einen Erfolg zu erzielen.Das Geschrei der Verfolger zeigte, daß man auf dieSchießerei aufmerksam geworden war.

Kasom erkannte, daß sie in einer Klemme saßen.Vor ihnen warteten etwa zwei Dutzend Verteidigernur darauf, daß sie die Rebellen ins Schußfeldbekamen - und hinter ihnen näherte sich eine Hordevon Angreifern.

9.

33

Die Alarmsirenen verstummten. UnheimlicheStille folgte. Es schien, als sei das Leben imRegierungsgebäude ausgestorben. Rhodan warsicher, daß irgend etwas passiert war, aber es gabkeine Anzeichen, die auf ein besonderes Geschehnishindeuteten. Vielleicht hatte es sich um einenProbealarm gehandelt.

Rhodans Gedanken beschäftigten sich in denletzten Tagen ausschließlich mit dem Imperium.Außer den Nachrichten, die ihnen Teltak zukommenließ, erfuhren sie nichts. Es schien, als wäre derEinfluß Terras innerhalb der Galaxis geschwunden.Nichts deutete darauf hin, daß Allan D. Mercant oderJulian Tifflor das Geschehen bestimmten.Wahrscheinlich war die solare Menschheit von derTodesnachricht wie gelähmt.

Rhodan war kein Mann, der aufgab, solange ernoch am Leben war, aber er war auch kein Phantast.Er war am Leben, aber Hondro hatte ihn mit derGiftinjektion gebunden.

Reginald Bull ging ruhelos im Zimmer auf und ab.Noir hatte sich wieder ins Schlafzimmerzurückgezogen, obwohl Teltak nach seiner Aussagedas Gebäude verlassen hatte. Rhodan glaubte nicht,daß der Hypno mit seinem Versuch Erfolg habenwürde. Man wußte um die Gefährlichkeit desMutanten. Rhodan war sich darüber im klaren, daß inregelmäßigen Abständen Kontrollen durchgeführtwurden, um zu verhindern, daß Noir seineparanormalen Kräfte einsetzen konnte.

Lediglich Atlan schien die jetzige Situationverhältnismäßig gut zu ertragen. Er sprach wenig undzeigte keine Anzeichen von Unruhe.

Rhodans Gedanken wurden von Geschreiunterbrochen, das von draußen hereindrang. Vor denTüren rannten Männer vorbei. Rhodan konnte nichtverstehen, was sie riefen, aber ihre Stimmen klangenerregt. Unruhe erfaßte den Großadministrator. Wasging Im Hauptquartier der Plophoser auf dieser Weltvor?

Schwere Gegenstände wurden auf dem Gang vorihrem Zimmer vorbeigeschleppt. Rhodan hörte dasSchleifen. Poltern und Rutschen von Lasten. Danachwurde es wieder ruhiger.

Wenige Minuten später folgte das charakteristischeZischen von leichten Energiewaffen. Jetzt kam auchin Atlan Leben. Er sprang auf und trat neben denlauschenden Bully an die Tür. Noir kam herüber undwarf Rhodan einen fragenden Blick zu.

»Da ist ein Kampf im Gange«, vermutete Bully.»Jemand scheint in das Hauptquartier eingedrungenzu sein.« Seine Augen blitzten. »Das müssen wirausnützen. Die Wächter haben jetzt andere Sorgen,als sich um uns zu kümmern.«

Er blickte sich suchend im Raum um. Dann packteer einen schweren Stuhl und begann damit auf die

Tür einzuschlagen. Es gab hohle, dumpfe Geräusche,doch das Material erwies sich als widerstandsfähig.

Er warf den Stuhl von sich, trat mehrere Meterzurück und warf sich mit vollem Lauf gegen die Tür.Er prallte zurück, ohne die geringste Wirkung erzieltzu haben.

Da wurde eine andere Tür aufgerissen. Einer derWächter kam herein. Aus seinem Gesicht leuchteteZorn. Er trug eine Handfeuerwaffe, die er jetztdrohend auf die Gefangenen richtete.

»Verhalten Sie sich ruhig, wenn Ihnen Ihr Lebenetwas wert ist«, rief er ihnen zu. Dann verschwand erwieder, und die Tür schlug zu.

Rhodan zog den widerstrebenden Bully von derTür weg. »Es hat keinen Sinn«, sagte er. »Wirmüssen warten, was jetzt geschieht.«

Er hatte genau gesehen, daß der Wächter Angsthatte. Sein Selbstbewußtsein war erschüttert.Unbekannte hatten das Hauptquartier angegriffen.Die Gefangenen konnten jedoch nur abwarten.

Rhodan wurde immer unruhiger. Seine Ahnung,die ihn bisher selten getrogen hatte, sagte ihm, daßder Kampf etwas mit ihnen zu tun hatte.

Atlan kam langsam zu ihm herüber. In seinemGesicht lag ein merkwürdiger Ausdruck.

»Ich habe mir gerade gewünscht, daß es keineFreunde von uns sind, die ins Regierungsgebäudeeingedrungen sind«, sagte er matt.

Rhodan blickte ihn verblüfft an.»Es würde uns bestimmt schwerfallen, sie davon

zu überzeugen, daß wir nicht mit ihnen gehenkönnen«, fuhr der Arkonide fort.

Allmählich begriff Rhodan, worauf Atlanhinauswollte.

»Du meinst ...«, setzte er an.Atlan nickte. »Wir müssen in jedem Fall

hierbleiben, um die lebenswichtige Gegeninjektionzu erhalten.«

Rhodan straffte sich. »Ich würde trotzdem fliehenwenn sich eine Gelegenheit böte«, sagte erentschlossen. »Auch unsere Mediziner habengenügend Erfahrung, um ein Gegenmittel zu finden.«

»Die Frage ist nur, ob ihnen das rechtzeitiggelingt«, entgegnete Atlan mit nicht zuüberhörendem Spott. »Da du jedoch Terraner bist,Barbar, verstehe ich dich. Ihr könnt überhaupt nichtanders handeln.«

Eine Explosion unterbrach ihre Unterhaltung. DerRaum vibrierte.

Atlan lächelte.»Es sieht so aus, als sei der Kampf auf dem

Höhepunkt angelangt«, sagte er gelassen.Rhodans Spannung stieg. Er fühlte, daß eine

schicksalhafte Wende bevorstand. Er wollte nichtdaran glauben, daß die Zeit terranischerVorherrschaft vorüber war. Solange er atmete, würde

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er für die Menschheit kämpfen. Das konnte Atlannicht verstehen. Der Arkonide war ein Mann ohneVolk, verachtet von seiner eigenen Rasse, geduldetvon den Terranern. Er war und blieb einEinzelgänger, ein Wanderer durch die Zeiten, der beiallem kämpferischen Mut doch ein Philosoph blieb.

Der Kampflärm schien sich jetzt in Richtung ihresRaumes zu verlagern. Rhodan fragte sich, wer zuihnen hereinkommen würde: Freunde oder Feinde. Ervermutete, daß er es in wenigen Minuten erfahrenwürde.

*

Peartons Gesicht schien noch eine Spur hagerer zuwerden, als er die Treppe hinabblickte. Für Kasomwar es einfach sich in die Gedanken des Rebellen zuversetzen. Pearton hatte jetzt den sicheren Tod vorAugen, und er starb für Menschen, die ihmwahrscheinlich gleichgültig waren.

Die Verfolger waren bereits im unteren Stockwerk.Nach dem Lärm zu schließen, handelte es sichmindestens um zwanzig Männer, die heraufkamen.

Smitty zog ein kurzes Rohrstück aus der Tasche.»Ich hatte gehofft, daß wir es vermeiden könnten«,

sagte er zu Kasom. »Doch jetzt bleibt uns keineandere Wahl.«

Er drehte an einem kleinen Stellrad am Ende desRohres und lehnte sich über das Treppengeländer.Kasom sah, daß er das Rohr einfach in die Tiefefallen ließ.

»Hinlegen!« schrie Smitty und kauerte sich auf derTreppenstufe zusammen.

Zwei Sekunden später erfolgte die ExplosionKasom dachte für einen Moment, daß das Gebäudeunter ihnen zusammenbrechen würde. Eingrellweißer Lichtblitz blendete ihn. Die Treppeerzitterte, die großen Fenster dröhnten wie eineüberdimensionale Trommel und brachen dannklirrend auseinander. Verputz und Kunststoffbrockenwirbelten durch die Luft.

»Eine Bombe, Sie Wahnsinniger«, knirschtePearton und kroch über die Stufen auf Smitty zu.»Wollen Sie uns alle umbringen?«

Smitty zog sich am zerfetzten Treppengeländerhoch. Staub und Rauch quollen zu ihnen heraufKasom stand auf und warf einen Blick über dasGeländer. Ein Teil des Aufganges warauseinandergerissen worden. Der größte Teil derStufen bestand nicht mehr. Die Wände warenschwarzgefärbt und wiesen Risse auf. Kasom sah toteWächter zwischen den Trümmern liegen.

Der Ertruser wandte sich ab. Einer der Rebellenwar durch ein Trümmerstück tödlich getroffenworden. Smitty hatte jedoch einen weiteren Aufschubfür die Überlebenden errungen.

Die Wirkung der Explosion hatte den Rebellenweitaus mehr geschadet als dem kräftigen Kasom.Zwei Männer waren verletzt, die anderen wirktenbenommen. Pearton ließ keinen Zweifel daran, daß ermit Smittys Maßnahme nicht einverstanden war.

Smitty ließ den Wortschwall Peartons mitausdruckslosem Gesicht über sich ergehen.

»Hondros Männer werden jetzt nicht mehr vordem Einsatz schwerer Waffen zurückschrecken«,sagte Pearton wütend.

»Sofern sie welche haben«, entgegnete Smitty.Kasom unterbrach den Streit der beiden

Neutralisten. »So kommen wir nicht weiter«, sagte erbarsch. »Wir müssen an den Barrikaden dort obenvorbei, bevor Verstärkungen eintreffen.«

»Vielleicht hat Smitty noch eine Bombe«, höhntePearton.

»Leider nicht«, murmelte der Agent.Kasom blickte zum oberen Stockwerk hinauf Das

Geländer führte neben der Treppe im rechten Winkelweiter. Die Höhe des Geländers betrug über einenMeter. Von ihrem Standort war es sieben Meterentfernt. Kasom befestigte die Waffe an seinemGürtel.

Er war entschlossen, die letzteVerteidigungsstellung zu durchbrechen.

»Was haben Sie vor?« erkundigte sich Smitty.»Geben Sie mir Feuerschutz«, ordnete Kasom an.

»Sie müssen diese Burschen dort oben sobeschäftigen, daß sie nicht hinter sich blicken. Ichwerde versuchen, bis zum Geländer zu springen.«

Smitty warf einen skeptischen Blick in die Höhe.»Das sind mindestens sieben Meter, Kasom«, gab erzu bedenken.

»Das Geländer ist abgesetzt«, sagte Kasom. »Ichkann mich in fünf Meter Höhe am Deckenvorsprungfesthalten. Dann ziehe ich mich hoch, schwinge michüber das Geländer und greife die Verteidiger von derSeite her an.«

Kasom war sich darüber im klaren, daß es ihm nurmit größter Anstrengung gelingen konnte, dieseWorte in die Tat umzusetzen. Es war jedoch dieeinzige Chance, die Plophoser dort oben zubezwingen.

Ruhig schaltete Kasom den Mikrogravitator aus.Die Rebellen drangen einige Stufen weiter vor underöffneten das Feuer aus ihren Energiewaffen.Höhnisches Gelächter kam als Antwort von oben.Die Temperatur stieg an. Kasom machte einigekleinere Sprünge. Das Dröhnen der Waffen summtein seinen Ohren. Der mächtige Körper des Ertrusersspannte sich wie eine Feder. Jetzt erwiderten dieVerteidiger den Beschuß. Das Treppenhaus schienaufzuglühen. An den Wänden tanzten unzähligeFlämmchen. Die Plastikverkleidung desTreppengeländers begann zu zerschmoren.

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Kasom drückte sich vom Boden ab. Er hatte alleKraft in diesen Sprung gelegt Hoch streckte er beideArme aus.

Wenn er es nicht schaffte, würde er zurückstürzenund sich das Genick brechen. Die Hitze wurdeunerträglich. Da packte Kasom zu. Beide Händekrallten sich in den Vorsprung, saugten sich förmlichdaran fest. Doch Kasoms Handflächen warenschweißnaß, und er drohte abzurutschen. So hing erschwankend - zwischen Leben und Tod. Er wußte,daß die Rebellen gebannt zu ihm heraufstarrten, daßsie darauf warteten, daß er den Halt verlor undabstürzte. Doch ihre Waffen verstummten nicht.

Kasom biß die Zähne aufeinander. Zentimeter umZentimeter zog er seinen schweren Körper hoch. Esgelang ihm, den oberen Rand mit einer Hand zuumfassen. Der Rest war für ihn ein Kinderspiel. Jetztkam es nur darauf an, daß er nicht entdeckt wurde.

Er schwang sich übers Geländer und landete aufdem Hauptgang des achtzehnten Stockwerks. Nurzehn Meter von ihm entfernt, genau hinter demTreppenaufgang, hatten sich die Plophoserverschanzt. Kasom sah ihre verbissenen Gesichter,als er sich hinter das Geländer duckte. DieAufmerksamkeit der Soldaten war auf das Geschehenim unteren Stockwerk gerichtet.

Da wandte sich einer der Männer um und blicktedirekt zu Kasom herüber. Ein unerklärlicher Instinktschien ihn gewarnt zu haben. Als er den riesenhaftenMann in unmittelbarer Entfernung am Boden kauernsah, war er so überrascht, daß er nicht reagierenkonnte Sein Unterkiefer fiel nach unten, seine Augenrundeten sich.

Kasom wußte, daß sein Leben verspielt war, wenner jetzt einen Fehler beging. Doch er war inunzähligen Kämpfen erprobt und blieb kühl bis ansHerz.

»Smitty!« schrie er.Die Köpfe der Plophoser flogen herum. Da sprang

Kasom wie ein Tiger mitten unter sie. Ohne dieWirkung des Mikrogravitators wurde Kasom durchdie Schwerkraft Greendoors kaum gehindert. Eineinziger Satz konnte ihn zwanzig Meter weitdavontragen.

Die Wirkung einer Bombe hätte nichtfürchterlicher sein können als das AuftauchenKasoms mitten unter den Wächtern. Kasoms langeArme packten drei der Plophoser und schleudertensie zu Boden, bevor Hondros Männer begriffen, wasum sie herum vorging.

Von unten kamen die Rebellen heraufgestürmt.Die Soldaten wichen vor Kasom zurück, um auf ihnschießen zu können, ohne Männer aus dem eigenenLager zu gefährden.

Pearton schrie wie ein Indianer, als er sich über dieBarrikade schwang und seine Waffe als Keule

benutzte. Ein Schuß blitzte auf. Vier Plophoserumklammerten Kasom und wollten ihn zu Bodenziehen. Der Ertruser schüttelte sie mit einer kurzenKörperdrehung ab.

Ein Blick zeigte ihm, daß hinter Pearton dieanderen Neutralisten über die Barrikaden kamen.Smittys dicker Körper wurde sichtbar. Der verletzteAgent schrie: »Kümmern Sie sich um dieGefangenen, Kasom.«

Kasom begriff blitzschnell. Sie mußten dieVerwirrung der Plophoser ausnutzen. Er ließ von denSoldaten ab und war mit zwei Sprüngen im Gangverschwunden. Schüsse, die man ihm nachschickte,verfehlten ihn um mehrere Meter.

Hinter ihm ging der Kampf weiter. Er durfte jetztnicht an die Rebellen denken, die noch immer einerÜbermacht gegenüberstanden. Die ersten Türentauchten auf. Er versuchte sich Smittys Beschreibungin die Gedanken zurückzurufen.

Schließlich erreichte er die Türen, hinter denen erRhodan vermutete Wie er erwartet hatte, waren sieverschlossen. Kasom riß seine Waffe aus dem Gürtelund zerschoß die Absicherungen.

Dann trat er zurück und warf sich mit voller Wuchtgegen die Tür. Sie barst auseinander, und Kasomwurde mit ihren Trümmern in den Raumhineingeschleudert. Er kam zu Fall und schlitterte einStück über glatten Boden.

Als er aufblickte, starrte er genau in das vorErregung gerötete Gesicht von Reginald Bull.

»Warum, zum Teufel, klopfen Sie nicht an?«erkundigte sich Bully.

*

Perry Rhodan überwand seine Überraschungschnell. Er hatte nicht geglaubt, daß der Ertruser nocham Leben war Bully half dem USO-Agenten auf dieBeine. Kasom blickte sich im Raum um. Er wirkteerleichtert.

»Ich bin froh, Sie alle noch am Leben zu sehen«,sagte er stoßweise. »So hat der Kampf doch einenSinn bekommen.«

»Wie kommen Sie hierher, Kasom?« fragteRhodan, der sofort auf das Wesentliche einging. Eswar ihm klar, daß auch ein Mann wie Kasom nichtohne Hilfe ins Hauptquartier Hondros auf Greendooreindringen konnte.

»Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen, Sir«,sagte Kasom entschuldigend. »Die Neutralistenhaben mir geholfen. Sie bilden eineWiderstandsgruppe gegen Hondro. Doch jetztmüssen wir fliehen, bevor die Wächter Verstärkungerhalten.«

Rhodan packte Kasom am Arm. »Sind Sie darüberinformiert, daß man uns mit dem gleichen Gift

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verseucht hat das bereits bei Andre Noir angewendetwurde?«

»Ja, Sir«, bestätigte Kasom. »Die Rebellen habenmir versprochen, daß sie versuchen, uns bei derBeschaffung des Gegenmittels zu helfen.«

An der Tür entstand ein Geräusch. Kasom fuhrherum. Pearton kam in den Raum getaumelt. Seinrechter Arm hing leblos herunter. Der Blick seinerAugen war ausdruckslos. Bully wollte mit einemStuhl auf den Neutralisten losgehen, doch Kasomhielt ihn mit einer Handbewegung zurück.

»Sie sind alle tot«, sagte Pearton ausdruckslos.»Smitty hält am Treppenaufgang Wache. Wir müssenuns beeilen.«

Rhodan übersah die Lage mit einem Blick. DieserMann war einer der Rebellen, die Kasomunterstützten. Sie hatten keine Zeit zu verlieren.

»Führen Sie uns«, sagte er zu Kasom.»Halt!« rief da Atlan.Kasom, der bereits aus der Tür getreten war, kam

zurück. Er blickte zum Chef der USO hinüber, derinmitten des Raumes stand.

»Ich fliehe nicht«, erklärte der Arkonide. »Es istvollkommen sinnlos, wenn wir Kasom folgen. Inspätestens drei Wochen werden wir zurückkehrenund Hondro um das Gegenmittel anflehen.«

Pearton starrte Kasom fassungslos an.»Ist er verrückt?« fragte er tonlos.»Du kannst jetzt nicht hierbleiben. Freund«,

mischte sich Rhodan ein. »Selbst wenn du gegen eineFlucht bist, kannst du uns nicht allein mit Kasomgehen lassen. Hondro würde dich benutzen, um unszu erpressen.«

Atlan lächelte schwach. »Das hat er nicht nötig,denn ihr werdet ohne sein Zutun zurückkommen.«

Rhodan erkannte entsetzt, daß der Arkonide einenunumstößlichen Entschluß gefaßt hatte. Atlan warnicht gewillt, diesen Raum zu verlassen. Es warsinnlos, noch weiter mit Atlan zu diskutieren. DerArkonide war ein brillanter Logiker, und er hieltFlucht für aussichtslos.

Kasom ging langsam auf den Arkoniden zu.»Sollte unsere ganze Anstrengung umsonst

gewesen sein, Sir?« fragte er aufgebracht.»Vergessen Sie nicht, daß Hunderte von Männerngestorben sind, um mir zu ermöglichen, in diesesZimmer einzudringen. Sollen sie sich sinnlosgeopfert haben?«

»Ich bedauere ihren Tod«, erklärte Atlangemessen. »Aber ich denke nicht daran, etwas nochviel Sinnloseres zu tun.«

Nur Rhodan sah den blitzschnellen Schlagkommen, den Kasom gegen die Kinnspitze Atlansführte. Für den Arkoniden kam dieser Angriff völligunerwartet. Er sank in sich zusammen, Kasom ludihn auf die Schulter.

»Er wird mich dafür verurteilen«, sagte derErtruser, »aber ich kann nicht anders handeln.«

»Ich übernehme die Verantwortung für IhreHandlung, Kasom«, sagte Rhodan impulsiv.

Sie verließen den Raum. In der Tür brach Peartonzusammen. Er gab keinen Laut von sich. Rhodanbeugte sich zu dem hageren Rebellen hinab.

»Gehen Sie«, murmelte Pearton. »Für mich sindSie ein Fremder. Ich schätze Sie nicht. Rhodan.«

»Ich glaube, ich kann Sie verstehen«, sagteRhodan und richtete sich auf. Der Mann vor ihmstarb, aber er hielt seinen Tod für sinnlos. Kasomkam heran. Mühelos trug er Atlan auf der Schulter.Er blickte auf Pearton herunter.

»Wir nehmen Sie mit«, entschied er.»Rühren Sie mich nicht an«, knurrte Pearton.

»Verschwinden Sie jetzt mit Ihren Freunden.«Kasom kümmerte sich nicht um den Protest des

Schwerverletzten. Er lud ihn auf die andere Schulter.Dann gingen sie davon. Die Barrikade amTreppenaufgang war nur noch ein Trümmerhaufen.Smitty hockte auf der obersten Treppenstufe. Er hatteein Bündel Waffen eingesammelt.

Er verteilte sie an Rhodan, Bully und Noir. Kasomwagte nicht, nach den anderen Rebellen zu fragen.Überall zwischen den Trümmern lagen Tote.

»Wo ist der vierte Gefangene?« erkundigte sichSmitty, der offenbar den bewußtlosen Atlan nichterkannte. Kasom tippte gegen Atlans Rücken. Smittywar zufrieden.

Er übernahm die Spitze. Rhodan, Bully und Noirfolgten. Jeder von ihnen trug jetzt zwei Waffen.Kasom spürte die Last der beiden Männer auf seinenSchultern kaum. Es war ihnen gelungen, dieGefangenen zu befreien. Sie in Sicherheit zu bringen,würde sich kaum als leichter erweisen. Kasom gabsich nicht der trügerischen Hoffnung hin, daß sieohne Zwischenfall bis zum Schacht gelangenkonnten.

Irgendwo im Gebäude hielten sich noch weitereSoldaten auf. Außerdem konnten jeden AugenblickVerstärkungen eintreffen. Sie erreichten den durchdie Explosion von Smittys Bombe zerstörtenTreppenabschnitt. Sie kletterten über die Trümmerhinweg. Smitty mußte von Rhodan dabei gestütztwerden, denn seine Verletzung machte ihm zuschaffen. Atlan kam zu sich, als Kasom die Trümmerüberwunden hatte.

»Lassen Sie mich los, Sie Narr«, sagte er zuKasom.

Kasom schluckte. Einen Augenblick war erunschlüssig, wie er sich verhalten sollte.

Dann sagte er: »Ich kann Sie nur loslassen, wennSie nicht die Absicht haben, die Flucht zuunterbrechen.«

»Sie ertrusischer Dickschädel«, knurrte Atlan, aber

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es lag kein Zorn in seiner Stimme. Mit einemerleichterten Seufzer ließ Kasom den Arkoniden aufden Boden gleiten. Atlan holte Rhodan ein und ließsich ebenfalls eine Waffe geben. Lächelnd massierteer sein Kinn.

»Kasom handelte auf meinen Befehl«, erklärteRhodan sarkastisch.

»Er praktizierte wohl die demokratische Methodeder Terraner, den eigenen Willen durchzusetzen?«erkundigte sich Atlan mit mildem Spott.

Rhodan mußte lachen. Er spürte, daß sich Atlannicht länger gegen die Flucht sträubte.

Vor ihnen humpelte der dicke Plophoser die Stufenhinunter. Der Neutralist schien der letzte Mann vonKasoms Helfern zu sein, der noch einsatzfähig war.

Rhodan fragte sich, ob sie kräftig genug waren, umdie Flucht fortzusetzen. Kasom und der Dickemachten einen erschöpften Eindruck.

Zum zweiten Mal brachen sie aus derGefangenschaft der Plophoser aus. Was würde IratioHondro sagen, wenn ihnen die Flucht gelang?Rhodan konnte sich vorstellen, daß der Obmann nurspöttisch lachen würde. Das Gift in ihren Körpernmußte die Gefangenen zwangsläufig zur Rückkehrnach Zentral-City zwingen.

10.

Vor dem Portal des Regierungsgebäudes hatte sicheine große Anzahl von Bewohnern Zentral-Citysversammelt. Das Stimmengewirr deutete auf dieErregung der Menschen hin. Die Straße vor HondrosHauptquartier auf Greendoor war mit Glasscherbenbedeckt. Im siebzehnten, achtzehnten undneunzehnten Stockwerk waren die Fensterherausgebrochen und auf die Straße gefallen. Rauchdrang aus den Öffnungen und zog träge zum Dachhinauf.

Eine Gruppe von Soldaten hatte den Haupteingangabgesperrt.

Fassungslos starrte Trat Teltak auf dieses Bild, alser mit seinen Begleitern in die Hauptstraße einbog.Jetzt wußte er, woher die Explosion gekommen war,die er vom Stadtrand aus gehört hatte. Alles deutetedarauf hin, daß die Neutralisten einen Angriff auf dasRegierungsgebäude von Zentral-City gewagt hatten.

Die Tatsache, daß vor dem Portal Angehörige derArmee patrouillierten, konnte Teltak nicht beruhigen.Die Explosion war allem Anschein nach in der Näheder achtzehnten Etage erfolgt, also dort, wo man dieGefangenen untergebracht hatte. Teltak fühlte, daßsich sein Magen zusammenkrampfte. Er vergaß dieSchmerzen, die ihn seit dem Absturz mit dem Gleiterplagten.

Er war auf das Schlimmste gefaßt. Mit unsichererStimme trieb er seine Männer zu größerer Eile an.

Die Menge teilte sich, als sie Teltak erkannte Eswurde ruhig. Teltak fühlte mehrere hundertAugenpaare auf sich gerichtet. Er ging durch dieGasse, die sich vor ihnen öffnete.

Einer der Posten, ein blutjunger Leutnant derPolizei, kam ihm entgegen. Teltak sah sofort, daßdieser Mann verwirrt war, die Ereignisse hatten ihnüberfordert.

Teltak blieb stehen. Er glaubte die Anspannung derMenge zu fühlen, die auf jedes Wort lauschte, dasnun fallen würde.

»Was ist passiert?« fragte der Vormann mitschwacher Stimme. Er hatte fest sprechen wollenaber seine Kehle war wie zugeschnürt.

»Es ist den Neutralisten irgendwie gelungen, insHauptquartier einzudringen, Sir«, berichtete derLeutnant unglücklich.»Es kam zu heftigen Kämpfen,über deren Ausgang ich nicht unterrichtet bin. Wirhielten es für besser, den Eingang zu bewachen,damit wir Flüchtlinge abfangen können.«

Teltak hätte nicht anders gehandelt als derLeutnant. Doch das junge, verstörte Gesicht reizteihn. Er hatte Mühe, seine Gefühle zu beherrschen. Erhatte das Bedürfnis, dem Polizisten ins Gesicht zuschlagen und ihn anzuschreien. Aber er tat es nicht.

»Wenn die Gefangenen entflohen sind, werden Sieund Ihre Kameraden vor Gericht gestellt«, sagte ermit rauher Stimme.

Der Leutnant salutierte und machte ihm Platz.Teltak winkte seinen Männern. Die Posten rissen diegroßen Türen auf. Hinter dem Vormann bewegte sichdie Zuschauermenge unruhig. DasStimmengemurmel schwoll wieder an.

Teltak sah, daß es in der Empfangshalle zuSchießereien gekommen war. Im eigentlichenEmpfangsraum hielten sich die Angestellten auf. Siebeobachteten die Ankunft des Vormanns mitverstörten Gesichtern. Teltak haßte sie für ihreHilflosigkeit, obwohl er genau wußte, daß auch ernichts unternehmen konnte, um das Geschehenrückgängig zu machen.

Er führte seine Männer zum Lift, wo ein einzelnerSoldat postiert war. Unter Teltaks wilden Blickenschmolz der Mann förmlich zusammen.

»Warum funktioniert der Lift nicht?« fuhr ihn derVormann an.

»Wir haben den Generator abgestellt. Sir«,stotterte der Soldat. »Wir wollten vermeiden, daß dieRebellen den Aufzug benutzten.«

»Wo sind die Neutralisten?« fragte Teltak.»In den oberen Stockwerken wurde bis vor

wenigen Augenblicken gekämpft, Sir.«Teltak befahl den Männern im Empfangsraum, den

Lift in Betrieb zu nehmen. Ungeduldig wartete er, bisder Tragkorb erschien und die Tür aufglitt. Ein Toterin zerlumpter Kleidung fiel ihnen entgegen. Auf dem

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Boden des Lifts lagen die Überreste derTragkorbdecke. Zwei Soldaten trugen den totenRebellen davon.

Teltak inspizierte den Lift.Er sah das zerschmolzene Dach.»Sie waren hier drin«, stellte er fest.»Jedenfalls

hielten sich einige im abgestellten Lift auf. Irgendwieist es ihnen gelungen, aus ihm herauszukommen.Keiner dieser Narren hat daran gedacht, hier nachihnen zu suchen.«

Man sah dem Posten an, daß er am liebsten imErdboden versunken wäre.

Teltak rief seine Begleiter in den Tragkorb und gabden Befehl, den Lift zu starten. Im achtzehntenStockwerk verließ er den Aufzug. Seine Blicke fielendirekt auf die Trümmer der zerstörten Barrikade amTreppenaufgang. Dann sah er die toten Soldaten.Seine düstersten Vermutungen schienen von derWirklichkeit noch übertroffen zu werden.

Eine Tür, die zum Zimmer der Gefangenen führte,stand weit offen. Teltak ahnte, was ihn erwartete.Aber er mußte sich persönlich vom Ausmaß dieserKatastrophe überzeugen. Er stolperte in den Raumhinein. Die zerstörte Tür lag am Boden. DieGefangenen waren verschwunden.

Trat Teltak schwankte. Ausgerechnet jetzt fielenihm die Worte des ehemaligen Leibwächters ein, dener vor Rhodans Augen hatte umkommen lassen. DerSterbende hatte ihm prophezeit, daß er eines Tagessein Schicksal teilen würde.

Die Soldaten beobachteten den Vormann. Jedervon ihnen wußte, was in den Gedanken Teltaksvorging. Auch ihnen standen harte Strafen bevor.

»Sie müssen noch irgendwo im Gebäude sein«,sagte Teltak langsam, als erwache er aus einemlangen Schlaf. »Sie dürfen nicht entkommen.«

Da drang ein schriller Schrei von den unterenEtagen an Teltaks Ohren. Mit einem Schlag begriffer, was geschehen war. Während er mit den Soldatenim Lift nach oben gefahren war, hatten die Rebellenzusammen mit den befreiten Gefangenen über dieTreppe die Empfangshalle erreicht. Bestürzt erkannteTeltak seinen weiteren Fehler. Anstatt seine Gruppezu teilen und eine Hälfte über die Treppe nach obenzu schicken, hatte er sie im Lift zusammengepfercht.Inzwischen waren die Angreifer bereits untenangekommen. Die wenigen Männer am Portalkonnten sie nicht aufhalten.

»Zurück!« schrie Teltak. »Los! Zum Lift!«Kostbare Sekunden verstrichen, bis sie den Aufzug

besetzt hatten. Teltak wartete nicht auf die letztenMänner. Ohne zu zögern, ließ er den Tragkorb in dieTiefe gleiten. In der untersten Etage stürzten sieheraus. Wild gestikulierend kamen die Zivilisten ausdem Empfangsraum gerannt. Gleich darauf entdeckteTeltak die Posten. Sie lagen direkt neben dem Portal.

Ohne Deckung hatten sie gegen die plötzlichauftauchenden Rebellen keine Chancen gehabt.Teltak handelte wie im Fieber. Er packte denvorderen der Zivilisten am Kragen und schüttelte ihn.

»Wo sind sie?« schrie er mit sich überschlagenderStimme.

»Im Lastenaufzug«, brachte der entsetzte Mannhervor. »Die Posten konnten sie nicht aufhalten. Siesind gut bewaffnet.«

Teltak stieß den Mann von sich. Ironie desSchicksals, daß ausgerechnet er den Befehl gegebenhatte, den Generator wieder in Betrieb zu nehmen,der die Magnetfelder der beiden Aufzüge mit Energieversorgte. Jetzt waren die Flüchtlinge bereits imLagerschuppen. Aber noch konnten sie die Rebelleneinholen. Vom Lager aus blieben den Eindringlingennicht viele Fluchtmöglichkeiten. Neue Hoffnungdurchströmte Trat Teltak.

Vielleicht hatten sich die Gegner selbst in eineFalle begeben. Er drückte die Taste, die den Aufzugzurückholen sollte. Ungeduldig wartete er auf dieAnkunft des Transportlifts.

Wenig später fuhr er mit einem Dutzend Soldatenin die Tiefe. Sie stürmten aus dem Tragkorb, kaumdaß der Lift hielt. Am Förderband vorüber ranntensie durch den Gang.

»Kriecht durch die Öffnung, durch die das Bandführt«, befahl Teltak.

Das Lager war der einzige Fluchtweg, der denRebellen von hier aus blieb. Aber vom Lager auskonnten sie nur nach Zentral-City vorstoßen Dortkonnte man sie leicht überwältigen.

Als dritter Mann gelangte Teltak in den Schuppen.Unberührt von den Geschehnissen gingen dieRoboter ihrer Arbeit nach. Suchend blickte sich derVormann um.

Er sah die umgestoßenen Kistenstapel. Sollten sichdie Gegner dort versteckt haben?

»Ergebt euch!« rief er hysterisch. »Es ist vorbei!«Nichts rührte sich. Die Rebellen schienen sich in

Luft aufgelöst zu haben. Mit einem Blick zurückvergewisserte sich Teltak, daß jetzt alle Soldaten imSchuppen waren.

»Räuchert sie aus!« befahl er. »Verteilt euch!«Sie umzingelten die Kisten, aber sie trafen auf

keinen Widerstand. Dann wurde Teltak von einemder Männer gerufen. Er rannte zwischen den Stapelnhindurch und blickte fassungslos auf das nur halb mitBrettern zugedeckte Loch, das in den Boden führte.Allmählich begriff er die Wahrheit. Die Neutralistenhatten etwas Unmögliches vollbracht: VomDschungel aus hatten sie einen Tunnel direkt unterdas Regierungsgebäude vorgetrieben. Durch diesenGang waren sie nun geflüchtet. Teltak fühlte, wie dieSchwäche ihn zu übermannen drohte.

»Wir müssen hinter ihnen her«, ordnete er an.

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Als sich der erste der Plophoser in das Lochschwingen wollte, erfolgte die Explosion.

Der Mann wurde zurückgeschleudert. Der Bodenvibrierte. Die Kistenstapel fielen in sich zusammen.Teltak verlor den Halt und stürzte zu Boden.

Sie haben den Tunnel gesprengt, dachte er. Siewollen eine weitere Verfolgung verhindern.

Jemand beugte sich über ihn und zog ihn hoch.Seine Niederlage war vollkommen.

Es ist alles aus, dachte er.»Sind Sie verletzt, Sir«, sagte eine Stimme wie aus

einem dichten Nebel. Willenlos ließ er sichwegführen.

In zwölf Tagen war seine Gegeninjektion fällig.Teltak erschauerte. Ein Mann konnte viele Fehlerbegehen. Er, Teltak, hatte den schlimmsten von allenbegangen und war einem entsetzlichen Irrtum zumOpfer gefallen.

Er hatte seine Freiheit verkauft.

*

»So«, sagte Smitty zufrieden. »Jetzt können sieeinige Monate graben, bevor sie den Schachtfreigelegt haben. Bis dahin haben wir längst alleSpuren verwischt.«

Auch jetzt, nach der Sprengung, erschien es PerryRhodan wie ein Wunder, daß es ihnen gelungen war,das Regierungsgebäude zu verlassen. Die Plophoser,die sie in der Nähe des Hauptausganges angegriffenhatten, mußten ihren Versuch mit dem Lebenbezahlen. Als sie dann in den Schacht eingedrungenwaren, hatte Rhodan begriffen, wieso es überhauptmöglich war, daß Kasom mit so wenigen Männernbis zu den Gefangenen hatte vorstoßen können.

In kurzen Worten hatte ihm Kasom inzwischenüber sein Zusammentreffen mit den Neutralistenberichtet. Rhodan konnte sich ein ungefähres Bildvon den Vorgängen auf Greendoor machen. Da dieRebellen die Drenhols auf ihrer Seite hatten, war eineinigermaßen sicheres Leben im Dschungelgewährleistet.

Sie verlangsamten ihr Tempo, um denschwerverletzten Pearton zu schonen. Am Ende desGanges wurden sie bereits von Schwarzbart Bretherwartet. Der Neutralistenführer begrüßte sieüberschwenglich. Smitty gab ihm einen kurzenBericht.

»Die Drenhols haben sich inzwischen vomStadtrand zurückgezogen«, sagte Breth. »DieKampfhandlungen sind eingestellt worden. Ein Teilder Männer, die sich im Schwimmbad verschanzthatten, konnten durch den Tunnel fliehen. Sie sindzum Lager unterwegs.«

Schweigend beobachtete Rhodan den Mann, derseine Befreiung ermöglicht hatte. Breth war

zweifellos eine Persönlichkeit, aber in seinem Wesenglich er Hondro.

Die nächsten Tage mußten erweisen, wie sichdieser Mann als Verbündeter verhielt.

11.

Rhodan, Breth und Reginald Bull saßen zusammenauf der Veranda von Breths primitivem Büro. Atlanund Andre Noir waren in der Hütte geblieben, die sieseit ihrer Ankunft im Lager der Neutralistenbewohnten. Kasom war unterwegs, um demverletzten Smitty einen Besuch abzustatten.

Breth musterte seine Besucher mitdurchdringenden Blicken.

Rhodan hielt diesen Blicken gelassen stand. Bullyscharrte unruhig mit den Füßen. Er wartete darauf,daß Rhodan auf ihr Anliegen zu sprechen kam.

»Sind Sie mit irgend etwas unzufrieden?«erkundigte sich Breth nach einer Weile.

»Es gibt keinen Grund zu Beschwerden«, sagteRhodan. »Aber wir möchten die Bitte an Sie richten,uns Gelegenheit zu geben, über das HyperkomgerätIhrer Widerstandsgruppe unsere Flotte zualarmieren.«

Breth lächelte dünn.»Mit diesem Anliegen habe ich gerechnet«,

erklärte er. »Die Antwort darauf lautet: Nein!«Rhodan spürte die Spannung, die zwischen ihnen

entstanden war. Er beobachtete den Rebellen, um ausdem Gesichtsausdruck des Mannes seine Gefühle zuerkennen. Doch Breth war ein Mann, der sichbeherrschen konnte.

»Wir haben unsere eigenen Pläne mit Ihnen undIhren Freunden«, fuhr der Schwarzbart fort. »Aufjeden Fall denken wir nicht daran, Sie einfach in IhreHeimat zurückkehren zu lassen. Sie sind für uns vonunschätzbarem Wert.«

Rhodan lachte bitter auf. »Das bedeutet, daßunsere Flucht von Zentral-City eine Farce war. Wirsind noch immer Gefangene. Lediglich die Namenderer, die uns festhalten, haben sich geändert.«

»Ich kann Sie nicht hindern, es so zu sehen«,meinte Breth hart.

Rhodan wechselte mit Bully einen raschen Blick.Breth würde sie mit Waffengewalt daran hindern, dasHyperkomgerät zu benutzen. Es sah so aus, als hätteAtlan, der nicht mit der Flucht einverstanden war,recht behalten Ihre Lage hatte sich sogarverschlechtert, denn es war nicht sicher, obSchwarzbart Breth ihnen das Gegenmittel beschaffenkonnte, das sie zum Überleben benötigten.

Sie waren vom Regen in die Traufe geraten.»Immerhin können Sie sich hier frei bewegen«,

meinte Breth. »Niemand belästigt Sie.« Er stand auf.»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, möchte ich Sie

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bitten, mich zu einer nahen Berghöhle zu begleiten.Dort werde ich Ihnen etwas zeigen, was Sie bestimmtinteressieren wird.«Rhodan wußte, daß es sinnlos war, demNeutralistenführer zu widersprechen. Breth würdenicht davor zurückschrecken, seine Forderungen mitGewalt durchzusetzen.Sie verließen die Veranda. Breth führte sie zu einerDrenhol. Nach einem kurzen Marsch durch denDschungel ließ Breth den Riesenbaum anhalten. DieWaffe des Rebellen machte jedenÜberrumpelungsversuch hinfällig. Sie kletterten ausder Drenhol, und Breth geleitete sie zu der Höhle,von der er gesprochen hatte.»Blicken Sie hinein!« sagte er.Von Bully gefolgt, ging Rhodan zum Höhleneingang.Die Höhle war ungewöhnlich groß. Breth schaltetedas Licht ein. Rhodan, der sich in Gedanken bereitsmit allen möglichen Dingen beschäftigt hatte, sahüberrascht, daß sich in der Höhle eine uralteterranische Kaulquappe befand, ein 60 Meterdurchmessendes Kleinraumschiff, wie es von demgroßen terranischen Kampfschiffen in den Hangarsmitgeführt wurde. Das Schiff besaß eines der erstenLineartriebwerke.Erst jetzt sah Rhodan, daß sich auch in der HöhleRebellen aufhielten. Offensichtlich lebte dieBesatzung der Kaulquappe direkt bei dem Schiff.»Ich kann mir vorstellen, daß dieser AnblickSehnsüchte in Ihnen erweckt« meinte Breth spöttisch.Rhodan antwortete ihm nicht. Er blickte auf diesesveraltete Schiff und hatte seit langen Jahren zum

erstenmal Schwierigkeiten, seine Gefühle nicht offenzu zeigen. Hier war eine Verbindungsmöglichkeitzum Imperium, aber er konnte sie nicht benutzen.»Sie sind auffallend ruhig«, bemerkte Breth. »Ichkann mir denken, daß Sie sich Sorgen wegen derInjektion machen, die Sie erhalten haben. MeineAgenten bemühen sich bereits um das Gegengift.«Rhodan horte ihm kaum zu.Da war dieses Schiff zwar alt und durch seinunmodernes Triebwerk äußerst gefährlich - aber eswar eine Möglichkeit, Greendoor zu verlassen und inden Raum vorzustoßen. Gewaltsam riß sich Rhodanvon diesen Gedanken los. Er wußte, daß esunmöglich war, in den Besitz der Kaulquappe zugelangen.Trotzdem hatte die Nähe des Schiffes etwasErregendes für ihn. Ein Blick auf Bully zeigte ihm,daß es dem Freund ebenso erging. Breth brachte siewieder zum Ausgang der Höhle. Er gab sich Mühe,freundlich zu sein. Rhodan ahnte, daß der Neutralistmit dieser Vorführung einen bestimmten Zweckverfolgt hatte.Der Anblick des Schiffes hatte Rhodans Gefühl derVerbundenheit mit dem Weltraum neu entfacht. Erkonnte sich nicht mehr damit abfinden, aufGreendoor zu sterben.Ein Mann, der den größten Teil seines Lebens imWeltraum zugebracht hatte, sollte auch dort seinLeben beenden.

E N D E

Während die Gefangenen von Zentral-City um ihre Freiheit kämpfen, beginnt die große Suche der Mutanten.Mit ihren Parakräften wollen die Mutanten ausspionieren, wo Iratio Hondro, der Obmann von Plophos, PerryRhodan, Atlan und die anderen gefangenhält.Daß Gucky sich an der Suchaktion aktiv beteiligt, versteht sich eigentlich von selbst. Gucky bekommt es dabeimit der »blauen Garde« zu tun!GUCKY UND DIE BLAUE GARDE - so heißt auch der Titel des von Clark Darlton verfaßtenPerry-Rhodan-Romans der nächsten Woche!

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