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Z u s a m m e n f a s s u n g .
Verf. glaubt durch vorliegende Ausffihrungen dargetan zu haben, dab er bereits vor H a r r i e s das physikalisch-chemische Prinzip der HeiiS- vulkanisation erkannt und ausgesprochen hatte. H a r r i e s gebfihrt das unbestreitbare Verdienst, den Unterschied zwischen Primtir- und Nach- vulkanisation experimentell festgestellt zu haben.
Zum Beweis, daiS auch a.ndere Stoffe als Schwefel eine vulkanisationsartige Wirkung aus- zuiiben vermOgen, wurden einige Versuche mit Bleigltitte in Verbindung mit wenig Schwefel und organischen Beschleunigern ausgeffihrt.
Die chemische Interpretation des Vulkani- sationsvorganges muiSte begreiflicherweise man- cherlei Modifikationen erfahren, einerseits zu- folge der Erweiterung unserer Erkenntnis von der Konstitution des Kautschuks durch Har r i e s, anderseits durch die Untersuchungen Schmi t z fiber das Verhalten yon depolymerisierten Kautschuk bei der Bromierung.
In Analogie zu letzterem Vorgang wurde die Kalt- und speziell die HeiBvulkanisation chemisch zu erkl~ren versucht, wobei nochmals betont sei, daiS hierdurch den in Aussicht ge- stellten experimentellen Ergebnissen W. C. S c h m i t z in keinerWeise vorgegriffen werden soll.
Die elektrische Charakteristik der Farbstoffkolloide. Von R u d o 1 f K e 11 e r (Prag). (Eingegangen am 15. Dezember 1919.)
(SchluiSmitteilung.)
Kfirzlich wurde an dieser Stellel) mitgeteitt, dab die Angabe der Kolloidhandbficher, basische Farbstoffe wanderten an den Basenpol, an die Kathode, saure umgekehrt, unrichtig ist. Seit diese Versuche fortgesetzt wurden, hat sich auch herausgestellt, welche Tatsache dieser Literatur- angabe zugrunde liegt. Fast alle L6sungen kolloider Farbstoffe, insbesondere die Teerfarben, sind nicht einfache kolloid-disperse Systeme, sondern bestehen aus zwei Phasen, die je nach L6slichkeit, Verdtinnungsgrad, Dispersionsmittel hervortreten, erstens der k o 11 o i d e n Ph a s e, ffir die die Gesetze der Kataphorese der Neutral- kolloide vom Typus EiweiB, Zucker gelten, die also in Stiuren und Alkolien umgekehrt wandern, zweitens der m o l e k u l a r d i s p e r s e n P h a s e , oder eigentlich ionendispersen Phase, die vom elektrischen Strom wie ein anderes farbloses lonendispersoid zersetzt wird, wobei natfirlich ein geftirbtes Kation zur Kathode wandert: Da mit Vorliebe die Sulfostiuren der sauren Farb- stoffe und einige sehr leicht 16sliche gew6hn- lich basisch genannte Farbstoffe untersucht worden sind, und zwar in verdfinnten, stark dissoziierten L6sungen, so muBte der Irrtum entstehen, daiS die gefitrbten Kolloide anders wandern, als jene, die gewisse sichtbare Licht- strahlen absorbieren. Mag es also praktisch zutreffen, dab sehr verdfinn[es Methylenblau in alkalischer LSsung kataphoretisch wandert - - und nicht anaphoretisch wie meine kolloiden dicken Methylenblauschl ieren- so geh6rt die Tatsache nicht in das Gebiet der Kolloidchemie
1) Koll.-Zeitschr. 25, 60 (1919).
und muB scharf unterschieden werden vonder eigentlichen Kolloidwanderung; es liegt ja im Wesen der Kolloide, dab infolge der Gr6Be der Molekfile und infolge yon Besonderheiten der Molekularoberfl~.che bei ihnen die Ober- fliichenkr~fte einschlieBlich der Ionenadsorption sttirker hervortreten als die aus ihrem inneren chemischen Aufbau resultierende'n Energien, die wieder das Verhalten der ionendispersen Ver- bindungen im Dispersionsmittel beherrschen.
Letzthin wurde erwtihnt, dais meine Wan- derungsversuche unter Laboratoriumsstr6men nicht mit Kontrollversuchen nach der Flieispapier- Streifen-Methode von F i c h t e r - S a h l b o m fibereinstimmten. Diese Unstimmigkeit hat sich inzwischen gekltirt, und zwar durch den Versuch von H. S c h m i d t - Dfisseldorf2). Dieser Autor hat Tropfen verdfinnter Salzstiure auf L6sch- papier fallen lassen und mit geeigneten Indi- katoren, z. B. Kongorot, festgestellt, dab die Salzstiure gegenfiber dem reinen Wasser in der kapillaren Ausbreitung zurtickbleibt. Der Ver- such zeigt also, dab sich die L6sung wtihrend des kapillaren Aufstiegs im L6schpapier derart durch StrSmungsstr6me aufltidt, dab - - die Eintauchstelle als unten bezeichnet - - die An- ionen sich unten sammeln und die Kationen oben vorauseilen. Diese empirischeBeobachtung ~elber findet sich schon in tilteren histologischen Hand]~fichefn nach Vorschriften aus dem Jahre 1888 erwtihnta). Das Farbgemiseh ffir Kern- teilungen von E h r l i c h , B i o n d i , R. H e i d e n -
2) H. Schmid t , Koll.-Zeitschr. 24, 49 (1919). 8) Zeitschr. f. wissensch. Mikrosk. 5, 520 (1888).
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ha in von Orange, S/iurefuchsin, Methylgrfin mui3 auf Filtrierpapier einen blaugr/inen, am Rande orangegelben Fleck geben; ,ist nach aut3en von Orange noch eine breitere rote Zone vorhanden, so enth/ilt das Oemisch zuviel S/iurefuchsin". Man ersieht hieraus, dab schon vor mehr als dreit~ig Jahren der Fliet3papier- Versuch praktischen Zwecken gedient hat und ein Dreifarbengemisch wieder zerteilen konnte.
Mit Hilfe der Fliefipagier-Reaktion hat sich nun ergeben, dag der einzige Doppelfarbstoff, der, wie in meiner letzten Ver6ffentlicl~ung hervorgehoben, unter dem kfinstlichen elek- trischen Strom deutlich entgegengesetzt wan- derte wie in meinen Pflanzenschnitten, n~imlich P i k r o k a r m i n [Grfibler]4), doch mit den Testobjekten iibereinstimmt. Auf Fliegpapier ergab sich n~imlich ein gelbroter Fleck mit einem schmalen karminroten Rand (gelb an- odisch, rot kathodisch). Hierauf wurde der Farbstoff, der stark ammoniakalisch ist, mit einem Tropfen S~iure in destilliertem Wasser wandern gelassen und ging deutlich gelb zur Anode und rot zur Kathode. Eine groge Reihe anderer Farbstoff- und Farbgemische, wie sie von Histologen verwendet werden, ergab nun- mehr eine ziemlich gute Uebereinstimmung von biologischem Ob]ekt, Fliefipapier-Diffe- renzierung und Wanderungsversuch unter Labora- toriums-Strom. Gew6hnlich ist der Flief~papier- versuch deutlicher als der Wanderungsversuch im elektrisch~n St_tom mit 80 Volt Spannung verteilt auf 4 - - 5 cm Elektrodenabstand, so, als ob in der Papier-Trennungsschicht, die mikro- skopisch d/inn sein mag, ein st~irkerer Spannungs- abfall herrschen wfirde als im Stromfeld. Die Regel von F i c h t e r- S a h 1 b o m, dat~ negative Kolloide im Fliefipapier zurfickbleiben und das Dispersionsmittel vorauseilt, wfirde also nur ffir den idealen Grenzfall einer molekular- dispersen verd/innten und dissoziierten L6sung gelten, je mehr ein Farbstoff kolloid ist -- und die meisten organischen Farbstoffe in ges~ittigter Liisung sind kolloid - - desto mehr ist die Wanderungsrichtung, also das eventuelle Zur/ickbleiben im Papier, das immer einen anaphoretischen Charakter hat, von dem Dis- persionsmittel abhiingig, nicht blog von dessert Ionencharakter, also ob sauer oder basisch, sondern auch yon dessen Dielektrizit~itskonstante, z. B. ob das Dispersionsmittel Alkohol oder Wasser ist. Entsprechend der 1898 von C o e h n
~) R. K e I 1 e r, Neue Vers. fib. ~ikrosk. Elektr. Nachw. (Wien 1919), 57.
aufgestellten Theorie der Str6mungsstr6meS), nach der Stoffe mit h6herer Dielektrizit~its- konstante sich in Kapillaren positiv laden bei Berfihrung mit Stoffen von niederer Dielektrizit~its- konstante, ist die Stromrichtung bei Alkohol- 16sungen basischer Farben gew6hnlich entgegen- gesetzt der Richtung in w~isserigen L6sungen. So habe ich beispielsweise, da mir die Verteilung der elektrischen Potentiale der Pflanzenschnitte im Laufe der Jahre dutch Tausende systematische Versuche ziemlich vertraut geworden ist, an Bildern und Beschreibungen yon Fettf~irbungen erkannt, dab diese vorzugsweise Kathoden an- ffirben und anodisch gelegene Pettelemente unberfihrt lassen. Tatsiichlich br~iunt sich das Fettreagens Osmiums~iure durch kathodische Reduklionswirkung am negativen Pole, und Sudan Ill in Alkohol wandert ebenfalls zur Kathode. Ebenso verh~ilt sich Sudan III-Alkohol im FlieBpapier kathodisch. Der Farbstoff bleibt beim Aufsteigen nicht zurfick. Diese Fettfarb- stoffe sind eine ziemlich seltene Ausnahme in der Zelle. Die weitaus meisten einfachen Farb- stoffe sind in der lebenden Zelle Anodenfarbstoffe, auch wenn sie in neutraler L6sung eine ka- thodische Wanderungstendenz im Stromfeld oder im Fliegpapter manifestieren, sei es, weil das fl/issige Protoplasma-Milieu doch alkalisch ist (was nach der herrschenden Meinung sehr ent- schieden bestritten wird), sei es, dab die Zell- kathoden durch Reduktion den Farbstoff ent- f~irben, wie es mit Neutralrot und Methylenblau nachgewiesen werden kann, da diese sich regenerieren lassen.
Naturgem~iB war mir schon vor meiner ersten vorl. Mitteilung 'aufgefallen, dab die F i c h t e r - S a h 1 b o m - Filterstreifen gr6gtenteils sfimmten, wenn man sie umkehrte, dag also positive Kolloide im Papierstreifen zurfickbleiben und negative aufsteigen. Da aber so viele ange'sehene Forscher die Kathoderiwanderung yon Eisenhydroxyd, .Metallsulfid urid anderer sogenannter positiver Kolloide best~itigt hatten, so konnte ich nicht annehmen, dag alle diese Experimentatoren Opfer einer Aufladung der Hydrosole durch die sauere Anodenflfissigkeit gewesen sein k6nnten, die sich doch bei SuP fiden durch den intensiven Geruch von Schwefel- wasserstoff verraten haben mtit~ten. Inzwischen ersehe ich aus einer Arbeit fiber Kongorubin yon Wo. O s t w a l d ~ ) , dab nega~t iv geladene Eisenhydroxydsole yon F. P o wi s und anderen
5) A. Coehn, Ann. d. Phys. 64, 217 (1898). 8) Wo. O s t w a I d, Kolloidchem. Studien am Kongo-
rubin, Kolloidchem. Beih. 10, 198 (1919).
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hergestellt worden sind. Ich kann mir also ersparen, eigene Wanderungsversuche zu machen, die meinem Arbeitsgebiet fernliegen, zumal ich seither zahlreiche andere Beweise daf/ir ge- sammelt habe, dab meine Testobjekte, die reich auf die Anodizit/it der basischen Farbstoffe, auf die Kathodizit~t gewisser sauerer Farbstoffe, auf
die paradoxe Wanderungs-Urnkehrung in AI- kohol und Glyzerin gef/ihrt haben, sich als zuverl~issig erweisen.
Mit Nachdruck rout3 darauf hingewiesen werden, dat3 die gegenw~irtige Methode der Feststellung einer Kolloidwanderung eine Fehler- quelle enth/ilt, die oft dazu f/ihrt, das Gegenteil der wahren Wanderungsrichtung f/Jr die richtige zu halten. Da die meisten nichtmetallischen Kolloide, deren Dielektrizit~itskonstante nur gegen reines Wasser stark verschieden ist, nicht yon Natur positiv oder negativ sing sondern diesen Zustand, wie Wo. O s t w a l d in seiner Kongorubin-Schrift an verschiedenen Stellen wiederholt hervorhebt, nut augenblicklichen Umst/inden verdanken (~ Ladungssinn und -Or6Be ist genau so variabel wie etwa der Dispersit~its- grad~), so erh~ilt jedes amphotere Kolloid in der i'asch sauer werdenden Anodenfl~ssigkeit eine Tendenz zur Abstot]ung, auch wenn es eigentlich im Wasser zur Anode wandern wfirde. Eine an der Anode beobachtete ,Aufhellung" ist also eine blot~ sekund~ire Erscheinung und die kolloide oder suspensoide Phase der Sub- stanzen ist nur dann rein zu fassen, wenn sie als unbewegliche Schliere in der Mitte beider Elektroden liegt und dutch starke Str~me in den ersten zwei bis f/inf Sekunden nach Strom- schlut~ nach einem bestimmten Pol ausschl~igt. Sp~iter, nach einigen weiteren Sekunden, sieht man die Schliere an der Elektrode ankommen und in deren N~ihe abgestot3en werden und zur/ickbiegen. Sie wird nach einem /iblichen kolloid-chemischen Ausdruck in der saueren Anodenfl/issigkeit auf kathodische Wanderung ,umgeladen' . Indem ich anfangs das fertige unverdfinnte Pikrokarmin zwischen die Elek- troden brachte, habe ich auf diese Weise den verkehrten Wanderungssinn konstatieren m/issen, Nur auf diese Art ist es zu erkl~iren, dab viele Experimentatoren die F i c h t e r- S a h 1 b o rn - Regel so best~itigen konnten, dat~ die Anoden- phasen oben im Filtrierpapier mit dem Wassei" vorauseilen, w~ihrend sie in Wahrheit immer unten bleiben, wie der Versuch yon H. S c h m i d t mit der zuverl~issig anodischen Salzs~iure beweist und zahlreiche [thnliche Versuehe mit Indikatoren, mit denen ich seither das S c h m i d t 'sche Ver-
fahren best~itigt habe, am sinnfalligsten durch das Wiedererscheinen der S/turefarbe unten in durch Lauge entfiirbtem Neutralrot.
Eine Hauptregel der F~irbungen lebender Zellen, die sich aus meinen sehr ausgedehnten Beobachtungen ergeben hat, ist die, daft auch die verd/innte ionendisperse Parbe i n n e rh al b d e r Z e l l e so auftritt a l s ob s i e n u t a u s i h r e r k o l l o i d e n P h a s e b e s t e h e n w/i rde , auch wenn man der Zelle einen ionendispersen, stark verd/innten Farbstoff anbietet. Ueber den Orund dieser Besonderheit babe ich nut Ver- mutungen. Vielleicht werden diese Farbstoffe yon unsichtbaren Neutralkolloiden, Eiweil3, Nuklein, Zucker adsorbiert und wandern nun- ~ehr nach den Gesetzen dieser unsichtbaren Vehikel, vielleicht hat diese Erscheinung aber auch tiefere Ursachen. Da ferner die weitaus meisten Farbstoffe, insbesondere fast alle Vital- farbstoffe, anodisch sind und an den Kath0den m viele irreversibel - - in farblose Leuko- verbindungen /iberf/ihrt werden, so mag dies manchmal auch an ihrer bloBen kathodischen Unsichtbarkeit liegen. Bei einzelnen Farben gen/igt die Anodenspannung des L6schpapier- versuches, urn die dutch Atkali entffirbten oder in eine andere Farbnuance zur/ickgef~hrten Farbstoffe in ihre normale, ja sogar aus ein- prozenfiger Kalilauge in ihre S/iurefarbe zu regenerieren. Dies ist der Pall bei Aufsaugen yon dutch Kalilauge oder Ammoniak entf/irbtem Neutralrot, ebenso bei Safranin (anodische Farbe fleischrot, basische gelbrot). Neutralro~ und Sa- franin sind fiberhaupt typische Kolloidfarbstoffe; trotz ihrer teilweise ionendispersen Natur ver- halten sie sich schon im Fliefipapier, ebenso im Stromfeld wie reine Neutral-Kolloide, lassen sich dutch sauere L6sung auf kathodischen, durch basische auf anodischen Wanderungssinn bringen. Auch im Zellquerschnitt l~iflt sich Neutralrot dutch S~iuren in einen Kathoden- farbstoff verwandeln (Safranin nicht), w/ihrend sonst die Zellen ihre charakterisfischen Ladungen und die ihrer Umgebungsfl/issigkeit merkw/irdig lang nach dem Absterben festhalten, wenigstens qualitativ. Eine Zeitlang gelangen /iberhaupt alle Versuche ; Methylenblau, dessen Irregularit~it im Fliet3papier in der letzten Mitteilung hervor- gehoben wurde, l~it3t sich ebenfalls yon dem anodischen Wanderungssinn, den es neutral und alkalisch im Stromfeld und Papierstreifen zeigt, auf kathodische Richtung zwingen, man mut3 nur rauchende und nicht verd/innte Salzsaure nehmen, wie sie bei dem ersten Versuche ben~tzt wurde. Mit ganz konzentrierter Salzsaure wandert
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das Blau vollkommen gleichzeitig mit dem Wasser, erst nach dem Herausnehmen des Streifens entwickelt sich nachtr:iglich ein ganz d/inner Wasserstreifen, dessen Schmalheit yon der Konzentration abh~ngt. Ebenso hat sich Woll- schwarz dutch starke Salzs~.ure auf kathodischen Wanderungssinn um/indern lassen, mit Brillant- blau II gelang dies jedoch nicht. Der Wasser- streifen wurde nur durch st~rkere Saute ver- schmalert.
Von etwa 40 untersuchten Farbstoffen ver- halten sich etwa 35 regular, d. h. als Neutral- kolloide. Lichtgr/~n wandert in Alkali kathodisch, Indig-Karmin in Salzs~iure anodisch, Orange in Alkali kathodisch. Letzterer Farbstoff, der naturgem~i~ auch in S:iure und im Wasser ebenfalls kathodisch wandert, gibt auf Zell- querschnitten, wenn auch nicht sehr deutlich, Anodenbilder. Einige Farbstoffe verandern durch S~iure und Alkali irreversibel ihre Farbe und ihren Chemismus und lassen sich nicht einfach durch lonenl6sungen bin- oder herdirigieren. Nebenstehend eine Tabelle der gebr/iuchlichsten Farbstoffe und Farbgernische.
Wie bereits hervorgehoben, fiberwiegt bei diesen Substanzen wie bei den meisten organischen und anorganischen Kolloiden der anodische Wanderungssinn. Die Priorit~t dieser Beobachtung in Zellen gebfihrt nicht mir, sondern S ch u le - m annT), der sie bei ganz anderen Objekten, gelegentlich von Injektionsversuchen mit Vital- farbstoffen an Tieren, gemacht hat. Da es ibm nicht darauf ankara, irgendwelche Hypothesen damit zu erweisen, sondern da er die Beobachtung, dat~ sich die Farbstoffe unabhiingig yon ihrer chemischen Zusammensetzung, wie Kohlen- emulsion, Metallsole usw., an Anoden an- h~iufen, ganz anspruchslos als Endresultat reiner Experimentalarbeiten verSffentlichte, so ist seine Zeugenschaft unverd~chtig. Seine Entdeckung wurde jedoch nicht nach Gebfihr beachtet, in histologischen Fachkreisc fast gar nicht ver- standen und einige Histologen, die dem kolloid- chemischen Problem mit vollkommener Ahnungs- losigkeit gegenfiberstehen, kl:irten ihn darfiber auf, da~ dies ein Unsinn sei.
Oleichwohl ist, wie ich glauben m6chte, das S c h u 1 e m a n n - Ph~nomen, die Anodizierung basischer, also in dissoziierter L6sung kath- odischer Substanzen ein Fundamental-Versuch der Histologie und Physiologie. Indem man yon den sichtbaren Farbstoffkolloiden auf die unsichtbaren Nahrungskolloide des K6rpers
7), W. Schul em~nn, Biochem. Zeitschr.80 (1917).
zur/ickschliefit, kann man folgern, dab das Ver- halten dieser Stoffe als Kolloide, sei es als selbst:indiges Kolloid, sei es adsorbiert yon anderen K6rperkolloiden die einzige Ern/ihrungs- und Atmungsm6glichkeit der Organismen schafft. Es ist doch klar, dab beispielsweise Kohlen- hydrate in Biut und Gewebsflfissigkeit niemals oxydiert werden k6nnten, wenn sie sich bei ihrer groBen Verdfinnung als dissoziable Ionen- dispersoide bewegen wfirden; ihre verbrenn- lichen Atomgruppen, ihre Kationen, wie immer man sie sich vorstellt, mfiBten an die Kathoden wandern und wfirden dort welter reduziert. DaB sie an die Anoden gehen und dutch Oxydation die Energieums~itze der Organismen bestreiten k6nnen, verdanken sie nut dem in dem S c h u I e m a n n - Phiinomen zu Tage tretenden Gesetz, dai~ sie sich verhalten wie ihre reine Kolloidphase oder von Kolloiden adsorbiert werden, deren Bewegung sie an die Anoden heranbringen kann.
N a c h t r a g .
Nach Einsendung des vorstehenden Manu- skripts hatte der Herausgeber der ,Kolloid- Zeitschrift", Prof. Wo. O s t w a l d (Leipzig) die Freundlichkeit, dem Verfasser zwei Kongorubin- pr~iparate (I und II) zu fiberlassen, nebst einem Rezept zur Herstellungvon n e g a t i v e m Eisen- hydroxydsol. Das kolloide Eisenhydroxyd zeigte sich nach diesem Rezept (ira Ammonkarbonat- Ueberschut~ durch Eintropfen von Eisenchlorid hergestellt) als undeutlich zur Kathode wandernd (also kolloidchemisch p o s i t iv), aber nur im de- stiUierten Wasser. Ich lieB es auch in alkalischer LOsung wandern, worauf e~ wie ein Kolloid yore Typus Eiweifl eine allerdings nur schwache Anodenrichtung erkennen liei~, dann in sauerer, in der es ebenfalls undeutlich zur Kathode wanderte. In Alkohol blieb der gelbe Tropfen unbewegtich.
in Filtrierpapier gab ein Tropfen keinen farblosen Wasserrand, wfirde also nach P i c h t e r - S ah l b o m als negatives Sol zu gelten haben, dokumentiert sich aber dadurch erst richtig als positiv. Die Ausdrficke positiv und negativ entsprechen nicht dem heutigen.Stande unserer Kenntnisse, da durch den Namen eines Kolloids altein .seine Wanderungsrichtung im Stromfeld nicht eindeutig bestimmt werden kann, man sollte besser sagen z. B. Eisenhydroxyd in K a l i l a u g e anodiseh wandernd, Kongorubin in A1 k o h o 1 kathodisch wandernd usw.
K o n g o r u b i n (beide Soften verhielten sich gleich) wanderte im Zellstrom tiberwiegend
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zur Anode, um dort einen violettstichigen Ton anzunehmen, fiirbte aber auch die Kathoden rot an. Im Laboratoriumsstrom im destillierten Wasser wandern einige oberfl~ichlich leichte St~iubchen rasch zur Anode, werden dort blau, ein kleiner Teil geht zur Kathode und bleibt rot. Ein gr6Berer zu Boden gesunkener Teil orientiert sich, nachdem tier Strom eine Zeit- lang geschtossen ist, zur H•lfte rot zur Kathode, zur H~ilfte blau zur Anode. tn Alkali wandert das Ganze zur Anode und wird rotviolett, in sauerer 18st es sich nicht, wande'rt nicht und ist ganz b!au. In Filtrierpapier verh~ilt es sich konform, d. h. es ist sauer wegea seiner Un- 16slichkeit nicht zum Aufsteigen zu bringen, weshalb auch die Kapillaranalyse in saurer L6sung nicht durchffihrbar ist. Im Alkohol wandert es im Filtrierpapier kathodisch.
Bei der Beobachtung der auffallenden Farb- ~inderungen yon Kongorubin bin ich in der viel diskutierten Frage des Einflusses der Dispersit~its- /inderung auf Farb~inderungen zu folgenden Ueberlegungen gelangt: Ueber die Tatsache, dab Dispersit~itsanderungen einen Hauptfaktor bei Farbanderungen bilden, ist es kaum not- wendig, ein Wort zu verlieren. Als Ursache dieses Zusammenhanges wird wohl allgemein angenommen, daft die atomaren und molekularen Schwingungsresonatoren in Korpuskeln yon der Gr6genordnung .der Lichtwellen je nach ihrer Gr6ge die Lichtwellen verschiedenartig ab- sorbieren. Da scheint es mir nun, dab auch ein anderer bisher fibersehener Faktor dabei mitwirkt. Die hier geschilderten Erscheinungen zeigen n~imlich, daB um jedes Kolloid herum ein elektrostatisches Kugel- oder Rotationsk6rper- kraftfeld besteht, welches sich aus zwei mefl- baren Elementen additiv zusammensetzt, aus der Differenz der Dielektrizitats-Konstanten (Whsser, Alkohol einerseits, Farbstoff anderseits), femer aus dem elektrischen Ladungszustand des Dispersionsmittels (kolloid-chemisch ungenau als Wasserstoffionenkonzentration bezeichnet). Der Stoff mit h6herer Dielektrizitiitskonstante, z. B. Wasser, ladet sich positiv, kann aber durch Ans~iuerung (negativer Ladungszustand) kom-
pensiert oder fiberkompensiert werden, so dab in starker S~iure die meisten Kolloide, EiweiB ebenso wie Farbstoff, zur Kathode wandern, wie etwa im Alkohol mit seiner niedrigeren Dielektrizit~itskonstante (bei gew6hnlicher Tem- peratur rund 24 gegen 81 Wasser).
Die qualitative Uebereinstimmung dieser Verallgemeinerung ist gfinstig.
Was nun die D i s p e r s i t ~ i t s / i n d e r u n g anbetrifft, so mut~ auch diese, da das g r 6 B e r e Korpuskel sein Oberflfichenfeld in erster An- niiherung durchschnittlich welter yon den atomaren Schwingungszentren entfernt, wie eine A b s c h w / i c h u n g wirken, d. h. ebenso wie eine Ans/iuernng des w~isserigen Dispersions- mitteis oder wie seine Ersetzung dutch einen Stoff mit niedrigerer Dielektrizit~.tskonstante. Bei Kongorubin stimmt auch dies, die Farbe des dutch Neutralsa!ze , selbst durch Alkali, nach Wo O s twa I d 's Kongorubin-Studien erzeugten grSberen Verteilung ist die S~iUrefarbe. Bei anderen IZarbstoffen, in denen konstitutive oder andere Faktoren st/irker sind, dfirfte es anders sein, da es sich um eine sehr komplexe Er- scheinung handelt. Mir sind bisher nur Farb- stoffe untergekommen, die qhalitativ zu dieser Vorstellung passen.
Leider bin ich nicht in der Lage, diesen Oegenstand welter zu verfolgen, der nicht bloB kolloidchemische Aufschlfiss e verheiflt. Die Atomphysiker und Elektronen-Experimentatoren verffigen meines Wissens fiber kein Mittel, mit genau met~baren elektrostatischen Krafffeldern, in genau meBbaren Dimensionen an die Atom- komplexe so nahe und gleichm~iBig von allen Seiten heranzukommen und auf die Schwingungs- resonatoren bequem mel~bar elektrostafisch ein- zuwirken. Vie]leicht findet sieh jemand, der sich mit der quantitativen Bearbeitung dieses verlockenden Gegertstandes befassen k6nnte. Der Zusammenhang zwischen Dielektrizit~its- konstante und farbenerteilender F/ihigkeit scheint schon frfiher bernerkt worden zu seinS).
8) H. Ka u f m a n n, Zeitschr. f. physik. Chem. 50, 350; Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 87, 2941; beides zitiert nach L ey, Farbe und Konstitution (Leipzig 1911), 67