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Die EU

Die EU (Sowi) - schule.obeling.deschule.obeling.de/wp-content/uploads/2013/02/Europäische-Union.pdf · 1993: Maastricht Vertrag-> Entstehung der Europäische Union, Reorganisation,

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DieEU

INHALT

• DieInstitutionen• LissabonVertrag• Intergrationskonzepte• PerspektiveneinervertieftenunderweitertenEU• NachdemBrexit

DieInstitutionen

DasEuropäischeParlament

• Sitz:StraßburgundBrüssel• Wahlen:alle5Jahre• ProMitglied:min.6– max.96• Insgesamt751Mitglieder• VertreterallerNationen• seitLissabonVertrag:kannbeimehrThemenmitentscheiden

FunktionendesParlaments

• Gesetzgebungsfunktion:Änderungsvorschläge,kanndieKommissionauffordernzueinembestimmtenThemaeinenGesetzesvorschlagvorzulegen• Budgetierungsfunktion:VorschlagfürÄnderungendesHaushaltsentwurfes• Wahlfunktion:wähltvorgeschlageneKandidaten,kannKommissiondurchMisstrauensvotumzumRücktrittzwingen• Kontrollfunktion: parlamentarischeKontrolle,Berichterstattung,kannUntersuchungsausschüsseeinsetzen

EuropäischerRat

• bestehtausdenStaats- undRegierungschefs• EinstimmigkeitsprinzipundMehrheitsentscheid• nicht fürGesetzgebungzuständig• bestimmtdieLeitlinienderAußenpolitik/nichttagespolitischeThemen/Impulse• politischeFührungderEU• wähltdenPräsidentenderKommission

EuropäischeKommission

• eineArtRegierungskabinettderEU(DurchführungderPolitik/Exekutive)• 1KommissarproMitglied• ,,HüterinderVerträge“- überwachtdieEinhaltungvonVerpflichtungen• schlägtHaushaltsentwurfvor• schlägtGesetzesentwurfvor• Kritik:nichtvomParlamentgewählt• jedesKommissionsmitgliedhatdieVerantwortungfüreinenbestimmtenPolitikbereich• VertretungderEUaufinternationalerEbene

RatderEuropäischenUnion(Rat)

• FachministernderverschiedenenRegierungen(nur10Resorts)• verschiedeneFachministerräte• hatdasalleinigeEntscheidungsrechtüberdieAußen- undSicherheitspolitik• Einstimmigkeitsprinzip• entscheidenüberVorschlägederKommission• unterzeichnenvoninternationaleVerträge• EntscheidetmaßgeblichbeiGesetzenmit(Legislative)

EuropäischerGerichtshof

• Sitz:Luxemburg• 1RichterproMitglied• hilftbeiUneinigkeitenüberEU-RechtundnationalesRecht• beiProblemenzwischenMitgliedsstaaten• KlagenderMitgliedsstaatengegendieKommision• WahrungderGrundrechte derEU- Bürger• StelltsicherdaseuropäischesRechtüberallgleichausgelegtwird

DerLissabonVertrag

• solldieUnionhandlungsfähiger/demokratischermachen

• neu:,,HoherVertreterderAußen- undSicherheitspolitik"

(Außenminister)

• mehrMitspracherechtefürnationaleParlamente

• neu:Art.50:erlaubtfreiwilligenAustritt

• neu:doppelteMehrheit imRat(BerücksichtigungderStaatenund

Bürgeranzahl)

• neu:GrundrechteCharta(Arbeits- undSozialrechte)

• neu:Bürgerbescheid(ab1Mio.Unterschriften)

• EU-ParlamenthatmehrMitspracherechte

größerer Einfluss des Europäischen Parlaments

mehr Mitsprache der nationalen Parlamente

Einführung eines Bürgerbegehrens

Abstimmungen mit "doppelter Mehrheit"

klarer Kompetenzkatalog

Öffentlichkeit der Ratssitzungen bei Gesetzesentscheidungen

Leitung des Europäischen Rates durch einen 2,5 Jahre gewählten Präsidenten statt halbjährlicher Rotation

Bündelung der außenpolitischen Kompetenzen von Rat und Kommission beim Hohen Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik

Schaffung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes

mehr Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeitszwang

Mehr Demokratie

LISSABONNER VERTRAG

Mehr Transparenz

Mehr Effektivität

Der Lissabonner Vertrag auf einen BlickMehr Demokratie, Tranzparenz und Effektivität durch den neuen Vertrag

Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/deBundeszentrale für politische Bildung, 2009, www.bpb.de

Integrationskonzepte

Intergouvermentalismus

• ,,Realisten"->national• Staatenbund (Konföderation)• ,,EuropaderVaterländer"• ZusammenarbeitaufRegierungsebene• NationalstaatenmacheneigenePolitik• behaltenvolleSouveränität• Entscheidungen:einstimmig->Veto

Umsetzung

• - Europarat

• - Freihandelszone

• - OSZE

• ->SchonweitüberdiesesStadiumhinaus

Funktionalisten

• ,,politischeMitte"• zunächstZusammenarbeit• schrittweiseVertiefung(,,SpillOver")• EndzielunbestimmtUmsetzung:• - Maastrichvertrag• - EuropäischeWirtschafts- undWährungsunion

Föderalismus

• ,,Idealisten"->Vereinigung/Union• europäischeVerfassung• supranationale Entscheidungen• föderalerBundesstaat-> ,,VereinigteStaatenvonEuropa"• gemeinsameGrundrechte• Subsidiaritätsprinzip• teilweiseAbgabevonSouveränität

Heute

• Verfassunggescheitert

• - teilweisesupranationaleEntscheidungen

• Brexit – FragenüberdieZukunftderEU

PerspektiveneinervertieftenunderweitertenEU

Titanic-Szenario

• ZerfallderUnion(GefährdungbisAuflösung)• Interessens- undLeistungsunterschiede/Handlungsunfähigkeit• keinErfolgdurchReformen• nationaleRegierungenfordernKompetenzenzurück• AuflösungderWährungsunion

GeschlossenesKerneuropa

• Europader15• integrationswilligeStaatenvertiefenZusammenarbeit• ÜbergeordneteInstitutespielenkeineRolle(nurzwischenRegierungen)• Grundlinienwerdenvonden,,Großen"bestimmt• KernländerhabenkeinInteresseanErweiterungen• ,,FreihandelszonedeLuxe"- fürdiegroßeUnion• ->möglicheErweiterungen

MethodeMonnet

• Einigungwirdvorangebracht

• oberflächlicheReformen->Systemwirdlethargisch

• WirtschaftsunionhältEUzusammen

• gibtkeineAlternativezurEU

EuropaderoffenenKerne

• Ziel:politischeUnion• ,,differenzierteIntegration"->VertiefungderIntegrationswilligen• ->Prinzip:supernationaleGemeinschaft• ->EinbezugderInstitutionen• ->alleMitgliederkönnensichanschließen• EinfacherePartipatzion vonDrittstaaten

SupermachtEuropa

• wirdPotenzialgerecht• EntwicklungRichtungPolitischerUnion• AbgabevonKompetenzenanEU

• EigeneWirtschaftsressourcen

• StrickteUnterteilungderKompetenzen(Exekutive,...)

• ZielderAngleichungderLebensverhältnisse• offenesSystem(weiterIntergration)

„Europaàlacarte“

• VariableGeometrie(Interessenallianzen)• GestaltungswilleundVerteilungskämpfestattSolidaritätundfinanziellemAusgleich• SucheunddieBildungvonKoalitionenhabenVorrang• EuropäischenParlament=Schattenparlament• RatderEUdominiert

NACHDEMBREXITVierSzenarienfürdieZukunftderEU• Szenario1:Achtung,Kettenreaktion(Titanic-Szenario)• Szenario2:MehrIntegration,aberdiesmalrichtig• Szenario3:DieKoalitionderWilligenschreitetvoran(EuropaderoffenenKerneoderGeschlossenesKerneuropa)• Szenario4:WeiterwurstelnamAbgrund (MethodeMonnet)

• Artikel:https://www.welt.de/politik/ausland/article156565651/Vier-Szenarien-fuer-die-Zukunft-der-EU.html

MerkelzuEU-Perspektiven(3.02.17)

• BeimEU- GipfelaufMalta• setztaufein"EuropaderverschiedenenGeschwindigkeiten“• GrundsätzlichwollemanaberdiegemeinsameWertebasisbetonen.• "Wirwollenauchdarstellen,wowirunsereRolleinderWeltsehen“• Fragen:welchenBeitragfürdieGlobalisierung,welcheBündnissen,ArtdermultilateralenZusammenarbeit• Suchenachder"RolleinderWelt"• Diskussionsthemen:Verteidigung,Integration,Wirtschafts- undSteuerpolitik,Währungsunion

Quelle:tagesschau.de undn-tv.de

DieEuropäischeUnionDieInstitutionenDasEuropäischeParlament

• Sitz:StraßburgundBrüssel• Wahlen:alle5Jahre• seitLissabonVertrag:kannbeimehrThemenmitentscheiden• wähltundbesetztvielePositionenaufVorschlagdesRates• darfkeinegesetzgebendenVorschlägeeinbringen• andereEU-InstitutionenmüssendemP.Berichterstatten

RatderEuropäischenUnion(Rat)

• FachministernderverschiedenenRegierungen• verschiedeneFachministerräte• hatdasalleinigeEntscheidungsrechtüberdieAußen-undSicherheitspolitik• Einstimmigkeitsprinzip• entscheidenüberVorschlägederKommission/internationaleVerträge

EuropäischerRat

• bestehtausdenStaats-undRegierungschefs• EinstimmigkeitsprinzipundMehrheitsentscheid• nichtfürGesetzgebungzuständig• bestimmtdieLeitlinienderAußenpolitik/nichttagespolitischeThemen• politischeFührungderEU• wähltdenPräsidentenderKommission

EuropäischeKommission

• 1KommissarproMitglied• ,,HüterinderVerträge"• überwachtdieEinhaltungvonGesetzen• eineArtRegierungderEU(DurchführungderPolitik)• schlägtGesetzesentwurfvor

EuropäischerGerichtshof

• Sitz:Luxemburg• 1RichterproMitglied• hilftbeiUneinigkeitenüberEU-RechtundnationalesRecht• beiProblemenzwischenMitgliedsstaaten• WahrungderGrundrechtederEU-Bürger

EuropäischerWirtschafts-undSozialrat

• vertritteuropäischeInteressensgruppenzuGesetzen• 3Interessensgruppen(Arbeitgeber,Arbeitnehmer,verschiedenes)

DerLissabonVertrag

• solldieUnionhandlungsfähiger/demokratischermachen• neu:,,HoherVertreterderAußen-undSicherheitspolitik"(Außenminister)• mehrMitspracherechtefürnationaleParlamente• neu:Art.50:erlaubtfreiwilligenAustritt• neu:doppelteMehrheitimRat(BerücksichtigungderStaatenundBürgeranzahl)• neu:GrundrechteCharta(Arbeits-undSozialrechte)• neu:Bürgerbescheid(ab1Mio.Unterschriften)• EU-ParlamenthatmehrMitspracherechte

PerspektiveneinervertieftenunderweitertenEUTitanic-Szenario

• ZerfallderUnion(GefährdungbisAuflösung)• Interessens-undLeistungsunterschiede/Handlungsunfähigkeit• keinErfolgdurchReformen• nationaleRegierungenfordernKompetenzenzurück• AuflösungderWährungsunion

GeschlossenesKerneuropa

• Europader15• integrationswilligeStaatenvertiefenZusammenarbeit• ÜbergeordneteInstitutespielenkeineRolle(nurzwischenRegierungen)• Grundlinienwerdenvonden,,Großen"bestimmt• KernländerhabenkeinInteresseanErweiterungen• ,,FreihandelszonedeLuxe"-fürdiegroßeUnion

MethodeMonnet

• Einigungwirdvorangebracht• oberflächlicheReformen->Systemwirdlethargisch• WirtschaftsunionhältEUzusammen• gibtkeineAlternativezurEU

EuropaderoffenenKerne

• Ziel:politischeUnion• ,,differenzierteIntegration"->VertiefungderIntegrationswilligen

->Prinzip:supernationaleGemeinschaft->EinbezugderInstitutionen->alleMitgliederkönnensichanschließen

• EinbezugvonDrittstaatenSupermachtEuropa

• wirdPotenzialgerecht• EntwicklungRichtungPolitischerUnion• AbgabevonKompetenzenanEU

IntegrationskonzepteIntergouvermentalismus

• ,,Realisten"->national• Staatenbund(Konföderation)• ,,EuropaderVaterländer"• ZusammenarbeitaufRegierungsebene• NationalstaatenmacheneigenePolitik• behaltenvolleSouveränität• Entscheidungen:einstimmig->Veto

Umsetzung:-Europarat-Freihandelszone-OSZEFunktionalisten

• ,,politischeMitte"• zunächstZusammenarbeit• schrittweiseVertiefung(,,SpillOver")• Endzielunbestimmt

Umsetzung: -Maastrichvertrag-EuropäischeWirtschafts-undWährungsunionFöderalismus

• ,,Idealisten"->Vereinigung/Union• europäischeVerfassung• supranationaleEntscheidungen• föderalerBundesstaat->,,VereinigteStaatenvonEuropa"• gemeinsameGrundrechte• Subsidiaritätsprinzip• teilweiseAbgabevonSouveränität

Heute:-Verfassunggescheitert-teilweisesupranationaleEntscheidungenEmpfehlung:

• http://www.cap.lmu.de/download/2003/2003_cap_szenarien.pdf• bpb.de->EU-

EntstehungderEuropäischenUnionDieHauptmotivedereuropäischenIdeesinddieGarantievonSicherheit,dauerhaftemFriedenunddemSchutzderMenschenrechte.vordem2.WW:ForderungennacheinemgemeinschaftlichenEuropa1944:KriegsmächtemöchtensichzusammenschließenfürWirtschaftliche-/HandelspolitischeZieleundDemokratieundFrieden.VölkervereinigungstandimVordergrund.1949:GründungEuroparat.Ziel:Zusammenarbeitfördern(Kultur,Wissenschaft,Wirtschaft).47LändersetztensichfürdieMenschenrechteein1951:KohlundStahlUnion(EGKS)BeginnderMontan-Union(Anfangs6Mitglieder)1957:GründungdereuropäischenWirtschaftsgemeinschaft(EWG)->AbschaffungvonZöllen,freierPersonenundDienstleistungsverkehr->ersteorg.FormvonWelthandelGründungvonEuroAtom1963:EndederDeutsch-FranzösischenErbfeindschaft->neueMöglichkeiten1967:FusionsvertragderEuropäischenGemeinschaft->ZusammenfassungderVerträgeEntstehungeinesEuropäischenRatesundderKommission1979:ErsteParlamentswahlen1993:MaastrichtVertrag->EntstehungderEuropäischeUnion,Reorganisation,3SäulenPolitik(Verteidigung-,Wirtschaftspolitik,GemeinsameJustiz)2002:GemeinsameWährungsunion->,,Europader2Geschwindigkeiten"2004:ErweiterungenderEU:10neueMitgliedsstaaten2009:SchengenReform(AbschaffungderGrenzkontrollen)2014:VertragvonLissabon:Reformierung,Demokratisierung,NachfolgerdergescheitertenVerfassungMöglichkeitzumfreiwilligemAustritt(Art.50)

URL: http://www.bpb.de/internationales/europa/brexit/236277/der-weg-zum-brexitPfad: Internationales | Europa | Der Brexit und die britische Sonderrolle | Interviews | Der Weg zum Brexit

Nicolai von Ondarza

27.10.2016

Wo geht's hier raus?Interview über den langen Weg zum Brexit

Nicolai von Ondarza

Dr. Nicolai von Ondarza ist stellvertretender Leiterder Forschungsgruppe EU/Europa bei der StiftungWissenschaft und Politik in Berlin. Schwerpunkteseiner Forschung sind unter anderem die ThemenGroßbritannien, EU-Institutionen undGrundsatzfragen europäischer Integration.

Was macht eigentlich der Brexit? Europaexperte Nicolai von Ondarza sagt es uns – Interview über eine lange planlosebritische Regierung, fehlende Austrittsregeln und eine EU, die ihre Krise dringend ernster nehmen sollte.

Bis nächsten März wollen die Briten den Brexit einleiten. Was dauert da so lange?

Im Grunde müssen die Briten erstmal eine Strategie für den Austritt aus der Europäischen Union entwickeln. Großbritannien warüber 40 Jahre Mitglied. Nun muss man sich in fast allen Politikbereichen – im Handel, in der Außen- und Sicherheitspolitik –genau überlegen, wie diese Trennung vollzogen werden soll. Was man der britischen Regierung vorwerfen kann, ist, dass sie vordem Referendum keinen Plan hatte, wie sie damit umgehen würde, wenn die Briten sagen: Wir wollen austreten. Die Regierungmusste bei Null anfangen, und bei dieser Planentwicklung sind die Briten jetzt noch. Dazu kommt, dass niemand Großbritannienzwingen kann, den Antrag zum Austritt früher zu stellen, sie können das souverän entscheiden.

Der Beitritt in die EU ist klar geregelt, der Austritt in Artikel 50 des EU-Vertrags nur grob umrissen – warum hat die EU fürden Austrittsfall keine klaren Regeln entwickelt?

Weil das bei der Konstruktion der EU nie vorgesehen war. Die EU selbst versteht sich ja als Union von Bürgern und Staaten, dieimmer enger zusammenwachsen sollen. Seit Beginn der Integration in den 1950er-Jahren kannte die EU immer nur eineRichtung: eine weitere Integration und mehr Souveränitätsabgabe nach Brüssel. Der Austrittsartikel im EU-Vertrag, dieser Artikel50, war im Grunde ein rein symbolischer Artikel. Niemand hat damit gerechnet, dass er jemals angewendet werden würde.Deshalb gibt er nur einen sehr losen Rahmen für einen Austritt vor. Der muss nun mit Inhalt gefüllt werden.

Für welche Ziele werden Großbritannien und die EU jeweils bei den Verhandlungen kämpfen?

Das kann man bisher nur erahnen. Die EU 27, also die übrigen Mitgliedstaaten, haben bis dato die Position: Wenn Großbritannienweiter am Binnenmarkt teilnehmen will, muss es alle vier Freiheiten des Binnenmarkts akzeptieren, also nicht nur den freienWaren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr, sondern auch den freien Personenverkehr, der die Einwanderung nachGroßbritannien ermöglicht. Auch müsste Großbritannien EU-Regeln weiter umsetzen, etwa in der Finanzmarktregulierung. Auf derGegenseite schält sich jetzt die Strategie der britischen Regierung heraus, die genau das Gegenteil will. Die sagen: „Wir wollenweiter mit der EU Handel treiben und wirtschaftlich zusammenarbeiten, aber ohne Freizügigkeit, das heißt wir wollen dieEinwanderung klar begrenzen. Wir wollen das unsere Regeln im britischen Parlament gemacht werden und uns nicht an Urteiledes Europäischen Gerichtshof halten.“ Damit hat man zu Beginn der Verhandlungen einen ganz klaren Interessenkonflikt.

Mit welcher Folge?

Ich gehe davon aus, dass es einen „harten Brexit“ geben wird. Dann wäre Großbritannien nicht wie zum Beispiel Norwegen oderdie Schweiz weiter in den Binnenmarkt integriert, sondern die Trennung zwischen der EU und Großbritannien würde sehr vielhärter. Beispielsweise könnten zwischen der EU und Großbritannien wieder Handelshemmnisse aufgebaut werden.

Nicht alle Briten waren für den Austritt aus der EU, sondern nur 51 Prozent. Welche Rolle wird die Opposition inGroßbritannien bei den künftigen Verhandlungen spielen?

Wie stark die Opposition die Regierung beim Brexit kontrollieren kann, ist noch offen. Nach jetzigem Stand sagt die neuePremierministerin May, dass es ein klares Mandat für den Brexit gibt, dass die Regierung entschlossen ist, den Brexitdurchzuführen – und zwar ohne Parlamentsbeteiligung. Sie beruft sich dabei auf die sogenannten „königlichen Vorrechte“, die diebritische Regierung im Namen der Krone ausübt. Damit könnte die Regierung alleine den Brexit aushandeln. Die Opposition undauch Teile der Regierungsparlamentarier hingegen wollen durchsetzen, dass das Parlament sehr viel stärker in dieVerhandlungen eingebunden wird und die Strategie für den Brexit festlegt. Dann hätte die Opposition auch wesentlich mehrMöglichkeiten, den Austritt mitzugestalten. Dieser Kampf wird gerade im Parlament und vor britischen Gerichten ausgefochten.

Im Anschluss an das Referendum gab es viele Forderungen nach einem zweiten Referendum. Wird das Volk nochmal Jaoder Nein zum Brexit sagen können?

Ein zweites Referendum ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Der Punkt, an dem die Bevölkerung einenRichtungswandel durchsetzen könnte, wären die nächsten regulären Parlamentswahlen. Die sind in Großbritannien aber erst fürMai 2020 angesetzt und nach dem jetzigen Zeitplan wollen die Briten im März 2017 den Austritt beantragen. Aufgrund derZweijahresfrist würde das bedeuten, dass sie Anfang 2019 vollständig austreten würden, noch deutlich vor der Parlamentswahl.Falls die Verhandlungen mit der EU aber verlängert werden, besteht natürlich die Möglichkeit, dass man das mit in denWahlkampf nimmt. Oder wenn aus irgendeinem Grund die Parlamentswahlen vorgezogen werden. Danach sieht es aber aktuellnicht aus, denn nicht nur die konservative Partei, sondern auch die Labour-Partei, die größte Oppositionspartei, scheint dasVotum der Bevölkerung akzeptieren zu wollen.

Viele haben nach der Entscheidung der Briten gefordert, man könne jetzt nicht zur Tagesordnung übergehen, die EUmüsse sich wandeln – hat sie damit begonnen?

Nur sehr zögerlich. Man kann es so zusammenfassen, dass das Brexit-Votum zu einem Nachdenken, aber noch nicht zu einemUmdenken in der EU geführt hat. Es gab im September ein erstes Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-27, wo dienächsten Schritte besprochen werden sollten. Aber was da auf der Agenda stand, ist alles auch früher schon diskutiert worden:Wie kann man den Grenzschutz stärken? Wie sollen wir zukünftig mit der Migration umgehen? Und wie können wir in derSicherheits- und Verteidigungspolitik mehr zusammenarbeiten? Was sich aber geändert hat: Viele, auch BrüsselerSpitzenpolitiker, sehen ein, dass die EU tatsächlich in einer existenziellen Krise ist und dass sie, wenn sie nicht das Vertrauen derBürger zurückgewinnen kann, in ihrem Bestand bedroht ist. Aber einen radikalen Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik oder in derEurozonenpolitik sehe ich nicht.

Wie kann die EU das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen?

Die EU müsste den Bürgern zeigen, dass sie tatsächlich hilft, die großen Herausforderungen zu bewältigen. In zwei großenIntegrationsprojekten, in der Eurozone und im Schengenraum mit den offenen Binnengrenzen und dem gemeinsamenAußengrenzen, ist die EU seit Jahren in Krisen gefangen. Und sie hat es nicht geschafft, dem Bürger zu zeigen, dass sie in derLage ist, diese Probleme zu lösen. Was die EU jetzt nicht braucht, ist eine neue Debatte, was noch an Kompetenzen nachBrüssel verlagert werden soll oder was die Europäer mehr gemeinsam machen müssen. Stattdessen sind kleine Schritte nötig,mit denen die EU klar zeigt, wie sie etwa bei der Grenzsicherung so helfen kann, dass die Sorgen der Bürger bei der Migrationernst genommen werden und sie trotzdem ihrer humanitären Verantwortung gerecht wird. Solche praktischen Lösungen sind inBrüssel aus meiner Sicht in den letzten Jahren nicht gelungen.

Das Interview ist zuerst bei fluter.de erschienen. Interviewerin: Sinah Grotefels.