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Die Finanzierungsverfahren der sozialen Sicherheit in einer dynamischen Welt Antrittsvorlesung, gehalten am 2. Dezember 1968 an der Universität Zürich 1 Von Peter Thullen, Termen VS 1. Einleitung _L/as Thema umfasst einen weiten Komplex sowohl mathematischer wie auch sozialer und wirtschaftlicher Aspekte der Sozialen Sicherheit. Zunächst muss ich bekennen, dass es keine explizite, allgemein anerkannte Definition der «Sozialen Sicherheit» gibt. Doch enthalten die Erklärung von Philadelphia der Internationalen Arbeitskonferenz von 1944 und insbeson- dere das 1952 verabschiedete Internationale Übereinkommen (102) über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit eine konkrete aufzählende Beschrei- bung. Demnach sehen wir die Soziale Sicherheit an als die Gesamtheit der von der Gesellschaft und vorzüglich vom Staate getroffenen Massnahmen, um eine geeignete ärztliche Betreuung sicherzustellen und um die Sicherung des Lebensunterhaltes im Falle von Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität, Alter, Tod des Ernährers und im Falle der Versorgungspflicht für Kinder zu gewährleisten. Wir werden uns auf Systeme der Sozialen Sicherheit, deren Durchführung durch Gesetz geschaf- fenen Trägern anvertraut ist, beschränken, also unter Ausschluss der Privat- versicherung oder rein privatrechtlicher Einrichtungen, auch wenn sie eines oder mehrere der aufgezählten «sozialen Risiken» decken sollten. Das hauptsächliche Mittel, die Soziale Sicherheit zu verwirklichen, ist die Ihnen vertraute Sozialversicherung. Die Finanzierung der ersten Sozialversi- cherungssysteme gründete auf Hypothesen, die einer vorausschaubaren Zu- kunft entsprachen. Die Dynamik der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Dezennien ebenso Krisen und Katastrophen der Vergangenheit haben jedoch auch innerhalb der Sozialen Sicherheit das Idyll einer gesicherten und stabilen Welt zerstört 5 und die Notwendigkeit, die Finanzierung der Sozialen Sicherheit jener Dynamik anzupassen, hat zu neuen Fragestellungen, Lösungsversuchen und Methoden geführt. Von die- sen soll im folgenden die Rede sein. 1 Die vorliegende Wiedergabe enthält einige Erweiterungen sowie unwesentliche Änderungen und Verbesserungen des Originaltextes. 59

Die Finanzierungsverfahren der sozialen Sicherheit in einer ...Hilfshypothesen oder Forderungen aufstellen : als erstes ein wichtiges Zeitele ment, die zeitliche Konstanz der Beitragssätze

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  • Die Finanzierungsverfahren der sozialen Sicherheit

    in einer dynamischen Welt

    Antrittsvorlesung, gehalten am 2. Dezember 1968 an der Universität Zürich1

    Von Peter Thullen, Termen VS

    1. Einleitung

    _L/as Thema umfasst einen weiten Komplex sowohl mathematischer wie auch sozialer und wirtschaftlicher Aspekte der Sozialen Sicherheit.

    Zunächst muss ich bekennen, dass es keine explizite, allgemein anerkannte Definition der «Sozialen Sicherheit» gibt. Doch enthalten die Erklärung von Philadelphia der Internationalen Arbeitskonferenz von 1944 und insbeson-dere das 1952 verabschiedete Internationale Übereinkommen (102) über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit eine konkrete aufzählende Beschrei-bung. Demnach sehen wir die Soziale Sicherheit an als die Gesamtheit der von der Gesellschaft und vorzüglich vom Staate getroffenen Massnahmen, um eine geeignete ärztliche Betreuung sicherzustellen und um die Sicherung des Lebensunterhaltes im Falle von Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität, Alter, Tod des Ernährers und im Falle der Versorgungspflicht für Kinder zu gewährleisten. Wir werden uns auf Systeme der Sozialen Sicherheit, deren Durchführung durch Gesetz geschaf-fenen Trägern anvertraut ist, beschränken, also unter Ausschluss der Privat-versicherung oder rein privatrechtlicher Einrichtungen, auch wenn sie eines oder mehrere der aufgezählten «sozialen Risiken» decken sollten.

    Das hauptsächliche Mittel, die Soziale Sicherheit zu verwirklichen, ist die Ihnen vertraute Sozialversicherung. Die Finanzierung der ersten Sozialversi-cherungssysteme gründete auf Hypothesen, die einer vorausschaubaren Zu-kunft entsprachen. Die Dynamik der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Dezennien — ebenso Krisen und Katastrophen der Vergangenheit — haben jedoch auch innerhalb der Sozialen Sicherheit das Idyll einer gesicherten und stabilen Welt zerstört 5 und die Notwendigkeit, die Finanzierung der Sozialen Sicherheit jener Dynamik anzupassen, hat zu neuen Fragestellungen, Lösungsversuchen und Methoden geführt. Von die-sen soll im folgenden die Rede sein.

    1 Die vorliegende Wiedergabe enthält einige Erweiterungen sowie unwesentliche Änderungen und Verbesserungen des Originaltextes. 59

  • 2. Die Grundhypothesen der Finanzierungsverfahren der Sozialen Sicherheit

    Unter den Finanzierungsverfahren seien die Methoden zur Verwirklichung und Erhaltung des finanziellen Gleichgewichtes eines Systems der Sozialen Sicherheit verstanden, insbesondere die Methoden zur Bestimmung der finan-ziellen Mittel, in erster Linie der Prämien oder Beitragssätze, die hierzu be-nötigt werden.

    Die Frage nach dem geeigneten Finanzierungsverfahren der sogenannten «kurzfristigen Risiken» — wie Krankheit, Mutterschaft, teilweise auch Arbeitsunfall und Berufskrankheit, und die Versorgungspflicht für Kinder -ist relativ leicht und meist eindeutig zu beantworten, und ihre Versicherung ist kaum oder nur in geringem Masse jener «Dynamik» ausgesetzt. Unsere Hauptaufmerksamkeit wird sich daher auf die «langfristigen Risiken» oder konkreter auf Systeme von Invaliden-, Alters- und Hinterbliebenenrenten konzentrieren.

    Es ist für unsere Zwecke müssig zu fragen, ob ein System der Sozialen Sicherheit stets auch eine echte «Versicherung» sei5 wichtig ist, dass es in jedem Zeitpunkt der fundamentalen Gleichgewichtsgleichung eines Versiche-rungssystems genügen muss:

    , .x f Vorhandene Mittel -{- Jetztwert der 1 _ | Jetztwert der wahrscheinlichen) ^ ' {wahrscheinlichen zukünftigen Beiträge J {zukünftigen Ausgaben J

    und dass die Methoden der mathematischen Behandlung dem Arsenal der Versicherungsmathematik angehören.

    Wir werden das Erfülltsein der Gleichung (A) als erste Grundforderung oder Grundhypothese aufstellen.

    Die Gleichung (A) muss sich innerhalb einer Risikogemeinschaft erfüllen. Eine solche Risikogemeinschaft, etwa die einer Rentenversicherung, wird z. B. von einer geschlossenen Kasse gebildet ; dies ist der im Zeitpunkt der Beobach-tung existierende Bestand der aktiven Versicherten und Rentner bis zu dessen völligem Erlöschen. Eine andere wichtige Risikogemeinschaft besteht aus der Generation aller gleichaltrigen gleichzeitig in die Versicherung eintretenden Personen.

    Auf dem Begriff der Risikogemeinschaft gründet eine zweite Grundhypo-these eines Systems der Sozialen Sicherheit, die der unbeschränkten zeitlichen Dauer des Systems, das heisst, die Hypothese der offenen Kasse, in welcher der Anfangsbestand von Aktiven und Leistungsempfängern zusammen mit allen Neugenerationen zukünftiger Versicherter eine einzige Risikogemeinschaft bilden. Dieses Prinzip erlaubt es, in einem mathematischen Sinne Lasten, die aus der Versicherung der Anfangsgeneration entstehen, teilweise auf zukünf-

    60 tige Generationen abzuwälzen. Hier liegt wohl einer der hauptsächlichen Un-

  • terschiede gegenüber e inem System der Pr ivatvers icherung und im allgemei-

    nen auch gegenüber den nicht-öffentlichen Pensionskassen, deren Finanzie-

    rungsverfahren meist die Möglichkeit einer zeitlichen Beschränkung oder

    einer Auflösung des Systems in R e c h n u n g stellen.

    Neben diesen beiden Grundhypothesen möchte ich noch zwei zusätzliche

    Hilfshypothesen oder Forderungen aufstellen : als erstes ein wichtiges Zeitele-

    ment , die zeitliche Konstanz der Beitragssätze wäh rend bes t immter Zeitperi-

    oden, welche jeweils ein Jahr oder eine bes t immte Anzahl von Jahren - z. B.

    5, 10 oder m e h r Jahre - oder auch die ganze unbeschränkte Dauer des

    Systems umfassen können. Eine zweite zusätzliche Forderung ist die der

    Gleichförmigkeit der Beitragssätze, d. h . deren Unabhängigkei t von individu-

    ellen Risiken, wie sie e twa durch Alter, Famil ienstand u n d Gesundheitszu-

    stand gegeben sind.

    Es sei der immerhin seltene Fall erwähnt, dass innerhalb eines Systems der Sozialen Sicherheit verschiedene Beitragssätze für bestimmte grosse Personengruppen bestehen. So kennt das britische System nach Geschlecht und für Jugendliche und Erwachsene dif-ferenzierte Beiträge; doch ist das Prinzip der Gleichförmigkeit der Beitragssätze jeweils innerhalb einer solchen wohldefinierten Personenkategorie verwirklicht.

    Schliesslich ist es interessant, in der obligatorischen sozialen Unfallversicherung die Tendenz zu beobachten, das Prinzip der Gleichförmigkeit der Prämien oder die Unab-hängigkeit von individuellen Risiken auch auf die Unabhängigkeit von dem jedem In-dustriezweig inhärenten Risiko auszudehnen, indem man einen gemeinsamen Prämien-satz für alle Industriezweige festlegt. Als Beispiele seien Grossbritannien und Österreich innerhalb Europas und die neueren Sozialversicherungssysteme der Mehrzahl der Ent-wicklungsländer genannt, soweit sie jenen Versicherungszweig decken.

    Die Beitragssätze sind entweder in Absolutbeträgen der nat ionalen W ä h -

    rung — so im brit ischen System der gleichförmigen Leis tungen - oder in

    festen Prozentsätzen der versicherten Löhne oder E i n k o m m e n ausgedrückt .

    Oft werden letztere auch in eine beschränkte Anzahl von Lohn- oder Ein-

    kommensklassen eingestuft u n d jeder Klasse ein bes t immter Beitragssatz zu-

    geordnet.

    Innerha lb der vier Hypothesen oder Forde rungen : Erfülltsein der Gleich-

    gewichtsgleichung (A), unbeschränkte Dauer des Systems, zeitliche Konstanz

    und Gleichförmigkeit der P r ämien - zugleich mi t dem Begriff der Risikoge-

    meinschaft - lässt sich eine genügend wei te u n d genügend flexible Klassifizie-

    rung der Finanzierungsverfahren der Sozialen Sicherheit aufstel len2 .

    2 Der hieran interessierte Leser sei auf eine detaillierte, mathematisch begründete Klassifizierungsmethode von E.KAISER hingewiesen ([1] und [2]), welche über die hier entwickelte, mehr pragmatische Klassifizierung hinausgeht.

    61

  • 3. Klassifizierung der Finanzierungsverfahren

    Die Wahl des Jahres als Grundeinheit führt zum reinen Umlageverfahren, dieses besteht darin, dass die Prämie jedes einzelnen Jahres so bestimmt wird, dass sich die Gleichgewichtsgleichung (A) jeweils in diesem einen Jahre erfüllt derart, dass die Beitragseinnahmen - ohne zusätzliche Mittel zu Beginn des Jahres - die effektiven Ausgaben des Systems im gleichen Jahre decken. Allerdings kommt das Verfahren in dieser reinen Form selten in der Praxis vor, wo es meist mit der Bildung einer Sicherheitsreserve zum Auffangen zu-fälliger Schwankungen verbunden ist. Das Umlage verfahren war ursprüng-lich zur Finanzierung der schon erwähnten kurzfristigen Risiken gedacht, spielt aber heute eine wichtige Rolle auch in der sozialen Rentenversiche-rung.

    Auf dem gleichen Grundprinzip beruht das Umlageverfahren der Dek-kungskapitale, nur dass man statt der effektiven Kassa-Ausgaben die Kapital-werte der im Jahre zuerkannten Leistungen zugrunde legt. Die Jahresprämie wird also so bestimmt, dass die Prämieneinnahmen des Jahres genau den vol-len Wert der im Jahre verursachten «Versicherungsschäden» einschliesslich der Verwaltungskosten decken. Da das besondere Interesse und die besondere Technik des Verfahrens sich auf die Rückstellung der Reserven der neu an-gefallenen Renten beziehen, spricht man auch von dem Rentenwert-Umlage-verfahren. Es kommt zur Ansammlung einer technischen Reserve3, deren Höhe in jedem Zeitpunkt gleich der Summe der Kapitalwerte der laufenden Leistungen ist, also die Auszahlung dieser Leistungen bis zu ihrem Erlöschen garantiert. Dieses Verfahren wird häufig in der sozialen Unfallversicherung benutzt, neuerdings auch als ein Finanzierungsmodell der sozialen Renten-versicherung.

    Solange ein Rentensystem noch nicht einen sogenannten Beharrungszu-stand erreicht hat, werden die Beitragssätze des reinen Umlage verfahr ens, meist auch die des Rentenwert-Umlageverfahrens4, von Jahr zu Jahr vari-ieren, und zwar wird im allgemeinen zu Beginn der Versicherung die reine Umlageprämie die weitaus niedrigere sein, später aber im Beharrungszustand auf einem höheren Niveau als die Prämie des Rentenwert-Umlageverfahrens enden.

    3 Bei der Bestimmung der Prämie durch die Gleichung (A) gelten diese Reserven for-mal nicht als « vorhandene Mittel », da die entsprechenden Renten-Kapital werte vorher als «Ausgaben» gebucht wurden.

    4 In der sozialen Unfallversicherung — sofern deren Leistungen von der versicherten Zeit unabhängig sind — kann man allerdings oft von Beginn an das Bestehen eines ange-näherten Beharrungszustandes bezüglich des Rentenwert-Umlageverfahrens und

    62 damit eine angenäherte Konstanz der Prämiensätze erwarten.

  • Die Forderung des Erfülltseins der Gleichgewichtsgleichung (A) bei kon-stantem Beitragssatz während der unbeschränkten Dauer der offenen Kasse führt zum Verfahren der allgemeinen Durchschnittsprämie, das als hauptsäch-liches Finanzierungsverfahren der sozialen Rentenversicherung in der Ver-gangenheit betrachtet werden kann.

    Die Anwendung der allgemeinen Durchschnittsprämie besagt keineswegs, dass in der Praxis die Prämie konstant bleibe. Das Rentensystem als solches kann durch Gesetz ge-ändert werden, oder es mag sich herausstellen, dass die Rechnungsgrundlagen und -hypothesen dem tatsächlichen Verlauf der Versicherung nicht mehr entsprechen. Doch ist vorausgesetzt, dass jede Neuberechnung der Prämie wiederum auf dem Prinzip ihrer Konstanz während der zukünftigen unbeschränkten Dauer des Systems beruht.

    Zwischen den genannten Verfahren lässt sich eine ganze Skala von Finan-zierungsverfahren einordnen, von denen wegen seiner praktischen Bedeu-tung das Zeitabschnitts-Deckungsverfahren besonders hervorgehoben sei. Man kann dieses Verfahren zunächst als eine Verallgemeinerung des reinen Umla-geverfahrens ansehen $ es vermeidet aber die jährliche Variation der Prämie, indem ein grösserer Zeitabschnitt - etwa 5 oder 10 Jahre — als « Deckungsab-schnitt» zugrunde liegt und für jeden solchen Zeitabschnitt je ein konstanter Beitragssatz bestimmt wird. Gilt die Gleichgewichtsgleichung (A) getrennt für jeden einzelnen Deckungsabschnitt, etwa unter der Voraussetzung, dass die « vorhandenen Mittel » zu Beginn des Abschnittes gleich Null sind, und ist ferner der Beharrungszustand des Systems noch nicht erreicht, so sind anfangs die Einnahmen grösser als die Ausgaben — es wird sich also eine Reserve bil-den —, während in der zweiten Phase die Ausgaben die Einnahmen überstei-gen werden, derart, dass am Ende des Deckungsabschnittes die Reserve wie-der aufgebraucht sein wird. Das aber macht eine langfristige Politik der Kapitalanlagen unmöglich.

    In der Praxis wird meist zugelassen oder es wird ausdrücklich im Gesetze vorgeschrieben, dass am Ende eines Deckungsabschnittes eine bestimmte Reserve vorhanden sei. Eines der bekanntesten Beispiele ist wohl die allge-meine deutsche Rentenversicherung, welche ursprünglich Deckungsab-schnitte von je 10 Jahren Dauer vorsah mit der Bedingung, dass die Reserve am Ende eines solchen Abschnittes mindestens gleich dem Rentenaufwand der Versicherungsträger im letzten Jahre sein solle.

    Eine schärfere Forderung ist, dass die einmal angehäufte Reserve sich nie-mals vermindern dürfe, dass also jedesmal, wenn voraussichtlich die Beitrag-seinnahmen plus Zinserträge nicht mehr ausreichen, die Ausgaben zu dek-ken, der Beitragssatz erhöht werden soll. Dieses Verfahren ist als das der ge-staffelten Prämien im engeren Sinne ( « primes échelonnées ») bekanntgeworden.

    Das Zeitabschnittsdeckungsverfahren und seine wichtigste Abart, das der gestaffelten Prämien, zeichnen sich durch ihre Anpassungsfähigkeit aus. Man 63

  • kann ohne Übertreibung behaupten, dass das eine oder andere heute in den meisten sozialen Rentensystemen explizit oder implizit angewandt wird5. Es ist dies eine Folgeerscheinung vor allem der « Dynamik » der modernen Ren-tensysteme, d.h. des Prinzips der Anpassung der Renten an den steigenden Preisindex oder das allgemeine Lohnniveau, das meist zur Aufgabe des Ver-fahrens der allgemeinen Durchschnittsprämie zwang, wenn nicht schon der Verlust der angesammelten Reserven durch Krieg und Inflation dazu geführt hatte oder man bereits ganz zum Umlageverfahren übergegangen war.

    Ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung des wirtschaftlichen Effektes eines Finanzierungsverfahrens ist der erreichte oder erreichbare « Grad der Kapi-talisierung». Im Umlageverfahren und im Rentenwert-Umlageverfahren ist dieser Grad eindeutig gegeben: im ersten Falle ist der Grad der Kapitalisie-rung gleich Null, und im zweiten Falle ist die technische Reserve gleich der Summe der Deckungskapitale der bereits zuerkannten laufenden Leistungen. Weniger eindeutig ist die Frage nach dem Grade der Kapitalisierung in bezug auf das Verfahren der allgemeinen Durchschnittsprämie zu beantworten. Dieses Verfahren kann zu jedem beliebigen Grad der Kapitalisierung führen: zwischen dem oberen Extrem der « vollen Kapitalisierung » und dem unteren Extrem des Grades «0» . Im ersten Falle enthält die Reserve nicht nur die Deckungskapitale der laufenden Renten, sondern deckt auch die vollen « An-wartschaften», das sind die durch Beiträge erworbenen Rechte der noch akti-ven Versicherten. Nur im Zusammenhang mit diesem Grenzfall werden wir auch von dem Anwartschaftsdeckungsverfahren sprechen oder dem Verfahren der vollen Kapitalisierung ('full funding'), das auch heute noch in den nicht öffentlichen Pensionskassen eine wichtige Rolle spielt.

    Ohne auf die mathematische Definition der Anwartschaften und des Anwart-schaftsdeckungsverfahrens einzugehen, kann man sich letzteres am theoretischen Fall der Liquidation einer Pensionskasse verdeutlichen, welche nach diesem Verfahren in der Lage sein muss, nicht nur die Reserven für die laufenden Renten sicherzustellen, sondern auch jedem Aktiven eine dem Wert seiner bereits erworbenen Rechte äqui-valente Einmalabfindung auszuzahlen, mit der dieser sich in einer anderen Kasse die gleichen Rechte « einkaufen » könnte.

    Wohlgemerkt ist das Anwartschaftsdeckungsverfahren nur der eine - obere — Grenzfall des Verfahrens der allgemeinen Durchschnittsprämie, und man muss sich hüten, die beiden Verfahren ohne weiteres einander gleichzuset-zen. Bei der häufig anzutreffenden Verwirrung in diesem Punkte mag es wichtig sein, sich auch den unteren Grenzfall - in welchem es überhaupt nicht mehr zu einer Reservebildung kommt — an einem einfachen Beispiel klarzumachen.

    64 5 Vergleiche hierzu P. Thullen [4].

  • Man betrachte hierzu eine Bevölkerung im absoluten demographischen Be-harrungszustand, in welcher ein System von gleichförmigen Altersrenten ein-geführt werde, die im Alter von 65 Jahren zuerkannt werden sollen. Das System möge sofort auch auf alle Personen, die bei seiner Einführung das Alter von 65 Jahren bereits erreicht oder überschritten haben, ohne vorherige Beitragszahlung angewandt werden. Da im absoluten Beharrungszustand die Anzahl der Aktiven und die der Rentner konstant bleiben, also die gleiche Anzahl von Aktiven stets die Last für eine unveränderliche Anzahl von Altersrenten zu tragen hat, muss im Falle unseres Beispieles die reine Umla-geprämie zeitlich konstant und daher die allgemeine Durchschnittsprämie mit der Umlageprämie identisch sein: es werden keine Reserven, auch nicht zur Deckung der laufenden Renten, angesammelt. Das Beispiel hat nicht nur theoretische Bedeutung; es kann als ein angenähertes Modell für ein bereits reifes Rentensystem dienen, das durch irgendeine Katastrophe seine Reser-ven verloren hat und sozusagen neu beginnen muss, ohne dabei die Zahlung der laufenden Renten einstellen zu können.

    Was das Zeitabschnitts-Deckungsverfahren betrifft, so haben die verant-wortlichen Organe einen relativ grossen Spielraum, den Grad der Kapitalisie-rung je nach den wirtschaftlichen Notwendigkeiten und Möglichkeiten fest-zulegen.

    Der Grad der Kapitalisierung bestimmt weitgehend die Höhe der Prämie. So ergaben die auf ein konkretes europäisches System von Invaliden-, Alters-und Hinterbliebenenrenten bezogenen Berechnungen - unter der Vorausset-zung, dass alle Eintritte in das System im Alter von 21 Jahren stattfinden, und des Rechnungszinsfusses von 4% — die folgenden Prämien für versi-cherte Männer:

    Prozente des versicherten Lohnes

    Allgemeine Durchschnittsprämie (in diesem Grenzfall gleich der Anwartschaftsdeckungsprämie) : 7,8 Prämie des Rentenwert-Umlage Verfahrens nach Erreichen des ab-soluten Beharrungszustandes: 19,1 Reine Umlageprämie, ebenfalls nach Erreichen des absoluten Be-harrungszustandes : 29,1

    Die unerwartet hohen Unterschiede in diesen Zahlen weisen auf die Schwierigkeit und auch auf die Verantwortung hin, welche die Wahl des ge-eigneten Finanzierungsverfahrens impliziert.

    Die gewonnene Klassifizierung umfasst in einer kontinuierlichen Weise alle möglichen «vernünftigen» Finanzierungsverfahren der Sozialen Sicher-heit und bildet das Rüstzeug, um ihre Finanzierung den dynamischen Bedin-gungen anzupassen, deren Betrachtung wir uns nun zuwenden wollen. 65

  • 4. Von den dynamischen Bedingungen, denen die Soziale Sicherheit

    unterworfen ist

    Die wirtschaftlichen und demographischen Grundlagen, mit denen man es um die Jahrhundertwende in der Zeit der ersten sozialen Rentensysteme zu tun hatte, schienen weitgehend durch Konstanten bestimmt zu sein: annä-hernd konstante Preise und konstante Löhne, konstante Sterblichkeiten und andere konstante demographische Grundlagen. Die Störungen in diesem kon-stanten Weltbild nach dem Ersten Weltkrieg sahen viele wohl als vorüberge-hend an. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte dann endgültig eine dynami-sche Entwicklung in mehreren Richtungen ein, wobei wir die Frage offenlas-sen, wieweit es sich um längst bestehende latente Tendenzen handelt, deren Wirksamkeit nur auffälliger geworden und ins allgemeine Bewusstsein ein-gedrungen ist.

    So beobachtet man in der Nachkriegszeit in fast allen Ländern einen mehr oder weniger stark ansteigenden Preisindex, zugleich auch ein Anheben des allgemeinen Lohnniveaus, und zwar fast immer in weit stärkerem Masse als das des Preisindexes, so dass auch die Reallöhne eine steigende Tendenz auf-weisen. Diese Tendenzen scheinen noch keineswegs zur Ruhe gekommen zu sein, und sie sind nicht nur in den hochentwickelten Industrieländern, son-dern auch in vielen Entwicklungsländern sichtbar.

    Wenn ein Rentensystem seinen sozialen Sinn bewahren soll, entsteht die Notwendigkeit einer periodischen Anpassung der laufenden Renten und der Aufwertung der Bemessungsgrundlage6 der Neurenten 5 ein Prinzip, das be-reits in das Internationale Übereinkommen über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit übernommen wurde. Ich kann leider nur in Stichworten das soziale und wirtschaftliche Problem der Anpassung berühren. Es bieten sich unmittelbar zwei Methoden an : einerseits die Anpassung an den Preisin-dex, um die Kaufkraft der Renten zu erhalten; andererseits die Anpassung an das allgemeine Lohnniveau oder an einen äquivalenten Index, die auch den Altrentner an einer späteren Hebung des allgemeinen Lebensstandards teilnehmen lässt. Der Effekt anderer Methoden liegt meist zwischen dem Ausmass der durch diese beiden Hauptmethoden erreichbaren Anpassungen.

    Die Anpassungen können nach einem im Gesetz verankerten Automatis-mus (z.B. in Frankreich) oder Halbautomatismus (wie in Deutschland) oder

    6 Eine Alters- oder Invalidenrente wird meist mit einem gewissen Durchschnitt der versicherten Löhne, z.B. die der letzten (oder der «besten») 5 oder 10 Jahre oder auch mit dem allgemeinen Durchschnitt der versicherten Arbeitskarriere « bemessen » ; dieser Durchschnitt wird die «Bemessungsgrundlage» genannt. Für die nach einer Geldentwertung neu zuerkannten Renten ergibt sich die Notwendigkeit, die weiter

    66 zurückliegenden, in die Bemessungsgrundlage eingehenden Löhne zuvor anzupassen.

  • in gewissen Zeitabständen ad hoc durchgeführt werden, wie es in der Ver-

    gangenheit in den USA, in Grossbritannien und auch in der Schweiz der

    Fall war. Einige Beispiele mögen die Entwicklung veranschaulichen7 :

    Land

    (R =

    Bundesrepublik Deutschland

    Frankreich

    Grossbritannien

    Niederlande

    Norwegen

    Schweiz

    = Rentenindex,

    Index

    R P L

    R P L

    R8

    P L

    R8

    P L

    R P L

    R9

    P L

    P =

    1957

    100 100 100

    100 100 100

    100 100 100

    100 100 100

    100 100 100

    100 100 100

    Preisindex,

    1958

    100 102 107

    107 115 112

    100 103 105

    109 102 102

    107 105 104

    100 102 106

    1959

    106 103 112

    122 122 119

    125 104 107

    113 104 105

    120 107 111

    100 101 109

    L =

    1960

    112 105 124

    155 127 128

    125 105 116

    113 105 113

    120 108 115

    100 105 114

    Lohnindex)

    1961

    119 107 156

    145 151 158

    125 108 124

    152 107 122

    154 111 125

    120 104 119

    1962

    125 110 152

    167 137 149

    145 115 129

    158 110 127

    164 116 155

    120 109 150

    1965

    155 115 164

    194 144 165

    145 115 155

    177 115 158

    175 119 159

    120 115 141

    1964

    141 116 178

    217 149 175

    169 119 146

    167 116 154

    In allen Fällen wächst der Lohnindex, aber auch der Rentenindex stärker als der Preisindex. Wenn der Rentenindex oft ein steileres Wachstum als der Lohnindex zeigt, so mag dies zum Teil auf die fortschreitende « Reife » des Systems zurückzu-führen sein (d.h. auf eine längere durchschnittliche Versicherungsdauer, falls die Höhe der Rente von dieser mitbestimmt wird), zum Teil aber auch auf einen gewis-sen Nachholbedarf gegenüber einer Rentenhöhe, die einem entwickelteren sozialen Empfinden zu niedrig erscheint; letzteres gilt insbesondere für gleichförmige, vom Lohne und von der Versicherungsdauer unabhängige Renten (z.B. Grossbritannien und die Mindestrenten der Schweiz). Im übrigen sind die Entwicklungen in den ver-schiedenen Ländern nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar.

    7 Internationales Arbeitsamt Genf: CSSE/Act. 7. 1964 (mit einigen Ergänzungen). Die Löhne entsprechen den nichtlandwirtschaftlichen Beschäftigungen (Männer und Frauen; Grossbritannien und Schweiz: Männer).

    8 (Gleichförmige) Renten für Nichtverheiratete. 9 Index der Mindestrenten. Die Maximalrenten zeigen einen analogen Verlauf. Es

    sei bemerkt, dass nach der 7. Revision der Index der Mindestrente auf 267 ansteigen wird. 67

  • Die Notwendigkeit der Rentenanpassungen stellte den Mathematiker der Sozialen Sicherheit vor neue Probleme : Das Prinzip der Anpassung war fast nie in den ursprünglichen Berechnungen berücksichtigt worden, und es ist auch heute unmöglich, das wahrscheinliche Ausmass zukünftiger Anpassungen vor-auszusagen. Die Beibehaltung des Verfahrens der allgemeinen Durchschnitts-prämie (abgesehen vom Grenzfall ihrer Identität mit der Umlageprämie) oder des Anwartschaftsdeckungs verfahr ens würde bei jeder Anpassung der Renten auch zur Anpassung der technischen Reserven zwingen, sei es durch Kapitalzu-schüsse, sei es durch jeweilige Erhöhung der Beitragssätze. Es ist fraglich, ob sol-che Massnahmen - vor allem im Hinblick auf ihre periodische Wiederholung -innerhalb einer allgemeinen sozialen Rentenversicherung immer zweckmässig oder überhaupt möglich sind.

    Fast gleichzeitig setzte ein geradezu spektakuläres Abnehmen der Sterblichkeit ein. Dass diese Tendenz nicht auf hoch entwickelte Länder beschränkt ist, be-weist die sprichwörtliche «Bevölkerungsexplosion» in den Entwicklungslän-dern, die ja nicht so sehr einer grösseren Geburtenfreudigkeit, sondern dem Absinken der Sterblichkeit zuzuschreiben ist. Hier ergibt sich ein zweifaches Problem : sowohl in den Rechnungsgrundlagen die sich ändernde Sterblichkeit zu berücksichtigen, wie auch die Folgeerscheinungen der demographischen Expansion mathematisch zu erfassen.

    Eine ebenfalls unmittelbar nach dem Kriegsende einsetzende Entwicklung betrifft die rasche schrittweise Ausweitung der Kategorien der geschützten Personen: ausgehend von bestimmten Arbeitnehmerklassen, z.B. den Ange-stellten, über die Masse aller Arbeitnehmer, dann die Gesamtheit der wirt-schaftlich Beschäftigten bis schliesslich zur Erfassung der ganzen Wohnbevöl-kerung. Diese letzte Etappe einer weltweiten Entwicklung ist bereits in einigen Ländern erreicht, so auch praktisch in der Schweiz bezüglich der Rentenversi-cherung (AHV). Es ist zweifelhaft, ob die klassischen Finanzierungsverfahren noch auf eine derartige allgemeine nationale Rentenversicherung anwendbar sind.

    Es ist eine relativ leichte Rechenaufgabe, die Höhe der Reserve zu berechnen, die un-ter gewissen Hypothesen und gemäss dem Anwartschaftsdeckungsverfahren einer auf die ganze Wohnbevölkerung eines Landes ausgedehnten Altersversicherung im Behar-rungszustand entsprechen würde. Zu diesem Zwecke stelle man sich eine Bevölkerung vor, deren « aktiver » Teil (Alter zwischen 20 und 64 Jahren) drei Millionen Personen umfasse, was angenähert dem entsprechenden Teil der Schweizer Stammbevölkerung Ende 1966 gleichkommen würde ; jedoch werde vorausgesetzt, dass die Bevölkerung sich bereits im absoluten Beharrungszustand befinde und dass ihre Altersstruktur in diesem Zustand der einer modernen Absterbeordnung entspreche. In dieser Bevölkerung be-stehe ein System von Altersrenten, in das jeder im Alter von 20 Jahren als Beitragszah-lender eintritt und in dem er im Alter von 65 Jahren in den unbedingten Genuss der

    68 Altersrente von einheitlich Fr. 3600.- jährlich gelangt. Unter diesen Voraussetzungen

  • und bei einem Rechnungszinsfuss von 3,5 % ergibt sich eine Gesamtreserve in der Grös-senordnung von 70 Milliarden. Dieser Betrag ist ungefähr das Neunfache der Ende 1967 in der AHV angesammelten Reserve.

    Glücklicherweise liegt es i m Wesen einer offenen Kasse, dass n u r der Zinser-

    trag des Reservekapitals, nicht aber dieses selbst gebraucht wird , es sei denn i m

    Falle einer rückläufigen versicherten Bevölkerung. Es m a g paradox scheinen,

    dass un te r der Voraussetzung eines niemals abnehmenden Versichertenbestan-

    des in letzter Konsequenz die reelle Existenz des Reservekapitals überhaup t

    nicht notwendig ist - sein Betrag m a g i rgendwo imaginär zu Buche s tehen —,

    wenn n u r der regelmässige Zinser t rag über diesen Betrag realisiert wird. Kapital

    hat hier also n u r e inen finanziellen Sinn, soweit sein Zinser t rag reicht. Bei der

    Neugründung einer nat ionalen Versicherung von der Art unseres Beispieles10

    könnte m a n also rein fiktiv jene Anfangsreserve von 70 Mill iarden in die Passi-

    ven der Bilanz ü b e r n e h m e n u n d andererseits die gleiche S u m m e als Schuld

    der Nation an die Versicherung u n t e r die Aktiven buchen , gleichzeitig aber

    die effektive Zah lung der Zinsen über diese Schuld garant ie ren , ohne deren

    Amortisation zu ver langen. I n unse rem Beispiele ergäben sich pro Kopf eines

    aktiven Versicherten annähe rnd die folgenden, vorschüssig zu zahlenden Jah-

    resbeträge :

    Die eigentliche Prämie (als Anwartschaftsdeckungsprämie zum Eintrittsalter 20 berechnet) : 355. — Anteil am Zinsdienst über die Anfangsschuld : 790. —

    Total 1125.—

    Gründe t m a n i m Gegensatz hierzu die F inanz ie rung von vornhere in auf

    das re ine Umlageverfahren , so e r rechnet sich eine Umlageprämie von genau

    dem Jahresbetrag von Fr. 1125 . - , die i m übr igen (bei einer Anfangsreserve

    « 0 » ) mi t der a l lgemeinen Durchschni t t sprämie identisch is t ; dies alles ohne

    die Fiktion von zu Buch s tehender Reserve oder Schuld. Dieses e lementare

    Beispiel m a g zu einer « Entmystif izierung » gewisser Finanzierungsverfahren

    dienen.

    Ich kann leider n u r in aller Kürze auf e inen wei te ren Faktor e ingehen, der

    zum Verlassen alter Denkweisen zwingt . Es ist bekannt , dass innerha lb eines

    Systems der Sozialen Sicherheit eine gewisse Umver t e i l ung der E i n k o m m e n

    stattfindet. Die s teigenden Kosten der Sozialen Sicherheit führen zu einer

    immer s tärkeren Subvent ionierung durch die öffentliche Hand , welche die

    entstehenden Kosten mit tels S teuern auf die Allgemeinhei t ver te i l t , was je

    nach der Art der Bes teuerung sich in einer ausgedehnten u n d s tarken U m -10 Wie im Beispiel auf S. 65 werde angenommen, dass das System von Beginn an

    auch auf alle Personen vom Alter 65 und darüber angewandt werde. 69

  • Verteilung der E i n k o m m e n auswirken kann . Diese zunächst na tür l iche Be-

    glei terscheinung der Entwick lung der Sozialen Sicherheit ist heu te vielfach

    ein Teil e iner bewussten Sozial- u n d Wirtschaftspolitik geworden, i n d e m also

    bewusst die Soziale Sicherheit als ein I n s t r u m e n t einer sozial ger ichte ten U m -

    ver te i lung der E i n k o m m e n eingesetzt wird. Es ist e inleuchtend, dass zur Fest-

    setzung der Beiträge u n d Subvent ionen der öffentlichen H a n d andere Kri ter ien

    massgebend sein können , als sie für die Bes t immung der Arbeitgeber- u n d

    Arbei tnehmerbei t räge gel ten mögen.

    Die Frage nach dem geeigneten Finanzierungsverfahren stellt sich in En t -

    wicklungsländern in verschärfter Form. Mi t Staatszuschüssen kann selten ge-

    rechnet werden . Die E in führung der a l lgemeinen Durchschni t t sprämie eines

    Rentensystems ergäbe eine zu hohe finanzielle Belastung für Arbeitgeber u n d

    Arbe i tnehmer in e iner noch u n g e n ü g e n d entwickel ten Wirtschaft . Ausser-

    dem besteht die Gefahr, dass eben dieser Entwicklungszustand oft nicht die

    Garant ie für eine geeignete Anlagepolitik e iner ungewohn ten Anhäufung

    von Kapitalien geben kann . Hie r bietet sich fast als einzig mögliche Alterna-

    t ive das Verfahren der gestaffelten P r ä m i e n an.

    Folgende Zahlen, die der praktischen Berechnung eines Rentensystems eines Ent-wicklungslandes entnommen sind, mögen die Wirksamkeit des Verfahrens andeuten. Die allgemeine Durchschnittsprämie wurde zu 11,8 % der versicherten Löhne berech-net, doch für den Beginn ein Beitragssatz von nur 5,5 % festgesetzt. Dieser reicht aus, um unter den gemachten Voraussetzungen das finanzielle Gleichgewicht des Systems während eines ersten Deckungsabschnittes von über 25 Jahren Dauer — für welches eine Wachstumsrate des aktiven Versichertenbestandes von 3 % angenommen wurde — zu sichern und zugleich genügend Reservekapitalien zur Entwicklung des Landes zur Ver-fügung zu stellen. Ein solches Verfahren legt dem Lande erst dann höhere Lasten auf, wenn man erwarten darf, dass die wirtschaftliche Entwicklung weit genug fortgeschrit-ten ist, um diese zu tragen.

    5. Anpassung der Verfahren und Rechenmethoden an die

    dynamischen Bedingungen

    Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass m a n in der P l a n u n g u n d

    Kontrolle eines Rentensystems der Sozialen Sicherheit n icht auf dynamische

    Arbeitshypothesen verzichten kann . Aber gerade hier s teht m a n vor der

    grundsätzl ichen Schwierigkeit , w e n n nicht Unmöglichkei t , gül t ige Voraussa-

    gen über langfristige zukünft ige Entwicklungen zu machen . So können En t -

    wicklungstendenzen, z. B. des Preisindexes oder des a l lgemeinen Lohnniveaus

    für e inen h inre ichend langen zukünft igen Zeitabschnit t nicht ohne weiteres

    aus der Er fah rung der Vergangenhei t extrapoliert werden . Demographische

    70 Tendenzen ändern sich zwar langsamer, aber auch hier kann eine bewusste

  • Bevölkerungsplanung zu einem vollständigen Umbruch führen. Und was wis-sen wir von den wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen, die eine verallge-meinerte friedliche Anwendung der Atomenergie und die vielfach erst be-gonnene Automation bewirken werden?

    Man könnte sich nun fragen, ob wir es nicht mit eigenständigen Entwicklun-gen zu tun haben, die sich der mathematischen Kontrolle entziehen. Dies ist nun keineswegs der Fall ; wohl aber haben sich die Aufgaben und Arbeitsmethoden des Mathematikers der Sozialen Sicherheit geändert. Ohne mich auf nur dem Fachmann vertraute mathematische Methoden und Formulierungen zu bezie-hen, möchte ich versuchen, eine Auswahl der wichtigsten Aspekte anzudeuten.

    Zunächst einige Hinweise über die formale Methodik. Wir haben schon die weite Skala der Finanzierungsverfahren behandelt und insbesondere das Zeit-abschnitts-Deckungsverfahren und den Sonderfall des Verfahrens der gestaf-felten Prämien hervorgehoben, die sich innerhalb ihrer beiden Grenzfälle -der reinen Umlageprämie bzw. der allgemeinen Durchschnittsprämie — flexi-bel den verschiedenen Tendenzen und Situationen anpassen lassen.

    Als nützliches Mittel, um die Auswirkungen von dynamischen Entwicklun-gen während genügend langer Zeitperioden mathematisch zu beschreiben, hat sich die Einführung des Modells der relativen Beharrungszustände erwie-sen, die den früher meist nur benutzten absoluten Beharrungszustand als Sonderfall umfassen. Der relative demographische Beharrungszustand setzt voraus, dass die relative Alters Verteilung der gegebenen Bevölkerung kon-stant bleibt, ihr Umfang aber variieren darf. Analog wird auch der relative finanzielle Behar rungs zustand definiert11, ohne dass ich hier auf Einzelheiten eingehen könnte.

    Als eine sehr fruchtbare Rechenmethode — die es erlaubt, unter Variierung der Arbeitshypothesen deren Einfluss auf den Verlauf einer Versicherung zu verfolgen — wird seit langem die Projektionsmethode verwandt. Es werden Jahr für Jahr die wahrscheinlichen Einnahmen und Ausgaben geschätzt und die Höhe der Reserven berechnet, meist bis zur Erreichung eines den Hypo-thesen entsprechenden Beharrungszustandes. Wohlbemerkt handelt es sich nur um eine Rechenmethode, die zwar dem Umlageverfahren angepasst er-scheint, jedoch bei jedem anderen Finanzierungsverfahren mit Nutzen ange-wandt werden kann.

    Im Hinblick auf die Unmöglichkeit, genügend sichere Voraussagen über langfristige Entwicklungen zu machen, ist es von besonderer Wichtigkeit, die Berechnungen stets unter mehreren Arbeitshypothesen durchzuführen, die zwischen optimalen und pessimistischen variieren. Es ist oft überraschend zu erfahren, dass man trotz einer weiten Variation der Hypothesen zu recht brauchbaren Ergebnissen gelangen kann.

    "S iehe P.Thullen [3]. 71

  • Was die konkrete Behandlung der durch die dynamische Entwicklung auf-geworfenen Probleme angeht, steht wohl die Frage nach den finanziellen Auswirkungen der Anpassung der Renten an wirtschaftliche Schwankungen im Vordergrund des Interesses. Setzt man ein lohngebundenes Rentensystem mit Anpassung aller Altrenten und der Bemessungsgrundlage der Neurenten an ein steigendes allgemeines Lohnniveau voraus, so nehmen die durch die Anpassungen verursachten Ausgaben im gleichen relativen Ausmass zu wie die Absolutbeträge der lohngebundenen Beitragseinnahmen. Beruht die Finanzierung des Rentensystems auf dem reinen Umlageverfahren, so ist also (im absoluten oder relativen Beharrungszustand) eine volle automatische An-passung aller Renten ohne zusätzliche Mittel möglich. Liegt ein anderes Finanzierungsverfahren zugrunde, das eine Anhäufung technischer Reserven vorsieht, so können — bei Konstanz der übrigen Rechnungsgrundlagen — die Renten nicht mehr voll aufgewertet werden, ohne dass zusätzliche Mittel zur Verfügung ständen. Z.B. gestattet das Rentenwert-Umlageverfahren zwar die volle Anpassung aller Neurenten, könnte aber keine Mittel zur Aufwer-tung der Altrenten freimachen. Hierzu bedenke man, dass eine Anpassung der Renten unter Beibehaltung eines bestehenden finanziellen Gleichgewich-tes auch die Aufwertung der technischen Reserven verlangt.

    Mathematisch gesehen wirkt die Vermehrungsrate des allgemeinen Lohn-niveaus bei automatischer Anpassung der Renten wie ein negativer Zinsfuss, kann also auch durch erhöhten Zinsgewinn aufgefangen werden. In Ziffern heisst das etwa folgendes : falls der ursprüngliche Beitragssatz mit dem Rech-nungszinsfuss von 4% berechnet wurde, tatsächlich aber ein permanenter Zinsertrag von 5% erzielt wird, so kann die volle Anpassung aller Renten an ein um 1% jährlich steigendes allgemeines Lohnniveau ohne Störung des Gleichgewichtes und ohne Erhöhung des Beitragssatzes durchgeführt werden.

    Ist eine solche Kompensation nicht oder nur teilweise möglich, können sich erhebliche Mehrkosten ergeben. Indem wir uns wieder auf das schon be-nützte Beispiel eines europäischen Rentensystems beziehen und annehmen, dass seine Finanzierung ursprünglich auf der angegebenen Anwartschaftsdek-kungsprämie von 7,8% basierte, so werden im Grenzfall der Gleichheit der jährlichen Steigerungsrate des allgemeinen Lohnniveaus mit dem Rech-nungszinsfuss von 4% die Zinserträge vollständig zur Aufwertung der Reser-ven verbraucht, können also nicht zur Zahlung der Renten herangezogen werden, so dass im Beharrungszustand die Ausgaben durch die Umlageprä-mie von 29,1% gedeckt werden müssen. Unter der theoretischen Annahme, dass diese Steigerungsrate des allgemeinen Lohnniveaus ad infinitum an-dauere, würden die Reserven - abgesehen von einer ungeheuren Selbstauf-blähung — jede finanzielle Funktion verlieren.

    72

  • Nicht minder wichtig ist es, die Auswirkungen demographischer Schwan-kungen zu verfolgen. Das demographische Wachstum der versicherten Bevöl-kerung kann zeitweilig eine spürbare finanzielle Erleichterung bezüglich der Direktausgaben bedeuten. So erhält man für obiges Rentensystem im relati-ven Beharrungszustand die folgenden Umlageprämien als Mass der jährlichen Ausgaben :

    Jährliche demograph. Wachstumsrate Umlageprämie (Prozente des versicherten Lohnes)

    3% 10,9% 2% 15,1% 1% 21,0% 0 29,1 %

    Die Unkenntnis dieses Zusammenhanges kann während einer langen Peri-ode demographischen Wachstums zu einem falschen Optimismus über die Finanzlage eines Rentensystems führen und später - falls das Wachstum sich verlangsamt oder gar zum Stillstand kommt - zu einer für die Beteiligten un-angenehmen Überraschung, wenn die Prämien in einem nicht vorhergesehe-nen Ausmass erhöht werden müssen.

    Diese Beispiele mögen genügen, um Ihnen zu zeigen, dass dem Mathema-tiker der Sozialen Sicherheit auch heute ein wirksames Instrumentar zur Ver-fügung steht ; und wenn dieses noch der Vervollkommnung bedarf, so mag gerade das einen besonderen Reiz für ihn haben. Er wird selten nach einem fertigen Rezept vorgehen können; er muss die finanziellen Rückwirkungen nachweisen, die sich aus den möglichen Varianten der demographischen und wirtschaftlichen Rechnungsgrundlagen und Arbeitshypothesen ergeben. Er wird Entwicklungstendenzen deuten müssen, vielleicht vor einem verfrühten Optimismus warnen, wenn gewisse Tendenzen eine optimale Finanzlage vor-täuschen, deren Dauer nicht gesichert ist. Über das rein Mathematische hin-aus wird er sich um vertiefte Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge bemühen; er wird mehr als früher auch Statistiker sein müssen mit einem Gefühl für die richtige Auswahl und Deutung der demographischen und wirtschaftlichen Unterlagen seiner Berechnungen.

    Im übrigen gibt es keine eindeutige Anwort auf die Frage nach dem best-möglichen Finanzierungsverfahren. Dessen Wahl ist zum Teil ein eminent wirtschaftliches Problem von komplexer Natur: z.B. kann die Notwendigkeit, über eine gewisse Höhe von Reserven als Investitionskapitalien zu verfügen, eine Rolle spielen; oder die Möglichkeiten, den Realwert der Kapitalanlagen und deren Zinserträge zu erhalten; der zu erwartende inflationäre oder anti- 75

  • inflationäre Effekt eines Beitragssystems; die mögliche Korrelation zwischen erhöhten Zinserträgen und einer schleichenden Geldentwertung; die « Reife » des Rentensystems und das Schicksal früher angesammelter Reser-ven; die bewusste Absicht, die Soziale Sicherheit als Instrument einer sozial gerichteten Umverteilung der Einkommen zu gebrauchen, usw. Auch mag die Antwort in einem wirtschaftlich hoch entwickelten Lande anders ausfal-len als in einem Lande, das am Beginn einer industriellen Entwicklung steht.

    Die Endentscheidung liegt in der Verantwortung politischer Organe. Der Versicherungsmathematiker hat den Auftrag, diesen Organen die notwendi-gen informativen Elemente zur Beurteilung der Rückwirkungen und Folgen der möglichen Alternativlösungen zu liefern. Hierbei wird es weniger auf die starre Kenntnis von Formeln und Rechenrezepten ankommen als auf eine geistige Anpassungsfähigkeit an neue Fragestellungen und eine echte mathe-matische Denkweise und Intuition.

    Verzeichnis der hauptsächlich benützten Literatur

    E. Kaiser

    [1] Die Finanzierungsverfahren der Rentenversicherung unter dem Einfluss der wirtschaftlichen Entwicklung. Berichte der II. Internationalen Konferenz der Ver-sicherungsmathematiker und Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Rom 1959.

    [2] Funktionalgleichungen der Sozialmathematik. Internat. Zeitschr. f. versiche-rungsmath. und statist. Probleme der Sozialen Sicherheit; Nr.8, 1962 (IVSS, Genf).

    [5] Von der politischen Arithmetik zur Wirtschafts- und Sozialmathematik. Schweiz. Zeitschr. f. Volkswirtschaft und Statistik 103, Heft 4, 1967.

    P. Thullen

    [1] Über den relativen Beharrungszustand einer Bevölkerung. Mitteil. d. Vereini-gung Schweiz. Versicherungsmathematiker Bd. 58, Heft 2, 1958.

    [2] Über die Eintritts- und Abnahmeintensitäten einer Bevölkerung und über das Verhalten der Bevölkerungsfunktion, insbesondere relativ stationärer Bevölkerun-gen. Mitteil. d. Vereinigung Schweiz. Versicherungsmathematiker Bd. 60, Heft 2, 1960.

    [3] Anotaciones sobre el estado financiero relativamente estacionario de un sistema de seguro. Berichte der II. Internationalen Konferenz der Versicherungsmathematikei und Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Rom 1959.

    [4] The Scaled Premium System for the Financing of Social Insurance Pension Sche-mes : Maximum Period of Equilibrium. Internat. Zeitschr. f. Versicherungsmath.

    74 und statist. Probleme der Sozialen Sicherheit; Nr. 10, 1964 (IVSS, Genf).

  • A. Zelenka < [1] Sécurité sociale et les variations du niveau général des salaires. Comptes rendus du

    13e Congrès International des Actuaires, Scheveningen 1951. [2] Quelques remarques sur le régime financier. Berichte der I. Internationalen Kon-

    ferenz der Versicherungsmathematiker und Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Brüssel 1956.

    [3] Fonctions biométriques et économiques interchangeables dans l'équation générale de l'équilibre financier. Berichte der II . Internationalen Konferenz der Versiche-rungsmathematiker und Statistiker der Sozialen Sicherheit; IVSS, Rom 1959.

    Internationales Arbeitsamt (BIT), Genf: Problèmes actuariels résultant d'une adapta-tion systématique des prestations aux fluctuations du niveau général des salaires et du coût de la vie, BIT: CSSE/Act 3. 1964.

    - Gemeinsam mit der Conferencia Interamericana de Seguridad Social (CISS): El equilibrio fînanciero de la seguridad social frente a las depreciaciones monetarias. Primer Seminario Americano de Actuarios de Seguridad Social, Paraguay 1957 (veröffentlicht durch CISS, Mexico 1957).

    Zusammenfassung

    Die Finanzierungsverfahren der Sozialen Sicherheit in einer dynamischen Welt

    An die Finanzierungsverfahren der obligatorischen Systeme der Sozialen Sicherheit werden - mit besonderer Berücksichtigung der Rentenversicherung - vier Forderun-gen gestellt:

    - Äquivalenz der wahrscheinlichen zukünftigen Beitragseinnahmen und der wahr-scheinlichen zukünftigen Ausgaben (Äquivalenzgleichung).

    - Bestehen einer offenen, zeitlich unbegrenzten Risikogemeinschaft. - Konstanz der Beitragssätze während bestimmter Deckungsperioden (eine solche kann

    ein Jahr, mehrere Jahre oder auch unbeschränkte Zeit dauern). - Gleichförmigkeit der Beitragssätze, d.h. ihre Unabhängigkeit von individuellen

    Risiken.

    Innerhalb dieser Forderungen bieten sich verschiedene Finanzierungsverfahren an, die in der Folge klassifiziert werden.

    Die dynamische Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg vollzieht sich in meh-reren Richtungen: Steigender Preisindex und steigendes Lohnniveau machen eine periodische Anpassung der Renten zur Notwendigkeit; die Sterblichkeit nimmt ab und führt zu einer demographischen Expansion; der Anwendungsbereich der Sozia-len Sicherheit wird schrittweise ausgeweitet und hat die Tendenz, die ganze Wohn-bevölkerung zu erfassen. Ausserdem ist eine, durch die steigenden Kosten der Sozia-len Sicherheit bedingte, immer stärkere Subventionierung durch die öffentliche Hand festzustellen. Dies trägt zu einer sozial gerichteten Umverteilung der Einkommen bei. Auf internationaler Ebene, auch in den Entwicklungsländern, ist die Entwick- 75

  • lung durch eine rasche Ausdehnung der Systeme der Sozialen Sicherheit gekennzeichnet. Die Gesamtheit dieser Entwicklungen zwang zum Umdenken in der Frage der Finanzierung der Sozialen Sicherheit und teilweise zur Aufgabe klassischer Finanzie-rungsverfahren.

    Das zur Verfügung stehende Instrumentarium, das die mathematische Behand-lung dieser Phänomene erlaubt und sich an die notwendig gewordenen dynamischen Hypothesen anpassen lässt, wird angedeutet; allerdings ist zu beachten, dass die Ent-wicklung der mathematischen Methoden noch nicht abgeschlossen ist. Zum Schluss wird auf die Verantwortung und die veränderten Aufgaben hingewiesen, die sich hier dem Mathematiker stellen.

    Résumé

    Les systèmes financiers de la sécurité sociale dans un monde dynamique

    Quatre exigences se posent à l'organisation financière des systèmes obligatoires de sécurité sociale, plus spécialement si on considère l'assurance de rentes; ce sont:

    — Equivalence des recettes futures probables et des dépenses futures probables (équa-tion d'équilibre).

    — Existence d'une communauté de risques ouverte, illimitée dans le temps. — Constance des taux de contribution pendant certaines périodes de couverture (cel-

    les-ci pouvant être d'une année, de plusieurs années ou encore d'une durée illi-mitée).

    — Uniformité des taux de contribution, c'est-à-dire leur non-dépendance des risques individuels.

    Dans les limites de ces exigences, différents systèmes financiers sont possibles, qui sont classés dans la suite.

    L'évolution dynamique amorcée après la Deuxième Guerre mondiale se poursuit dans plusieurs directions. La hausse de l'indice des prix et le niveau ascendant des salaires rendent nécessaire l'adaptation périodique des rentes; la mortalité en diminu-tion entraîne une expansion démographique; le champ d'application de la sécurité sociale s'étend peu à peu et a tendance à englober l'ensemble de la population rési-dente. On constate en outre un subventionnement toujours plus substantiel par l'Etat, du fait des charges croissantes de la sécurité sociale. Cela contribue à une répartition socialement plus équitable des revenus. Sur le plan international et même dans les pays en voie de développement, l'évolution est caractérisée par une rapide extension des systèmes de sécurité sociale. L'ensemble de ces évolutions a entraîné l'obligation de repenser le problème du financement de la sécurité sociale et, le cas échéant, de renoncer aux systèmes traditionnels de financement.

    L '« instrumentarium » à disposition, qui permet le traitement mathématique de ces phénomènes et qui se laisse adapter aux hypothèses dynamiques devenues néces-saires est brièvement exposé ; il convient, à vrai dire, de souligner que l'évolution des méthodes mathématiques est loin d'être achevée. Pour terminer, l'auteur attire l'at-tention sur la responsabilité qui pèse sur le mathématicien et sur les tâches modifiées

    76 qui lui incombent dans ce domaine.

  • Summary

    Methods of financing social security in a dynamic world

    For the financing of a compulsory social security system, particularly of a pension scheme, four requirements are set up ; these are:

    - A balance between probable future receipts and probable future expenditure (equation of equilibrium).

    - The existence of an open community of risks, unlimited in time. - Invariability of the rates of contribution during certain periods of coverage (these

    can be of a year, several years or even an unlimited period). - Uniformity of the rates of contribution, i.e. their independence on individual risks.

    Within the limits of these requirements, different methods of financing are possible, which are subsequently classified. The dynamic evolution after the World War II developed in several directions. The increase in the price level and the rising level of wages made necessary a periodic adjustment of pensions ; declining mortality rates caused a demographic expansion; the field of application of social security extends little by little and has a tendency to cover the whole of the resident popu-lation. An ever more substantial subsidy from the state is noted, because of the growing costs of social security. This contributes to a socially more equitable distribu-tion of income. At the international level and even in developing countries, the evo-lution is characterised by a rapid extension of social security systems. These develop-ments have made it necessary to re-think the problem of financing social security, and where necessary to renounce traditional methods of financing. The l instrumentarium' available is briefly explained, which permits the mathematical treatment of these phenonema and which is adaptable to the dynamic hypotheses which have become necessary; however it is emphasized that the evolution of mathematical methods is far from being complete. The author finishes by drawing attention to the respons-ability which rests on the mathematician and to his modified tasks in this field.

    77