Die Geschichte Der Sächsischen Knopfindustrie - Ihr Historischer Werdegang Von Der Handwerklichen Fertigung Von Knöpfen Bis Zur Industriellen Massenproduktion Im Zeitraum Von 1763

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    Die Geschichte der sächsischen Knopfindustrie

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    Ihr historischer Werdegang von der handwerklichen Fertigung vonKnöpfen bis zur industriellen Massenproduktion

    im Zeitraum von 1763 bis 1933

    Dissertation

    zur Erlangung des akademischen Grades

    Doktor der Philosophie (Dr. phil.)

    vorgelegt der Philosophischen Fakultät derTechnischen Universität Chemnitz

    von Herrn Ulrich Hahnemann, geboren am 08.07.1965 in Sondershausen/ Thür.

    Chemnitz, den 23. November 2001

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    Inhaltsverzeichnis:Thematik Seite

    Inhaltsverzeichnis 21. Forschungsgegenstand 52. Forschungsstand 103. Einführung 143.1. Die Knopfherstellung von der Bronzezeit bis zur Beendigung des

    Siebenjährigen Krieges unter besonderer Berücksichtigung derVerhältnisse in Sachsen 14

    4. Die Entwicklung der Knopffabrikation im Zeitraum von1763 bis zum Frieden von Wien 1815 33

    4.1. Das Knopfmacherhandwerk 344.2. Das Zinnknopfmacherhandwerk 474.3. Das Posamentiererhandwerk 494.4. Das Nadlerhandwerk 624.5. Das Gürtlerhandwerk 814.6. Das Zinngießerhandwerk 984.7. Das Drechslerhandwerk 994.8. Das Gold- und Silber-Arbeiter-Handwerk 1004.9. Der Anteil von Frauen, entlassenen Soldaten und anderen

    Berufsgruppen an der Knopfherstellung 1034.10. Vergleichende Betrachtungen zum erlangten Stellenwert der

    sächsischen Knopfherstellung bis zum Jahre 1815 1144.11. Resümee 1365. Das Verhältnis zwischen zunft- und fabrikmäßiger Knopffertigung im

    Zeitraum von 1815 bis zur Einführung der Gewerbefreiheit 1861 1395.1. Das Knopfmacherhandwerk 1405.2. Das Zinnknopfmacherhandwerk 1655.3. Das Posamentiererhandwerk 1665.4. Das Nadlerhandwerk 1835.5. Das Gürtlerhandwerk 1995.6. Das Drechslerhandwerk 2075.7. Die Gründung von Knopffabriken durch Angehörige anderer

    Berufsgruppen 2155.8. Bedeutung und Stellenwert der sächsischen Knopfherstellung

    verglichen mit den Entwicklungen in anderen deutschenBundesstaaten 221

    5.9. Resümee 2286. Die Entstehung der modernen sächsischen Knopfindustrie und

    ihrer Standorte 2316.1. Das Knopfmacherhandwerk 2326.2. Das Posamentiererhandwerk 2366.3. Das Nadlerhandwerk 2466.4. Das Gürtlerhandwerk 2496.5. Das Drechslerhandwerk 2556.6. Die Wäsche-, Zwirn- und Stoffknopfindustrie 2576.7. Die Posamentenindustrie und die Posamentenknopf- und

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    Häkelknopfherstellung 2716.8. Die Metall- und Zelluloidknopfindustrie 2986.9. Die Perlmutterknopfindustrie 3396.10. Die Steinnuss- und Hornknopfindustrie 3566.11. Die Holzknopfindustrie 3616.12. Die Kunsthornknopfindustrie 3666.13. Die Bijouteriewarenindustrie 3696.14. Knopffabriken und Knopfhersteller, die sich keiner speziellen Branche

    zuordnen lassen oder deren Produktionsprofil unbekannt ist 3726.15. Interessenvertretungen und Unternehmerverbände in der

    sächsischen Knopfindustrie 3756.16. Ausbildung und Berufsbild eines Knopfmachers im Industriezeitalter

    in Sachsen 3816.17. Die zur Knopfherstellung verwendeten Roh- und Hilfsstoffe und ihr

    Vorhandensein oder ihre Herstellung in Sachsen 3926.18. Bau und Einsatz geeigneter Maschinen und technischer Anlagen für

    die Knopfindustrie in Sachsen 3986.19. Verbreitung von Heim- und Hausarbeit und Kinderarbeit bei der

    Herstellung von Knöpfen 4036.20. Der Absatz und Handel von Knöpfen - Absatzgebiete und Handels-

    beziehungen sächsischer Knopfhersteller und Knopfgroßhändler 4186.21. Von Verlegern, Fachzeitschriften, Fach- und Lehrbüchern - Sachsenals Sitz der bedeutendsten Verlage der deutschen Knopf- undPosamentenindustrie 434

    6.22. Knöpfe in Museen, Ausstellungen und Schausammlungen 4396.23. Resümee 4477. Die sächsische Knopfindustrie in der Weimarer Republik 4507.1. Das Posamentiererhandwerk 4517.2. Das Gürtlerhandwerk 4537.3. Die Wäsche-, Zwirn- und Stoffknopfindustrie 4547.4. Die Posamentenindustrie und die Posamenten- und Häkelknopf-

    herstellung 4607.5. Die Metall- und Zelluloidknopfindustrie 4707.6. Die Perlmutterindustrie 4857.7. Die Steinnuss- und Hornknopfindustrie 4907.8. Die Holzknopfindustrie 4927.9. Die Kunsthorn- und Kunststoffknopfindustrie 4957.10. Die Lederknopfindustrie 4997.11. Die Glasknopfindustrie 5007.12. Die Bijouteriewarenindustrie 5017.13. Knopffabriken und Knopfhersteller, die sich keiner speziellen Branche

    zuordnen lassen oder deren Produktionsprofil unbekannt ist 503

    7.14. Interessenvertretungen und Unternehmerverbände der sächsischenKnopfindustrie und ihr Beitrag an der Bildung des „ZentralverbandesDeutscher Knopffabrikanten e.V.“ 504

    7.15. Ausbildung und Schulung von Mädchen und Jungen in derKnopfherstellung und das Wirken der obererzgebirgischenPosamentenfachschulen 507

    7.16. Die betriebliche Entwicklung der Materialproduzenten undRohstofflieferanten und die nachkriegsbedingte Material- und

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    Rohstoffknappheit in der deutschen und sächsischen Knopfindustrie 5117.17. Der Kampf der sächsischen Knopfmaschinen- und

    Anlagenproduzenten um die marktbeherrschende Positionin Deutschland 516

    7.18. Heim- und Hausarbeit bleiben Frauen und Kindern vorbehalten 5227.19. Der kriegsbedingte Verlust von Absatzgebieten und

    Handelsbeziehungen und die Bemühungen um die Wiedererlangungder marktbeherrschenden Position auf dem Gebiet derMode- und Zierknopfproduktion 530

    7.20. Die Butonia - einzig verbleibende Fachzeitschrift der Knopfindustrie 5397.21. Knöpfe in Museen, Ausstellungen und Schausammlungen 5417.22. Resümee 5428. Zusammenfassung 5449. Quellen- und Literaturverzeichnis 5489.1. Abkürzungsverzeichnis und Fußnotenindex 5489.2. Quellenverzeichnis 5499.3. Literaturverzeichnis 5899.4. Glossar 597

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    heutige Zeit erhalten hat. Einen Schwerpunkt dieses Abschnittes bildete die Frage nach deTrägern des Übergangs zu neuen Fertigungsmethoden. Welchen Anteil hatten Angehörigder Handwerksinnungen an der Gründung von Fabriken und welche Handwerke hatten degrößten Einfluss auf diese Tendenzen.Die Forschungsarbeit versteht sich in dieser Hinsicht als eine Ergänzung und Fortsetzunder von Rudolf Forberger unternommenen Untersuchung „Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts“ und der darin aufgeführtenGewerbezweige und der in diesen bestehenden Manufakturen.1 Denn wie die vorliegendeUntersuchung zeigen wird, gab es ebenso Manufakturen größeren Umfanges, in deneKnöpfe fabriziert wurden und die durchaus den Aufzählungen von R.Forbergerhinzugefügt werden können.Darüber hinaus wird mit der vorliegenden Forschungsarbeit der Versuch unternommenden Werdegang der „Knopfmanufakturen“ bis zu ihrem Erlöschen nachzuzeichnen, umBelege dafür zu finden, ob es in der Knopfherstellung in Sachsen eine Kontinuität vomHandwerk über die Manufaktur zur Fabrik und damit zur modernen und heute noch, wenauch nur noch in ganz geringem Maße vorhandenen Knopfindustrie gibt. Anhand einekleinen Gegenstandes wirtschaftlicher Produktion soll dargestellt werden, dass es durchaueine Geschlossenheit in der historischen Entwicklung einzelner Gewerbezweige Sachsengegeben hat und die nicht nur in den überragenden Gewerben wie der Textilproduktion zsuchen sind. Die Schwerpunkte wurden dabei auf die zweite Blütezeit der Manufakturen Sachsen nach 1763, die zwei Phasen der industriellen Revolution von 1800 bis 1861 undie industrielle Entwicklung in den Jahrzehnten nach Einführung der Gewerbefreihe1861.Zum besseren Verständnis der Untersuchungsthematik ist den Betrachtungen einEinführungskapitel voran gestellt, welches überblicksartig die wichtigsten Aspekte deKnopfherstellung von der Bronzezeit über das Mittelalter und die frühe Neuzeit bis zumSiebenjährigen Krieg (1756 – 1763) aufzeigt. Schwerpunktmäßig wurde herausgearbeitewelche Gewerbezweige sich seit der frühen Neuzeit mit der Herstellung von Knöpfen zbeschäftigen begannen, welche Materialien sie bevorzugt verarbeiteten und in welcheBeziehungen sie untereinander standen. Anhand aussagekräftiger Quellen wird einEinblick in die Zunftstrukturen und die Innungsordnungen gewährt. Nachgewiesen werdedas möglicherweise älteste sächsische Privileg/ Patent für Knöpfentwürfe für eineEinzelperson, die ältesten sächsischen Bestimmungen zur Knopfherstellung sowieHerstellungs- und Absatzmethoden der jeweiligen Knopferzeuger und ein Überblick übedie ihnen dafür gewährten oder verwährten landesherrlichen Privilegien.Den Hauptteil der Forschungsarbeit bilden die vier Kapitel, die in den vierBetrachtungszeiträumen von 1763 bis 1815, 1815 bis 1861, 1861 bis 1918 und 1918 b1933 die Entwicklungen innerhalb des Gewerbes der Knopfherstellung in Sachsenuntersucht. Die zeitliche Aufteilung der Kapitel beruht damit auf der für die sächsischGeschichtsschreibung typischen periodischen Einteilungen.Im Mittelpunkt des 1.Kapitel von 1763 bis 1815 stehen Betrachtungen zu den Handwerkeund Personen, die in Sachsen die Knopfherstellung dominierten. Ausgehend von de

    Innungsordnungen und darin eventuell vorhandenen Bestimmungen über den ArtikeKnopf, werden Aussagen über die Art der von ihnen hergestellten Knöpfe, den darauresultierenden Handel und über Streitigkeiten untereinander getroffen. Verdeutlicht wirdvor allem wie und in welchem Umfang die Manufaktur der zunftmäßigen Herstellung zu

    1 Forberger, Rudolf: Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum Anfang des 19. Jahr-hunderts. Berlin 1958.

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    Seite tritt. Das Kapitel beschließt ein Exkurs über den erlangten Stellenwert dersächsischen Knopfherstellung bis zum Jahre 1815.1Da das innungsgebundene Handwerk zwischen 1815 und 1861 eine überaus beachtlichStellung auf dem Gebiet der Knopfherstellung zu behaupten wusste und damit denÜbergang zur fabrikmäßigen Produktion verzögerte, stehen auch im 2.KapitelUntersuchungen zu den schon zuvor betrachteten Handwerken im Mittelpunkt. Für dieseZeitraum wird allerdings der Nachweis erbracht, dass neben den Handwerkern zunehmenVertreter des Handels als Gründer von Knopffabriken in Erscheinung treten. Des Weiterebilden Betrachtungen zur Konstruktion, zum Bau und Einsatz von in Sachsen hergestellteKnopfmaschinen und den sich dagegen regenden Widerstand verschiedener Handwerkeinen Schwerpunkt dieses Kapitels.Das 3.Kapitel verdeutlicht in eindrucksvoller Weise die Herausbildung der sächsischeKnopfindustrie und ihrer Standorte. Nach Einführung der Gewerbefreiheit 1861 verlor daHandwerk seine bis dahin noch vorhandene Bedeutung in der Knopfherstellung. NuGürtler und Posamentierer vermögen sich längere Zeit darin zu behaupten, jedoch nichohne einen Wandel bei den Produktionsstrukturen zu vollziehen. Zur besserenVerständlichkeit der Entwicklungsvorgänge, wurde die in den letzten Jahrzehnten inDeutschland übliche Betrachtung der Knopfindustrie nach Verwendung von Materialienund Rohstoffen gewählt. Darüber hinaus werden die inneren Strukturen der Knopfindustrwie Interessenverbände, Ausbildung und Berufsbild eines Knopfmachers, Frauen-, Kindeund Heimarbeit, Roh- und Hilfsstoffe, Absatz und Handel und der Bau und Einsatz voKnopfmaschinen in die Untersuchungen einbezogen. Beschlossen wird dieses Kapitel vozwei Exkursen in die Publizistik auf dem Gebiet der Knopfherstellung und die Präsentatiovon Knöpfen in Museen und Schausammlungen.Das vierte und letzte große Kapitel folgt in seiner Einteilung dem vorangegangenem. Ewird sich zeigen, dass die sächsische Knopfindustrie in den wirtschaftlich schwierigeJahren der Weimarer Republik ihren Höhenpunkt erreichen und überschreiten wird. ImZeitraum von 1918 bis 1933 findet die Ausbildung der Standorte der Knopfindustrie imWesentlichen ihren Abschluss. Dagegen wird der sächsische Knopfmaschinenbau ersseinen Höhepunkt mit der Gründung der letzten bedeutenden Firmen erreichen. In dieseZeitspanne verliert Sachsen endgültig seinen Ruf, in verschiedenen Zweigen derKnopfherstellung wie der Posamenten- oder Wäsche-, Zwirn- und Stoffknopfherstellunein Billiglohnland zu sein und hat zunehmend mit der ausländischen Konkurrenz zkämpfen.Durch die Fülle an Material machte es sich erforderlich, eine zeitliche Begrenzung zufinden. Ich habe diese mit Bedacht mit dem Ende der „Weimarer Republik“ 1933 gezogenZum einen, weil die Knopfherstellung Sachsens bis zu diesem Jahr ihren Höhepunküberschreitet, andererseits weil der Knopfmaschinenbau erst um 1930 mit der Gründunder letzten, Bedeutung erlangenden Knopfmaschinenfabrik seinen Höhepunkt erreichewird. Beide Bereiche, sowohl die Herstellung von Knöpfen, als auch der

    1 Bei der Einfügung eines solchen Exkurses wird den neuesten Veröffentlichungen auf dem Gebiet der

    Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, in dem Fall der Arbeit von Rolf Straubel: Kaufleute und Manufaktur-unternehmer – Eine empirische Untersuchung über die sozialen Träger von Handel und Großgewerbe inden mittleren preußischen Provinzen (1763 bis 1815), gefolgt. R.Straubel, der in seiner Arbeit u.a. auchdie bedeutendste preußische Knopffabrik des 18. Jh. betrachtete, sagte dazu: „Generell spielt der Vergleicheine sehr große Rolle. Nur dadurch sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten feststellbar…“, die dann einEinordnung der untersuchten Gegebenheiten ermöglichen. Er bedauerte zugleich, dass es ihm ausZeitgründen nicht möglich war, die ursprünglich konzipierten Vergleiche mit Kursachsen und Nieder-und Oberösterreich umzusetzen. R.Straubel als Vorbild nehmend, habe ich insbesondere Vergleiche mitPreußen und den Ländern der Habsburger, aber auch mit anderen deutschen Territorialstaaten undEngland herangezogen.

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    Knopfmaschinenbau sind untrennbar miteinander verbunden und können nur schwerlicgetrennt untersucht werden. Erst die Etablierung leistungsfähiger Produzenten vonKnopfmaschinen lässt Sachsens Knopfindustrie den herausragenden Stellenwert innerhalDeutschlands erlangen, den es bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zu behauptewusste. Andererseits stellt die nachfolgende Periode des Dritten Reiches eine Zeit dar, inder es auf Grund einer völligen politischen Neuorientierung auch zu einschneidendewirtschaftlichen Veränderungen kam, die es in dieser Form zuvor nicht gegeben hatte. Ierster Linie sei hier an die umfangreiche Enteignung jüdischen Firmenbesitzes zu erinnernvon der gerade die Knopfbranche in außergewöhnlichem Maße betroffen war. Nicht zuletzkam es durch die nationalsozialistische Regierung und ihre Vertreter zu Eingriffen in diinnere Wirtschaftsstruktur von kleineren wie größeren Unternehmen und damit zum Teiverbundenen Produktionsregulierungen. Diese Sachverhalte legen insgesamt dieÜberlegung nahe, diesen ab 1933 folgenden Zeiträumen eine Eigenständigkeit zuzubilligeund ihnen eigenständige Untersuchungen zu widmen.Eine räumliche Abgrenzung des Untersuchungsgebietes wurde insoweit gezogen, alzwischen 1763 und 1815 das gesamte Territorium des Kurfürstentum bzw. KönigreichSachsen betrachtet wird, ab 1815 und der Abtrennung weiter Gebiete Sachsens und ihrEingliederung in den preußischen und Sachsen-Weimar-Eisenachschen Staatsverband daKönigreich Sachsen. Berücksichtigung finden die weiteren Entwicklungen derKnopfherstellung in den abgetrennten Gebieten nur noch in Form von Vergleichen für dientsprechenden, zeitgleichen Entwicklungen in Sachsen.In der vorliegenden Arbeit geht es um die Knopfherstellung als Ganzes. Es lag durchaus imeiner Absicht, eine Enzyklopädie des betreffenden Gewerbes zu erarbeiten. Das liegzum einen daran, dass Aspekte dieses oftmals belächelten Gewerbezweiges kaum noceinmal in diesem Umfang aufgegriffen und beleuchtet werden. Andererseits ermöglichemeiner Ansicht nach nur tiefgehende Darstellungen den Vorteil, sie in allgemein angelegtGrundlagenwerke wie sie in Bezug auf Sachsen in wirtschaftlicher Hinsicht von RudolForberger und Hubert Kiesewetter angelegt wurden.1 Gerade die in ihrerGesamtkomposition sicherlich beachtenswerte Arbeit von H. Kiesewetter macht deutlichwelche eklatanten Fehlinterpretationen auftreten können, wenn die Quellen nichtallumfassend, tiefgreifend und vor allem bis zum Ende verfolgt und ausgeschöpft werdekönnen. Während R. Forberger anhand von umfangreich untersuchten Einzeldarstellungevon Unternehmungen sowohl die Geschichte der Manufaktur als auch den Verlauf de Industriellen Revolution in Sachsen verfolgt und analysiert, beschränkt sich die Arbeit vonH. Kiesewetter auf wenige beispielhafte Einzeldarstellungen von denen er seineSchlussfolgerungen der Gesamtzusammenhänge ableitet. Dabei geht er auf die staatlichWirtschaftsförderung der Dresdner Gürtlerfamilie Sauer im 1. Drittel des 19. Jh. ein.2 Seineinziges aufgeführtes Beispiel eines der bedeutendsten Knopfhersteller in der ResidenDresden ist nicht einmal als solcher erkennbar, weil Kiesewetter die von ihm untersuchtAkte nicht völlig ausschöpft und zu der Feststellung gelangt: „Die Witwe desGürtlermeisters Carl G. Sauer aus Dresden, Christiane Friederika, bekam von 1817 bis1828 einen Zinszuschuß von abwechselnd 50 bzw. 100 Talern jährlich, insgesamt 950

    Taler, ohne dass ein besonderer Grund angegeben wurde.“. Das Beispiel diente ihm „zur Illustration“ von Handwerkerunterstützungen, die von den Landesbehörden anHandwerker und Unternehmer ausbezahlt wurden, welche sich um die Einführung vo

    1 Zu den Titeln der Arbeiten der beiden Autoren vergleiche die Angaben im Kapitel „Literaturangaben“ imAnhang des Buches. Der Inhalt der Arbeiten wird, wenn angebracht, in den einzelnen Kapiteln zuVergleichenden und einordnenden Betrachtungen herangezogen.

    2 Kiesewetter, Hubert: Industrialisierung und Landwirtschaft – Sachsens Stellung im regionalenIndustrialisierungsprozess Deutschlands im 19. Jahrhundert. Köln/ Wien 1988, S. 644.

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    2. ForschungsstandEine umfassende Abhandlung der Thematik Knopfherstellung als Teilgebiet dersächsischen Wirtschaft liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vor. Obwohl einst einwichtiger Zulieferer des sächsischen Textil- und Bekleidungsgewerbes, wurde derKnopffabrikation als einem eigenständigen Wirtschaftszweig wenig Beachtung geschenkDemgegenüber gibt es einige, zum Teil qualitativ hochwertiger Untersuchungen zu zeitlicund räumlich begrenzten, insbesondere für die Kulturgeschichte Sachsens interessanteSchwerpunkte. In erster Linie sind hier die Untersuchungen zu den Schmuckgarnituren desächsischen Kurfürsten zu nennen, die sich heute in den Sammlungen des GrünenGewölbes befinden und zu denen jeweils auch eine Garnitur Rock- und Westenknöpfgehört. Sie sind ausschließlich eine Arbeit von Meistern der DresdnerGoldschmiedeinnung. Mit der Herstellung der Garnituren verbinden sich Namen wiJohann Melchior Dinglinger, Johann Heinrich Köhler oder Johann Christian Neuber. Didazu verfassten Abhandlungen beschäftigen sich nicht nur mit der Herstellung der Knöpfsondern beinhalten zumeist auch die Lebensbeschreibung der Goldschmiede undversuchen eine konkrete Bestimmung des Zeitpunktes der Anfertigung der einzelnen Teilder Garnituren, unter ihnen auch die Knöpfe. Ausführliche Veröffentlichungen auf diesemGebiet lieferten Erna von Watzdorf, Walter Holzhausen, Jean Louis Sponsel und HermanStarcke.1 Erna von Watzdorf stellte dabei heraus, dass sich die Herstellung der Garniturennicht allein auf die Zeit August des Starken und seines Sohnes beschränkte, sondern schoin der Regierungszeit ihrer Vorgänger ihren Anfang nahm. Sie untersuchte gleichzeitig deStellenwert der herausragenden Erzeugnisse der Dresdner Goldschmiedeinnung imZusammenspiel mit den modischen Bedürfnissen ihrer Träger: „Diese in ihrer Reichhaltigkeit und Schönheit einzigartigen Garnituren können nicht nur, wie es meist geschieht, als Staunen erregende Einzelerscheinungen, die ausschließlich der Prunksucht August des Starken ihre Entstehung verdanken, betrachtet werden. Sie sind vielmehr ineine gesamteuropäische und, im engeren Sinne, in eine kursächsische Mode- und Schmuckentwicklung folgerichtig eingelassen.“ 2 Da für die Herstellung der Garniturenvielfach Halbedelsteine sächsischer Herkunft, z.B. Topase, verwendet wurden, finden siceingehendere Betrachtungen auch in Veröffentlichungen zur Mineralogie SachsensHervorzuheben ist hier die Arbeit von Werner Quellmalz, der sich u.a. mit Qualität, Mengund Größe der für die Knopfgarnituren verwendeten Steine befasste.3Eine Besonderheit in Bezug auf die Schmuck- bzw. Juwelengarnituren des GrünenGewölbes stellen die Untersuchungen von Ulli Arnold von den Staatlichen

    1 Watzdorf,v.,E.: Johann Melchior Dinglinger - Der Goldschmied des deutschen Barock. Berlin 1962, 46 ffHolzhausen, Walter: Johann Christian Neuber - ein sächsischer Meister des 18. Jahrhunderts. Dresden1935.Holzhausen, Walter: Prachtgefäße - Geschmeide - Kabinettstücke - Goldschmiedekunst in Dresden.

    Tübingen 1966.Sponsel, Jean Louis: Christian Neuber und die Wiederbelebung des Zellenmosaik. In: Berichte aus demKnopfmuseum Heinrich Waldes. Heft 1/4. Prag - Wrschowitz 1919, 1 ff.Sponsel, Jean Louis: Führer durch das Königliche Grüne Gewölbe zu Dresden. Dresden 1915 261 ff.Sponsel, Jean Louis: Kleinodien der Goldschmiedekunst. Leipzig 1929 122.Starcke, Hermann: Kleiderverschlüsse in den Königlichen Sammlungen zu Dresden. In: Berichte aus demKnopfmuseum Heinrich Waldes. Teil I Heft 1/4. Prag - Wrschowitz 1917, 15 ff. und Teil II Heft 2/4. Prag- Wrschowitz 1917, 48 ff.

    2 Watzdorf 1962, a.a.O., S. 46.3 Quellmalz, Werner: Die edlen Steine Sachsens. Leipzig 1990, 49 ff.

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    wenigen Versuche, die Knopfherstellung mit den Erfordernissen der Bekleidungsindustrizu verknüpfen.1In seinem dreibändigem, 1893 in Dresden erschienenem Werk „Die Volkswirtschaft imKönigreiche Sachsen“ gab Heinrich Gebauer erstmals einen Überblick über dieStandortverteilung einzelner Zweige der sächsischen Knopfindustrie wie derPerlmutterknopf-, Steinnussknopf-, Hornknopf-, Metallknopf- und Wäscheknopfindustrie2Seine Darstellungen zur Posamentenindustrie und ihrer Erzeugnisse beruhen imWesentlichen auf der Veröffentlichung von Edwin Siegel, geben jedoch auch eigeneErkenntnisse wieder. Ausführlich sind seine Erläuterungen zur Entwicklungsgeschichte deVerarbeitung von Perlmutter in Sachsen und der damit verbundenen Entstehung dePerlmutterknopfindustrie und ihrer damaligen Zentren.Auf den Schilderungen von H.Gebauer aufbauend entwarf der ChemnitzerGewerbeassessor Alfred Haensel eine Studie über Entstehung und Stand derPerlmutterindustrie in Adorf im sächsischen Vogtland.3 Er erweiterte die von H.Gebauergemachten Ausführungen zur Etablierung der vogtländischen Perlmutterknopfherstellundurch eigene Untersuchungen bis zum Jahre 1914. Seine Arbeit wurde seinerzeit von de„Königlichen Sächsischen Technischen Hochschule zu Dresden“ als Dissertation „zur Erlangung der Würde eines Doktor-Ingenieurs“ angenommen.Eine der wenigen regionalgeschichtlich bedeutsamen Aufarbeitungen der Thematikbesorgte Günter Hahn für die Stadt Stolpen.4 Er bearbeitete die Geschichte einer Firma vonihrer Gründung am Ende des 19. Jh. bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.Wesentliche Einzeldarstellungen lieferte auch die „Butonia“, die wichtigste deutsche, inNaunhof bei Leipzig herausgegebene Fachzeitschrift für die gesamte Knopfindustrie.51891 in unmittelbarer Nachbarschaft zum Steinnussknopfzentrum in Schmölln beAltenburg in Gößnitz gegründet, verlegte sie 1892 ihren Verlagssitz nach Naunhof. In deAusgaben finden sich zahlreiche Artikel zu Firmenjubiläen, Lebensläufe sächsischeKnopfindustrieller, Patentanmeldungen und Betriebsinformationen, wie Neugründungeoder Konkurse.Unschätzbaren Wert besitzen die Veröffentlichungen des Knopf - Museum HeinrichWaldes in Prag - Wrschowitz.6 Für die in den Museumspublikationen erschienenenBeiträge versuchte der Museumsinhaber Heinrich Waldes namhafte Forscher und Autorezu gewinnen, so u.a. den Direktor des Grünen Gewölbes, des Historischen Museums undes Münzkabinetts in Dresden, Prof. Dr. Jean Louis Sponsel.Ein eigenständiges Forschungsgebiet bildet, da weder mit der mittelalterlichen nochneuzeitlichen Knopfherstellung in Verbindung stehend, die Ur- und Frühgeschichte. EinigUr- und frühgeschichtliche Kulturstufen kannten bereits knopfähnlicheBekleidungsverschlüsse. Dazu zählt vor allem die Bronzezeit (etwa 1800-700 v.Chr.) mi

    1 Häntsch, Hellmut: Die Bekleidungsindustrie in der sächsischen Oberlausitz. Heft 5 der Reihe: Dersächsische Wirtschaftsraum - Beiträge zur Raumforschung. Leipzig 1939 S. 63 ff.

    2 Gebauer, Heinrich: Die Volkswirtschaft im Königreiche Sachsen. 3 Bände, Dresden 1893.II.Band: Metallknopfindustrie S. 283, Bijouteriewarenindustrie S. 322 f.,

    III.Band: Posamentenindustrie S. 398-411, speziell Posamenten- und Häkelknöpfe S. 403, 407 und 410,Wäscheknopfindustrie S. 411, Muschelwarenfabrikation S. 507-514, speziell PerlmutterknopfherstellungS. 511, Horn- und Steinnussknopfindustrie S. 513.

    3 Haensel, Alfred: Die Perlmutterindustrie zu Adorf im sächsischen Vogtlande, Borna-Leipzig 1914.4 Hahn, Günter: Firma Josef Püschner. In: Chronik von Burg und Stadt Stolpen. Herausgegeben von der

    Stadtverwaltung Stolpen. Leipzig 1994 S. 139.5 Butonia - Zeitschrift für die gesamte Knopfindustrie. 1891 bis heute, ab Jahrgang 1912 fast vollständig

    vorhanden in der Deutschen Bücherei Leipzig.6 Das Museum war 1916 von dem Unternehmer Heinrich Waldes, Mitinhaber der ‘Koh-i-noor Druckknopf

    fabriken’ Prag und Dresden, gegründet worden.

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    der für sie typischen Verwendung von Doppelknöpfen als Verschlussmittel der männlicheKleidung. Ausgrabungen auf dem Territorium des heutigen Sachsen erbrachten eine Reihvon Funden an Doppelknöpfen. Veröffentlichungen zu dieser Problematik lieferten voallem Rudolf Moschkau und Werner Coblenz.1Der oben erläuterte Forschungsstand spiegelt sich auch in der vorliegenden Arbeit wiedeAuf Grund eines umfangreichen Quellenstudiums war es mir möglich, wesentliche Teilder Veröffentlichungen der genannten Autoren zu bestätigen bzw. in meine Erkenntnisseeinzubinden. In einigen Fällen wie von E.Siegel und A.Haensel stellen die Arbeiten deAutoren eine fast unverzichtbare Grundlage aller meiner Betrachtungen zu denbetreffenden Erkenntnissen der Autoren dar. Oftmals liegt es ganz einfach daran, dass divon diesen ausgewerteten Unterlagen in Archiven oder in den Firmen selbst heute nichmehr vorhanden sind.

    1 Moschkau, Rudolf: Verzierte bronzene Doppelknöpfe aus illyrischen Brandgräbern Nordwest-Sachsens. InSachsens Vorzeit - Jahrbuch für heimatliche Vor- und Frühgeschichte. 2.Jahrgang 1938, Leipzig 1938/1939S. 140-148 ff.Coblenz, Werner: Kunst- und Kunstgewerbe aus der Ur- und Frühgeschichte Sachsens. Berlin 1975 S. 24 f

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    3. EinführungEine zumindest schwerpunktmäßige Einführung in das Thema scheint dem Autorerforderlich, da insbesondere für die Anfänge des Knopfmacherhandwerkes und damit füdie Zeitspanne vor dem Untersuchungszeitraum nur zeitlich und regional begrenztUntersuchungen vorliegen. Die Einführung kann deshalb nur schwerpunktmäßig sein, dfür bestimmte Zeitabschnitte, z.B. Hochmittelalter bis frühe Neuzeit, bisher keinenennenswerten dem Autor bekannten Forschungsergebnisse vorliegen. So war selbst füdiesen Abschnitt ein tiefergehendes und zeitaufwendiges Quellenstudium erforderlich, sdass sich auch in diesem Abschnitt bisher unveröffentlichte Aspekte wiederfinden.Der zeitliche Rahmen für die Einführung wird durch die Kultur der Bronzezeit (ca. 1800700 v. Chr.) und das Jahr 1763 begrenzt.

    3.1 Die Knopfherstellung von der Bronzezeit bis zurBeendigung des Siebenjährigen Krieges unterbesonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in

    SachsenUm zu erfahren, wann Knöpfe auf dem Gebiet des heutigen Sachsen zum ersten Mal iErscheinung traten, müssen archäologische Quellen zur Hilfe genommen werden. Dabei iaber zu berücksichtigen, dass zwar unseren heutigen Vorstellungen entsprechendeknopfähnliche Verschlussmittel in mehreren Ur- und frühgeschichtlichen Kulturstufenauftreten, aber eine Verschlussfunktion nicht generell nachgewiesen werden konnte. Mider Bronzezeit ließ sich erstmals für eine vorgeschichtliche Kultur der Nachweis erbringendass ein Knopf zum Zusammenhalt der Kleidung Verwendung fand. Die aus BeinBernstein oder Bronze bestehenden Knöpfe wurden von den Archäologen alsDoppelknöpfe bezeichnet und dienten im Wesentlichen dem Verschluss der männlichenTracht. Das Zentrum ihrer Herstellung und Verwendung lag in Dänemark, SüdschwedenMecklenburg und Schleswig - Holstein. Nach R.Moschkau fanden sich verzierte bronzenDoppelknöpfe auch in Sachsen und zwar vorwiegend im Raum Leipzig. Allerdings ist füdiese Doppelknöpfe nach wie vor strittig, ob es sich um Handelsware oder in diesemGebiet gefertigte Stücke handelt. Danach spielte der Knopf bis ins Mittelalter immitteleuropäischen Raum, von wenigen Ausnahmen, wie Böhmen und Mähren im 9.Jhabgesehen, als Bekleidungsverschluss nur eine untergeordnete Rolle. Erst seit dem 12.Jhwurde er zu einer dauerhaften Erscheinung im abendländischen Raum.1 Kreuzfahrern,Pilgern und den Kaufleuten der oberitalienischen Handelsstädte, z.B. Venedig und Genuawird zugeschrieben, zu seiner Einführung aus dem Vorderen Orient wesentlich beigetragezu haben. Neben den Erwähnungen in den Dichtungen der mittelalterlichen Minnesänge

    sind die Skulpturen in Kirchen und Domen sichtbares Zeugnis dafür. Von den um 1250entstandenen Naumburger Stifterfiguren haben schon deren zwei einen Knopfverschlusam Gewand aufzuweisen.2 Das Obergewand Markgraf Hermann von Meißen, dieärmellose Suckenie, trägt fünf kleine runde Knöpfchen. Der ihm schräg gegenübestehende Dietrich von Brehna ist wohl mit Abstand das wirkungsvollste Beispiel eine1 Brüggen, E.: Kleidung und Mode in der höfischen Epik des 12. und 13. Jahrhundert. Heidelberg 1989 S.

    2292 Wassermann, K. und Hege, F.: Naumburg - Stadt und Dom. Dresden 1952 Abbildungen 36, 38 und 40.

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    hochmittelalterlich geknöpften Kleidung. Sein Obergewand ist am Hals geöffnet, diEcken umgeschlagen. Im rechten umgeschlagenen Gewandzipfel ist erstmals die demabendländischen Kulturkreis zugeschriebene Erfindung des Knopfloches zu sehenGeschlossen werden konnte das Gewand mit drei großen Kugelknöpfen.Die in den Epen der Minnesänger erwähnten Knöpfe bestanden aus edlen und unedleMetallen, Edelsteinen und Kristall. Aber auch Bein, Horn oder Holz wurden verarbeiteMit ihrer Herstellung befassten sich neben verschiedenen Metallhandwerkern auchDrechsler und Paternostermacher, die sich schon im 12. und 13. Jh. zu zunftmäßigenOrganisationen zusammenschlossen.1 Im 14. und 15. Jh. setzte dann innerhalb desHandwerkes eine zunehmende Spezialisierung ein. Zu den Handwerkern die sich in deZukunft auch mit der Herstellung von Knöpfen befassten, zählten die Drechsler (Holz-Bein- und Horndrechsler), Gürtler, Zinngießer, Goldschmiede, Posamentierer oderNadler.2 So zweigte sich mit großer Wahrscheinlichkeit von den Posamentierern dasHandwerk der Knopf- und Crepinmacher ab, die sich vornehmlich mit der Herstellung voStoffknöpfen beschäftigten. Von den metallverarbeitenden Handwerkern leiteten sich diGewerke der Knopfgießer, der Knopfschmiede und der Zinnknopfmacher her, diehauptsächlich in den großen Städten anzutreffen waren.Während die Knopfschmiede bereits 1363 an 41. Stelle des NürnbergerHandwerksverzeichnisses erwähnt wurden, bildete sich das Handwerk der Knopf- unCrepinmacher erst im Verlauf des 16. Jh. heraus.3 Zu den Zentren bzw. Städten in denensich diese Handwerker zuerst in Zünften bzw. Innungen zusammenschlossen, gehörte1515 Samarja/ Samorin (heute Slowakei), 1602 Bratislava/ Preßburg (heute SlowakischRepublik), 1630 Sopron/ Ödenburg (Ungarn), 1618 Straßburg, 1637 Bremen, 1691 Wien1698 Berlin und 1719 Stuttgart. Die für die Knopfmacher in Stuttgart bestätigteInnungsordnung besaß gleichzeitig Gültigkeit für das gesamte Herzogtum Württemberg.Alle bereits genannten Handwerke spielten auch in der Knopfherstellung Sachsens einmehr oder weniger bedeutende Rolle. Eine weit über die sächsischen Landesgrenzehinausgehende Beachtung fanden dabei die Knopfgarnituren der DresdnerGoldschmiedemeister, die heute zu den Kleinodien der Goldschmiedekunst Sachsengezählt werden. Die von ihnen angefertigten Knöpfe waren aber bei weitem keinalltäglichen Gebrauchsobjekte, sondern weit mehr für die Befriedigung repräsentativeBedürfnisse einer kaufkräftigen Kundschaft bestimmt. Zu den Auftraggebern und Käuferzählten wohl vornehmlich die Kurfürsten.4 Schon die um 1565 von Kurfürst Augustgetragene spanische Hoftracht war mit einer Juwelengarnitur versehen. Sein EnkeChristian II. ließ 1607 und 1609 mit Smaragden und Türkisen versehene Garniturenanfertigen. Als Kurfürst Friedrich August I. am 13.Juli 1697 die polnischen Gesandten iTarnowitz empfing, scheint die von ihm getragene Diamantgarnitur einen solchenEindruck bei diesen hinterlassen zu haben, dass sie die diamantenen Knöpfe ausdrücklicin ihrem Gesandtschaftsbericht erwähnten.

    1 Leben im Mittelalter - 30 Jahre Mittelalterarchäologie im Elsass. Katalog des Historischen Museums der

    Pfalz in Speyer. Speyer 1992 S. 93 ff. und 354Reith, Reinhold (Hrsg.): Lexikon des alten Handwerks. München 1990 S. 66 ff.2 Reith 1990, a.a.O., S. 7 ff., 38 ff., 66 ff., 110 ff., 131 ff. und 172 ff.3 Klemm, F.: Geschichte der Technik. Reinbeck bei Hamburg 1989 S. 62 ff.

    Elkar, R.S. (Hrsg.): Handwerksgeschichte in Ungarn. Bochum 1989 S. 121Zatschek, H.: Handwerk und Gewerbe in Wien - Von den Anfängen bis zur Erteilung der Gewerbefreiheitim Jahre 1859. Wien 1949 S. 162Höfinghoff, E.: Die bremischen Textilgewerbe vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts.Veröffentlichungen aus dem Stadtarchiv der Freien Hansestadt Bremen, Heft 9. Bremen 1933 S. 225 ff.

    4 Watzdorf 1962, a.a.O., S. 46 ff.

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    Aus der Vielzahl der Dresdner Goldschmiede erlangten auch einige wenige auf Grundihres meisterhaften Könnens Bedeutung für die Herstellung von Knöpfen. Zu ihnengehörte der Hofgoldschmied Moritz Rachel (1639 - 1697). Für Kurfürst Georg II. arbeiteter eine Anzahl Diamantknöpfe. Weit bekannter als sein Schwiegervater wurde JohannMelchior Dinglinger (1664 - 1731), seit 1698 Hofjuwelier August des Starken.1 Da geradedie für diesen Kurfürsten gearbeiteten Garnituren später immer wieder eine Aus- odeUmgestaltung erfuhren, sind heute nicht mehr alle Teile genau zuweisbar. W.Holzhausensieht zumindest bei den Smaragd-, Karneol- und Saphirgarnituren eine MitarbeitDinglingers als erwiesen an. Die zu den Garnituren gehörenden Knöpfe bestanden immeaus Rock- und Westenknöpfen unterschiedlicher Anzahl. So auch die 1733/34 vomHofjuwelier Johann Heinrich Köhler (1669 - 1736) gefertigte Topasgarnitur.2 Die dafürverwendeten Topase stammen aus sächsischen Fundstellen, genauer gesagt vomSchneckenstein im Vogtland. W.Quellmalz listete unter den dort gefundenen Topasen auchdie genaue Anzahl derjenigen auf, die als Hemdknopfsteine angesprochen wurden.3Bezogen auf die Knopfgarnituren war er der bekannteste Dresdner Goldschmied nebeDinglinger. Zusammen mit dem Schildkrotarbeiter Triquet hält ihn J.L. Sponsel auch füden Verfertiger der Schildkrotgarnitur.4 Sicherer datierbar sind die Arbeiten von JeanJacques Pallard und Johann Friedrich Dinglinger.5 Zwischen 1746 und 1749 liefertePallard für die Brilliantengarnitur sechzig Rock- und fünfzig Westenknöpfe, 1753 diegleiche Anzahl neu gefasster Knöpfe für die Rautengarnitur. J.F. Dinglinger, der am 2September 1733 zum Hofjuwelier avancierte, fertigte eine Anzahl Knöpfe derRubingarnitur.Mögen die Goldschmiede auch eine herausragende Stellung unter den DresdnerHandwerksmeistern gehabt haben und genossen einige unter ihnen sicherlich dasWohlwollen des Landesherren, allein im täglichen Miteinander der Innungen mussten aucsie sich den Gegebenheiten beugen. 1714 beschwerten sich Mitglieder der Gold- unSilberarbeiterinnung über den Drechsler Johann Georg Schumann, weil er u.a. silbernKnöpfe herstellte.6 Sie pochten dabei auf das angeblich nur ihnen zustehende Recht, Goldund Silber verarbeiten zu dürfen und verwiesen auf ihre Innungsartikel, deren ältesteerhaltenen vom 26.April 1542 stammen. Jedoch konnten sie an keiner Stelle den Nachweführen, dass darin die Bezeichnung „Stock- und andere Knöpfe“ vorkommt, sondern nurder Begriff „silbern Geschirr“. Dagegen waren die Drechsler im Stande zu beweisen, dasssie auf ihren Drechselbänken Gold und Silber bearbeiten konnten und dazu auch berechtiwaren. Dem Kurfürsten genügte die Begründung der Goldschmiede nicht und er entschieam 24.September 1716 zugunsten der Drechsler, da der Begriff „silbern Geschirr“ nichtauf die von diesen gefertigten „Kleinigkeiten“ zutreffen würde. Jedoch vermochten dieGoldschmiede in keiner anderen Stadt Sachsens eine solche Bedeutung in der Herstellunvon Knöpfen zu erlangen. In Leipzig, wo ihnen vom Rat Knopfmuster zur Begutachtunvorgelegt wurden, betonten sie ausdrücklich, dass es allgemein nicht ihre Arbeit wäre unverwiesen an die Gürtler und Knopfgießer.7Insgesamt kann aber gesagt werden, dass das Handwerk der Gold- und Silberschmiedeinen nur geringen Anteil an der Herstellung von Knöpfen in Sachsen besaß. Wenn auc1 Holzhausen 1966, a.a.O., S. LXXII und XXVIII ff.2 Holzhausen 1966, a.a.O., S. XXXVIII3 Quellmalz, Werner: Die edlen Steine Sachsens. Leipzig 1990 S. 58 ff.4 Sponsel 1929, a.a.O., S. 1225 Holzhausen 1966, a.a.O., S. XLI f.6 StadtA Dresden, Goldschmiedeinnung 11.2.24 G 9, Acta die sämtliche Innung der Gold- und Silber-

    Arbeiter allhier über Johann George Schumannen Drechslers geführte Beschwerde betr. 1714.7 StadtA Leipzig, P 541, Acta das von Johann Christian Pescheln und Cons. zu Freyberg, gesuchte

    gnädigste Privilegium zu Fertigung neuerfundener Sorten kupferner und zinnerner Knöpfe betr. Ao: 1776

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    die Arbeiten einiger Goldschmiede heute einen überaus hohen künstlerischen undkulturhistorischen Wert darstellen, so entstammen diese Knöpfe in der Regel Einzel- odeKleinserienfertigungen und sind im wesentlichen Auftragsarbeit.Knöpfe gehörten bereits sehr früh zum Produktionssortiment der Drechsler.1 Als Roh- oderAusgangsstoffe für die Knopfherstellung dienten ihnen Holz, Horn, Bein, Elfenbein odePerlmutt. Sogenannte Metalldrechsler verarbeiteten aber auch edle und unedle MetalleGrößere Bedeutung für die Knopfherstellung in Sachsen besaßen in erster Linie diDresdner und Leipziger Drechsler. Die Innungsartikel der Drechsler in Dresden waren am23.Juli 1614 durch Kurfürst Johann Georg I. konfirmiert worden.2 SchriftlicheErwähnungen über die Herstellung von Knöpfen gibt es aber erst aus dem 18. JhInsbesondere die Innungsstreitigkeiten mit den Nadlern und Goldschmieden gebenAufschluss über das Produktionssortiment der Drechsler.3 Gegenüber den Goldschmiedenhatten sie sich schon 1716 damit durchgesetzt, dass auch ihnen die Herstellung voKnöpfen aus Gold oder Silber zusteht. Die Streitigkeiten mit den Nadlern brachen 174aus, weil diese Waren aus Holz, Horn, Elfenbein, Perlmutt, Zinn und Messing führten, auderen Verarbeitung die Drechsler ein alleiniges Recht anmeldeten. So führten die Nadlefolgendes an: „ Hemden Knöpffgen sub No: 21. mit und ohne Steine, können vor Drechsler - Waaren nicht angesehen werden, weiln solches Galanterie - Arbeit, die Gegentheile nicht gebühret, vielweniger sind selbige im Stande mit Steinen dergleichen Knöffgen zudrechseln und zufertigen, ob schon dieselben sich eines Handels damit wiederrechtlich zeither anmaaßen wollen,...“. Darauf erwiderten die Drechsler: „ Die Hemden Knöpffe ad No: 21. sie mögen von Zinn, Messing, Bein oder Holtz seyn, werden gedrechselt und alsogehören sie auch zur Drechsler Arbeit. In aus dem wegen derer zwischen unsermehemaligen Mitmeister, Schumannen und denen Gold- und Silberarbeitern entstandenen Irrungen von der Hochlobl. Landes - Regierung ertheilten und von uns bereitsangezogenen Decrete sub. O. ist zu ersehen, dass auch silberne Hembden Knöpffegedrechselt werden und daher solche zu führen uns zugestanden worden sey“. Und weiter:„Daß aber auch Steine in die Hembden Knöpffe gesetzet werden, und also eines andern Handwercks oder Künstlers Arbeit dabey mit concurriret, kan juxta deducta die Sachenicht ändern, und denen Nadlern ein Recht mit dergleichen zu handeln ertheilen“ .In Bezug auf die Verwendung von Perlmutt für Knöpfe heißt es bei den Drechslern: „Ad No: 11. werden alle Arten von Brustlatz Knöpffen auf der Drechsler Bank gefertiget, und kan denen Nadlern eine Probe von Knöpffen von Perlmutter von uns alle Stundenvorgeleget werden“ .Die beiderseitigen Auseinandersetzungen konnten durch Vergleich gütlich beigelegwerden. Im ersten Rezess vom 30.Dezember 1749 willigten die Drechsler ein, dass diNadler Brustlatzknöpfe cumulative führen durften. Ein zweiter Rezess datiert vom30.Oktober 1754. Die darin seitens der Drechsler an die Nadler gemachten Zugeständnissgingen noch einen Schritt weiter. Unter Punkt 11 wurden Brustlatzknöpfe von Bein, Kokound Perlmutter und unter Punkt 21 gedrehte Hemdenknöpfe von Horn, ElfenbeinPerlmutter und Messing genannt, die auch mit Steinen einfach oder doppelt versehen seikonnten und die nun ebenso von den Nadlern geführt werden durften.

    1 Reith 1990, a.a.O., S. 66 ff.2 StadtA Dresden, Drechslerinnung 11.2.15 D Nr.49, Articul des Loeblichen Handwerck der Drechsler in

    Dresden des gleichen auch der Gesellen-Ordnung 1614.3 StadtA Dresden, Drechslerinnung 11.2.15 D Nr.5, Acta, die Änderung und Confirmation derer

    Innungsartikel bey dem Handwerck derer Drechsler alhier betr. 1734.StadtA Dresden, Drechslerinnung 11.2.15 D Nr.3, Acta, in Sachen des Handwerckes derer Drechsler alhiean einem contra das Handwerck derer Nadler hieselbst am andern Theile wegen Beeinträchtigung in dereRechten betreffend 1745.

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    Die in Dresden vereinbarten Bestimmungen hatten ebenfalls Auswirkungen für dieDrechsler anderer Städte. Außer in Leipzig waren aber die Festlegungen zumHerstellungssortiment Knöpfe von geringer Bedeutung. Leipzigs Drechsler erhielten 154erstmals Innungsartikel verliehen, die aber heute nicht mehr vorhanden sind.1 1608 wurdendiese Innungsartikel überarbeitet und erneut bestätigt.2 Für Perlmutt besaßen sie sogar einausdrückliches Verbietungsrecht gegenüber anderen Handwerken oder gar unzünftigenPersonen.3 Die Herstellung von Perlmutterknöpfen scheint für Leipzigs Drechsler vongrößerer Wichtigkeit gewesen zu sein, als die Verwendung anderer Materialien zurKnopfherstellung. Jedenfalls sollte dieses Material ausschlaggebend für den Übergang voder handwerklichen zur fabrikmäßigen Knopffertigung durch die Drechsler werden.Ebenso wie in Dresden enthielten die am 28.März 1658 konfirmierten Innungsartikel deBautzener Drechsler keinen Hinweis auf die Herstellung von Knöpfen.4 Das aberbesonders hölzerne Knöpfe beständig zu ihren Handwerkserzeugnissen gehörtenerwähnten sie erst zu Beginn des 19. Jh. In Löbau stellten die Drechsler nicht nur Knöpher, sondern versuchten auch den Handel mit den verschiedensten Sorten, die zum Teil idas Arbeitsgebiet der Gürtler gehörten, an sich zu ziehen.5Einen gewichtigen Anteil an der handwerklichen Metallknopfherstellung besaßen diNadler. Gefördert wurde dieses durch den Rezess vom 16.Dezember 1653 zwischen deKauf- und Handelsleuten und den Nadlern in Dresden.6 Die Nadler hatten sich durch denHandel der Kaufleute mit verschiedenen, u.a. in ihr Produktionssortiment fallenden Warein ihrer Existenzgrundlage beeinträchtigt gefühlt. In dem durch den Dresdner Raaufgestellten Rezess wurden sämtliche strittigen Waren, die von den Nadlern für ihreInnungsgenossen beansprucht wurden, aufgelistet. Darunter auch „zinnerne, eiserne und härinne Knöpfe“. Zum einen erfahren wir aus dieser Vereinbarung, dass die Nadler bereitsvor 1653 Knöpfe herstellten und mit diesen Handel trieben. Zum anderen, dass dieseVergleich enorme Wichtigkeit für viele später im mitteldeutschen Raum formulierteNadlerinnungsartikel und damit auch außerhalb der sächsischen Landesgrenzen gewann. ISachsen übertrug sich die Gültigkeit des Vergleiches durch die Konfirmation der InnungsArtikel für die Dresdner Hauptlade am 12.Januar 1660 auf weitere Städte. Zur HauptladDresden mit den Städten Meißen, Großenhain, Dippoldiswalde, Lommatzsch undMittweida gehörten die Kreisladen Torgau und Schneeberg. Torgau wiederum warenOschatz, Leisnig, Herzberg und Döbeln angeschlossen, während Zwickau, ChemnitzÖlsnitz/ Vogtland und Plauen zu Schneeberg gehörten. Dohna, Frauenstein und Radeberkamen später noch zur Hauptlade dazu. Das heißt aber keineswegs, dass einige dieser, abeauch andere Städte außerhalb der Zugehörigkeit zu einer der Laden nicht schon einInnung besessen hätten. Nur fanden sich darin noch keine Hinweise auf den nun von deNadlern beanspruchten Artikel Knopf bzw. die Artikel waren nicht immer durch denLandesherrn, sondern durch Bürgermeister und Stadtrat der jeweiligen Stadt bestätigworden. So z.B. die 1614 und 1625 für Dresden, 1626 für Torgau und 1639 für Schneeber

    1 Zöllner, Georg: Die Zunftverfassung in Leipzig bis zum Jahre 1600. Halle 1915 S. 37.

    Duclaud 1990, a.a.O., S. 105 ff. und 2192 Wustmann, G.: Die alten Leipziger Innungen. In: Leipziger Tageblatt, 1. Beilage, Nr. 620 vom 7.12. 1903S. 8512. (1. Teil) G. Wustmann machte leider keine Angaben über den Inhalt der von ihm angeführtenInnungsartikel.

    3 StadtA Leipzig, D 551/ P 911, Acta, die Drechsler - Innung hier gegen Herrn Otto Prätorius wegenAnfertigung von Perlmutterknöpfen betr. 1851.

    4 StadtA Bautzen, R 6974 i, Confirmirte Innungs-Articul (Drechsler) 1762.5 StadtA Löbau, Rep. XXI. Sect. 8 Loc. 8 Nr. 1, Acta, das Handwerck der Gürtler betr. de. Ao. 1652.6 StadtA Dresden, Nadlerinnung 11.2.43 N Nr.24, Acta, die Änderung und Confirmation derer Innungs-

    Articul bey dem Handwercke der Nadler alhier, betr. 1749.

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    konfirmierten Innungsartikel.1 Der 9. Artikel der 1625 für die Nadlerinnung in Dresdenbestätigten Innungsordnung enthielt nur eine allgemeine Umschreibung desArbeitsgebietes eines Nadlermeisters: „Zum Neunden, die Nadler sollen gut fug und macht haben, alles was von Eysenen und Messingenen Tradt gemacht wirdt zu arbeiten, inmaßensolches die uhralten Briefe, so über hundert und viertzigt Jahr befindlichen, besagen, dasssolch Handwergk befugt, auß Messing und Eysen Tradt zumachen, was sie können oder mögen, ...“.Ähnliche Umschreibungen beinhalteten ebenso die Artikel von Nadlerinnungen, die sicweder der Haupt- noch einer der beiden Kreisladen zuordneten, z.B. die am 25.Juli 163für Annaberg konfirmierten Innungsartikel.2 Im einundzwanzigsten Artikel ihrerInnungsordnung ließen sich Annabergs Nadlermeister die Führung der sogenannten„kurzen Waren“ genehmigen:„Zum Ein und Zwantzigsten, Weil im gantzen Heiligen Römischen Reich Teutscher Nation,alß auch löblichen Churfürstenthumb Sachsen und Lande zu Meißen, allen Handwergksgenossen des Nadler Handwergks zugelaßen und vergönnet ist, neben ihrer Kunst und Handarbeit, auch allerley kurtze Nürnberg: und Steyrische wahreneinzumarkten und wiederumb zu verkauffen. Alß soll es den hiesigen Nadlern auchallerdings gleichermaßen und nicht weniger, wie billich, passiret und ihnen einiger eintragoder Linderung daran im wenigsten nicht verstellet werden“ .Hinter diesem Begriff verbargen sich neben Schnallen, Haken, Ösen und einer ganzeReihe anderer Waren auch Knöpfe. Der Begriff wurde sehr oft in Zusammenhang mit eineStadt oder Region, z.B. Nürnberg, Augsburg, Schmalkalden oder Steiermark genannt. Amhäufigsten wurde der Begriff zusammen mit Nürnberg, den sogenannten „kurzenNürnberger Waren“ gebraucht. Gleichzeitig war damit ein Qualitätsmerkmal verbundenwobei Nürnberg die höchste Qualität zukam.Die Nadlermeister in Chemnitz behaupteten 1670 gegenüber den städtischen Behörden, shätten schon „vor 170 Jahren eine confirmirte Innung“ bekommen, die es ihnen gestattete„... so wohl allerley kleine kurtze Wahren, so sich zu ihrem Handwerck schicken, ..., zukaufen und zu verkaufen, ...“.3 Doch waren sie nicht in der Lage diese vorzulegen, sondernbesaßen lediglich eine Abschrift des Rezesses von 1653.Löbaus Nadlermeister erhielten am 12.Februar 1675 ihre Innungsartikel konfirmiert.4

    Darin enthalten war noch keine Aufzählung der von den Meistern zur Herstellung und zuHandel beanspruchten Waren. Aufgelistet wurden jedoch alle Materialien, die verarbeitewerden konnten. Ebenso wurde die Verarbeitungsmethoden beschrieben, wonach ihnealle Artikel erlaubt waren, welche sie „mit Hammer, Feilen und Zangen“ machen könnten.Auch die am 18.Juni 1579, wahrscheinlich erstmals durch Bürgermeister und Ratbestätigten Innungsartikel des Nadeln-Handtwergs in Freiberg geben noch keine Auskunftüber die Herstellung von Knöpfen.5 Diesbezüglich aussagekräftig scheinen auf den erstenBlick dann die am 15.Februar 1612 vom Kurfürsten konfirmierten Artikel für das Stecke

    1 StadtA Freiberg, Aa Abt. X. Sekt. XVII.b Nr. 97, Stegk-Nadler Handtwergs gesuchte Neue ConfirmationIhrer Innungs-Articull Und was denen mehr anhengig 1657.

    2

    StadtA Annaberg-Buchholz, Bestand Annaberg, Loc. III. 15a Rep. IV. Lit. I Nr. 1, Innungsartikel -Handwerksprivilegia 1542, Folge 3 ff.: Innungsartikel Eines Ersamen Handwergks der Nadler alhier zu StAnnaberg De Anno 1631.StadtA Annaberg-Buchholz, Bestand Annaberg Loc. III. 15o Rep. IV. Lit. N Nr. 2, Nadler - Innungsartike1631.

    3 StadtA Chemnitz, Rat der Stadt bis 1928 Cap. IX. Lit. Na Nr.1, Protokoll in Sachen Das Handwerck dereNadler allhier betr. 1678.

    4 StadtA Löbau, Rep. XXI. Sect. 12 Loc. 12 Nr. 1, Acta, Allhiesige Nadler betr. de. Ao. 1675.StadtA Löbau, Rep. XXI. Sect. 12 Loc. 12 Nr. 5, Nadler-Innungs-Articul, o.J.

    5 StadtA Freiberg, Aa XXVII. b 1, Allerhand Innungsordnungen, Eide der Handwerker, Gesellenbriefe 1540

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    Nadeler Handtwergs, welche außer für Freiberg auch für die Nadler in Zwickau,Eilenburg, Lützen, Weißenfels, Mücheln und anderen, nicht genannten Orten galten.1 Der13. und 14. Artikel dieser Innungsordnung enthält genaue Festlegungen über dieanzufertigenden Meisterstücke. Dabei stößt man auch auf den nachstehenden Wortlaut:13. Artikel: „Ein pfundt Schwarz Drath nehmen, und Knöpfe daraus machen, nicht mehr und nicht weniger das Acht Tausend, und dieselben fein rundt und oben zuschlagen.“14. Artikel: „Soll er sie hübsch schewern. und fein, gleichstechen und alles in DreyenTagen, verfertigen, jeden tagk zwölff stunden wie oben vermeldet.“Löst man die beiden Artikel aus dem Zusammenhang, entsteht schnell die Vorstellung, ehandele sich wirklich um die Anfertigung von Knöpfen. Doch betreffen die beiden Artiklediglich die Herstellung der Stecknadelköpfe, die von einigen Nadlern auch als Knöpfbezeichnet wurden.2 Betont wurde im 42. Artikel, dass es „zweyerley Handwerge, alsStecke Nadeler und Nehe Nadeler“ gab, von denen keiner in „das andere Handwerk arbeiten“ sollte. Mit den Nehe Nadelern waren die Meister des Nadeln-Handwergsgemeint.3 Jahre später wurden die Artikel der Stecknadler überarbeitet und am 7.Juli 1669durch Kurfürst Johann Georg II. erneut konfirmiert.4 Der Inhalt der erneuerten Artikel wardieses Mal zugleich für die Städte Schneeberg, Zwickau und Borna und damit für digesamte Kreislade Schneeberg verbindlich.5 Darin enthalten war die Auflistung dersogenannten Schmeidelwaaren, zu denen u.a. Knöpfe aus Zinn, Messing, Horn und Beingerechnet wurden. Alle Schmeidelwaaren durften von den Nadlern hergestellt als auchgehandelt werden. Demnach scheint die Herstellung von Knöpfen dem Handwerk deStecknadler vorbehalten gewesen zu sein, denn unter denen vom Handwerk der Nähnadlebeanspruchten Gegenstände wurden nur Hefteln, aber keine Knöpfe genannt.6Dagegen waren in Wittenberg Knöpfe ein Bestandteil der am 20.August 1687 durchBürgermeister und Rat erstmals konfirmierten Innungsordnung und wurden sogargesondert in einem eigenen Artikel abgehandelt: „Der Zwölfte Art. Soll denen Meisterndes Handwercks der Nadler freystehen zinnerne und Messingene Knöpffe, so mit Wege Loth gelöthet seyn, zu machen, und damit, wie auch allerhand kurze Waaren, sowohl in,als außer den Jahr-Märckten zuhandeln.“.7Nadlermeister kleinerer Städte die über keine eigene Innung verfügten oder vereinzelt erspäter erhielten, wie Eilenburg, Grimma, Rochlitz, Borna, Wurzen, Delitzsch, Pegau1 StadtA Freiberg, I Bm 167, Zunnfft Buch der Hantwerger 1545, Blatt 328 ff.

    StadtA Freiberg, Aa Abt. X. Sekt. XVII.b Nr. 97, a.a.O. 1657 wurden noch die Städte Freiburg an derUnstrut und Neustadt an der Orla genannt, für deren Nadler die Artikel verbindlich gewesen sein sollen.

    2 StadtA Freiberg, Aa Abt. X. Sekt. XVII.b Nr. 97, a.a.O. Während die Bezeichnung der Stecknadelköpfe alKnöpfe bei den Freiberger Nadler erstmals 1612 nachweisbar ist, wurde diese Beschreibung in Bautzenschon 1605 gebraucht.

    3 StadtA Freiberg, Aa Abt. X. Sekt. XVII.b Nr. 97, a.a.O. Über die Abgrenzung des Arbeitsgebietes derbeiden Handwerke der Steck- und Nähnadler gab es in Sachsen seit Beginn des 17. Jh. heftigeAuseinandersetzungen, an derem Ende sich jedoch die Nadler der Hauptlade in Dresden durchsetzten.Diese bestanden darauf, daß alle Nadler in Sachsen, die sich weder dem einen oder anderen Handwerk deoben genannten zuordnen wollten, sich allgemein als Nadler bezeichnen durften. Im Gegensatz zu denSteck- bzw. Nähnadlern beanspruchten sie das gesamte Arbeitsgebiet eines Nadlers und ließen dieses Rech

    1660 mit der Konfirmierung der Innungsartikel für die Hauptlade festschreiben.4 Stadt- u. KreisA Zeitz, 7212.16.06, Magistrat der Stadt Zeitz. Innungen: Gürtler u. Nadler,Warenverzeichnis (Schmeidelwaren), 1807.StadtA Pirna, F. VI-XIV Nr. 7, Die Nadlerinnung zu Pirna gegen die Gürtler, Schlosser, Messer- undNagelschmiede wegen Beeinträchtigung (enthält Rechte der Nadler zu Freiberg und Kamenz) 1750.

    5 Die Freiberger Nadlerinnung scheint eine bevorzugte Stellung eingenommen zu haben, obwohl die Stadtnicht Sitz der Kreislade war und sie auch nicht als zu dieser gehörig bezeichnet wurde.

    6 StadtA Freiberg, I Bm 167, a.a.O., Blatt 216 ff.7 StadtA Wittenberg, Signatur 14 Bc 31, Chur-Stadt Wittenberg Innungs-Brieffe derer Künstler und

    Handwerker 1420 - 1748.

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    Leisnig und Colditz hielten es spätestens seit der 1.Hälfte des 17. Jh. mit der LeipzigeGürtler- und Nadlerinnung.1 Bei den Orten die nicht der Hauptlade in Dresden oder einerder beiden Kreisladen zugeordnet waren, kam es zwischen der Innung in Leipzig und deHauptlade immer wieder zu Differenzen über die Zugehörigkeit der dort befindlicheMeister. Nicht selten nutzten diese entstandene Streitfälle, um sich Vorteile zu verschaffenblieben aber letztendlich bei der Erlangung des Meisterrechtes oder dem Aufdingen unLossprechen der Lehrlinge auf diese angewiesen. In den Innungsartikeln von 1620 hattdie Leipziger Innung alle Städte aufführen lassen, in welchen Nadler- wie Gürtlermeisteals ihr incorporirt galten. Daher traf das oben angeführte im Wesentlichen auch auf dieGürtlermeister dieser Städte zu.Unabhängig von der Dresdener Vereinbarung von 1653 kam es in verschiedenen Städtezu gesonderten Vergleichen zwischen den Nadlern und den ortsansässigen Kramer- undHandelsleuten. Am 31.Mai 1704 einigten sich die Nadlermeister und die Kauf- unHandelsleute in der vogtländischen Stadt Ölsnitz auf einen Vergleich, der den Handel mKnöpfen berücksichtigte.2 Demzufolge waren die Nadler bereit, den Kaufleuten folgendeszuzugestehen: „..., hingegen mögen 3.) Fickelscherer und Cons. Knöpfe von allerley Arthen, von Messing und Zinn, auch massirte ferner in ihren Laden und auf öffentlichenWochen- und Jahrmärkten verkaufen, auch mit glatten zinnernen und messingen Knöpfenvon großer und kleiner Art in ihren Laden handeln, die glatten zinnernen und messingenKnöpfe aber dürfen selbige in Wochenmärkten (:denn in Jahrmärkten solles ihnen nicht verwehrt werden:) auch nicht aufm Markte bringen. ... 6. die Hembde Knöpfe von allerley Arten und Gattungen beyde Fickelscherer und Cons. im Hause, auf Wochen- und Jahrmärkten ebenfalls ferner fortzuführen sich expresse reservirt haben, und soll, wennwider einen oder den andern Punct gehandelt werden, dem Rathe die Strafe vorbehalten,..., seyn“.Zwei Jahre später, am 29.Januar 1706 wurde der Rezess durch den Administrator deStiftes Naumburg-Zeitz, Herzog Moritz Wilhelm, zu dessen Sekundogenitur Sachsen-ZeitÖlsnitz im Vogtland gehörte, bestätigt und für verbindlich erklärt. Die Bestimmungen deRezesses nahm man in die am 22.September 1738 konfirmierten Innungsartikel deNadlerinnung auf. 1715 forderten die Nadlermeister in Döbeln, dass auch ihnen der Handmit Knöpfen erlaubt sein müßte, da sie diese selbst fertigten.3

    Steigende oder sinkende Meisterzahlen beeinflussten in der Zukunft immer wieder diZugehörigkeit zu den Kreisladen und der Hauptlade. 1716 wechselte die Kreislade voSchneeberg nach Chemnitz, da das Handwerk dort als abgestorben bezeichnet wurde.4 DiePlauener Nadler errichteten am 31.August 1746 eine eigene Innung.5 Einem angehendenMeister war es hier erlaubt, Knöpfe als Meisterstück anzufertigen. Das war in der Regedie Ausnahme. Wie es ihre Berufsbezeichnung vermuten lässt, hatten sie fast überal1 StadtA Leipzig, II. Sektion H 246, Acta, Anton Hoyers hiesiger Gürtler- und Nadler-Innung gesuchtes

    Meister-Recht betreffend anno 1696.StadtA Grimma, Abt. VII Abschn. 1 Nadler Nr. 1, Acta, Michael Krahmers, Bürger und Nadlers alhierKlägers an einem: contra Hannsen Karischen, auch Bürgern und Nadlern hieselbst item Jacob Krackauenund Andres Richtern, Nadler Gesellen, anders, wie auch Intervenienten der Gürtler- und Nadler-

    Handtwergks zu Leipzigk 1663.2 KreisA Vogtlandkreis, Aussenstelle Ölsnitz/V., Bestand Stadt Ölsnitz Nr. 6388, Die von E.E. Handwerkder Nadler allhier nachgesuchte allergnädigste Confirmation ihrer revidierten Spezial-Innungs-Articulu.w.d. anhäng. betr. 1826-1828.

    3 StadtA Döbeln, Kasten 1, Bestand: E. Reinhold: Metallarbeiter. Bei diesen Unterlagen handelt es sich umAbschriften aus historischen Akten, die z.T. nicht mehr vorhanden sind.

    4 StadtA Chemnitz, Cap. IX Litt. Na Nr.2, Acta, die Innungs-Articul des Nadler-Handwercks allhier betrf.Ergangen vor dem Rathe zu Chemnitz Anno 1766.

    5 StadtA Plauen, Innungs-Sachen 116, Acta, Nadler-Innung zu Plauen i.V. - Schriftstücke Zeitraum 1746 -1799.

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    verschiedene Arten Nadeln als Meisterstück herzustellen. In Zwickau lässt sich dieseschon für das Jahr 1544 belegen.1 Nicht einmal das Wort Knopf taucht generell in demArtikel auf, in welchem die ihnen zustehenden Produkte aufgezählt werden. Oft finden sichier nur die Begriffe „Nürnberger Waaren“ oder „kleine kurze Waaren“, mit denen nebenKnöpfen z.B. ebenso Schnallen, Haken und Ösen umschrieben wurden. In Nürnberg, demältesten bekannten deutschen Nadlerzentrum soll es bereits im Jahre 1541 einenbeispielgebenden Vergleich gegeben haben, auf den sich die Dresdner Nadler beriefen.2Bei vielen nachfolgend erstmalig oder neu formulierten Innungsartikeln wurden Auszügaus den Bestimmungen des Dresdner Vergleiches verwendet. So z.B. in Bautzen 1654Kamenz 1666, Marienberg 1666 und Artern 1739.3Ohne Bezugnahme auf den oben angeführten Rezess entwarfen die Nadler in Görlitz ihrArtikel, die 1747 durch Bürgermeister und Rat vorläufig und am 17.Juni 1755 durch daOberamt der Lausitz endgültig bestätigt wurden.4 Artikel zwei der Innungsordnung enthieltauch Festlegung über die Art der von den Nadlern beanspruchten Knöpfe: „Einen jedem Nadler soll freystehen, alles dasienige zu verfertigen und zu verkauffen, was durch Hammer und Zange aus allerhand Drath oder Blech erzwungen und zubereitet werdenkan, und was ein anderes Handwerck oder Profession allein mit Ausschliessung aller übrigen zu verfertigen, nicht bereits berechtiget ist, auch soll ihm erlaubt seyn allerhand Spiegel, gleissende Steine, Corallen und Schmelz-Knöpfe, iedoch die seidenen und Massiv-Knöpfe ausgenommen, Schuh-Schnallen, Hemde-Knöpfe, ... und schlechte Nürnberger currente Waare ... ungehindert zu führen und öffentl. auch außerhalb derer Jahr- und Wochen-Märckte zu verkauffen“.Den Glauchauer Nadlern verliehen die Grafen von Schönburg am 22.Juli 1661 ihrInnungsartikel, die jeweils 1719 und 1731 erneuert wurden.5 Es handelt sich um einige derwenigen Artikel, in denen Knöpfe genannt und näher beschrieben werden. Daran ändertsich auch nach der 1748 durch die kurfürstlich sächsische Landesregierung befohleneRevision der Innungsartikel nichts.Eine Besonderheit stellte die seit 1467 bestehende kombinierte Nadler- und Gürtlerinnunin Leipzig dar.6 Hier konnten die Nadler ihre aus dem Rezess von 1653 hergeleitetenRechte nicht vollständig durchsetzen. Schon bei der Einreichung der gemeinsamenInnungsartikel der Gürtler und Nadler 1620 ließen sich die Gürtlermeister ausdrücklich ihRecht auf die Herstellung verschiedener Sorten Metallknöpfe festschreiben.

    7Im Gegensatz

    1 StadtA Zwickau, Innungssachen X 30 13, Nadlerinnung 1544.Von der 2. Hälfte des 16. Jh. bis zur 1. Hälfte des 19. Jh. gibt es im Stadtarchiv Zwickau keine weiterenAkten zum Handwerk der Nadler bzw. diese sind heute nicht mehr vorhanden.

    2 StadtA Dresden, a.a.O., Nadlerinnung 11.2.43 N Nr.24.3 StadtA Marienberg, Zunftwesen Abt. III Abschn. 11 Nr. 5, Verschiedene Innungs - Artikel von 1604 u.f.

    betr.StadtA Kamenz, Nr. 6114, Handt wercks Artickul der Nadler 1666. Die Bezugnahme der Kamenzer Nadleauf den Rezess von 1653 befindet sich in der nachstehend aufgeführten Akte im Stadtarchiv Bautzen.StadtA Bautzen, P 1/1 Vol. II, Acta, in Sachen das Handwerg der Posamentierer contra das Handwerg derNadler alhier in Budissin betr. 1725.StadtA Artern, XVIII-120, Innungsdifferenzen der Nadler - Innung 1824.

    4

    StadtA Görlitz, Band II. Seite 309 Nr. 232 Regal XI. Fach 17, Acta, Die erneuerten Articul desHandwercks derer Nadler und Ringmacher zu Görlitz betr. 1742.5 SStA Chemnitz, Fürstl. u. Gräfl. Schönburg. Archive Nr. 4167, Acta, Appellation: Das Nadler Handwerk

    zu Glauchau, einen , Carl Friedrich Lochmann, Kauf- und Handelsmann, daselbst, andern theils betr.Ergangen 1751 - 1761.KreisA Glauchau, A 207 N 84 I (125), Die Allergnäd. und Großg. anbefohlene Revision derer Innungs -Articul des Handwerks derer Nadler allhier in Glauchau betr. 1750 - 1751.

    6 Duclaud 1990, a.a.O., S. 173 ff. und 219Zöllner 1915, a.a.O., S. 33

    7 StadtA Leipzig, II. Sektion N 282, Acta, das Gesuch der Nadlerinnung um Errichtung neuer Spezialartike

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    zu den Nadlern verlangten sie von einem angehendem Meister u.a. „einige vergoldeteKnöpfe“ als Meisterstück. In den Innungsartikeln von 1479, 1484 und 1565 oder in derGesellenordnung von 1547 wurden Knöpfe noch nicht namentlich erwähnt, welches abenicht heißt, dass diese im Gewerbe der Gürtler zu diesen Zeitpunkten keine Rolle spielten1Wenn überhaupt, wurde in diesen Artikeln nur allgemein von den Gürtlerwaarengesprochen. Entsprechend den Bestimmungen der am 18.Februar 1620 bestätigten Artikedurften sowohl eiserne als auch Knöpfe aus Messing von den Meistern beider Handwerkgefertigt und geführt werden.2 Doch auch als beide Handwerke gemeinsame Innungsartikelbesaßen, pochten die Gürtler auf ihre besonderen Rechte. 1707 verklagten die Gürtler diNadler gerichtlich und ließen durch den Leipziger Rat eine Liste bestätigen, in der allSorten Knöpfe aufgeführt wurden, die sie ebenso den Nadlern gestatten wollten.3Ausgenommen aber blieben weiterhin vergoldete und versilberte Knöpfe:„Nehmlich es wollen die Nadler umb friedens willen, die in feuer vergolde und in feuer versilberte messingne Knöpffe, auch in feuer vergolde Schnallen den Gürtlern zu ihren Handtwerg, außerhalb der Messe alleine überlassen“.Schon einmal und zwar im Jahre 1703 hatten sie dem Stadtrat auf sein Verlangen eineumfassende Spezifikation aller in Leipzig üblichen Gürtlerwaren überreicht.4 Anlass dazuhatte ein Amtshilfegesuch des Stadtrates von Erfurt in dieser Frage gegeben. Im neunteund zehnten Punkt der Warenklassifizierung gaben sie eine kurze Erläuterung über die voihnen allein beanspruchten Knöpfe: „9. Allerhand geschliffne vergüldete Knöpfe mit Silberplatten auf Tircküsche art mit goldfirnes überzogen von Messing und Zinn ist gürttlerarbeit. Und Verbieth solche Arbeit andern Handwercken, vermöge unserer Lehrbriffe. Es ist auch sonst niemandt befugt, solche Arbeit zu machen.10. Hemde Knöpfe und Schnallen mit guten gelben Loth gelöthet, auch Zinn- und Silberplatten und mit Goldfirnis überzogen, oder gegossen“.Außer in Leipzig gab es im 18. Jh. hinsichtlich der Herstellung und des Handels miKnöpfen weitere Streitfälle im Kurfürstentum Sachsen. 1716 und 1719 wies jeweils diLandesregierung die Klagen der Gürtlerinnung in Dresden gegen die Freiberger Nadlezurück.5 Letztere hatten auf den Jahrmärkten in Dresden u.a. selbst hergestellte sogenannte„hartlöthige feuervergoldete“ Knöpfe verkauft, worauf die Gürtler einen alleinigenAnspruch zu haben glaubten. Dabei sahen die Landesbehörden die Begründung deFreiberger Nadlerinnung für richtig an, wonach die Gürtler allein den Bedarf dersächsischen Bevölkerung an diesen Knopfsorten nicht zu befriedigen vermochten undamit die Nadler ihnen ihr Gewerbe in keiner Weise beeinträchtigen würden. Zum Beweiwurde der Verkauf beträchtlicher Mengen nach Sachsen eingeführter Knöpfe auf den

    betr. 1842.1 StadtA Leipzig, Innungssachen Gürtler A Nr. 1, Innungsordnung der Gürtler und Nadler 1479.

    StadtA Zwickau, Innungssachen X 15 Nr. 4 bis 7, Gürtlerordnungen 1484-1555.StadtA Leipzig, Innungen Gürtler C Nr. 1, Innungsartikel des Gürtlerhandwerkes 1565.StadtA Leipzig, Innungen Gürtler B Nr. 1, Der Gürtler-Gesellen Ihre Handwercks-Verordnung und Articu1547.Duclaud 1990, a.a.O., S. 176, führen an, daß bereits um 1547 einige vergoldete Knöpfe als Meisterstück

    verlangt wurden, wofür sich jedoch kein Beweis finden ließ.2 StadtA Leipzig, II. Sektion N 282, a.a.O.3 StadtA Leipzig, II. Sektion G 279, Acta, in Sachen derer Meister des Gürtlerhandwercks alhier contra

    Anton Hoyern, Nadlern wegen Führung und Verkauffung vergüldeter Knöpfe und anderer vergüldeterWaren, Anno 1706.

    4 StadtA Leipzig, II. Sektion G 252, Verzeichnis worinnen der Gürtler Arbeit bestehe und was sie zu macheberechtiget sind 1703.

    5 StadtA Dresden, Gürtlerinnung 11.2.25 Gürtl. Dep. Nr. 8, betr. den Streit des Gürtlerhandwerks mit denFreibergischen Nadlern Christian Pfüller u. Consorten 1716.StadtA Pirna, F. VI-XIV Nr. 7, a.a.O.

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    Leipziger Messen angeführt, die vorwiegend aus Nürnberg stammten. In Pirna, wo seidem 16.Dezember 1649 eine Nadlerinnung existierte, legten die Nadler und Gürtler durcden Rezess vom 25.September 1751 ihre Auseinandersetzungen gütlich bei: „1. die mit denen Gürtlern obhandene Irrungen betrifft, so soll diesen, die vergoldeten und versilberten messingene Knöpffe mit Oehren und Sayten, wie auch alle übrige messingeneSayten-Knöpffe, ferner die schlechten gelb polierten hartlöthigen Knöpffe, desgleichen alleversilberte hartlöthige mit Unter-Böden, die gefiernisten hartlöthigen mit Unter-Böden,wie auch die gegossenen Knöpffe, von allerhand Sorten, privative, die zinnernen aber selbigen sowohl, als denen Impetraten (Nadler), cumulative zuführen gestattet seyn, ...“. 1

    Neben den Nadlern besaßen die Gürtler erheblichen Anteil an der Herstellung vonMetallknöpfen. Im Unterschied zu den Innungsartikeln ersterer enthielten die ihrigen in deRegel Bestimmungen über die ihnen zur Herstellung erlaubten Knöpfe. Beispielgebenseien hier die Innungsartikel der Gürtler in Freiberg 1563, Dresden 1689, Zittau 1701 unBautzen 1746 genannt.2 Natürlich gibt es noch ältere Nachweise vonGürtlerinnungsartikeln, wie z.B. in Zwickau 1484 und 1555.3 Jedoch ließen sichBestimmungen über Knöpfe in diesen nicht finden. Und auch die ersten in Bautzekonfirmierten Artikel stammten aus dem Jahre 1563, waren aber 1746 als verbrannbezeichnet worden.4 Bei der Einreichung eines neuen Entwurfes betonten sie, dass sie nurden 21. Artikel, welcher das gesamte Warensortiment auflistete, neu aufgenommen hättenEin Teil von ihnen hatte u.a. in Freiberg die Herstellung „allerhand messingene, zinernegestochen und getriebene, vergold- und versilberte Rock-, Hosen- und Hemde-Knöpffe“gelernt. Zusammen mit anderen Handwerkern bildeten die Gürtler Anfang des 15.Jh. iChemnitz eine korporative Innung.5Bisher ging man in Leipzig davon aus, dass sich die Gürtler zum ersten Mal 1466 in eineInnung vereinigten.6 In einem 1839 an den Leipziger Rat gerichtetem Schreiben erwähntensie selbst Innungsartikel aus dem Jahre 1424, die sie 1824 dem Rat übergeben hätten7Bislang ließen sich diese aber nicht auffinden.Freibergs Gürtlerinnungsartikel gehören zu den frühesten Beispielen von Ordnungen deGürtlerhandwerkes in Sachsen, in denen Bestimmungen über Knöpfe enthalten waren.8 Zu

    1 StadtA Pirna, F. VI-XIV Nr. 10, Verschiedene Innungsangelegenheiten, Nr. 1: Das Handwerk der Gürtler,Schlosser, Messer- und Nagelschmiede zu Pirna gegen die dortigen Nadler 1751.StadtA Pirna, F. VI-XIV Nr. 15, Innungsartikel der Nadler 1649.StadtA Dresden, Nadlerinnung 11.2.43 N Nr.28, Acta, in Sachen der hiesigen Nadler - Innung Mstr.Johann Gottfried Höpnern und Consorten entgegen den Gürtler, Mstr. Johann Christoph Barthel 1778.

    2 StadtA Pirna, F. VI-VIII Nr. 2, Innungsbrief, Gürtlerinnung 1564.StadtA Dresden, Gürtlerinnung 11.2.25 G Nr.21, Acta, die von dem Gürtler - Handwerck alhier hohen Ortgesuchte Confirmation derer von ihnen entworffenen Innungs-Articul cum jure prohibendi betr. Anno 174StadtA Zittau, Nr. 528/6, Acta, betr. die Ew. Handwerkderer Gürtler allhier ertheilte Artikel 1701.StadtA Bautzen, Rep. X. Sect. II. G 2 Nr. 1, Acta, die Confirmation des Gürtler Handwercks ihrer Articulbetr. Anno 1746.

    3 StadtA Zwickau, Innungssachen X 15 Nr. 4 bis 7, Gürtlerordnungen 1484 - 1555.Von der 2. Hälfte des 16. Jh. an gibt es im Stadtarchiv Zwickau keine weiteren Akten zum Handwerk derGürtler bzw. die Akten sind heute nicht mehr vorhanden.

    4

    StadtA Bautzen, Rep. X. Sect. II. G 2 Nr. 1, a.a.O.5 Bräuer, Helmut: Handwerk im alten Chemnitz. Chemnitz 1992 S. 45, die Metallhandwerke betreffend:„Einerseits umfaßte diese Zunft nicht nur Metallgewerbe, sondern vereinigte Sensen-, Huf-, Waffen-,Messer-, Säge- und Kupferschmiede, Wagner, Schlosser, Riemer und Gürtler.“

    6 Wustmann, G.: Die alten Leipziger Innungen. In: Leipziger Tageblatt, 1. Beilage, Nr. 620 vom 8.12. 1903S. 8546. (2. Teil)

    7 StadtA Leipzig, G 887, Acta, die Trennung der Nadler- und Gürtler - Innung von einander betr. 1824.8 StadtA Pirna, F. VI-VIII Nr. 2, a.a.O. Die im Stadtarchiv Pirna aufbewahrte Akte enthält eine vollständige

    Abschrift der Innungsartikel der Gürtler in Freiberg, für deren Konfirmierung durch Bürgermeister und Radas Jahr 1564 angegeben wurde.

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    ihrem Arbeitsgebiet gehörte auch die Herstellung und der Handel mit „Allerhand Meßinge, zinnerne, gestochne und getriebne vergolt und versilberte Rock, Hosen und HemdenKnöpfe.“ In einem am 25.August 1697 geschlossenem Vergleich mussten sie aberzustimmen, dass auch die Nadlermeister in Freiberg berechtigt seien, Knöpfe aus Tafel- Messing herstellen und verkaufen zu dürfen.1Die Bestimmungen der Freiberger Artikel wirkten selbst noch im 18. Jh. beispielgebenfür die Formulierung von Innungsartikeln der Gürtler anderer Städte. So z.B. 1731 iPirna, wo die Innungsartikel am 3.Dezember durch den Rat bestätigt wurden.2 Knöpfestellten eines der wichtigsten ihrer Erzeugnisse dar: „1.) von der Gürtler Arbeit, a.)vergüldet und versilberte messingene Knöpffe mit Öhren und Sayten, auch dergleichen zinnerne, sowohl allerley gefirniste und gegossene Knöpffe nicht minder ...“ .3Das für die Knopfherstellung benötigte Messing stammte zu einem nicht unerheblicheTeil aus Freiberg. Um 1700 versuchte der Besitzer einer „Fabrik“ für leonische WarenThomas Weber, selbst ein ehemaliger Gürtler, die Nadler und Gürtler von Freiberg undanderen Orten dazu zu veranlassen, Platten und Draht aus Messing nur bei ihm zu kaufeworüber sich ein Konkurrenzunternehmen in Niederauerbach beschwerte.4 Die Herstellungvon Knöpfen durch die Inhaber sogenannter „Fabriken leonischer Waren“ und „Gold-und Silberfabriquen“ ließ sich allerdings nicht belegen, obwohl T. Weber 1687 vomKurfürsten beauftragt wurde, alle Messingwaren für die sächsische Armee herzustellenworunter sich auch massive Artikel befunden haben sollen.5

    Auch außerhalb Freibergs, einem Zentrum der Herstellung von Platten und Draht auMessing, handelten die Nadler mit den Rohmaterialien für ihre Erzeugnisse. So z.B. iAnnaberg und Dresden.6 1702 hatten die Krämer in Annaberg die städtischen Behördenzunächst veranlasst, den Nadlern „messingenes Blech und Drath“ abzunehmen. Nachdemdie Nadlerinnung in Dresden ein Gutachten über ihre Berechtigung zum Handel mRohmaterial aus Messing abgegeben hatte, veranlasste die Landesregierung die Rückgabder beschlagnahmten Waren und Materialien und ließ die Krämer mit ihrer Beschwerdabweisen.Von den metallverarbeitenden Handwerken hatten die Zinngießer nur unwesentlich zumKnopfaufkommen beigetragen. In Leipzig, wo erstmals für das Jahr 1466 eineZinngießerinnung bezeugt ist, führten sie nur 1738 ein einziges Mal Klage gegen eineGürtlermeister, der Knöpfe aus Marienberger Zinn fertigte.

    7Sie konnten sich aber mitihrem Ansinnen nicht durchsetzen, da ihre Innungsartikel dazu nichts Bestimmtes aussage

    StadtA Freiberg, Aa XXVII. b 1, a.a.O. Die im Stadtarchiv Freiberg aufbewahrte Akte enthält nur dasSchreiben über die Bestätigung der Gürtlerinnungsartikel im Jahre 1563. Die Artikel selbst sind nichtvorhanden.

    1 StadtA Dresden, Gürtlerinnung 11.2.25 Gürtl. Dep. Nr. 8, a.a.O.2 StadtA Pirna, F. VI-VIII Nr. 1, Handwerksbuch des Löblichen Handwercks derer Gürtler zu Pirna

    1732-1860.3 StadtA Pirna, F. VI-VIII Nr. 3, Gürtlerinnung. Das Handwerk der Gürtler gegen das Handwerk der Nadle

    wegen Beeinträchtigung 6.3. 1750.4

    SHStA Dresden, Loc. 36278, Acta, die von Thomas Webern zu Freyberg unternommene Extension seineshiebevor erlangten Lahn- und Drath. Privilegii und disfalls verweigerte Abgabe der Land Accise auchBesitzer des derer Messingwercks Contrahenten zu Niederauerbach geklagte Turbation betr. 1720.

    5 Forberger, Rudolf: Die Manufaktur in Sachsen vom Ende des 16. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts.Berlin 1958 S. 181.

    6 StadtA Annaberg-Buchholz, Bestand Annaberg Loc. III. 15 u Rep. IV. Lit. C Nr. 5, Acta-Privata: DesNadler-Handwercks contra Die Chramere allhier zu St. Annabergk wegen Messingen Blech-, Draths undanderer Waaren Verkaufs 1702.

    7 StadtA Leipzig, II. Sektion Z 207, Acta, Ziengießer-Handwerck contra Johann Gottfried Caßel wegenVerfertigung zienerner Knöpffe 1738.

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    konnten.1 Schon ein Jahr zuvor waren die Naumburger Zinngießer vom dortigen Rat mitihrer Beschwerde abgewiesen worden.Die Zinngießer in Glauchau und Waldenburg hatten im Jahre 1614 von den Grafen voSchönburg ihre ersten Artikel konfirmiert bekommen.2 1736 taten sich die WaldenburgerZinngießer mit den dortigen Nadlern zusammen und ersuchten um die Erteilunggemeinsamer Innungsartikel nach. Eine gemeinsame Innung erhielten sie aber erst untekursächsischer Landeshoheit im Jahre 1799. Von den Zinngießern in den SchönburgischeRezessherrschaften beschäftigten sich einige mit der Herstellung gegossener Zinnknöpfe.Unzünftig betrieben und daher in der Literatur wenig beachtet wurde das Handwerk deKnopfmacher. Sie selbst nannten sich häufig Knopf- und Crepinmacher . Eigentlich wurdenmit dem Begriff Knopfmacher nur die Hersteller textiler Knöpfe bezeichnet, obwohl diesteilweise auch Metallknöpfe fertigten.3 Durch das Aufkommen von Manufakturen inSachsen in der 2. Hälfte des 18.Jh. übertrug sich die Berufsbezeichnung langsam auf ddarin tätigen Arbeiter. Während sich dieses Handwerk in Mitteleuropa bis zum Beginn de18. Jh. in fast allen größeren Städten und Territorien zunftmäßig etabliert hatte, gab es zdiesem Zeitpunkt in Sachsen noch keinen innungsmäßigen Zusammenschluss. Zuersreichten die Knopfmacher in Leipzig die von ihnen selbst aufgestellten Innungsartikel zuKonfirmierung ein.4 Bei ihnen handelte es sich ausschließlich um zunftmäßig gelernteKnopfmachermeister aus Straßburg, die als Kriegs- und Glaubensflüchtlinge in dieMessestadt gekommen waren. Ihr Ansinnen wurde jedoch von Kurfürst Friedrich August abgelehnt: „Ejusdem Rescript, Daß denen Knopfmachern in Chur-Sächsischen Landen und sonderlich zu Leipzig, keine Innung zu verstatten, den 27. Apr. Anno 1701.Friedrich Augustus, König und Churfürst. Liebe Getreue, Welchergestalt Uns dieKnopffmacher zu Leipzig eine unter sich abgefassete Handwerks-Innung übergeben, und um deren Confirmation allerunterthänigst angelanget, Solches ist aus dem Beischluß mit mehrerm zu ersehen. Nachdem Wir aber dergleichen Innungen in Unsern Landen zuverstatten, erhebliches Bedenken tragen; Als ist hiermit Unser Begehren, Ihr wollet Sie mit ihren Suchen abweisen, und sich einiger Innung forthin anzumassen, oder Uns weiter disfalls zu behelligen, ihnen nachdrücklich untersagen. Daran geschieht Unsere Meynung. Datum Dreßden, am 27. Aprilis, Anno 1701. J.A. Birnbaum. Magnus Lichtwer. An den Rath zu Leipzig“.

    5

    Die Antwort Friedrich August I. bekam in der Zukunft fast den Charakter einerGrundsatzentscheidung, an die sich auch sein Nachfolger halten sollte. Ausschlaggebenfür diese Entscheidung könnten soziale Aspekte gewesen sein. Knopfmacherarbeit waHandarbeit. Dazu benötigte man nur Nadel, Faden und geschickte Hände. Maschinen, wi1 StadtA Leipzig, Z 406, Acta, Die Entwerfung eines Nachtrages zu den Special-Artikeln der Zinngießer-

    innung betr. 1844.Weder in den am 19.12. 1615 durch Bürgermeister und Rat noch in denen am 16.10. 1708 durch denKurfürsten konfirmierten Innungsartikeln wurde das von den Zinngießern beanspruchte und hergestellteWarensortiment aufgelistet. Die Artikel von 1708, die gleichzeitig für die vier Kreisladen Dresden, LeipzigWittenberg und Schneeberg verbindlich waren, sprachen lediglich von „Nürnberger Arbeit“, worunter abe

    eine Vielzahl von Waren zu verstehen war und keinesfalls wie bei dem Begriff „Kurze Nürnberger Warennur Kurzwaren.2 SStA Chemnitz, Fürstl. u. Gräfl. Schönburg. Archive Gesamtregierung Nr. 4534, Acta, die combinirte

    Nadler- und Zinngießer-Innung zu Waldenburg betr. 1830.3 Gürtler, Wolfgang: Knopfmacher. In: Reith, Reinhold (Hrsg.): Lexikon des alten Handwerks. München

    1990 S. 131 ff.4 StadtA Leipzig, II. Sektion K 279, Die Knopfmacher alhier contra die Störer. Anno 1698.5 StadtA Leipzig, II. Sektion K 279, a.a.O.

    Codex Augusteus oder Neuvermehrtes Corpus Juris Saxonici. Leipzig 1724, Band I, S. 1719.Herold, Georg Eduard: Die Rechte der Handwerker und ihrer Innungen. Leipzig 1841 S. 80.

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    z.B. bei den Gürtlern die Metallpresse waren nicht erforderlich. Das Herstellen textileKnöpfe war ein wichtiger Broterwerb für arme Frauen und Witwen, entlaufene Mägde uninvalide Soldaten.1 Die Genehmigung einer Innung wäre nämlich nur dann sinnvollgeworden, wenn auch ein Verbietungsrecht damit verbunden gewesen wäre. Folge wärein Verbot unzünftiger Herstellung von Knöpfen und deren Verkauf und damit ein Verlusder Arbeit vieler Menschen. Entsprechend verfuhr man dann auch mit dem zweimaligeGesuch der Dresdener Knopfmacher, meistenteils Glaubensflüchtlinge aus FrankreichZwischen 1724 und 1745 wurden die jeweils zur Konfirmation eingereichten Artikezurückgewiesen.2 Keineswegs entmutigt von den für Leipzig und Dresden getroffenenEntscheidungen zeigten sich die Bürger und Knopf-, Silber-, Gold-, Seiden-, Stricker- und Hand-Arbeiter in Görlitz, die 1725 ihrem Rat einen Artikelentwurf vorlegten und umdessen Konfirmierung ersuchten.3 Anlass für ihren Schritt war die Herstellung textilerKnöpfe durch „viele Weiber“ in der Stadt, von denen sie sich in ihrem Gewerbebeeinträchtigt fühlten. Der Rat wies ihr Ansinnen nicht sofort zurück, sondern holte ersGutachten ein. Eines erhielt er von der Kramerinnung, welche die Knopfherstellung al„schlechte Weiber-Profession“ bezeichneten und ihre Ansicht damit begründeten: „1.) dasKnopffmachen als eine Arbeith, so Weiber und Mägdgen mit leichter Mühe zu lernen ca pable sind und deren viele hier und anderwerts davon sich nähren, ...“.Da aber die drei vorhandenen Knopfmacher die Innung nur unter der Voraussetzunggründen wollten, indem ihnen ein Verbietungsrecht gegen andere eingeräumt würdeänderte der Rat seine Meinung und sprach jetzt nur noch von der „Freyheit desKnopfmachens“ in der Stadt. Inzwischen erhielt er auch Kenntnis von den landesherrlichenEntscheidungen für Leipzig, Dresden, Zittau und Lauban und beschrieb die Situation iGörlitz mit den Worten, dass das „Knopfmachen ieders Zeit eine freie Profession gewesen,und whl 20 arme Weibs Personen von dieser Arbeit zeithero sich erhalten, ...“. Mit demReskript vom 25.Januar 1726 ließ dann auch die Landesregierung die Knopfmacher miihrem Gesuch abweisen. In den kommenden Jahren erhöhte sich dann die Zahl degelernten Knopfmachermeister auf fünf, die 1752 erneut den Rat um die Bestätigung ihreInnungsartikel nachsuchten.4 Da sie aber nicht die erhoffte Antwort erhielten, beschlossenund besiegelten sie eigenhändig ihren Artikelentwurf. Erst jetzt reagierte der Rat und liedie bereits eingereichten Artikel nochmals überarbeiten. Am 4.September 1753 schrieb demit der Begutachtung des Entwurfs beauftragte Proto-Notar Christian Buchwald an denRat: „Es sollen die Knopfmacher-Articul zum mehro ausgefertiget werden, ...“. Obwohlweder vom Rat noch von der Landesregierung eine Bestätigung der Artikel erfolgtebetrachteten die Knopfmacher letzteres Datum als Gründungstag ihrer Innung. Lediglic1759 erwähnte der Rat beiläufig die Knopfmacher als „neu aufgerichtetes Mittel“, womit

    1 StadtA Leipzig, a.a.O., II. Sektion K 279Nickel, Sieglinde: Zur Wirtschaft, Sozialstruktur, Verfassung und Verwaltung in der Stadt Dresden vonder Mitte des 17. Jahrhunderts bis in die dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts. Dissertation, Leipzig 1986S. 77.

    StadtA Dresden, Knopfmacherinnung 11.2.32 K 12, Acta, Johannen Sophien Eichhornin gesuchtenbeständigen Aufenthalt und Verfertigung ihrer Knopfmacher und Crepin-Arbeit in Dresden, auch überderen Verweigerung geführte Beschwerde betr. 1738.

    2 StadtA Dresden, Knopfmacherinnung 11.2.32 K 35, Acta, die von den Knopff- und Crepin-Machernalhier allerunterthänigst gesuchte Verstattung einer Innung und Confirmation derer vor dieselbenentworffenen Articul betr. Anno 1737 und 1738.

    3 StadtA Görlitz, Band II. Seite 303 Nr. 162 Regal XI. Fach 14, Acta, Derer Knopffmacher gesuchteAufrichtung einer Zunfft betr. 1725.

    4 StadtA Görlitz, Band II. Seite 351 Nr. 120 Regal XII. Fach 15, Acta, das Mittel der Knopfmacherhierselbst, s.w.d.a. betr. 1752/1841.

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    möglicherweise stillschweigend die eigenmächtige Innungsgründung hingenommenwurde.Um außerhalb Sachsens, z.B. auf der Wanderscha