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Die Haushaltspolitik im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 Author(s): Rudolf Stucken Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 1/2 (1968), pp. 202-219 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40910491 . Accessed: 16/06/2014 08:51 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.34.79.101 on Mon, 16 Jun 2014 08:51:49 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Haushaltspolitik im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967

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Die Haushaltspolitik im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums derWirtschaft vom 8. Juni 1967Author(s): Rudolf StuckenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 27, H. 1/2 (1968), pp. 202-219Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40910491 .

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Die Haushaltspolitik im Gesetz zur Forderung der Stabilitat und des

Wadistums der Wirtsdiaft vom 8. Juni 1967 von

Rudolf Stucken

Zur Vorgeschichte

Schon in den Jahren 1959 und 1960 wurde es evident, daB das Instru- mentarium der Deutschen Bundesbank nicht ausreichte, um das bundes- deutsche Wirtschaftsleben im Gleichgewicht zu halten und Uberkonjunktur und Ubernachfrage am Arbeitsmarkt zu verhindern. Die Bundesbank ergriff scharfe MaBnahmen zur Kestriktion, aber die Notenbankpolitik wurde von den Kreditinstituten durchkreuzt. Die MaBnahmen der Bundesbank hatten wohl ausgereicht, wenn es sich nur darum gehandelt hatte, die den Kreditin- stituten auf Grund der AuBenwirtschaftslage zunieBende Liquiditat abzu- schopfen; aber die Kreditinstitute waren mit iibergroBen Liquiditatsre- serven in die Restriktionsperiode hineingegangen, und sie griffen nun auf Grund eigener Entscheidung auf ihre Liquiditatsreserven zuriick, so daB es der Notenbank nicht gelang, die Kreditausweitung und die Geldschopfung der Kreditinstitute einzudammen1. Angesichts dieser Lage baute die Noten- bank im Herbst 1960 die restringierenden MaBnahmen wieder ab. Der Bun- desbankprasident rief nach dem Staat; mit geeigneter Finanzpolitik sollte der Staat helfen, das zu schaffen, was die Bundesbank allein nicht hatte schaffen konnen. Das horte sich so an, als ob der Staat gar nichts getan hatte, um die Bundesbank in ihrem Bemiihen zu unterstiltzen. Tatsachlich aber war der Staat damals der beste Heifer der Bundesbank ; denn durch die Veranderungen auf den Konten des Bundes, der Lander und der Lastenausgleichsbehorden bei der Deutschen Bundesbank wurde den Banken Liquiditat entzogen, und zwar 1959 in Hohe von 3,2 Mrd., 1960 in Hohe von 5,3 und 1961 in Hohe von 5,1 Mrd. DM2. Aber mit Recht konnte der Bundesbankprasident darauf

1 Siehe R. Stucken: Deutsche Geld- und Kreditpolitik 1914-1963, 3.Aufl., Tu- bingen 1964, S. 277 ff. 2 Ebd., S. 288.

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hinweisen, da6 die Investitionstatigkeit und die Kreditnahme der Privaten standig durch Finanzhilfen angekurbelt wurden, sei es durch offene Subven- tionen, sei es durch Steuervergiinstigungen. Jedenfalls ging die Preissteige- rung nach Beendigung der Restriktion unverandert, zeitweilig sogar verstarkt, weiter, und sie wurde auch nicht gestoppt, als man im Marz 1961 eine fiinf- prozentige Aufwertung der Deutschen Mark durchfuhrte. Zumindest vom Jahre 1962 ab muBte man von tJbernachfrage auf dem Arbeitsmarkt spre- chen, was zu iibermaBigen Lohnsteigerungen ftihrte, wobei die gezahlten Effektivlohne den Tarif lohnen voranliefen.

Im Jahre 1964 bemiihte sich die Bundesbank von neuem um Restrik- tion, und sie setzte diese Bemiihungen bis ins Jahr 1966 fort1. Aber die Kredit- institute waren wieder mit groBen Liquiditatsreserven, die sie getrost ab- bauen konnten, in die Restriktionsperiode hineingegangen ; tatsachlich durch- kreuzten sie wiederum die Notenbankpolitik und dehnten ihre Kredite und ihre Geldschopfung riesenhaft aus, und Uberkonjunktur sowie "Obernachfrage auf dem Arbeitsmarkt wurden auf die Spitze getrieben. Jedenfalls vergingen gut zwei Jahre, bis die NotenbankmaBnahmen zur Bremswirkung kamen - ein sehr langer Bremsweg. Wahrend man die Fortsetzung der Preissteigerun- gen schon nicht mehr als eine Besonderheit ansehen konnte, brachte diese Zeit zwei ungewohnte Neuerungen, namlich die Deroutierung des Kapital- marktes und den Passivsaldo der laufenden Posten der Zahlungsbilanz in Hohe von 6,2 Milliarden DM ftir das Jahr 1965.

Regierung und Parlament reagierten auf diese Vorgange mit Deklama- tionen prompt und laut, mit Taten j edoch nur im Zeitlupentempo. Durch Kabi- nettsbeschluB vom 11. Marz 1964 wurde die Vorbereitung gesetzlicher MaB- nahmen zur Beeinflussung der konjunkturellen Entwicklung eingeleitet2. Am 2. September 1966 wurde eine einschlagige Gesetzesvorlage, namlich der ,,Entwurf eines Gesetzes zur Forderung der wirtschaftlichen Stabilitat", dem Bundestag zugeleitet. Unter dem Datum des 8. 6. 67 ergingen dann das Gesetz zur Anderung des Grundgesetzes, das als Grundlage fur erforderlich gehalten worden war, und das ,, Gesetz zur Forderung der Stabilitat und desWachs- tums der Wirtschaft"3.

In diesen mehr als 3 Jahren, die von der Einleitung bis zur Vollendung des Gesetzgebungswerkes vergangen waren, hatte sich einiges gewandelt. Die Konjunktur war nicht mehr durch Ubernachfrage nach Giitern und Ubernach- frage nach Arbeitskraften charakterisiert, sondern durch eine leichte ̂reces- sion", bei der aber immer die Angst bestand, daB sie in eine massive Depres- sion umschlagen konnte. Das Tempo der Preissteigerung hatte nachgelassen. Deshalb richtete sich die Aufmerksamkeit mehr auf die MaBnahmen zur An- kurbelung als zur Bremsung des Wirtschaftslebens, man redete mehr vom Wachstum als von der Stabilitat des Geldes, und es gelang so den Beteiligten, eine fur die Stabilisierung des Geldwertes entscheidende MaBnahme, die in

1 Vgl. R.Stucken: Was fftimmt nicht mit unserem Geld? Zeitfragen Nr. 1, Ham- burg 1967, S. 62 ff. 2 Deutscher Bundestag, 5. Wahlperiode, Drucksache V/890, S. 8. 8 Bundesgesetzblatt 1, 1967, S. 581 ff.

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der Gesetzesvorlage gestanden hatte, die Kreditplafondierung fur die Kredit- institute, unter den Tisch fallen zu lassen - wir kommen spater darauf zuriick. Inzwischen war die GroBe Koalition gebildet worden, was die Verwirklichung der Grundgesetzanderung wesentlich erleichterte, und dazu hatten andersar- tige, in der Volkswirtschaftslehre bewanderte Personlichkeiten die Minister- sessel im Bundesfinanzministerium und im Bundeswirtschaftsministerium eingenommen. Die katastrophale Finanzlage, die durch die Bewilligungsfreu- digkeit der vorangegangenen Jahre und den Verzicht darauf, die Auswirkun- gen von MaBnahmen auf die Finanzlage weiterer Jahre ins Auge zu fassen, entstanden war, wurde aufgedeckt, und es wurde klargestellt, daB die Deroute am Kapitalmarkt doch in erster Linie von der offentlichen Hand verursacht worden war. So festigte sich die Meinung, daB es vor allem darum ginge, das finanzpolitische Verhalten der offentlichen Hand in den Griff zu bekommen.

Grundgesetzliche Regelung und Leitlinie

Bei der Anderung des Grundgesetzes, und zwar zu Artikel 109 GG, ist der bisherige Grundsatz: ,,Bund und Lander sind in ihrer Haushaltswirtschaft selbstandig und voneinander unabhangig" beibehalten worden. Aber es ist ein weiterer Grundsatz hinzugefugt worden, namlich: ,,Bund und Lander haben bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaft- lichen Gleichgewichts Eechnung zu tragen"; weiter ist gesagt, was durch Bundesgesetze, die der Zustimmung des Bundesrates bedurfen, geregelt wer- den kann, und daB Ermachtigungen zum ErlaB von Eechtsverordnungen nur der Bundesregierung erteilt werden konnen, daB die Kechtsverordnungen der Zustimmung des Bundesrates bedurfen und daB sie aufzuheben sind, soweit der Bundestag es verlangt. Auf dieser grundgesetzlichen Kegelung beruht das ,,Gesetz zur Forderung der Stabilitdt und des Wachstums der Wirtschaft" .

Im § 1 dieses Gesetzes ist die Leitlinie fiir die Haushaltswirtschaft naher bestimmt worden : ,,Bund und Lander haben bei ihren wirtschafts- und finanz- politischen MaBnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleich- gewichts zu beachten. Die MaBnahmen sind so zu treffen, daB sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilitat des Preisni- veaus, zu einem hohen Beschaftigungsstand und auBenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum bei- tragen." Man ist also iiber das bekannte ,,magische Dreieck" hinaus durch Einbeziehung des Wirtschaftswachstums in die Zielsetzungen zu einem ,,ma- gischen Viereck" gekommen; verstandlicherweise ist dabei nicht maximales Wachstum, sondern stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum als Forderung aufgestellt worden. Trotz dieser Einschrankung besteht die Mog- lichkeit von Zielkonfliicten ; was im Falle eines solchen Zielkonfliktes gesche- hen soil, ist nicht gesagt worden.

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tjber den Bereich der Haushaltswirtschaft hinausgehende B estimmungen

Im § 2 wird die Bundesregierung verpnichtet, im Januar eines jeden Jah- res dem Bundestag und dem Bundesrat einen Jahreswirtschafisbericht vor- zulegen, und es wird sein Inhalt umschrieben. Im Falle der Gefahrdung eines der Ziele des § 1 stellt die Bundesregierung Orientierungsdaten fur ein gleich- zeitiges aufeinander abgestimmtes Verhalten (konzertierte Aktion - oder heiBt es konzertante Aktion?) der Gebietskorperschaften, Gewerkschaften und Un- ternehmensverbande zur Erreichung der Ziele zur Verfugung. Trotz der Be- deutung, die dem Verhalten der Bundesbank und der Kreditinstitute hierbei zukommt, sind diese nicht genannt worden, worin einerseits die Riicksicht auf die Autonomie der Bundesbank und ihre eigene anerkannt hervorragende Orientierung iiber die Wirtschaftslage zur Geltung kommt und wobei ande- rerseits von der irrigen Voraussetzung ausgegangen wird, daB die Bundesbank das Verhalten der Kreditinstitute in ausreichendem MaB beherrscht. Im § 4 wird die auflenwirtschaftliche Absicherung behandelt. Die Bundesregierung hat gegebenenfalls die Mogichkeiten der internationalen Koordination zu nutzen. Soweit dies nicht ausreicht, setzt sie die ihr zurWahrung des auBenwirtschaft- lichen Gleichgewichts zur Verfugung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel ein; hierbei ist, ohne daB es im Gesetz gesagt ist, an ZollmaBnahmen, weiter an Veranderung der Wechselkurse und an DevisenbewirtschaftungsmaBnah- men auf Grund des AuBenwirtschaftsgesetzes vom 28.4.1961 zu denken, wo- bei die Handlungsfreiheit der Kegierung allerdings durch internationale Ver- trage eingeengt ist. § 18 regelt sodann die Bildung eines Konjunkturrates fur die offentliche Hand und seine Aufgaben. Dem Eat gehoren an die Bundesmi- nister fiirWirtschaft und der Finanzen, je ein Vertreter eines jeden Landes und 4 Vertreter der Gemeinden und der Gemeindeverbande ; der Bundesminister fur Wirtschaft ftihrt den Vorsitz im Konjunkturrat, die Bundesbank hat das Eecht, an den Beratungen teilzunehmen. § 31 erweitert die Aufgaben des Sachverstdndigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick- lung.

Weitere Gesetzesbestimmungen regeln die Abschojofung von Liquiditdt seitens der Bundesbank durch Ausgabe geeigneter Pafiere. Bekannt sind bereits die sogenannten Mobilisierungspapiere. Die Bundesbank kann nunmehr nach § 29 verlangen, daB der Bund ihr fur den vollen Nennbetrag der ihr zustehen- den Ausgleichsforderungen Schatzwechsel oder unverzinsliche Schatzanwei- sungen (Mobilisierungspapiere) aushandigt. Da die Mobilisierungspapiere moglicherweise nicht ausreichen, wird dartiber hinaus eine besondere Art von ,,Liquiditatspapieren" geschaffen, die der Bund der Bundesbank auf Verlan- gen in Form von Schatzwechseln und unverzinslichen Schatzanweisungen bis zum Hochstbetrag von 8 Mrd. DM auszuhandigen hat. Der Bundesbank werden also die erforderlichen Papiere zur Ausweitung ihrer sog. Offenmarktpolitik in die Hand gegeben. Zu dieser Ausweitung konnen insbesondere die im § 30 des Gesetzes enthaltenen Vorschriften iiber einen Anlagezwang bei den Trdgern der Sozialversicherung beitragen ; diese Vorschriften gelten unmittelbar nur fur die Trager der Kentenversicherung der Arbeiter und die Bundesanstalt fur Ar-

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beitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, tiber den § 205 des Angestell- tenversiclierungsgesetzes jedoch auch fur die Angestelltenversicherung. Er- machtigt zu einschlagigen Rechtsverordnungen ist die Bundesregierung, ,,wenn die Deutsche Bundesbank dies zurWahrung der Wahrungsstabilitat vorschlagt". Der entscheidende Unterschied zur sonstigen Offenmarktpolitik der Bundesbank besteht hierbei in der Moglichkeit des Zwanges, der Unter- schied zu den Mindestreserven in der Tatsache der Verzinsung, und von beiden genannten notenbankpolitischen Mitteln weicht der Anlagezwang fur die So- zialversicherungstrager ab durch die vorgeschriebene Mitwirkung der Bun- desregierung.

Bereits gelegentlich unserer Ausfiihrungen zur Vorgeschichte haben wir darauf hingewiesen, daB eine MaBnahme, die im Entwurf des Stabilitatsge- setzes enthalten war, nicht in das Gesetz zur Forderung der Stabilitat und des Wachstums der Wirtschaft Eingang gefunden hat. Es handelt sich urn die ,yKreditplafondierung", d.h. die mengenmaBige Begrenzung der Kredite der Kreditinstitute an Nichtbanken, eine von den Interessenten erbittert be- kampfte MaBnahme; ein neues Notenbankinstrument, das wohl geeignet ge- wesen ware, die Herrschaft der Notenbank uber die Kreditausweitung und die Geldschopfung der Kreditinstitute, die, wie oben gezeigt, verlorengegangen war, wiederherzustellen. Wir bestreiten, daB die Griinde, die von den Interes- senten gegen die einschlagigen Bestimmungen vorgebracht wurden, durch- schlagend waren; aber als dann der Bundeswirtschaftsminister noch die Anwendung dieses wirkungsvollen Mittels der alleinigen Entscheidung der Bundesbank entziehen wollte und als alle von Wirtschaftswachstum und kaum noch jemand von Geldwertstabilitat redeten, da war die Stunde der Interessenten gekommen: die von ihnen bekampfte Kreditplafondierung fiel unter den Tisch. Wir werden die Folgen dieses Vorganges wohl nicht nur in kommenden Preissteigerungen zu spiiren bekommen; sondern mangels der Kreditplafondierung, die einen etwaigen Liquiditatszustrom aus dem Aus- land groBenteils binnenwirtschaftlich unschadlich zu machen fahig ist1, wer- den wir auch viel eher damit rechnen mtissen, daB die auBenwirtschaftliche Absicherung der binnenwirtschaftlichen Bemtihungen aktuell wird - eine schwere Hypothek, die man so nebenher eingehandelt hat2. Sind die Jahre des Verfalls im politischen Leben - mit diesem Ausdruck charakterisierten wir die Zeit seit Anfang der sechziger Jahre3 - wirklich schon voruber? Diese Frage moge aus weiterem zeitlichen Abstand entschieden werden.

Die Aufstellung des Jahreshaushaltsplans und Moglichkeiten einer Abweichung von ihm

Im § 5, Abs. 1, wird gesagt, daB die Ausgaben und Bindungsermachtigun- gen nach Umfang und Zusammensetzung im Haushaltsplan - die Bestimmung gilt nicht nur fur den Bund, sondern nach § 14 auch fur die Lander - so zu

1 Vgl. Stucken: Was stimmt nicht mit unserem Geld?, aaO., S. 108. 2 In ausfuhrhcher Weise hat sich der Veriasser mit dem Instrument der ivredit-

plafondierung auseinandergesetzt in seinem eben genannten Buche, S. 95 ff. 8 Ebd., S. 127 f.

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bemessen sind, wie es zur Erreichung der Ziele des § 1 erforderlich ist. In den beiden folgenden Absatzen wird dies naher ausgeftihrt: Bei einer die volks- wirtschaftliche Leistungsfahigkeit tibersteigenden Nachfrageausweitung sol- len Mittel zur zusatzlichen Tilgung von Schulden bei der Deutschen Bundes- bank oder zur Zufuhrung an eine Konjunkturausgleichsrucklage, die gemafi § 7 bei der Deutschen Bundesbank anzusammeln ist, veranschlagt werden. Angestrebt wird dann also ein positiver Haushaltssaldo und seine Anlage in einer die Liquiditat der Banken mindernden Form. Bei einer Abschwachung der allgemeinen Wirtschaftstatigkeit sollen zusatzlich erf orderliche Deckungs- mittel zunachst der Konjunkturausgleichsrucklage entnommen werden, wo- mit eine Steigerung der Liquiditat der Banken verbunden ist.

§ 6 gestattet einschneidende Abweichungen vom Haushaltsplan bei sei- ner Ausfiihrung. Zur Erreichung der Ziele des § 1 kann die Bundesregierung bei ubermafiiger Nachfrageausweitung den Bundesflnanzminister ermachti- gen, die Verfugung iiber bestimmte Ausgabemittel, den Beginn von Baumafi- nahmen und das Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten kiinftiger Eech- nungsjahre von seiner Einwilligung abhangig zu machen. Die dadurch nach Ablauf des Rechnungsjahres freigewordenen Mittel hat er zur zusatzlichen Tilgung von Schulden bei der Bundesbank zu verwenden oder der Konjunk- turausgleichsrucklage zuzufiihren. Im Falle einer Abschwachung der allge- meinen Wirtschaftslage kann die Bundesregierung bestimmen, dafi zusatz- liche Ausgaben fur Zwecke, die im Finanzplan (siehe unten) vorgesehen sind, geleistet werden. Die notwendigen Mittel sollen zunachst der Konjunktur- ausgleichsrucklage entnommen werden; dariiber hinaus wird der Bundesmi- nister der Finanzen ermachtigt, zu dem genannten Zweck Kredite tiber die im Haushaltsgesetz erteilten Kreditermachtigungen hinaus bis zur Hohe von 5 Milliarden DM, gegebenenfalls mit Hilfe von Geldmarktpapieren, aufzu- nehmen. Es kann kaum bezweifelt werden, dafi es sich hier um eine einschnei- dende Mafinahme, die ohne die jeweilige Mitwirkung des Bundestages er- griffen werden soil, handelt. Der Hinweis ,, gegebenenfalls mit Hilfe von Geld- marktpapieren*

' entspricht konjunkturpolitischen Erkenntnissen ; diese Fi-

nanzierungsform birgt allerdings, sofern die Papiere vor Falligkeit von der Bundesbank aufgenommen werden und bei Falligkeit nicht aus laufenden Haushaltseinnahmen getilgt werden konnen, die Gefahr einer TJberliquiditat der Kreditinstitute und damit die Gefahr, dafi der Bundesbank die Herr- schaft iiber die Kreditgewahrung und Geldschopfung der Kreditinstitute ent- gleitet, in sich.

Mehrjahrige Finanzplanung

Die §§9 und 10 bringen Bestimmungen tiber eine fiinfjahrige Finanz- planung, im Einklang mit den Erfahrungen, die mangels geniigender Be- riicksichtigung der Einwirkungen von Beschliissen bzw. Gesetzen auf weitere Haushaltsjahre gemacht worden sind (siehe oben S. 204). Da dieses Thema in diesem Heffc in zwei besonderen Beitragen behandelt wird, sehen wir von naheren Ausfiihrungen dazu ab. Im Interesse einer Verkiirzung des ,,time

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lag" bei wirtschaftsankurbelnden MaBnahmen ist naeh § 11 die Planung ge- eigneter Investitionsvorhaben so zu beschleunigen, daB mit ihrer Durchfiih- rung kurzfristig begonnen werden kann.

Finanzhilfen und Steuervergiinstigungen

MaBgebend ist hier § 12 des Gesetzes. Auch Finanzhilfen miissen sich an den Zielen des § 1 orientieren. Vor allem wird eine Offenlegung der Finanz- hilfen und Steuervergiinstigungen gefordert, wobei im Falle der Steuerver- giinstigungen auch die geschatzten Mindereinnahmen anzugeben sind. Dafiir wird die Bundesregierung verpflichtet, dem Bundestag und dem Bundesrat zusammen mit dem Entwurf des Bundeshaushaltsplans zahlenmaBige tlber- sichten, die nach Zwecken gegliedert sind, alle zwei Jahre vorzulegen. Zu den tTbersichten gibt die Bundesregierung an, auf welchen Rechtsgriinden oder sonstigen Verpflichtungen die jeweiligen Finanzhilfen und Steuervergiinsti- gungen beruhen und wann nach der gegebenen Rechtslage mit einer Beendi- gung der Finanzhilfen und Steuervergiinstigungen zu rechnen ist. Sie macht zugleich Vorschlage hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen fur eine friihere Beendigung oder einen stufenweisen Abbau der Verpflichtungen.

Die Tendenz zur Minderung der Finanzhilfen und Steuervergiinstigun- gen, die vielfach im Gegensatz zu den Grundprinzipien unserer Wirtschafts- ordnung stehen, wird hier deutlich. Von einem abgekiirzten Verfahren zwecks Einsatz dieser Hilfsmittel zu konjunkturpolitischen Zwecken, sei es auf dem Wege des Abbaues oder der Aufstockung, ist an dieser Stelle nicht die Rede, wohl aber bei gewissen spater zu behandelnden einschlagigen Vorschriften des Einkommensteuerrechts .

Welche Korperschaften und Institutionen sind zu ent- sprechender Haushaltspolitik verpflichtet?

Im Interesse einer geniigenden Breitenwirkung konnte der Gesetzgeber es nicht dabei bewenden lassen, den Bund zu konjunkturgerechter Haushalts- politik zu verpflichten. Im § 1 des Gesetzes ist denn auch sogleich von Bund und Landern die Rede. Aber was sollte mit den Gemeinden und Gemeinde- verbanden geschehen, die doch bei den offentlichen Investitionen eine domi- nierende Rolle spielen? Im § 16 ist die Verpflichtung zu konjunkturgerechtem Verhalten auch fur sie ausgesprochen worden, und es heiBt dann weiter im 2. Absatz: ,,Die Lander haben durch geeignete MaBnahmen darauf hinzu- wirken, daB die Haushaltswirtschaft der Gemeinden und Gemeindeverbande den konjunkturpolitischen Erfordernissen entspricht." Im § 13 ist die Gel- tung einiger der behandelten Vorschriften auf weitere Institutionen ausge- dehnt. Zunachst einmal gilt der allgemeine Grundsatz und gelten die Bestim- mungen iiber den Haushaltsplan - mit Ausnahme der Ermachtigung, Kredite aufzunehmen (§ 6, Abs. 3) - auch fiir das ERP-Sondervermogen. Nach § 13, Abs. 2, erlaBt der Bundesminister fiir Verkehr fiir die Deutsche Bundesbahn,

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der Bundesminister fur das Post- und Fernmeldewesen fur die Bundespost, jeweils im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen, die nach § 1 erforderlichen Anordnungen. Und dann heiBt es weiter in schwacherer Form im Absatz 3: Die bundesunmittelbaren Korperschaften, Anstalten und Stiftungen des offentlichen Kechts sollen im Rahmen der ihnen obliegenden Aufgaben die Ziele des § 1 beriicksichtigen.

§ 14 regelt im einzelnen, welche Vorschriften fiir die Lander zutreffen, wobei davon auszugehen ist, daB dies ftir den § 1 schon ausgesprochen ist. Fiir die Haushaltswirtschaft der Lander gelten, ebenso wie fiir das ERP-Sonder- vermogen, die Vorschriften der §§ 5 und 6, Abs. 1 und 2, nicht jedoch Absatz 3 (Ermachtigung zur Kreditaufnahme), dariiber hinaus aber auch die §§ 7, 9 bis 11 so wie § 12, Absatz 1, also die Vorschriften liber Anlage der Konjunktur- ausgleichsrlicklage bei der Deutschen Bundesbank und liber ihreVerwendung, die Vorschriften liber die Finanzplanung sowie die Vorschrift, daB Finanzhil- fen so gewahrt werden sollen, daB es den Zielen des § 1 nicht widerspricht. Die Regelung der Zustandigkeiten bleibt den Landern Iiberlassen.

Die obligatorische Konjunkturausgleichsriicklage und ihre zahlenmafiige Fixierung

Eine solche Vorschrift war in dem Entwurf eines Gesetzes zur Forderung der wirtschaftlichen Stabilitat noch nicht enthalten. Sie geht zurlick auf einen Gegenvorschlag der Bayerischen Staatsregierung. Diese Konj unkturausgleichs- rlicklage war zunachst konzipiert worden als eine ,,Mindestreserve", die von den offentlichen Korperschaften bei der Bundesbank unterhalten werden soll- te, ahnlich den Mindestreserven, die die Kreditinstitute bei der Bundesbank zu unterhalten haben. Entsprechend hatte der genannte Gegenvorschlag vor- gesehen, daB die Bundesbank das Recht zur Einforderung solcher Mindest- reserven der offentlichen Hand erhalten sollte. Zwar hatten bisher schon Bund und Lander Guthaben bei der Deutschen Bundesbank unterhalten, aber die Ansammlung solcher Guthaben und ihre Verminderung war doch der Entscheidung von Bund und Landern Iiberlassen, so daB es keineswegs ge- sichert war, daB die Veranderung auf diesen Konten mit den konjunkturpo- litischen Erfordernissen liber einstimmte. Die Bundesbank sollte nun also ein bedeutendes zusatzliches Instrument erhalten. Der Bundesbankprasident hat jedoch von Anfang an widersprochen. Die Einforderung von Mindestreserven der offentlichen Hand ware eine politische Entscheidung gewesen. Denn die Entscheidung, ob die fiir die Kreditinstitute maBgebenden Mindestreserve- satze erhoht oder Mindestreserven von der offentlichen Hand eingefordert werden sollten, kann von der Bundesbank nicht einfach auf Grund der be- stehenden geldwirtschaftlichen Situation getroffen werden, sondern ist politi- scher Natur, und deshalb ist die Zustandigkeit der Bundesbank fragwlirdig. Dazu kommt, daB eine entsprechende Entscheidung die Haushaltswirtschaft der offentlichen Hand unmittelbar berlihrt, insbesondere zu Haushaltsiiber- schlissen zwingen kann, und damit ware die Bundesbank in den politischen Kampf um diese Haushaltswirtschaft hineingezogen worden. Aber es ist zu

14 Finanzarchiv N. F. 27 Heft 1-2

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beachten, daB diese Kritik sich nicht gegen eine obligatorische Konjunktur- ausgleichsrucklage schlechthin richtet, sondern nur gegen die Wahl des Ent- scheidungstragers. Und tatsachlich ist sie dann in das Gesetzgebungswerk eingegangen, aber die Entscheidung ist auf politische Instanzen verlagert worden.

Die Vorschriften im einzelnen enthalt der § 15 des Gesetzes. Beschrankt auf den Fall,,zur Abwehr einer Storung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge- wichts" ist ein abgekiirztes Verfahren, namlich die Eegelung durch Rechts- verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates, vorge- sehen. Die Regelung ist beschrankt auf Bund und Lander ; die Gemeinden und Gemeindeverbande sind also nicht einbezogen worden. In der Rechtsverord- nung ist der Gesamtbetrag zu bestimmen, der von Bund und Landern aufzu- bringen ist. Er ist nach oben begrenzt, er soil 3 v. H. der von Bund und Lan- dern im vorangegangenen Haushaltsjahr erzielten Steuereinnahmen nicht iiberschreiten ; dabei bleiben solche Konjunkturausgleichsriicklagen unberiick- sichtigt, die im Falle einer spater zu behandelnden Erhohung der Einkom- men- und Korperschaftsteuer anzusammeln sind. Fur die Verteilung des Ge- samtbetrages auf Bund und Lander heiBt es im Absatz 3: Soweit Bund und Lander keine andere Aufbringung vereinbaren, haben sie den Gesamtbe- trag im Verhaltnis der von ihnen im vorangegangenen Haushaltsjahr erzielten Steuereinnahmen unter Beriicksichtigung der Ausgleichszuweisungen und Ausgleichsbeitrage nach dem Landerfinanzausgleich aufzubringen. Wie man sieht, hat man sich nicht damit aufgehalten, einen der Finanzlage der einzel- nen Auf bringungsverpflichteten besser angepaBten Verteilungsschliissel her- auszuarbeiten, sondern hat sich an das nur durch den Landerfinanzausgleich modifizierte Steuerauf kommen gehalten.

Der Absatz 4 des § 15 regelt sodann die zusatzlich zu haltende Konjunk- turausgleichsriicklage, die im Falle der Erhohung der Einkommen- und Kor- perschaftsteuer zu halten ist. Das so erzielte zusatzliche Steuerauf kommen soil also in einer Konjunkturausgleichsriicklage zunachst sterilisiert werden. Der Absatz 5 regelt die Freigabe dieser Riicklagen, zu der es einer Rechts- verordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bedarf .

Begrenzung der Kreditnahme der offentlichen Hand

Die §§19 bis 25 des Gesetzes enthalten die Vorschriften, durch die die Kreditnahme der offentlichen Hand, die gerade in den Monaten, seit iiber das Gesetz verhandelt wurde, ausgeufert war, begrenzt wird. Es handelt sich hier um einen tief fassenden Eingriff in die Haushaltsgebarung, zumal der Kredit, zumindest bei den Gemeinden, in den letzten Jahren einen erheblichen Teil der Finanzierungsmittel lieferte. Vielleicht ware es nicht so leicht zu solchen Eingriffen gekommen, wenn nicht das Geraufe um die langerfristigen Kredite den Kapitalmarkt schlechterdings deroutiert und dazu gefiihrt hatte, daB Wertpapiersparer, die den Anpreisungen gefolgt waren, wonach die langfristi- gen Wertpapiere die sicherste Anlage seien, erhebliche Kursverluste erlitten. Bei dieser Deroute handelte es sich nicht nur um Kursstiirze und Zinserho-

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hungen am Markt der langfristigenWertpapiere, sondern auch urn erhebliche Zinssteigerungen am Markt der Schuldscheindarlehen. Und man kann nur sagen: die Deroute hatte uns gerade noch gefehlt in einer Zeit, in der wir aus den verschiedensten Griinden Interesse an niedrigen Zinssatzen hatten. So ist man also dahin gekommen, die Moglichkeit fur hochst dirigistische MaB- nahmen im Bereich des offentlichen Kredits zu schaffen. Wenn man damit die freie Marktwirtschaft in einem solchen Teilbereich zerstort, dann muB man wohl sagen, daB im Bereich des offentlichen Kredits die freie Marktwirtschaft keineswegs so funktionierte, dafi sie erhaltungswiirdig gewesen ware. Bedeu- tete denn die freie Marktwirtschaft mit ihrer Orientierung am Zins, daB die dringendsten Bediirfnisse zuerst befriedigt wurden? Ganz und gar nicht. Un- ter den Gemeinden beispielsweise nahmen und empfingen diejenigen Gemein- den den meisten Kredit, die verglichen mit den anderen Gemeinden ihrer GroBenklasse iiber die hochsten Steuereinnahmen pro Kopf verfiigten, also deshalb schon aus Steuermitteln die offentlichen Bediirfnisse relativ reichlich befriedigen konnten. Oder bedeutete die freie Marktwirtschaft mit ihren sich verandernden Zinssatzen, daB die Kreditnachfrage der offentlichen Hand dem Kreditangebot angepaBt wurde? Bei der Zinsunempfindlichkeit der offentli- chen Hand konnte auch davon keine Rede sein.

Nach der anfanglichen Konzeption war die Kreditbegrenzung fur die offentliche Hand das Pendant zu der Kreditplafondierung fiir die Kreditin- stitute, mit der man einen wesentlichen Teil der Kreditnahme der Privaten, und damit auch die private Investition, in den Griff bekommen wollte. Nun ist ja aber die Kreditplafondierung nicht in das endgiiltige Gesetz aufgenom- men worden - wir sprachen davon bereits bei Behandlung der Vorgeschichte -, wir sehen auch sonst keine Ansatze, die darauf hinzielen, daB die Bundes- bank wieder die Herrschaft iiber die Kreditgewahrung und die Geldschopfung der Kreditinstitute gewinnt, und demgemaB wird auch die private Investi- tion nicht beherrscht. Wie sind unter diesen Umstanden die Vorschriften fiir die Kreditbegrenzung bei der offentlichen Hand zu beurteilen?

Wir miissen davon ausgehen, daB im Zustand der Uberkonjunktur und der Ubernachfrage am Arbeitsmarkt - und das ist ja der Zustand, in dem aus konjunkturellen Griinden die Kreditbegrenzung fiir die offentliche Hand aktu- ell wird - die privaten Investoren alle Moglichkeiten zur Investitionsfinan- zierung und zur Ausnutzung der vorhandenen Kapazitaten und Arbeitskrafte wahrnehmen. Wenn dann durch Kreditbegrenzung die Nachfrage der offent- lichen Hand reduziert wird, dann wird dadurch noch ganz und gar nicht die Gesamtnachfrage reduziert, was aus konjunkturpolitischen Griinden der Sinn der Kreditbegrenzung sein miiBte, sondern es ist damit zu rechnen, daB die Privaten die sich ihnen dadurch bietenden Moglichkeiten nutzen1. Was spe- ziell die Finanzierungsmoglichkeiten fiir private Investitionen angeht, so stei- gen diese dank der Kreditbegrenzung fiir die offentliche Hand ; das ist der ent- scheidende Unterschied gegeniiber der vorher behandelten obligatorischen Konjunkturriicklage, die auf Konten bei der Bundesbank zu bilden ist, bei deren Bildung die Moglichkeiten fiir die Kreditgewahrung und Geldschopfung

1 Stucken: Was stimmt nicht mit unserem Geld?, aaO., S. 37 ff. und 118.

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der Kreditinstitute nicht ausgeweitet, sondern sogar eingeengt werden. Wird unter diesen Umstanden die Kreditbegrenzung fiir die offentliche Hand iiber- haupt je aus konjunkturpolitischen Grunden eingesetzt werden konnen? 1st nicht vielmehr mit dem scharfsten Widerstand bei den zur BeschluBfassung mitberufenen Landervertretern zu rechnen, wenn eine MaBnahme ergriffen werden soil, die die offentlichen Investitionen einschrankt und dafiir die In- vestitionsmoglichkeiten fiir die Privaten erweitert? Nun dtirfen wir diesen Fall aller dings auch nicht iiber dramatisieren, denn noch ist das letzteWort nicht gesprochen. Wir halten zwar die Kreditplafondierung fiir die Kredit- institute fiir das wirkungsvollste Mittel, um die Kreditgewahrung und die Geldschopfung fiir die private Investition zu begrenzen; aber wenn die Er- orterung der Kreditplafondierung mit dem Sieg der widerstrebenden Interes- senten geendet hat, dann ist es Sache der Bundesbank, mit anderen Mitteln, notfalls mit Hilfe des Gesetzgebers, die Herrschaft iiber die Kreditgewahrung und die Geldschopfung wiederzugewinnen, die sie bisher nicht hat. Ob und in- wieweit der Bundesbank dies gelingt, wird in der Zukunft fiir das Urteil iiber die Politik der Deutschen Bundesbank entscheidend sein.

Gehen wir nun zur Behandlung der einzelnen Bestimmungen iiber. Nach § 19 kann die Bundesregierung durch Kechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, daB die Beschaffung von Geldmitteln im Wege des Kredits durch den Bund, die Lander, die Gemeinden und Gemeindeverbande sowie die offentlichen Sondervermogen und Zweckverbande beschrankt wird. Der Kreis der beriicksichtigten Kreditarten und der betroffenen Gebietskor- perschaften und sonstigen Institutionen ist also, verstandlicherweise, sehr weit gewahlt worden. GemaB § 20 kann in Rechtsverordnungen nach § 19 vor- gesehen werden, daB die Kreditaufnahme auf einen Hochstbetrag begrenzt wird und daB die Kredite im Rahmen der Hochstbetrage nur nach MaBgabe eines Zeitplanes und unter Einhaltung von Kreditbedingungen aufgenommen werden diirfen. Es bleibt dann die Frage, wie die Hochstbetrage fiir die ein- zelnen Stellen zu bemessen sind. Aus unseren obigen Ausfiihrungen (S. 211) er- gibt sich, daB die in den vorangegangenen Jahren erfolgte Kreditaufnahme nur ein angreif barer Bemessungstatbestand fiir die Hochstbetrage der ein- zelnen Stellen ist, weil die Hohe dieser Kreditaufnahme kein Ausdruck fiir die Dringlichkeit der Kreditaufnahme ist. Aber man ist trotzdem nicht darum herumgekommen, mit diesem MaBstab zu arbeiten, wobei man, um Zufallig- keiten auszuschalten, auf den Durchschnitt der in den letzten 5 statistisch erfaBten Haushalts jahren aufgenommenen Kredite zuriickgreift. Der Hochst- betrag fiir die einzelne Stelle muB mindestens 80 v. H. dieses Durchschnitts- betrages ausmachen; fiir Gemeinden, Gemeindeverbande und Zweckver- bande kann dieser Hochstbetrag auf 70 v. H. gekiirzt werden ; die hierdurch freiwerdenden Betrage sind von den Landern solchen Gemeinden, Gemeinde- verbanden und Zweckverbanden zuzuweisen, die besonders dringende In- vestitionsaufgaben zu erfiillen haben. Hier wird also davon ausgegangen, daB die Landerregierungen und vor allem die Kommunalaufsichtsbehorden iiber eine Einsicht in die Dringlichkeit der Investitionsaufgaben verfiigen. Die Rechtsverordnungen sind auf langstens ein Jahr zu befristen ; sie sind unver- ziiglich nach ihrer Verkiindung dem Bundestag mitzuteilen und sind unver-

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ziiglich aufzuheben, wenn es der Bundestag binnen sechs Wochen nach ihrer Verkundung verlangt.

§ 22 bringt Naheres iiber den Zeitplan und tiber die Festlegung der Kre- ditbedingungen. Hierbei ist der Konjunkturrat - siehe oben Seite 205 - einge- schaltet. § 23 verpflichtet die Lander sicherzustellen, daB die Beschaffung der Geldmittel durch sie selbst und die nachgeordneten Korperschaften sich im Rahmen der angeordneten Beschrankungen halt. § 24 enthalt den Grundsatz der Gleichrangigkeit der Aufgaben von Bund, Landern und Gemeinden. Im § 25 ist die Auskunftspflicht geregelt.

Einkommen- und Korperschaftsteuer In anderen Landern, besonders in USA1, haben sich Einkommen- und

Korperschaftsteuer, vor allem die Variation der Steuersatze und der Abschrei- bungsvorschriften, als ein fur die Konjunkturbeeinflussung in Betracht kom- mendes Instrument erwiesen. Es lag nahe, sich dieses Instruments auch in der Bundesrepublik zu bedienen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Forderung der wirtschaftlichen Stabilitat enthielt allerdings noch keine Vorschriften zur Variation der Steuersatze im abgekiirzten Verfahren; die damalige Bundes- regierung war vor einer Variation der Steuersatze auf einem anderen als dem iiblichen Weg der Gesetzgebung zuruckgeschreckt. In das Gesetz zur Forderung der Stabilitat und des Wachstums der Wirtschaft ist aber die Variation der Steuersatze aufgenommen worden. Damit ist das Instrumentarium der Fi- nanzpolitik verbreitert worden, was zu begriiBen ist. Denn es sind sehr wohl Falle denkbar, in denen gerade das Konsumenteneinkommen vermindert oder erhoht werden sollte, und das ist auf dem Wege einer Einkommensteuerer- hohung oder Einkommensteuersenkung relativ wirksam moglich. DaB es sich bei der Variation der Vorschriften, die die Abschreibung betreffen, um ein wirkungsvolles Mittel handelt, ist wohl nie bestritten worden, und man hat ja in der Bundesrepublik von Anfang an mit derWahl der Abschreibungs- satze wirtschaftspolitische Ziele, namlich die Beschleunigung des Wiederauf- baues nach dem verlorenen Kriege, angesteuert. Im Einkommensteuergesetz war auch schon im § 51, Absatz 1, Buchstabe s eine Vorschrift enthalten, die auch fur die Korperschaftsteuer gait, wonach die Bundesregierung ermachtigt wurde, mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften durch Rechtverord- nung zu erlassen, nach denen bei einer sich abzeichnenden gesamtwirtschaft- lichen Konjunkturabschwachung zur Forderung der Investitionstatigkeit neben den gewohnlichen Abschreibungen Sonderabschreibungen vorgenom- men werden konnten. Aber man war da vor zuruckgeschreckt, auch mit der Veranderung der Abschreibungsmoglichkeiten nach unten zu arbeiten, wie es im Falle der TJberkonjunktur angebracht sein kann; denn die Unternehmer pflegen eine Regierung, die ihnen zusatzliche Abschreibungsmoglichkeiten beschert, zu loben, hingegen erklaren sie die Einschrankung der Abschrei- bungsmoglichkeiten fur wirtschaftsfeindlich. Aber im Gesetz zur Forderung

1 Council of Economic Advisers, Jahresbericht 1967, S. 68. (Vgl. Fritz Neumark: Steuer- und Ausgabevariationen im Dienste der Stabilitatspolitik, in: ,,Volkswirt- schafbliche Korrespondenz der Adolf- Weber-Stiftung", Nr. 5/1967.)

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der wirtschaftlichen Stabilitat und desWachstums ist nun auch die Moglich- keit der Einschrankung der Abschreibungen in einem abgekiirzten Verfahren vorgesehen.

Die Vorschriften uber die Variation der Steuersatze bei der Einkommen- und Korperschaftsteuer und uber die Variation der Abschreibungen sind nun aber doch als so gravierend angesehen worden, daB nicht nur die Zustimmung des Bundesrates, sondern auch die des Bundestages verlangt wird. Dabei ist fur Rechtsverordnungen zur Variation der Abschreibungen insofern eine Er- leichterung geschaffen worden, als die Zustimmung als erteilt gilt, wenn der Bundesrat nicht binnen dreiWochen, der Bundestag nicht binnen vier Wochen nach Eingang der Vorlage der Bundesregierung die Zustimmung verweigert hat. Aber diese Erleichterung gilt nicht im Falle der Variation der Steuersatze.

Nun zu den Vorschriften im einzelnen. Sie sind enthalten in den §§ 26 und 27 des Gesetzes. Zunachst wird durch eine Veranderung der §§35 und 47 des Einkommensteuergesetzes dafiir gesorgt, daB die Steuerzahlungen sich mog- lichst schnell den sich andernden Einkommensverhaltnissen des Steuerpflich- tigen anpassen. Nach § 35 EStG kann das Finanzamt die Vorauszahlungen - abweichend von der iiblichen Berechnungsmethode - der Steuer anpassen, die sich fur den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich ergeben wird. Neu eingeftigt wird nun die Bestimmung, daB eine Anpassung auch noch in dem auf diesen Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr vorgenommen werden kann und daB dann im Falle der Erhohung der Vorauszahlungen der nachgeforderte Betrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Voraus- zahlungsbescheids zu entrichten ist. Die Anderung im § 47 EStG tragt dieser Veranderung des § 35 bei der Berechnung der AbschluBzahlung Rechnung.

Des weiteren werden im § 26 des Gesetzes die Abschreibungen behandelt. Der oben schon genannte § 51 EStG, Absatz 1, Buchstabe s, der die Ermachti- gung zu Rechtsverordnungen enthielt, durch die zusatzliche Abschreibungen zugelassen werden, wurde geandert; damit ist vor allem die Moglichkeit ge- schaffen worden, die zulassigen Abschreibungen auch zu vermindern. Bei der Anderung des genannten Paragraphen ist an die Stelle einer Erhohung der Abschreibungssatze eine ̂Investitionspramie" getreten; wahrend durch Ab- schreibungen die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer gemindert wird, wird durch die Investitionspramie die Einkommensteuerschuld un- mittelbar gemindert, und zwar um 7,5 v. H. der Anschaffungs- oder Herstel- lungskosten derjenigen Wirtschaftsguter, die in diesem Paragraphen naher umschrieben sind. Dadurch ist Folgendes erreicht worden: Wahrend im Falle zusatzlicherAbschreibungenderVorteildesSteuerpflichtigeninfolge dieser kon- junkturpolitischen MaBnahme um so groBer ist, je hoher sein Spitzensteuer- satz ist, erhalten dank der Investitionspramie die Steuerpflichtigen bei glei- cher Investition einen gleichen Vorteil. Dadurch ist in diesem Bereich einer Forderung Rechnung getragen worden, die von wissenschaftlicher Seite fur Sondervergiinstigungen schon seit Jahren erhoben worden ist. Dabei ist je- weils ein Zeitraum (Begiinstigungszeitraum) festzusetzen, der ein Jahr nicht ubersteigen darf.

Durch einen Absatz 2 wird sodann die Bundesregierung ermachtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen, nach denen die Inanspruch-

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nahme von Sonderabschreibungen und erhohten Absetzungen sowie die Be- messung der Absetzung fur Abnutzung in fallenden Jahresbetragen ganz oder teilweise ausgeschlossen werden konnen fur Investititionsgiiter, die innerhalb eines jeweils festzusetzenden Zeitraumes, der ein Jahr nicht tibersteigen darf, angeschafft oder hergestellt werden. Umstritten war hierbei insbesondere die zeitweilige Ausschaltung der ,,degressiven Abschreibung"; ihre zeitweilige Ausschaltung ist dann aber doch im Gesetz verankert worden. Bekanntlich sind sich die betriebswirtschaftlich orientierten Gelehrten nicht dariiber einig, ob die degressive Abschreibung die betriebswirtschaftlich gebotene Form der Abschreibung ist oder nicht. Die degressive Abschreibung bringt den Unter- nehmungen einen Liquiditatsvorteil gegeniiber der linearen Abschreibung, und ihre Ausschaltung kann die Investitionsentschliisse dahingehend be- einflussen, daB Investitionen hinausgeschoben werden, was ja der Sinn dieser Gesetzesvorschrift ist.

In einem weiteren Absatz wird die Veranderung der Steuersatze bei der Einkommensteuer behandelt. Infolge der Wichtigkeit und Neuartigkeit einer solchen MaBnahme sei der Gesetzestext im vollenWortlaut gebracht:

,,Die Bundesregierung wird ermachtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustim- mung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen, nach denen die Einkommensteuer einschlieBlich des Steuerabzugs vom Arbeitslohn, des Steuerabzugs vom Kapital- ertrag und des Steuerabzugs bei beschrankt Steuerpflichtigen

1. um hochstens 10 vom Hundert herabgesetzt werden kann. Der Zeitraum, fur den die Herabsetzung gilt, darf ein Jahr nicht iibersteigen; er soil sich mit dem Ka- lenderjahr decken. Voraussetzung ist, daB eine Storung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eingetreten ist oder sich abzeichnet, die eine nachhaltige Verringe- rung der Umsatze oder der Beschaftigung zur Folge hatte oder erwarten laBt, ins- besondere bei einem erheblichen Riickgang der Nachfrage nach Investitionsgiitern und Bauleistungen oderVerbrauchsgiitern;

2. um hochstens 10 vom Hundert erhoht werden kann. Der Zeitraum, fur den die Erhohung gilt, darf ein Jahr nicht iibersteigen; er soil sich mit dem Kalender- jahr decken. Voraussetzung ist, daB eine Storung des gesamtwirtschaftlichen Gleich- gewichts eingetreten ist oder sich abzeichnet, die erhebliche Preissteigerungen mit sich gebracht hat oder erwarten laBt, insbesondere, wenn die Nachfrage nach In- vestitionsgiitern und Bauleistungen oder Verbrauchsgutern das Angebot wesentlich iibersteigt.

Rechtsverordnungen auf Grund dieser Ermachtigung bedurfen der Zustim- mung des Bundestages".

Wir haben oben die Veranderung der Einkommensteuer vornehmlich damit begriindet, daB auf dieseWeise eine Veranderung des verfugbaren Kon- sumenteneinkommens herbeigefiihrt werden soil. Wir sind dabei von der Er- wagung ausgegangen, daB fur die Veranderung der Nachfrage nach Investi- tionsgiitern oder Bauleistungen die Veranderung der Abschreibungen oder die Gewahrung einer Investitionspramie das wirkungsvollere Mittel ist. Eine Er- hohung der Einkommensteuer, die ja weiteste Kreise der Bevolkerung trifft, ist sicherlich bei den Steuerpflichtigen wenig beliebt, und zwar um so weni- ger, als die erhohten Ertrage der Einkommensteuer gemaB § 15, Absatz 4, kei- neswegs fur eine Erhohung der offentlichen Leistungen verwendet werden sollen, sondern den Konjunkturausgleichsrucklagen zuzufiihren sind. Bundes- regierung, Bundesrat und Bundestag werden deshalb bestrebt sein, eine solche

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Steuererhohung zu vermeiden- vielleicht kann das als Ansporn dienen, recht- zeitig und wirkungsvoll von den anderen gebotenen Moglichkeiten zur Kon- junkturbeeinfLussung Gebrauch zu machen.

Die fur die Einkommensteuer getroffenen Kegelungen gelten auch fur die Korperschaftsteuer. Bei den Abschreibungen ist das ohne weiteres der Fall auf Grund des § 6 des Korperschaftsteuergesetzes, in dem es heiBt, daB das Ein- kommen der Korperschaft nach den Vorschriften des Einkommensteuerge- setzes zu ermitteln ist. Auf Grund eines in das Korperschaftsteuergesetz ein- zufiigenden § 19 c ermaBigt oder erhoht sich die Korperschaftsteuer ent- sprechend, wenn die Einkommensteuer auf Grund der Ermachtigung des § 51 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes herabgesetzt oder erhoht wird. Ferner wird die Investitionspramie, in gleicher Hohe wie bei den Einkom- mensteuerpflichtigen, durch Anfiigung eines Buchstaben k an den § 23 a, Ab- satz 1, Ziffer 2 des Korperschaftsteuergesetzes eingefuhrt.

Gewerbesteuer

Fiir die Gewerbesteuer wird eine Anpassung der Vorauszahlungen vor- gesehen, die der Anpassung der Vorauszahlungen bei der Einkommensteuer entspricht. Dariiber hinaus wirken sich auf die Gewerbesteuer nach dem Ge- werbeertrag die einkommensteuerlichen Vorschriften iiber die Abschreibungen aus, da nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes der nach den Vorschriften des Einkommen- und Korperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn - mit einigen Hinzurechnungen und Kiirzungen - den Gewerbeertrag bildet. - An- derungen der Hebesatze - vergleichbar mit der oben behandelten Herab- setzung oder Erhohung der Einkommensteuer - sind fur die Gewerbesteuer nicht vorgesehen.

SchluBbetrachtng

Fur dasGesetz zur Forderung der Stabilitat und desWachstums der Wirt- schaft ist von ihren Schopfern viel Lob in Anspruch genommen worden, und es ist ihm auch tatsachlich viel Lob gespendet worden. Wir wollen nun die Frage aufwerfen, ob und inwieweit dies Gesetz eine geeignete Grundlage da- fur bildet, die groBen Ziele, die man damit ansteuert, zu erreichen.

Zunachst ein Einzelpunkt. Er betrifft die mittelfristige Finanzplanung. Wenn wir uns auch einer eingehenden Behandlung dieses Punktes enthalten haben, weil er Gegenstand anderer Beitrage in diesem Heft - siehe Seite 220 ff. und 235 ff . - ist, glauben wir doch sagen zu konnen, daB mitdem Zwang, die Fol- gen von finanzpolitischen MaBnahmen fiir weitere Haushaltsjahre ins Auge zu fassen, die Ursache fiir grobe Fehler der Finanzpolitik, wie sie in den vergan- genen Jahren begangen wurden, ausgeraumt wird, soweit das nach menschli- chem Ermessen moglich ist. Die Einschrankung, ,, soweit das nach menschli- chem Ermessen moglich ist", liegt in den sachlich gegebenen groBen Schwie- rigkeiten einer Vorausschau begriindet. Diese Schwierigkeiten wachsen mit

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der Lange des Zeitraumes, fur den eine Vorausschau gegeben werden soil; schon bei der Vorausschau fiir ein einzelnes Haushaltsjahr konnten sie nie in ganz befriedigenderWeise ausgeraumt werden. Es ist nur zu hoffen, daB in der Praxis der Finanzplanung diese Schwierigkeiten mehr und mehr iiberwunden werden.

Der ehemalige bayerische Finanzminister und jetzige President der Bayerischen Staatsbank, Rudolf Eberhard, dessen Wort zweifellos Gewicht hat, hat von dem Gesetz als einer Magna Chartafur eine Jconjunkturgerechte Finanzpolitik gesprochen1. Man konnte zunachst einmal in seinem Sinne sa- gen, daB das Gesetz einen groBartigen kurzgefaBten Leitfaden konjunktur- gerechter Finanzpolitik darstellt. Aber da es zugleich die Kechtsgrundlagen fiir die Durchfiihrung einer solchen Politik liefert, ist es natiirlich weit mehr als ein Leitfaden. Unbefriedigend ist dabei, daB viele Begriffe, mit denen im Gesetz gearbeitet wird, sick einer exahten Definition entziehen; man denke nur an den § 1, wo von gesamtwirtschaftlichem Gleichgewicht, Stabilitat des Preisniveaus, hohem Beschaftigungsstand und stetigem und angemessenem Wachstum die Eede ist. Widerspricht eine 1 bis 2prozentige Preissteigerung je Jahr schon der Stabilitat des Preisniveaus? Ist hoher Beschaftigungsstand schon bei 2 bis 3prozentiger Arbeitslosigkeit im Durchschnitt eines Jahres ge- geben? Wann ist Wirtschafts wachstum ,,angemessen?" Unter welchen Um- standen liegt eine Storung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes vor, was mehrfach als Vorbedingung fiir einschlagige MaBnahmen im Gesetz ge- nannt wird? Auf Grund dieser Unbestimmtheit bleibt ein grower Ermessens- spielraum fiir die Anwendung des Gesetzes, was auch seine Vorteile hat. Aber die Anwendung des Gesetzes bleibt damit eine Kunst, die Intuition verlangt. Werden wir an den Stellen, an denen die Hebel gestellt werden, immer die Personlichkeiten haben, die diese Kunst mit Intuition meistern? Konjunk- turpolitische MaBnahmen, wie sie im Gesetz vorgesehen sind, sind teils ange- nehmer, teils unangenehmer Natur; die meisten MaBnahmen zur Forderung des Wachstums und zur Konjunkturankurbelung werden von den Interessen- ten wohl mit Freude begriiBt, die meisten MaBnahmen zur Forderung der Preisstabilitat und zur Bremsung einer TTberkonjunktur werden aber, wie wir das ja kennen, von den Interessenten heftig bekampft. Ist bei der Unbe- stimmtheit der Begriffe damit zu rechnen, daB auch die unangenehmen MaB- nahmen zur rechten Zeit ergriffen werden? DemgemaB ist die Frage der sinn- vollen Anwendung des Gesetzes nicht nur eine Frage der Intuition, sondern auch eine Frage des CharaJcters, insbesondere auch der souveranen Haltung gegeniiber den Wahlerwiinschen, an der es in den letzten Jahren gefehlt hat.

Aber jedenfalls beschert uns das Gesetz doch ein breites Instrumenta- rium fiir eine konjunkturgerechte Finanzpolitik. Wenn wir den Bereich der Finanzpolitik isoliert betrachten, dannkonnen wir wohl in das Lob, das Finanz- minister a. D. Eberhard ausgesprochen hat, einstimmen. Aber wir diirfen nicht unberiicksichtigt lassen, daB, wie oben (S.211f.) schon ausgefiihrt, das bedeutende Instrument der Kreditbegrenzung fiir die offentliche Hand einen Haken hat, namlich daB es moglicherweise gar nicht im Sinne einer Einschran-

1 Bayerische Verwaltungsblatter, Zeitschrifb fiir offentliches Recht und offent- liche Verwaltung, Heft 7, 1967 (neue Folge), S.217ff.

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kung der Gesamtnachfrage wirkt, sondern nur im Sinne einer Einschrankung der Betatigung der offentlichen Hand zugunsten einer Ausweitung der In- vestitionstatigkeit der Privaten. Und das deshalb, weil immer dann, wenn die Kreditinstitute iiberliquide sind, die Notenbank die Kreditgewahrung und die Geldschopfung der Kreditinstitute nicht beherrseht, so daB diese die No- tenbankpolitik zu durchkreuzen vermogen. Das aber bedeutet, daB die Noten- bank auch die Investitionstatigkeit der Privaten nicht beherrscht. Und die Erfahrung der Jahre 1959/60 und 1964/65 hat uns gelehrt, daB gerade in Zei- ten der Uberkonjunktur und der tTbernachfrage am Arbeitsmarkt die In- vestitionstatigkeit und die Kreditnachfrage dahin tendieren, iibermaBig groB zu werden, so daB von gesamtwirtschaftlichem Gleichgewicht nicht mehr die Kede sein kann. Diejenigen, die vornehmlich auf Wachstum der Wirtschaft eingestellt sind, konnen allerdings sagen, daB in solcher Situation dieWachs- tumsraten in der Regel zumindest befriedigend sind. Diejenigen, die Preissta- bilitat wollen, werden enttauscht ; die Preissteigerungen sind in solchen Zeiten in der Regel relativ stark. Aber das ist nicht die einzige Folge von Jahren der Uberkonjunktur und der tXbernachfrage am Arbeitsmarkt: Wir mussen da- mit rechnen, daB durch die Uberkonjunktur nicht nur die Preisstabilitat der gleichen Zeit gestort wird, sondern daB auch die Vollbeschaftigung und das Wirtschaftswachstum der folgenden Jahre in Frage gestellt werden, weil einer nicht sofort abgefangenen Uberkonjunktur voraussichtlich eine ,, recession" folgt. In Zeiten der Uberkonjunktur, die mit Preissteigerungen verbunden sind, werden im UbermaB Anlageinvestitionen vorgenommen, werden iiber- hohte Lagervorrate gehalten und werden Konsumausgaben baldmoglichst getatigt, da weitere Preissteigerungen erwartet werden, und nach neueren Erfahrungen werden auch offentliche Ausgaben im tXbermaB beschlossen, da man mit Fortdauer der durch die Preissteigerungen uberhohtenWachstums- raten der Steuereinnahmen rechnet. Werden dann die Uberkonjunktur und Preissteigerung schlieBlich doch abgefangen, sei es durch bewuBte auf Stabi- litat ausgerichtete Geldpolitik, sei es wegen verschlechterter AuBenwirt- schaftslage oder aus sonstigen Grtinden, dann ist es kaum moglich, das Wirt- schaftsleben aus der Uberkonjunktur in eine als gut zu bezeichnende Kon- junktur zu uberfuhren, sondern es ist wahrscheinlich, daB der Riickschlag starker als gewollt wird, weil bei den Anlageinvestitionen zunachst einmal Zuriickhaltung geiibt wird, weil die Vorrate auf das betriebsnotwendige MaB zuruckgefiihrt werden, weil die Konsumenten mit ihren Kaufen von Gebrauchs- giitern erst einmal zuwarten usw. Demjenigen, der die konjunkturellen Vor- gange der zwanziger Jahre sehenden Auges miterlebt hat, ist die Wahrschein- lichkeit der Aufeinanderfolge von Uberkonjunktur und Rezession gelaufig. Der Tatbestand spielte auch in der deutschenkonjunkturtheoretischen Litera- tur der zwanziger Jahre eine Rolle1. Aber man muB wohl damit rechnen, daB die zwanziger Jahre zeitlich nicht im Rahmen des Horizonts der fur das jetzige Gesetz verantwortlichen Personlichkeiten liegen, wie auch die konjunktur- theoretische Literatur der zwanziger Jahre der jiingeren Generation der Volks- wirte meist unbekannt ist. Nun konnte man allerdings dagegen einwenden,

1 Siehe Rudolf Stucken : Theorie der Konjunkturschwankungen. Jena 1926, 3. Kapitel.

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daft wir heute mehr iiber die Konjunkturen wissen und deshalb mit mehr Ein- sicht zu handeln und Gefahren abzuwehren vermogen. Aber gerade das stimmt in dem hier in Frage stehenden Punkte nicht: Die US-Amerikaner haben es in den zwanziger Jahren, nach den Erfahrungen von 1920/21, ver- standen, Oberkonjunkturen abzufangen, ehe eine nachfolgende Rezession zur Notwendigkeit wurde ; wir aber meistern das heute nicht. Zwar war die Notenbankpolitik auf ein solches rechtzeitiges Abfangen eingestellt, aber sie schaffte es ja nicht, die Kreditinstitute durchkreuzten die Notenbankpolitik auf Grund der TJberliquiditat, mit der sie in die Restriktionsperiode hinein- gingen. Und wir sind ja auch heute, nach dem Sieg der Interessenten in Fra- gen der Kreditplafondierung fur die Kreditinstitute, nicht weiter. Gerade die vorgesehene Politik zur Uberwindung der Rezession und zur Wiederherstel- lung desWachstums der Wirtschaft sichert den Kreditinstituten Uberliquidi- tat in einem AusmaB, daB sie auch durch das Zusammenwirken geldpoliti- scher und finanzpolitischer MaBnahmen wie die Bildung obligatorischer Kon- junkturausgleichsriicklagen nicht iiberspielt werden kann. Man denke nur daran, wie groB die Uberliquiditat der Kreditinstitute schon heute (Sommer 1967) ist! Wir sagten oben, daB wir diese Tatbestande nicht uberdramatisie- ren wollen. Aber das Gesetz zur Forderung der Stabilitat und desWachstums der Wirtschaft ist kein ausreichendes Instrument zur Erreichung der Ziele seines § 1, solange die Kreditausweitung und Geldschopfung der Kreditinsti- tute nicht sinnvoll der ,,konzertierten Aktion" angepaBt werden. Geniigen nicht die jetzige Rezession und die Schwierigkeiten, sie zu iiberwinden, damit die Verantwortlichen horen?

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