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I I Die Jungen

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ERFINDER UND UNTERNEHMER

Ihre Uhren drehen nach wie vor im Uhrzeigersinn und haben Werke,die auf der Mechanik der grossen Vorgänger aufbauen. Verpflichtetder Tradition und von der Neuzeit herausgefordert, bringen junqeUhrmacher Bewegung in die Welt der extremen Komplikationen.DELUXE besuchte mit Andreas Strehler, Beat Haldimann und denBrüdern Felix und Thomas Baumgartner Uhrmachermeister einer:neuen Generation, deren gemeinsames Credo ist «Mehr Sein alsScheinen». Das ist nicht weniger kompliziert und vor allem nicht ein-fach zu positionieren in einer Zeit der schicken Äusserlichkeiten.

Auf den ersten Blick sieht es aus, als wolle AndreasStrehler das Rad der Zeit zurückdrehen. Da galtfür Generationen die Maxime: «Jemehr Komplika-tionen ein Zifferblatt zeigt, desto aufregender istdie Uhr» Und nun kommt der Strehler und postu-liert die neue Einfachheit. «Eine Uhr, der man ihrInnenleben nicht ansieht», kommentiert er seineTaschenuhr «Zwei». Der Name ist Programm: zweiZeiger, zwei Anzeigen, aber nur ein Zifferblatt.

Übersichtlichkeit und Handlichkeit sind dem erst31·jährigen Winterthurer Konstrukteur wichtig. Inder Normalfunktion stehen die Zeiger auf Stundeund Minute. Wird der Drücker bei 10 Uhr betätigt,zeigen sie das Datum auf dem äusseren Zahlenkreisund den Monat auf der Zwölfer-Stundenanzeige.«Diese Angabe braucht ja nicht, wer rasch die Zeitablesen will», meint Strehler lakonisch. Er fand soeine Lösung, um eine Zusatzinformation nur aufAbruf zur Verfügung zu stellen. «Intuitiv zu nutzen»ist eine Lieblingsformulierung des jungen Meisters.

Die Faszination der «Zwei»: Ihre äussereSchlichtheit - der Prototyp hat ein Gehäuse aus Sil-ber - lässt weder ihre vielseitige Anwendung nochihre komplizierte Konstruktion erahnen. «Weshalbkompliziert, wenn es auch einfach geht», kokettiertAndreas Strehler mit pfiffigem Understatement.Sicher: Was seine Taschenuhr kann, könnenelektronische Digitaluhren schon lange. Für me-chanische Werke ist diese scheinbare Einfachheitjedoch eine kleine Sensation. Auf ihrer Rückseitehat die «Zwei» eine Tag-Nacht-Anzeige. In seiner«Armbanduhr 2000» brachte Strehler fast dieselbeFunktion unter. An einer Version, die auf Knopf-druck auf den Monat springt, Tag und Nacht anzeigtund vielleicht sogar einen Jahreskalender hat, arbei-tet er. «Esbraucht noch einige Monate», sinniert er:

Für seine Konstruktionen muss er ein Werk vonGrund auf neu bauen. Ein bestehendes Modul ein-fach mit ein paar Rädchen aufzurüsten, ist nichtsein Stil. Ebenso wenig, wie in Werke alter Meister

Finanz und Wirtschaft

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zusätzliche Komplikationen einzubauen. "Es sindKunstwerke, die verändere ich nicht. Wenn einKunde so etwas möchte, würde ich ihm etwas Neu-es machen. Dann hat er eine komplette Strehler!»

Kritisch spricht er von der Mentalität im indu-striellen Markt, wo Sonderfunktionen einfach alsModul auf ein Grundwerk gepackt werden. ZumBeispiel, wenn Zeigerachsen gekappt werden, umeinen Chronographenblock daraufzusetzen. Oderwenn die Zeiger mit einigen zusätzlichen Rädernvon der angestammten auf eine neue Position ver-setzt werden. Das hält er "für einen Missbrauch desUhrwerks für etwas, für das es gar nicht gebaut wur-de». Das mag zwar billiger sein, aber der bessereWeg ist es seiner Auffassung nach nicht. Darum hatAndreas Strehler ein vorhandenes Kaliber lieberweiterentwickelt, um für Chronoswiss ihre jüngsteUhr, den Ein-Drücker-Chronographen Chrono-scope, zu konstruieren. Solche Entwicklungsaufträ-ge für namhafte Marken sind das zweite Standbein

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Andreas Strehler

«Meine Motivationist: Was brauchtes, damit es dasgibt, was es noch

____ nie gab?»

seiner Arbeit. Etwas für eine industrielle Fertigungzu entwerfen, ist für ihn "die nicht weniger interes-sante Herausforderung, als ein Unikat zu bauen».

Seine Piece de resistance jedoch packt AndreasStrehler in seinem kleinen Atelier im elterlichenHaus in Winterthur aus einer Edelholzschatulle:den "ewigen Kalender». Es ist zugleich sein Erst-lingswerk, der staunenden Fachwelt erstmals vor-gestellt an der Messe Basel 1998. Die Philosophieist Strehler-typisch: Eine Uhr, die die einfachenBedürfnisse als täglicher Begleiter vereint mit denVorzügen eines ewigen Kalenders. Die Idee desMeisteruhrmachers: "Unterwegs schätzt man dieklare Zeitanzeige und nicht überladene Zifferblät-ter. Daheim oder im Büro sind aber Datum, Tag undMonat wichtig.» Also hat er, ganz "einfach" undpraxisorientiert, die beiden Funktionen getrennt:den komplizierten Kalender als stationäres Tisch-modell, die reine Zeitanzeige als mobile Taschen-uhr. Beide Werke brauchen weder separate Knöpfe

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III,

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AdressenMontres Urwerk11 rue de Cornavin1201 GenfTel. 022 900 20 [email protected]

Unique 101-34 in Weissgold,Modell 101 in Stahl ab 9250 Fr.

Andreas Strehler, UhrmacherWülflingerstrasse 3058408 WinterthurTel. 052 223 00 [email protected]

Tischuhr Ewiger Kalender mitTaschenuhr, ab 360 000 Fr.

Haldimann HorologyRiedstrasse 23600 ThunTel. 033 223 [email protected]

Doppelregulator H101 Resonanz,Höhe 140 cm, ab 82 000 Fr.

noch SteIler. Denn steckt man sie zusammen, stelltdie Uhr den Kalender per Tastmechanismus selb-ständig nach. "Intuitiv zu nutzen» eben.

Neugierde war stets die Triebfeder für AndreasStrehler. Schon als Bub zerlegte er alles Mechani-sche in Einzelteile. Nur vor der Uhrensammlungseines Vaters (heute im Atelier des Sohnes selbst eingeschickter Uhrmacher) musste er Halt machen,was seine Vorstellungskraft umso mehr schärfte:"Wie sieht es wohl da drinnen aus, damit es aussenso funktioniert!- Als auf die Lehre als Uhrmacher-Rhabilleur und die Uhrmacherschule Solothurn dieerste Anstellung bei Renaud & Papi in Le Lode folg-te, war Andreas schon mitten in der Komplikatio-nen-Welt und bald für die Prototypen-Entwicklungverantwortlich. Selbständig werden war von Anfangan sein Wunsch. Seit Anfang 1995 ist er es. "MeineMotivation ist die Frage: Was braucht es, damit esdas gibt, was es noch nicht gab!» lacht Strehler."Dann beginnt mein Kopf, sich die Mechanik vor-zustellen, die das macht, was ich möchte.»

Darauf angesprochen, warum meistens von älterenUhrmachern die Rede ist, konstatiert Beat Haldi-mann: «Es braucht eine gewisse Zeit, bis man einenNamen hat. Mit Zwanzig oder Dreissig ist es mitSicherheit noch nicht soweit. Da ist man noch zustürmisch, es fehlt die Erfahrung mit dem Hand-werk." So um die Fünfzig sei wohl das Idealalter.Doch der gebürtige Emmentaler, der vor elf Jahrenin einer stilvollen Jahrhundertwendevilla in Thunsein eigenes Uhrenatelier eröffnete, widersprichtdem eben Gesagten ad persona: Er, gerade erst 38,wurde soeben vom deutschen Uhrenmagazin«Chronos» unter die "zwanzig bedeutendsten Uhr-macher» eingereiht. Und Prof. Dr. Herbert Dittrich,eine Kapazität der Uhren-Szene, bescheinigt, dassHaldimanns aufsehenerregendste Erfindung, diefreie Federkraft-Hemmung für Präzisionspendulen,"zurzeit keinen ernst zu nehmenden Konkurrentenbesitzt» und "damit an der Spitze dieser Präzisions-uhren-Klasse liegt». Das Patent für die Haldimann-Hemmung wurde am 31. März 2000 erteilt.

Erfunden hat Beat Haldimann seine Hemmungfür den Sekundenregulator H 104 "Klassisch", den ervor drei Jahren an der Basler Messe präsentierte.Beim ebenso bedächtigen wie vergnügten Uhr-machermeister scheint alles grossformatig. Er selbst,sein Lachen und sein Herz. Dieses schlägt auch fürgrossformatige Präzision. In seiner jüngsten Präzi-sionspendeluhr sogar in doppeltem Sinn. Der Dop-pelregulator H 101 "Resonanz" ist mit zwei unab-hängigen Sekundenregulatoren bestückt und «na ja,vielleicht ein Spielzeug für Erwachsene", lachtHaldimann. "So wie ein besonderes Auto. Mit einemKleinauto kommt man ja ebenso schnell nach Bern!»

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Doch sein Spielzeug, von dem er im Moment einbestelltes Exemplar für das Musee internationald'Horlogerie in La Chaux-de-Fonds baut, hat fürHaldimann vor allem einen emotionalen Wert. Diebeiden Pendel, zentral zwischen den hängendenWerken angebracht, stellen sich nach einiger Zeitin simultanem Gang «wie von Ceisterhand- aufeine stabile, gegenläufige Schwingung ein. Diesesynchronisierte Resonanzschwingung im Gegen-takt hat einen stabilisierenden Effekt auf beideWerke und eliminiert bis zu einem gewissen Gradstörende Einflüsse. «Das hat viel mit zwischen-menschlicher Beziehung zu tun", philosophiertHaldimann. «Auch dort kann man sich gegenseitigzerstören oder sich eben fördern und positiv beein-flussen, wie es diese Pendel tun." Die Uhr inHaldimanns Atelier zeigt auf beiden ZifferblätternLokalzeit. Das für La Chaux-de-Fonds wird Lokal-zeit und GMT anzeigen. Mondphase, ewiger Kalen-der und die Haldimann-Hemmung sind Optionen.

Seit Abraham-Louis Breguet vor bald 200 Jahrengelang es keinem mehr, präzise Doppelpendelregu-latoren zu bauen. Ziemlich aufregend! Doch BeatHaldimann nennt seine aussergewöhnliche Gross-uhr lakonisch «relativ simpel", fügt aber schmun-zelnd an: «Wie alle genialen Dinge!" Genial bedeu-tet für den Meister aus Thun nicht, «wenn mannichts mehr hineinstopfen kann, sondern wenn mannichts mehr wegnehmen kann. Mich interessiert dieReduktion." Dass seine «Resonanz" im Momentzwar die Fachwelt fasziniert, aber von Kunden nichtso gefragt ist, stört ihn nicht: «Ich habe Zeit!"

Umso erfolgreicher scheint seine erste Arm-banduhr unter eigenem Namen zu werden. Schonals er dieses Jahr die «H 1 Fliegend" in Basel vor-stellte, kamen die ersten Bestellungen. Mit seinemUhrmacher Florian Frisch ist er am Fertigen, ersteExemplare werden Anfang 2003 ausgeliefert. Undin Japan erwartet man zwei H 1 für eine Ausstel-lung. Bereits nimmt der Bau eigener Uhren dreiViertel seiner Arbeit ein. In der übrigen Zeit wid-met sich Haldimann der Restauration alter Uhren,die aus aller Welt bei ihm eintreffen. «Das Restau-rieren, die Begegnung mit alten Meisterwerken,prägt einen", sagt Haldimann.

Auch die H 1 wirkt ästhetisch reduziert undohne jedes Blendwerk. Aber enorm reizvoll, dennauf den ersten Blick fällt das grossformatige, flie-gende Tourbillon auf, das mitten auf dem Ziffer-blatt dreht, besser gesagt über dem Zifferblatt undsogar über dem Zeigerpaar. «Vom Konstruktivenher schon ziemlich verrückt, wenn dabei dieAbmessung der Uhr nicht anwachsen soll", gibtHaldimann zu. Er hat mit allen Traditionen brechenmüssen, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

Ziel war vor allem, «einer Armbanduhr die Stim-me zu geben, wie sie Breguets alte Taschenuhren

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erzeugten: diesen faszinierenden Klang, der von frü-her erzählt, der einer Uhr ein Herz gibt." DiesenKlang erreicht die H l. Sie läuft mit 18000 Schwin-gungen, «das ist eine Frequenz, die dem Menschenentspricht, die kann er sinnlich verfolgen", kommtihr Kreateur ins Schwärmen: «Da schwingt der Käfigmit, und man kann die Spirale singen hören. Tech-nik und Kunst sind im Idealfall eins wie Kopf undHerz." Mit andächtiger Begeisterung führt Beat Hal-dimann das schnurrende Werk ans Ohr: «Für michist das Musik, für andere wohl bloss ein Ticken."

Der Apfel fiel nicht weit von Stamm in der Schaff-hauser Familie Baumgartner. In Vaters Atelier, woGrossuhren restauriert wurden, verkrochen sichdie Söhne jeweils nach der Schule und bekamenwohl rote Wangen vor Begeisterung über die anti-ken Ausnahmewerke. die Vater in Arbeit hatte. DerBerufswunsch war vorgezeichnet. Für Thomas lagdie IWC als Lehrfirma vor der Tür. Der sieben Jahrejüngere Felix holte sich seine Kenntnisse in der Uhr-macherschule Solothurn. Nach individuellen Lehr-und Wanderjahren (Restaurationsatelier in England,Pendulier Prancois Iunod in Sainte-Croix, StudioSvend Anderson in Genf etc.) geschah, was gesche-hen musste: Ihre Wege führten sie zusammen. InGenf gründeten die Brüder 1996, gemeinsam mitdem Schweizer Designer Martin Frei, ihre Firma.

Da begann der Apfel dann doch etwas weiter vomStamm weg zu rollen. Denn die Inspiration für ihrMarkenzeichen, die Armbanduhr mit dem futuri-stisch anmutenden Design, holten sie sich aus dem17. Jahrhundert bei den Brüdern Campanus. Dieseentwickelten für Papst Alessandro XII. einebeleuchtete Nachtuhr mit wandernder Anzeige.«Das müsste man in einer Armbanduhr umsetzenkönnen", geisterte es als Idee durch die Köpfe derBaumgartners. Einfach eine Zeigeruhr mehr zukreieren, war für sie jedoch nie ein Thema. Mutigund ziemlich frech wagten sie sich an die Umset-zung. Denn von Armbanduhren hatten beide nochwenig Ahnung, kam doch der eine aus der Welt derGrossuhren und der andere direkt aus der Lehre.

Doch die jungen Macher waren überzeugt: DieseAnzeige hat ein Publikum. Um die Technik deshistorischen Vorbilds kümmerten sie sich kaum.«Das Kaliber einer Armbanduhr wäre dafür ohne-hin zu klein", sagt Felix. Es galt, das Werk neu zukonstruieren. Soll die Spannung des Fensterbogens,in dem die Stunde wandert, 120 oder 1800 betragen?Braucht es folglich drei oder nur zwei Scheiben, umdie Ziffern rotieren zu lassen? Und wie sieht. derAufbau aus, der die Scheiben bewegt? Die Lösungerwies sich einmal mehr als ebenso genial wie ver-meintlich einfach: Zwei Scheiben liegen sich unterdem geschlossenen Uhrendeckel gegenüber. Die

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Beat Haldimann

«MiCh interessiert=-----'- --' die Redaktion»

eine mit den sechs geraden, die andere mit denungeraden Stundenziffern. Der Wechsel von dereinen zur anderen Stunde geschieht über einen Mal-teserkreuz-Mechanismus - das ist die innovativeKomplikation, Sie führt zu niedrigerem Kraftver-brauch dank konstant bleibender Reibung. Ange-trieben werden die Module durch ein eingekauftesUhrwerk, dessen Übersetzung von Felix Baumgart-ner abgeändert wird .••Das Ziel ist ein selbst gebau-tes Crundwerk», sagen die Compagnons, ec aber dasverlangt für den Moment zu grosse Investitionen."

Als Outfit für die neue Technik entwickelte Mar-tin Frei ein schlichtes, geschlossen, auffällig unauf-fälliges Gehäuse. In einem verglasten Rund wandertdie Stundenanzeige als blosse Ziffer innerhalb einerStunde von links nach rechts. Verschwindet sie, istdie Stunde um, und links erscheint die nächste. Nurkleine Kerben unter dem Saphirglas markieren dieViertelstunde. Auf Minute oder gar Sekunde ver-zichtet die Anzeige. Und das in einer Zeit, wo jeder-

mann Chronographen mit sich trägt? rc UnsereGesellschaft ist gar nicht so Sekunden-gläubig, wieman immer denkt", ist Thomas Baumgartner über-zeugt .•. Man versucht viel mehr, wieder ein Gefühlfür Zeit zu bekommen, das Zeit-Abwägen zu lernen."

Mit drei Prototypen traten Thomas und FelixBaumgartner 1997 am AHCI-Stand an der BaslerMesse an die Öffentlichkeit. In letzter Minutemusste noch eine Firmenbezeichnung gefundenwerden. Kreativkopf Martin Frei erinnerte sich anUr, die erste Stadt in der Geschichte der Zivili-sation: Urwerk war gefunden. Ein reizvolles Wort-spiel. ••Das Ganze ist eine Konzeptidee», sagenFelix und Thomas, die auch Konzeptkunst mögen.rc Unsere Modelle sind ja nicht allein Uhrmacherei- die gehen auch in Richtung Kunstobiekt.»

Das Feedback des Basler Auftritts war positiv.Ein New Yorker Agent sagte: cc Das kann ich ver-kaufen." Und als ein Jahr später die fertigen Uhrenausgestellt wurden, kamen die ersten Bestellungen.

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Felix (links) undThomas Baumgartner

«Unser Ziel istHandwerkskunst

und Lifestyle-Philosophie zu

verbinden.»

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Heute gibt es von Urwerk die Goldlinie 101 und dieStahllinie 102 als 38er- oder 34-Gehäuse. LuxuriöseSonderausstattungen entstanden auf Wunsch. Die50 Uhren mit Aluminiumgehäuse, die - eine Hom-mage an die Brüder Campanus - als Nightwatchausgestattet waren, sind schon ausverkauft! Dalächeln die Baumgartners nicht ohne Stolz: "Wirwaren bald mal soweit, von der Uhrmacherei lebenzu können.» Dabei hatte der Markt gar nicht mitoffenen Armen auf ihre Innovation gewartet. "Fürjunge Uhrmacher ist es schwierig, in die Fach-geschäfte zu kommen», ist Baumgartners Erfahrung."Man verlangt Dinge, die man als Jungunternehmernoch gar nicht leisten kann: Marketing-Konzepte,Risikoabsicherung, finanzielle und logistischeStrukturen. Selbst ein Risiko mitzutragen, sind dieHändler selten bereit.» Wer voller Enthusiasmusund vom eigenen Produkt noch so überzeugt starte,könne bös auf die Nase fallen. Die Mitgliedschaft inAHCI sei eine wichtige Starthilfe. Inzwischen ver-

kaufen sich Urwerk-Uhren in New York, aber auchin Hongkong und den Golfstaaten.

Traditionelles Uhrmacherhandwerk mit moder-ner Lifestyle-Philosophie zu verbinden ist das Zieldes Unternehmens Urwerk. "Das fehlt im Haute-gamme-Segment», sind die Brüder überzeugt. "Wirkönnten uns auch eine grössere Struktur fürUrwerk vorstellen. Oder, mit einem Modell einebreitere Klientel anzusprechen. Allerdings nichtmit Mainstream-Geschmack, nicht mit einfacheinem Zeiger mehr, sondern wieder mit einerbesonderen Idee.» Die Vision könnte Realitätwerden, denn die Brüder haben eine Nase für dieZeichen der Zeit. Hans Uli von Erlach

Die Acedernie Horloqere des Createurs lndependants wurde1985 von unabhängigen Uhrmachern gegründet. Auskunft:AHCI, Chemin des Aubert 1,1347 Le Sentier, 021 8455370,www.ahci.ch

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