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1 Fall 4: Verkehrsschildfall: Lösungshinweise: Obersatz: Die Klage des A gegen das Halteverbot vor seinem Grundstück hat Aussicht auf Erfolg, wenn alle Sachentscheidungs- voraussetzungen gegeben sind und soweit sie begründet ist. A. Sachentscheidungsvoraussetzungen I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Für die vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage muss der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. [Ansonsten Verweisung an das zuständige Gericht des zustän- digen Rechtswegs nach § 17 a II GVG] Eine aufdrängende Sonderzuweisung des Rechtsstreits zu den Verwaltungsgerichten ist nicht ersichtlich. Folglich richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der Klage des A gegen das Halte- verbot um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfas- sungsrechtlicher Art handelt, die nicht durch Bundesgesetz ei- nem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. 1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit Die Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn sie nach Maßgabe von Rechtsvorschriften zu entscheiden ist, die öffentlich-rechtlicher Natur sind. Rechtsvorschriften sind Konversatorium zum Grundkurs III – Allgemeines Verwaltungsrecht – SS 2011

Die Klage des A gegen das Halteverbot vor seinem · i.V.m. §§ 104 ff. BGB prozessfähig. Vorgehaltlich einer in der Begründetheit zu prüfenden Passiv-legitimation ist Stadt Würzburg

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Fall 4: Verkehrsschildfall:

Lösungshinweise:

Obersatz: Die Klage des A gegen das Halteverbot vor seinem Grundstück hat Aussicht auf Erfolg, wenn alle Sachentscheidungs-voraussetzungen gegeben sind und soweit sie begründet ist.

A. Sachentscheidungsvoraussetzungen

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Für die vor dem Verwaltungsgericht erhobene Klage muss der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein.

[Ansonsten Verweisung an das zuständige Gericht des zustän-digen Rechtswegs nach § 17 a II GVG]

Eine aufdrängende Sonderzuweisung des Rechtsstreits zu den Verwaltungsgerichten ist nicht ersichtlich.

Folglich richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg nach der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der Klage des A gegen das Halte-verbot um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfas-sungsrechtlicher Art handelt, die nicht durch Bundesgesetz ei-nem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist.

1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit

Die Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn sie nach Maßgabe von Rechtsvorschriften zu entscheiden ist, die öffentlich-rechtlicher Natur sind. Rechtsvorschriften sind

Konversatorium zum Grundkurs III

– Allgemeines Verwaltungsrecht – SS 2011

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nach der modifizierten Subjektstheorie öffentlich-rechtlich, wenn sie auf mindestens einer Seite des durch sie begründeten Rechtsverhältnisses ausschließlich einen Hoheitsträger in seiner Funktion als solcher berechtigen oder verpflichten.

Streitentscheidende Norm ist hier § 45 I StVO zu. Diese Vorschrift berechtigt ausschließlich die Straßenverkehrs-behörden in ihrer Funktion als Hoheitsträger zur Anord-nung von Verkehrsbeschränkungen. Damit ist über die Klage des A nach Maßgabe einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift zu entscheiden, so dass die Streitigkeit insge-samt als öffentlich-rechtlich zu beurteilen ist.

2. Nichtverfassungsrechtliche Streitigkeit

Die Streitigkeit ist dann verfassungsrechtlicher Art, wenn zwei Verfassungsorgane ausschließlich um die Ausle-gung und Anwendung von materiellem Verfassungsrecht streiten („doppelte Verfassungsunmittelbarkeit“). Hier streiten A und die Straßenverkehrsbehörde, die beide keine Verfassungsorgane sind, um die Anwendung der Vorschriften der StVO. Diese stellen kein Verfassungs-recht dar, so dass die Streitigkeit nichtverfassungsrechtli-cher Art ist.

3. Keine abdrängende Sonderzuweisung

Die Streitigkeit ist nicht ausdrücklich einem anderen Ge-richt zugewiesen.

Folglich ist der Verwaltungsrechtsweg für die vorliegen-de Streitigkeit nach § 40 I 1 VwGO eröffnet.

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II. Statthafte Klageart

Weiter ist fraglich, welches die statthafte Klageart ist. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem klägerischen Begeh-ren (§ 88 VwGO). A begehrt die Aufhebung des Halteverbots vor seinem Grund-stück. Hierfür könnte eine Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO statthaft sein. Voraussetzung dafür ist, dass das Halte-verbot einen Verwaltungsakt i. S. des § 35 S. 1 VwVfG dar-stellt.

Nach § 35 S. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt jede

• Maßnahme (= jedes Verhalten mit Erklärungsgehalt)

• einer Behörde (= § 1 IV VwVfG)

• auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (vgl. bereits unter Verwaltungsrechtsweg)

• zur Regelung (= auf die verbindliche Setzung von Rechtsfolgen gerichtet)

• mit Außenwirkung (Rechtsfolgen sollen außerhalb der Verwaltung, nicht rein verwaltungsintern eintreten)

• eines Einzelfalls (Abgrenzung zur Rechtsnorm)

Mit einem Halteverbotsschild untersagt die Straßenverkehrs-behörde, gemäß ihrer Aufgabe, der Regelung der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs, und somit als Behörde i. S. d. § 1 IV VwVfG, verbindlich gegenüber den Verkehrsteil-nehmern das Halten auf der betroffenen Fläche. Die ersten vier Voraussetzungen des Verwaltungsaktes liegen folglich vor.

Fraglich ist aber, ob das Halteverbot einen konkreten Einzel-fall im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG regelt. Das Verkehrszei-

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chen richtet sich nicht an eine konkrete Person, sondern an alle Verkehrsteilnehmer die in ihren Regelungsbereich gelangen. Bezüglich des betroffenen Personenkreises handelt es ich folg-lich um eine generelle Regelung.

Aus diesem Grund könnten Verkehrszeichen möglicherweise als abstrakt-generelle Regelungen, d. h. als Rechtsnormen (in Form der behördlichen Rechtsverordnung) anzusehen sein.

Allerdings kennt das VwVfG neben der abstrakt-generellen Handlungsform der Rechtsnorm und der konkret-individuellen Handlungsform des klassischen VA nach § 35 S. 1 VwVfG noch eine weitere Alternative, die sog. Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 S. 2 VwVfG, die eine Sonderform des Verwaltungs-aktes darstellt.

Kennzeichnend für alle drei Varianten der Allgemeinverfügung ist, dass sie sich inhaltlich auf einen bestimmten konkreten Sachverhalt bezieht, jedoch sich nicht an einen Einzelnen, son-dern an einen größeren Personenkreis adressiert ist. Man kann die Allgemeinverfügung folglich als konkret-generell charakte-risieren.

Fraglich ist nun in welche der beiden Kategorien (abstrakt-generelle Regelung: d. h. Rechtsverordung oder konkret-generelle Regelung: d. h. Allgemeinverfügung) sich das Ver-kehrsschild einordnen lässt.

Nach inzwischen gefestigter Ansicht der Rechtsprechung trifft ein Verkehrszeichen eine konkrete Zustandsregelung für eine konkrete örtliche Verkehrsituation an einer bestimmten Straße. Infolge dieser Konkretheit des Bezugsobjekts kann ein Ver-kehrszeichen nicht als abstrake, d. h. eine Vielzahl von Sach-verhalten erfassende Handlungsform angesehen werden. Die-sen Befund bestätigt auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Das Halteverbotsschild ist somit mit der h.M. als VA zu qualifizieren und nicht als Rechtsnorm

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(vgl. zu dieser Problematik insgesamt und zu der a. A. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17 Aufl. 2009, §. 9 Rn 34 ff.).

Von den drei Arten der Allgemeinverfügung [personenbezoge-ne (1. Alt.), sachbezogene (2. Alt.) und benutzungsregelnde (3. Alt.)] kommen für ein Verkehrsschild zwei in Betracht. Es kann entweder als Regelung, die an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis ge-richtet ist (1. Alt) oder als ein Verwaltungsakt, der die Benut-zung einer Sache durch die Allgemeinheit betrifft (3. Alt.) an-gesehen werden [auch die Rspr. legt sich hier nicht fest, vgl. BVerwG NJW 2011, 246 (246 f.)].

Unabhängig von der einschlägigen Unterkategorie ist das Hal-teverbot jedenfalls ein Verwaltungsakt in Gestalt einer Allge-meinverfügung nach § 35 S. 2 VwVfG.

Daher begehrt A mit der Aufhebung des Halteverbotes die Aufhebung eines Verwaltungsakts, so dass statthafte Klageart für sein Begehren eine Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO ist.

III. Klagebefugnis, § 42 II VwGO

A müsste des Weiteren klagebefugt sein nach § 42 II VwGO. Dies ist der Fall, wenn A in hinreichend substantiierter Weise Tatsachen vorträgt, die eine Verletzung seiner eigenen Rechte möglich erscheinen lassen.

Der A der als Anlieger in den Regelungsbereich des Verkehrs-schildes gelangt fällt in den Adressatenkreis des VA. Somit kommt bei ihm als Grundrechtsträger zumindest einer Verlet-zung von Art. 2 I GG in Betracht. Einfachgesetzlich konkreti-siert ist diese im Straßen- und Wegerecht durch das Recht auf Gemeingebrauch an der öffentlichen Straße (Art. 14 I BayStrWG), das hier möglicherweise ebenfalls verletzt sein könnte. A ist daher klagebefugt.

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IV. Vorverfahren, § 68 I VwGO

Grundsätzlich ist gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO vor Erhebung der Anfechtungsklage ein Widerspruchsverfahren durchzufüh-ren. Dieses ist jedoch gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO entbehr-lich, wenn ein Gesetz dies bestimmt. Seit dem 1. Juli 2007 gilt in Bayern die Neufassung des Art. 15 BayAGVwGO. Danach ist in manchen Rechtsgebieten ist nach Art. 15 I BayAGVwGO ein Vorverfahren fakultativ zulässig im Übrigen aber unstatt-haft. Vorliegend ist jedoch keines dieser Rechtsgebiete ein-schlägig. Da die Voraussetzungen des Art. 15 I BayAGVwGO nicht vorliegen, ist gemäß Art. 15 II BayAGVwGO das Wider-spruchsverfahren nicht statthaft. A muss daher sofort Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben.

V. Klagefrist und -form, §§ 74 I 2, 81 f. VwGO

Für eine fristgerechte Klagerhebung muss grundsätzlich die Monatsfrist des § 74 I 2 VwGO eingehalten werden. Da aber hier - wie bei einem Verkehrschild generell - keine Rechtsbe-helfsbelehrung erteilt wurde, gilt gem. § 58 II VwGO die Jah-resfrist. Diese wurde laut Sachverhalt gewahrt. Von der nach §§ 81 I 1, 82 VwGO erforderlichen Schriftform und der Ein-haltung der Mindestanforderungen an den Inhalt der Klage-schrift ist ebenfalls auszugehen.

VI. Sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Würzburg ist nach § 45 VwGO sach-lich und nach § 52 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 1 II Nr. 5 BayAGVwGO örtlich zuständig

bea.: die systematische Reihenfolge der Prüfung des § 52 VwGO, die sich aus dem Wortlaut ergibt:

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1. Nr. 1: vgl. Nr. 2 S. 1 und 3 S. 1 („vorbehaltlich Nr. 1 und 4“)

2. Nr. 4; vgl. Nr. 2 S. 1 und 3 S. 1 („vorbehaltlich Nr. 1 und 4“)

3. Nr. 2; vgl. Nr. 2 S. 3, 2. HS. zum Vorrang gegenüber Nr. 3 („ist eine Zuständigkeit danach nicht gegeben richtet sie sich nach Nr. 3“),

4. Nr. 3; vgl. Nr. 3 S. 3 zum Vorrang gegenüber Nr. 5 („Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behör-de, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nr. 5“)

5. Nr. 5, vgl. Nr. 5 („In allen anderen Fällen“)

VII. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

Der Kläger A ist als natürliche Person sowohl nach § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO beteiligten- als auch nach § 62 I Nr. 1 VwGO i.V.m. §§ 104 ff. BGB prozessfähig.

Vorgehaltlich einer in der Begründetheit zu prüfenden Passiv-legitimation ist Stadt Würzburg ist als Gebietskörperschaft des öffentllichen Rechts eine juristische Person und damit beteili-gungsfähig gemäß § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO. Gemäß § 62 III VwGO i.V.m. Art. 38 I, Art. 34 I 2 BayGO wird sie im Prozess von ihrem Oberbürgermeister vertreten.

Bea.: Die Prüfung der Passivlegitimation in der Begründetheit ist eine bayerische Besonderheit, die teilweise starker Kritik ausgesetzt ist. Folglich kann eine Prüfung, wie in den anderen Ländern auch unter dem Punkt „Passive Prozessführungsbe-fugnis“ im Rahmen der Sachurteilvoraussetzungen erfolgen.

VII. Ergebnis

Für die Klage des A sind alle Sachentscheidungsvoraussetzun-gen gegeben.

B. Begründetheit

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Obersatz: Die Anfechtungsklage des A gegen das Halteverbots-schild vor seinem Grundstück ist begründet, wenn sie sich gegen den richtigen Beklagten richtet und soweit das Halteverbot rechtswidrig und A dadurch in seinen Rechten verletzt ist, §§ 78 I Nr. 1, 113 I 1 VwGO.

I. Passivlegitimation, § 78 I Nr. 1 VwGO

Richtige Beklagte ist nach dem in Bayern gültigen Rechtsträ-gerprinzip (es ist stets der Rechtsträger der handelnden Behör-de zu verklagen) die Stadt Würzburg als Gebietskörperschaft Art. 1 S. 1 BayGO, d. h. als selbständige juristische Person des öffentlichen Rechts.

II. Rechtswidrigkeit des Halteverbots

Das Halteverbot als belastender Verwaltungsakt könnte wegen Verstoßes gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz vom Vorbehalt bzw. Vorrang des Gesetzes rechts-widrig sein, wenn es ohne gesetzliche Grundlage erlassen wor-den ist oder wenn bei seinem Erlaß eine vorhandene gesetzli-che Grundlage formell oder materiell fehlerhaft angewendet worden ist.

1. Ermächtigungsgrundlage

Als Ermächtigungsgrundlage für das Halteverbot kommt hier § 45 I 1 bzw. 2 Nr. 1 StVO in Betracht. An der Wirk-samkeit dieser Ermächtigungsgrundlage bestehen keine ernsthaften Zweifel.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

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Fraglich ist, ob das Halteverbotsschild als VA formell rechtmäßig erlassen wurde.

a) Zuständigkeit:

Laut Sachverhalt hat die Stadt Würzburg in Gestalt der Straßenverkehrsbehörde als sachlich zuständige Behörde gehandelt. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich im Übri-gen aus Art. 3 I Nr. 1 BayVwVfG.

b) Verfahren:

Hinsichtlich des Verfahrens könnte problematisch sein, dass vor Aufstellen der Halteverbotsschilder keine Anhö-rung der Anwohner erfolgte.

Bei Erlass einer Allgemeinverfügung ist jedoch eine An-hörung nach Art. 28 II Nr. 4 Alt. 1 BayVwVfG entbehr-lich.

c) Form:

Zweifel an der Anordnung des Halteverbots in der in StVO bzw. StVZO vorgeschriebenen Form bestehen nicht. Eine Begründung nach Art. 39 I BayVwVfG ist nicht erforderlich, da weder ein schriftlicher noch ein elektronischer Verwaltungsakt vorliegt.

3. Materielle Rechtmäßigkeit

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Fraglich ist, ob das Verkehrschild als VA auch in materi-ell rechtmäßiger Weise erlassen worden ist.

a. Tatbestand

Die erste Voraussetzung für die materielle Rechtmäßig-keit der Anwendung des § 45 I 2 Nr. 1 StVO liegt vor: das Halteverbot ist hier zur Durchführung von Arbeiten im Straßenraum angeordnet worden, so dass die tatbes-tandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnorm ge-geben sind.

Möglicherweise ist hier zudem der Tatbestand des § 45 I 1 StVO erfüllt. Bauarbeiten an einem Teil der Straße füh-ren regelmäßig auch dazu, dass die Verkehrssituation un-übersichtlicher wird und so eine Gefahr für die Sicherheit nach § 45 I 1 StVO vorliegt. [aufgrund der Angaben im Sachverhalt zur Breite der Straße und aufgrund der Tat-sache, dass es sich hier um eine Einbahn kann man dies auch gut vertretbar abgelehnt werden.

b. Rechtsfolge: Ermessen

Der Behörde ist in § 42 I 1, 2 Nr. 1 StVO ein Ermessens-spielraum eingräumt. Die gerichtliche Überprüfung ist Gemäß § 114 S. 1 VwGO auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessens (Art. 40 BayVwVfG) beschränkt.

Fraglich ist folglich, ob die Anordnung eines Haltever-bots für die X-Allee vor dem Haus des A ermessensfeh-lerfrei erfolgt ist.

Für einen Ermessensnichtgebrauch oder einen Ermes-sensfehlgebrauch im Sinne einer Zugrundelegung sach-fremder Kriterien ist hier nichts ersichtlich.

Die Ermessensentscheidung könnte vorliegend aber feh-lerhaft sein, weil sie möglicherweise gegen den Grund-satz der Verhältnismäßigkeit verstößt.

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Verhältnismäßig ist eine Maßnahme, die zur Erreichung eines legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und ange-messen (erforderlich im engeren Sinne) ist. Legitimer Zweck ist nach § 45 I 1 StVO die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs. Gemäß § 45 I Nr. 2 StVO kann die Benutzung einer Straße auch zur Ermöglichung der Durchführung von Arbeiten im Straßenraum be-schränkt werden.

Aus dem Sachverhalt ergibt sich ausdrücklich, dass im Prozess festgestellt wurde, dass das Halteverbot für die Bauarbeiten an sich nicht einmal förderlich ist. Folglich wäre diesbezüglich bereits die Geeignetheit zu verneinen.

Möglicherweise könnte eine Halteverbot aber deswegen angezeigt sein, weil durch die Baustelle eine die Über-sichtlichkeit für die Verkehrsteilnehmer negativ beein-trächtigt wird, und so eine Beeinträchtigung der Sicher-heit des Straßenverkehrs zu befürchten ist.

Zweifelhaft ist aber nach den Feststellungen im Prozess bereits, ob ist die Anordnung des Halteverbots vor dem Grundstück des A zur Verbesserung der Sicherheit wäh-rend der Durchführung der Bauarbeiten tatsächlich ge-eignet ist. Im Hinblick auf die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers kann man hier aufgrund einer nicht auszuschließenen geringfügigen Verbesserung der Si-cherheit noch die Geeignetheit bejahen. Für diese ist auch kein milderes Mittel ersichtlich. Aufgrund der Breite und der Straße und der Tatsache, dass es sich um eine Ein-bahnstraße handelt ist die Gefährdung der Sicherheit als sehr geringfügig zu werten. Die Anordnung eines Halte-verbotes, dass nicht nur das bloße Parken, sondern auch das Anhalten zu be- und entladen verbietet nicht ange-

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messen (Vgl. auch § 12 II StVO). Deshalb verstößt diese Anordnung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Wegen Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrund-satz ist die Anordnung des Halteverbotes vor dem Grund-stück des A ermessensfehlerhaft.

Wegen Ermessensfehlerhaftigkeit ist die Anordnung des Hal-teverbotes vor dem Grundstück des A materiell rechtswidrig.

III. Rechtsverletzung

Ein rechtswidriger belastender Verwaltungsakt gegenüber ei-nem unbeschränkten Grundrechtsträger impliziert eine Verlet-zung in der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 I GG. Zudem verletzt die rechtswidrige Anordnung des Halteverbots vor dem Grundstück des A dessen konkretisiertes Recht auf Gemeingebrauch gem. Art. 14 I BayStrWG.

IV. Ergebnis

Die Klage des A ist begründet, weil sie sich nach § 78 I Nr. 1 VwGO gegen den richtigen Beklagten richtet, die Anordnung des Halteverbots vor seinem Grundstück rechtswidrig ist und dadurch A in seinen Rechten verletzt.

C. Endergebnis

Da alle Sachentscheidungsvoraussetzungen der Klage des A gegen das Halteverbot vor seinem Grundstück erfüllt sind und diese auch begründet ist, hat sie Aussicht auf Erfolg.