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Act a histochem. 69,269 -273 (1981)
Inst itut fUr P a thologie del' Medizinisch en Akademie Magdeburg
(Oirektor : Prof. D r. sc. med. W. KUHNE)
Die Melanosis cerebelli des Menschen Ein Beitrag zur stofflichen Zusammensetzung des Pigmentes
2. Neutronenaktivierungsanalytische und atomabsorptionsspektrometrische Untersuchungen
Melanosis cerebelli of human. A contribution of the pigment composition
2. Neutron activation analysis and investigations of the atom absorption spectrometry
Von KNUT DIETZ MANN
Mit e iner Abbildung
(Eingegftngcn am 26. Januetl' 1981)
Zusammenfassung
E s werden d ie neutronenaktivierungsetnalytischen und atomabsorptionsspektrometrischen
Untersuchungsergebn isse del' Pigmente von einem F all von Meletnosis cerebelli vorges tellt. In
den Pigmenten des Nucleus dentatus cerebelli fanden sich e l'hiihte Konzentrationen del' Schwer
metalle Kupfer, Zink und Blei. Oabei m uB del' gesteigerte Bleigeh alt nach den gegenwartigen IConntnissen als e in echter pathologischer Befund gewerte t werden.
Summary
The results of n eutron activat ion an a lysis and atom absorption spectrometry investigations of the pigments of one case of Melanos is cereb elli a re d escribed. The con centration of elements , such as cappel', zinc and lead is increased. The larger content of lead must b e seon as a very patho
logical symptoma in the brain.
Vorangegangene histoehemische Unterauehungcn (DIETZMANN 1981) der Melanosc
des menschlichen Kleinhirns fiihr ten zu dem SchluB, daB d ie seltene Pigmentart
als ein besonderes Neuromelanin angesehen werden muE. Die Pigmentkorper ent
sprachen sowohl den Kriterien d ') r Chromolipoid- und Melanin- als auch del' Schwer
metallnachweise. Insbesondere die Anreicherung von topochemisch nicht naher
bestimmbaren Schwarlll~tallen in den groBeren F arbstoffschollen machten weitere mikroanalytische Untersuchungen notwendig, iib3r deren Ergebnisse im folgenden berichtet werden solI.
270 K. DIETZMAN'"
Material und Methode
Aus dern formalinfixierton ZNS der neurologiReh und psyehiatriseh unauffalligen 66jiihl"igen
weibliehcn Leiche wU.I'den Proben von wcnigcn rnrn3 aus dern NueIeus niger und dem suspekten
Nucleus dentatus cereb elli entnornrnen. (Untersuchungsnummel': A 280/7 7). Ais Vel'glei ch sHlnt erinl elienten etwa gleichgrol3e Gcwebs
brockel dOl" Substanti a nigra und de~ Nucleus denta tus einer gleich altrigen, weibli ehen, hirn
gesunden L ciche (Kontl'oIle: I\).
1. Neutronenaktivierungsan a lytisch e B es timmung von Zink und Kupfer
2 his 4 mg schwere Himpl'oben (Troekenmasse) wurden in Quarzf\mpullen eingewogen, ein
geschrnolzen und zusammen mit Standards 2 Std. im K ernl'eaktor b ei einern Neutronenflul3 von
Ii hi s 8 X 1013 n /cm2 S hestmhlt. Auf Grund des hohen 2(Na·Gehaltes in del' Ma t r ix von ca.
3000 ppm, d er einen betraehtlichen UntergrundmeJ.lcffekt verursaehte und damit die quantitative
Kupfer· Ilnd Zinkbestimmung ersehwerte, wllrde nach der Bestrahlung eine chemiseh e Na·Ab
trennung vor-genommon. 1m Eluat befanden sieh die Nuclide Kupfer und Zink, die wegen ihrer
untel'sehiedlichen y -Energie n ebencinander spektrometriert werden konnten (69 mZn = 439 k e V,
HCU ~ 511 keY).
Die Mossungen wurden an einem im Zentralinstitut fijr Kernforschung del' AdW del' DDR
hergestellten, automa tischen y-MeJ.lsystem mit einem 4096-Kanalspeicher unter Verwendung
cineR 18-cm 3-Ge-(Li)-Detektors durchgefiihr t. Die MeJ.lzeiten betrugen 1000 s.
Die gesuehte Elementkonzentration erreehnet sieh aus der Intensitat der emittierten y -Strah
ung dm-eh einen relativen Vergleich mit der Aktivitat der mitbestl'ahlten Standards.
2. Atomabsorptionsspektrometrische Bestimmung von Blei
E ine 1,16 g schwere Probe £IUS dem Nucleus dentatus cerebelli wurde nach der Methode nach
KAHANE (1937) in 5,5 ml AIlfschlu1310sung nal3 verascht und mit einem AAS-300-S-Perkin -Elmer
GerM. unter folgenden Geratep a rametern analysiert : HGA 72; Rillengra phitrohr, Deuterium
untcrgrundkorrektur, EDL Pb 283,3 nm; Spalt 7, Dosierung 10 pI.
Dabe i wurde ein Temperaturprograllllll 1: 2:
H eizl'Hte 3:
3: Atomisierung 4:
Ausheizen, Maxilll aitemperatll" gewiihlt.
t
30/8
5/s gleitend auf
10/s lOIs
rnax. (T)
50°C 65°C
350 °C
550 °C 2040 °C
Die Bestimmung erfolgte mit HiHe dor Additionsmethode, wobei die O-Probe ohne Zusiitze
vel'welHiet wurde.
Blind wert verascht
Kou t rullhirn K
A 280/77
2 ml + 0,5 pg Ph; + 1,0 pg Pb
2 ml + 0,2 pg Pb; + 1,0 Ilg Pb
2 m l + 0,5 pg Pb; + 1,0 pg Pb
Ergebnisse
Die neutronenaktivierungsanalytischen Untersuchungen im melanotischen Nucleus dentatus des Kleinhirns (A 280/77) ergaben erhohte Konzentrationen fUr Kupfer und Zink (s. Tabelle 1).
Die Melanosis cel'ebelli des Menschen, 2. 271
Tabelle 1. Konzentration in ppm/mg Hirn-Trockengewicht (formalinfixiert)
Element Fall Nuel. niger Nucl. dentatus pul verisierte cere belli Substanz
eu Melanosis 27,9 45,8 32,1 Kontrolle 45,8 21,6 22,4
Zn Melanosis 19,8 99,2 38,5 Kontrolle 24,4 18,25 30,8
Dieses Ergebnis konnte in den 2 bis 4 mg schweren Gewebsstiickchen und im pulverisierten Material des Kleinhirnkernes gesichert werden.
Wahrscheinlich liegen in den eigentlichen Pigmentschollen die Werte noch h6her, da Verdiinnungseffekte durch Messung von unmittelbar benachbartem pigmentfreiem Gewebe nicht zu vermeiden waren.
Mit der Atomabsorptionsspektrometrie wurde der Bleigehalt im Nucleus dentatus cerebelli mit einem Kontrollhirn verglichen. Bei 1,16 g Einwaage fanden sich folgende Werte:
Pb im Kontrollhirn Pb bei Melanosis
0,79 {J-g/g 2,26 {J-g/g
Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 zusammen mit Blindwerten und Vergleichsfall ubersichtlich dargestellt.
PeQk mm
90
80
1,1, 1.2 1,0 0,8 0,6 0,1, 0,2 0 +0,2 0.5 0,8 +7.0 pgPbl2ml
Abb. 1. Vergleichende atomabsorptionsspektrometrische Untersuchungen des Bleigehaltes in den l'igmenten des Nucleus dentatus cerebelli.
+ Blilldwel't verascht • KOlltrollhirn o Melanosis eerebelli (A 280/77)
272 K. DIETZMANN
Diskussion
Bereits bei BARDEN (1968, 1969), SING),:R et al. (1974), GRANDI et a l. (1977), FAN et al. (1978) und ULE et al. (1978) zeigte die seltene Pigmentart positive histochemische Reaktionen bei den Naehweisen von Chl'omolipoiden und Melaninen. Nach BARDEN (1969) soil im Hirn jedoch keine Tyrosinase fill' die Melaninbildung zur Vel'fiigung stehen und die Melaninpigmentation selbst bei dem hel'editaren Albinismus - einem Tyrosinasedefekt - erhalten bleiben. BARDEN schloJ3
sich deshalb del' Hypothese von GOLDFISCHER et al. (1966) an, die eine metallkatalytische Pseudo
peroxidation von Catecholaminderivaten zu Melaninen in den Lipofuscingranula annehmen. Na ch ULE und BERLET (1979) soll del' Precursor Dopamin sein. In Voruntersuchungen (DIETZMANN 1981) bestatigte sich del' Verdacht, daJ3 miiglicherweise
die Melaninbildung im melanotischen Nucleus dentatus cere belli enzymunabhangig ablauft, und die histophysikalist'hen Mikrountersuchungen erbrachten erhiihte Elementkonzentrationen einiger ausgewahlter Schwermetalle. Eine gesteigerte Kupferkonzentration im Neuromelanin
hat ten WARREX et al. (1960) und BARDEN (1969) bereits nachgewiesen. ~eu sind die Konzentrationserhiihungen fill' Zink und Blei. Normalwerte bei FJERDINGSTAD
et at. (1974), HOCK et al. (1975), IYENGAR et al. (1978), K),:MP and DANSCHER (1979). Von besonde
rem Interesse sind die Ergebnisse der Bleiuntel'suchungen, da nach den gegenwartigen Kennt
nissen eine Bleiakkumulation im Hirn als ein pathologischer Befund gewertet werden muJ3.
Ftir das Nervensystem des Erwachsenen spielt nach PETE.RS (1970) nUl' die chronische Bleivergiftung eine Rolle. Dabei soIl diese exogene Intoxikation direkt bei vorangegangener Schranken
sWrung und indirekt dUl'ch Kreislaufstiirungen auf das Hirn wirken. Nach PETERS entspricht das histologische Bild del' Pseudoencephalitis WERNICKE.. Hirniidem, granulomartige Mikro
gliareaktionen, diffuse Giiazellproliferate, fortgeschrittene Involutionsveranderungen und Ge· faJ3arteriosklerose charakterisieren die chronische Bleiencephalopathie im Hirn (PENTSCHEW 1958).
Besondere Beziehungen zu Kleinhirn und Nucleus dentatus cerebelli wurden bisher nicht besehl'ieben. Die gliogene Farbstoffbildung der Melanosis cere belli ware dann nicht eine harmlose Variante del' Pigmentbildung im Hirn, sondern eine besondere Form mit Bleiakkumulation im
Farbstoff bzw. sollte s ie auch in den Pigmenten del' in del' Lit,eratur bekannten Faile n aehweisbar sein, eine spezielle eerebelll1re Bleierkrankung mit offenbar gel'ingem Krankheitswert. Eine berufliche Exposition lieil s ich in del' Ana mnese allerdings nicht sichern.
Die Frage, durch welchen Mechanismus die Elemente Kupfer, Zink und Blei in die PigmentschoHen gesogen und konzentriert werden, muJ3 offen bleiben. Sic konnte an dem vorliegenden Material nicht verfolgt werden.
Vrn die Zusa mmensetzung diesel' besonderen Pigmentkorper der Melanosis cerebelli we iter aufzukl aron, sind fortfuhrende An alysen notwendig. Uber diese Ergebnisse soli spater bel'ichtet werden.
Frau Dr. \'1/. \VIESNER, Zentmlinstitut fUr Kernforschung del' AdW dcr DDR, und Herrn Dr. F. PAUL, Institut fUr die 01- und Margn,rineindustrie del' DDR, sei fUr die Bereitstellung del'
Ergebnisse herzlich gedankt.
Literatur
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Adresse: Doz. Dr. se. med. K. DIETZMANN, Institut fUr Pathologie, Medizinische Akademie, DDR· 3090 Magdeburg, Leipziger StraJ3e 44.
18 Acta histochem. Bd. 69