Die moderne Sklaverei

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  • 7/31/2019 Die moderne Sklaverei

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    Jean-Franois Brient

    Les temps bouleverss

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    Kapitel I: Epigraph

    Mein Optimismus basiert auf der Gewissheit, dass diese Zivilisation amzusammenbrechen ist. Mein Pessimismus liegt darin, dass wir in diesem Fall mitgezogen

    werden.

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    Kapitel II: Die moderne Sklaverei

    s ist Fluch der Zeit, dass Irre Blinde fhren!

    William Shakespeare

    Moderne Sklaverei ist eine freiwillige Sklaverei, gebilligt von den Massen der Versklavten,die ber das Angesicht der Erde kriechen. Sie selbst kaufen die Waren, die sie jeden Tag einbisschen mehr unterwerfen. Sie selbst rennen einer immer entfremdenderen Arbeithinterher, die ihnen grosszgigerweise gegeben wird, solange sie gengend folgsam sind. Sieselbst suchen sich die Herren aus, denen sie dienen mssen. Damit diese absurde Tragdiestattfinden kann, ist es ntig dieser Klasse das Bewusstsein ihrer Ausbeutung und ihrerEntfremdung wegzunehmen. So ist die seltsame Moderne unserer Zeit. Gleichwie dieVersklavten der Antike, die Leibeigenen des Mittelalters und die Arbeiter_innen der erstenindustriellen Revolution, existiert heute eine total versklavte Klasse, nur dass sie es nichtweiss oder wissen will. Sie ignorieren die Rebellion, die die einzige legitime Reaktion derAusgebeuteten sein sollte. Sie akzeptieren ohne Diskussion das klgliche Leben, welches frsie konstruiert wurde. Der Verzicht und die Resignation ist die Quelle ihres Unglcks.

    So ist der Albtraum der modernen Versklavten, welche nichts anderes anstreben, als immakaberen Tanz des Systems der Entfremdung mitgetragen zu werden.

    Die Unterdrckung modernisiert sich indem sie die Formen der Mystifizierung berallausbreitet, die ihr ermglicht unsere sklavischen Bedingungen zu kaschieren. Die wahreSubversion liegt darin, zu zeigen wie die Realitt wirklich ist und nicht so wie sie die

    Mchtigen darstellen. Nur die Wahrheit ist revolutionr.

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    Kapitel III: Die territoriale Planung und die Behausung.

    Der Urbanismus ist diese Inbesitznahme der natrlichen und menschlichen Umwelt durchden Kapitalismus, der, indem er sich logisch zur absoluten Herrschaft entwickelt, jetzt dasGanze des Raums als sein eigenes Bhnenbild umarbeiten kann und muss.

    Guy Debord, Die Gesellschaft des Spektakels

    Je mehr die Versklavten ihre Welt durch ihre entfremdete Arbeit konstruieren, desto mehrwird das Bhnenbild dieser Welt zum Gefngnis in dem sie leben mssen. Eine schmutzigeWelt, ohne Geruch und Geschmack, die das Elend der vorherrschenden Form derProduktion birgt.

    Dieses Bhnenbild ist im Zustand der permanenten Konstruktion, nichts in ihm istkonstant. Die unablssige Umgestaltung des Raums, welcher uns umgibt, findet ihreRechtfertigung im flchendeckenden Gedchtnisverlust und in der Unsicherheit, in welcherdie Bevlkerung leben muss. Es geht darum, alles zu ndern, so dass es am Bild des Systems

    entspricht: jeden Tag wird die Welt ein kleines Bisschen dreckiger und lauter, wie eineFabrik.

    Jeder Teil dieser Welt ist Eigentum eines Staates oder einer Privatperson. Dieser sozialeRaub welcher die ausschliessende Aneignung des Bodens ist, findet sich verwirklicht in derAllgegenwart von Mauern, Gittern, Zunen, Schranken und Grenzen dies sind diesichtbaren Spuren dieser Teilung, die sich berall verbreitet.

    Parallel dazu ist das grosse Ziel unserer traurigen Epoche die Vereinheitlichung desRaumes gemss den Interessen der Warenkultur. Die Welt soll sich in eine riesige undeffiziente Autobahn wandeln um den Transport der Waren zu erleichtern. Jedes Hindernis,natrlich oder menschlich, soll zerstrt werden.

    Die Behausung der modernen Versklavten ist das genaue Abbild ihres Lebens: sie gleicht

    den Kfigen, den Gefngnissen, den Hhlen. Im Gegensatz aber zu den Versklavten oder zuden Gefangenen, mssen die Ausgebeuteten der Moderne fr ihren Kfig bezahlen.

    Denn nicht der Mensch, sondern die Welt ist abnormal geworden.

    Antonin Artaud

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    Kapitel IV: Die Ware

    Eine Ware scheint auf den ersten Blick ein selbstverstndliches, triviales Ding. IhreAnalyse ergibt, dass sie ein sehr vertracktes Ding ist, voll metaphysischer Spitzfindigkeitund theologischer Mucken.

    Karl Marx, Das Kapital

    In dieser engen und dsteren Behausung horten die Ausgebeuteten die neuen Waren, die,wie ihnen die allgegenwrtige Werbung verspricht, Glck und Befriedigung bringen sollen.Je mehr Waren sie aber anhufen, desto mehr entfernt sich die Mglichkeit von ihnen einesTages dieses Glck zu erreichen.

    Denn was hlfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewnne und nhme an seinerSeele Schaden?

    Markus Evangelium 8.36

    Die Ware, ideologisch in ihrem Sein, raubt dem der sie produziert die Arbeit und dem dersie konsumiert das Leben. Im herrschenden konomischen System ist es nicht mehr dieNachfrage, die das Angebot bestimmt, es ist das Angebot das die Nachfrage bestimmt. NeueBedrfnisse werden konstruiert und von der grossen Mehrheit der Bevlkerung schnell alslebenswichtige Bedrfnisse angesehen: begonnen beim Radio, dann dem Auto, demFernsehen, dem Computer und heute dem Mobiltelefon.

    Alle diese Waren, die innert krzester Zeit in riesigem Umfang verbreitet werden, nderndie zwischenmenschlichen Beziehungenbedeutend: sie dienen einerseits der Isolierung desMenschen von seinen Mitmenschen und andererseits der Verbreitung des herrschendenGedankengutes des Systems.Die Dinge die du besitzt, werden letztendlich dich besitzen.

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    Kapitel V: Die Ernhrung

    Was fr die Einen Nahrung, ist fr die Anderen Gift.

    Paracelsus

    Die Art der modernen Versklavten sich zu ernhren, zeigt gut den Zustand der

    Dekadenz in dem sie sich befinden. ber immer weniger Zeit verfgend um ihr Essenzuzubereiten und hinunterzuschlingen, sind sie gezwungen, das zu essen, was dieagrochemische Industrie produziert. Sie irren in den Supermrkten umher, auf der Suchenach dem Ersatz, der ihnen die Gesellschaft in ihrem falschen berfluss anbietet. Einmalmehr haben sie nur die Illusion einer Auswahl. Der berfluss an Nahrungsmitteln verstecktnur deren Verschlechterung und Flschung. Es handelt sich um nichts anderes als genetischvernderte Organismen, eine Mischung aus Farb- und Konservierungsstoffen, Pestiziden,Hormonen und weiteren unzhligen Erfindungen der Moderne. Der sofortige Genuss ist dieMotivation der vorherrschenden Ernhrungsform, es ist die Motivation fr jede Form desKonsums. Und die Konsequenzen dieser Art der Ernhrung sind berall sichtbar.

    Aber gegenber der Armut der Mehrheit erfreut sich der westliche Mensch an seinerPosition und seinem unbndigen Konsum. Trotzdem ist das Elend berall, wo die totalitreWarengesellschaft regiert. Der Mangel ist die Kehrseite der Medaille des falschenberflusses. Und in einem System das die Ungleichheit als Merkmal des Fortschritts sieht,wird der Hunger niemals verschwinden. Dies obwohl die agrochemische Produktion fr dieErnhrung der gesamten Menschheit ausreichen wrde.

    Sie haben sich eingeredet, der Mensch, der schlimmste beltter unter allen Lebewesen,sei die Krone der Schpfung. Alle anderen Kreaturen seien nur erschaff en worden, um ihm

    Nahrung und Pelze zu liefern, um geqult und ausgerottet zu werden.

    Isaac Bashevis Singer

    Die andere Konsequenz dieses falschen Nahrungsmittelberflusses ist die Verbreitung vonKonzentrationsfabriken und die massive und barbarische Ausrottung der Arten, welche derErnhrung der Versklavten dienen. Denn in der Zerstrung liegt der Kern der herrschendenProduktionsart.Das Leben und die Menschheit widersetzen sich nicht der Begierde nachProfit einiger weniger.

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    Kapitel VI: Die Zerstrung der Umwelt

    Wie traurig zu denken, dass die Natur spricht und die Menschheit nicht zuhrt.

    Victor Hugo

    Die Plnderung der natrlichen Ressourcen des Planeten, die massive Produktion vonEnergie und Waren, der Ausschuss der berproduktion und anderer Abfall des zur Schaugestellten Konsums belasten die Mglichkeiten des berlebens unserer Erde und der Arten,die sie bevlkern. Um mit dem brutalen Kapitalismus mitzuhalten, darf das Wachstumniemals enden. Es muss produziert, produziert und immer weiter produziert werden.

    Und es sind die gleichen Umweltzerstrenden, die sich heute als potentielle Rettende desPlaneten darstellen. Diese Dummkpfe der Unterhaltungsindustrie, die von denMultinationalen finanziert werden, versuchen uns davon zu berzeugen, dass eine kleinenderung unserer Lebensgewohnheiten ausreicht, den Planeten vor der Katastrophe zuretten. Und whrend sie uns beschuldigen, fahren sie damit fort ohne Ende unsere Umweltund unsere Gedanken zu verpesten. Diese armen pseudo-kologischen Thesen werden vonkorrupten Politikern zur Eigenwerbung immer wieder wiederholt. Aber sie hten sich davoreinen radikalen Wechsel des Produktionssystems vorzuschlagen. Es wird wie immer sogehandelt, dass zwar einige Details gendert werden, jedoch im Grossen und Ganzen alles

    wie bisher bestehen bleibt.

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    Kapitel VII: Die Arbeit

    Arbeit, im Alt- und Mittelhochdeutschen herrscht die Wortbedeutung Mhsal,Strapaze, Plage vor.

    Um in den Reigen dieses hektischen Konsums einzutreten, braucht es Geld und um Geld

    zu erhalten, muss gearbeitet werden, was bedeutet sich zu verkaufen. Das dominante Systemhat die Arbeit zu seinem wichtigsten Wert erhoben. Und die Versklavten mssen immermehr arbeiten um auf Pump ihr miserables Leben zu finanzieren. Sie verbrauchen sich inihrer Arbeit, verlieren den grssten Teil ihrer Lebenskraft und erleiden die schlimmstenErniedrigungen. Sie verbringen ihr ganzes Leben in einer ermdenden und langweiligenTtigkeit fr den Profit einiger weniger.

    Die Erfindung der modernen Arbeitslosigkeit hat den Sinn die Arbeitenden zu ngstigenund sie den Mchtigen gegenber unendlich dankbar zu machen, die sich so grosszgig mitihnen zeigen. Was wrden die Versklavten machen ohne diese Folter der Arbeit? Dieseentfremdenden Ttigkeiten, die ihnen als Befreiung prsentiert werden. Was fr eineErniedrigung und was fr ein Elend?

    Immer gehetzt durch die Stoppuhr oder die Peitsche, wird jede Handlung der Versklavten

    daran gemessen, ob die Produktivitt gesteigert wird. Die wissenschaftliche Organisation derArbeit ist das Wesen selbst der Enteignung der Arbeitenden, der Frucht ihrer Arbeit aberauch der Zeit, die sie in der automatischen Produktion der Waren oder Dienstleistungenverbringen. Die Rolle der Arbeitenden wird mit derjenigen der Maschine in der Fabrik oderder des Computers im Bro verwechselt.Bezahlte Zeit kommt nicht mehr zurck.

    So bekommen alle Arbeitenden eine sich wiederholende Aufgabe zugewiesen, sei es einegeistige oder krperliche. Sie sind Spezialisten in ihrem Fachgebiet. Diese Spezialisierungfindet sich auch auf weltweiter Stufe, bei der internationalen Arbeitsteilung. Gedacht wirdim Westen, produziert in Asien und gestorben in Afrika.

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    Kapitel VIII: Die Kolonisierung aller Lebensbereiche

    Es ist der Mensch als Ganzes, der durch die Organisation der Arbeit auf das produktiveVerhalten konditioniert ist, und ausserhalb der Fabrik behlt er die gleiche Haut und dengleichen Kopf.

    Christophe Dejours

    Die modernen Versklavten knnten sich mit ihrer Knechtschaft der Arbeit zufriedengeben,aber in dem Masse, wie das Produktionssystem alle Sektoren des Lebens kolonisiert,verschwenden die Unterdrckten ihre Zeit in Freizeitbeschftigungen, Vergngungen undorganisierten Ferien. Keinen Moment ihres Lebens entfliehen sie dem Einfluss des Systems.Jeder Moment ihres Lebens wird kolonisiert. Sie sind Vollzeit-Versklavte.

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    Kapitel IX: Die Warenmedizin

    Die Medizin lsst einen langsamer sterben.Plutarch

    Der allgemeine Zerfall ihrer Umwelt, die Verschlechterung der Luft die sie atmen und derNahrung die sie konsumieren; der Stress ihrer Arbeitsbedingungen und der Gesamtheit ihressozialen Lebens sind die Ursachen der neuen Krankheiten der modernen Versklavten.Il est malade de sa condition servile et aucune mdecine ne pourra jamais remdier ce mal.Seule la libration la plus complte de la condition dans laquelle il se trouve enferm peutpermettre lesclave moderne de se librer de ses souffrances.

    Die westliche Medizin kennt kein Heilmittel gegen das bel an welchem die modernenVersklavten leiden: die Verstmmelung. Es basiert auf der Chirurgie, den Antibiotika oderden Chemotherapien mit denen die Erkrankten der Warenmedizin behandelt werden. DieSymptome der Krankheiten werden bekmpft, nicht deren Ursachen. Die Suche nach diesen

    Ursachen wrde nmlich unvermeidlich zu einer Verurteilung der bestehenden sozialenOrdnung in ihrem Ganzen fhren.

    So wie das System jedes Detail unserer Welt zu einer einfachen Ware macht, wurde auchunser Krper eine Ware, ein Objekt der Forschung und der Experimente fr dieZauberlehrlinge der Warenmedizin und der Molekularbiologie. Und die Herrschenden derWelt sind bereit alles Lebendige zu patentieren.

    Die komplette Entschlsselung der DNS des menschlichen Erbguts ist der Startpunkt einerneuen Strategie, eingefhrt durch die Mchtigen. Die genetische Dekodierung hat keinanderes Ziel als die Formen der Dominanz und Kontrolle betrchtlich auszubauen.

    Wie viele andere Dinge gehrt unser Krper nicht mehr uns selbst.

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    Kapitel X: Der Gehorsam: eine zweite Natur

    Durch stndiges Gehorchen bekommt man Reflexe der Unterwerfung.

    Anonym

    Das Beste ihres Lebens gleitet ihnen durch die Finger, trotzdem fahren sie fort, weil sie dieGewohnheit des Gehorchens schon immer hatten. Die Gehorsamkeit hat sich in eine zweiteNatur gewandelt. Sie gehorchen ohne zu wissen warum, das Einzige was sie wissen, ist, dasssie zu gehorchen haben. Gehorchen, produzieren und konsumieren, das ist die Dreifaltigkeit,welche ihr Leben dominiert. Sie gehorchen ihren Eltern, ihren Lehrkrften, ihren Bossen,ihren Vermietenden, ihren Verkaufenden. Sie gehorchen dem Gesetz und denOrdnungshtenden. Sie gehorchen den Mchtigen, weil sie nichts anderes zu machenwissen. Nichts bengstigt sie mehr als der Ungehorsam, weil dieser ein Risiko, einAbenteuer, ein Wechsel bedeutet. So wie ein Kind, das panisch wird, sobald es seine Elternaus den Augen verliert, fhlen sich die modernen Versklavten desorientiert ohne die Macht,die sie erschaffen hat. Aus diesem Grund fahren sie fort zu gehorchen.

    Es ist die Angst, die uns zu Versklavten macht und die uns in diesem Zustand hlt. Wirbeugen uns vor den Herren der Welt, aus Furcht akzeptieren wir das Leben in Demtigungund Elend.

    Trotz unserer zahlenmssigen berlegenheit, richten wir uns nach dieser Minderheit, die

    regiert. Ihre Strke sttzt sich dabei nicht auf ihre Polizei sondern auf unsere Zustimmung.Wir rechtfertigen unsere Feigheit vor der legitimen Auseinandersetzung mit den unsunterdrckenden Krften, mit einem Diskurs voller moralisierendem Humanismus. DieAblehnung von revolutionrer Gewalt ist im Geist jener verankert, die sich dem System mitden Werten widersetzen, die dieses ihnen selbst beigebracht hat.

    Die Macht selbst jedoch zgert nie Gewalt einzusetzen, wenn es darum geht ihreVormachtstellung zu bewahren.

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    Kapitel XI: Die Repression und die berwachung

    In einem Staat, der seine Brger willkrlich einsperrt, ist es eine Ehre fr einen Mann imGefngnis zu sitzen.

    Henry David Thoreau, ber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat

    Trotzdem existieren Individuen, welche der Bewusstseinskontrolle entfliehen. Diese stehenjedoch unter berwachung. Jeder Akt der Rebellion oder des Widerstands wird alsabweichende oder terroristische Aktion betitelt. Die Freiheit existiert nur fr jene, welchedie Wareninteressen verteidigen. Der reale Widerstand gegen das herrschende System wirdvon jetzt an im Verborgenen stattfinden. Fr diese Opposition gegen das System stellt dieRepression die Regel dar. Das Schweigen der Mehrheit der Versklavten gegenber dieserRepression findet seine Rechtfertigung in der medialen und politischen Kampagne, welchedie Existenz des Konfliktes in der realen Gesellschaft leugnet.

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    Kapitel XII: Das Geld

    Und was man ehedem um Gottes willen that, thut man jetzt um des Geldes willen, dasheisst um dessen willen, was jetzt am hchsten Machtgefhl und gutes Gewissen giebt.

    Friedrich Nietzsche, Morgenrte

    Wie alle Unterdrckten der Geschichte brauchen die modernen Versklavten das Mystischeund ihren Gott um das Schlechte, das sie qult und das Leid das sie bedrckt zu betuben.Der neue Gott aber, welchem sie ihre Seele hingeben, ist nichts anderes als das Nichts: esist eine Stck Papier, eine Zahl, die nur einen Wert bekommt, weil alle Welt ihr diesenzugesteht. Es ist fr diesen neuen Gott fr den die Versklavten studieren, fr den siearbeiten, fr den sie kmpfen und fr den sie sich verkaufen. Fr diesen neuen Gott gebensie alle Werte auf und sind bereit alles zu tun. Sie denken, dass mehr Geld zu besitzen sievon den Zwngen befreien wird, die sie einsperren, als ob Besitz Hand in Hand mit derFreiheit ginge. Befreiung ist Askese, die durch Selbstkontrolle kommt. Sie ist eine Sehnsuchtund ein Wollen in Aktion. Ein Sein, nicht ein Haben. Auch braucht es Entschlossenheit,nicht mehr zu dienen, nicht mehr zu gehorchen. Es fehlt an der Fhigkeit mit dieserGewohnheiten zu brechen, welche, so wie es scheint, niemand wagt in Frage zu stellen.

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    Kapitel XIII: Keine Alternative zur dominanten sozialen Organisation

    Acta est fabulaVorbei ist vorbei

    Den modernen Versklavten wird eingeredet, dass keine Alternative zur Organisation der

    jetzigen Welt existiert. Sie finden sich mit diesem Leben ab, weil sie denken kein andereshaben zu knnen. Und genau darin liegt die Strke der jetzigen Herrschaft: die Illusionaufrechtzuerhalten, dass das System, das die gesamte Erdoberflche kolonisiert hat, dasEnde der Geschichte ist. Das System macht der beherrschten Klasse weis, dass sich an seineIdeologie anpassen, einer Anpassung an die Welt, so wie sie ist und so wie sie immer war,gleichkommt. Von einer anderen Welt zu trumen ist ein von den Medien und denMchtigen einstimmig verurteiltes Verbrechen geworden. In Wahrheit jedoch begehendiejenigen die Verbrechen, die bewusst oder nicht an der Demenz der dominanten sozialenOrganisation mitwirken. Es gibt kein grsserer Wahnsinn, als der des gegenwrtigenSystems.

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    Kapitel XIV: Das Bild

    Und wenn er's nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deinen Gott nichtehren und das goldene Bild, das du hast aufrichten lassen, nicht anbeten wollen.

    Altes Testament, Daniel 3.18

    Angesichts der Verwstung der realen Welt ist es fr das System ntig das Bewusstseinder Versklavten zu kolonisieren. Den Krften der Repression geht im herrschenden SystemdieorganisierteAbschreckung voraus, die ihre Aufgabe der Ausbildung der Versklavten vonKindesalter an erfllt. Sie mssen ihren sklavischen Zustand, ihr Gefngnis und ihrmiserables Leben vergessen. Es reicht diese hypnotisierte Menge zu sehen, verbunden mitdem Bildschirm, welcher sie durch ihr alltgliches Leben begleitet. Sie verbergen ihrepermanente Unzufriedenheit mit dem manipulierten Abbild eines Traumlebens, gemacht ausGeld, Ruhm und Abenteuer. Jedoch sind ihre Trume so bedauerlich, wie ihr elendes Leben.

    Es gibt fr alle und fr alles Bilder. Diese Bilder enthalten die ideologische Botschaft dermodernen Gesellschaft und dienen als Instrument zur Vereinheitlichung und zur Propaganda.Sie nehmen in dem Masse zu, wie der Mensch von seiner Welt und seinem Leben enteignet

    wird. Es ist das Kind, das das erste Ziel dieser Bilder ist, um die Freiheit seiner Kindheit zuersticken. Man muss sie dumm machen und ihnen jede Form von Reflexion und Kritiknehmen. All dies geschieht mit der erschreckenden Komplizenschaft der Eltern, dieaufgegeben haben sich der Schlagkraft der modernen Kommunikationsmittel zuwidersetzen. Sie selbst kaufen die Waren, die ntig sind ihre Nachkommen zu unterwerfen.Sie kmmern sich nicht um die Ausbildung ihrer Kinder und liefern sie als Ganzes demSystem der Verdummung und der Passivittaus.Fr jedes Alter und fr jede soziale Klasse existieren Bilder. Und die modernen Versklavten

    verwechseln diese Bilder mit Kultur und manchmal mit Kunst. Das System appelliert an dieniedrigsten Instinkte um seine Waren zu verkaufen. Und die Frau, doppelt versklavt in derheutigen Gesellschaft, ist diejenige, die den hchsten Preis bezahlt. Sie wird darauf reduziertein einfaches Objekt des Konsums zu sein. Die Revolte selbst ist zu einem Bild verkommen,das verkauft wird um das subversive Potential besser zu zerstren. Das Bild ist heute immerdie einfachste und wirkungsvollste Form der Kommunikation. Modelle werden konstruiert,

    die Massen werden stumpfsinnig gemacht, sie werden belogen, Frustration wird in ihnenhervorgerufen. Die Ideologie der Ware wird durch das Bild verbreitet, wobei es sich, wieimmer um das gleiche Ziel handelt: verkaufen. Sei es ein Lifestyle oder ein Produkt, eineVerhaltensweise oder eine Ware, egal was, es muss verkauft werden.

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    Kapitel XV: Die Unterhaltung

    Das Fernsehen macht die dumm, die es schauen,

    nicht die, die es machen.

    Patrick Poivre dArvor

    Diese armen Menschen amsieren sich, aber diese Vergngungen dienen zu nichtsanderem als sie vom wahren bel, das sie bedrckt, abzulenken. Sie lassen alles mit ihremLeben geschehen und tuschen vor, stolz zu sein. Sie versuchen ihre Zufriedenheit zuzeigen, wobei sich jedoch niemand tuschen lsst. Sie schaffen es nicht einmal mehr sichselbst zu tuschen, wenn sie sich im Spiegel sehen. So verlieren sie ihre Zeit damit, Idiotenzuzuschauen, die die Aufgabe haben, sie zum Lachen oder zum Singen, zum Trumen oderzum Weinen zu bringen.

    Durch den medialen Sport erleben die modernen Versklavten die Erfolge und dieMisserfolge, die Strken und die Siege, die sie in ihrem eigenen Alltag nicht mehr erlebenknnen. Ihre Unzufriedenheit verlockt sie, ihr Leben stellvertretend durch den Fernseherleben zu lassen. Whrend die Kaiser im alten Rom die Unterwerfung des Volkes mit Brot

    und Spielen kauften, wird heute mit Vergngungen und dem Konsum der Leere dasSchweigen der Versklavten erkauft.

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    Kapitel XVI: Die Sprache

    Wir glauben die Worte zu beherrschen, jedoch sind es die Worte die uns beherrschen.

    Alain Rey

    Die Bewusstseinskontrolle ist im Wesentlichen das Resultat des Missbrauchs der Sprachedurch die wirtschaftlich und sozial dominante Klasse. Da sie die Besitzerin der Gesamtheitder Kommunikationsmittel ist, verbreitet die Macht ihre Ideologie der Ware durch die starre,unvollstndige und parteiische Bedeutung, die sie den Worten beimisst.

    Die Worte werden als neutral und ihre Bedeutung als offensichtlich prsentiert. Aber unterder Kontrolle der Macht zeigt die Sprache immer eine andere Sache als das wirkliche Leben.

    Es ist vor allem eine Sprache der Resignation und der Machtlosigkeit, die Sprache despassiven Akzeptierens der Dinge so wie sie sind und so wie sie bleiben mssen. Die Wortearbeiten im Auftrag der dominanten Struktur des Lebens, wenn wir die Sprache derMchtigen nutzen, verdammt uns dies zur Machtlosigkeit.

    Das Problem der Sprache ist zentral im Kampf fr die Emanzipation der Menschheit. Esist keine Form der Herrschaft unter anderen, es ist das Herz selbst des Projektes derUnterwerfung des totalitren Warensystems. Es ist durch die Wiederaneignung der Sprache

    und somit der realen Kommunikation zwischen den Menschen, die von Neuem dieMglichkeit eines radikalen Wechsels entstehen lsst. In diesem Sinne muss dasRevolutionre mit dem Poetischen zusammenkommen. In der kollektiven Auflehnung wirddas gesprochene Wort durch unzhlige Gruppen ergriffen und neuerfunden. Die kreativeSpontaneitt findet sich in Allen wieder und vereint uns.

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    Kapitel XVII: Die Illusion des Whlens und der parlamentarischen Demokratie.Whlen heisst entsagen.

    lise Reclus

    Trotz allem denken die modernen Versklavten immer noch wie Citoyens. Sie glauben frei

    whlen und entscheiden zu knnen, wer ihre Angelegenheiten lenken soll. Als htten sie dieWahl. Sie haben nichts als Illusionen bewahrt. Glaubt ihr wirklich, dass ein grundlegenderUnterschied existiert zwischen der Sozialdemokratie und der populistischen Rechten inFrankreich, zwischen der Demokratischen und der Republikanischen Partei in denVereinigten Staaten, der Sozialdemokratischen und der Christdemokratischen Partei inDeutschland? Eine Opposition existiert nicht, denn die herrschenden politischen Parteiensind mit dem Wesentlichen einverstanden: die Erhaltung der jetzigen Warengesellschaft.Keine der politischen Parteien, denen es gelingt an die Macht zu kommen, weist das Dogmader Ware zurck. Und es sind diese Parteien, die mit der Komplizenschaft der Medien denusseren Schein bestimmen. Sie streiten sich um kleine Details, whrend alles beim Altenbleiben muss. Sie streiten um zu wissen, wer die Stellen besetzt, welche derWarenparlamentarismus ihnen offeriert. Diese armseligen Streitereien werden von allenMedien bertragen um eine echte Debatte ber die Wahl der Gesellschaft, in der wir lebenwollen zu verhindern. Der ussere Schein und die Belanglosigkeit herrschen ber die Tiefe

    der Auseinandersetzung der Ideen. All das gleicht nicht im Entferntesten einer Demokratie.

    Die wirkliche Demokratie definiert sich zuerst und vor allem durch die Teilnahme derMasse der Citoyens an der Verwaltung der Angelegenheiten der Kommune. Sie ist direktund ermglicht wahre Mitbestimmung. Sie findet ihren wahrsten Ausdruck in derVolksversammlung und im stndigen Dialog ber die Organisation des Zusammenlebens. Diereprsentative und parlamentarische Form, die sich unehrlicherweise den NamenDemokratie angeeignet hat, beschrnkt die Macht der Citoyens auf ein Recht zu whlen,was gar nichts bedeutet, denn das Recht zwischen hellgrau und dunkelgrau zu whlen, istkeine echte Wahl. Die parlamentarischen Sitze werden in ihrer riesigen Mehrheit durch diewirtschaftlich dominierende Klasse besetzt, sei sie nun von der politischen Rechten oder dersogenannten linken Sozialdemokratie.

    Die Macht ist nicht zu erobern, sie ist zu zerstren. Die Macht ist von Natur aus

    tyrannisch, ob sie nun von einem Knig, einem Diktator oder einem gewhlten Prsidentenausgebt wird. Der einzige Unterschied der parlamentarischen Demokratie zu denanderen Formen ist, dass die Versklavten die Illusion haben selbst zu whlen, wer sieunterdrckt. Sie sind nicht Versklavte, weil Herren existieren, es existieren Herren, weil siesich dazu entschieden haben Versklavte zu bleiben.

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    Kapitel XVIII: Das totalitre Warensystem

    Die Natur hat weder Diener noch Herren geschaffen. Ich will keine Gesetze erlassen undkeine hinnehmen.

    Denis Diderot

    Das dominante System definiert sich also ber die Allgegenwart seiner Warenideologie. Esbesetzt zugleich den gesamten Raum und alle Sektoren des Lebens. Alles was es uns sagt ist:produziert, verkauft, konsumiert, hortet! Das System hat alle menschlichen Beziehungenauf Warenbeziehungen reduziert und betrachtet unseren Planeten wie eine einfache Ware.Die Aufgabe, die uns aufgebrdet wird, ist die sklavische Arbeit. Das einzige Recht, das dasSystem anerkennt, ist das Recht auf Privateigentum. Den einzigen Gott, den es verehrt, istdas Geld. Das Monopol des usseren Scheins ist total. Das Einzige was an dieffentlichkeit gelangt, sind fr die dominante Ideologie vorteilhafte Menschen und Reden.Die Kritik an dieser Welt wird in der Flut der Medien ertrnkt, welche bestimmt, was gutund was schlecht ist, was man sehen kann und was nicht.

    Die Allgegenwart der Ideologie, die Verehrung des Geldes, das Monopol des usserenScheins, eine Einheitspartei unter dem Deckmantel des parlamentarischen Pluralismus, die

    Abwesenheit einer sichtbaren Opposition, Repression in all ihren Formen, der Wille denMenschen und die Welt umzuformen. Das ist das wahre Gesicht des modernenTotalitarismus, welcher sich liberale Demokratie nennt. Besser wre es ihn bei seinemwahren Namen zu nennen: das totalitre Warensystem.

    Der Mensch, die Gesellschaft und die Gesamtheit unseres Planeten stehen im Dienst dieserIdeologie. Dem totalitren Warensystem ist gelungen, was keinem Totalitarismus vor ihmgelungen ist: Die Welt vereinheitlichen unter seinem Bild. Heute gibt es kein Entkommenmehr.

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    Kapitel XIX: Perspektiven

    Je weiter sich die Unterdrckung in jeden Bereich des Lebens ausbreitet, desto mehrbekommt die Revolte die Gestalt eines sozialen Krieges. Die Unruhen leben wieder auf undknden das Kommen der Revolution an.

    Die Zerstrung der totalitren Warengesellschaft ist keine Frage der Anschauung, sieist eine absolute Notwendigkeit in einer Welt, die bekanntermassen verdammt ist. Weil die

    Macht berall ist, muss sie auch berall und immer bekmpft werden.Die Neuerfindung der Sprache, die permanente Revolution im alltglichen Leben, der

    Ungehorsam und der Widerstand sind die Schlsselworte der Revolte gegen die etablierteOrdnung. Aber damit aus dieser Revolte eine Revolution wird, mssen alle individuellen

    Ansichten in einer gemeinsamen Front vereinigt werden.Es ist die Einheit aller revolutionren Krfte, die handeln muss. Und getan werden kann

    es nur im Bewusstsein der vergangenen Niederlagen: weder der fruchtlose Reformismusnoch die totalitre Brokratie knnen eine Lsung fr unsere Unzufriedenheit sein. Esmssen neue Formen der Organisation und des Kampfes gefunden werden.

    Die Selbstverwaltung in den Betrieben und die direkte Demokratie auf kommunalerEbene bilden die Grundlage dieser neuen Organisation, welche antihierarchisch in ihrerForm und ihrem Inhalt sein muss.

    Die Macht ist nicht zu erobern, sie ist zu zerstren.

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    Kapitel XX: EpilogO edle Herrn, des Lebens Zeit ist kurz () Wir treten Knge nieder, wenn wir leben.

    William Shakespeare

    Jean-Franois Brient