41
Universität Zürich, Historisches Seminar Seminar „Sklavenhandel und Sklaverei im 18. und 19. Jahrhundert“ WS 05/06 Dozent: PD Dr. Christian Koller DIE INNERAFRIKANISCHE SKLAVEREI IM 19. JAHRHUNDERT Abolitionsbestrebungen und imperialistische Politik der Britischen Regierung – Chronologie eines Interessenskonflikts anhand des Beispiels Sierra Leone Michael A. Bürge Haldenstrasse 29 8483 Kollbrunn 052 383 27 26 [email protected] Hauptfach: Ethnologie Nebenfächer: Geschichte der Neuzeit Deutsche Linguistik Abgabe: 27. Januar 2006

bürge - die innerafrikanische sklaverei

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Universität Zürich, Historisches Seminar Seminar „Sklavenhandel und Sklaverei im 18. und 19. Jahrhundert“ WS 05/06Dozent: PD Dr. Christian Koller

DIE INNERAFRIKANISCHE SKLAVEREI IM 19. JAHRHUNDERT

Abolitionsbestrebungen und imperialistische Politik der Britischen Regierung – Chronologie

eines Interessenskonflikts anhand des Beispiels Sierra Leone

Michael A. BürgeHaldenstrasse 298483 Kollbrunn052 383 27 [email protected]: EthnologieNebenfächer: Geschichte der Neuzeit

Deutsche LinguistikAbgabe: 27. Januar 2006

Page 2: bürge - die innerafrikanische sklaverei

INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS 1

EINLEITUNG 2

1. BRITISCHE SKLAVEREIPOLITIK, LEGITIMATE TRADE

UND DEREN AUSWIRKUNGEN AUF DIE SKLAVEREI IN SIERRA LEONE 7

Übergang vom Sklavenhandel zum „legitimate trade“ 8

2. DIE KONTROVERSE BETREFFEND SKLAVEREIPOLITIK IN AFRIKA –

ABOLITIONISTEN GEGEN KONSERVATIVISTEN 12

2.1. Die Zeit nach 1833 – Abolitionsbestrebungen in Afrika 13

2.2. Konservativistischer Turnaround 16

2.3. Das Ende der passiven Kolonialpolitik 18

2.4. Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der britischen Verwaltung 21

SCHLUSSFOLGERUNG 25

BIBLIOGRAFIE 27

ANHANG 28

2

Page 3: bürge - die innerafrikanische sklaverei

EINLEITUNG

I cannot believe that in this day and age, so

many children could be forced to slave

away in the mines earning next to nothing;

this is appalling.

Olara Otunnu1

But the situation in the outlying hamlets

was different, I was told. Here, the fighters

were predominantly RUF. […] It was in

these outposts, originally settled by farm

slaves, that the RUF slogan ‘no more mas-

ter, no more slave’ resonated loudest.

Paul Richards2

Das Zitat von Olara Otunnu3 im Zeitungsartikel von Fofana aus dem Jah-

re 2003 und Paul Richards’ Analyse der Herkunft der RUF-Rebellen4 in

Sierra Leone zeigen, dass Sklaverei in Afrika kein längst gelöstes Pro-

blem vergangener Zeiten ist. Die innerafrikanische Sklaverei und der

Umgang mit ihr, insbesondere in den letzten zwei Jahrhunderten, wirken

sich auf das Leben in den postkolonialen Staaten Afrikas aus, und kreie-

ren mit ihrem Erbe Probleme, die bis heute nicht gelöst sind.

Die Sklaverei in Afrika ist ein komplexes Thema, das heftige akademi-

sche Diskussionen auszulösen vermag. Wie und wann entstand Sklave-

rei in Afrika, ist sie ein Produkt der Handelsbeziehungen mit Europa oder

ist Sklaverei „afrikanisch“, sprich, gibt es sie seit jeher? Ist afrikanische

1 Fofana 2003, Rights-Sierra Leone, S. 1.

2 Richards 2005, To fight or to farm, S. 11-12.

3 Olara Otunnu war 2003 UN Under Secretary General for Children and Armed Conflict und machte diese Aussage anlässlich eines Besuches im Osten Sierra Leones

4 Die RUF (Revolutionary United Front) war die Rebellentruppe, welche 1991 von Libe-ria aus in Sierra Leone eindrang, und damit den Bürgerkrieg begann, der bis 2002 dau-ern sollte.

3

Page 4: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Sklaverei vergleichbar mit derjenigen im antiken Rom oder Athen, wel-

che Gemeinsamkeiten hat sie mit der Plantagensklaverei in Amerika

oder der Karibik, was unterscheidet sie davon? Können wir denn über-

haupt von Sklaverei in Afrika sprechen, oder interpretieren wir afrikani-

sche Arbeitsverhältnisse (und Verhältnisse, die über die Arbeit hinausge-

hen) mit „unseren“ westlichen Konzepten schlicht falsch? Ist afrikani-

sche Sklaverei „menschlicher“ als europäische Sklaverei? Obwohl diese

Fragen Stoff böten für mehrere wissenschaftliche Untersuchungen, wer-

den sie in meiner Arbeit nicht beantwortet werden, da sie zeitlich oder

thematisch nicht in den Rahmen unserer Veranstaltung passen, bezie-

hungsweise eher für Forschungen anderer Disziplinen geeignet wären.

Da „innerafrikanische Sklaverei im 19. Jahrhundert“ als Forschungsan-

satz dennoch zu breit angelegt ist, gilt es zunächst einmal, den Fokus

für die Arbeit so zu verengen, dass ein Arbeiten damit praktikabel wird.

Ich möchte mich daher geografisch einschränken und mich in der Arbeit

auf die Zustände im Gebiet des heutigen Sierra Leone5 konzentrieren.

Gründe für die Wahl Sierra Leones gibt es verschiedene; zunächst möch-

te ich betonen, dass ein Fokussieren auf Sierra Leone nicht ein Ignorie-

ren anderer Regionen bedeutet. Die Geschichte der Sklaverei in Sierra

Leone mit ihren spezifischen Voraussetzungen und Wendungen weist in

vielerlei Hinsicht Parallelen zu derjenigen anderer Regionen auf und

kann deshalb als Exempel für die Geschichte anderer Regionen Afrikas

gelesen werden. Die sich gegenseitig bedingenden Fragen imperialisti-

scher Expansion, der Abolition der Sklaverei, Art der Rechtssprechung in

annektierten, beziehungsweise unter einem anderen Status ins Empire

integrierten, Regionen stellen sich in ganz Afrika. Dennoch ist die Ge-

schichte Sierra Leones nicht einfach „eine unter vielen“. Auffälligste Be-

sonderheit ist vermutlich die Tatsache, dass Sierra Leone zwar als Sied-

lung befreiter Sklaven gegründet wurde, danach jedoch keineswegs zum

Vorreiter für die Abolition der innerafrikanischen Sklaverei wurde, son-

dern ganz im Gegenteil: 5 Wie wir im Verlaufe der Arbeit sehen werden, umfasste Sierra Leone in jener Zeit praktisch nur die Halbinsel rund um Freetown. Das Hinterland, das heute in drei Provin-zen aufgeteilt ist, wurde nach den Namen der jeweils ansässigen Ethnien benannt.

4

Page 5: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Thus arose a great paradox of British colonial rule in

Sierra Leone – a colony founded as a home for freed

slaves in 1787 became (in the surrounding protector-

ate) one of the last parts of British Africa to outlaw

domestic slavery (January 1st 1928).6

Rather than press the issue of abolition, the British

and the freed slaves accommodated themselves to

the slave societies of the coast. […] Indeed, it was

not until 1928 that slaves were freed in Sierra Leone,

despite the presence of the British for 130 years.7

Diesem vermeintlichen Paradox möchte ich in meiner Arbeit nachgehen

(und dabei zeigen, dass es sich weniger um ein Paradox, denn um eine

logische Folge imperialistischer Politik der Briten handelt). Wie konnte

es geschehen, dass die Chance der Zeit nicht genutzt wurde oder nicht

genutzt werden konnte, dass aus der Kolonie der Freiheit rund um Free-

town eine Insel der Sklaverei wurde, in der „traditionelle“ Formen der

Sklaverei bis 1928 legal waren, und deren Spielarten noch heute in der

Gesellschaft zu beobachten sind?8 „Sklaverei und Sklavenhandel als In-

terventionsgrund“ lautet der Titel der Sitzung, an der diese Arbeit prä-

sentiert wird. Für meine Arbeit ist dieser Titel unvollständig, sollte bes-

ser zu „Sklaverei und Sklavenhandel als Interventionsgrund oder Nicht-

interventionsrechtfertigung“ ergänzt werden.

Ich werde in meiner Arbeit als erstes zu zeigen versuchen, wie gerade

das Eingreifen der Briten in den atlantischen Sklavenhandel kontrapro-

duktiv war und zu einer Zunahme und Verschärfung des internen Skla-

venhandels und der Sklaverei in Sierra Leone führte. Einer Zunahme,

6 Richards 2004, Controversy over Recent West African Wars, S. 7-8.

7 Lovejoy 1983, Transformations in Slavery, S. 162.

8 Freetown wurde (und wird) denn auch von den Indigenen auch gar nicht so genannt. Die Kuranko nannten die Stadt weiterhin Saralon; fragt man heute jemanden in den Provinzen, der nach Freetown fährt, wohin er gehe, antwortet dieser mit: „A de go na Tong“ („I’m going to Town“); das Free fällt weg, fühlen sich doch viele Leute bis heute von dort aus unterdrückt.

5

Page 6: bürge - die innerafrikanische sklaverei

der die Briten keine adäquaten Mittel entgegenhalten konnten – bezie-

hungsweise nicht wollten. Denn – so lautet meine zweite und für die Ar-

beit zentrale These – der abolitionistische Eifer in der britischen Politik

nahm sukzessive ab, als die Briten erst einmal mit der afrikanischen

Realität konfrontiert wurden und aufgrund ihrer Erfahrungen (zum Bei-

spiel in anderen Gebieten Afrikas wie der Gold Coast9) erkannten, dass

einerseits ein Eingreifen in die lokalen Verhältnisse aufgrund ihrer feh-

lenden Macht noch nicht möglich, andererseits auch gar nicht im Sinne

ihrer Interessen war. Die Diskussion rund um die lokalen Formen der

Sklaverei und deren mögliche Unterbindung wurde für die Briten für ein

Jahrhundert zu einem wichtigen „taktischen“ Instrument ihrer sich ent-

wickelnden Kolonialpolitik. Je nach Konstellation, Entscheidungsträger,

involvierten Gruppen konnte die „barbarische“ oder die „gutartige“

Sklaverei als Interventionsgrund oder als Nichtinterventionsrechtferti-

gung fungieren. Die Einstellung der Briten gegenüber der internen Skla-

verei und deren Bekämpfung wurde genauso von imperialistischen

Überlegungen beeinträchtigt, wie diese Überlegungen umgekehrt auch

die Sklavereifrage bedingten; das eine ist ohne das andere nicht denk-

bar, wie Kenneth Wylie zumindest für den Sklavenhandel erkannte: “If

we are to understand Anglo-Temne10 diplomacy in this period, we must

also comprehend the nature of that trade in human beings which the

British felt compelled to suppress“.11

Ich werde mich in der Arbeit primär auf die Rolle der britischen Regie-

rungsvertreter in Sierra Leone konzentrieren.12 Ein Grund für diese Aus-

richtung ist sicherlich die Quellenlage. Berichte aus der fraglichen Zeit

sind von Europäern geschrieben mit Betonung der europäischen Per-

spektive. Auch die greifbare Sekundärliteratur ist umfangreicher. Diesen

9 Das heutige Ghana.

10 Die Temne oder Themne ist die grösste Ethnie im Norden Sierra Leones, welche heu-te rund 30% der Bevölkerung ausmacht. Im 19. Jahrhundert waren sie vor allem als Mittelsmänner im Handel zwischen Küste und Hinterland tätig.

11 Wylie 1973, The Slave Trade, S. 206.

12 Man beachte auch die obigen Zitate von Richards und Lovejoy, die beide auch von „British colonial rule“ und „despite the presence of the British” im Zusammenhang mit der nicht vollzogenen Abschaffung der afrikanischen Sklaverei sprechen.

6

Page 7: bürge - die innerafrikanische sklaverei

ersten Grund ordne ich jedoch in seiner Wichtigkeit demjenigen der the-

matischen Wahl unter. Ohne die indigene Bevölkerung Sierra Leones pa-

ternalistisch als machtlose Opfer der Geschichte darstellen zu wollen, ist

die Rolle der Briten im 19. Jahrhundert von einschneidender Bedeutung.

Sie sind es, welche die Sklaverei überhaupt thematisieren, diskutieren,

ob diese abgeschafft werden soll oder nicht, wie das Unterfangen poli-

tisch angegangen werden soll. Die Europäer dulden, bekämpfen, trans-

formieren und instrumentalisieren die Sklaverei in Afrika. Sie sind die

Kraft, welche die Leitplanken aufstellt, in denen die lokalen Akteure

dann jedoch zweifellos auch ihre eigenen Interessen wahrnehmen kön-

nen, indem sie die Konstellationen zu ihren Gunsten zu manipulieren

versuchen. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass hier eine relativ gut

funktionierende „Staatsmaschine“13 auf fragmentierte Gesellschaften

trifft, die keine zentral organisierte Gegenkraft stellen können – sehen

wir vom Widerstand Samori Toures ab, von dem wir später noch hören

werden.

Für die britische Perspektive spricht auch das Thema des Seminars und

insbesondere das Thema für die Sitzung. Die Abschaffung der Sklaverei

ist eine europäische Idee, tribale afrikanische Völker des 19. Jahrhun-

derts hätten das Thema kaum in dieser Form diskutiert.

Im ersten Teil der Arbeit werde ich mich primär der ersten These wid-

men und versuchen aufzuzeigen, dass der Handel mit Gütern, der dem

Sklavenhandel das Wasser abgraben sollte, kontraproduktive Ergebnis-

se zeitigte.

Der zweite Teil bespricht in seinen Unterkapiteln die Entwicklung der

abolitionistischen Bestrebungen im 19. Jahrhundert. Es soll zeigen, wie

sich die hehren Ideale an der kolonialen Realität zunehmend die Zähne

ausbissen und letztlich von einer konservativistischen Ideologie, welche

von einem pessimistischen – wenn nicht rassistischen – Menschenbild

geprägt war, das dem Afrikaner Freiheit und Mündigkeit absprach, abge-

13 Die Briten waren nicht allmächtig, wie wir in der Arbeit sehen werden, hatten grosse logistische Probleme vor Ort, aber wenn man eine herausragende Macht unter den ver-schiedenen Akteursgruppen herausstreichen muss, dann sind das doch die Briten.

7

Page 8: bürge - die innerafrikanische sklaverei

löst wurden. Die ersten beiden Kapitel des zweiten Teils werden die Ent-

wicklungen der Dreissiger- bis Sechzigerjahre, beziehungsweise die

Sechziger- bis Achtzigerjahre des Jahrhunderts abdecken. Kapitel drei

und vier besprechen die letzten Jahre vor der Ausrufung des Protektora-

tes im Jahre 1896, mit all den Unstimmigkeiten innerhalb der britischen

Administration, welcher die imperialen Expansionsbestrebungen mit der

damit verbundenen Sklavereifrage einiges Kopfzerbrechen bereiteten.

In dieser Darstellung werde ich mich stark an Graces Periodisierung hal-

ten.14

Die Quellenlage hierzulande ist relativ dürftig. Schriftliche Quellen, wel-

che die indigene Perspektive beleuchteten, gibt es kaum; einen Einblick

in die Meinungen der Krios in Freetown ermöglichte das Studium von

Zeitungsberichten, wie es beispielsweise Deveneaux vorgenommen

hat.15 Die für diese Arbeit aussagekräftigen Papiere aus dem Briefver-

kehr zwischen Sierra Leone und London, Vertragsschriften, Weisungen

wären in englischen Archiven einzusehen, eine Arbeit, die den Rahmen

dieser Arbeit jedoch bei weitem gesprengt hätte. Sieht man von den we-

nigen Reiseberichten ab, auf die ich zurückgreifen konnte, musste ich

mich daher vorwiegend auf Sekundärliteratur verlassen. Diese ist sicher-

lich nicht allzu umfangreich, reicht jedoch aus und bietet beispielsweise

in der Arbeit Graces einen sehr detaillierten, profunden Überblick. Was

auffällt, ist, dass eine Vielzahl der Arbeiten zu westafrikanischer Sklave-

rei aus den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts stammt. Neuere Litera-

tur bietet weniger gross angelegte historische Abhandlungen, sondern

fokussiert – in der Tradition der historischen Anthropologie oder der

Form von Ethnografien – auf Themenkomplexe wie Identität, Sozialisie-

rung, Magie, oder natürlich auch Gender-Fragen, welche durch Sklaven-

handel, Sklavenhaltung, Kolonisierung transformiert wurden und zu neu-

en Deutungen der Welt, täglicher und ritueller Praxis führte. Wie der Bi-

bliografie zu entnehmen ist, griff ich teilweise auch auf diese Literatur

zurück, da sie interessante Einblicke in die Thematik bietet.

14 Grace 1975, Domestic Slavery.15 Deveneaux 1976, Public Opinion.

8

Page 9: bürge - die innerafrikanische sklaverei

1. BRITISCHE SKLAVEREIPOLITIK, LEGITIMATE TRADE16 UND DEREN

AUSWIRKUNGEN AUF DIE SKLAVEREI IN SIERRA LEONE

L’espansione di sistemi di produzione

che rispondevano alla domanda del

commercio lecito fu così resa possibile

in questa fase dall’esistenza di abbon-

dante forza lavoro schiavistica.

Anna Maria

Gentili17

Nach dem Verbot des Sklavenhandels durch den Abolition Act von 1807

sah sich die britische Regierung mit der Aufgabe konfrontiert, dafür zu

sorgen, dass dieses Verbot auch eingehalten wurde. Hauptaugenmerk

lag dabei auf der Unterbindung des Handels von Sklaven zwischen Afrika

und der Neuen Welt, wozu die Briten die Küsten und Seewege zwischen

den Kontinenten mit ihrer Flotte überwachten und bei Verstössen gegen

das Verbot auch einschritten.

Was das Vorgehen gegen internen Sklavenhandel und Sklavenhaltung

angeht, so übten sich die Briten lange in Zurückhaltung, was verschiede-

ne Gründe hatte.18

16 “legitimate trade” oder “legitimate commerce” umfasst in erster Linie Güter, welche für die Briten von Interesse waren, die da wären: Tropenholz, Erdnüsse, aber auch Er-zeugnisse der Ölpalme, welche man für kosmetische Produkte, aber auch als Schmier-mittel für Maschinen verwendete, (Klein 2005 „Legitimate Commerce“, S. 804-805), Gold und Elfenbein zählte man nicht dazu. Ich werde in meiner Arbeit zwar meistens vom „legitimate trade“ oder „commerce“ sprechen, meine damit aber meist jeglichen Handel mit Gütern, im Gegensatz zum Sklavenhandel. In dieser offenen Definition ist auch Platz für den Handel mit europäischen Gütern, wie Alkohol oder Waffen, über de-ren Legitimität man schon in jener Zeit streiten konnte.

17 Gentili 2002, Il leone e il cacciatore, S. 63. Die Expansion von Produktionssystemen, welche den Anforderungen des „legitimate trade“ entsprachen, wurde in jener Zeit da-durch ermöglicht, das die Existenz reichlicher sklavischer Arbeitskraft ermöglicht (mei-ne Übersetzung).

18 Arbeiten im Rahmen des Seminars haben gezeigt, dass die Briten auch hinsichtlich des Handelsverbotes nicht bis zum Äussersten gingen (Helminger 2005 Britische Über-wachung.). Vermutlich haben die schlechten Erfahrungen aus jener Unternehmung zu mehr Zurückhaltung auf dem afrikanischen Kontinent geführt.

9

Page 10: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Betrachtet man die Sklavereipolitik der Briten im 19. Jahrhundert, er-

kennt man ein Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen, Vorausset-

zungen und Ideologien, ein komplexes Neben- und Gegeneinander von

afrikanischen und europäischen Akteuren, von lokalen und globalen Ent-

wicklungen, die ich an dieser Stelle grösstenteils nur grob skizzieren

kann.

10

Page 11: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Übergang vom Sklavenhandel zum „legitimate trade“

oder der Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben

Ohne sich damit weit aus dem Fenster lehnen zu müssen, kann man fest-

stellen, dass die Briten in ihren Aussenposten in Afrika lange Zeit schlicht

nicht über die Mittel verfügten, um effizient gegen den innerafrikani-

schen Sklavenhandel, geschweige denn die Sklavenhaltung, vorzugehen

und diese mit einem Schlag auszurotten. Man muss sich vor Augen hal-

ten, dass sich das britische Territorium in Sierra Leone19 praktisch wäh-

rend des ganzen Jahrhunderts allein auf Freetown und Umgebung be-

schränkte. Wie ich bereits in der Einleitung erklärt habe, bedingen sich

jedoch Sklavereipolitik und Kolonialpolitik immer gegenseitig, sind kausal

interdependent, „[…] the two imperial questions of antislavery and legiti-

mate trade were inseparable. They represented two sides of the same

coin“20. Es ist unvollständig zu sagen, dass die fehlende territoriale Ho-

heit ein Vorgehen gegen die interne Sklaverei verunmöglichte; man

muss gleichzeitig anfügen, dass es auch bewusste Politik der Briten war,

das Territorium nicht zu vergrössern, um der Verantwortung für die

Rechtssprechung im Hinterland zu entgehen.

Abolitionistische Kreise, zu denen auch einflussreiche Vertreter der briti-

schen Administration zählten, waren der Meinung, dass man dem Skla-

venhandel nur beizukommen vermöge, wenn man den darin involvierten

Akteuren ermöglichte, ihr Auskommen anderweitig zu bestreiten. Der

Handel mit Menschen sollte durch einen Handel mit „anderer Ware“ er-

setzt werden; „legitimate trade“ anstelle von „slave trade“ wurde im si-

erraleonischen Hinterland propagiert.

The principal object which has induced the Brigadier-

General to request Lieutenant Laing to proceed to

the Kambia, is, to acertain the state of the country;

the disposition of the inhabitants to trade and in-

19 Sierra Leone (sprich Freetown und Umgebung) wurde 1808 britische Kronkolonie, nachdem die Sierra Leone Company Konkurs gegangen war und die britische Regie-rung deren Erbe antrat.

20 Caulker 1983, Legitimate Commerce, S. 400-401.

11

Page 12: bürge - die innerafrikanische sklaverei

dustry; and to know their sentiments and conduct as

to the abolition of the Slave Trade.21

So lautete 1822 die Anordnung des Gouverneurs von Sierra Leone,

Charles MacCarthy, an Alexander Gordon Laing. Parallel zur Informations-

beschaffung sollte Laing die Indigenen im Norden Freetowns22 zu einer

Landwirtschaft und zu Handel im Sinne der Briten anhalten.23

Mit dieser Anekdote möchte ich auf zwei Dinge hinweisen, die ich als

wichtig erachte: Erstens zeigt sich darin, dass die Briten zu jener Zeit

nicht nur über ungenügende personelle oder finanzielle Mittel für Expedi-

tionen gegen die Sklaverei verfügten, sie hatten auch noch zu wenig

Kenntnisse über die Menschen und deren Leben im Innern des Kontinen-

tes. Wie später noch zu sehen sein wird, sollte die Zunahme des Wissens

und der Erfahrung in Afrika die Sklavereipolitik beeinträchtigen. Die zwei-

te Erkenntnis, die man aus dem Reisebericht Laings gewinnen kann, ist

diejenige, dass der „legitimate trade“ nicht nur für die Indigenen, son-

dern auch (und vor allem) für die Briten von Vorteil sein sollte.

Genauso wie die Abolition des Sklavenhandels war auch die Förderung

des Handels mit Waren eine Reaktion auf die neuen Anforderungen sei-

tens einer sich industrialisierenden Welt.24 Ich will damit nicht sagen,

dass die beiden Bewegungen allein einer wirtschaftlichen Logik gehorch-

ten und keinerlei Philanthropie mitspielte; ohne Aussichten auf wirt-

21 Laing 1825, Travels in the Timmannee, S.4.

22 Themne, Kuranko und Solima (im Bericht Laings „Timmannee“, „Kooranko“ und „Soolima“) sind Ethnien in der heutigen Northern Province in Sierra Leone, bzw. in Gui-nea.

23 So sollten die Indigenen in Sierra Leone dazu gebracht werden, nur noch weissen Reis anzubauen, da der lokale rote Reis ausserhalb Sierra Leones nicht gegessen wer-de. Roter Reis wird bis heute von den Einheimischen in Sierra Leone trotz des mühseli-gen Anbaus bevorzugt, da er sowohl nahrhafter als auch schmackhafter ist. (Daneben kann weisser Reis auch als Symbol für Machtverlust gesehen werden, da die Europäer dessen Anbau bestimmten, postkoloniale Präsidenten ihre klientelistischen Netzwerke darauf stützten und heute noch ein Grossteil der täglichen Nahrung aus importiertem weissen Reis besteht).

24 Wie Caulker erwähnt, war schon die Sierra Leone Company nicht allein daran interes-siert, einen Handel mit dem Hinterland aufzuziehen; es war ihre Absicht, eine Planta-genkolonie aufzubauen, um nicht mehr so stark von der Baumwolle aus der Neuen Welt abhängig zu sein. Caulker 1981, Legitimate Commerce, S. 401-402.

12

Page 13: bürge - die innerafrikanische sklaverei

schaftliche und politische Vorteile hätte die Geschichte jedoch einen an-

deren Verlauf genommen.

Der neuartige Handel führte jedoch nicht wie angenommen zu einem

Verschwinden des afrikanischen Sklavenhandels und der Sklaverei, son-

dern vielmehr zu deren Zunahme und einer Verschärfung der Bedingun-

gen für Sklaven, denn die stetig wachsende Nachfrage nach Gütern aus

dem Hinterland (nicht nur die Nachfrage aus Europa, auch das wachsen-

de Freetown musste versorgt werden) erforderte eine Steigerung der

Produktion. Wie das Zitat von Anna Maria Gentili am Anfang des Kapitels

zeigt, konnte der „legitimate trade“ nur mit der Arbeitskraft von Sklaven

unterhalten werden; eine Tatsache, die bereits im 19. Jahrhundert bekan-

nt war, wie das folgende Zitat von Sir Frederic Rogers, dem Permanent

Undersecretary des Colonial Offices in London, zeigt: „The rise of legitim-

ate commerce, far from bringing about the abolition of internal slavery,

increased the demand for cheap labour in Africa itself, and slave raiding

continued in order to meet growing domestic needs“.25

Handel gab es im Hinterland Sierra Leones schon über lange Zeit; doch

im 19. Jahrhundert wurde sowohl der Handel im Hinterland als auch der-

jenige mit der Küste über lange Distanzen intensiver und komplexer.

Wichtige Akteure im „long distance trade“ waren die Handelsvölker der

Fullah26, Mandingo und Susu, welche Handelsbeziehungen mit Freetown

aufbauten. Als traditionelle Pastoralisten hielten zum Beispiel die Fullah

im Norden Sierra Leones und vor allem im heutigen Guinea27 Tiere, für

deren Haltung sie Sklaven benötigten, die sie vor allem im Kontakt mit

den Limba im Tausch gegen diese Tiere erhielten. Freetown war im Nor-

den primär an Palmprodukten, Getreide, Gold und Elfenbein interes-

siert.28 Sklaven wurden zusammen mit Kola-Nüssen und country cloth29

bei den Kurankos im Tausch mit Salz von der Küste erworben. Waren

25 Hopkins 1968, Economic Imperialism in West Africa, S. 587.

26 Fullah oder Fula, französisch Peul.

27 Damals Futa Jallon und war in der Region der wohl am stärksten zentralisierte Staat. Futa Jallon umfasste jedoch nicht das ganze Gebiet des heutigen Guinea.

28 Baumwolle, Kaffee und Kakao wurde eher im Süden, im Gebiet der Mende und Sher-bro angebaut.

13

Page 14: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Sklaven nicht auf dem Markt zu erwerben, so wurden diese auf Kriegszü-

gen erbeutet.30 Laing berichtet von dem Sklavenhandel im Hinterland:

[…] no one could venture into their [Kissi] country

without a very strong escort, as they never quitted

their own boundaries, and either made slaves of or

murdered all strangers who encroached upon them.

The people of Kissi have no trade except in slaves,

which they sell to the people of Sangara for salt, to-

bacco, and country cloth; and in such a savage state

of wretchedness and barbarism are they, that

without the least compunction they will dispose of

their relatives, wives, and even children.31

A grand meeting of chiefs and elders of Falaba was

held this day in the palaver-house, to inquire into the

propriety of marching an army against Limba; it ap-

peared that the king (of Falaba) was in want of palm-

oil, and a few slaves, to pay some Mandingoes who

brought him presents; and, as Limba could supply

both slaves and palm-oil, they were to be compelled,

as the weaker power, to furnish the king with such a

portion as he chose to demand.32

Ohne Sklaven und Sklavenhandel funktionierte im Hinterland im Verlaufe

des Jahrhunderts und der darin stattfindenden Expansion des „fairen“

Handels zunehmend weniger; die Gesellschaften waren abhängig davon.

29 Country cloth ist das in Sierra Leone typische textile Erzeugnis aus Baumwolle, wel-ches zu Kleidung oder zur häuslichen Verwendung weiterverarbeitet wurde. Durch den Import von Textilien aus Europa nahm die praktische Verwendung von country cloth stetig ab, die symbolische Bedeutung ist bis heute gross (Ferme 2001, The Underneath of Things).

30 Fyle 1988, History and Socio-Economic Development, S. 69-70. Diese Darstellung ist eine Vereinfachung der Situation. Fullah, Mandingo und Susu waren sicherlich die hauptsächlich Handel treibenden Ethnien. Bezüglich Sklavenhaltung, Sklavenzüge usw. war in Sierra Leone jedoch Täter- und Opferrolle nahe beieinander. Man versklavte auch Mitglieder derselben Ethnie, desselben Dorfes, ja gar der Familie.

31 Laing 1825, Travels in the Timmannee, S. 280-281.

32 Ebd., S 283.

14

Page 15: bürge - die innerafrikanische sklaverei

„We stimulate the negro’s passion by the introduction of wants and fan-

cies never dreamed of by the simple native, while slavery was an institu-

tion of domestic need and comfort alone. But what was once a luxury

has now ripened into an absolute necessity”.33

Sklaven waren Arbeitskräfte für die Produktion der nun gefragten Güter;

sie transportierten die Waren aus dem Hinterland nach Freetown und

Menschen blieben weiterhin auch eines der Tauschmittel, gegen die legi-

time Güter eingetauscht wurden. Die Folge davon war, dass zur Befriedi-

gung der Nachfrage nach Gütern sowohl mehr Sklaven in Produktion und

Transport eingesetzt werden mussten, als auch die Situation der Sklaven

sich zunehmend verschlechterte, da deren Produktivkraft nun den Anfor-

derungen eines kompetitiveren Marktes genügen musste:34

Ironically, this transformation occurred at a time

when the agents of abolition hovered on the edges of

the political economy. The system of slavery would

be dismantled, but the characteristic feature of the

nineteenth century was the full development of

slavery as a productive and social institution“.35

33 Canot 1854, Adventures of an African Slaver, S. 126-127. Meine Hervorhebung. Ge-mäss Coquery-Vidrovitch verzehnfachte sich das Handelsvolumen zwischen Afrika und Europa in den Jahren 1820 bis 1850. Gesellschaften, die durch Jahrhunderte des atlan-tischen Sklavenhandels erodierte waren, werden nun von einer neuen „aggressiven“ Marktlogik überrollt. Gentili 2002, Il leone e il cacciatore, S. 48-49.

34 Zusätzlich zu den Gütern für den Handel musste ja auch noch für die Selbstversor-gung produziert werden. Klein nannte denn auch das letzte Viertel des 19. Jahrhun-derts das unter Umständen blutigste in der Geschichte Afrikas. (Klein 2005, „Legitim-ate Commerce“, S. 804-805).

35 Lovejoy 1983, Transformation in Slavery, S. 160. Die Preise, zu denen die Güter da-mals in Afrika gehandelt wurden, waren dermassen niedrig, dass eine Produktion mit bezahlten Arbeitskräften beinahe ein Ding der Unmöglichkeit war.

15

Page 16: bürge - die innerafrikanische sklaverei

2. DIE KONTROVERSE BETREFFEND SKLAVEREIPOLITIK IN AFRIKA –

ABOLITIONISTEN GEGEN KONSERVATIVISTEN

Bis hierhin ergibt meine Darstellung ein durchwegs negatives Bild der

britischen Präsenz in Sierra Leone, welches ich jedoch ein wenig berichti-

gen möchte. „Die Briten“ gab es in Sierra Leone und im restlichen Afrika

als solche nicht. Es gab sowohl vor Ort, als auch in London eine Vielfalt

verschiedener Meinungen, Interessen und Überzeugungen, deren Vertre-

ter versuchten, die ihrigen so weit als möglich in die offizielle Afrikapolitik

einfliessen zu lassen oder diese sonst verwirklichen zu können.36 Dane-

ben sollte man auch nicht die Umstände vergessen, die gegeben waren

und von den Briten nicht unmittelbar verändert werden konnten.

John Grace teilt diese divergierenden Überzeugungen vereinfachend in

zwei Grossgruppen ein, welche im Laufe des 19. Jahrhunderts um das Pri-

mat in der britischen Öffentlichkeit kämpften: Die Abolitionisten kontra

die Konservativisten. Zugleich teilt Grace das Jahrhundert – beziehungs-

weise die Zeit nach Abschaffung der Sklaverei durch die Briten im Jahre

1833 – in drei Perioden ein, in denen jeweils die eine oder andere Ethik

dominierte: Die Zeit von 1833 bis circa 1860 bezeichnet er als diejenige

der abolitionistischen Ethik, bevor die Konservativisten das Zepter über-

nehmen. Die letzten Jahre des Jahrhunderts, die im Zeichen der briti-

schen Expansion ins Hinterland stehen, bringen dann eine pragmatische-

re, gewissermassen synthetische (beziehungsweise eklektische) Ethik

mit sich, in der abolitionistische Absichten konservativistischer Realpoli-

tik im Zeichen des Imperialismus untergeordnet werden.37

36 Eine interessante Arbeit zu einem spezifischen Thema im erweiterten Kontext der Ex-pansions-, bzw. Sklavereipolitik ist diejenige von Devenaux, der sich darin mit der öf-fentlichen Meinungsbildung und deren Manipulation in Zeitungsartikeln beschäftigt (Deveneaux 1976, Public Opinion). Er streicht dabei die einzigartige Position der Kreo-len in Freetown heraus, die durch ihren Bildungsstand in der Lage waren, die Kolonial-politik Englands über den „medialen“ Diskurs zu beeinflussen, wie es indigenen Afrika-ner in Sierra Leone und anderswo kaum gelang. Leider bricht die Analyse jedoch an-fangs 90er-Jahre ab, die vermutlich spannendsten Jahre werden nicht abgedeckt.

37 Grace 1975, Domestic Slavery, S. 21-22.

16

Page 17: bürge - die innerafrikanische sklaverei

17

Page 18: bürge - die innerafrikanische sklaverei

2.1. Die Zeit nach 1833 – Abolitionsbestrebungen in Afrika

In den ersten Jahren nach der offiziellen Abschaffung der Sklaverei be-

herrschte nach wie vor ein abolitionistischer Eifer die offizielle Politik des

British Colonial Office. Philanthropen vom Schlage eines Thomas Fowell

Buxton mit einem hehren Menschenbild glaubten an eine „positive Ent-

wicklung der Afrikaner“, wenn man sie erst von der Bürde der Sklaverei

befreit hätte. Eine Befreiung, für die nur die Europäer sorgen könnten, da

die Afrikaner zu sehr in ihren traditionellen Unsitten gefangen wären. Wie

bereits erwähnt, sollte die Navy gegen Sklavenschiffe vorgehen und der

Sklavenhandel durch Abkommen mit den indigenen Chiefs unterbunden

werden, der legitime Handel sollte den Sklavenhandel ablösen, Modellfar-

men die Landwirtschaft optimieren helfen, und die „Wilden“ sollten in

Sittlichkeit und Religion unterwiesen werden.

A legitimate commerce with Africa would put down

the Slave Trade, by demonstrating the superior value

of man as a labourer on the soil, to man as an object

of merchandise; and if conducted on wise and equit-

able principles, might be the precursor, or rather the

attendant, of civilization, peace, and Christianity, to

the unenlightened, warlike, and heathen tribes who

now fearfully prey on each other, to supply the slave-

markets of the New World. In this view of the sub-

ject, the merchant, the philanthropist, the patriot,

and the Christian, may unite; and should the govern-

ment of this country lend its powerful influence in or-

ganising a commercial system on just, liberal, and

comprehensive principles – guarding the rights of the

native on the one hand, and securing protection to

the honest trader on the other,- a blow would be

struck at the nefarious traffic in human beings, from

which it would never recover[.]38

38 Buxton 1839, The African Slave Trade, S. 195-196.

18

Page 19: bürge - die innerafrikanische sklaverei

So gut diese Ideen auch gemeint waren, waren sie leider der ethisch-mo-

ralischen Gesinnung eines europäischen Kolonialbeamten entsprungen

und hatten daher wenig Bezug zur Realität in Afrika.

Buxton unternahm 1841 eine Nigerexpedition, die grosse Ziele hatte. Es

sollten Verträge mit den Chiefs gegen die Sklaverei ausgearbeitet, Plan-

tagen etabliert werden, Wissenschaftler sollten den politischen und wirt-

schaftlichen Kontext analysieren und die Möglichkeit der Einrichtung von

Missionen sollte geprüft werden.

Nachdem alles gut anlief, und einige Verträge mit Indigenen abgeschlos-

sen werden konnten, scheiterte die Expedition jedoch aus vielerlei Grün-

den, die man am besten unter dem Begriff afrikanische und kolonialisti-

sche Realität vereint. Buxton starb kurze Zeit später, in der Heimat wur-

den seine Unternehmungen und sein Idealismus zunächst wenig positiv

bewertet. So betitelte beispielsweise die Times seine Einstellung als

„brainless Buxtonian benevolence“39.

Und doch hatte Buxton nachhaltigen Erfolg. Seine Expedition machte

Westafrika zu einem diskutierten Thema in Europa, der Grundstein für

eine intensive Missionierung der Region war gelegt und der „legitimate

trade“ als Zivilisierungsmotor erfuhr einen weiteren Schub. Das Eintreten

Westafrikas in das Bewusstsein der Leute in Europa führte aufgrund wei-

terer Berichte aus der Region zu einer Diskussion innerhalb der Adminis-

tration, ob es Briten ausserhalb des britischen Territorium erlaubt sein

solle, Sklaven zu halten;40 dies wurde letztlich aus London bejaht, da bri-

tische Jurisdiktion nicht auf fremdem Territorium gelten könne, und man

die eigenen Bürger nicht gegenüber denjenigen anderer Nationen be-

nachteiligen wolle.41

Es flohen gleichzeitig immer wieder Sklaven aus nicht britischen Gebie-

ten auf britisches Hoheitsgebiet, um sich aus der Unterdrückung zu be-

freien. In Sierra Leone galt zu jener Zeit jedoch ein Abkommen von 1836

39 Grace 1975, Domestic Slavery, S. 24.

40 So liess z.B. der Verwalter der Gold Coast, Captain Maclean, diese nicht nur ausser-halb, sondern auch auf britischem Territorium zu, was zu einer Untersuchung der Zu-stände führte.

41 Grace 1975, Domestic Slavery.

19

Page 20: bürge - die innerafrikanische sklaverei

zwischen dem Gouverneur und den Temne, das diesen die Rückschaf-

fung entflohener Sklaven zusicherte. Governor John Jeremies hebt 1841

diese Abmachung auf, es werden danach weniger Sklaven zurückge-

schafft. Aber nicht nur Sklaven flohen in jener Zeit auf britisches Territo-

rium, auch Kriminelle versuchten so ihrer Strafe zu entgehen. All diejeni-

gen, die Rechte auf die Sklaven beanspruchten, oder die eine Bestrafung

der Kriminellen wünschten, waren daher mit dieser Aufhebung der Abma-

chung gar nicht einverstanden.

Die Situation um 1840 war für die Briten äusserst komplex; es wurde

mehr und mehr klar, dass die Sklaverei in Afrika noch für lange Zeit Pro-

bleme bereiten würde. Selbst wenn man die Sklaverei auf eigenem Terri-

torium im Griff gehabt hätte, wäre es nicht möglich gewesen, dieses aus

dem Kontext des Hinterlandes herauszulösen, und jenes seinem Schick-

sal zu überlassen. Man war ja – wie ich schon mehrfach ausgeführt habe

– auf das Hinterland angewiesen. Wollte man damit Handel betreiben, so

mussten die Handelsrouten funktionieren. Dafür war ein gutes Verhältnis

mit den Regenten der betroffenen Regionen nötig, welches jedoch stark

beeinträchtigt würde, wenn man diesen ihr Anrecht auf Sklaven, und da-

mit ihren Wohlstand, streitig machte. Diese Überlegungen und das Wis-

sen darum, dass man nicht die Mittel dazu hatte, britisches Recht in grös-

serem Massstab durchzusetzen, führten dazu, dass man sich darauf be-

schränkte, zugelaufene Sklaven nicht mehr auszuhändigen, gleichzeitig

aber auch die Sklaverei im Hinterland nicht anzutasten. Zufrieden stel-

lend war die Situation jedoch nicht; abolitionistische Bestrebungen (die in

England nach wie vor eine starke Lobby hatten und eine Ausweitung des

britischen Einflussgebietes und gleichzeitig britischer Jurisdiktion als un-

abdingbar ansahen) und lokale Gegebenheiten kollidierten immer mehr.

So sahen die Briten während des Loko-Temne-Krieges von 1825 bis 1840

unbeteiligt zu, wie in unmittelbarer Nähe zu ihrer Kolonie tausende von

Menschen versklavt wurden.

20

Page 21: bürge - die innerafrikanische sklaverei

2.2. Konservativistischer Turnaround

Die Abkehr von der abolitionisitschen Ethik in der britischen Sklavereipo-

litik ist sicherlich zu einem grossen Teil mit den praktischen Problemen

und den Interessenskonflikten zu erklären, die sich dadurch ergaben,

dass man ihre hehren Ziele nur schwerlich in Einklang mit der sozio-poli-

tischen Situation in Westafrika bringen konnte. Die Bedeutung der Skla-

venwirtschaft war zu gross, als dass diese in Kürze hätte zum Verschwin-

den gebracht werden können. Gleichzeitig kam es jedoch auch zu Verän-

derungen im Menschenbild, das man von den Afrikanern hatte, welche

auf „Erfahrungen“ in Afrika zurückzuführen sind. „Erfahrungen“ deshalb

in Anführungszeichen, weil diese zwar während Aufenthalten in Afrika ge-

macht und in Reiseberichten niedergeschrieben wurden, denen jedoch

ein rassistisches Menschenbild prägend zugrunde liegt. Einer der Autoren

dieser Erfahrungsberichte war Winwood Reade – ein Abenteurer, der sich

durch die Entdeckung der Quelle des Nigers Livingstoneschen Ruhm ver-

schaffen wollte; ein Vorhaben, das scheiterte und zu Reades verbittertem

Einschätzung Afrikas beitrug –, dessen Bild der Afrikaner von deren Un-

terlegenheit gegenüber den Europäern geprägt war, und der zu den Mit-

gliedern der London Anthropological Society gehörte, welche 1863 ge-

gründet wurde und die Überlegenheit des Weissen Mannes wissenschaft-

lich fundieren sollte.

It is much to the credit of the negroes that they ac-

knowledge our superiority with so much cheerful-

ness, and without any envy or malice. Indeed, they

owe all their luxuries to white men […] I do not think

that rum is much worse than palm-wine, or guns

than poisoned arrows; and whatever makes warfare

more effective makes it less frequent. But it is not so

much the luxuries themselves which improve the

people as the commerce by means of which they are

obtained. War is the natural state of man, and it is by

21

Page 22: bürge - die innerafrikanische sklaverei

commerce alone that savages are induced to keep

the peace.42

Neben der rassistischen Gesinnung Reades lässt sich in diesem Abschnitt

ebenfalls erkennen, dass auch noch in den Sechzigerjahren des 19. Jahr-

hunderts Handel als unbedingter Heilsbringer angesehen wurde; Reade

rühmt sich denn auch am Ende seines Afrikaabenteuers, dass er durch

seine Reise ins Hinterland Handelsbeziehungen erschlossen, Licht ins

Dunkel gebracht und das Hinterland „pazifiziert“ habe.

[…] it may be to all intents and purposes an-

nexed, if my work is only followed up and pay-

ments made as I suggest; for Africa is to be

conquered by money not by arms, and the sti-

pend is mightier than the sword. I have been

the means of making the land more peaceful

and secure, of increasing commerce, and of

saving human lives.43

Bis in die Neunzigerjahre des 19. Jahrhunderts sollte dies mehr oder we-

niger die Politik der Briten bleiben. Reade spricht zwar von „annexed“,

die Briten dachten jedoch nicht daran, sich durch die Annexion des Hin-

terlandes Probleme zu bereiten. Man machte mit einzelnen Führern Ab-

kommen, damit diese die Handelsrouten offen hielten, sich nicht am

Sklavenhandel beteiligten, wofür sie so genannte stipends bekamen und

mit Freetown Handel treiben konnten. Sklavenhaltung wurde in den Ver-

trägen jedoch zumeist nicht angesprochen, denn „[b]oth polygamy and

slavery are, for divers reasons, essential to the well-being of Africa – at

42 Reade 1873, The African Sketch-Book, S. 424. Liest man die Berichte Reades, dem Anthropologen, und diejenigen Canots, dem Sklavenhändler, fällt einem der erwähnte Rassismus des ersteren auf, während der Menschenhändler Canot weitaus empathi-scher schreibt.

43 Ebd. S. 503. Nicht kursive Stellen im Zitat im Original kursiv geschrieben.

22

Page 23: bürge - die innerafrikanische sklaverei

any rate for those vast regions of it which are agricultural, and these two

institutions will necessitate the African having a summit to himself“.44

Doch die Verträge erwiesen sich hinsichtlich Sicherheit im Hinterland und

Abkehr vom Sklavenhandel als wenig verbindlich. Das Hinterland war

auch in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts Schauplatz von Kriegen, die

vor allem für Sklaven und Anteile am Handel geführt wurden. Diese Krie-

ge waren für die Indigenen vielleicht weniger dramatisch – falls im Zu-

sammenhang mit Krieg eine Skala der Dramatik legitim ist – als für die

Briten, da letzteren ein sicherer Handel verunmöglicht wurde, während

er für erstere schon lange zum „gestörten“ Alltag gehörte, wie Shaw

zeigt:

„Yet the fact that warfare, raiding, and the know-

ledge that bodies could become commodities in ex-

change for wealth formed part of the everyday condi-

tions of life over four centuries was surely insidious in

itself. Terror had become a taken-for-granted aspect

of the environment in which people’s lives

unfolded“.45

Jedenfalls mussten die Briten erkennen, dass die Politik der Rechte ohne

Verantwortung, welche sie mit diesen Verträgen verfolgten, noch nicht

das Ende der Weisheit war. Es blieb jedoch bis in die Achtzigerjahre da-

bei, dass man die British Spehere of Influence punktuell durch Verträge

oder Annexionen ausweitet, dabei jedoch nicht auch die eigene Jurisdikti-

on mit einführte.

44 Kingsley 1897, Travels in West Africa, S. 680, zitiert in Grace 1975, Domestic Slavery, S. 40.

45 Shaw 2002, Memories of the Slave Trade, S. 41. Wie es das Zitat schon antönt, ge-hen die Kriege natürlich auch an den Indigenen nicht spurlos vorbei. Ganz im Gegenteil führen auch sie zu gewaltigen Umwälzungen, doch sind sie nur ein Element (und wie gesagt kein neues) unter vielen.

23

Page 24: bürge - die innerafrikanische sklaverei

2.3. Das Ende der passiven Kolonialpolitik

Ende der Achtzigerjahre führten verschiedene Entwicklungen dazu, dass

die Briten (genauso wie andere Nationen) ihre Kolonialpolitik überdenken

mussten, was neue Impulse in die Sklavereifrage mit sich brachte.

Die Kolonialmächte waren in einen Wettkampf eingetreten, in dem es

darum ging, den afrikanischen Kontinent endlich aus seiner selbstver-

schuldeten Dunkelheit zu befreien, indem man ihm das Licht der Zivilisa-

tion, des Christentums und der Marktwirtschaft brachte. Da die wilden in-

digenen Führer diesem Ansinnen im Wege standen und das Licht der ei-

genen Nation heller schien als jenes der anderen, wollte jeder Mitstreiter

möglichst viel Territorium unter seiner Ägide wissen.46

Es war sowohl im Foreign Office wie im Colonial Office der britischen Re-

gierung klar, dass eine Ausweitung des eigenen Territoriums unabding-

bar war; welche juridische Form diese Expansion annehmen sollte, war

jedoch umstritten, da man beispielsweise 1874 im Zuge der Ausrufung

des Protektorats in der Gold Coast schlechte Erfahrungen gemacht hatte

mit der Abschaffung der Sklaverei von einem Tag auf den anderen.

Ende 1885 wurden bei einer Attacke der Yoni gegen die Loko britische

Untertanen mit versklavt und es kursierten Gerüchte, dass es zu einer

grösseren Auseinandersetzung zwischen einer Yoni-Temne-Allianz gegen

Mende, Loko und Bullom kommen könnte. Das Thema der Stärkung der

eignen Sicherheit wurde für die Briten damit wieder akut. Für Governor

Samuel Rowe standen in der Tradition britischer Politik drei Szenarien zur

Auswahl, um die Sicherheit durch aktivere Präsenz zu erhöhen. Annexion

46 Dies propagierte die offizielle Politik der europäischen Mächte. Zu diesen heilsbrin-genden Absichten gesellten sich auch andere Ziele. Der Druck europäischer Händler auf ihre Regierungen, damit diese im Hinterland für Ruhe und Ordnung sorgten und ih-nen gewisse Privilegien verschaffe, war über die Jahre immer stärker geworden, da die Unsicherheit und die Ränkespiele der lokalen Chiefs in ihren Augen nicht mehr tragbar war. So hatte denn auch ein britischer Report im Jahre 1868 bereits gefordert, dass man entweder die Handelsstützpunkte aufgebe, oder dann das Hinterland richtig be-setze. (Gentili 2002, Il leone e il cacciatore, S. 149). Deveneaux erwähnt eine Empfeh-lung desselben Parliamantary Select Committees 1865, das einen Rückzug vorschlägt mit eventueller Aussparung Sierra Leones (Deveneaux 1976, Public Opinion, S. 57). Ich weiss nicht, ob es sich dabei um denselben Report handelt und einem der Autoren ein Datierungsfehler unterlaufen ist, oder ob es sich um zwei verschiedene handelt. Jeden-falls wurde aus dem Rückzug nichts, unter anderem da man Westafrika nicht den Fran-zosen überlassen wollte.

24

Page 25: bürge - die innerafrikanische sklaverei

und Protectorate verwarf er jedoch von vornherein;47 ersteres – welches

von den einflussreichen Einwohner der Kolonie favorisiert wurde48 – auf-

grund der damit verbundenen Kosten, welche für die Kolonie nicht trag-

bar waren, da diese zu jenem Zeitpunkt pleite war und seit 1877 schon

Kredite nicht mehr zurückzahlte. Als Lösung sollten Commissioners auf

Reisen ins Hinterland geschickt werden und die Chiefs zur Ruhe anhal-

ten. Dazu sollten die Polizeikräfte verstärkt werden. Beides konnte je-

doch aufgrund knapper Mittel nur schlecht umgesetzt werden.49

Rowes Nachfolger Governor Hay warnte vor der Laissez-faire-Haltung im

Hinterland. Nebst der ständigen Kriege zwischen einzelnen indigenen

Gruppen und der Überfälle auf Händler und Missionare drohte weitere

Gefahr für die britischen Interessen in der Gestalt der aggressiver geführ-

ten Expansionspolitik der Franzosen, die von Norden her ihr Territorium

vergrösserten. Auf einer Vergeltungsexpedition gegen eine lokale Gruppe

drangen diese 1889 in eine neutrale Grenzzone ein, die 1882 zwar per

Konvention festgelegt worden war, jedoch aufgrund der Nichtratifizierung

der Konvention wenig verbindlich war. Da diese Probleme auch in ande-

ren Teilen Westafrikas vorkamen, wurden die Grenzdispute Ende 1889

zwischen Frankreich und England mit einem Abkommen geregelt, das als

Grundstein für die finale Grenzziehung gesehen werden kann.

Ab 1890 wird dann diese neue, aktivere Expansionspolitik vermehrt um-

gesetzt, indem man Freundschaftsverträge mit den Chiefs im nun „gere-

gelten“ Territorium abschliesst, in denen eine Klausel Abmachungen mit

fremden Mächten ohne Zustimmung des Gouverneurs von Sierra Leone

verbietet.

47 Der Lord Chancellor, Lord Selborne, unterschied im Vorfeld der Berliner Konferenz 1884 die britische Lesart von Annexion ganz klar von Protectorate: „Annexation is the direct assumption of territorial sovereignty. Protectorate is the recognition of the right of the aboriginal or other actual inhabitants to their own country, with no further as-sumption or territorial rights than is necessary to maintain the paramount authority and to discharge the duties of the Protecting Power”. Zitiert in Grace 1975, Domestic Slavery, S. 46 (Kursiv im Original).

48 Allerdings auch nicht vorbehaltlos, so stellte sich z.B. der Zeitungsverleger Sawyerr dagegen, da eine Annexion nur den Europäern Vorteile bringen würde, den Afrikanern aber Nachteile. Deveneaux 1976, Public Opinion, S. 63.

49 Fyfe 1962, A History of Sierra Leone, S. 454.

25

Page 26: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Zudem setzt man eine Frontier Police ein, die britische Präsenz an der

frontier markierte, deren Aktionsradius jedoch eingeschränkt war:

Its primary duty was keeping the peace along and

within the frontier road. […] The protected area,

sometimes called the ‘Protectorate’, though as yet

no Protectorate was officially proclaimed, was not

subject to British jurisdiction. As Hay told the chiefs,

the Frontier Police were forbidden to interfere with

their rule. […] [T]he government specifically repudi-

ated any obligation to protect Europeans or Creoles

beyond jurisdiction. Thus the Frontier Police did not

fulfil the Creole hopes of extending the area of

Colony rule.50

Ruhe und Ordnung sollte von der Frontier Police im Hinterland51 herge-

stellt werden, dies jedoch, ohne mit der Handlungsmacht britischer Juris-

diktion ausgestattet zu sein. Sklavenhaltung und andere Regelungen, die

unter die indigene Rechtsprechung fielen, sollten nicht angetastet wer-

den. Diese Regelungen sollten in den nächsten Jahren jedoch einige Pro-

bleme bereiten, und zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb briti-

scher Institutionen führen, in welchen die unterschiedlichen Ideologien

betreffend Sklaverei wieder zum Vorschein kommen. Auseinandersetzun-

gen, die ein charakteristisches Merkmal aufweisen: Die progressiven

Kräfte innerhalb des Verwaltungsapparates, in der Tradition der abolitio-

nistischen Ethik verankert, beziehungsweise durch Erfahrungen in diese

hineingewachsen, befinden sich vor Ort in den Kolonien, während die

Entscheidungsträger in London eine konservativistische Politik verfolgen.

50 Fyfe 1962, A History of Sierra Leone, S. 488.

51 Die Polizei wurde jedoch auch weit jenseits der frontier road eingesetzt, was so nicht geplant gewesen war.

26

Page 27: bürge - die innerafrikanische sklaverei

2.4. Kompetenzstreitigkeiten innerhalb der britischen Verwal-

tung

Eine erste Auseinandersetzung um die Kompetenzen der Frontier Police

fand zwischen deren Inspector Lendy und dem Superintendent des De-

partment of Native Affairs Parkes statt. Lendy wollte nicht wie geheissen

nur Sklaven auf deren Transport befreien, sondern schon davor eingrei-

fen. Parkes spricht der Polizei jedoch die Intelligenz und das Wissen ab,

trade slaves von domestic slaves zu unterscheiden. Ein zu befreiender

Sklave sei nur derjenige, der in Ketten gelegt transportiert würde. Nur so

könne ein unangemessenes Eingreifen der Polizei verhindert werden.

Lendy erachtete diese Regelung als nicht praktikabel, da Sklavenhalter

diese instrumentalisierten, und jeden Sklaven als domestic slave ausgä-

ben. Eine Aussage, die Parkes in jener Auseinandersetzung machte, zeigt

sehr deutlich ein Phänomen, aufgrund dessen England in jener Zeit, das

ganze Jahrhundert davor, und auch lange Zeit danach, trotz der Ableh-

nung der Sklaverei per se, afrikanische Sklaverei unangetastet lassen

konnte:

In truth the power of the so-called domestics is far

greater than their master’s and if they chose to rise

tomorrow for their freedom their masters could not

stop them, but as a rule they prefer this parental

form of so-called slavery which entails no thought

for the morrow on their part to our wearing, busy,

bustling, anxious freedom.52

Afrikanische Sklaverei war dieser Meinung nach anders, und zwar im po-

sitiven Sinn; afrikanische Sklaverei war „benign slavery“, gutartige Skla-

verei, denn die Afrikaner waren „edle Wilde“; Freiheit bedeutete ihnen

nichts und viele von ihnen benötigten die führende Hand eines Herrn.53

52 Zitiert nach Grace 1975, Domestic Slavery, S. 74.

53 Es wäre interessant zu untersuchen, wann Afrikaner „edle Wilde“ waren, wann „bar-barische Untermenschen“. Ich wage hier die Vermutung, dass das Bild des Afrikaners je nach intendierter Wirkung, das es beim Publikum erreichen sollte, so oder so ausfal-len konnte.

27

Page 28: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Parkes konservativistische Einstellung setzte sich in diesem Streit durch,

die Polizei wurde offiziell zurückgebunden. Diese Entscheidung liess je-

doch die Anti-Slavery Society in der Heimat aufhorchen, die wissen woll-

te, ob dies bedeute, dass Sklaverei nun auf britischem Territorium gedul-

det würde. Dies wurde verneint, denn die fraglichen Gebiete seien zwar

britisches Einflussgebiet, nicht jedoch britischer Boden, weshalb – wie wir

bereits wissen – dort britisches Recht nicht angewandt werden könne.

Die Frontier Police liess sich jedoch durch diese Entscheidung nicht wirk-

lich zurückbinden, wollte weiter aktiv gegen die Sklaverei vorgehen, was

sich mit der Zusammensetzung der Truppe erklären lässt. Die Kader re-

krutierten sich aus Europäern und Kreolen aus der Kolonie, bei den Fuss-

truppen fand sich ein heterogenes Gemisch aller Ethnien des Hinterlan-

des. Oftmals waren diese Polizisten ehemalige Sklaven oder Kriegsflücht-

linge; Leute also, die unter Sklavenhaltern und Warlords gelitten hatten.

Letztere sahen nun auch eine Gefahr für ihre „Lebensgrundlage“ aufzie-

hen. Sie versuchten die Frontier Police schlecht zu reden, indem sie sich

bei der Kolonialbehörde über deren unerlaubtes Eingreifen beschwerte,

das man als reine Rachefeldzüge der Polizisten an ihren ehemaligen

Feinden darstellte.54 Es kam zudem zu einzelnen Übergriffen der Polizis-

ten auf die Bevölkerung, einige Beamte beteiligten sich zudem am Skla-

venhandel, indem sie „befreite“ Sklaven schlicht weiterverkauften.55 Sie

bauten fern der Kontrollen durch die Kolonialbehörde kleine „Königrei-

che“ für sich selbst auf. Diese Entgleisungen führten zusammen mit der

Propaganda der Chiefs und Sklavenhändler dazu, dass die Frontier Police

in den Augen abolitionistischer Kreise als die unterdrückende Kraft im

Hinterland galt, obwohl sie unter dem Strich für die Sache der Sklaven

eintrat.

Der Nachfolger von Gouverneur Hay, Flemming, veränderte während sei-

ner Amtszeit im Hinterland wenig. Ein Versuch, von den Chiefs mittels 54 Gemäss Grace ist nicht erwiesen, dass die Polizisten wieder in ihrer Heimatregion eingesetzt wurden, auch wenn man natürlich schaute, dass die Polizisten der jeweili-gen Sprache mächtig waren.

55 Die Posten waren weit weg von Freetown, die Truppen schlecht ausgerüstet, überfor-dert und schlecht bezahlt, so waren die Verlockungen gross, ein wenig in die eigene Tasche zu arbeiten.

28

Page 29: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Verträgen Land zu erwerben, scheiterte an deren Befürchtungen, dies

würde gleichzeitig zu einer Beschneidung des traditionellen Rechtes und

damit der Möglichkeit der Sklavenhaltung führen. Denn Flemming mach-

te klar, dass er keine Sklaverei auf britischem Territorium dulden wollte

und befürwortete auch die Anwendung britischer Jurisdiktion in Gebieten,

die an die Kolonie abgetreten worden, nicht aber offizielles Territorium

waren.56

Mehr Dynamik in die Expansions- und die damit verbunden Sklavereipoli-

tik der Briten kam 1894 mit dem Amtsantritt des neuen Gouverneurs Fre-

deric Cardew. Dieser war ein frommer Christ, der sein Amt mit missiona-

rischem Eifer antrat, in der Überzeugung, das Hinterland durch Christia-

nisierung und eine noch stärkere Einbindung in die Marktwirtschaft mit

Lohnarbeit von seiner dunklen Vergangenheit zu erlösen. Nachdem 1894

die Sofa57 aus dem britischen Einflussgebiet geworfen worden waren, be-

reiste Cardew 1895 das Hinterland, um die lokalen Führer über seine ge-

plante restriktivere Anti-Sklavereipolitik zu unterrichten. Er identifizierte

dabei ein grossräumiges Handelsdreieck, innerhalb dessen Sklaven aus

der British Sphere of Influence in den französischen Gegenpart verscho-

ben wurden. Zurück in Freetown arbeitete er aufgrund der Eindrücke sei-

ner Reise Vorschläge aus, wie das Hinterland nach der Ausrufung des

Protektorates zu verwalten sei – die Ausrufung des Protektorates war für

ihn essenziell für die Befriedung der Region.58 Seine Politik sah ein Verbot

jeglicher Sklaverei ein Jahr nach Ausrufung des Protektorates vor. Das

Verbot sollte von den Briten einseitig verhängt und den Chiefs das be-

56 Fleming wollte für ein resoluteres Vorgehen eine Absegnung aus London. Auf seine Anfrage betreffend offizieller Haltung gegenüber afrikanischer Sklaverei beschied man ihm nur, dass er in dieser Sache jeweils nach eigenem Gutdünken verfahren solle, man wolle nicht offiziell von dem Vorkommen von domestic slavery in britischem Gebiet wissen. Es sei jedoch nicht die Absicht der britischen Regierung, in die Sache der afri-kanischen Sklaverei einzugreifen. Grace 1975, Domestic Slavery, S. 81-84.

57 Sofa waren die Fusstruppen von Samori Toure, der im letzten Quartal des 19. Jahr-hunderts verschiedene Mandingo-Gruppen vereinte und in der Upper Guinea Region zu dem Widersacher europäischer Expansionspolitik wurde. Siehe dazu Person 1968, Sa-mori.

58 Cardew schockierten Einzelschicksale, die ihm auf der Reise zugetragen wurden, so-wie die Zunahme entlaufener Sklaven, die auf britisches Territorium drängten, und zu Bevölkerungsproblemen in Freetown führten. (Ausserdem sprachen sie auch gegen die britische Ansicht der „guten“ afrikanischen Sklaverei).

29

Page 30: bürge - die innerafrikanische sklaverei

sagte Jahr des Übergangs gewährt werden, damit das Verbot durchge-

setzt würde. Dazu sollte der Truppenbestand der Frontier Police vergrös-

sert und ein Verbot für den Waffenhandel mit dem Hinterland erlassen

werden, da durch den Einsatz von Feuerwaffen Sklavenkriege leichter zu

untenehmen seien.59 Das Colonial Office in London weist Cardews Protec-

torate-Vorschläge hinsichtlich Abschaffung der Sklaverei jedoch zurück,

da diese nicht einseitig bestimmt werden könne, sondern die Einwilligung

der lokalen Entscheidungsträger benötige. Auch in Freetown selbst hatte

man gegenüber der Abschaffung Vorbehalte, da man den Indigenen nicht

zutraute, ohne Zwang zu arbeiten.60

1895 unternahm Cardew eine zweite Reise ins Hinterland, auf der er Ver-

besserungen in den Lebensbedingungen der Sklaven sah, was ihn darin

bestärkte, dass ein Vorgehen gegen Sklavenkriege und Sklavenhandel

nötig seien; Eingriffe in die Sklavenhaltung sieht er jedoch nicht mehr als

prioritär an. Er unterbreitete London danach wiederum Vorschläge be-

treffend Ausrufung des Protektorates. Das ganze Gebiet, das per Vertrag

mit den Franzosen im selben Jahr den Briten zufiel, sollte zum Protektora-

te erklärt werden. Entgegen seinen ersten Vorschlägen sollten dabei we-

der die domestic slavery verboten werden, noch sollten Verwaltungs-

strukturen, die er ursprünglich vorgesehen hatte, eingeführt werden. Die

Sache mit der Ausklammerung der Sklavereifrage stiess in London auf

Zustimmung, doch wollte man nicht darauf verzichten, dass mit der Aus-

rufung des Protektorates auch britische Verwaltungsstrukturen und vor

allem die Besteuerung des Hinterlandes eingeführt würden.

Cardew hatte in seinen zweiten Vorschlägen schon viele Argumente der

abolitionskritischen Regierungsvertreter übernommen61, machte vielerlei

59 So wurde beispielsweise die Expansion durch Samori Toure in ihrer beispiellosen Di-mension durch den Einsatz europäischer Feuerwaffen ermöglicht

60 Hier zeigt sich die Kreolen Freetowns mit ihrer Sklavenvergangenheit keinesfalls un-bedingte Sklavereigegner waren, sondern vielmehr zuerst an ihr Wohl dachten und ein Superioritätsgefühl gegenüber der Wilden im Hinterland verspürten.

61 So sprach er denn auch von „so-called domestic slavery“. Er nahm den Diskurs der „benign slavery“ wieder auf, was er damit begründete, dass so genannte Sklaven für Gütertransporte in Freetown auftauchten, die sich ihnen dabei bietende Gelegenheit zur Flucht jedoch nicht nützten, was für Cardew ein klares Zeichen war, dass die Zu-stände nicht so schlimm sein konnten.

30

Page 31: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Konzessionen. Er war auch zur Überzeugung gelangt, dass ein Handel

ohne Sklaverei zu jenem Zeitpunkt nicht möglich wäre, dass aber die po-

litische und wirtschaftliche Expansion des britischen Reiches dieser nach

und nach die Grundlage entziehen würde. Infrastrukturbauten und wei-

terhin resolutes Vorgehen gegen den Sklavenhandel, würden immer

mehr Arbeitskräfte in Anstellungsverhältnissen generieren. Cardews Um-

denken war durch verschiedene Faktoren zustande gekommen. Nebst ei-

genen Erfahrungen auf Reisen und in Freetown übten London, Kreolen in

Freetown und Händler und Missionare aus dem Hinterland Druck auf ihn

aus. Cardew beugte sich dem Druck und gab auch in Dingen nach, die er

mit seinem streng christlichen Standpunkt kaum vereinbaren konnte. So

liess er, der keinen Alkohol trank, den Handel mit Spirituosen zu, da die-

ser die Kassen füllte, und auch das Handelsverbot mit Waffen lockerte er,

da diese für die Jagd benötigt würden.

1896 machte sich der Gouverneur zu seiner dritten Reise in das baldige

Protectorate auf, um die Chiefs über die kommenden Änderungen zu un-

terrichten, die mit dessen Ausrufung im selben Jahr rechtlich gesehen

Tatsache wurden. Diese Änderungen mit der Ausrufung des Protektora-

tes waren konservativistischer geprägt als diejenigen in Gambia 1894. So

wurde nach neuem Gesetz das Besitzrecht an einem Sklaven weiterver-

erbt, und auch Kinder von Sklaven, die nach der Ausrufung des Protecto-

rates geboren wurden, waren nicht automatisch frei, wie dies in Gambia

der Fall war. Es wurden zwar einige neue Bestimmungen eingeführt, die

das Freikommen von Sklaven erleichterten, abgeschafft wurde die Skla-

verei jedoch nicht, und dies sollte bis 1928 so bleiben, was den Sklaven-

haltern im Hinterland sehr gelegen kam.

31

Page 32: bürge - die innerafrikanische sklaverei

SCHLUSSFOLGERUNG

Das Beispiel Cardews stellt die Verdichtung der britischen Politik in West

Afrika während des 19. Jahrhunderts in der Biografie einer einzelnen Per-

son dar. Abolitionistische Ideologie, christliche Moral werden in den Müh-

len der Realpolitik und vor Ort gemachter Erfahrungen zu konservativisti-

schem Pragmatismus. Die internationale Politik des ausgehenden 19.

Jahrhunderts führte zwar zu einer Expansion des britischen Einflusses im

Hinterland, das man jedoch unter dem Sonderstatus eines Protektorats

ins Empire integrierte. Ein Sonderstatus, der den Briten vor allem Rechte

verschaffte, jedoch wenige Pflichten, und den lokalen Eliten die Konser-

vierung – beziehungsweise den Ausbau – ihrer Macht im Schutz des Prin-

zips der indirect rule62 ermöglichte.

Die Abkehr der britischen Regierung von ihren abolitionistischen Bestre-

bungen aufgrund mannigfaltiger Entwicklungen, die sich gegenseitig be-

dingten oder blockierten, habe ich auf den letzten Seiten beschrieben.

Meine Arbeit zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der damaligen Verhältnis-

se. Sierra Leone ist nur ein Land unter vielen in Afrika, seine Geschichte

kann in Grundzügen auch für diejenige anderer Länder stehen, die De-

tails sind jedoch gesondert zu untersuchen. Ghana und Gambia wurden

kurz erwähnt; zwei Regionen, die unter anderen Voraussetzungen in briti-

sche Hand fielen, dann für eine gewisse Zeit derselben Logik unterlagen,

in denen die Sklavereifrage jedoch letzten Endes anders angepackt wur-

den. Die (schlechten) Erfahrungen aus eben diesen Ländern, führten

auch dazu, dass das Protectorate of Sierra Leone betreffend domestic

slavery mit den konservativsten Regelungen ausgestattet wurde.

62 Indirect rule meint die koloniale Regierungsweise der Briten unter Zuhilfenahme lo-kaler Autoritäten; diese steht im Gegensatz zur französischen direct rule, wobei die Re-gierungstätigkeit über französische Bürger geschah. Für Sierra Leone bedeutete dies, das in der Kolonie englische Bürger lebten, die mit allen Bürgerrechten ausgestattet waren, während im Hinterland Leute lebten, die von der lokalen Behörde, der native authority, ausgenutzt werden konnten. Zu diesem Thema für Afrika allgemein s. Mam-dani 1996, Citizen and Subject; für Sierra Leone Fanthorpe 2001, Neither citizen nor subject?.

32

Page 33: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Die Ereignisse während des 19. Jahrhunderts habe ich nur aus einer sehr

beschränkten Perspektive dargestellt. Wie ich bereits in der Einleitung

geschrieben habe, waren die Briten die entscheidende Akteursgruppe in

Sierra Leone. Doch gleichzeitig konnten andere Interessensgruppen mit

der Machtkonstellation und den Problemen der Briten spielen, sie für ihre

Zwecke instrumentalisieren und sich damit Vorteile verschaffen. Diese

Gruppen, seien es Händler jeglicher Couleur – und damit meine ich so-

wohl die Art des Handels als auch ihre „ethnische“ Zugehörigkeit –, loka-

le Autoritäten, gemeine, aber freie Bevölkerung, Sklaven, Kriminelle, sie

alle spreche ich nur am Rande an. Ich habe zwar betont, dass die Skla-

vereifrage in Afrika nur im Kontext globaler Entwicklungen verstanden

werden kann, ich habe diese teilweise auch angesprochen, doch für ein

besseres Verständnis wäre erstens ein detaillierter Vergleich mit anderen

Regionen auf dem Kontinent, zweitens auch eine eingehende Schilde-

rung europäischer und amerikanischer Entwicklungen (auch jenseits der

unmittelbaren Sklavereifrage) nötig. Für weitere Forschungsarbeit gibt es

thematisch somit genügend Ausgangspunkte.

Daneben habe ich auch zeitlich nur einen kleinen Ausschnitt dargelegt.

Die Thematik der historischen Ursprünge der afrikanischen Sklaverei und

deren Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert ist keineswegs eine ausdisku-

tierte; in diesem Bereich ist noch vieles im Dunkeln. Die ideologisch auf-

geladenen Diskussionen anlässlich einzelner Arbeiten zum Thema sind

noch nicht zu Ende geführt. Doch nicht nur die Geschichte vor dem 19.

Jahrhundert interessiert, genauso wichtig ist die Zeit danach – auch wenn

das Quellenmaterial und auch die Sekundärliteratur dazu natürlich um-

fangreicher sind.

Historische Forschungsarbeit zu diesem Thema bedeutet zumindest für

Sierra Leone Beschäftigung mit einem hochaktuellen Thema, wie die Zi-

tate am Anfang der Arbeit zeigen sollten.

In den letzten zehn Jahre des 20. Jahrhunderts wüteten in Sierra Leone

und Liberia Bürgerkriege, in denen die Geschichte der Sklaverei ihren

Niederschlag fand. Die Ungleichbehandlung von Colony und Protectorate

33

Page 34: bürge - die innerafrikanische sklaverei

führte zu einer ungleichen Entwicklung von Freetown und Hinterland.

Städtische und rurale Eliten, die ihre Vormachtstellung auch in nachkolo-

nialer Zeit konsolidieren oder gar ausbauen konnten, waren zu Beginn

des Krieges das Ziel marginalisierter Gruppen aus entlegenen Gebieten

des Hinterlandes, die ihre Abstammung oftmals auf Sklaven zurückfüh-

ren konnten – beziehungsweise mussten. Die Kriege sind vorüber, die un-

gleiche Behandlung der Menschen nicht; Sklaverei gehört – unter dem

Deckmantel anderer Idiome – noch zur Tagesordnung.

34

Page 35: bürge - die innerafrikanische sklaverei

BIBLIOGRAFIE

Darstellungen:

Caulker, Patrick S. Legitimate Commerce and Statecraft: A Study of the Hinterland Adjacent to Nineteenth-Century Sierra Leone. In: Journal of Black Studies 11 (4), 1981, S. 397-419.

Deveneaux, Gustav Kashope. Public Opinion and Colonial Policy in Nine-teenth-Century Sierra Leone. In: The International Journal of African Historical Studies 9 (1), 1976, S. 45-67.

Fanthorpe, Richard. Neither Citizen Nor Subject? ‘Lumpen’ Agency and The Legacy of Native Administration in Sierra Leone. In: African Af-fairs 100, 2001, S. 363-386.

Ferme, Mariane. The Underneath of Things: Violence, history and the everyday in Sierra Leone. Berkeley 2001.

Fyfe, Christopher. A history of Sierra Leone. Oxford 1962

Fyle, C. Magbaily. History and Socio-Economic Development in Sierra Le-one. Freetown 1988.

Gentili, Anna Maria. Il leone e il cacciatore. Storia dell’Africa sub-saharia-na. 5. Auflage. Rom 2002.

Grace, John. Domestic Slavery in West Africa. With Particular Reference to the Sierra Leone Protectorate, 1896-1927. London 1975.

Helminger, Michael. Britische Überwachung des Handelsverbots und Be-ziehungen zu anderen Handelsmächten im 19. Jahrhundert. (Semin-ararbeit) Zürich 2005.

Hopkins, A. G. Economic Imperialism in West Africa: Lagos, 1880-92, The Economic History Review 21 (3), 1968, S. 580-606.

Klein, Martin A. “Legitimate Commerce” and the Export Trade in the Nineteenth Century. In: Shillington, Kevin. Encyclopedia of African History. New York 2005.

Lovejoy, Paul H. Transformations in slavery. A history of slavery in Africa. African Studies Series 36. Cambridge 1983.

Mamdani, Mahmood. Citizen and Subject: Contemporary Africa and the legacy of late colonialism. London 1996.

Person, Yves. Samori: Une Revolution Dyula. 3 Vol., Dakar 1968.

35

Page 36: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Richards, Paul. Controversy over Recent West African Wars: An agrarian question? Occasional Paper. Kopenhagen 2004.

Richards, Paul. To fight or to farm? Agrarian dimensions of the Mano River conflicts (Liberia and Sierra Leone) In: African Affairs 104, 2005, S. 571-590.

Shaw, Rosalind. Memories of the Slave Trade. Ritual and the Historical Imagination in Sierra Leone. Chicago und London 2002.

Wylie, Kenneth C. The Slave Trade in Nineteenth Century Temneland and the British Sphere of Influence. In: Africa Studies Review 16 (2), 1973, S. 203-217.

Quellen:

Buxton, Thomas Fowell. The African slave trade. London 1839. In: The Making of the Modern Economy. The Goldsmiths’-Kress Library of Economic Literature, 1450-1850. Version: 3. Januar 2006. http://ga-lenet.galegroup.com/servlet/MOME?af=RN&ae=U3605984787&srchtp=a&ste=14

Canot, Theodore. Adventures of an African Slaver. An Account of the Life of Captain Theodore Canot, Trader in Gold, Ivory and Slaves on the Coast of Guinea. New York 1969 (1854).

Colonial Office, Minutes of Legislative Council 30th May 1894. In: Fyfe, Christopher, Sierra Leone Inheritance. London 1964.

Fofana, Lansana. Rights-Sierra Leone: UN Envoy Stunned by Magnitude of Child Slavery. In: IPS, 28.2. 2003. Version: 30. Dezember 2005. http://www.ipsnews.net/africa/interna.asp?idnews=16367

Kingsley, Mary H. Travels in West Africa. London 1897. In: Grace, John. Domestic Slavery in West Africa. With Particular Reference to the Si-erra Leone Protectorate, 1896-1927. London 1975.

Laing, Gordon Alexander. Travels in the Timmannee, Koorankoo and Soolima Countries in West Africa. London 1825.

Reade, Winwood. The African Sketch-Book. Vol. 2. London 1873

Karten:

36

Page 37: bürge - die innerafrikanische sklaverei

United Nations. Department for Peacekeeping Operation. Cartographic Section. Map No. 3902 Rev. 5. Januar 2004. Version: 6. Januar 2006. http://www.un.org/Depts/Cartographic/map/profile/sierrale.pdf

Perry-Castañeda Library Map Collection. Ethnic Groups. Map No. 58962. 1969. Version: 10. Januar 2006. http://www.lib.utexas.edu/maps/afri-ca/sierra_leone_ethnic_1969.jpg.

37

Page 38: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Abbildung 1: Karte von Sierra Leone, United Nations 2004.

38

Page 39: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Abbildung 2: Ethnizitäten in Sierra Leone, Perry-Castañeda 1969.

39

Page 40: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Abbildung 3: Plädoyer gegen die Abschaffung der domestic slavery, Colonial Office 1894, Minutes, S. 259.

Page 41: bürge - die innerafrikanische sklaverei

Abbildung 4: Buxtons Plädoyer für legitimate commerce. Buxton 1839, The African slave trade, S. 195-196

41