18
218 Vereinszeitlmg. 2. Die Nahrungsmittel, Das Esscii und Triiiken hat als inaterieller Thcil uiiseres Da- scins den Wisseiischaftcn und den Deiilicrn langc Zcit der iiglieren Betrachtung unwkdig gescliienen. Bis auf die iieuere Zeit hat man wolil in gastrouoinisclien Schriften oder in (I:nriositZten-Saiiim- luiigeii angemerkt, welche Lichhabereien in dcn Speisen und Ge- trLnken dieser oder jener historischer Charakter gchabt habe, aber man hat iiie iilher iiachgefragt, welchen Einfluss die Vqrliebe l<aris V. fiir Fisclie, die Friedrichs dcs Groasen fur iibermlssig rei- zeiide Gewihze, die Voltaire’s fur den reichlichcn Genuss starken Kaffecs auf das Leben und die Arbeitcii dieser gosscn b2Lnner gcliabt habe. Und doch besteht ein solcher Eirifluss der Nahrungs- niittel mirklich, cr 1;cstelit niclit bloss bei Iiiilividueii, neiii cr bcsteht auch hi ganzen T’iillrerii. Der Iiartoffelii cssende IrlLuder, der voii Rcis lcbciide Iiindu, der h’egersklave cler Tropen, der die lhiiaiic 2111’ Basis s&er Nahrung hat, sie alle sincl schwiicher als dcr voii Kiiiclfleisch KeXrZftigtc Engliiiicler. \Vie vcrschiedcii feriier ist iu denisulbcri Volk, deraclhcii Stack dcr Ariiic, der sich diirftig niihrt, yon ilcm Keichcii, der uiiter dcii seinem KGrper am mcisten zusprechenden Stoflcii clie Wahl lint, wie verschieden an Kraft, wie vcrschieden, weuu die Armuth clnrch Generationen sich fortgesetzt hat, an Sehiinheit und Rnmuth der liiirperbildung! J e gr6sser die- scr Einfluss dcr Xahrangsmittel auf den Korper und mittclbar auf deii Geist ist, uni so dankbarer hnbcn wir dic Fomchungen hiiizunuhmeii, ivelclie voii (leu Baturforsclicrii ncucrcliiigs iiber das Verhaltiiiss eum Kiirper iuid (lessen Stoffwcchscl angestellt worden siiicl. Wir freueii uiis dicses Fortschritts urn so mohr, als es die Kainen voii zwci Deutschea sind, die wir an die Spitze der iieue- stcii lleiniihungeu zu stellen haben, die Namen Justus Liebig und Jacob Moleschott. Liebig suchtc die Eutstehung dcr Gcbilde des Kiirpers am den l~estandtheilen dcr Nahrungsniittel, die Um- wandlung, welchc die lctztcrii bei ilirem Ucbergang iii die ersteren crleidcn, deii Anthcil, welchen die Nahrung aii den Lebensfunc- tiouen, z. B. der Respiration hat, deli Zusanimenhaiig znischeii deni Stofhvcchsel uiicl der I<raftcrzeugung u. s. w. nach chemiselieu Grund- siitzen zu erkliircii. Spccicller als Liebig machte sich Moles ch ott dic l’liysiologie dcr Nalrrungsn~ittcl zur cigcntlichen Aufgabe, herich- tigte Eiiiscitigkciten seiiics Vorgiiiigcrs uiid machte iicuc Xeobach- tuiigen und Entdeckungen. Voii Licbig’s Schriften gehijreii liicr- her: Die organiselit: Cliemic (IRN): dic organisclie Chemie in ihrer Aiiwendung auf Agricultiir und Physiologic (1 FjlO): die organische Cliemic in ilirer Aiiwencluiig auf Pli;5.siologic und l’athologie (1 EM); cheiiiische Uiitcrsuchiing ulxr das Fleisch uiid seine Zubereitung ziiui Nahrungsniittel (1847). Molescliott schrieb: Die Physiologie der Kalirungsmittel (18.50) ond: 1)ic Lelire der Naliruiigsmittel (1850). Diesc beiden Molescliott’sc1ir:ii Schriften crschiipfen allcs, wms nach dein jctzigcii Standpuncte der U~issenseliaft iilicr die Nahruiigs- mittel gesagt wcrdeii 1i~~1iii7 wid die 1etzt.e ist zuglcich ein Muster polrullircr Darstelhuig. Ansscr diescn beiden habcii iiber uiiscrii Gugenstand geschrielwn: T i e d e iii R 11 n : Nithruiigsbcdurfiiiss, Kah- rungstricb uiid Nahriingsinittel cles BIenschcn (I 836, zweite ganz irljeitctc Auflage 18.50\: ICii app : die X\‘,zhrnngsinittel in iliren scheii iund tcchnischeii l3cziehungcii: Frerichs: clie Vcr- dauuiig: S ch c r e r, 1% R rrl c 1 c 11 cii, G o s s e, Le 11 ni anu , Vier or d t,

Die Nahrungsmittel

  • Upload
    g

  • View
    215

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Nahrungsmittel

218 Vereinszeitlmg.

2. Die Nahrungsmittel,

Das Esscii und Triiiken hat als inaterieller Thcil uiiseres Da- scins den Wisseiischaftcn und den Deiilicrn langc Zcit der iiglieren Betrachtung unwkdig gescliienen. Bis auf die iieuere Zeit hat man wolil in gastrouoinisclien Schriften oder in (I:nriositZten-Saiiim- luiigeii angemerkt, welche Lichhabereien in dcn Speisen und Ge- trLnken dieser oder jener historischer Charakter gchabt habe, aber man hat iiie iilher iiachgefragt, welchen Einfluss die Vqrliebe l<aris V. fiir Fisclie, die Friedrichs dcs Groasen fur iibermlssig rei- zeiide Gewihze, die Voltaire’s fur den reichlichcn Genuss starken Kaffecs auf das Leben und die Arbeitcii dieser gosscn b2Lnner gcliabt habe. Und doch besteht ein solcher Eirifluss der Nahrungs- niittel mirklich, cr 1;cstelit niclit bloss bei Iiiilividueii, neiii cr bcsteht auch h i ganzen T’iillrerii. Der Iiartoffelii cssende IrlLuder, der voii Rcis lcbciide Iiindu, der h’egersklave cler Tropen, der die lhiiaiic 2111’ Basis s&er Nahrung hat, sie alle sincl schwiicher als dcr voii Kiiiclfleisch KeXrZftigtc Engliiiicler. \Vie vcrschiedcii feriier ist iu denisulbcri Volk, deraclhcii Stack dcr Ariiic, der sich diirftig niihrt, yon ilcm Keichcii, der uiiter dcii seinem KGrper am mcisten zusprechenden Stoflcii clie Wahl lint, wie verschieden an Kraft, wie vcrschieden, weuu die Armuth clnrch Generationen sich fortgesetzt hat, an Sehiinheit und Rnmuth der liiirperbildung! J e gr6sser die- scr Einfluss dcr Xahrangsmittel auf den Korper und mittclbar auf deii Geist ist, uni so dankbarer hnbcn wir dic Fomchungen hiiizunuhmeii, ivelclie voii (leu Baturforsclicrii ncucrcliiigs iiber das Verhaltiiiss eum Kiirper iuid (lessen Stoffwcchscl angestellt worden siiicl. Wir freueii uiis dicses Fortschritts urn so mohr, als es die Kainen voii zwci Deutschea sind, die wir an die Spitze der iieue- stcii lleiniihungeu zu stellen haben, die Namen Justus L i e b i g und Jacob Moleschott. L i e b i g suchtc die Eutstehung dcr Gcbilde des Kiirpers am den l~estandtheilen dcr Nahrungsniittel, die Um- wandlung, welchc die lctztcrii bei ilirem Ucbergang iii die ersteren crleidcn, deii Anthcil, welchen die Nahrung aii den Lebensfunc- tiouen, z. B. der Respiration hat, deli Zusanimenhaiig znischeii deni Stofhvcchsel uiicl der I<raftcrzeugung u. s. w. nach chemiselieu Grund- siitzen zu erkliircii. Spccicller als Liebig machte sich Moles ch o t t dic l’liysiologie dcr Nalrrungsn~ittcl zur cigcntlichen Aufgabe, herich- tigte Eiiiscitigkciten seiiics Vorgiiiigcrs uiid machte iicuc Xeobach- tuiigen und Entdeckungen. Voii Licbig’s Schriften gehijreii liicr- her: Die organiselit: Cliemic ( I R N ) : dic organisclie Chemie in ihrer Aiiwendung auf Agricultiir und Physiologic ( 1 Fj lO): die organische Cliemic in ilirer Aiiwencluiig auf Pli;5.siologic und l’athologie ( 1 EM); cheiiiische Uiitcrsuchiing ulxr das Fleisch uiid seine Zubereitung ziiui Nahrungsniittel (1847). Molescliott schrieb: Die Physiologie der Kalirungsmittel (18.50) ond: 1)ic Lelire der Naliruiigsmittel (1850). Diesc beiden Molescliott’sc1ir:ii Schriften crschiipfen allcs, wms nach dein jctzigcii Standpuncte der U~issenseliaft iilicr die Nahruiigs- mittel gesagt wcrdeii 1i~~1iii7 wid die 1etzt.e ist zuglcich ein Muster polrullircr Darstelhuig. Ansscr diescn beiden habcii iiber uiiscrii Gugenstand geschrielwn: T i e d e iii R 11 n : Nithruiigsbcdurfiiiss, Kah- rungstricb uiid Nahriingsinittel cles BIenschcn ( I 836, zweite ganz

irljeitctc Auflage 18.50\: ICii app : die X\‘,zhrnngsinittel in iliren scheii iund tcchnischeii l3cziehungcii: Frer ichs: clie Vcr-

dauuiig: S ch cr e r, 1% R rrl c 1 c 11 cii, G o s s e , Le 11 ni a n u , Vier o r d t ,

Page 2: Die Nahrungsmittel

Trwe imzeit u ng . 219

S c h a r l i n g , der Hollander Muldcr , der eiiglisch schreibcnde P e r e i r a , die Franzoscii R a r r a l , Abbadie , l < o u c h a r d a t mid R ou ss i n g a u 1 t. Voii diesen Schriftstellern ist es vorzugsweise Moleschot t , dem unsere Darstelluiig folgt.

In dem mcnschlichen liorper fiiidet eiii bestindiger Kreislauf statt. Was wir an Nahrungsmitteln in uns aufnchmen, gelangt iiis Hut , gelit aus diescm in die Werkzeuge des Korpcrs uber, erleidet dort bcstimmte Vcranderungen, kehrt in das Mut zuruck uiid wird schliesslich ausgeschieden uiid nach aussen eiitleert. So entsteht eiii fortwkhrender Stoewechsel, der den Korper durch alliniilige Umwandlung seiner kleiiisteii Theile nacli eiiier bestimmten Zeit - man sagt gewijhnlich nach siebcii Jahren - zu cinem ganz andern, gleichsam neuen macht. Dic Nahrungsrnittel zu der ersten VerPnderung, wclche sic erleiden, zur Blutbildung, zu fuhren, hel- fen verschiedeiie fliissi8e i'~1ischuiige11, welche selbst aus dem Hlute gcbildet werden : Speichel, Magensaft, Galle, Bauchspeichel uiid Schleim. Uni zu vcrstehen, wic diese VerBnderungen erfolgen, muss man die Bestandtlieile der Lebensmittcl iiis Auge fasseu. Man kennt drei Gruppen von Nahruiigsstoffen, d. h. einfachen Be- standthcilen der Nahrungsmittel, welche das Wesentliche aller Getraiikc und Speiscii ausmachcn.

1) Die anorganischeii, d. h. ohne alle mittelbare oder unmittel-

2) die organischen stickstofffrcieii, 3) die orgaiiischen stickstoillialtigen Nahrungsstoffe.

Diese Gruppcn siiid :

bare Hulfe lebender Wcseu cntstehbaren,

Die aiiorganischen Nahrungsst.offe - ICaliuni, Natrium, Calcium, Magnesium, Bluininiun~, Silicium, Eisen, Maiigan, Fluor und Chlor, zuweilen auch Phosphor, Scliwefel mid Sauerstoff, die aber eben so oft als organisch auftrctcii - siiid Chlorverbindungen und Sake der Alkalien, welche in Wasscr gel& werdeii koiinen, feriier Erd- salze und cin Metallsalz, das pliosphorsaure Eiseiioryd, welche bei- nahe sammtlich in Wasser schwer oder gar iiieht loslich siiid. Die organischen stickstoereien Nahriingsstoffe sind zum Theil fertige Oele, aus Kohlenstoff, Wasscrstoff uiid Saucrstoff zusammengesctzt, zum Theil Verbindungen von Hohlcustoff, Wasserstoff und Sauer- stof, welche sirh in Fette rerwaudeln konnen. Molescliott hezcich- uct cliese zweite Gruppe deshalb als Fettbildner. Unter den lctztern siiid die wiclrtigsteii die st2rkaniehlartigen Kikper: St,%rkemehl (Kai-toffelstlrke), Gurnmi und Zncker. Die fertigen Fctte enthalten inimer dieselbe Meiige Sauerstoff, wlhreiid der Gelialt an Kohleii- stoff uiid Wasserstoff wechselt, jedoch so, dnss in vcrschicdeiien Fctteii die Blerrgen dcs JVnsserstoffs und Kohlcnstoffs unter sich gleich sind. Bci den Fcttbildnern sind Wasscrstoff uiid Sacerstoff in gleicher Menge vorhanden, mit Ausnahme des Zuckers, der mehr Wasserstoff und Sauerstoff als die iibrigen enthillt. Die Fettc sind in Wasser liislich, bringt man sie aber mit Alkalicn zusammcn: SO scheidet sich dss sogenannte Oelsuss aus nnd dcr bei wcitem pgssere Theil bildet mit dem Alkali eiiie Seifc. Untcr den orgaiiischen stickstofialtigen Nahrungsstoffen spielen die ciwcissartigeii Korper die grosste Rolle. Alle eiitlialten fast die gleicheii B.lengcii Stick- stoff, Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, der Schwefelgchalt ist bei den eiiizelnen verschicden, bei den incistcn kommt auch Phosphor in abweichenden Mengeii vor. Die mcisten sind im fri- scheii Zustandc loslich in Wasser (gcroniiencs Pflanzeneiwciss, Pflan- zcnleiin und der Faserstoff des Huts gar nicht), alle aber in eiiier Halilosurig bei ctwas crhljhter WPrne.

Page 3: Die Nahrungsmittel

220 Vereinszeitung.

Diese Nahrungsstoffe nun 16st dcr Verdauungsprocess auf und vrrwandelt sie in die Bestandtheile des Bluts. Rei dicser Verwand- lung, die durch den Speichel und dic audern obengeuannten Fliis- siglreiten bewirkt wird, ist das Wasser sehr thitig. Dicse Fliissig- keiten enthalten einc grosse Meiige Wasser von f 370 C., welches das Kochsalz uud das Chlorkalium unserer Nahrungsmittcl, ferner die phosphorsauren, schwefelsauren und kohlensaurcn Alkalien mit Leichtigkeit anfliist. Dassclbe Geschaft verrichtet mit den Erdsalzen die im Magensaft und im Schleime des Diinnclarms enthaltene freie SBure, die auch das dem Blut durchaus unentbchrliche Eisen in lijsliche Form iiberfiihrt. Dic Verdaunngsflussigkeiten vcrwandelu ferner das Sthkemehl in Gummi, den Gummi in Zucker, den Zucker in zwei Uebergingen - Milchsliirc nnd 13uttcrsLure - in Fett. Auf die eiwcissartigen Korper wirkcn alle in den Fliissigkeiten dcs Verdauungscanals enthaltcncn Stoffe liisend. Diese Wirkungen der Verdauungsslfte und der wurmf6rmigen, reibcndeii Rewcgungen des Magens und Darms machen dic Speiscn schon im Magcn zu einem dickfliissigcn Hrei, der im Diinndarm noch mehr verfliissigt den Speisesaft darstellt, ein Gcmenge von gclostcii Chlorverbin- dungcn und Salzen, von nicht gnnz in Fett verwandeltcm Zucker, von verseiften Fctten nnd loslichem Eiweiss. Dicser Saft hat eine milchicht wcisse Farbung, dic er drin in ihm befindlichen Fett ver- dankt, uncl wird von den Speisesaftgefiissen, zum Theil auch vou dcu Blutgefissen des Darms aufgenommen. In den Speisesaftge- Fissen bildct sich bereits der Faserstoff des Bluts, und es entwickelt sich die rothe Farbe, die durch Eiscn entstcht. Durch die Spcise- rijhrc fliesst der Speisesnft dcm Elute zu.

Das Blut ist einc Losung von Salzen, eiweissartigen Karpern, Fett und Scifen, geschwiingcrt mit Sauerstoff, Kohlcnsaure und Stickstoff. Der Faserstoff und der in Blutkiirpcrchen enthaltene Farbestoff bilden den rothen Kuchen, der bci Aderlassen als Bo- densatz unter einer gelblichen Flussigkcit erschcint. Die Mengen- verhiltnisse dcr 13cstanclthcile dcs Nuts sind so, dass tauseud Theile hlenschenblut enthalten :

Faserstoff.. ................. 2 Blutkiirperchen . . . . . . . . . . . . . . 131 Eiweiss.. ................... 7 1 Chlorverbindungcn und Salzc. 5 Fett. ....................... 2 Wasser. .................... 789

Summa.. . . . . 1000.

I

_ _ _ _ _ ~

Das viele Wasscr, welches im Blut enthalten ist, vermittelt in den Haargefissen, dicsen feinsten Vcrastelungcn der Hlutgefisse, das Durchschwitzen gelostcr I%lntbestandthcile, des Frogenannten Nah- rungssaftcs, dcr die fcsten Theile unsers Korpers eutstehen Pisst. Das Wasscr sdiwitzt sclbst mit durch, nnd cs enthalten alle festen Theile Wasser, nach L i e b i g und Siebol t l dnrchschnittlich 75 Proc. Salze schwitzcn ans den HaargeAssen immer mit durch und es findet sieh in allen Gewcben eine Mcnge der anorganischcn Hestand- theile des Bluts. Die Knochen cnthalten vorwicgcnd phosphorsau- ren Kalk, die Knorpel Kochsalz, die Muskeln Chlorkalium, die Zahne Fluorcalcium, die Knochcn dieses unil kohlensauren Kalk. Auch das Eiweiss dcs Huts gelangt in fast alle Gcwebe und bildet in den Muskeln den Faserstoff, in der Wand dcr Blutgefisse den Iigsestoff, in veriinderter Gestalt als Hornstoff die Haut, die Nagel,

Page 4: Die Nahrungsmittel

Ve'ereinszeitung. 12 I

die Haare und den Ueberzug der Schleimhbute der Luftriihre und anderer innerer Theile, wie fcrner die im liiirper vcrtheilten clasti- schen Fasern und den Leini der Knochen uiid Bindcgewebe. Die Fette verandern sich ebenfalls in dem Augenblicke, wie sis die Haargefasse verlassen, um sich unter der Haut, in dem Gekriise, in der weihlichen Brust und andern Theilen anzusctzcn. Ini Gehirn findet sich das Gallenfett des Bluts unverandert wieder und auch der Phosphor dieses edelsten Theils stamrnt aus dein phosphorhal- tigen Fett des Bluts. Die Milchsiiure, die das Ulut sehr rasch ver- lbst, findet sich im Muskelgcwebe wicder.

Nicht alle StofTc, welche init Ikiliiilfe des Wassers aus den Haargefassen ausschwitzen, wcrden zu fcsten Kiirpern. Ein Theil wird von den 1)riiscn angesaninielt, um ciitweder die F'ortpflanzung oder die Verdauuiig nioglich eu ninchcii. Man ncrint diese Fliis- sigkciten Absonderungcn nnd fheilt die eur Vcrdauung behiilf- lichen ein in Speichel, Jlagcnsaft, Galle, Ihuchspeichel uiid Schleim. Der Speieliel des Blundcs enthillt cine ciwcissartige Verbindung, Alkalien, Fette uiid siimmtliche anorganische 15cstandtheile des Bluts. Das Alkali hcrrscht vor, iin Sclileiine des Mundes dagegen die Siiure. Im Magen findet inan ebenfalls eincn ciwcissartigen Stoff, der wegen des hochwichtigcn Einflusscs, den er auf die Lii- sung der eiweissartigen Korper ansiiht, der Verdauungsstoff genannt wird, ferner cine freie Slure, dieselhe Milchs';iurc, wclche ein cigcn- thiimlicher Bestaridthcil dcs Muskclflcisches ist, dann noch Koch- salz, Kalk, Eiseiioxyd und Phosphorsiiure. In dcr Galle treien zwei eigenthumliche Sauren hervor, Gallensiiure, aus den vier Grund- stoffen bestehend, und geschwefelte Gallcnsaure, welche neben Stick- stoff, Kohlenstof+', Wasserstoff uiid Sailerstoff noch Schwefel enthllt. Ihre gelblich-griine Farbe verdankt die Qalle stickstofialtigcn Farbe- stoffen, ihre alkalische Beschaffenheit dem phosphorsauren Natron. Der Bauehspeichel hat iioch nicht geniigend unsersucht werden konnen, doch weiss man, dass er eiiie stark eiweissreichc Fliissig- keit von alkalischer Beschaffenheit ist. Mit allen Verdauungsfliis- sigkeiten mischt sich Schleim, sauer in Mund, Magen und Diinn- darm, alkalisch in den1 untcrn weitcrn Thcilc des Darrns.

Die organischen Stoffe unsers Korpers liaben die Grundeigen- schaft, dass sie in ihrer Zusammensetzung sehr wenig beharrlich sind. Der Stoffwechsel ist in bestandiger Thiitigkeit, ausgebend und einnehmend. Nichts ist zcrstorender als der Sauerstoff, dem weder die Eiweissstoffe noch die Fette widerstehen. Durch die Lungen gelangt der Sauerstoff, unsere Lebensluft, in die Adern, welche das Blut nach dem Herzen zuruekfiihren, zum Theil auch i? die Schlagadern, und dringt dnrch die HaargefPsse in die Gewcbe em. Hier schon beginnt der Process der Zersetzurig uiid Ausschei- dung. Von den Zwischenglieclern dieses Processes wissen wir wenig, aber die letzten Ergebnisse sind die bekanntcn Ausscheidungen unsers KGrperE. Die Eiweissstoffe verwandeln sich zurn Theil in Iiohlensaure und Wasser, noch leichter thun dies die Fette, und die Lungen siiid es, welche dieses Wasser und diese Kohlensaure ausathmen. Es ist dies eiii fiirmlicher Verbrennuiigsprocess, denn jede Verbrennung beruht ja auf einer Verbindung anderer Grund- stoffe mit Sauerstoff. Hauptsachlich wcgeii dicser Verbrennung uhertrifi die Wlrme des mcnschlichcn Korpers, f 370 C., bestandig jene der umgcbenden Luft.

Durch das Ausathrnen geht etwa der dritte Theil des Sauer- stoffs und der Nahrungsmittel verlorcn, welche wir einnehmen.

Page 5: Die Nahrungsmittel

222 Vereiizszeitung . Ungcfiihr ein zweites Drittheil entrcriit sich mittelst dcs Harns. Dieser nimmt den bedcutenderen l'heil der Eiweissstoffe mit sich, der nicht aus den Lungeu ausathrnet und enthLlt wahrscheinlich iiur solche Ausschcidungen, welche von diesen Stoffen a?!arnmen. Das letzte Drittheil der ausscheidenden Theile Bllt zum Iheil auf den Stuhlgaiig. Es ist eine weit verbreitete hkinung, dass in die- sem nur die unbrauchbarcn Spciseiiberreste enthalten seien, doch ist dies nicht ausschliesslich dcr Fall. Allerdings bilden die absolut oder bedingt unliklichcn Isestandtheile tler Speisen den griissten Theil, allein es komnien zu ihnen auch Absonderungen des Uluts, namcntlicli Salze der Allralien und Theile dcr Verdauungsfliissig- keiten. Als lctztes hochwichtiges Wcrkzeug der Ausscheidung arbeitet die Haut. Sie nimmt Sauerstoff cin und soiidert Kohlensaure, Schweiss und Haut,fett aus. In dem Schweiss fiiidet sich RIISSC~ den regel- miissig abgestossencn Schuppen der Haut vorwiegeiid Essigsiiure, neben der fliichtige fette Siiuren, Kochsalz, Chlurkalinm und dlka- lien vorkornmen. Bei dem Hautfctt spielcn Fctt und Salze die Hauptrolle. Unbedcntendcr ist die Schleimaussclieidung, welche durch die Nase, den Blund 11. s. m. crfolgt, am unbedcutendsten jene der Thrlnen, wclche von einer schr vertluiinten Kochsalzliisung gebildet werden.

So viel dem Kiirper durch die ilusscheidungen entzogen wird, so vie1 sol1 ihm durch die Nahrungsmittel wieder zugefiihrt werden. Stirkemehl, Fctt, Eiwciss unil xnorganische Stoffi: crsctzen die Ein- busse, die wir durch das Entweichen von Salzen, Wasser, Kohlen- siiure uric1 Harnstoff crleiden. Cm diesen Tauschliantlel drcht sich der Stoffwechsel. Verniindern sich die Ansscheidungcn, so nimmt die Nahrungsbediirftigkeit ah, aber es ist nicht umgekehrt, dass wenn wir an den Nahrungsmitteln abbrechen, die Ausschcidungen abniihmen. Die Thiitigkcit der Lungen, der I-Iaut, der Blase, des Darmcanals dauert fort, menn wir auch gar nichts an Speise und Trank zu iins nehmen. Namcntlich setzt dcr Sauerstoff, den die Lungen dem darbenden Korper zuznscbicken fortfahren, seine An- griffe fort. Dann vcrschwindet zuerst das Fett, es folgen die eiweiss- reichsten Werkzeuge, Muskeln, IIerz, Mile und Leber, d a m die Ilaut, die Lungen, Knochcn und Knorpel, zulctzt voii allcn Nerven und Hirn, die doch beinahe ausschliesslich RUS Fett und Eiweiss bestehen. Das Hlnt verarmt, die Wiirme des Kiirpcrs sinkt,, zulet.zt tritt der Tod ein. In1 Durchschnitt wird dcr Mensch kaum vier- zehn Tagc leben kiinnen, doch siud Fille bekanilt, dass Lsute, welche sich des Wassertrinkeiis nicht enthiclten, trot,z absoluten Hungers viel ILnger, bis zu zwei Blonaten, gelebt haben. Der Durst ubt seine furchtbarcn Wirkungen viel friiher und dies ist natiirlich, da wir ungleich nichr Wasser als festc Nahrung im Haus- halte iiiisers Kiirpers vcrbmnchen und ehciiso ungleich mehr aus- schciden. dbgcsehen van der bedcutenclcn Wassermenge, wclche im Harn fortgcfiihrt wid , verlicrcn wir tiiglich durch Hxnt und Lungcn mehr als die HLlftc des gesammtcii Gewiclits dcr Nahrungs- mittel als Wasser.

Am einfachstcn wird man die Fragc cler Erniilirung auffassen, wenn nian sagt: es innss dcm Kiirper allcs zugefiihrt werdcn, woraus seine verschiedcnen Ocbilclc bcstehcn. h n s diescin Vordcrsatze crgiebt sich als nothwcndige Folgermn~, dass die Nahmng eine mannigfdtige sein inuss, wcil die Uestxiitlthrile dcs Kiirpers nian- nigfaltig siud. Dic linocheii enthalteii phosphoraauren Iialk, die hluskeln Eiwciss, das Gehirn Fctt 11. s. w., uucl alle diese Uestund-

Page 6: Die Nahrungsmittel

Vereinszeitting. 233

theile sind dem Stoffwechsel unterworfen, werden ausgeschieden und wollen ersetzt sein. Etwas Anderes wiirc es, wenn die Grund- stoffe sich in andere verwandeln liessen, weiin aus den anorgani- schen Nahrungsstoffen stickstofffreie organische, ails diesen stick- stoffhaltige wurden. Dann konnten wir uns mit einem Nahrungs- stoffe begiiiigen und dem Kiirper es uberlassen, die monotone Speise seinen verschiedencn Bediirfnissen anzubeqnemen. Allein eine solche Verwandlung findet nicht statt und deshalb m h e n wir unsere Nah- rung aus den drei Gruppen der organischcn und anorganischen Stoffe mischen.

Siiid Stoffc aus jeder dieser drei Gruppcn gleich unentbehrlich, so werden sie doch in verschiedcncr Menge crfordcit. Die hlischung des H u t s giebt den best.en Anhalt. Dasselbe enthilt mehr Eiweiss als Salze, mehr Salze als Fett und diescs selbc Verhiiltniss sol1 auch in dem Nahrungsmittcl obwalten. Ein Nnlirungsmittcl, welches dcr Zusammensetzung des Bluts entspricht, ist am verdaulichsten, das heisst es wird am leichtesten in Blutbestniidtheile umgewandelt. Es wird abcr noch das Dritte erfordert, dass das Nahrungsmittel in den VerdaunngssLften leicht liislich sci. So sind losliches Ei- weiss und FaserstoE beide im Blut enthaltcn, alxr das Eiweiss lost sich leichter in den Verdauungssiiftcn und verdient dahcr vor dein Faserstoff den Vorzug. Auf der andern Scite ist Fctt, in nicht zu grosseu Mengen genossen, leichter vcrdaulich als Gummi. Das Fett gehiirt j a zu den wesentlichen Bestandtheilen des Hluts und ist mithin zur Aufnahme in dasselbe fertig, wlhrend der Gummi ziivor erst die Verwandlungen in Zucker, kIilchslure, Butterssure und Fett durchmachen muss. Wir nennen die Nahrungsmittel die nahr- haftesten, welche die vcrdaulichsten, die meistcn und die richtigst gemischten Nahrungsstoffe enthalten. Die Vcrdaulichlceit bezeich- net die Schnelligkeit., mit welcher die NahrnngsstofTe ciner Speise sich in Bestandtheile des Bluts verwandeln, die Nahrhaftigkeit aber die Menge der Stoffe, welche eine Speise dem Hlut zufuhrt. Nach dicsen Vorhemcrkungen gehen wir nun zu den einzelnen Nahrungs- mitteln iiber.

1) Fle isch u n d Eier . Das Fleisch, das wir geniessen, kommt hauptslchlich von Pflanzenfressern, namcntlich voii Wicderkhern und Vielhufern. Das Fleisch dieser beidcn Classcn ist ziemlich lhnlich znsammengesetzt, so dass wir bloss auf eine Art nlher ein- zngehen brauchen. Wir wiihlen das Ochsenflcisch. Dieses enthllt alle drei Gruppen der Nahrungsstoffe und cignet sich darum so vorziiglich zum Lebensmittel. Die stickstoffhnltigcn Bcstandtheile bilden das Eiweiss, das in den Fleischfasern, i n dern Nahrnngssaft, der die festen Theile des Ochsenfleisches umgiebt, und in dem Blute, das die zahlreichen Blutgefisse fullt, vorhandcn ist. Auch der Lcini, der die feiiien bluskelfasern umgicbt, wird in unserm Kiirper zu Eiweiss. Die etickstofffreieii Bcstandtheile bestclicn aus Fetten, namentlich aus Talgstoff und a m Milchsgure. Die eigen- thiimlichen anorganischcn Hestandtheile sind Chlorkalinm und phos- phorsaures Kali. Der Wassergehalt ist so Iiedeutciid, dass er durch- schnittlich mehr als &ei Viertheile des gaiizcii Ocliscnfieisches be- triiigt. Dies gilt vom rohe:; Flcischc, durch clas Roclicii untl 13r:iten eutstehen Veriindermigen, welche die Vcrdaulichkcit dcs Ochsen- fieisches di6hen. IJrisrrc IIaiisfrxncn wissyii, dass Flcisch, das niit kaitem Wasser mgcvctzt wird, ciiic vortr liche 13riilic gicht, w i i h rcnd dns Fleisch, wenn es in liochcndes Ciisser gelegt wirtl, sriiie Sliftc bchllt. L i e b i g erliliirt dicse altlJckannten Ersclieiiiuiigen.

Page 7: Die Nahrungsmittel

224 Vereinszeitung.

Legt man das Fleisch in kochcndcs Wasscr, so bildet das in der Siedhitze gerinnende Eiweiss dcs Saftes uni die Fleischfaser eine iiussere schwer durchdringliche Hiille, welche die Eiiiwirkuiig des Wassers auf das Flcisch hindert. Das letztere wird mithin iiur sehr wenig ausgelaugt: es hchalt seine liraft. Handelt es sicli in der Haushaltung iim das Fleisch selbst,, niclit um die Briihe, so sol1 man das Fleisch in kochendes Wasser thun. Will man dage- gen cine mijglichst kraftige 13ruhe, so setzt man das Fleisch mit kaltem Wasser an. Dann gchen nanilicli die liislicheii Stoffe, ehe cs eum Gcrinncn des Eiwcisscs gckoinincn ist, rcichlich in das Wasser uber und man erhalt eine schniackhafte krlftige Briihe. Bei dem Braten bildet sich gleichfalls cine Hiille geroiiiiencr Ei- weisskorpcr, welche dcn Sxft nicht ausfliessen 1Lsst. Ein Tlicil der Fette wird ersctzt und es cntsteht iu Folgc der Ilitze ein iieuer wichtigcr Stoff, die Essigslurc, welche die Liisung der ciweissxrtigen Bcstandthcile erlcichtcrt. Das Fleisch mird dadnrch vcrdaulicher, der Essig macht das Fleisch liurz, sagt man in der Volkssprache. Zur grossern Verdaulichkcit dcs gebratencn Fleisches triigt noch das bei, dass das aussclimelzendc Fett mit alkalischen Rlut,saft iii Verbindung kommt uiid dadurcli loslicli wird.

Das Fleisch der Schafe und Rehe stimmt am genauestcn mit dcm Ochscnfleisch uberein, nur ist das Fett der Schafe noch reiclier an Talgstoff, also iioch hirtcr. Schweincfieisch enthiilt nichr Fett, dagegcn weiiiger Eiweiss als Oclisenfleisch und ist sowohl weniger nahrhaft, als schwcrer verdaulich, das letztere darum, weil die Ver- dauungsflussigkeiten riel Fett nicht ZII lSscn im Stande sind. Die wilden Thiere habcn wcnigcr Fctt und mehr Flcischstoff als die Hausthicre. In dersclbcri Tliicrgattuiig ist das Fleiscli jungcr Thiere arnier an Faserstoff, aber reiclier an liislichem Eiwciss, leimgchcn- den Fasern uiid Wasser, als jcnes der Hltcrn, uud aus diesein Gruude earter. Das Fleisch von Tauben und Huhnern ist verdaulicher als Kalbflcisch, dieses wieder verdaulicher als die Muskeln von Ochsen, HLnimeln und Eehen. Der licichthum an Fett ist die 1Jrsache, warum Schweine und Giiiisc zu den scliwcrvcrdaulichsteii Speiseii gchorcn. Wir mIstcn dicsc Thiere mit lautcr Fettbildnern, Hiiheii, Kai-toffeln, Mais u. s. w., wodurch die Menge dcs Flcischstoffs ab- nimmt, jene des Fetts zunimmt. Das Wildpret ist mager, hat aber viel Fleischstoff, dem cs auch seiiien Wohlgeschinack verdankt. Im Hause gefiittcrte Hasen, Kaniiichen, Kebhuhner verlieren den Wilclpretgeschmack, wcil sie an Fctt zunchmen. Sonderbarer Weise entsteht durch das Entmannen der Thiere, das doch auch die Fett- bildung begiinstigt, ein grijsscrcr Wolilgeschmaclr, was die Chemie noch nicht erklart hat. Do das an eiweissartigen Iioryern rcichste Fleisch auch das nahrhafteste ist, so sind Taubeii uiid Huhner nahrhafter als Ochsen oder Xehc. Dass die letztern nahrhafter als Kilher sind, obgleich Kdlber mchr losl iches Eiweiss enthaltcn, kommt theils von ihrcm grossern Gehalt an Eiweiss uberliaupt (das durch das Kochen und Braten liislich wird), theils von ihrem bedeu- tcnderen Reichthum an Faserstoffen. Sclimeinefleisch ist weniger nahrhaft als Ochsenfleisch, weil cs unverdaulicher und zugleich armer an Eiweiss ist, Kalbflcisch eiweissreicher, also nahrhafter als Fisch, der zugleich wegcn seines Gehalts an phosphorhaltigem Fett schwerer vcrdaulich ist.

Die Eingeweide der Tliiere, Leber, Hirn, Nici.cn, BrGschen (Kalbsmilch), kommen in ihren Restandtheilen dem Fleisch sehr nahe. Alle enthalten viel losliclies Eiwciss, insbesondere die I3roschen.

Page 8: Die Nahrungsmittel

Vereimseitung. 225

Lange hat niau sich liinsichtlicli der Nahrliaftigkeit clcr I<iloclien geirrt. Schon in der cnglischcn Restauration wolltc ma11 die Kum- ford'schen Suppen cinfuliren, ging abcr davon ab, weil Spotter Karl 11. Hunde zulaufcn liessen mit Uittschriftcn um den Hals, class inan ihiien ihre Spcise lassen miige. Die franziisische Revolution fiihrte diese Suppen ein, doch blieben sie nicht lange im Gebrsuche, da die Erfahrung lehrte, dass sie zu schwcr verdaulich und zu wenig nahrhaft seien. Die noch jetzt hier und da vorkommenden Bouillon- tafeln, aus Knochen bereitet, enthalten nichts als Leim, beschweren den Korper und geben wenig Kraft. Will man Bouillontafeln be- reitcn, so lasse man Fleischbriihe gallertartig einkochen.

Fleisch ist am besten geeignet, die verlorenen Theilc unserer Muskeln zu ersetzen und kriiftige Muskeln zu erzeugen. Alle fleisch- essenden Volkerschaften zeichnen sich durch derben Muskelbau und feurige Bewegungen &us. ,Fleisch maclit Fleisch', sagt das Sprichwort mit Recht. Fische essende Vijlker sind weniger kraftig, denn in den Fischen findet sich kaum mehr als 314 dcs Faserstoff- gehalts von Vogeln und Siiugethieren, und der Wassergehalt des Fischfleisches steigt auf 4/5 ultd hiiher. Am nachsten kommt dem Fleibch das Ei. Dotter und Eiweiss bcstehcn hauptsaclilich aus eiweissartiyen I<Brpeim, sie haben Fett und besitzen auch die Salze uiid Chlorverbindungen des Bluts. Weichgesottene Eier werden leichter geltist zls hartgesottene. Da aber das geloste Eiweiss in der Siure des Magensafts gerinnt und hinterher wieder gelost wird, so thut das Hartkochen, weiin man es nicht iibertreibt, der Ver- daulichkeit der Eier keinen wesentliclien Eintrag.

Alle Gctreidearten enthalten einen eiweissartigcn Korper, wegeu seiner klebrigen Beschaffenheit Kleber genanut, Fcttbildner (Gummi und Stirkemehl), fertiges Fctt und die anorganischen Bestandthcile des menschlichen Kiirpers niit vor- herrschenden phosphorsauren Alkalien und Erden. Der Kleherge- halt bedingt die Nahrhaftigkeit der einzelnen Getreidearten im Ver- hiiltniss zu einander, denn an Fettbildnern haben allc Ueber5uss, am meisten der Mais, der aus diesem Grunde so Llufig zum Masten benutzt wird. Nach dem Klebergehalt reihen sich die Getreide- arten, mit der nahrhaftesten angefangen, wie folgt : Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Heis, Mais. In dem letzten findet man kaum den siebenten Theil dcs Klebergehalta im Weizen. Durch das Mahlen des Getreides cntfernen wir gcrade die kleberhaltigsten Theile des Getrcidekorns, die sogenannte Kleie. Mit dieser futtern wir die Thiere und es scheint demnach, als ob wir eine grosse Verschwen- dung begingen. Dcm ist jedoch nicht so. Die in der Kleie ent- balteneii Nahrungsstoffe' haben einen festen Zusammenhang und werdcn durch eine Schicht von Zellenstoff, welche sie bedeckt, der Auflijsung durch die Verdauungssafte entzogen. Es gehoren die kriiftigsten Vcrdauungswerkzeugc dazu, um Klcienbrod zu verdauen. Hiiufig verlasst die Kleie in unverdautem Zustande dcn Korper, und es ist daher gcrathcn, diescn Nahrungsstoff dcn Wiederkaucrn zu iiberlassen.

Das Srod ist fester als das Flcisch, sein Wassergehalt erreicht noch iiicht den dritten Theil seines Gewichts. Es ist aber nicht so verdaulich, schon wegen des Klcbers, der sich in dcn Verdauungs- fliissigkeiten schwcrcr lost sls die Muskelfaser. Das Fleisch ist nahrhafter, wcil cs mchr eiweissartige Bestandtheile enthiilt, auf der andern Scite ist das Brod fur das Fctt, das dem B l i t durch die Ausschcidungen ciitzogeii wird, cinc vicl ergiebigcrc Quelle als

2) I3 r o d u 11 d K u ch en.

Arch. d. I'horm. CXXXILBds. 2. IIft 1 5

Page 9: Die Nahrungsmittel

226 Vereinszeitung . das Fleisch. Dies bedingen die ini Mehl enthaltcnen Fettbildner. D a das Blut nur eine geringe Menge Fett in sich tragt, bleibt trotz der Fettmenge des Urods der Vorzug gosserer Nahrhaftigkeit dem Fleisch. Dcr Hnchen enthilt neben Mehl Eier, Fett, Zucker, verschiedene Wiirzen, auch wohl Obst. Er ist schwer verdaulich, was man mit Unrecht dem Zucker zuschrcibt, dcnn diesc Eigen- schaft wird bedingt durch die den Verdauungskraften nicht ange- messene hfenge von fettigen Zuthaten. Die Eidotter, in denen vor- zugsweise das Fett der Eier zu suchen ist, die Butter und die iiligen Mandeln maclien den Kuchen nm so unverdaulichcr, je reich- licher sic demselben um des Wohlgeschmacks willcn beigemischt werden.

In der ersten Gruppe, welche die nahrhaftesten Lebensmitt,el vereinigt, nchmcn die Iiiil- senfriichte nebcn Brod und Fleisch eine vorzugliche Stelle ein. Allen ist ein eiweissartiger Stoff, der sogenannte Erbienstoff, gemein- Sam, und dieser iibertrifft sowohl den Klebergehalt dcs Brodcs, als den im Fleisch enthaltcnen Faserstoff betrachtlich. Bohnen, Erbsen und Linsen bcsitzen ferner Fettbildner, viel Stirkemehl, eine nicht unansehnliche Menge Gummi und zuweilen etwas Zucker. In allen sind cndlich alle Chlorverbindungen und Salze des Isluts vorhanden. l lcr Wnssergchalt betriigt bei ihnen wenig mehr als den scchsten Theil dcs Gewichts, Fcttbildner und Sake sind bci ihnen reich- licher vcrtrctcn als im Flcisch, im Gehalt an eiweisshaltigcn Kiirpern konncn sie das Fleisch um die Hlilfte iibcrtreffcn. Da sic B1nt nnd Flcisch rcichlich bilclen, kann der Arme durch sie das Fleisch ersetzcn. Der l'hosphorgehalt dcs Erbsenstoffes ist betrachtlich nnd ohne phosphorhaltiges Fett kann dns Gchirn nicht bcstehcn.

In dcr Verdaulichkeit stehen die Hiilsenfruchtc zwischcn Fleisch nnd lhod in der Mittc. Sie cnthalten in dem Zcllcnstoff, clcr in Wasscr nnliislich ist, eincn schwer verdaulichcn Bcstandtheil, aber tlic Zubcreitung kann .him viel thun. Driickt man die Hiilsen- friichtc, nachdem clas TCoclien die Sclialeri gcsprcngt hat, durch ein Hsarsicb, so cntfcrnt man die Theile, wclche den Korpcr am meistcn beclriicken. Man sollte Hiilscnfriiclite auch nie in Brunnen- wasser kochen, da dieses Kalkthcile enthalt und den Erbsenstoff zu einem harten Iiijrper macht. Im Regcnwasser, das weniger Kalk cnthiilt, bleibcn die Hiilsenfriichte weich. Im Rcgenwasser wird ein crhcblichcr Thcil des Erbscnstoffs gcliist, und man solltt: iltiher dic Hiilsenfriichte als Suppe geniesscn.

4) D i c Qemiise. DieVolksmeinung riihmt den1 Ucmiise iiach, dass es cine ,,blntverdiinncnde Spcisc" sei und empfiehlt es XIS Begleiter das Flcisches. In der That ist der biirgerliche 'l'iseh, der Gemiisc und Flcisch vereinigt, eine sehr gliickliche Zusammensctzung. Wollte man allcin von Gemiisen leben, wie es gegcnwartig einc Sccte von Gcmuseessern will, so wurde man bald in den Zustand von Mnskelschwlche verfallen, den wir bei den von Krhtern leben- den Viilkcrn mahrnehmcn, und anch dcm Gehirn zu wenig Stoff zufiihren. Was dic Geniiisc zu so geeignctcn Bcgleitern des Flei- sches macht, das sind dic in ihncn enthaltcnen Siiuren, wclche, von Chlorverbinclungeri und Salzen unterstiitzt, das liisliche Eiweiss dcs Flcisches in Losung erhalten, mithin das Flcisch in Stand setzen, durch Verdauung in die Bestandtheilc dcs Kijrpcrs iiberzugchen. Gewisse Gcmuse enthalten dicse Siiuren in besonders reichlichem Maasse. Zu dicscn gehort das Sauerkraut, bci dem die Giihrung Milchshirc und ButtersSue erxcugt. Manche Kohlarten werden

3) E r b s e n , B o h n e n i ind Linsen .

Page 10: Die Nahrungsmittel

Vereinszeitung. 227

aber schwer verdaolich durch den %ellstoff, den sie am reichlicfi- eten im Strunke enthalten. Vie1 Nahrnngsstoff darf man in den Gerniisen nicht suchen. Die Kohl- nnd Iirautartcii, der Spinat und Sauerampfcr, der Salat und Hopfen, der Portulak und Spargel ha- ben so vie1 Wasser, dass dasselbe ncun Zehnthcilc ihrcs Gewichts ausniacht. In allen besteht ein verhilltiiissmBssig kleiner Theil des Gcwichts aus Fettbildnern, und der Eiweissgehalt macht kaum 1 /~00 am. In Weisskraut und Spargeln, Salat und Rosenkohl herrscht das Iiali bedeutend vor, im Spinat halt dernselben clas Natron das Glcichgewicht. Im Salat hat man Spurcn von hIangan entdcckt, in den Spargeln eine eigenthiimliche stickstoffhaltige Spargelsilurc, welche harntreibend wirkt.

5) l i a r t o f f e l n u n d Ruben. Alle die hierher gehorigen Nah- rungsmittel, zu denen ausser den Kartoffeln nnd Ruben die Schwarz- wurzeln, Lauche, Sellerics, Schalottcn, Zwicbcln, linoblanchc, Ra- diesclieii und Rcttige gehoren, stehcn in der Classc der Wurzeln. In allen sind viele Fettbildner entlialtcn, die dcn fiinfteu bis vier- ten Tlieil dcs Gewichts ausmachen, abcr schr wenig Eiwciss, ctwa l / l o o ~ selten 2/100. Die Kartoffeln zeiclineii sich durch ihren Gchalt an btarkemchl aus, die gelben und rothen Ruben wie die Schwarz- murzeln durch Zuckerreichthnm, die weissen Ruben, Schalottcn, Zwiebeln, Rcttigc durch die sogenannte Pflanzengallerte, die ebcn- falls ein Fcttbildner ist. Mchrere Wurzeln liaben ein scharf in den Gcschiuack odcr Geruch fallendes fluchtiges Oel, das im Korper auf mehrfwhe Art anrcgend wirkt. Die organischen Siiuren der Gcmiise kommen in den Kartoffeln und andern Wurzeln stlrlrer odcr geringer vor, die Kartoffeln enthalten auch slle anorganischcn Gruntlstoffc unscrs liiirpcrs mit Ausnahme eines einzigcn. Kartof- feln und Ruben sind nahrhafter und verdaulicher als die Gemiise, Kartoffetn uiid Mohrrubeti zeichnen sicli in beideii Beziehuiigeu aus, die Molirriibe nainentlich durch ihre Verdaulichlteit. &lit Fleiscli, Erod nnd Iliilsenfriichten konnen abcr Kartoffeln und Riiben, was die Xahrliaftigkeit bctrigt, nicht entfrrnt einen Vrrglcicli aushslten. Es wLrc cin grosses Gliick, wenn man clie IZartoffeln, deren Ver- dienst voii der Uiiltenntniss so hdufig uberschltzt ivird, ausschliess- lich zur \‘ichniast verwenden ltdnnte. Die Kartoffel kann mittclst ihrcr Fettbildner das H u t und die Gewebc rnit Fett iiberfiillcn, aber sic kann das Rlut nur drmlich mit Eiweiss versorgen, den NIuskeln keinen E’aserstoff und kcine liraft liefern. Eiri Armer, dcr sich nur m i t liartoffcln nlhrt, biisst endlich die Rraft ein, die er branclit, nui sich RUS seincm Zustandc eniporzuraffcn. Ganzc Bevolkerungcn konncn am Endo nur die leichteste Arbeit verrieh- ten. Als IS47 zu Anfang der Thcuerung Landwirthe dcr slchsi- scheri Ebene Kartoffelesser des Erzgcbirges zu sich nahmen, musstcn sic ihre Pfleglingc lingere Zeit niit Fleisch und Brod nlhren, elie dieselben zu den gewijhnliclisten Verrichtungen des Ackcrbsues geschickt wurdcn. Reis und Mais, die gehaltlosesten Nahrnng.6- mittel ails dcr Gruppe der nahrhaften Speisen, sind nicht nur ciwciss- haltiger als die Kartoffeln, sondern ubertreffen diese auch an Starke- mehlgelialt beinahc urn das Vierfaache.

8) I)as Obst. In der Nahrhaftigkeit stehen unsere Obstartcn zwischcn dem Gemuse und den Wurzeln in der Mitte. Dcnnoch vcrdicnen sie vor den Kartoffeln insofern den Vorzug, als die iible Eigenschaft, das Hlut mit Fett zu uberladen, ihnen fehlt. Die Obstartcn enthalten wenig Eiwcissstoff, mchr Zcllstoff und Pflanzen- gallerte, Gummi und Zucker, und behaupten im Wassergehalt zwi-

15 *

Page 11: Die Nahrungsmittel

228 Veveinszeitzmg.

schcn Gcmiiscn und Wurzcln die Mittc. Dmch die rcrscliicdeiisten Sluren, die von Salzen untcrstutzt werdcn, wirkcn sic liiscnd auf die Eiweissstoffc, also die Verdauung befordernd. Sic rcrdunnen das I h t , sagt man mit Rccht. Im rcifen Obst ist noch mchr Sdure als im unreifcn, allcin sie wird durch den ~ o s s e r e n Zuckergehalt gcmildert. Kocht man das Obst, so bildct &h erst eigcntlich dic Pflaiizcngallerte aus, welche die andern Saurcn abstumpft und die Verdauungscanlle gegcn die Einwirkung derselben schiitzt. Man- deln, Niissc und Kastanien gcliorcn in chcmischer Bezichung nicht Zuni Obst. Sic cnthalteii schr wenig Wasscr, die Kastanicn viel Starkcmehl, die Mandeln und Niisse riel Ocl und nahern sich cnt- schicdcn dcr Classe dcr nahrhaftcn Speiscn.

Dcr Spracligcbrnucli strrlubt sic11 dagegcn, das Wasser untcr die Nahrungnmittel aufznnehmen, und doch ist es clas uncntbehrlichste vou allen. Oline Wasser ware weder Ver- dauung noch Blutbildung, wedcr Ernahrung noch Absondcrung moglich. Es ist das Mittcl, allc gelostcn Stoffe in Bcwegung zu erhalten und den Werkzeugcn clie nothwendige Feuchtigkcit zuzu- fuhren. Damit erschopft sich seine Wiclitigkeit noch nicht eiiimal, dcnn seine Bestandthcile Wasseretoff und Saucrstoff gchen in die Zusammensetzung vieler Nahrungsstoffe ein, indcm sich diesc in Bestaudtheile des Bluts verwandeln. Ohnc Wasser kann nus Stilrke- mehl oder Gummi kein Zucker wcrden, ohnc die Ausschcidung von Sauerstoff aus Zucker kein Fett. Zu dcii wcscntlichcn Bestand- theilen des Wassers trcten Salze, die es in seiner Arbcit untcr- stiitzcn. Obst und Goniiise brauchcn wir nicht durch Wasser fliissig zu machcn aber von diesen Nalirungsmittcln konncn wir nicht lcben. FlAsch, Brod und Hiilscnfruchte enthalten nicht so viel Wasscr, dass sie dem Blut seine gehijrige Mischung erhalten konn- ten. Die Natur zwingt uns, dnrcli Wasswtrinkcn dcm Bediirfniss ahzuhclfen, indeni sie die nahrhaftcstcn Speisen den meisten Durst erzeugen liisst.

8) D i e Milch. ,,Die Milch ist Speise und Trank, cine Quelle dcs Eiwcisscs und der Fette, des Zuckers und dcr Salze, mit eincm Worte dns Nahrungsmittel der Nahrungsmittel", diescs Lob crtlieilt Molcschot t dcr R.Iilch. Ihren Inhalt hilden Kiisestoff, cler zu den eiw eissartigen Iiorpern gehijrt, Buttcr, also cin fcrtigcs Fctt, hlilch- zucker, der cin Fettbildner ist, die wichtigstcn Blutsalzc und cin Wassergehalt, grosser als er im Blut, Urod und Fleisch vorkommt. Diese Zusammensetzung crklirt uns, dass dic Milch wiihrcnd cines ganzen Lebensabschnitts dic 13lutmischung allcin zu crhaltcn ver- mag und dass Grcisc, dcrcii Korperzustand im h6chstcn Grade ge- schwiicht ist, zu dicscm primitiven Lebcnsmittel zuriickkehren. Zu ihren nalirendcn Eigcnsehaftcn stellt sich als gleich werthvolle Eigen- schnft ihre lcichtc Vcrdaulichlrcit. Ihr Kiiscstoff gchort zii den 16s- lichstcn Eiweisskerpcrn, ihr Milchzuckcr ist nach dcm Traubeiizucker der vcrdaulichstc allcr Fettbilclncr und wird im Iiorper uni so leich- ter vcrnrbcitet, als 13utter und Kiiscstoff, die iliu bcglciten, seine Verwandlung in Fctt erleichtcrn. Dicscs Lob dcr Verdauliclikeit gilt jedoch niclit unbediiigt, indcm Buhmilch wegcii ilircs grossern Buttergchalts schwachen Vcrdauungsmcrkzeugcn Schwicrigkeiten macht. Nicht in dlcn Fiillcn wird dieser Nachthcil durch das Abrahmcn bescitigt. Fur Kranke rcrdient Esclsmilch, da sic reich an Zucker und arm an Fett ist, unbedingt dcn Vorzug. Buttcr- milch entlillt noch iinmer cine Spur ron Butter und bcinahe allen

7) D a s W a s s cr.

Page 12: Die Nahrungsmittel

Vcvei)zszcitting. 229

Milchzucker, den Kasestoff und die Salze, von dciicn niir wei~ig in die Butter iibergeht.

9) K a f f e e , T h e e u n d C h o k o l a d e . In ihren iibrig.cn Be- standtheilen verschieden. haben Kaffee und Thee zwei iihnliehe organische Sauren und 'ganz dieselbe stiekstofflialtige Basis, die man wegen dieser volligen Ucbercinstimmung bald Theestoff und bald Kaffeestoff nennt. Der Kakaostoff, der die Basis der Choko- lade ausmacht, ist noch reicher an Stickstoff als der Thecstoff. Vermoge ihres sehr reiehliehen Eiweissgehalts ist die Chokolade nahrhafter als die beiden aridern GctrPnke, aber wegen ihres Fettes auch schwerer verdaulich. Man hat auch Thee und Kaffee friiher nahrhaft genannt, jedoch init Unrecht, denn der in ihnen enthaltene Theestoff entleert rasch dureh die Blase, und clas geringe Eiweiss, welches der Thee, der wenige Erbsenstoff, den der Kaffee enthalt, treteii in den Aufgiissen, die von uns getrunken werden, noch diirf- tiger auf. Dadurch, dass sie die Absonderung der lijscnden Safte vermehren, fdrdern Thee und Kaffee die Verdauung. Ihre Haupt- wirkung besteht indessen in der Erregung, die sie den Nerven und dem Hirn mittheilen. Der Thee ruft ein Gefuhl voii Wohlbehagen und Munterkeit hervor, stimmt zum Nachdenken und halt die Auf- merksamkeit bei einem bestimmten Gegenstande fest. Im Ueber- maass genossen, erweckt er Eingenommenheit des Iiopfes, Unruhe, Schlaflosigkeit, welche Zustinde dcm in ihm enthaltenen fliichtigen Oel zuzuschreiben sind. Der Kaffee, der das Denkvermogen eben- falls erregt, iiussert seine Wirkung doch mehr auf die Einbildungs- kraft, die dureh ihn eine viel grossere Lebhaftigkeit erhllt. Die Gedanken und die Vorstellungen drilngen sich, die Wiinsche werden gliihender und troiz der gesteigcrten sinnlichen Wahrnehmung und Beobachtung ist eine ruhige Priifung schwer. Tririlt man zu viel Kaffee, PO entsteht ein Rauseh, der mit Schlaflosigkeit verbunden ist. Um dieser Folgen willen hat man den Kaffee in friiheren Zeiten hanfig verboten. Die Cichorie, die man so haufig als Ersatz des Kaffees benutzt, enthdt kcinen der eigenthiimlichen Bestand- theile desselben, wohl aber reiehlich Fettbildner und kommt an. Nahrungsgehalt etwa dem Zuckerwasser gleich.

10) B i e r , W e i n u n d B r a n n t e w e i n . I n allen gegohrenen Getranken ist Weingeist oder wasserhaltiger Alkohol der berau- schende Stoff. Alkohol entsteht nnr aus Zucker oder Zuckerbild- nern und deshalb kann man aus nllem, was viel Zucker enthalt, ein berausehendes Getrank machen. Die Volker haben dies immcr gewusst; ehe es eine Chemie gab, hat man aus Stutcnmileh, Honig, Palmensaft gcistige Getranke bereitet. Darum kann aueh die Kar- toffel Weingeist geben, weil ihr Starkemehl durch Siiuren in Tran- benzucker iibergeht. Nur dieser ist unmittelbar giihrungsfiihig, allc andern Zuekerarten sind es mittelbar. Die Hefe, ein eiweiseartiger Korper, erregt die Gahrung, ist diese vollendet, so geht der Zucker in Alkohol und Kohlensaure auf. Die Menge des Alkohols ist in den einzelnen sehr verschieden. Bei Bier ist derselbe 1/100, bei Ale B/,oo, bei Wein 7/100 his 26/100, bei dem stirksten Rranntwein 5*/100 des ganzen Inhalts. Was die Nahrhaftigkeit betrifft, so steht gutes Bier etwa dem Obst gleich, Wein dem Zuckerwasser, nranntwein nielit einmal diesem. Alle geistigen Getriinke dienen abcr den1 Korper in einem gewissen Sinne, weil sie die Absonderung dcr Ver- dauungssiifte vermel~en und die Losung der Nahrung fdrdern. Es ist daher ganz richtig, wenii man zu schmer verdnulichen Speisen Branntwein trinkt, oder wenn man sagt, ,der Branntwein reizt den

Page 13: Die Nahrungsmittel

230 Vewinszeitzmg.

Magcn." Bei soleiinen Mittagsessen diirfte der Wein nicht fehlen, ohnc dass der Korper seine Abwesenheit nachthcilig empfande. Im Uebermaass genossen erzeugen die geistigen Getriinke eine Verhiir- tung des Magens, welche die Verdauung und mit ihr die Blutbil- dung hindert. Noch eine andere Wirkung haben V i e r o r d t und Sc l ia r l ing nachgewieseii und Moles cliott sic in seiner ,,Lehre der Nalirungsmittel fiir das VolkY vortrefflicli geschildert. Er sagt in diesem wcrtlivollen Buche: ,,Der Slkohol, der Hauptstoff des Branntmein3 und der wichtigste Bcstaiidtheil in Bier und Wein, ver- wandelt sich niclit in rincn wescntliclieii Iiestandtheil des Bluts. Des- halh kann er nicht unniittclbaren Ersatz bewirken und den Namen eiiies Nahruiigsstoffcs wrdient er al1crdings nicht. In das Blut ge- langt er demioch. Durcli Sauerstoff, den wir einathmen, wird er im Blut zu Essigsiiure und Wasscr und endlieh zii Wasser und Kolilensaure verbraiint. Der Sauerstoff aber, der den Alkohol zer- setzt, wird den EiweisskGrpcrn und den Fetten des Hluts entzogen. Indem cr selbst leicliter brennbar ist, schiitzt dor Alkohol die Be- standtheile des Bluts )'or der Verbrennung. Und wenn nun ausscr- dem Versuche und l<eobaehtungen beweisen, dass alkoholische Getriinke die Menge der Kohlensaure, die wir ausathmen, iibcrliaupt vermindcrn - off'enbar weil ein grosser Thcil dcs ci~igeathmctcn Sauerstoffs den Wasserstoff des Alkohols in Wasser verwandelt - dann miissen wir aus doppelten Griinden iiberzeugt sein, dass der Alkoliol die Verbrennung der Blutbestandtlieile massigt und somit die erste Ursaehe des Bediirfnisses naeh Ersatz. Wer wcnig hat. muss wenig geben, wenil er so vicl iibrig behalten will als ein .4n- dercr, dcr Reichthum mit Freigebigkeit verbindet. Der Alkohol ist riric Spnrbiichse, wenn man den Ausdruck verstehen will. Wer wcnig isst und miissig Alkohol trinkt, behBlt so vie1 im Blut und in den Geweben, wie Jemand, der im entsprcchenden Verlialtniss mehr isst, ohne Bier, Wein oder Branntwein zu trinken. Daraus folgt, dass es grausam ist, den Tageloliner, der sich im Schweisse seines Angesichts ein sparlichrs Mahl verdient, des Mittels zu be- rauhen, durch welches seine diirftige Nahrung lange rorhllt. Oder sol1 man den Gehrauch abschaffen, weil er den Missbraucli moglich macht? D a m suche man den Vonvmf zu entkriiftcn, dass man den Meiischen sittlicli erniedrigt, wenn man fordert, dass er dem Geiiuss cntsage, um iiicht dem thierischen Triebe zii erliegen. Der Mouch, dcr das Geliibde dcr Keuschhcit fordert, widerstreitet dem lcht Mciischlichen nicht scliliniiner als der Arzt, der den Brannt- wcin abschafft, weil es Trunkeiibolde gicbt. Gothe hat der neuen Weltanschauung die sc1ib;ne Losung gegeben : gedenkc zu leben! Wcr die Abschaffung dcs Uranntweins predigt, iersetzt uns in das verstummclte Christenthum des Mittelalters zuruck, das niit dem Wahlspruch : gedenke zu stcrbcii! die schSnstcn Bliithen der Menseh- heit erstickte." Der Kreislauf des Bluts wird von allen geistigen Getriiiikeii beschlennigt, ton Brxnntwein am meisten, von Bier am wenigsteu. Das Gehirn, in das der Alkohol mit dcm Hlute ein- dringt, erleiclet seine Einwirkuiig vor allen aiiderii Werkzcugen. Wie der ltausch wirkt und wie Ge\rolinheitstrinker zuletzt in slu- ferwahnsinn enden, ist ZIT bekannt, als dass wir diese Erscheinung nlher zu schildern brauchcn.

11) D i e Wiirzen. a) D a s Kochsalz . Alle Gewebe des meiischlichen Korpers enthalten Kochsalz und das Blut wie die Knorpel koiinen ohne eine betrlclitliclie Menge desselben ilire regel- niassige Mischuiig nicht behauptcn. Aber die thierischeii Speisen

Page 14: Die Nahrungsmittel

Vereius.zeitung. 23 1

haben, ausser in don Knorpeln und im Blut, die von uns nicht benutzt werden, wenig Kochsalz, und die pflanzlichcn Spciscii in der Regel noch wenigcr. Dadurcli wird das lioclisalz ein uiieiit- behrlichcr Zusatz unserer Speisen. Um salzhaltigcr Quellen willen haben sicli dic Volker seit den uraltesten Zciten befelidct, um Salz- werke sind noch in den gebildeteren Zeiten folgenschwerc Strcitig- keiten eutstanden, und noch aus den neuesten Zeiteii liessc sicli ein Beispiel anfuliren, dass eiu Staat, dem die Hilfte eines anderen zugesprochen wurde, seinen Antheil so walilte, dass dieser alle Salz- werke dcs Theilungsstaates umfasste. D a Salz so viele Bestandtheile unseres Korpers mit unentbehrlichcn Elemcnten versieht, ist es sehr nahrhaft. Eben so gross ist seine Verdaulichkeit, denn es lost sich in Wasser ausserordentlich leicht auf; es fordert ferner die Vcr- daulichkeit von schwer loslichen Fetten und eiweissartigen Korpern. Dass das Salz conservirt, ist bekannt, aber der Laie irrt sich leicht hinsichtlich des Grundes, der keiii anderer ist, als dass das Salz aus den Stoffen das am meisten dcr Faulniss ausgesetzte Wasser an sich zieht. Da dem Wasser wichtige Nahrungsstoffe, Eiweiss, Fleisch- stoff, Milchsiiure und Salze, nachfolgen, so verliert eingesalzenes Fleisch einen Theil seiner Nahrhaftigkeit. Dafiir wird es verdau- licher. Schon darum miissen wir viel Salz essen, weil das Blut durch die Ausleerungen das Kocksalz verlicrt.

a) D i e B u t t e r u n d d a s BaumS1. Nicht ganz bcsteht die Butter aus reinem Fett, sondern nur zu 415 bi5 6/7; der iibrige Inhalt besteht in Wasser, Kisestoff und Milchzuckcr. Baumol, ebenso Mandelol, besteht rein aus Fett, und 1Psbt sicli daher viel langer als Butter aufbewahren, welche letztere durch dcn Kisestoff leicht zersetzt oder ranzig wird. Baumol und Butter siiid niclit leicht verdaulich, weil sie alleiii vom Bauchspeichcl, dcn es im Korper in geringer Menge giebt, aufgelost werden. dllcin sie sind den Seifen des Blutes so iihnlich, dass sie leicht in dasselbc ubergehen, und dies ersetzt ihre Schwerlijslichkeit. Beide haben ausserdein die voi-trcffliclie Eigenschaft, dass sie Fettbildiier (Stirkemehl, Zucker), mit dcnen sie verinischt werden leichter in Fett ubergehen lassen, verdaulicher machen. Brod mi't Butter, Kai-toffeln rnit Fett, Salat mit Oel genossen, bekommen weit besser, als ohne dieseii Zusatz. Die Norddeutschen mogen immerhin bei ihrem Uutterbrod bleiben, dcr Wohlgeschmack ihrer Speise hat sie so richtig geleitet, als wenn sie bei der Wahl dersclben einen Chemiker zu Rath gezogeu hitten.

Im Kise findet man ausscr dem Kiisestoff Butter und die Salze, wie einen Theil des Milchzuckcrs der Milch. Kase- stoff und Butter wcrdeu aber zumTheil zersetzt. Aus dem erstern bildet sicli das Iiaseweiss, ein stickstofialtigcr KGrpcr und eine olartige SIure, aus der Butter entwickelt sich eiiie Uutterstiure. Diese Zersetzungsprodncte bcdiiigcn die Schwcrvcrdaulichkeit, die der Kise an sich hat. Dennoch ist dicse Nahrung einc wohlthiitigc, weil sie die Verdauungsdriisen zu grosser Thatigkcit reizt und weil der KBscstoff die Umwnndlung des Starkemchls uiid Zuckers in Fett erleichtcrt. Der Siiddcutsche und der Schweizer, die ihr Brod statt mit Buttcr mit Kase esscn, liandeln nacli den richtigsten chemischeii Grundsatzen.

d) D e r Essig. Die loscnde Einwirkung des Essigs auf die Fleischfaser haben wir bereits erwtihnt und mussen noch hinzusetzen, dass dicse Wiirze auch die eiweissartigen KGrper lost, Zellstoff und Stirkcmchl in Zucker uerwandelt, dagegeii aher Erhscnstoff in den ungc!iisten Zustand iiberfiihrt. Fisclie, die vie1 losliclics Eiweiss

c ) D e r Kiise.

Page 15: Die Nahrungsmittel

232 Ve7ereinszeitung.

enthalten, soll man mit Essig geniessen, Hiilsenfriiehte, in denen der Erbsenstoff vorwiegt, nicht. Auf das Blut iibt der Essig eine losende, verdiinnende Wirkung. Darum schadet der starke Essig- genuss dem sich haufig junge MLdchen hingeben, um interessant (bleich) und mager zu werden. Was im Essig wirkt, ist die Essig- sliirc (Kohlenstoff, Wasscrstoff und Sauerstof), neben der einc kleine Mcngc Eiweiss und Zucker, Gumnii und andere organischc Stoffe vorkommen.

Man gewinnt den Zucker aus einer Menge von Gewlichscn, unter delien das Zuckerrohr, der Zuckerahorn und die Runkelriibe den ersten Platz behaupten. Honig ist ein natiir- licher Zucker (richtiger cine Vereinigung von drei Zuckerarten), der wenig andcre Bestandtheile, niimlich Wachs und wahrseheinlieh etwas Milchsaurc, enthalt. Sehr mit Unrecht steht der Zucker in sehlechtem Ruf. Er soll unverdaulieh sein, die Zahne verdcrben. Von beiden ist das Gegentheil wahr. Durch den Speichel und andere Verdauungssafte in Milchslure verwandelt, hilft der Zucker zur Verdauung. Er befordert dureh Auflosung des in den Nahrungs- mitteln enthaltencn phosphorsauren Kalkes die Zufuhr des Kalkes in die Zahne. Allerdings macht cr in hohlen Ziihnen Schmerzen, weil er die Nerven erregt.

f) D i e Specereien. In der Reihe der die Verdauung fir- dernden Mittel, wozu, wic wir gesehen haben, alle Wiirzen gehoren, stehen die Specereien - Senf, Kiimmel, Pfeffer, spaniseher Pfeffer, Zimmt, NLgelehen, Muskatnuss und Safran - unten an. Allerdings fijrclern sic die duflosung der Speisen durch Reizung der Ver- dauungfidriisen, erhitzen aber zugleich, erwecken die Leidenschaft und vcrscheuchen den Schlaf. Ihr wesentlicher Bestandtheil ist ein stark riechendes und scharf oder wiirzig sehmeckendes fliissiges Oel. Die Volker der heissen Linder, die von den Gewiirzen einen iiber- massigen Gebraueh machen, sind tiickisch, jahzoi-nig, grausam. Es lasst sich aus der Gcschichte naehweisen, dass alle Eroberer Hindo- stans in der zweiten Generation diefielben Eigenschaften angenomnien haben. Mag das Klima seinen Antlieil an dieser Erscheinung hahen, der Hauptgrund liegt in dem alles Maass iiberschreitenden Genuss von Gewiirzen, der doch kein Becliirfniss sein kann, da Tausende von Europaern ohne ihu auskommen. Geistigc Getranke wiirden den mohamedanischen Malaien weit meniger schaden, als die scharfm Wiirzen, die sie mit dem Betelkauen tagtiglich in sich aufnehmen.

An die Darstellung der Wirkung, welche die einzelnen Nah- rungsmittel bezeichnct, haben wir einige Worte iiber die zweck- massigste Diat anzuschliessen. Wir pflegen drei Mahlzeiten zu uns zu nehmen, das Friihstiick, das Mittagsessen und das Abendessen, und diese Eintheilung ist verniinftig. Zwisehen dem Abendesscn und dem Friihstuck verstreicht eine so lange Zeit, dam der Stoff- wechsel das Blut arm gemacht hat und eine neue Zufuhr yon Nah- rungsstoffen riithlicli wird. Diescs crste Mahl soll den Magen nicht iiberladen, sondcru nur besehiiftigen. Diesen Zweek erfiillen Thee und Kaffee, die zugleich das Denkvermogen und die Einbildungs- kraft anregcn, mit Brod oder Hutterbrocl genossen. Das Mittags- essen ist clas Hauptmahl des Tages. 3Ian setzt sich zu sehr ver- schicdenen Stunden zu Tisch, und es kommt auf die Zeit nichts an, vorausgesetzt, dass, wenn die Mittagsstundc eine spiite ist, cin zweites Friihstiick vorangcgangen ist. 'M'elche Zusammensetzung das Mittagsesscn liaben mucs, diese R a g e konnen sich unserc Leser nach dem, was wir iibcr die Nahrmigsmittcl bemerkt babcn, selbst

e ) Der Zuckcr.

Page 16: Die Nahrungsmittel

Vereinszeitung. 233

beantworten. Die I3auptmahlzcit dcs Tagcs ist rorzugswcise dazu bestinimt, dem Korpcr alle die StoEc zuzufiihrcn, deren er bcdarf. Unsere Kochbiichcr vcrletzcn diese Hegel vielfach. Suppe, Fleisch und Gemiise passen ausgezeichnet zu cinaridcr, cbenso Braten und Salat, Erbscnsuppe und Fisch mit Kartoffeln, Fleischsuppe und Hiil- senfriichte, Fisch und als zweites Gcricht Mchlspeisen, aber nicht Suppe und Mehlspeiscn, oder eine magerc Suppe und Fisch mit Kartoffeln. Heinrichs IV. Wunsch, dass jeder Arme sein Huhn im Topfe haben moge, kann lcidcr nicht in Erfiillung gehen, doch jeder Bemittelte sollte tiglich Fleiach cssen. nilit allcn schwer ver- daulichen Mehlspeisen verbinde man Obst. Am verwerflichsten ist die so oft von der Nothwendigkeit gcbotene Gcmohnheit, Mittags nichts als Kartoffeln zu essen. Fehlt das Fleisch, so esse man wo moglich Suppen von Hiilsenfriichten. Wasser bci Tisch zu trinken, ist verniinftig, vorausgesetzt, dass man nicht so viel trinkt, urn die Nahrungssiifte zu verdiinnen. Dass Bier und Wein die Verdauungs- werkzeuge reizen und das Mahl linger vorhalten lassen, haben wir bereits gesagt. Unbedingt schadlich ist der Genuss von gane kaltem Wasser oder Eis, dcnn in der Kaltc, welche sie hcrvorbringen, ge- stehen der Leim und die Fette, dereu Verdauung im fliissigen Za- stande viel leichter erfolgt. Weil die Wirme fliissig erhilt, ist auch ein warmes Mittagsmahl einem kalten bei weitem vorzuziehen. Isst man zwei bis drei Stunden vor dem Schlafengehen, so ist die Ver- dauuiig bereits erfolgt, wenn man sich zur Ruhe legt, und Schlaf und Verdauung kijnnen sich gegenseitig nicht stiiren. Leicht vcr- dauliche Speisen verdienen bei diesem letzten Essen des Tagcs den Vorzug. Vie1 geistige Getranke nach dem Abendessen zu sich zu nchmen, ist in Dentschland schr iiblich. Gerade vor dcm Schlafen- gehen sollte man diese Reizrnittel massig gcnicssen, dcnn da dcr Mensch im Schlaf weniger Kohlensaure aushaucht, als wahrend des Wachens, uberhaupt der Stoffwechsel langsamer vor sich geht, so bleibt das Blut iiberladen. Ein geistreicher Arzt nennt den Schlaf starker Biertrinker eine lange Ohnmacht. Die Wirkung zeigt sich noch am nachsten Morgen durch Kopfschmerzen und allgemeine geistige Verstimmung. -

-

Verschiedenheit des Alters und der Borncrbeschaffenheit brinnt in diese allgemeinen Regeln manchc Abinaerung. Frauen hab& einen minder lebhaften Stoffwechsel und brauchen daher sowohl wenigere als minder kraftige Nahrung. So lange der Mench wiichst, isst er stirker, als nachdem er zum Stillstand gelangt. Uei Arbei- tern sind die schwer verdaulichen Lebensmitteln wcit besser am Platze, als bei Minncrn, die eine sitzendc Lebensart fuhren. Hef- tige, leidenschaftliche Naturm sollen Wildpret, schwcres Brod, zu vie1 Hiilsenfriichte, viel Bier, Wein, Kaffee und Thcc, so wie Ge- wiirze vermeiden und statt der hitzigen Getrankc Obst und Limo- nade wahlen. Bei Phlegmatikern dagegen muss eine nahrhafte thierische Kost von krPftigen Gewurzen, starkem Bier und Wein unterstiitzt werden. Leute, welche sich zum Fcttwerden ncigen, haben alle Speisen zii scheucn, in denen Fettbildner enthalten sind, namentlich stbkemehlreiche und zuckerhaltige Wurzeln. Gut aus- gebackcnes Brod und mageres Fleisch, vermischt mit jungen Gemii- sen und den verdaulichen zuckerreichen Arten von Wurzelwerk sind eine geeignete Kost fiir Denker und Dichter, die auch gewiirzte Speisen und erregende Getrankc gebrauchcn, aber nicht missbrau- chen mogen.

\Vie viel Nalirungsmittel der Mensch tiglich zu sich nehmen

Page 17: Die Nahrungsmittel

234 Vweinmeitung . soll, richtet sich nach der Meuge des Stoffverlustes, den er erleidet. Da der Korper dcr sicherste Anzeiger seiner Bcdiirfnisse ist, kann man sich in der Praxis damit helfen, dass man sich vom Hunger leitcn lasst, wobei man nur zu beachten hat, dass man den Hunger nie ganz vollstandig stillen darf, am wenigsten in dem Grade, urn gegen die eben genossene Speise einen Widerwillen zu bekommen. Die Wissenschaft kann die Frage nach dcr Menge der tiglich cin- zunehmenden Nahrungsmittcl niclit allgemein beantworten, da die Ausscheidungen, nach dencn sich allcs richtet, von cincr Menge von Ursachcii bestimmt wcrden und daher bei den eiiizelnen Menschen sehr rerschieden sind. Enter Umstlnden kann der Mensch tlglich bis zu 1/14 des Gewichtes seines ganzcn Korpcrs verlieren. Nach B a r r a1' s schonen Beobachtungen braucht aber nicht der ganze Verlust durch Nahrungsmittel ersetzt zu werden, denn den vierten Theil desselben deckt der Sauerstoff, dcii wir mit dcr Luft ein- athmen. Drei Viertheile des Verlustes in eiitsprcchender Mischung dem Korper gcreicht, erhalten die Kraft desselben. Mu 1 d cr theilt i n seinem Uuche: ,,Die Erniihrung in ihrem Zusanimenhange mit dem Volksgeist' die Nahrung mit, welche der niedcrlandische Soldat im Frieden und im lbiege erhilt, und mit den von ihm gegebenen Mengcn koniien wir die vergleichen, welche 13arral alp, Bedurfniss seines eigcnen Korpers bestimmte. In Friedenszeiten erhalt der niederkndische Soldat tiglich :

Rrod . . . . . 0,499 Kilogrm. Fleiscli . . . . . 0,125 ,, Iiartoffeln. . . . 0,850 ,, Gemiise . . . . 0.260

1,724 Kilogrm. In Kriegszeiten crhijht sicli die Arbeit, es entsteht ein Bediirf-

niss nach einer reichlichercn Menge krlftiger Speisen, und dem cntsprechend erhiilt der nicdcrliindische Soldat:

Brod . . . . . . 0,57 Kilogrm. Fleisch . . . . . 0,25 ,, Reis oder Griitze . 0,G ,,

1,06 Kilogrm. In der Kriegsnahruiig sind 1 1 6, in der Friedensnahrung nicht

melir als 60 Grm. Eiweiss eiithalten. B s r r a l nahm im Sommer 0,513, im Winter 0,756 Kilogrm. feste Stoffe zu sich, von denen in der Kriegsnahruiig des hollandischen Soldaten 0,62 eiithalten waren, was etwa in dcr Mitte mrischcn dcr Winter- und der Sommernah- rung des franzosischen, 29 Jahre alten Naturforschcrs steht.

B a n a l ' s Heispiel fiihrt uns auf den lctzten Punct, den wir zu besprecheii haben, auf die Vcrschicdenheit, die zwischen der Nah- rungsbediirftigkcit unscres Korpers im Wintcr und im Sommer be- steht. J e weiter man nach dem Nordpol kommt, um so stirkere Esser findet man, je mehr inau sich den Tropeii niihert, um so mehr sieht man die Esslust abnehmen. An uns selbst konnen wir beob- achten, class wir im Wintcr reiclilichcre uiid stofflichcre Nahrung hrauchen, als im Sommer. Der Grund liegt darin, dass wir im Winter mehr Iiohlensiiure aushauchcn und mehr Harn ausscheiden, a18 im Sommer. Allerdings ist die Hautthiitigkcit im Sommcr gros- 6er als im Winter, eiitzieht abcr doch drni Kiirpcr wiihrcnd der heisseii Jalircszeit bei wcitcin nicht so vielr Htoffe, a1s jcne heidcn Aussclicidu~igcii wllircnd der kaltcn Snhresxr4t. I'cl)crdie\ wird

Page 18: Die Nahrungsmittel

F%veiw steitnng . 235

durch die Erschlaffung, die der Schweiss erzeugt, die Verdauung trager gemacht, der Stoffwechsel verzogert. man leicht verdauliche Speisen, Friichte und Salat, juuge gz: W'urzeln, Gefliigel und Kalbfleisch und bcschleunige den verzoger- ten Blutumlauf durch verdunnende Getranke, Himbeeressig, Johan- nisbeersaft u. dgl. Ein Uebermaass an geistigen Getrlnken vermcide man im Sommer auf das Sor&ltigste. Im Winter befriedige man das erhohte RedurfnisR durch nahrhaftere, wenii auch schwer ver- dauliche Speisen. Die gesteigei-te Verdauungskraft bewaltigt Hiilsen- fiiichte, fettes Schweinefleisch u. dgl. vie1 leichter, als im Sommer. Im Winter vei~ragt man auch besser geistige Getrlnke, welche, wie wir oben gesehen haben, die Zersetzung in unserem KSrper massi- gen. Je weitcr nach Norden, nimmt der Gebrauch der fetten Spei- sen und geistigen Getranke immer mehr zu. Im Winter nehmen wir mehr Sauerstoff auf, der die Fette "verbrennt", und der genos- sene Alkohol wird zu einer neuen Quelle der Wiirme-Eutwickelung.

Im Sommer

(Erg(inzzmnqsblh'tter. X . 14.) G.

3. Vereins - Angelegenheiten. _- Verandevungen iqh den Kreisen des Vereins.

I m Kreise Sonderslmcsen

ist: Hr. Apoth. Dr. C. J. F. M e y e r daselbst. scheidet aus mit Ende d. J.: Hr. Apoth. Meyer. Eingetreten

hn Kreise Weimur tritt mit Ende d. J. aus: Hr. Apoth. K a n o l d in Gross-Rude-

stedt. hn Kreise Gotha

Ini Icreise Herford ist eingetreten : Hr. Apoth. P l a s s e in Gross-Behringen.

ist eingetreten: Hr. Apoth. K r o n i g in Giitersloh, welcher be- reits fruher in Coln dem Vcreine angehorte.

Im h*reise Paderborn

I m hieise Conitz ist Hr. Apoth. V e l t m a n n in Driburg beigetreten.

ist Hr. Apoth. Heubner in Neueuburg nusgetreten. Hr. Apoth. D u n s t will mit Ende d. J. ausscheiden.

werden zu Ende d. J. die HH. Schl ickum in Blankenheim I m Kreise Eifel

und G o b e l in Priim ausscheiden. Im Icreise Hildesheim

ist eingetreten : Hr. Apoth. S iiff g e in Sarstedt. Mit Ende d. J. scheidet aus: Hr. Apoth. D e g e n h a r d t in

ist Hr. Droguist S t a a t s gestorben.

bleibt Hr. T a a k s noch bis Ende d. J. in dem Vereine.

Lamspiinge. IN Ih-eise Hunnover

In1 lireise Ostfriesland