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Aus dem Chemischen Institut der Universit~it Lubiana (Italien). Die neueren Ergebnisse der Stiirkeforsehung VI. Von M. Samec. (Mit 10 Figuren.) (Eingegangea am 17. Dezember 19~1. Sechstes Kapitel. Der Aufbau des Stiirkekornes. w 1. Der Chemismus des St~irkekornes. a) Makrochemie. Wie in den ersten drei Kapiteln dargetan wurde, ist heute der Chemis- mus des St~rkekornes bis zu einem gewissen Grade aufgeklfirt. Die Makro- molekfile der St~rkesubstanz bestehen aus a-glukosidisch zu Ketten an- einandergereihten Glukoseresten; in einer Form (Amyiosen, A myio- amylosen) sind die Ketten unverzweigt, in einer zweiten (Amylopektin, Erythroamylosen) sind sie verzweigt*). In vielen Sfiirkearten (zugeh6rig der Kartoffelgruppe) ist ein Teil der St~rkesubstanz, und zwar die ver- zweigte Form, mit sehr kleinen Mengen Phosphors~iure verestert, in anderen (Weizenst~irke und Verwandte) existieren im St~rkekorn ein Phosphorsiiure-Stickstoff-Paarling (in Form yon Phosphatiden) und Fett- s~iuren. Die Bedeutung dieser Begleitstoffe ffir manche Eigenschaften der St~rkekleister und St~rkel6sungen ist bekannt. Ob sie ffir das Ver- halten der St~irkek6rner von gr6Berer Bedeutung sind, konnte bisher nicht untersucht werden. DaB aber namentlich die Ester der Phosphors~ure *) C. E. H. Bawn, E. L. Hirst und G. T. Young 9) nehmen an, dab Glukose- ketten yon 24--a0 Einheiten unter Beteiligung der reduzierenden Endgruppen und einer Hydroxylgruppe am Ca-Atom zu Makromolekfilen vereint sind. Kinetische Messungen der Desaggregierung methyliertet St~irke ergeben Geschwindigkeitskon- stanten und eine Aktivierungsenergie derselben Gr6Benordnung wie bei der Hydro- lyse normaler glukosidischer Bindungen, Es ist nicht ausgeschlossen, dab beim Auf- bau grol~er Partikeln .aus den Makrornolekfilen Wasserstoffbindungen mitwirken. K. Myrb~ick, B. Oertenblad und K. Ahlborg 6~ haben neben den nor- malen ~z-l-4-Bindungen auch anomale Bindungen in der St~trke nachgewiesen. K. Myrb{ick und K. Ahlborg 6.) zeigten, dab es sich um ~z-glukosidische 1-6- Bindungen handelt. 10"

Die neueren Ergebnisse der Stärkeforschung VI

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Page 1: Die neueren Ergebnisse der Stärkeforschung VI

Aus dem Chemischen Institut der Universit~it Lubiana (Italien).

Die neueren Ergebnisse der Stiirkeforsehung VI.

V o n M. S a m e c .

(Mit 10 Figuren.) (Eingegangea am 17. Dezember 19~1.

S e c h s t e s K a p i t e l .

Der Aufbau des Stiirkekornes. w 1. Der Chemismus des St~irkekornes.

a) M a k r o c h e m i e .

Wie in den ersten drei Kapiteln dargetan wurde, ist heute der Chemis- mus des St~rkekornes bis zu einem gewissen Grade aufgeklfirt. Die Makro- molekfile der St~rkesubstanz bestehen aus a-glukosidisch zu Ketten an- einandergereihten Glukoseresten; in einer Fo rm (Amyiosen, A myio-

amylosen) sind die Ketten unverzweigt , in einer zweiten (Amylopektin, Erythroamylosen) sind sie verzweigt*). In vielen Sfiirkearten (zugeh6rig der Kartoffelgruppe) ist ein Teil der St~rkesubstanz, und zwar die ver-

zweigte Form, mit sehr kleinen Mengen Phosphors~iure verestert, in anderen (Weizenst~irke und Verwandte) existieren im St~rkekorn ein Phosphorsiiure-Stickstoff-Paarling (in F o r m yon Phosphat iden) und Fett-

s~iuren. Die Bedeutung dieser Begleitstoffe ffir manche Eigenschaf ten der St~rkekleister und St~rkel6sungen ist bekannt. Ob sie ffir das Ver- halten der St~irkek6rner von gr6Berer Bedeutung sind, konnte bisher

nicht untersucht werden. DaB aber namentlich die Ester der Phosphors~ure

*) C. E. H. Bawn, E. L. Hi rs t und G. T. Young 9) nehmen an, dab Glukose- ketten yon 24--a0 Einheiten unter Beteiligung der reduzierenden Endgruppen und einer Hydroxylgruppe am Ca-Atom zu Makromolekfilen vereint sind. Kinetische Messungen der Desaggregierung methyliertet St~irke ergeben Geschwindigkeitskon- stanten und eine Aktivierungsenergie derselben Gr6Benordnung wie bei der Hydro- lyse normaler glukosidischer Bindungen, Es ist nicht ausgeschlossen, dab beim Auf- bau grol~er Partikeln .aus den Makrornolekfilen Wasserstoffbindungen mitwirken.

K. Myrb~ick, B. Oer tenb lad und K. Ah l bo rg 6~ haben neben den nor- malen ~z-l-4-Bindungen auch anomale Bindungen in der St~trke nachgewiesen. K. Myrb{ick und K. Ah lbo rg 6.) zeigten, dab es sich um ~z-glukosidische 1-6- Bindungen handelt.

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148 Kolloid-Beihefte Band 54, Heft 5--6

beim Entstehen der St~irkesubstanz eine grundlegende Rolle spielen, diirfte nach den Darlegungen des V. Kapitels auBer Zweifel sein, da ja die enzymatische St~irkesynthese fiber die Glukose-Phosphors~iure ffihrt.

Im Bestreben, die mikroskopische Anatomie der Stfirkek6rner auf- zukl~iren, hat man die Verteilung der beiden Formen der St~trkesubstanz und namentlich die Verteilung des Phosphors im St~trkekorn selbst unter- sucht. Es waren verschiedene St~irkearten in den Kreis der Betrachtung gezogen worden. Der Versuch, aus Beobachtungen an der einen oder der anderen St~irkeart ein allgemein gfiltiges Bild abzuleiten, war jedoch yon vornherein zu einem MiBerfolg verurteilt, da die Verh~iltnisse sicher nicht iiberall die gleichen sind.

Eine ungef{ihre Informatio n iiber die stoffliche Anordnung im St{irke- korn erm6glicht ein langsames Verquellen. Nach iibereinstimmenden Beobachtungen vieler Forscher wird hierbei zuerst der Kern ausgeh6hlt, die Aush6hlung vergr613ert sich allmfihlich, so dab ein L6sen yon innen nach augen erfolgt 1~) 40) 5u) 5~).

Wird eine Suspension der bis zum ZerreiBen der Blasenwand ver- quol lenen 'K6rner zentrifugiert, erMlt man eine Fliissigkeit und einen gallertigen Anteil. Aus letzterem kann man dutch wiederholtes Anriihren mit Wasser und Zentrifugieren einen Teil der Blasenwandsubstanz in L6sung bekommen. Wird dieses ,,Waschwasser" mit dem ursprfinglich erhaltenen Blaseninhalt vereinigt und elektrodekantiert, erh~ilt man eine Solphase und eine schleimige Phase. Die Solsubstanz entspricht dem Korninnern, die in L6sung gegangene und elektrodialytiseh abgeschie- dene schleimige Masse einem, vermutlich dem innern, die nicht gel6ste zentrifugable Partie aber dem anderen Teil der Schichten.

Wie die fiir Kartoffelst{irke gtiltige Tabelle 4: des 1. Kapitels (Ergeb- nisse S. 19) ersehen l~gt, nimmt der prozentuelle Gehalt an Phosphor und an Stickstoff vom Sol gegen das zentrifugable Gel, also im St{irke- korn, im grogen und ganzen yon innen nach aul3en zu, so dab die ~ugersten Kornpartien besonders reich an diesen Begleitelementen sindS~

Eine im wesentlichen identische Verteilung der Begleitelemente findet man auch in Mustern yon Kartoffelst~irke, welche dutch ultra- violette Strahlen peptisiert wurde*) vg).

*) Bei sehr energischer Bestrahlung kann sich dieses Bild insofern verschieben, als die der Strahlenwirkung besonders ausgesetzten oberfl~ichigen Kompartien weitergehend zerlegt werden und an Phosphor etwas verarmen. Dann findet man die in der Tabelle 21 der Kolloidchemie der St~trke 1~ wiedergegebenen Zahlen, welche also einen Spezialfall beleuchten.

Im Text der diesbeztiglichen Arbeit ist auf S. 394, Zeile 12 yon unten, ein Druck- feh/er unterlaufen, es soll dort heil3en phosphorreicher an Stelle phosphor/irmer79).

Page 3: Die neueren Ergebnisse der Stärkeforschung VI

Samec , Die neueren Ergebnisse der Stiirkeforschung VI 149

T a b e l l e 1.

V e r t e i l u n g y o n S t i c k s t o f f , P h o s p h o r u n d S i l i z i u m a u f e i n z e l n e

P a r t i e n m i t u l t r a v i o l e t t e n S t r a h l e n p e p t i s i e r t e r K a r t o f f e l -

s t~ t rke .

Die extrahier te St~irke w u r d e 1/2 S t u n d e bei 120 o C gel6st , zent r i s

u n d d a n n elektrodialysier t .

Art der

Vor-

behand-

lung

Pmzentuelle Menge und Aussehen

des Phasen

Zenttl- o t~ ~, ' ~ ....~.~ ~ a .~ .~

gabeI ~ ; ~ ~.R

c

P205 Proz.

N e l l -

tri- fu-

gabel

Elektro- dialytisch

SiO~ Proz. 4

Elektro- Zen- i dialytisch t r i - I - - ~ -

gabel ~ I.~

N Pmz.

Z e r l -

t r i - I

Native 4,63 Stiirke, | lyo- 40,37 55,0

72 St. bei I phob gelb Mar Luftzutritt leicht etwas gelb- und 20 o C ab- trfib lich

bestrahlt setzend

0,00

Getrock- nete

Stgtrke, 72 St. im 9 geschlos- lyophil

senen kleiste- Gef~B und rig N-Atmo-

sphhre bestrahlt

Native St~rke, " 3,0

24 St. in einer N- lyo- Atmo- phob

gelb- spNire lich

bei 50 0 C bestrahlt

70 I 21 fast klar klar

farblos farblos L

71,17 gelb- 25,8

Mar grau trtib farblos

0,102 0,00

0,113 0,00

Getrock- I [ nete I 57,3

St/irke, 17,7 gelb 24 St. in ' lyo- durch- einer N- phob sichtig Atmo- gelb- eiklar- sphfire lich artig

bei 50 0 C bestrahlt

25] klar 0,073

farblos

Elektro- dialytisch

o,ooo

10"*

Page 4: Die neueren Ergebnisse der Stärkeforschung VI

] 50 KoUoid-Beihefte Band 54, Heft 5--6

Es ist eine alte Beobachtung, dab beim langsamen Verquellen der Kartoffelst~irke zuerst die Amylosen in L6sung gehen und sp~iter erst allm~ihlich die Erythroamylosen (Amylopektin)ll~ Da letztere wesent- lich gr6Bere Teilchen enthalten, ist es verst~indlich, dab im g!eichen Sinne wie der Gehalt an Phosphor und die Resistenz gegen warmes Wasser auch die mittlere TeilchengrSBe in L6sungen d e r betreffenden Korn- anteile zunimmt. Die yon A. R. L i n g und D. R. N a n j i ~4) auf Grund histologischer Untersuchungen aufgestellte Behauptung, dab die Amy- losen besonders im Korninnern und zwischen den Kornschalen ab- gelagert sind, stimmt im wesentlichen mit unseren Befunden.

K . H . M e y e r und H. M a r k 59) - - yon denen der erstere bekannt- lich den Unterschied zwischen den Amylosen und dem Amylopektin (unseren Erythroamylosen) darin sieht, dab die ersteren aus geraden Glu- koseketten aufgebaut werden, das letztere abei verzweigt ist - - denken, ,,dab sich beim Wachsen des St~rkekornes yon innen nach auBen die Stfirkeketten allm~ihlich durch gerichtetes Anf~gen yon neuen Glukose- molektilen verl~ingern und dab am SchluB die Amylopektinhiille dadurch zustande kommt, dab eine Art Vern~hung der Reste zu einem unt6slichen Netzkolloid eintritt".

N. P. B a d e n h u i z e n 6) setzte sich in einer groBen Arbeit ftir die Annahme ein, dab das St~irkekorn ,,chemisch einheitlich" ist. Trotz einer Einsprache seitens K. H. M e y e r s hielt er diese These weiter aufrecht, ,,einfach um zu bezeichnen, dab chemisch definierte Substanzen Amyloser~ lind Amylopektin nicht existieren" v).

Wenn man sich noch einverstanden erkl~iren k6nnte, ein aus einer polymer-homotogen Reihe aufgebautes Gebilde als ,,ehemisch einheit- lich" anzusprechen, kann man diese Bezeichnung bei Existenz unver- zweigter und verzweigter Ketten kaum mehr aufrechterhalten. Ebenso- wenig k6nnen Produkte, welche 2 oder 3 0 H - G r u p p e n je Glukoseeinheit enthalten, als chemisch identisch bezeichnet werden (vgl. 3. Kapitel

1)112). Wir stehen im Falle der St~rke - - nach allem, was heute bekannt ist - - vor einer durch versehieden intensive Verzweigung der Glukose- ketten bedingten Isomerie.

Vielfach hat man die beiden Komponenten Amylose und Amylo- pektin als Inhalts- und Htillsubstanzen des St~rkekornes bezeichnet. Da im Falle der Kartoffelstfirke das Amylopektin den Phosphors~iurepaarling darstellt, wurde gefolgert, dab Phosphors~ure in der vermuteten AuBen- haut der St~irkek6rner lokalisiert w~re, was mit manchen Beobachtungen nicht im Einklang steht 1) ~) 6).

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Samec, Die neueren Ergebnisse der St~rkeforschung VI 151

Es sei abermals betont, dab der Phosphors~iuregehalt des Kartoffel- amylopektins nicht den einzigen, sondern nur e i n e n der Unterschiede zwischen Amylosen und Amylopektin darstelltS~) s2) nx) ha) ~4) und dab bei Kartoffelsdirke ein a l l m ~ i h l i c h e s Anwachsen des Phosphor- gehaltes yon innen nach auBen beobachtet wurde. Bei Festhalten dieser Gesichtspunkte verschwinden die yon C. L. A l s b e r g und N. P. B a d e n - h uiz e n angefiihrten Unstimmigkeiten.

Die St/irkemolekiile sind mit groBen Restvalenzkrfften ausgestattet. Nach K. H. M e y e r 58) erreichen sie bei einer Kette yon 50 Glukose-

resten den Weft von 1 200 000 cal, w~hrend z. B. die Trennungs- energie der C-O-Bindungen nur 92 000 cal betrSgt. Eine Folge davon ist, dab die Glukoseketten, wetche eine gewisse Linge erreicht haben, zu Molekiil- aggregaten zusammentreten. Die Ballung kann hierbei un- 0,,L m,;L

~uellu, Z~s- mittelbar yon Molekiil zu /endeF~z Molekiil oder durch Vermitt- + lung yon Wasser erfolgen. (Dt~eep§

Was, s ep- i Fiir diesen zweiten Fall haben monAel)+

J. v a n de r H o e v e , H . G . *i +

B u n g e n b e r g de J o n g und + H. R. K r u y t 4"2) das aus der * +

Fig. 1 ersichtliche schema- + tische Bild gegeben, welches die VerMltnisse im festefl Stfirkekorn beleuchtet. Die

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Fig. I,

Mizellen haften hier nur an einigen Stellen ihrer Oberflitche aneinander. Diese sogenannten Kittstellen oder hydrophoben Stellen zeigen keine Schwellungstendenz und sind durch einen konkreten Wassermantel ge- kennzeichnet. Der Rest der Hiillenoberfliiche (die hydrophilen Stellen) ist bestrebt, in Wasser zu quellen, Dieses Schema liigt es verst~tndlich. erscheinen, dab die St{trke beim Austrocknen auch ohne wesentliche Temperaturerh6hung eine Teilchenzerkleinerung erf~hrt.

Die Ballung unmittelbar yon Molekiil zu Molekiil liefert nach unseren Beobachtungen an Amylosen hornartige Gebilde, welche yon Wasser auch unter Druck kaum gel6st werden und bei S~ure oder Diastase- wirkung nut oberfl~ichlich angegriffen werden.

Es ist in der Form der Molekiile begriindet, dab das Resultat der Bal- lung bei den beiden Hauptbestandteilen des Stfirkekornes ein verschie-

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152 Kolloid-Beihefte Band 54, Heft 5--6

denes sein wird. Bei den unverzweigten Amylosen haben wir - - sofern sie nicht gekn~iuelt sind - - die Struktur eines Geb~lkes zu erwarten, die verzweigten Erythroamylosen diirften ein verfilztes, schwammartiges Mizellargewebe liefern.

Solche Molekularaggregate oder Mizellen bilden nun die Elemente, aus welchen die Mizelle C. N~gelis oder die Trichete A. Meyers auf- gebaut sindl02).

b) Mikrochemie .

Der geschilderte Chemismus spiegelt sich in den bekannten mikro- chemischen Reaktionen sehr gut wider. Die wichtigsten diesbeziigl~chen Reaktionen s auf der Jodfarbe. A. Meyer empfahl als Reagens eine L6sung yon 0,5 g Jodkaliura und I g Jod in 100 cm a Wasser, und betonte, daB nur eine, festes Jod als Bodenk6rper enthaltende L6sung als St~irkereagens voll brauchbar ist. Es stimmt mit unseren Studien tiber Erythrok6rper v611ig iiberein, wenn der Autor betont, dab das Jod zu der gel6sten Amylose die gr6gte Verwandtschaft hat. Ihre L6sungen f~irben sich mit Jodiiberschug griinlichblau. Bei gleichzeitiger Anwesen- heit von gel6ster Amylose, kristallisierter fl-Amylose (in Form von St~irke- k6rnern) und Amylodextrin f{irbt sich bei allmiihlichem Jodzusatz zuerst die gel6ste Amylose, dann das Korn und zum Schlul3 das Amylodextrin. Die Jodfarbe ist je nach der relativen Menge der Komponenten blau, blauviolett, rotviolett, rot oder braunrot (vgl. hierzu M. Samec und A. Mayer 78).

Es rnuB nur richtiggestellt werden, dab die mit Jod sich violett oder violettrot f~rbende Komponente der St~rkek6rner nicht das Amylo- dextrin (also ein Abbauprodukt der Amylose), sondern das Amylo- pektin ist.

Andere yon A. Meyer empfohlene Reagenzien sind: 2prozentige Kalilauge, eine Kalziumnitratl6sung, welche 10 g reines Ca(NOa) 2 in 14 g Wasser enth~ilt, Salzs~ure mit genau 25% HC1-Gehalt, 3prozentige Essigsiiure, mit Chloroform versetzter, filtrierter menschlicher SpeicheI und ein Malzauszug yon einem Teil Malz und drei Teilen Wasser, filtriert und mit Chloroform versetzt.

Diese Reagenzien entfalten eine quellende oder 16sende Wirkung, bedingen verschiedene Zustands~nderungen der Kornbestandteile, welche teils mikroskopisch direkt sichtbar sind, teils eine Knderung ira F~rbe- verm6gen mit Jod bedingen.

u kurzem hat F.W. K u d r z y c k a 4u) unter Beniitzung verschie- dener allgemein bekannter Reaktionen die Verteilung nicht polysacchari-

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Samec, Die neueren Ergebnisse der Stiirkeforschung VI 153

discher Stoffe im Amyloplasten und im St/irkekorn untersucht. Die Re- sultate wurden folgendermaBen zusammengefal3t:

,,Die Versuche wurden mit Schnitten aus frischen Knollen sowie mit isolierten ganzen St/irkek6rnern und mit Quer- und L/ingsschnitt der- selben vorgenommen. Die Schnitte durch die St/irkekSrner wurden, naeh Einbettung in Paraffin, mittels des Mikrotoms ausgefiihrt, wobei etwaige aus dem Plasma oder dem Zellsaft stammende Substanzen entsprechend entfernt wurden."

,,Der Amyloplast besteht aus Eiweil3, das Glukose und Maltose in gebundener Form enth/ilt. Im EiweiB finden sich folgende Aminos~uren vor: Tyrosin, Histidin, Trypophan, Arginin und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Asparagin, Asparagin- und Glutamins/iure sowie Zystin. AuBerdem erscheinen im Amyloplasten noch freie Maltose, Fett, Phytosterin, Pyroxydase, Tyrosinase, Phenolase, Chlorophylase, Oxydo- reduktase, im ungebundenen Zustande Kalium und Magnesium sowie in organiseher Verbindung Kalzium, Silizium und Schwefel.',

,,Mit Riieksicht auf das Vorhandensein yon Chlorophylase und Magnesium zeigt der Amyloplast einerseits Verwandtschaft mit dem Chloroplasten, anderseits, was die mit dem EiweiB gebundenen Zucker betrifft, ein Glukoproteid,/ihnlich wie der Elaioplast (Mazurkiewicz) und das Sekretogen (Ossowski) ."

,,Die AuBenmembran wie auch das Innere des St/irkekornes besitzen den Amyloplasten in rudiment~rer Form."

,,Der rudiment/ire Amyloplast tritt sowohl an der Peripherie der Amylopektinhiille des Kornes und in grSBerer Anh/iufung im Kerne selbst auf und unterscheidet sich vom vollkommen entwickelten Amylo- plasten dadurch, dab er welt mehr Aminos/iuren enth/ilt, dagegen weniger gebundene Glukose in Form des Glukoproteids, wie auch wenig freie Maltose."

,,Die iibrigen chemisehen Bestandteile bleiben die gleichen, jedoch treten sie in geringerer Menge auf als im v011kommen entwickelten Amyloplasten."

,,Ira Stroma des St/irkekorns treten auf: EiweiB, zerstreut in kleiner Menge in de* Amylose selbst, in gr6Berer Menge als diinne Sehicht an der inneren Amylopektinhiille, die auch yon EiweiB durchtr/inkt ist. Dieses Eiweifi besteht aus Tyrosin und Tryptophan; yon mineralisehen Stoffen: Kalium, Magnesium, Silizium und Phosphor, und zwar in grS- fierer Menge als in dem Amyloplasten. Kalzium ist gleich sp~trlich vor- handen wie dort, und beschr/inkt sich dieses ausschlieBlich auf die Hiille des Kornes."

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1~4 Kolloid-Beihefte Band 54, Heft 5--6

,,Schwefel, Phosphor und Kalzium treten in Verbindung mit den organischen Substanzen auf."

,,Wenn man yon den Polysacchariden absieht, so ~ihnelt der Amylo- plast in bezug auf die chemische Zusammensetzung dem St~irkekorn. Der Unterschied liegt lediglich darin, dab die gebundenen Aminos~uren und Zucker bei den Amyloplasten vorherrschen, w~thrend die Kationen und Anionen im Innern der St~rkesubstanz und in freien Aminos~iuren an der Kornoberfl~che das Ubergewicht haben."

,,Dieser Unterschied sowie das Auftreten yon Eiweil3 im Innern des Stfirkekornes sind eine Folge der Funktion des Amyloplasten, der mit Bezugnahme auf die Glukosidkonstitution der Polysaccharide des St~trke- kornes den Namen Glukosidogen erhalten hat. Mit Berficksichtigung der Tatsache, dab das Eiweil3 im ]nnern des St~rkekorns in Form exzentrischer Schichten vorkommt, wurde die von Z w i k k e r stammende Annahme best~tigt, dab die St~irkek6rner der Kartoffel durch Apposition entstehen. Es wurde auch klargestellt, warum das Stfirkekorn nur dort wfichst, wo es nut eine diinne Hiille bildet. Die Maltose des Amyloplasten 16st sich aus der EiweiBverbindung und.wird zur Bildung yon St~rke verbraucht und finder sich deshalb in kleiner Menge an der Oberfl~iche des Kornes frei vor. Im rudimentfiren Amyloplasten des Korns finden wir keine Mal- tose mehr in Form des Glukoproteids vor, sie ist verbraucht, und das Korn w~ichst daher unter der dfinnen Schicht des Amyloplasten nicht mehr weiter. I m Glukoproteid des Amyloplasten gehen noch Ver~inde- rungen vor sich, die zu einer Hydrolyse des EiweiBes ffihren, worauf der vermehrte Gehalt an Aminos~iuren in der Amyloplasthiille am Korne hinweist."

,,Bei der Kondensation der Glukose zur Maltose dutch den Amylo- plasten, welcher die weitere Bildung der noch komplizierten Molekel des Polysaccharides folgt, werden vom Amyloplasten die Kationen und Anionen k0nzentriert, wofiir die AnMufung des Kaliums, Magnesiums, Phosphors und des Siliziums innerhalb des Korns als Beispiel dienen kann."

,,Weiterhin hat die Verfasserin unter der Einwirkung yon Natrium oder Kalium, wobei absoluter Alkohol als Mittel diente, oder auch durch Anwendung von unterhalb 0 0 C liegender Temperaturen kleine Kristalle

yon Polyamylosen erhalten, welche aus dem Zerfall yon Amylose und Amylopektin stammen und welche sich mit Jod rot oder grtin f~irben. Bisher vermochte man zu den Polyamylosen nut auf biologischem Wege, durch die Tfitigkeit des Bae. macerans, zu gelangen."

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Samcc, Dic neucren Ergebnisse der St/irkeforschung VI 155

,,Die Bromierung, Chlorierung, Azetylierung, Methylierung und Oxydierung zerst6ren die Struktur des Korns, doch sind die dadurch ent- standenen Produkte nicht kristallinisch."

,,Es zcigte sich schlieBlich, daB die Bestrahlung der Kartoffelknollcn mit Quarzlampenstrahlen einc Oxydation der St~irke zu organischen S~iuren herbeiffihrte, w)n denen eine die Oxals~iure ist, die sich im Stfirke- korn bei diesem Verfahren als kristallinisches Magnesiumoxalat bildet."

, ,Die Wirkung der Temperatur unter 0 0 C sowie der Quarzlampen- strahlen ist an die vermehrte TS.tigkeit, sei es durch die Einwirkung der Oxydoreduktase, sei es durch die Einwirkung yon Oxydasen, gebunden, welche an dcr Oberfl~iche des Korns im rudimendiren Amyloplasten auf- treten und die die Bildung der obenerw~ihnten Zerfallsproduktc der St~irkepolysaccharide bedingen. ~,hnliche Vorg~inge finden wir auch bei de, Aktivierung der Tyrosinase unter dem EinfluB der Quarzlampe und bei der Oxydation des Tyrosins im w)llsdindigen und rudimendiren Amyloplasten zu braunen Melaninen."

w 2. Die submikroskopische Struktur. Von der Erkenntnis ausgehend, dab die St~irkemolekiile aus Glukosc-

ketten aufgebaut sind, haben in den letzten Jahren verschiedene Autoren Ansichten fiber die submikroskopische Struktur der St~irkck6rner ent- wicke)t, welche bier in KiSrze wiedergegebcn werden sollen.

C. L. A l s b e r g " ) versuchte durch seine Hypothese nachstehende Tatsachen zu erk]~iren:

l. Das Sdtrkekorn quilit und schrumpft bei Wechsel des Wasscr- gehaltes.

2. Bei gew6hnlicher Temperatur ist das Quellen in Wasser besehr~inkt, �9 bei h6herer Tcmperatur ist es groB und ftihrt schlieBlich zur Di- spersion des gr6Bten Teiles der Kornsubstanz (Gelatinierung).

:~. Wenn das Korn mechanisch bcsch~idigt ist, d. h. wenn es angeschnit- ten wurde oder geborsten ist, quillt es in kahem Wasser, und zwar nut an der bescb~idigten Stelle.

4. Das Korn ist unl6slich in kaltem \Vasser. �9 ~. Ein mechanisch besch~idigtes Korn ist mehr oder weniger 16slich

in kaltcm Wasser bei teihveiser Dispersion dcr gequollenen Portion. (;. Das natiir]iche Korn besteht wenigstens in groBem MaBe aus regel-

rccht angeordneter Materie und gibt ein charakteristisches X-Dia- gramm. Das Diagramm wird durch Verque]len ver~indert; unter gewissen Umst~inden ist der ProzeB, von welchem der \\"echsel im R6ntgendiagramm abh~ingt, reversibel.

Page 10: Die neueren Ergebnisse der Stärkeforschung VI

156 Kolloid-Beihefte Band 54, Heft 5--6

7. Ganz trockene St~irke gibt kein R6ntgendiagramm.

8. Vollst~indig gemahlene und mechanisch desintegrierte St~rke gibt kein R6ntgendiagramm.

Der Autor nimmt an, dab die anatomische Struktnr in einem par- allelen Arangement der langen Kettenmolekiile besteht. Sie w~iren zu Kristalliten znsammengebnnden, welche im Korn radial orientiert sind. Die St~irkeketten besitzen ferner eine durch seitliche Gruppen bedingte Anziehungskraft, welche zu Zerknitterungen oder Faltungen AnlaB geben, wodurch die Molektill~inge reduziert wird. Beim Kn~iueln w~chst der seitliche Durchmesser der Molekeln, sie werden dicker. Irn nattir- lichen Kom, welches Feuchtigkeit enth~ilt, sind die Makromolekiile nicht gekn~uelt oder verkiirzt, weil sie yon allen Seiten dutch andere Molekiile umgeben sind, so dab der Raum for eine v611ige Kontraktion fehlt. Sie streben, Wasser zu absorbieren, wodurch sie ebenfalls dicker werden. Beim Quellen wird ein seitlicher Druck auf die Ketten oder auf die Btindel der Ketten ausgetibt. In gewissem Sinne sind also die Makromolektile, welche adsorbiertes Wasser enthalten, als gestreckt anzusehen. Sie unter- scheiden sich yon den Makromolektilen in einer mechanisch gestreckten Wollfaser insofern, als die streckende Kraft ein seitlicher Druck ist, der yon allen Seiten wirkt, anstatt ein Zug in der Richtung der L~ingsachse der Faser. Die Makromolekiile der St{irke sind als0 dutch Quetschen ver- l~ingert, wie sich eine Platte yon Eisenwellblech bei seitlichem Druck ver- flacht. Die Makromolekiile der Wolle aber werden durch Zug gedehnt. Die Mizellen sind alsbald im Quellen gehindert, well kein Raum fiir das Dickerwerden da ist. Deshalb ist das Quellen in kahem Wasser beschrSnkt. Umgekehrt wird beim Trocknen der Querdurchmesser der Makro- molekiile kleiner, die Molekiile schrumpfen seitlich, die Makromolekiile ddingen sich mit kleinerer Kraft gegeneinander. Der Raum zwischen ihnen oder zwischen den Mizellen ist in dem Umfange verftigbar ge- worden, welchen das Wasser eingenommen hatte. Das Korn schrumpft, bis in v611ig wasserfreiem Zustande die Ketten sich dem Zustand v611iger Kontraktion n~ihern.

Nach N. P. B a d e n h u i z e n v), welcher eine chemische Homogenit~t des St{irkekornes verfocht, enthalten die hoch lichtbrechenden Schichten lange Ketten und die schw~icher lichtbrechenden kurze Ketten; letztere sind mehr hydratisiert und liegen weiter auseinander.

Diese Bilder sind insofern einseitig, als sie nur auf der Annahme unverzweigter Amylosemolekiile aufgebaut sin& Die folgende yon F r e y- WyB l ing 2~) entwickelte Hypothese berticksichtigt aber auch eine Ver-

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Samec, Die neueren Ergebnisse der St~trkeforschung VI 157

netzung im Amylopektinanteil, welche mit der Existenz verzweigter Makromolekiile gut vereinbar ist.

,,Die Amyloseketten werden offenbar auch durch Hydratationswasser in radialer Richtung fixiert. Abet hier ist das Wasser nicht als L6sungs- mittel zugegen, sondern es nimmt irgendwie als loser Baustein am Raum- gitteraufbau teil. Vermutlich sind die Amyloseketten viel h6her polymer (nach S t a u d i n g e r 959 Glukosereste) als z. B. die Molek/.ile des Konjak- Mannans. Dessenungeachtet sind sie 15slich, und wenn das St/irkekorn trotzdem nut beschr~inkt quellbar ist, so mug ein besonderes Quellungs- hindernis vorliegen. Dieses ist wahrscheinlich im Amylopektin zu suchen, dessen Glukoseketten miteinander vernetzt sind. Die Annahme ist wohl berechtigt, dab in den inneren, dichteren und h6her lichtbrechenden Partien jeder einzelnen Schicht def. St~irkek6rner solche amylopektin- artige Vernetzungen vorkommen, w~thrend in den ~iuBeren, lockeren Partien der Schichten voneinander unabhfingige amylosenartige Ketten auftreten. Es wird zwar Mufig angenommen, daB das gesamte Amylo- pektin in der ~uBersten, in vielen F~llen besonders widerstandsf~thigen Grenzschicht der St~irkek6rner lokalisiert sei. Vermutlich gibt es jedoch alle m6glichen UbergSnge der Vemetzung yon der leichtl6slichen Amylose bis 'zu dem praktisch unl6slichen Anteil des Amylopektins, das selbst dem enzymatischen Abbau widersteht. So w~ire es denkbar, dab in den dichteren Partien aller Schichten Vernetzungen vorkommen, die jedoch nicht denselben Grad erreichen wie in der bei der Verkleisterung unl6s- lichen AuBenschicht. Auf Grund dieser l~berlegung kann man vom sub- mikroskopischen Aufbau der St~irkek6rner das Bild yon Fig. 9 ent- werfen."

,,Dieses Schema tr~igt den folgenden Beobachtungstatsachen Rech- nung: die Dichte und das Brechungsverm6gen nehmen innerhalb einer Schicht nach augen allm~hlich ab und steigen an der Schichtgrenze dann wieder sprungartig an. Die L6slichkeit ist innerhalb einer Schicht nicht gleich. Das Konstitutionswasser ist zwischen den Ketten zum Teil raum- gitterartig gebunden, zmn Teil aber auch als mobiles Quellungswasser zugegen. Das Quellungsmaximum der KSrner wird durch die Vernetzung der Ketten bedingt. AneinanderstoBende Schichten sind miteinander ver- wachsen. Die Struktur ist weitmaschig, porSs; hierauf beruht die F~rb- barkeit. Bei der Verkleisterung gehen die wenig oder gar nicht vernetzten Glukosanketten als Amylose in L6sung, wiihrend die stark untereinander verbundenen Ketten als Amylopektin verkleistern, d. h. stark aufquellen, aber unlSslich bleiben. Die unterschiedliche Resistenz verschiedener St~irkearten oder verschiedener K6rner innerhalb derselben St{irkeart

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gegeniiber dem enzymatischen Abbau oder der Verkleisterung kann auf kleinen spezifischen oder individuellen Verschiedenheiten der Vernetzung beruhen. Es brauchen also nicht qualitative stoffliche Unterschiede vor- zuliegen, sondern es geniigt, wenn das Vernetzungsprinzip etwas ver- schieden ausgesprochen in Erscheinung tritt."

,,Es l~iBt sich zur Zeit nicht entseheiden, ob das Maschenwerk von Fig. 2 aus einzelnen Molekfilfiiden (Molekulargerfist) oder aus Ketten- biindeln (Mizellargertist) besteht. Die yon K a t z festgestellte Ver~inder- lichkeit des R6ntgendiagramms spricht eher fiir den ersten Fall; denn wenn diese tatsfichlich durch verschiedene Wassereinlagerung im Kristall-

Fig. 2. Schema der submikroskopischen Struktur einer Schicht aus dem St~rkekorn.

a=~ul3ere Partie locker, schw~icher lichtbrcchend, wenig vernetzt, i = innere Partie dichter, h6her lichtbrechend, st~irker vernetzt.

gitter verursacht ist, muB das Wasser nicht zwischen Molekiilbiindel (intermizellar), sondern zwischen den einzelnen Ketten (intramizellar oder besser intermolekular) eingelagert sein."

Wit sehen, dab das seinerzeit von A. M e y e r entworfene Trichiten- schema l~ der neuen auf der Strukturformel der St~rke aufgebauten Hypothese sehr nahekommt.

w 3. Die Schichtung 4) lo4).

Die geschilderte submikroskopische Struktur erkl~trt zwanglos die mikroskopisch verfolgbare Schichtung des St~rkekornes, fiber deren Wesen und Ursachen auch in der neuesten Zeit viel gearbeitet wurde.

Die Ansicht von H. L. v a n de S a n d e - B a k h u i z e n 8 a ) , dab die hel- len und dunklen Schichten im Weizenst~trkekorn aus a- und fl-Amylose bestehen, welche sich nut quantitativ durch ihren Wassergehalt unter- scheiden und ineinander fibergehen k6nnen, ist bei der heutigen Kenntnis des Chemismus des St~irkekornes als tiberholt anzusehen.

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Samec, Die neueren Ergebnisse der St~irkeforschung VI 159

DaB abet in den St~rken ein wechselnder Wassergehalt vorliegt und dab dieser yon innen nach augen abnimmt, ist durch ihn neuerlich be- kr~ftigt worden. Die AuBenschicht ist demnach am meisten dehydrati- siert, was mit der Gi b b s schen Regel in f2bereinstimmung steht: ein Stoff, welcher die Oberfl~tchenspannung erniedrigt, wird in der Oberfl~iche an- gereichert.

N. G aid u k o v 28) land bei der ultramikroskopischen Untersuchung der St~irkekSrner konzentrische oder exzentrische Reihen yon doppel- brechenden Mizellen, welche durch optisch leere Riiume voneinander ge- trennt sin& Der Kern ist optisch leer, die Peripherie aber zeigt die Mizel- larreihen besonders deutlich,

Nach A. Frey-WyBl ing 25) kann man ~ ' ~ ' ~ bei ausgepr~igter Schichtung besonders bei / / ,%..~. ~ 'i:' inWasser eingebetteten exzentrischen Starke- ~ - " -V : ' m - - kSrnern erkennen, dab die Beckesche Linie ~ ~ 2 ~ beim Heben des Tubus an allen Schicht- grenzen nut nach auBen waadert. Hieraus ? ~ , / i folgt, dab jede Schicht innen h6her, licht- [ "~ ~ brechend ist, nach auBen meist ganz allm~h- lich immer schw~tcher lichtbrechend wird '~ und dann unvermittelt an eine Schicht mit sprunghaft h6herem Brechungsindex stOBt. O l 2 3 q 5

Fig. 3. ,,Das Brechungsverm6gen ist also auf Mik'roskopische Schichtung

einem Profil durch das" Korn in den vet- der St~rkek6rner. schiedenen Schichten nicht gleichartig hoch Graphische Darstellung der oder tier, sondern es erfolgt in zentrifugaler Lichtbrechungsverh~lmisse.

Ordinate = Brechungsverm6- Richtung ein kontinuierliches Absinken und gen, n = Abszisse, an der Schichtgrenze dana ein diskontinuier- 1--5 Schichtgrenzen. licher Anstieg, wie dies in Fig. 3 schematisch durch eine S~igelinie dargestellt ist. Die Schichtenbildung folgt also nicht einem Rhythmus, dicht, wenig dicht, dicht usw., sondern einem allmiihlichen VerarmungsprozeB dicht ~ wenig dicht, der an der Schichtgrenze stillsteht, worauf die Dichte schlagartig wieder auf alas Ausgangsniveau gehoben wird. Fiir das Appositionswachstum der St~rkek6rner folgt hieraus, dab bei der Bildung einer neuen Schicht diese erst dicht angelegt wird, bis das Wachstum bei einer bestimmten Ver- armung stiilsteht. Es ist dana wahrscheinlich eine Anfiillung des ver- brauchten Zuckermaterials notwendig, bis der Prozeg wieder yon neuem losgeht." (Frey-WyBling. 20)

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160 KoUoid-Beihefte Band 54, Heft 5--6

)~hnlich wie filtere Autoren TM) verfolgte H. L. v a n de S a n d e - B a k - h u i z e n ~) das Wachstum der Weizenst~irkek6rner bei konstanter Be- leuchtung und m6glichst konstant gehaltenen anderen {iuBeren Faktoren. Er land weder Schichtung noch Ringe. Da die Schichtung seiner Ansicht nach ihren Ursprung im verschiedenen Hydratationsgrad der St~rke- substanz hat, sieht er sie als yon der Turgeszenz der Zelle abh~ngig an. Da diese mit der Transpiration zusammenh{ingt, soll nicht nut der Licht-

(

c

Fig. 4. Mit der Mikronadel halbiertes St{irkekorn yon Canna. a yon der Seite, b etwas schief, c yon der Seite der Bruchfl~che.

wechsel, sondern auch die Periodizit~it der Transpiration ffir die Schich- tung maBgebend sein.

Auch A. W i e l e r 98) betrachtet die Schichtung als die Folge eines regelm/iBig sich wiederholenden Prozesses, bei welchem fortw~hrend die dutch die ~iuBere Hiille (Niederschlagsmembran) eindringende Zucker- 16sung mit der inneren L6sung zusammentrifft und so aufs neue auf- einanderfolgende Niederschlagsmembranen bildet. Einen wechselnden

Wassergehalt der einzelnen Schichten h~lt er nicht fiir wahrscheinlich, eine andere Erkl{irung de~ verschiedenen Lichtbrechung kann er jedoch nicht geben.

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Samec, Die neueren Ergebnisse der St~irkeforschung VI 161

N. P. B a d e n h u i z e n 6) hat einzelne Schichten der St~irkek6rner direkt einzeln sichtbar gemacht. Er zerschnitt mit Hi l fe eines Mikro- manipulators 85) ganz wenig gequollene St~irkek6rner. Auf der Bruch- fl~iche sieht man da deutlich die Hiillen, von denen die inneren manchmal weiter als die ~iuBeren her- vorragen. Auch nach Zerschneiden der spr6den, mit HC1 behandelten K6rner (HCl-Skelette) kann man oft beobachten, dab die ~iuBeren HSllen wie Miintel die inneren umgeben (Fig. 4 und 5).

Ubereinstimmend damit stellte R. H a l l e r a 5) (bei Behandlung der St~trkek6rner mit Oxydations- mitteln wie Natriumhypochlorit l6sung von 5 o B6, Brom in ~Gegenwart yon CaCOa, Kaliumperman- ganat, einprozentige Natriumperborat- oder Na- triumpersulfatl6sung, Chromtrioxydl6sung oder Wasserstoffsuperoxyd) lest, dab neben der be- kannten ~ugersten Membran ein ganzes System yon Sekund~irmembranen existiert, welche die verschiedenen Schichten einschlieBen und bei der Behandlung des oxydierten St~rkekornes mit Kupferoxyd-~thylendiamin-L6sung zuriickbleiben, w~ihrend die Zwi- schensubstanz unter der Einwirkung oxydativer Mittel 16slich geworden ist. Die zuriickbleibenden Lamellen konnten durch am- moniakalische Silberl6sung oder nach Einlagern yon Silberchromat und nachfot- gender Quellung mit Kupfer- oxyd-d~thylendiamin beson- ders deutlich sichtbar ge- macht werden.

Eine andersartige be- sondere Struktur haben V. A. N i k o l a i e f f und N . P . S c h u l t z 6v) an Weizen-

Fig. 5. Ein HCl-Ske- lett, dessen periphere Hfillen teilweise zer-

splittert sin&

Fig. 6. Schema des Baues der Weizenst~irke- k6rner.

a mittlere Platte, b obere H~tlfte, c untere Hiilfm des Kornes, e f~tcherartige Verbreiterung der mittleren Platte an den Enden des Kornes.

st~irkek6rnern beobachtet. Diese bestehen, yon der schmalen Seite ge-

sehen, aus zwei linsenf6rmigen H{ilften (Fig. 6). Schon J. F r i t z s c h e 2v) gelang es, die beiden H~ilften durch Druck

voneinander zu trennen. Der Zusammenhang der beiden Teile wird durch eine ,,Mittelplatte" vermittelt, welehe aus radial orientierten Mizellen besteht und sich an den Enden f~cherf6rmig erweitert. Die allgemeine

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162 Kolloid-Beihefte Band ,54, Heft 5--6

Mizellarrichtung in den beiden Linsen wird in der Zeichnung durch die Striche angegeben.

w 4. Radiale Struktur. Auger der Schichtung bestehen im St~irkekorn gewisse radiale Struk-

turen. Am deutlichsten sind sie bei den konzentrischen K6rnern sichtbar. Th . H a r t i g ag) beobachtete sie sehon im Jahre 1855 bei Linsenst~irke. Durch Chroms~iure wird sie nach A. WeiB und J. W i e s n e r 96) beson- ders klar hervorgehoben. Haben sich dutch die Wirkung der Chroms~iure die Schichten voneinander getrennt, so ist die radiale Strichelung in ihnen immer noch sichtbar 2~ 46).

Fig. 7. Lintnerisierte Weizenst~irke betraehtet mit einer Spierer-Olimmersion.

A. M e y e r 5~) beobachtete solche Strukturen an Klebesorghum- st~irke, wenn sie mit Wasser oder Kalziumnitrat verquollen wurde, ferner bei Maranthast~irke nach geringer Quellung und Behandlung mit kalter verdfinnter Salzs~iure und an leicht gequollener Cannast~rke. In nativen StSrkek6rnern ist sie nut selten sichtbar. Sch6ne radiale Schichtung fan- den O . T u n m a n n und L. R o s e n t h a l e r 9a) am Bilfaster Klebstoff, deut- lich sichtbar wird sie auch bei der FSrbung nach Unnal~

Sehr sch6n sieht man radiale RiBbildungen neben der tangentialen Schichtung an Weizenst~irkek6rnern, welche 26 Tage mit kalter 7,5pro- zentiger Salzs~ure behandelt wurden bei Verwendung der Spierer-O1- immersion*) (Fig. 7, S. W o o d r u f f ) 99).

*) Details fiber die Konstruktion des Spierer-Systems gab W. SeifrizS~

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DaB es sich hierbei wirklich um feine Spalten handelt, geht aus den Versuchen yon H. F i s c h e r 22) hervor. Er behandelte Cannast~irkek6rner mit einer Sublimatl6sung und darauf mit verdiinntem KJ. In den radialen Spalten wird hierbei HgJ2 in Form kleiner K6rnchen niedergeschlagen.

Die RiBbildung erkl~irten C. N~tgeli und S. S c h w e n d e n e r 6a) durch Spannungen, welche yon der radialen Anordnung der Mizellen verursacht werden; S t r a B b u r g e r sieht die Ursache in einer pdiformierten Strukturgl). A: Meye r ~G) sowie K. L i n s b a u e r ~2) meinten, dab bei der Quellung die peripheren Schichten einen Druck ausiiben, sobald der Innen- druck gr6Ber geworden ist.

Andere Autoren, wie O. B i i t s ch l i 16) und J. J. L. Z w i k k e r 1~176 meinten, daB dle peripheren Schichten am raschesten u n d ausgiebigsten quellen, wodurch die inneren auseinandergezogen werden.

Nach N. P. B a de n h u i z e n 6) enthalten beide Hypothesen einen Teil der Wahrheit; da n~imlich nicht alle Lamellen gleich resistent sind, kann es bei langsamem Quellen vorkommen, daB die schw~ichsten LameUen schon gequollen sind, die st~irkeren noch nicht, wodurch die Substanz der letzteren auseinandergezogen wird. Sind die peripheren Schichten noch ungequollen, so bilden sich in ihnen als Folge des Quellungsdruckes der inneren Masse radiale Spalten.

w 5. Die Bl~ckchenstrukturS). Die ersten Beobachtungen von getrennten Teilchen im St~irkekorn

verdanken wir E. S t r a B b u r g e r g l ) . Stiirkek6rner der Orchidee Phajus werden beim Quellen in Kalilauge zuerst rissig, dann punktiert; die Punkte hfingen nicht zusammen und verschwinden spfiter wieder. S t r a B- b u r g e r sah sie als Ausdruck einer inneren Struktur an. B u s c a l i o n i ge- lang es, Stiirkek6rner von Mais dutch Kochen mit Chroms~iure und Chlo- roform in regelm~iBig angeordnete rhombische Teilchen aufzuteilen. Er nahm abet als Ursache dieser Aufteilung die Bildung radialer Risse an, eine Ansicht, welche dutch die von L. D i p p e l 2~ wiedergegebenen Quellungsbilder sehr gestiitzt wurde.

C. C o r r e n s beobachtete eine Punktierung nach der Behandlung der St~rke mit 5prozentiger AgNO a- L6sung, Nachbehandlung mit 0,75pro- zentigem Natriumchlorid und exponieren dem LichtlV).

J. H. S a l t e r 82) bemerkte, dab diese Punktierung stets yon einer radialen Strichelung begleitet ist. Biit s chl i l6) i02) nahm bekanntlich eine Wabenstruktur im St~irkekorn an. Nach ihm umschlieBen stark licht- brechende Wabenw~tnde eine schwach lichtbrechende Fltissigkeit. W~ih- rend unter andern auch H. P u r i e w i t s c h va) die Wabentheorie als Folge

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eines optischen Betruges ansah, hat sie vor kurzem A. W i e l e r 9s) wieder zu sttitzen versucht. Manche seiner Abbildungen zeigten abet deutlich getrennte Einheiten, welche fiir Weizenstfirkek6rner B t i t s ch l i selbst angibt und welche nach dem Erhitzen auf 60 0 C in kleine Sttickchen aus- einanderfallen. W. L e p e s c h k i n 51) spricht ausftihrlich yon getrennten Krist~tllchen oder Tropfen.

Das unmittelbare Material fiir die Entwicklung der B16ckchentheorie war eine mit 7,5prozentiger HCl behandelte St~trke. Die St~trkek6rner Werden dabei spr6de und verlieren die blaue Jodfarbe. Es bleiben die sogenannten St~rkeskelette iibrig, welche zwar transparent sind, die Schichtung und das Polarisationskreuz aber noch immer zeigen. Nach

E. A. H a n s o n und J~ R. K a t z aT) as)

.O•'3 c3~169

Fig. 8. In einzelne B16ckchen zer- fallenes Weizenst~rkekom.

werden solche K6rner durch leichten Druck auf das Deckglas radial und tangential gespalten; die Bruchstiicke zeigen feine radiale Strichelung. Nach Behandlung mit 2mol. Ca(NOa)~-L6- sung .werden die Bruchstiicke welter radial und tangential aufgeteilt, bis das ganze St~trkekorn in kleine Fragmente yon der Gr6Be 1/z auseinandergefallen ist (Fig. 8).

Analoge Erscheinungen wurden yon E. A. H a n s o n und J. R. K a t z aS) auch bei Kartoffel- und Maranthast~trke

im Anfang der Verkleisterung, von N. P. B a d e n h u i z e n a) nach ver- schiedenen anderen Vorbehandlungen, wie z. B. Einwirkung yon Chrom- s~ure und Kaliumalkoholat, Erhitzen auf 200 o C, und an verschiedenen anderen St~rken, yon J. J. L. Z w i k k e r an zerriebener Kartoffelst~rke l~176 beobachtet.

Auch O. A. S j6s t romSg) , welcher eine Reihe sch6ner Mikro- photographien w~tsseriger Suspensionen verschiedener St~rken ver- 6ffentlichte, land in Maisstiirkek6rnern nach dem Behandeln mit S~ture oder Chlor und nachfolgendem Verkleistern eine Mizellarstruktur, welche von kugeligen, etwa 0,3 # groBen Einheiten gebildet wird. Die Teilchen sind in konzentrischen Reihen regelm~13ig angeordnet; sie sind trotz ihrer Kleinheit noch wesentlich viel gr6Ber als die eigentlichen kristallinen Molekiilaggregate. Er meinte, dutch seine Beobachtung die Theorie einer ,,Wachstumsstruktur" wesentlich gestfitzt zu haben.

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Samec, Die neueren Ergebnisse der Stiirkeforschung VI 165

Mit Fuchsin rot gef~rbte Kartoffelstiirke liefert dunkelviolette B16ck- chen, welche yon rosa gef~trbten Zwischenw~inden umgeben sind. B a d e n- h u i z e n jr. konnte mit Hilfe des Mikromanipulators zeigen, dab man es mit einer real existierenden Struktur zu tun hat. Man sieht, dab die 1/* groBen Fragmente dutch eine weichere Substanz verbunden sin&

E. A. H a n s o n und J. R. K a t z glaubten, dab die B16ckchen in Form einer gewachsenen Struktur im St~irkekorn pr{iformiert sind; sie bestiinden aus Paketen radial orientierter Amylosemizellen, das Amyio- pektin aberwiirde die Zwischensubstanz bilden. K. H e B und F. A. S m i t h dachten sogar an ein System yon Fremdh~uten~l).

Schon A. F . r e y - W y g l i n g 25) wandte sich gegen diese Annahme und bezeichnete das ,,B16ckchenbild" als ein Hydrolysenbild. Durch eine ausfiih~liehe A~beit hat dann N. P. B a d e n h u i z e n 5) gezeigt, daft die B16ckchen erst bei der Quellung des St~irkekornes entstehen; sie sind Spaltprodukte der aus homogener Substanz aufgebauten resistenten Schichten. Ihre Form und Anordnung in den Hiillen ist anders, als im optischen Querschnitt vorget~tuscht wird.

Bei langsamer Quellung sind sie die optischen Querschnitte schmaler aus den Hiillen herausgeschnittener Streifen, welche nach st~irkerer Quel- lung in kleinere Bruchstticke auseinander gezerrt werden. Die regel- miigige B16ckchenstruktur wird zuerst in der Mitte des Kornes zerst6rt. Da die Fragmente der St~trkek6rner verschiedene Formen haben, sollte der Ausdruck B16ckchen dutch Br6ckchen ersetzt werden6).

w 6. Zur Frage nach einer gewaehsenen Struktur mit Fremdh~iutchen.

Manche Forscher sind zu der Ansicht gekommen, dab in den St~irke- k6rnern auBer einem rein kolloidchemischen Zusammenhang eine bio- logische, gewachsene, dutch Fremdh~iute bedingte Struktur vorkommt.

Die Ansicht geht yon den bekannten Erscheinungen aus, dab intakte Stiirkek6rner gegen kaltes Wasser und gegen diastatische Fermente sehr resistent sind, dab abet nach dem Mahlen ein Teil der Substanz wasser- 16slich geworden ist. Nach O. L. S p o n s l e r 9~ entsteht beim Zerreiben der St~irkek6rner ein amorphes R6ntgenspektrum, eine Erseheinung, welche bei echten Kristallen nicht beobachtet wird.

Schon C. v. N ~igeli 62) war der Meinung, dab etwas im Korn iiber- wunden werden miiBte, wenn die Quellung einsetzen soll. K. HeB und F. A. S m i t h 41) dachten nun nach den Erfahrungen an Zellulosefasern an die M6glichkeit, dab die einzelnen Lamellen im St~irkekorn dutch Fremdhautschichten, eventuetl dutch das zuriickgebliebene EiweiBstroma

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voneinander getrennt w~iren, J. R. K a t z und L. M. R i e n t s m a 45) sowie E. A. H a n s o n und J. R. K a t z aT) a8) aber meinten, dab Amylopektin- h~iute die aus Amylose bestehenden B16ckchen umgeben.

Man hat die nach verschiedener Vorbehandlung der Stfirkek6rner auftretenden radialen Strukturen und Bl6ckchenbildungen als Stiitze ffir die Annahme besonderer biologischer Strukturen auszuwerten versucht. Es hat aber namentlich N.P. B a d e n h u i z e n a) 6) gezeigt, dab fiir solche Annahmen kein zwingender Grund besteht.

w 7. Die AuSenmembran.

In Zusammenhang mit der Frage nach der inneren biologischen Strukturierung steht auch das viel umstrittene Problem der AuBen- membran. Viele darfiber ge~uBerte Ansichten finden sich in der ,,Kol- loidchemie der St~irke 'q~ und namentlich bei N. P. B a d e n h u i z e n 4) zusammengestellt. Die Vers der AuBenmembrantheorie betonen, dab das St~irkekorn beim Verkleistern eine Blase bildet, deren Haut als Abk6mmling der AuBenmembran angesehen wurde [A. van L e e u v e n - hockS~ M. Raspai174), M. Guibour ta2) , Grundya~ A. Weig und J. Wiesner95), O. Tunmannga) , F. Ne to l i t zky66) , M. E. Bald- winS) , A. Wieler98), C. S. Hanesa6)].

Nach Z. Gru~.ewska al) und M. W. B e y e r i n c k la) besteht diese Hiille aus Amylopektin, nach H. L. van de S a n d e - B a k h u i z e n sa) aus a-Amylose.

Vielfach wird direkt von einer Hfillensubstanz (Amylopektin) und einer Inhaltssubstanz (Amylosen) gesprochen n) 21) 24) as) 5v) 70) vl) w) 92) 94) 99.

Auch A. R. L i n g und D. R. N a n y i 5a) 54) dachten anfangs, dab sich das Amylopektin nur in der peripheren Hiille befinde, sp~ter ver- muteten sie jedoch diese Komponente in allen Schichten.

Andere Forscher, wie z. B. Sa l te r aT) und R. H. D'ennis tonlS) , nehmen eine gr6gere chemische Verschiedenheit der Randschicht an, welch letztere jedoch nicht eine Blase liefern miiBte. Nach B e y e r ni c k 12) umgibt anfangs das St~rkekorn eine EiweiBhaut des Amyloplasten saint der yon Amyloplasten abgesonderten Granulose.

Manche Forscher schrieben der AuBenmembran die Rolle einer schfitzenden Hfille zu. Wenn man diese abtrennt, solle das ]6sliche Innere aufquellen 1) 1~) ,5) 47) 75) 8a) 97). Nach Ansicht anderer spielt sie die Rolle einer semipermeablen Membran 2a) 29), doch fehlt es nicht an Beobachtungen, welche gegen eine solche Annahme sprechen 21) v2).

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Um die AuBenhaut sichtbar zu machen, empfahlen O. T u n m a n n und L. R o s e n t h a l e r ~ a ) , die Stiirkek6rner nach dem Verkleistern mit Jod zu s Man findet br~iunliche bis violette Blasen mit blaugranu- larem Inhalt. F. N e t o l i t z k y 65) 66) beschreibt, wie sich bei der Ein- wirkung vorn alkoholischen Kali (1 Teil Xtzkali + O Teile 96proz. A1- kohol) und nachfolgender Wasserzugabe die Schichten yon innen her- aus 16sen, bis die periphere Schicht tibrigbleibt.

E. A. H a n s o n und J. R. K a t z av) fanden bei der Quellung der Kartoffelst~trke in Kalziumnitrat an den Riindern der unregelmiiBig quel- lenden Stellen eine dtinne Kutikula, deren Enden umgebogen sind.

Nach A. W i e l e r 98) sieht man die periphere Schicht, welche er als die {ilteste und resistenteste ansieht, am besten, wenn man die St{irke- k6rner in einem Tropfen verdfinnter Tusche beobachtet.

We ich s el 94) behauptete, dab bei der Einwirkung yon Takadiastase das Korn yon innen heraus angegriffen wird, dab abet Enzyme der F~iul- nisbakterien die periphere Schicht 16sen.

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Fig. 9. Schnitte dutch Kartoffelst~irkek6rner nach Hartig.

Th. H a r t i g ag) zerschnitt in Gummiarabikum eingebettete St~irke- k6rner mit einem Rasiermesser. In Wasser zeigten die Schichten eine deutliche AuBenmembran, die aus halbmondf6rmigen, konkaven Teilen zusammengesetzt war (Fig. 9).

Versuche, die AuBenmembran durch Fiirben sichtbar zu machen, hatten keinen unbestrittenen Erfolg. Nach J. H. S a l t e r 77) liiBt sie sich z. B. mit Gentianaviolett nur schwierig oder gar nicht f~irben. R. H. D e n - n i s t o n 1~ land nach der Dreifarbenmethode F l e m m i n g s (Safranin, Gentianaviolett, Orange G) die periphere Schicht immer orangefarbig; sie ist bei verschiedenen K6rnern verschieden breit und kann bisweilen eine violettgef~irbte Schicht enthalten; D e n n i s t o n folgerte daraus eine Verschiedenheit zwischen der AuBenmembran und den anderen Schichten.

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U n n a 1~ glaubte, mit dem Farbengemisch Wasserblau-Orzeir> Essigs~iure-Eosin-Safranin und nachfolgendem Beizen mit Bichromat, welches die Kartoffelst~irke rot f~trbt, die Randschicht aber farblos l~iBt, die B e y e r i n c k s c h e Hypothese bewiesen zu haben; doch zeigte Z w i k - ke r 100), dab es sich bei der UnnaschenArbei tsweise um ein nachtr~ig- liches Auslaugen des Farbstoffes aus der Randzone handelt.

I m Gegensatz zu diesen Beobachtungen stehen die Versuche R. H a 1- te rsa i ) , laut welchen die AuBenhaut der einzige fSrbbare Anteil des St~irkekornes ist. H a i l e r verwendete verschiedene Farbstoffe, lieg die ge- f~irbten K6rner in versehiedenen Quellungsmitteln aufquellen und be- obachtete, wie aus der gef~irbten peripheren Hiille der farblose Inhalt

ausstr6mt. Es fehlt itades nicht an Beobachtungen, welche gegen eine Augen-

membran sprechen. Behandelt man durch Jod gef~irbte Stiitkek6rner

) Fig. 10. Im Wasser erhitztes St~irkekorn yon Curcuma longa.

Bruchstficke; die ~tuBersten wie die inneren Partien69).

mit konzentrierter H2SO4, so werden die Schichten yon auBen nach innen abgespal- ten und sind voneinander nicht verschie- den44) 55). Beim Zerschneiden von St~trke-

k6rnern werden alle Schichten auseinan- dergerissen und k6nnen lockere Hiillen darstellen27). Nach K. N a g a i 6t) besteht in der Einwirkung von Pankreatin kein Unterschied im L6sen ~uBerer und inne- rer Schichten. Beim Zerdriicken zwischen Glasplatten zerfallen die St~irkek6rner in Partien haben die gleiche Beschaffenheit

L. J o st 10) s schon aus der Wachstumsgeschichte des St~trke- kornes, dab eine AuBenschicht besonderer Zusammensetzung nicht wahrscheinlich ist, da das Korn immer neue Schichten iiber die alten ablagert.

Zahlreiches Material, welches gegen die Annahme einer beson- deren AuBenmembran spricht, hat jiingst N. P. B a d e n h u i z e n 6) ge- geben. Er fand zun~ichst, dab St~irkek6rner lintnerisierter Kartoffel- st~irke nach dem Aufquellen mit Ca(NO3) ~ eine Schicht nach der anderen abstoBen, ohne daB ein Unterschied unter denselben zu sehen w~ire. _~hnlich identisch verhalten sich die einzelnen Schichten beim trockenen Erhitzen, bei der Einwirkung yon Chroms~ture, alkoholischem Kali u. a. Nach dem Zertri immern yon St~rkek6rnern dutch Deckglasdruck kann man sich iiberzeugen, daB trotz offensichtlicher Verletzung der ~uBeren

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Partien der Korninhalt in kaltem Wasser nicht quillt, so dab yon einer ,,schtitzenden" Htille nicht gesprochen werden kann. Die Verkleisterung erfolgt nicht etwa durch Aufquellen einer iinBeren Htillenmembran. Curcuma-Stiirkek6rner liefern z.B. beim Verkleistern ein System yon aneinandergereihten Siicken (Fig. 10), da }ede Schicht zu einer Blase quillt.

Bei Kartoffelst~irkek6rnern, welche einige Wochen der Speichel- wirkung ausgesetzt waren und deren peripherer Teil stark angegriffen ist, quillt der intakte innere Tell wie sonst das ganze St~rkekorn zu einer Blase. Beobachtungen, dab bei anderen Fitrbemethoden die Augen- membran farblos ist, sind nut zufiillig und nicht beweisend, da man dutch kleine Variation des F/irbe- und Beizvorganges auch gegenteilige mikroskopische Bilder findet. Die direkten Beobachtungen einer ,,Kuti- kula" erwiesen sich als optische T~iuschungen, da sich iiberall, wo Grenz- flfichen anwesend sind, Folgen der Lichtbeugung an den R~indern geltend machen, die manchmal keinen Zweifel an der Existenz einer Augen- membran iibrigzulassen scheinen.

w 8. Theorie des Wachstums.

Die genauere Kenntnis der organischen Struktur der Stiirke war AnlaB zur Entwicklung einer ausftihrlichen Theorie des Wachstums der Stiirkek6rner.

Es wax eine alte Auffassung der Physiologen, dag die entstehenden StSrkek6rner bl~schenf6rmige Gebilde seien, deren Inhaltssubstanz all- m~ihlich innerhalb der Blasenwand abgesetzt wird. Dieser Gedanke wurde jiingst yon A. W i e l e r 9s) wieder aufgegriffen. Nach seiner Ansicht ent- steht das St~trkekorn innerhalb des Amyloplasten in Gestalt eines Trop- fens, welcher eine Niederschlagsmembran um sich bildet. Die Zucker- 16sung diffundiert tropfenf6rmig dutch die Membran, wobei diese sich vergr6gert. ,,Es schlieBen sich Tropfen an Tropfen in tagentialer und radialer Richtung und verbinden sich lest miteinander, so dab ein solider Aufbau entsteht." Schon vor l~ngerer Zeit hat J en ty s :~ gezeigt, dab man dutch Verdunsten einer Granulosel6sung, welche etwas Tannin ent- h~ilt, sch6ne ktinstliche St~irkek6rner erhalten kann. Bei einer solchen Sachlage wiirde es sich weder um eine Intussuszeption noch Apposition handeln, sondern einfach um einen Kristallisationsvorgang einer kon- zentrierten L6sung.

Die Annahme, dab das junge St~irkekorn yon einer semipermeablen Membran umgeben w~re, durch welche nur Stoffe yon relativ niedrigem Molekulargewicht durchdringen k6nnten, lieBe es nicht verst~indlich

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erscheinen, wie die grol3en, von Amyloplasten ausgeschiedenen St~trke- molekiile die Membrane durchdringen sollten. Man miiBte zu der un- wahrscheinlichen Ausflucht greifen, dab Zuckermolekfile die Membran passieren und erst im Innern des St~rkekorns zu St~rke synthetisiert und gesetzm~iBig orientiert werden. Im Gegensatz hierzu lassen sich An- nahmen eines Appositionswachstums mit dem heutigen Strukturbild der St~irke gut vereinen.

Es sei zun~ichst betont, dab das St~irkekorn nur dort w~ichst, wo der Amyloplast in Form eines Mfitzchens vorhanden ist, dagegen nicht dort, wo er nur eine diinne Hiille bildet. Beim Wachstum 16st sich nach K u d r - z y c k a ~9) die Maltose des Amyloplasten aus der EiweiBverbindung ab und wird zur Bildung yon St~rke verbraucht. Man findet sie tats/ichlich in kleiner Menge an der Oberflache des Kornes frei vor. Im Glukoproteid des Amyloplasten gehen inzwischen Vedinderungen vor sich, die zu einer Hydrolyse des EiweiBes fiihren, so dab die am Korn haftende Amylo- plasthfille einen vermehrten Gehalt an Aminos~uren aufweist.

J. J. L. Z w i k k e r 1~176 stellte sich nun vor, dab der Leukoplast eine konzentrierte kolloide L6sung yon Amylose und Amylopektin ausschei- det. Da die St~irke die Oberfl~chenspannung des Wassers erniedrigt, sam- melt sich zu Zeiten, wo die T~tigkeit des Leukoplastes unterbrochen wird, die St~irkekomponente, welche den gr6Bten Einflul3 auf die Oberfl~ichen- spannung hat (das ist nach Z w i k k e r s Ansicht das Kaliumamylophosphat), an der Oberfl~iche an, wodurch es zu ihrer Abscheidung kommt. Wenn der Amyloplast seine T~itigkeit wieder aufnimmt, bleibt die ausgeschiedene Schicht unvedindert bestehen, und der ProzeB der Ausscheidung, H~u- lung auf der Oberft~iche und Priizipitation wiederholt sich. Z w i k k e r s Hyp0these stammt aus einer Zeit (1921), wo die rSntgenspektrographische Untersuchung noch nicht ihre Erfolge gezeigt hat, und so konnte er fiber die Bildung der Amylosen und des Amylopektins nichts N~theres aussagen.

Da spiiter die Form der Stiirkemolekiile bekannt geworden ist, ver- suchte C. L. A l s b e r g 2 ) , das Wachstumsbild folgendermaBen auszu- gestalten. Er nahm an, dab entweder das St{irkekorn dadurch w{ichst, daB die Kettenmolektile am peripheren Ende dutch Kondensation yon Glukose oder Maltoseresten verl~ngert werden, oder dab ~ihnlich wie bei Baumwollfasern im Cytoplasma, welches das kleine Korn umgibt, kleine Stiirkekristalle gebildet werden, welche si.ch yon selbst radial um das Korn anordnen und an die Ketten der w~hrend einer vorherigen Wachstumsphase geordneten Molekfile geheftet oder eingereiht werden. Wenn das Stfirkekorn gr6ger wird, liegen die Glukoseketten mit ihren peripheren Enden lockerer aneinander. Es entstehen so Zwischendiume,

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in welchen neue Glukoseketten eingelagert werden. So werden konische Kristallite gebaut, deren Basis gegen die Peripherie des Kornes liegt. Dieses Bild entspricht v611ig nur der Substanzanordnung in ungeschich- teten St~irkek6rnern, in welchen sich die Kristallite y o n der Peripherie bis zum Hilum erstreckenS~).

Es ist nicht notwendig, dab bei der geschilderten Wachstumsart die Makromolekfile alle gleich lang w~iren, es ist sogar das Gegenteil wahr- scheinlich. Die Makromolekfile dfirften dann dutch v a n der Waals sche Kr~fte zu gr6Beren Teilchen vereinigt werden.

Es entsteht die Frage, wie die einmal gebildeten, verschieden langen Glukoseketten gef~tllt werden. H. P. B a d e n h u i z e n v) dachte an die M6glichkeit, dab ~ihnlich wie bei den Versuchen yon Wo. O s t w a l d und B. H. Herte168) die St~rkesubstanz unter Mitwirkung eines Ei- weiBes ausfiillt. Doch kann man sich auch die Abscheidung der Stiirke- substanz selbst vorstellen. Da ktirzere Glukoseketten leichter 16slich sind als l~ngere, wi~rde die Abscheidung einsetzen, sobald eine gegebene Zahl genug langer Ketten verf/-igbar ist. Zun~ichst wird eine aus langen Ketten gebildete Kugel abgesondert, dann folgen Ffillungen kurzer Ketten, welche mehr hydratisiert sind. Da die assoziativen Kriifte direkt pro- portional der Kettenlfinge sind, werden die kurzen Ketten unregelmfiBig angeordnet. Der ProzeB kommt zum Stillstand, wenn das Gleichgewicht zwischen den hydratisierenden und dehydratisierenden Kr~ften erreicht ist, so dab die tibrigbleibenden Ketten zu kurz sind, um an der Pr~izipi- tation teilzunehmen. Sie bleiben daher in L6sung. Auf diese Weise stellt sich ein kontinuierter Ubergang yon den gef~tllten langen Ketten zu den gel6sten kurzen Ketten her.

Fr ey2WyBl ing 25) hat daraufaufmerksam gemacht, dab die Schichten der Stiirkek6rner in Lamellen unterteilt sind. Nach den Versuchen B a d e n- h u i z e n s ist es m6glich, die Schichten dutch verschiedene Mittel in La- mellen zu trennen, wobei die Lamellen einer Schicht immer zusammen- quellen. Daraus s dab die Lamellen lest miteinander verbunden sind, w~hrend die Beriihrung der Schichten eine losere ist. Zur Erkl~rung nimmt B a d e n h u i z e n an, daB, wenn eine bestimmte Zahl yon Mole- kiilen gef~tlhwordenist, die Stelle des Amyloplasten, welche unmittelbar das St~irkekorn umgibt, yon Ketten beraubt ist, welche geniigend lang w~ren, um far eine Dehydratation in Betracht zu kommen. Diese Stelle wird sehr rasch entleert. Eine erneuerte F~llung folgt, wenn der Mangel dutch Diffusion neuer Ketten gen~gender L~inge ergiinzt wurde. Dieser ProzeB wiederhoh sich anscheinend rasch und gibt AnlaB zur Formation yon L a m e l l e n , welche daher sehr diinn und geschlossen sind.

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Da der ~berschuB an Kohlehydrat nicht konstant ist, wird allm~h- lich der ganze Amyloplast oder zumindest ein gr6Berer Teil desselben entleert. Eine neue F~llung folgt in diesem Falle erst, nachdem der Amylo- plast mit einem neuen ~berschuB yon Kohlehydraten versorgt worden ist. Dieser Vorgang nimmt offenbar mehr Zd t in Anspruch und kann den Ursprung der S c h i c h t e n erkl~ren.

Nun ist es klar, dab sich die ,,S~gelinie", welche das Brechungs- verm6gen des St~irkekomes vom Hilum bis zu~ Peripherie darstellt ( F r e y - W y S l i n g 26), nut auf die Schichten bezieht und die einzelnen Lamellen in ,,S~gez~hne" unterteilt werden k6nnen.

Von diesem Standpunkt aus mfiBte man erwarten, dab h~ufig auch Lamellen yon schwachem Brechungsverm6gen die St~rkek6mer um- geben. Unzweis163 wird das auch der Fall sein; doch es ist leicht zu verstehen, dab solche dfinne, w~sserige Lamellen schwer an der Peri- pherie wahrzunehmen sind, wenn man bedenkt, dab sie in die Substanz des Amyloplasten fibergehen.

Nach dieser Theorie zeigt das St~rkekorn eine Aus yon Schichten, welche aus hochbrechenden, lange Ketten enthaltenden Teilen bestehen, und schw~icher lichtbrechende kurze Ketten enthalten; letztere sind mehr hydratisiert und liegen weiter s sich beiseite.

Diese Wachstumshypothesen operieren nut mit den geraden Amy- loseketten. Da ein GroBteil der Kornsubstanz dutch verzweigte Molek~ile gegeben ist, m~issen die hier entwickelten Bitder dutch die Annahme er- g~nzt werden, dab anfangs gebildete, verh~lmism~Big kurze Glukose- ketten nicht nut im Sinne einer Verl~ngerung, sondern auch im Sinne yon Verzweigungen weiterwachsen (K. H. M e y e r ng).

Nach F. K. J~ge r und M. S. J a k o v i e w 4a) ist das reife St~rkekorn dutch die Schichtenbildung und eckige UmriBlinien yore unreifen Korn

unterschieden.

w 9. Korrosion.

Aus den vorangehenden Abschnitten ist e~sichtlich, dab im St~rke- korn sowohl tangential als auch radial Diskontinuit~ten des Festigkeits- verbandes bestehen. Eine Folge davon ist, dab bei der Wirkung quellen- der oder 16sender Agenzien zuerst die am wenigsten widerstandsf~ihigen Stellen angegriffen werden und so Korrosionserscheinungen der verschie- densten Art in Erscheinung treten. Der Verlauf der Korrosion und ihr Endergebnis wurde vielfach sehr ausffihrlich studiert, da man durch Kom- bination der mikroskopischen Bilder mit mikrochemischen Reaktionen auch Aufschlfisse fiber substanzielle Besonderheiten der St~irkek6rner zu

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erhalten hoffte. So sind die S~iure und Speichelskelette der St~trkek6rner seit den Arbeiten yon C. N~gel i6~) zu klassischen Objekten geworden.

G. K r a b b e 4s) und namentlich A. M e y e r 56) haben gezeigt, dab die

Korrosion nach zwei verschiedenen Prinzipien erfolgen kann, n~tmlich in Form eines Abschmelzens yon auBen oder auf Bahnen, welche eventuell bestehende Perforationen der K6rner den Reagenzien 6ffnen. Es ist vor allem v o n d e r St~trkeart abh~ingig, welche der beiden Korrosionsformen vorherrscht. I m allgemeinen finder man in St~rken der Zerealien pr~i- formierte Kan~le, w~hrend die St~trken aus wasserreichen Speichel- organen geschlossene, yon auBen abschmelzende K6rner besitzen. Bei ein und derselben St~trkeart kann aber auch das Reagens die Korrosions-

form bestimmen. Konzentrierte Schwefels~iure oder mit gleichen Teilen Wasser ver-

diinnte Schwefels~ture 16st z.B. die peripheren Schichten ab (C. N ~g eli), eine Schwefels~ure, welche mit dem 21/2fachen Volumen Wasser ver- diinnt wurde, dringt aber zuerst in das Korninnere ein.

In der letzten Zeit hat sich N. P. B a d e n h u i z e n v) neuerlich aus- s mit den Korrosionserscheinurtgert beschiiftigt. Er untersuchte die St~irken yon Zingiber officinale, Zea mais, Vicia Faba, Phaseolus vul- garis, Weizen, Roggen, Gerste und Erbse in ihrem Verhalten gegen Schwefels~ture, Speichel und Diastase. Durch zahlreiche Zeichnungen wurden die verschiedenen Korrosionsfiguren wiedergegeben, aus welchen das verschiedentliche Verhalten der aus verschiedenen Organen stam-

menden Stiirken zu ersehen ist. Eine Erkl~trung fiir die Ursachen dieses unterschiedlichen Verhaltens

konnte B a d e n h u i z e n nicht geben. Es ist abet gewiB kein Zufall, dab sich anf Grund der Korrosionserscheinungen die St~rken im grof~en u n d ganzen in jene Hauptgruppen zusammenfassen lassen, in welche wit sie auf Grund der Merkmale des Amylopektins und N a r a y - S z a b 6 auf Grund des R6ntgenspektrums gruppiert haben. Es sind eben die kolloiden Merkmale des Amylopektins auch for das Eindringen 16sender und

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