5
682 K. U~GERECHT: OES~.I~, H.: Die Strahlenbehandlung des endolaryngealen Karzinoms. Strahlen- therapie 78, 361 (1943). PFANDER, F.: Einseitige Schildknorpelfensterung mit Radiumeiulage bei Kehl- kopfearcinom unter t~bersohreitung der bisher iiblichen Indikationsstellung. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 159, 159 (1951). -- Behandlungsergebnisse bei 257 Kehlkopfcarcinomen mit Bemerkungen zur Therapie. HNO (Berl.) 6, 200 (1957). -- Report of the internat. Com. on Radio]. Units and Nfeasurement, Handbook N BS 62. Washington: u.s. Department of Commerce 1957. SCnVMA~, E., u. K. FLEISCHE~: Zur Radiumbehaadlung des Stimmbandkarzi- hOrns. Strahlentherapie 105, 27 (1958). 37. K. UNGERECHT-1V[iinchen: Die operative Wiederherstellung des Luft- und Speiseweges naeh Zertriimmerung des Larynx mit Trachea- abriB sowie querer 0esophagusdurehtrennung infolge eines Autounfalles (M_it 4 Textabbildungen) Die verbesserte Organisation der Ersten Hilfe nach Unf~llen hat zur Folge, dal~ heutzutage mancher Verletzte gerettet wird, der frfiher am Unfallort starb. Wir sehen deshalb 5fters Zertrfimmerungen des Larynx, Tracheaabrisse, Oesophagusverletzungen u.a. Ihre Behandlung stellt uns nicht selten vor schwer 15sende Probleme. Letzteres trifft vor allem zu, wenn es gilt, bei den im Thema genannten Kontinuiti~tsunterbreehun- gen durch operative Mal~nahmen wieder ann~hernd normale anatomische Verh~ltnisse und eine befriedigende Funktion herzustellen. Wie schwierig dabei unsere Aufgaben sein kSnnen, lehrt folgender Fall: Am 1.6. 1962 riefen uns die Chirurgen zu einem 22j~hrigen Mann, der einige Stunden zuvor bei einem Autounfall eine schwere Halsprellung erlitten hatte. Er war infolge ~bermfidung an einen Baum gefahren. Wegen Atemnot muSte er noch augerhalb Miinehens tracheotomiert werden. Schon beim ersten Kaniilenwechsel nach Klinikaufnahme er- kannten die Chirurgen, da$ Trachea und Oesophagus vollst/~ndig durch- trennt waren. W/~hrend der Untersuchung trat eine st/~rkere Blutung auf, die eine rasche Wundrevision verlangte. Man erweiterte die quere Tracheo- tomiewunde zu einem Kragensehnitt und umstaeh eine Schilddriisen- arterie, aus der es blutete. Es wurde anschlieSend ein medianer L/~ngsschnitt nach oben gelegt, und nach Zuriickschlagen der Haut sahen wir folgendes (siehe Abb. 1). Die Trachea war direkt unterhalb des Larynx subcutan abgerissen worden und in der iiblichen Weise ins Mediastinum abgesunken. Als erstes wurde ihr Stumpf hochgezogen und am Jugulum festgen/iht. Der Bogen des Ringknorpels fehlte. Seine Triimmer fanden sich zerstreut in der Wunde. Die Ringknorpelplatte lag mehrfach frakturiert,

Die operative Wiederherstellung des Luft- und Speiseweges nach Zertrümmerung des Larynx mit Tracheaabriß sowie querer Oesophagusdurchtrennung infolge eines Autounfalles

Embed Size (px)

Citation preview

682 K. U~GERECHT:

OES~.I~, H.: Die Strahlenbehandlung des endolaryngealen Karzinoms. Strahlen- therapie 78, 361 (1943).

PFANDER, F.: Einseitige Schildknorpelfensterung mit Radiumeiulage bei Kehl- kopfearcinom unter t~bersohreitung der bisher iiblichen Indikationsstellung. Arch. Ohr.-, Nas.-, u. Kehlk.-Heilk. 159, 159 (1951).

-- Behandlungsergebnisse bei 257 Kehlkopfcarcinomen mit Bemerkungen zur Therapie. HNO (Berl.) 6, 200 (1957).

-- Report of the internat. Com. on Radio]. Units and Nfeasurement, Handbook N BS 62. Washington: u.s. Department of Commerce 1957.

SCnVMA~, E., u. K. FLEISCHE~: Zur Radiumbehaadlung des Stimmbandkarzi- hOrns. Strahlentherapie 105, 27 (1958).

37. K. UNGERECHT-1V[iinchen: Die operative Wiederherstellung des Luft- und Speiseweges naeh Zertriimmerung des Larynx mit Trachea- abriB sowie querer 0esophagusdurehtrennung infolge eines Autounfalles (M_it 4 Textabbildungen)

Die verbesserte Organisation der Ersten Hilfe nach Unf~llen hat zur Folge, dal~ heutzutage mancher Verletzte gerettet wird, der frfiher am Unfallort starb. Wir sehen deshalb 5fters Zertrfimmerungen des Larynx, Tracheaabrisse, Oesophagusverletzungen u . a . Ihre Behandlung stellt uns nicht selten vor schwer 15sende Probleme. Letzteres trifft vor allem zu, wenn es gilt, bei den im Thema genannten Kontinuiti~tsunterbreehun- gen durch operative Mal~nahmen wieder ann~hernd normale anatomische Verh~ltnisse und eine befriedigende Funktion herzustellen. Wie schwierig dabei unsere Aufgaben sein kSnnen, lehrt folgender Fall:

Am 1.6. 1962 riefen uns die Chirurgen zu einem 22j~hrigen Mann, der einige Stunden zuvor bei einem Autounfall eine schwere Halsprellung erlitten hatte. Er war infolge ~bermfidung an einen Baum gefahren. Wegen Atemnot muSte er noch augerhalb Miinehens t racheotomiert werden. Schon beim ersten Kaniilenwechsel nach Klinikaufnahme er- kannten die Chirurgen, da$ Trachea und Oesophagus vollst/~ndig durch- t rennt waren. W/~hrend der Untersuchung t ra t eine st/~rkere Blutung auf, die eine rasche Wundrevision verlangte. Man erweiterte die quere Tracheo- tomiewunde zu einem Kragensehnit t und umstaeh eine Schilddriisen- arterie, aus der es blutete.

Es wurde anschlieSend ein medianer L/~ngsschnitt nach oben gelegt, und nach Zuriickschlagen der H a u t sahen wir folgendes (siehe Abb. 1).

Die Trachea war direkt unterhalb des Larynx subcutan abgerissen worden und in der iiblichen Weise ins Mediastinum abgesunken. Als erstes wurde ihr S tumpf hochgezogen und am Jugulum festgen/iht.

Der Bogen des Ringknorpels fehlte. Seine Triimmer fanden sich zerstreut in der Wunde. Die Ringknorpelplatte lag mehrfach frakturiert ,

Operative Wiederherstellung des Luft- und Speiseweges 683

flachgedrfiekt und vSllig skeletiert auf dcr Fascia praevertebralis; denn der Oesophagus war bier ebenfalls quer durchtrennt worden. Seine zer- fetzten Riinder hatt~en sich naeh cranial und caudal zuriickgezogen.

Es bestand somit ein TraeheaabriI~ mit Zertriimmerung des Ring- knorpels bzw. dessen Aussprengung aus dem Larynxgeriist sowie eine Querdurehtrennung der SpeiserShre. Das Trauma hatte, was wir erst naeh einiger Zeit feststellten, aul~erdem den Schildknorpel median frakturiert und seine Plat ten zusammengedrfickt.

Die Oesophagusstiimpfe vereinigte Prof. Dr. G ~ L , Oberarzt der Chir. Klinik der Universit~t Miinchen, naeh Gl~ttung ihrer l ~ n d c r

Abb. 1 Abb. 2 Abb. 1. Zustand bei der ersten Wundrevision am 1.6.1962, wenige Stunden nach dem Autounfall. Vollstandige Kon~inuit~tsuntcrbrechung des Atem- und Speisewcges. Einfacher Pfeil: Narkosetubus; Doppelpfeil: N~hrsonde im Oesophagus; einfaeher Kreis: Fascia praevertebraiis; Doppelkreis: Skeletierte Ringknorpelplatte, die mehrfach frakturiert und isoliert in der Wunde liegt. Zx Larynx; T Trachea (nach g . U~GmtECH~: Oesophagus in Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, ein kurzgefatttes

Handbuch in drei B~nden. Bd. II/Teil 1. Georg Thieme, Stuttgart, 1963)

Abb. 2. Zustand am 8.6.1962. Per Traeheastumpfist nach Ann~hen am J-ugulum eingeheilt. Die Ring- knorpelplatte licgt in einem Granulationsbeet, sie he i r sparer ein. Am reehten Unterrand der Ring-

knorpelplatte bestand karze Zeit eine Fistel in den Oesophagus

mehrschichtig End zu End. Wir mui~ten bald, um dies vorweg zu nehmen, eine ringartige Anastomosenstenose aufbougieren. Das Lumen blieb spgter ohne weitere Behandlung weir.

684 K. U~Gn~EC~T:

Die Wiederherstellung des Speiseweges gelang, wenn man yon der Anastomosenstenose und einer kurze Zeit bestehenden oesophago- traehealen Fistel in t t6he der Naht absieht, ohne weitere Komplikat ionen und auf Anhieb.

Mehr Mfihe bereitete uns die t~ekonstruktion eines geschlossenen Atemrohres. Die Halsverletzung ging mit folgenden prim/~ren Ver~nde- rungen einher: Wegen der Kontinuit~tsunterbrechung resultierte nicht nur eine Deseensus der Trachea in das Mediastinum, sondern durch Muskelzug auch eine Elevation des Kehlkopfes. Zwisehen dem 4. und 5. I-Ialswirbel bestand fiberdies eine Subluxation.

Bei der 2 Tage naeh dem Unfall vorgenommenen Endoskopie hat ten wir den Eindruck, dab die intralaryngealen Weichteile in toto nach oben verschoben ws Die Stimmlippen verharr ten unbeweglich in der Medianlinie. Wir bekamen sie erst zu Gesicht, naehdem wir die nach median prolabierten Tasehenb~nder mit dem Endoskoprohr beiseite gedr~ngt hatten. Die ary- und epiglottisehen Falten waren hSher als normal und lappig gestaltet. Sie zeigten im Gegensatz zu den Stimm- lippen Bewegungsimpulse.

Uber den Zustand der Nn. recurrentes kSnnen wir nichts sagen. Wir suehten bei einer 2. I~evision nach diesen ~Ierven, fanden sic aber nicht in der Wunde freiliegen. Um letztere nicht zu vergrSl~ern, nahmen wir yon einer Aufdeekung der Nerven Abstand.

Wir legten die Ringknorpelplatte - - sie lieI~ sieh mit der Pinzette wegnehmen -- auf die Anastomosennaht. Sie heilte ein (siehe Abb. 2).

Naeh AbsehluB der Wundheilung hat te der Mann ein weiteres Tracheostoma. I m Larynxrest war nur noeh ein spaltfSrmiges Lumen vorhanden. Zwisehen Tracheo- und Laryngostoma bestand noch eine Rinne. Naeh und nach nivellierten sich vorn am Hals die Weichteile bis auf die t tShe der Wirbels~ulenvorderfl~tche, weft dem Atemrohr fiber eine grSBere Strecke ein fester Hals feh]te.

Dureh Narbenzug wurde der Larynx zus~tzlieh naeh cranial gezogen. Wie mancher Pat ient mit der Larynx- oder Tracheastenose besaB auch dieser Mann eine Neigung zu Keloidbildung.

Unsere Aufgaben bestanden einmal darin, durch Plastiken eine Weichteilrinne zu sehaffen, welche sieh zu einem geniigend weiten Atem- rohr umwandeln ]ie$. Zum anderen hat ten wir nach Ausweitung des Kehlkopflumens eine Verbindung zum Pharynx herzuste]len, welche ffir die Atmung ausreiehte, aber eine Aspiration verhinderte.

Am einfachsten war die Herstellung einer Weichteilrinne. Wir bride- ten, was naheliegend ist, an der Thoraxvorderwand zwei Rollappen und n/~hten sic auf beiden Seiten paramedian am Traeheostoma an. Auf der rechten Seite braehten wit den unteren Tell am eaudalen Rand des Traeheostomas zur Einheilung. Links blieb die untere It/flfte des Lappens

Operative Wiederherstellung des Luft- trod Speiseweges 685

bewegEeh, damit es naeh oben geschlagen und in der Mitte oberhalb des Laryngostomas eingepflanzt werden konnte (siehe Abb. 3).

Am schwierigsten war die Gestaltung der Verbindung zum Pharynx. Dureh den unbehandelten Larynxrest h/itte der Mann nie a tmen k6nnen.

Zuerst entfernten wir die verdiekte reehte Sehildknorpelplatte samt anliegenden, zum Teil vernarbten Weiehteilen. Ansehliel3end tamponier- ten wit das Lumen mit einem Mieuliez-Beutel aus Verbandsgaze. Die Vernarbung hielten wir dnreh Gaben yon Steroiden hintan. Das erzielte

Abb. 3 Abb. 4 Abb. 3. Zus t and a m 9.1.1964. l~{ittels zweier, der T h o r a x v o r d e r w a n d e n t n o m m e n e r Rol lappen wurde eine l~inne ff ir den A t e m w e g geschaffen. Das un te re Ende des l inken Rol lappens i s t nach oben ge- schlagen worden und oberhalb des L a r y n g o s t o m a s eingeheilt . E r l iefert den g r6g t en Teil der AuBen- wand. Der L a r y n x r e s t wurde genfigend ausgewei te t . Es bes teh t ein zufriedens~ellender Verschlul~-

m e c h a n i s m u s z u m P h a r y n x h in

Abb. 4. Zus t and a m 15.7.1964. Die R e k o n s t r u k t i o n des A temweges i s t abgeschlossen

Lumen reiehte aber noeh nieht fiir eine Atmung von oben. Nur w/~hrend des Abziehens der linken Kehlkopfh/~lfte nach ]inks bestand im Larynx ein weites Lumen. Die ]inke Sehildknorpe]platte schne]lte beim Los- lassen sofor~ naeh median zurfick.

"vVir excidierten daraufhin nochmals auf der rechten Seite submuk6s Gewebe und nahmen die rechte Stimmlippe weg. Nach Mediandurch- trennung der Weiehteile bis in den Pharynx hinauf konnte dann die linke

686 K. U~G~R~CgT: Operative Wiederherstellung des Luft- und Speiseweges

Schildknorpelplatte nach lateral verlagert werden. Eine aui]en vor- genommene Z-Plastik sollte einen sp~teren Narbenzug nach median verhindern. Nach und nach konsolidierten sieh die Narben unter intra- laryngealer Tamponade und Steroidmedikation derart, da~ ein fiir die Atmung ausreichendes Lumen resultierte.

Naeh einer ldeinen Erweiterungsoperation am Traeheastumpf konn- ten wir uns daran maehen, das Tracheostoma zu verschliel]en. Zuerst wurde der linke Rollappen unten abgelSst und oben am Laryngostoma zur Einheilung gebraeht (siehe Abb.3). AnschlieSend umschnitten wir die Weichteile um die reehte Offnung oval~tr und legten naeh Umschlagen der Wundlefzen nach innen eine Invertiernaht. Damit war ein Teil der Innenauskleidung gesehaffen. Den grSl~ten Bezirk der ~ul]eren Vorder- wand lieferte die untere Pattie des reehten Rollappens. Es blieb links oben eine Offnung zurfiek, in welehe eine Zeitlang eine Kaniile eingelegt wurde. Sie konnte bald weggelassen werden. Die Umstellung der Atmung auf die ver~nderten anatomisehen Verh~ltnisse erfolgte auf diese Weise nach und naeh.

Zuletzt schlossen wir das Restloch. Auch hier diente der Rollappen zur Herstellung der Innenauskleidung.

Heute besitzt der Mann wieder ein gesehlossenes Atemrohr (siehe Abb.4). Die Aufgaben der Stimmlippen haben die Taschenb~nder, bis zu einem gewissen Grade die ary-epiglottisehen Falten tibernommen. Das Lumen des Kehlkopfes entspricht etwa dem naeh einer erfolgreichen Lateralfixation. In der Ruhe ist die Atmung ausreiehend. Bei kSrperliehen Anstrengungen wird der M~nn jedoeh noeh kurzatmig. Es ist deshalb beabsiehtigt das Lumen des Atemweges noch zus~tzlich etwas auszuwei- ten.

Von einer zus~tzlichen Aufdehnung yon innen her nach partieller Aufklappung des Larynx ist nieht viel zu erwarten, da die linke Schfld- knorpelplatte infolge der Larynxelevation unter dem Zungenbein liegt. Erst naeh gezielter Abtragung des oberen Tefls der linken Sehildknorpel- platte lassen sieh die Weiehteile des Atemrohres mittels Chromcatgut- f~den nach aulten ziehen und am Zungenbein fixieren, wie wir dies bei anderen Patienten mit Erfolg taten.

Die Wiederherstellung des Atemweges nahm insgesamt 2 Jahre in Ansprueh. Man tut gut, die Patienten sofort auf die Langwierigkeit der Behandlung aufmerksam zu machen. Die ]ange Dauer ist notwendig, weft man nach jedem Eingriff immer wieder den Effekt der Vernarbung abwarten mul~. Der Erfolg der Behandlung h~ngt letztlieh davon ab, ob es gelingt, die Vernarbung nach Sehaffung einer Weieht~ilrinne und nach operativer Ausweitung des Larynx derart zu beeinflussen, dal~ permanent ein geniigend weites Lumen zuriickbleibt.