10

Click here to load reader

Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Aus der II. medicinischen Klinik der K6nigl. CharitY, Berlin (Director: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Fr . Kraus) .

Die 0rte der Reizbildung und Reizleitung im menschUchen Herzen.

Von

Stabsarzt Dr. Walter Koch. (nierzu Tafel L)

Die neuesten physiologischen Untersuchungen fiber die Wertigkeit der einzelnen Herzabsehnitte, insonderheit der in ihnen sich findenden Muskelsysteme specifischer Structur, die yon uns als cardiomotorisehe Centren bezeiehnet wurden, haben mit den anatomischen Befunden am Herzen eine so weitgehende Uebereinstimmung gezeitigt~ dass wir auf Grund dieser Harmonic uns zurzeit ein ganz anderes Bild yon der Natur des Herzschlages am gesunden und kranken Horzen machen k6nnen, als es noeh vor wenigen Jahren miiglieh ersehien. An der Hand des dieser Arbeit beigegebenen Schemas mSchte ich in Kiirze den augenblickliehen Stand der anatomischen Untersuchungen erl/iutern und die physiologischen Ergebnisso~ soweit sic sich mit ihm in Einklang bringen lassen~ zusammenfassen.

Die Abbildung gibt ein Schema der vier Herzh6hlen. Der rechte Vorhof ist halbschematisch gedacht und nur zum Teil eriiffnet gezeichnet. Der griin gezeiehnete S inuskno ten liegt~ wie ersiehtlieh~ an der Ein- miindungsstelle der Vena cava superior in den rechten Vorhof in der Furche~ welche sich zwischen dem mehr hiiutigen, den Hohlvenen zu- zurechnenden Abschnitt des rechten Vorhofes und den an der Taenia terminalis entspringenden Herzohr- bzw. Vorhofstrabekeln (Mm. peetinati) yon dem Herzohr-Cavawinkel auf die Cava inferior hinzieht und als Sulcus des Cavatrichters bezeiehnet wurde. Er beginnt etwa am Herzohr- Cavawinkel, zuweilen kurz unterhaib desselben, zuwei|en noeh diinne Ausl/iufer sine kleine Strecke weit nach oben an den Cavatrichter aus= sendend. Unterhalb des Herzohr-Cavawinkels sehwillt er bald zu dem yon mir als Kopfteil bezeiehneten Abschnitte an, verjiingt sich dann zuerst allmiihlich 7 dann schneller zu Stature und unterem Ausl/iufer und hiirt etwa in deE" Mitre zwischen Cava sup. und Cava inf., zuweilen aber noch iiber die Mitre naeh unten reicheud, dort auf, wo der sogen. Wenckebachsche Muskelzug (ein ziemlich constantes, etwas st/irker hervortretendes MuskelbfiudeI gewShnlicher Vorhofsmusculatur an der hinteren und seitliehen Wand des Cavatrichters bzw. Vorhofes) den Sulcus kreuzt~ wodurch er an dieser Stelle yon seiner sonst subperieardialen Lage mehr endocardw/irts zu liegen kommt. Seine, wie in dem Schema

Zeitschrift f. exp. Pathologic u. Therapie. 16. Bd. 1

Page 2: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

2 Waltor Koch,

angedeutet, netzfSrmigen Muskelfasern stehen mit der Musculatur des Cavatrichters, des Herzohres und des trabeculiiren Vorhofsabschnittes allentha[ben in ¥erbindung. Ein directer constant nachweisbarer Zu- sammenhang durch specifische Musculatur mit dem welter unten liegenden Aschof f -Tawaraschen Knoten besteht nicht, sondern dis beiden Systeme sind musculSs nut durch gewShnliche Musculatur verbunden.

In dem septalen Absehnitt des rechten Vorhofes und zwar in einem Felde, welches unten yon der Ansatziinie der Tricuspidalis, hinten yon der Coronarvene, oben vom Sinusstreifen und vorn yon der Pars mem- branacea begrenzt wird, liegt der erste Abschnitt des sogen. Reizleitungs- systems, der Aschof f -Tawarasche oder A t r i o v e n t r i c u l a r k n o t e n . Wie durch dis verschiedene F~trbung angedeutet, besteht derselbe anatomisch aus zwei mehr oder weniger deutlich trennbaren Abschnittcn. Der blau gehaltene Anteil ist der sogen. Vorhofstei l des Aschoff -Tawaraschen Knotens~ der auch als C o r o n a r s i n u s k n o t e n oder kurzweg als Vorhofs- kno ten bezeichnet worden ist. Da derselbe, wie wir spiiter sehen werden, anatomisch und funetionell dem Vorhof zuzureehnen und die Coronarvene als solche ein mehr secunditres Gebilde der Iterzen hSherer Wirbeltiere ist, mSehte ieh, damit nicht durch verschiedenartigc Be- zeichnung Verwechselung uud Verwirrung entsteht, den letzten Ausdruck Vorhofskno ten vorsch[agen, wobei aber immer zu bemerken ist, dass damit nur der im Schema blau gezeichnete hbsehnitt des htrioventricular- knotens gemeint ist. Dieser Vorhofsknoten setzt sich zusammen aus mehr oder weniger parallel bzw. f~cherfSrmig gewellt verlaufenden Muskel- fasern, die nach der Miindung dec Coronarvene, dem sogen. Coronar- venentriehter, ausstrahlen und sieh bis an die Venenmfindung verfolgen lassen, dis aber auch zum Tell mehr nach oben zur vorderen Um- randung der Fossa ovalis sich hinziehen, und zweitens aus einem mehr gefiechtartigen eigentlichen Knotenabsehnitt, der in den folgenden Ab- schnitt des Aschof f -Tawaraschen Knotens, den Kammerteil oder K a m m e r k n o t e n iibergeht.

Dieser im Schema rot gezeichnete Absehnitt des Atrioventricular- knotens ist durchweg gefiechtartig gebaut und liisst sich beim Huftier durch Glykogenf'~rbung mit ziemlieh scharfer Grenze you dem Vorhofs- knoten abtrennen. Der Kammerknoten liegt in dem Winkel, welcher yore Ansatz der Trieuspidalis und dem vorderen Ende des Sinusstreifens gebildet wird, wo dieser auf die Pars membranaeea auftrifft. Der Kammerknoten liegt dabei dem Annulus fibrosus an der hnsaizstelle des vorderen Mitralissegels an und kann sich noch eine Strecke welt bis in die Pars membranaeea, die sich in den Annulus fortsetzt, hineinziehen. Eine fixe Grenze zu den Ausl~ufern des Kammerknotens, dem Hisschen Biindel bzw. Stature und Schenkeln des Reizleitungssystems, kann wegen individueller Schwankungen nicht gegeben werden. Dass der Stature des R e i z l e i t u n g s s y s t e m s als Fortsetzung des Kammerknotens unter tier Pars membranacea auf die obere Kante des Ventrikelseptums stSsst, sich dort in die beiden Schenke l teilt, die am Septum ent|ang zu den Fusspunkten der Papillarmuskcln ziehen und sich in feincn Ver~iste[ungen durch dis Trabekel zur gesamten Ventrikeltriebmusculatur begeben, ist

Page 3: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Die Orto der Reizbildung und Reizloitung im monschlichon Horzen. 3

wohl zur Geniige bekannt und oft genug beschrieben. Dass die Fasern des Reizleitungsssystems beim Huftier constant, aber auch oft genug noch beim menschlichen und den Herzen der S/iugetiere sich der sogen. fa l schen Sehnenf~den des Herzens als Weg bedienen, haben wir im Schema im linken Ventrikel angedeutet und dem falschen Sehnenfaden eine 5fters beim Menschen beobachtete Riehtung gegeben. Die Ausliiufer des Vorhofsknotens stehen mit der Museulatur des Vorhofes in fliessender allseitiger Verbindung wie die Ausliiufer des Kammerknotens (die Aus- breitungen der Schenkel) mit der Ventrikelmusculatur.

Wir haben also kurz zusammengefasst im Herzen drei anatomisch erkennbare Systeme specifischer Natur:

1. Den S inuskno ten mit Ausl/i.ufern (griin)~ 2. den Vorhofskno ten mit Ausl/i, ufern (blau)~ 3. den K a m m e r k n o t e n mit Ausliiufern (rot).

Diese specifischen Muskelsysteme finden wir, wie bekannt, nicht nur constant bei allen S~ugetieren und Mensehenherzen, sondern sie lassen sieh phylogenet, isch bei allen Wirbeltieren his zu den Fisehen ii~ mehr oder weniger pr/ignanter Weise naehweisen.

Von besonderer Bedeutung erscheint mir aber ihre typische Localisation zu sein, worauf wit friiher schon mehrfach hingewiesen haben. Wir finden die specitisehe Musculatur nach A. Keith und J. Mackenz ie an den Grenzbezirken der primitiven Herzabschnitte und zwar im Uebergangs- bezirk veto Sinus zum Vorhof und vom Vorhof zur Kammer; an ersterer Stelle den Sinusknoten~ an der zweiten das Reizleitungssystem. An diesen Uebergangsstellen liegen aber auch die den Blutstrom regelnden Klappenapparate des Herzens, zu denen die specitischen Muskelsysteme in enger Beziehung stehen. Wit haben deshalb die zugehSr igen venSsen Klappen des Herzens in das Schema (schwarz) mit ein- gezeichnet. Da der Sinus venosus aussehliesslich in den rechten Vorhof einbezogen wird, kSnnen wit am Siiugetierherzen die Reste der Sinus- klappen auch nut in seinem Bereiehe uns reconstruieren. Naeh Kei th und Asehoff entspricht die Lage der rechten Sinusklappe im wesent- lichen dem Verlaufe der sogen. Taenia terminalis, der muscul6sen Leiste des rechten Vorhofes, yon welcher die Mm. pectinati entspringen und die in ihrem Hauptteile dem Sulcus des Cavatrichters entspricht. In diesem liegt aber der Sinusknoten~ der noch im oberen Drittel oder der oberen Hiilfte der reehten Sinusklappe als Rest der urspriinglichen Klappenwinkel- museulatur erhalten ist. Die unteren Ausl/tufer der rechten Sinusklappe werden (lurch die Valvula Eustachii und Valvula Thebesii gebildet, in deren gemeinsame in den Sinusstreifen auslaufende Zone auch das untere Ende der linken Siuusklappe einstrahlend zu denken ist, welche die Fossa ovalis hinten umkreisend mit der rechten Sinusklappe oben am sogen. Aortenwinkel, an der Ursprungsstelle der Taenia terminalis zusammen- trifft. Wenn somit der Sinusknoten sichere Beziehungen zu den Sinus- klappen hat und zwar seiner Lage nach vorwiegend im Bereiche tier Vena eava superior und der benaehbarten Lungenvenen, d. h. im oberen Sinusklappenwinkel, so sind fiir den Vorhofsknoten die Beziehungen zum

1"

Page 4: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

4 Walter Koch,

unteren Sinusklappeawinkel und damit zur Cava inferior und Coronar- vene deutlich. Es hat deshalb eine gewisse Bereehtigung, wenn man annimmt, (lass Sinusknoten und Vorhofsknoten, die sich auch histo- logiseh /ihneln, als Reste des urspriinglichen Sinusklappenringes auf- gefasst werden.

Die Beziehungen des Kammerknotens und seiner AuslKufer, die sich zuerst zum Klappensteliwerk, den Papillarmuskeln, begeben, sind eben- falls klar zu Tage liegend. Wenn auch die Verh/iltnisse nicht mehr so fibersichtlich sin(t, wie beim. primitiven Herzen, und die Beziehungen zu den Klappen im h6her entwicke|ten Herzen beim Reizleitungssystem eigentlieh nur noch indireete (durch die Papillarmuskeln) sind, so glaube ich doeh, dass man diesen Befunden einen gewissen Wert beilegen muss, da man dutch sie dem Verst/indnis fiir die Function der specifischen Muskelsysteme n/iherkommt.

Fiir die sp/iter z u eri~rternde Frage fiber die Bewertung dieser Muskelsysteme als Centren des Herzens ist yon Wiehtigkeit ein Einwand, der gegen die Bedeutung der specifischen Muskelsysteme gemacht werden k6nnte und der meines Wissens noch nieht ausgesprochen ist. Wie die anatomische Schilderung und Skizze zeigen, liegt niimlich der Sinusknoten eigentlich nicht am Anfange des Herzsehlauches, sondern erst an der Grenze veto ersten und zweiten Abschnitt, d. h. zwisehen Sinus venosus und Vorhof. Es ist ja aueh nicht, wie oft fftlschlich angenommen, der Sinusknoten der Rest des Sinus venosus, sondern der Rest tier Ueber- gangsmusculatur, der Klappenwinkelmusculatur zwisehen Sinus und Vor- hof, ebenso wie das Reizleitungssystem nicht als Vorhof, sondern als Verbindungsmusculatur zwischen Atrien und Ventrikeln anzusprechen ist. Da ein noch hiiher, d. h. stromaufw/irts an den Venen gelegenes Centrum nicht bekannt und nach meinen Untersuchungen aueh un- wahrscheinlieh, der Sinus venosus aber nach allen physiologisehen Be- obachtungen das Primum movens des Herzens ist, steht die Erkl/irung der Beziehung des Sinusknotens zum Sinus venosus noch aus; d. h. es ist noch nicht erwiesen, ob beim primitiven Herzen der Sinus selbstiindig sehl'/igt oder unter dem Einfiuss der sino-aurieultiren Verbindungsmuseulatur. Da das physiologische Experiment bekanntlich zeigt, dass nach Abbindung des Sinus veto Vorhof der Sinus weitersehlagen kann, muss das Erregungs- centrum oberhalb der Ligatur liegen. Es fragt sich nur, ob bei diesen Versuchen tats/tchlich die Uebergangsmusculatur vollst/indig anatomisch vom Sinus getrennt ist oder nieht. Nach Angabe der Physiologen (Enge lmann , Nieolai) soil der Versuch besser gelingen, wenn man die Unterbindung (bzw. Durehschneidung) etwas unterhalb der Grenzfurche anlegt. Das wfirde dafiir sprechen, dass die Uebergangsmusculatur fiir das Fortsehlagen des Sinus nieht ohne Bedeutung ist. Dass aber aueh nur geringe Reste yon specifiseher Musculatur immer noch als Centren wirken kSnnen, ist bekannt.

Dass beim S~ugetier und Menschen die Verh/i.ltnisse infolge vSIliger Einbeziehung des Sinus venosus in den reehten Vorhof andere sind als beim niederen Tiere, ist nut bis zu einem gewissen Grade zuzugeben, da der Grundtypus des Contraetiousablaufes und infolgedessen auch wohl

Page 5: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Die Otto dor Reizbildung und Roizleitung im menschliohon Herzon. 5

die dazu gehSrige Reizbildung fiir den complicierter gebildeten Herz- schlauch hSherer Wirbeltiere derselbe sein muss. Das, was als Rest der eigentlichen Sinusmusculatur beim Menschen- uud S/iugetierherzen an- zusprechen w/~re, liegt ebenfalls venenwiirts yon den im Schema an- gedeuteten Sinusklappen und damit stromaufw/irts veto Sinusknoten. Ich mSchte mich aber im gewissen Sinne der Anschauung J. Mackenz ies anschliessen, dass wir am hSheren Wirbeltierherzen in der Musculatur, welche stromaufw/trts yon der Taenia terminalis liegt, also vorwiegend der beiden Cavatrichter, in Wirklichkeit keine eigentlichen Sinusmuseulatur- reste vet uns haben, sondern dass es sich da um gewShnliche, nach- tr/tglich durch die Einstfilpung des Sinus heriibergeschobene Vorhofs- musculatur handelt, die sich ja auch histologisch in nichts yon der fibrigen Musculatur unterscheidet. Es sind daher wirkliche histologisch nachweisbare Sinusreste am S~ugetier- und Menschenherzen nicht mehr nachzuweisen, sondern nur noch die Uebergangsfasern in Gestalt des Sinusknotens. Wir kSnnen aber ffir das Siiugetierherz nach aller Er- fahrung der letzten Jahre wohl ziemlich sicher den Sinusknoten (und nicht die stromaufw/£rts gelegene Cavatrichtermusculatur) als Schritt- reacher des Herzens ansehen. Wenn diese Tatsaehe auch gut begrSndet erscheint, darf man doch nur mit gewisser Reserve veto Siiugetierherzen auf das primitive Wirbeltierherz zuriickschliessen, und ich glaube, wie gesagt, dass man ohne physioiogisches Experiment, welches anatomisch controlliert werden mfisste, diese Frage nicht entscheiden kann.

Ich komme nunmehr zu den physiologischen Ergebnissen, welche in Hinblick auf das beigegebene Schema kurz zusammengestellt seien, soweit sic auf Grund der Uebereinstimmung mit den anatomischen Daten uns ein einigermassen anschauliches Bild von dan Vorg/ingen bei dem Rhythmus tier Herzbewegung geben kSnnen. Ieh st•tze reich dabei im wesentlichen auf die Untersuchungen Yon Gan te r und Zahn, welche die verschiedenen cardiomotorischen Centren bis zu den Ausl/tufern des Kammerknotens hin experimentell erforscht haben. Danach wird die rhythmische Herzaction in der Norm vom Sinusknoten beherrscht. Er verh/tlt sich als erster bei der Herzaction elektronegativ gegenfiber allen anderen Herzabschnitten, und sein Kopfteil wieder steht functionell fiber seinen anderen Abschnitten (Wybauw Lewis). Von ihm aus kann dutch Erw/irmung und Abkiihlung dim Frequenz des Herzschlages will- kfirlich positiv oder negativ beeinflusst werden, eine Wirkung, die yon anderen beliebigen Vorhofsstellen nicht crier doch l~ugst nicht in gleich ausgezeichneter Weise hervorgerufen warden kann (Ganter und Zahn, B r a n d e n b u r g und Hoffmann). Wird der Sinusknoten anatomisch oder functionell ausgeschaltet, so kSnnen die stromabw/irts gelegenen Centren fiir ihn eintreten, und zwar sowohl der Vorhofsknoten win der Kammerknoten und seltener dessen Ausliiufer. Unter welchen Be- dingungen die versehiedenen Abschnitte in Function treten, ist noch nicht vSllig klar. Jedenfalls ist as meistens der Vorhofs- oder Kammerteil des Atrioventricularknotens, seltener, wie gesagt, die Kammerabschnitte des Reizleitungssystems. Hat der Vorhofsknoten die Ffihrung iiber- nommen, der ffir gewShnlich dem Sinusknoten untergeordnet ist, da er

Page 6: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

6 Walter Koch,

nur nach Ausschaltung desselben seine fiihrende T~tigkeit geltend macht, so erkennt man das an der geringeren Frequenz des Herzsehlages, an der Verkiirzung des As-Vs-Intervalls (welches aber noeh positiv bleibt) und an dem Negativwerden der Vorhofszaeke im Elektrocardiogramm (Loh- m a n n , Her ing , Gan te r und Zahn, B r a n d e n b u r g und Hoffmann) . hber auch der Kammerknoten kann gleieh ffir den Sinusknoten ein- springen, wobei die Herzaction eine wesentlich niedrigere Frequenz auf- zuweisen pflegt, das As-Vs-IntervalI aufgehoben wird (so dass Vorhof und Kammer synehron schlagen) und die Vorhofszacke des Elektro- cardiogramms verschwindet bzw. iiberlagert ist.

Es ist his jetzt noch nicht gelungen, die Stelle sicher festzulegen, an welcher das As-Vs-Intervall gieich Null wird. Die Verkiirzung desselben tritt allmiihlich ein, je tiefer man die Centren absueht. Theoretiseh kSnnte man an die Grenze zwischen Vorhofs- und Kammer- knoten denken und annehmen, dass der Vorhof noch so lange vom Vorhofscentrum aus betiitigt wird, wie das As-Vs-]ntervall Werte iiber Null hat und dass er riickl~ufig veto Kammerknoten seine Reizimpulse empfiingt, also yon einem night mehr zum Vorhof gehSrigen Abschnitte der cardiomotorischen Centren, wenn das As-Vs-lntervall aufgehoben ist. An dieser Stelle etwa miisste daher auch die bekannte Ueberleitungs- verziigerung stattfinden, deren Sitz in dem eomplicierten Flechtwerk des Kammerknotens gesueht wurde (Her ing, Zahn, l~och), die man aber auf Grund theoretischer Ueberlegung auch in der Uebergangszone veto Vorhofs- zum Kammerknoten vermuten kann (Aschoff), da ja bei der T/itigkeit des letzteren der Vorhof eigentlich schon rfiekl/iufig erregt wird. Jedenfalls ist experimentell erwiesen, dass sich aus der Gesamtmasse des Aschof f -Tawaraschen Knotens, der anatomisch als aus zwei ver- schiedenen Abschnitten bestehend angesehen werden muss, auch physio- logisch functionell verschiedenwertige Zonen unterscheiden lassen.

Das hat sieh nun nicht nur bei localen physiologischen Experimenten gezeigt, sondern auch, wie aus einer unl~ingst ersehienenen Arbeit yon G a n t e r und Zahn hervorgeht, bei indirecter Untersuchung durch den Vagus. Es ist schon 1Knger bekannt, dass (wenn auch nicht in allen F/illen, so doch vorzugsweise) der rechte Vagus im wesentlichen auf den Sinusknoten, der linke auf den Ascho f f -Tawara schen Knoten einwirkt (Her ing, L o h m a n n , R o t b e r g e r und Win te rbe rg , Cohn, Gan te r und Zahn). Dass tatsKchlich diese Centren die Angriffsstelle der Vagus- wirkung sind, konten die letztgenannten Untersucher dadurch noch be- weiskr/iftiger hervorheben, dass sie durch Erw/irmung der betreffenden Centren die Vaguswirkung vermindern, aufheben oder iibercompensieren konnien. Was uns hier ffir die Zweiteilung des A.-V.-Knotens besonders interessierf, ist die Tafsache, dass bei voriibergehender oder definitiver Aussehaltung des Sinusknotens nac'h Vagusreizung dieser Reiz night auf alle Abschnitte des A.-V.-Knoiens gleich intensiv zu wirken braucht, so dass der mindergehemmte Tell die Fiihrung beh/ilt und die wechselnden As-Vs-Intervallwerte (positiv, null, negativ) anzeigen, welcher Abschnitt am wenigsten bzw. am st~irksten betroffen ist. So iicss sieh durch Vagusreiz nach Ausschaltung des Sinusknotens UeberleitungsstSrung

Page 7: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Die Orte der Keizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen. 7

zwischen Vorhof und Kammer erzeugen~ /ihnlieh wie bei Coronarsinus- rhythmus (Vorhofsknoten) durch Abkfihlung der Vorhofsknotenabschnitte.

Als letzte bisher physiologisch (ebenfalls yon Gan te r und Zahn nachgewiesene) Reizbildungsetappe kommen die Ausliiufer des Kammer- knotens 7 d. h. Stamm und Schenkel des Reizleitungssystems in Betracht~ wie dutch die Methode der localen Abkiihlung und Erw/~rmung naeh- gewiesen wurde 7 wobei hervorgehoben werden mussy dass deutliche Wirkung nut yon den Stellen der Ventrikel erzielt wurde~ welche dem Verlauf der Schenkel entsprachen, dass diesen Stellen zum mindesten ein wesentliches Uebergewicht fiber die benaehbarte Ventrikelmuseulatur zugesproehen werden muss. Die Automatie dieser unterhalb des Kammer- knotens gelegenen Centren tut sich kund durch ebenfalls betr/ichtliche Frequenzverminderung des Herzschlages und stets negatives As-Vs-Intervall.

Es ist nicht meine Absieht~ im Rahmen dieser Zeilen, die einen kurzen Ueberblick fiber den gegenw/irtigen Stand unserer Anschaunngen yon der anatomiseh-physiologischen Localisation der Herzcentren geben sollen, die Pathologie der Reizbildungseentren eingehender zu besprechen. Nur einige kurze Hinweise auf ihre Beziehungen zu den chronisehen Arhythmien seien mir erlaubt. Ich habe schon an anderer Stelle und zuletzt gelegentlich des internationalen Congresses in London darauf hin- gewiesen, dass die anatomisehen Untersuchungen an Herzen yon F~illen yon Pulsus irregularis perpetuus eine einheitliehe Aetiologie in Bezug auf dis specifischen Muskelsysteme nieht erkennen lassen. Die haupt- s/ichliehsten Befunde an den Herzen solcher F/file deuten einerseits auf Stauung, die besonders den reehten Vorhof mitbetrifft~ andererseits auf chronische entzfindliche Processe im Bereiehe der Mitral-und Aorten- klappen und deren Ansatzgebieten, der Aortenwurzel bzw. der Pars membranaeea und des Annulus fibrosus der Seheidew/tnde. Da sich ausserdem in einer Reihe yon F/illen eine gewisse Ueberdehnung und regressive Ver/inderung der specifischen Muskelsysteme, besonders des Sinusknotens, zeigten, glaubte ieh die Hypothese aufstellen zu kSnnen~ dass man beim Pulsus irregularis perpetuus sich den Mechanismus der Herzaktion durch ein Widerspiel zwischen ersehSpftem Sinusknoten und fiir ihn sich einsetzendem Vorhofknoten bewirkt denken kSnne, und dass das Infunktiontreten des Vorbofknotens bei fehlender oder nicht ge- niigender Bet/~tigung des Sinusknotens eventuell auf chemisehe~ mecha- nisehe oder entziindliche Reize zuriickgefiihrt werden kSnne. Ieh hob dabei die venSse Stauung besonders im Coronarvenengebiet, wo der Vor- hofsknoten auslituft, fiir F/~lle yon Emphysem~ Arteriosklerose und der- gleichen hervor~ ferner die nahen Beziehungen des Vorhofs- und Kammer- knotens zu den Teilen der Herzseheidew'~nde 7 an welchen die bei Arhythmia perpetua procentualiter so h/iufig erkrankten Mitral- und Aortenklappen ansetzen, so dass man bei den vorgeschrittenen F/fllen, besonders den schweren Mitralstenosen, an directe mechanische Zerrnng und Erschfitterung dieses wichtigen Gebietes denken muss~ abgesehen yon den entzfindlichen, yon den Klappen fibergreifenden Processen und der auch bei diesen Herzen bestehenden venSsen Stase. Auch die un-

Page 8: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

8 Walter Koch,

regelm/tssige Durchblutung der Herzcentren, die man auf Grund der histologischen Veriinderungen der Knotengefitsse annehmen muss, sind im Zusammenhange mit der ailgemeinen Stauung zu nennen. Dass man in selteneren F/tllen (z. B. bei Basedow) auch an indirecte nervSse Ein- fliisse auf die entsprechenden Centren denken muss, ist nach don vor- erwiihnten Untersuchungen fiber die Angriffspunkte der Vagi wohl anzu- nehmen.

hber aueh auf Grund physiologischer Experimente hat man einige Bereehtigung, fiir eine gewisse Anzahl yon F/tllen an dominierende T/itig- keit des Vorhofsknotens zu denken. Es ist dam Kliniker bekannt, dass paroxysmale Tachycardie und Arhythmia perpetua wesensverwandte pathologische Proeesse sein miissen, da das eine Krankheitsbild in das andere bei demselben Patienten iibergehen und dieser Wechsel sich h/tufiger wiederholen kann. Gan te r und Zahn erwtthnen nun ein Ex- periment, in welchem sic durch leichte meehanische Reizung der hinteren Vorhofswand Taehycardien mit einer Frequenz yon etwa 250 hervorrufen konnten. Da das Vorhofselektrocardiogramm dabei eine negative Zacke aufwies, vermuteten sie im Vorhofsknoten das augenblickliche Centrum, und tats/ichlich konnten sie auch dureh Abkiihlung dieser Stelle die Tachycardie zum Verscllwinden bringen. Ferner beobaehteten sic, dass Druckdifferenzen bei der Durchspfilung kiinstiich gen/ihrter Herzen Wechsel im Ausgangspunkt der Herzreize in der Weise hervorrufen kSnnen, dass Druekerniedrigung dam Vorhofsknoten, Druckerh6hung dem Sinusknoten die Ffihrung verschaffen konnte. Diese Beobachtungen be- st/ttigen im gewissen Sinne unsere auf 6rund der anatomisehen Unter- suchungen gegebenen Hypothesen (wenn aueh nur mit Vorsicht vom Experiment auf die Verh/tltnisse am Lebenden geschlossen warden daft), dass fiir die erw/thnten chronischen Arhythmien die Ursprungsstelle der Herzreize unter Umst/i.nden dutch ein Widerspiel zwlschen den anatomiseh festgelegten Centren bestimmt wird und dass auch pathologisehe Reize (Stauung, Ersehiitterung usw.) fiir das Zustandekommen der HerzstSrung fiir manche F/tile in Betraeht kommen warden. Ich glaube, dass gerade ftir die chronischen Arhythmien mehr die Reizhypothese in Frage kommt, wiihrend man bei den insufficienten reinen Herzhypertrophien (Nephritiker- herz) mehr die ErschSpfungshypothese ins Auge fassen miisste.

A n m e r k u n g ! Eine ausserordentlieh interessante Arbeit fiber ,Das Elektrocardiogramm der Arhythmia perpetua" bringt, wie icb nach Ab- scbluss meiner Zusammenfassung erfabre, K. P a h r e n k a m p in Bd. 112 des Deutschen Archivs fiir klinische Medizin. Besonders bemerkenswert erscheinen mir seine Beobachtungen~ dass man fiir den Pulsus irregularis perpetuus die VorhofsstSrung weniger oft in Flimmern als vielmehr in einer Vorhofstaehysystolie zu suchcn hat. Das stimmt mit den anato- mischen Untersuchungen insofern fiberein, als man tats/ichlich oft genug die Museulatur des Vorhofes zwar wohl fiberdehnt und regressiv, aber doch nicht so hochgradig veriindert findet, class man keine oder nur flimmernde T/ttigkeit von ihr voraussetzen kSnnte. Da aber nicht nilr die Beschaffenheit der gewShnlichen Musculatur~ sondern mehr die Func-

Page 9: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Die Otto der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen llerzen. 9

tion der Reizbildungsste]len fiir die Erkliirung der Tachysystolien in Frage kommt~ ist es yon besonderem Interesse, aus seinen Elektrocardiogrammen fiber ihre T.atigkeit zu erfahren. Wie F. zeigt, ist das Bild ein ausser- ordentlieh vielgestaltiges und abnorme Erregungen kSnnen yon allen Teilen der specifischen Muskelsyst~me ausgehen~ auch yon den Kammer- absehnitten, wie schon H o f f m a n n gezeigt hat. Dass aueh Ueberleitungs- stSrungen mit im 8piele sind, liess sich an der Hand der Curven deutlich zeigen nnd ist ja aueh ohne weiteres verstiindlich, wenn man sieh ver- gegenw/irtigt, dass man bei Pulsus irregularis perpetuus bei einer Ventrikelsehlagzahl yon etwa 50/150 mit Vorhofstaehysystolien yon 200/400 und darfiber, ja mit Flimmern rechnen muss. Ich glaube, dass diese Tatsaehen mit unseren Beobachtungen insofern in Einklang gebraeht werden kSnnen, als wit 5fters auch am Reizleitungssystem, wie frfiher erwghnt, Zeichen regressiver Veriinderungen besonders der Ueberdehnung finden konnten. Wie man sich aber im Einzelnen die Ueberleitungs- stSrungen erklii, ren will - - ob die frequent kommenden Vorhofsreize erst in gewisser Summation wirken, ob die Kammerabsehnitte des Reiz- leitungssystems nicht mehr anspruchsfghig genug sind, oder die Ventrikel- triebmusculatur s e l b s t - - , ist naeh wie vor eine oitene Frage, ebenso woher die Frequenz der Vorhofst/itigkeit kommt, fiir welehe ieh auf die yon uns gegebenen ErklgrungsmSglichkeiten verweise. Aueh F. nimmt ffir manche F/ille ektopische Vorhofsreize, die sich durch negative Vor- hofszache kund tun (und deshalb wohl auf den Vorhofsknoten zu be- ziehen sind), als die Quelle der Vorhofserregungen an.

Die der Arbeit beigegebene Tabelle gibt im fibrigen an klinischen Diagnosen im grossen und ganzen dieselben Herzvergnderungen an t wie ich sie pathologiseh-anatomisch in ann'ahernd demselben Verh/iltnis land und zwar Mitralstenosen in fiber der H/tlfte der Fiille, demn/ichst Arteriosklerose, Aortenfehler und Lues.

Erkl3trung der Abbildung auf Tafel I. Schematische Dar s t e l l ungde r specifischen Muskelsysteme im mensch-

lichen Herzen (nach Aschoff-Koch). Rochter Vorhof nur zum Tell erSffnet, die fibrigen HerzhShlen aufdem Darchschnitt.

W. -~- Wenckebachseher Muskelzug; L.S.K. = Linke Sinusklappe; V.E. ~-Valvula Eustachii; V. Th. = Valvula Thebesii; S. Str. = Sinusstreifen ; V.S.u.K.S. = Vorhefs- u. Kammerscheidewand ; S.K. (griin) ---- Sinusknoten ; V. K. (blau) =Vorhofsknotenbzw. Vorhofsteil des Aschoff-Tawaraschen Knotens ; Reizleitungssystem (rot) ; K.K.---- Kammer- knoten bzw. Kammerteil des Aschoff-Tawaraschen Knotens; St. = Stamm des Reiz- leitungssystems (Hissches Bfindel); R.S.u.L.S. = Rechter und linker Schenkel des Reizleitungssystems ; Au. r. u. Au. I. -~- Aushreitungen des Reizleitungssystems; f.S. ----- falscher Sehnenfaden.

Page 10: Die Orte der Reizbildung und Reizleitung im menschlichen Herzen

Z~rchrb~ /'. e.~. P~_Im/ng~ ~. TA~p~, XJT..Bd. To_EL

°,

E~.o a~cld~

/ /

ii l

v,£.

"z . s~ :

_--Fosso~ ooal.~

L~zl~eT Vorl~o l"

_ .. Pars nz(~wbru.no_ce~

• \ \ \

f f - :J

,: IJ~.71.

¢ ,

P..$~

~G -. .~. C : .... .-.-