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13. Blaser u. P. Hdpern. Die Oxydation der Unterphosphorsaure usw. 33 Die Oxydation der Unterphosphorsaure durch Brom Von BRUNO BLASER und PAUL HALPERN Mit 2 Figuren im Text Die lange diskutierte MolekulgroBe der Unterphosphor- s a u r e (H,PO, oder H,P,O,) ist durch neuere Arbeiten zu H,P,O, bestimmt worden. Die wichtigsten hypothesenfreien Beweise fur die Formel H,P,O, scheinen uns zu sein: a) Die Hydrolyse der Unterphosphorsaure verlauft nach H4P206 + H,O = H3P03 + H3P04 (1 ) monomolekular [VAN NAME^), 1918; ROSENHEIM,), 19281. b) Bei der elektrometrischen Titration erweist sich die S a m ? alS vierbasisch [TREADWELL,), 19281. c) Die E s t e r der Unterphosphorsaure besitzen entgegen fruheren Angaben ROSENHEIM’S~) die Formel (RO),P,O, ARBU US OW^), 1931 ; NYLI~N,), 19331. Bereits 1886 hat der Entdecker der Saure, TH. SALZER, einen Beweis mitgeteilt 7), der sich gegenuber den angegebenen physi- kalisch-chemischen lediglich auf chemische Tatsachen stutzt. Er hat gefunden, daB freie Unterphosphorsaure von Halogenen nicht an- gegriffen wird, daB jedoch das quaternare Natriumsalz durch Brom nach Na,P,O, + Br, + H,O = Na,H,P,O, + 2NaBr zu Natriumpyrophosphat oxydiert wird. SALZER’S Angaben sind qualitativer Art : er hat nachgewiesen, daB Alkohol aus den Resk- tionsprodukten Natriumbromid unter Zurucklassung von Natrium- pyrophosphat herauslost. l) R. G. VAN NAME u. W. I. RUFF, Am. Journ. Science (4), 45 (1918), 103. 2, A. ROSENHEIM u. H. ZILG, Z. phys. Chem. (A) 139 (1928), 12. 3, W. D. TREADWELL u. G. SCHWARZENBACH, Helv. chim. Acta 11 (1928), 405. “) A. ROSENHEIM u. Mitarbeiter, Ber. 39 (1906), 2837; 41 (1908), 2708; 5, A. E. ARBUSOW u. B. A. ARBUSOW, Journ. prakt. Chem. 130 (1931), 103. 6, P. NYLEN u. 0. STELLING, Z. anorg. u. ailg. Chem. 212 (13331, 169. . 43 (1910), 2003. TH. SALZER, Lieb. Ann. 232 (1886), 114. Z. anorg. u. allg. Chrm. Bd. 216. 3

Die Oxydation der Unterphosphorsäure durch Brom

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13. Blaser u. P. Hdpern. Die Oxydation der Unterphosphorsaure usw. 33

Die Oxydation der Unterphosphorsaure durch Brom Von BRUNO BLASER und PAUL HALPERN

Mit 2 Figuren im Text

Die lange diskutierte MolekulgroBe der U n t e r p h o s p h o r - s a u r e (H,PO, oder H,P,O,) ist durch neuere Arbeiten zu H,P,O, bestimmt worden. Die wichtigsten hypothesenfreien Beweise fur die Formel H,P,O, scheinen uns zu sein:

a) Die H y d r o l y s e der Unterphosphorsaure verlauft nach

H4P206 + H,O = H3P03 + H3P04 (1 ) monomolekular [VAN NAME^), 1918; ROSENHEIM,), 19281.

b) Bei der e l ek t romet r i s chen T i t r a t i o n erweist sich die Sam? alS vierbasisch [TREADWELL,), 19281.

c) Die E s t e r der Unterphosphorsaure besitzen entgegen fruheren Angaben ROSENHEIM’S~) die Formel (RO),P,O, ARBU US OW^), 1931 ; NYLI~N,), 19331.

Bereits 1886 hat der Entdecker der Saure, TH. SALZER, einen Beweis mitgeteilt 7), der sich gegenuber den angegebenen physi- kalisch-chemischen lediglich auf chemische Tatsachen stutzt. Er hat gefunden, daB freie Unterphosphorsaure von Halogenen nicht an- gegriffen wird, daB jedoch das quaternare Natriumsalz durch Brom nach

Na,P,O, + Br, + H,O = Na,H,P,O, + 2NaBr

zu Natriumpyrophosphat oxydiert wird. SALZER’S Angaben sind qualitativer Art : er hat nachgewiesen, daB Alkohol aus den Resk- tionsprodukten Natriumbromid unter Zurucklassung von Natrium- pyrophosphat herauslost.

l) R. G. VAN NAME u. W. I. RUFF, Am. Journ. Science (4), 45 (1918), 103. 2, A. ROSENHEIM u. H. ZILG, Z. phys. Chem. (A) 139 (1928), 12. 3, W. D. TREADWELL u. G. SCHWARZENBACH, Helv. chim. Acta 11 (1928), 405. “) A. ROSENHEIM u. Mitarbeiter, Ber. 39 (1906), 2837; 41 (1908), 2708;

5, A. E. ARBUSOW u. B. A. ARBUSOW, Journ. prakt. Chem. 130 (1931), 103. 6, P. NYLEN u. 0. STELLING, Z. anorg. u. ailg. Chem. 212 (13331, 169.

.

43 (1910), 2003.

TH. SALZER, Lieb. Ann. 232 (1886), 114. Z. anorg. u. allg. Chrm. Bd. 216. 3

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Wir wollten die Reaktion q u a n t i t a t i v untersuchen, fanden sie jedoch nur schwierig reproduzierbar, indem zwar bei einigen Ver- suchen das Natriumsubphosphat glatt oxydiert wurde, bei anderen Versuchen sich jedoch als mehr oder weniger resistent gegen Brom erwies. Vielleicht haben ahnliche negative Versuchsergebnisse anderer Autoren bewirkt, daB die Reaktion in der Folgezeit bei der Diskussion uber die GroBe des Unterphosphorsauremolekuls unberucksichtigt blieb, und dal3 in neuesten Arbeitenl) sogar angegeben wird, dal3 Unterphosphorsaure von Halogenen nicht angegriffen wird:

Wir fanden die Reaktionsgeschwindigkeit stark von der Was ser - s t o f f i o n e n k onz e n t r a t i o n der Reaktionslosungen abhangig. Wah- rend in stark sauren oder stark alkalischen Losungen bei mehr- stundigem Einwirken von Bromuberschussen auf Unterphosphorsaure keine Reaktion statthat und die Ausgangsmengen beider Stoffe inner- halb der Fehlergrenzen wiederzufinden sind, oxydieren bicarbonat- haltige Bromlosungen Unterphosphorsaure schnell und quantitativ.

J e 150 cma 0,05 n-Bromwasser wurden bei Versuch a) mit 10 cm3 16O/,,iger H,S04, bei Versuch b) rnit 10 g NaHCO,, bei Versuch c ) mit 5 g KOH versetzt und alle Losungen nach Hinzufugen von 37,5 cm3 0,0488 m-Na,H2P,0,-6H,0- Losung auf 250cm3 aufgefullt. Nachdem die Losungen die angegebene Zeit bei 25O im Dunkeln gestanden hatten, wurde die Reaktion unterbrochen, indem wir je 50 om3 mit K J und H,S04 versetzten, um durch die Titration der ausgeschie- denen Jodmenge das in Reaktion getretene Broni zu bestimmen. Zur Be- stimmung der nicht osydierten U n t e r p h o s p h o r s a u r e versetzten wir gleich- falls je 50 cm3 mit einer zur Reduktion des unumgesetzten Broms hinreichenden Menge H,S032), sliuerten mit HC1 an, dampften die Losung auf dem Wasserbad ein und bestimmten nach nochmaligem Erwlirmen mit konzentrierter HC1 durch Titration die phosphorige Saure3), die sich nach Gleichung (1) durch Hydrolyse aus der der Oxydation entgangenen Unterphosphorsliure gebildet hatte.

~ ~~

cm3 0,l n-Na,S,O, fur verbrauchtes erhalten gebliebene

Brom (theor. 7,32) H,P,O, (theor. 7,32)

cm3 0,l n-J, fur

0,50 I 7,35

Versuch

a) sauer . . . . . . b) bicarbonatalkalisch 1 7,24

c) alkalisch . . . . . 6,97

1) P. N Y L ~ N u. 0. STELLING, 1. c. 2) Phosphorige und schweflige Sliure reagieren miteinander. Bei der an-

gewendeten Bestimmungsmethode treten jedoch keine Fehler ein, weil alles Schwefeldioxyd aus der Losung entwichen ist, bevor wesentliche Hydrolyse der UnterphosphorsLure eingetreten ist.

3) A. SCHWICKER, Z. analyt. Chem. 78 (1929), 103.

B. Blaser u. P. Halpern. Die Oxydation der Unterphosphorsiiure usw. 35

pH

Die Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Wasser- stoffionenkonzentration der Losungen haben wir genauer festgelegt, indem wir Brom auf Natriumsubphosphat in Losungen von Puffer- gemischen bekannten pH's einwirken liel3en. Wir fugten gleiche Mengen Bromwasser zu gleichen Mengen Natriumsubphosphat, die in gleichen Volumina verschiedener Puffergemische gelost waren und unter- brachen 1 Minute nach der Bromzugabe die Reaktion in der oben beschriebenen Weise. Die Bestimmungen des verbrauchten Broms und der verbrauchten Unterphosphorsaure gaben hinreichend uber- einstimmende Werte.

Aus einer schnell laufenden Biirette wurden 10 cms 0,l n-Bromwasser zu einer Mischung von 5 om3 0,0488 m-Na2H,P,O,~6H,O-Losung und 100 cms der betreffenden Pufferlosung gegeben. Fiir p~ 5,3-8,0 wurden Phosphat-, fur 7,9-12,3 Boratpuffer nach SORENSEN verwandt. Nicht berucksichtigt sind eventuelle Einfliisse der Puffersalze auf die Dissoziation der Unterphosphorsiiure.

cm3 0,ln- Na,S,O, f. verbrauch-

om3 0,1 n- I cms 0,1 n-

0,45 0,38 1,55 1,48 3,60 3,48 3,90 3,88 3,43 3,48

8,9 9,2 9,9

11,o

Oxydiertt

in O/o der Theorie

H4P20C3

2,53 1,50 0,55 0,oo

7,s 30.3 71;3 79,5 71,3

om3 0,l n- J, fur ver- brauehte H4P206

Oxydierte

in 'J/o der Theorie

50,8 33,4 12,9 0 0

H4P20,

Wie aus der Figur zu sehen ist, liegt das Maximum der Reak- tionsgeschwindigkeit etwa bei PH = 8. Bei einer diesem Wert nahe- liegenden Wasserstoffionenkonzentration priiften wir Gleichung (a), indem wir Brom auf Natrium- subphosphat bei Gegenwart von uberschussigem Natriumbicarbo- nat einwirken lieBen. Wir be- stimmten die Menge der ent- standenen Pyrophosphorsaure als Zinkpyrophosphatl) und unter- suchten qualitativ, ob keine an- dere Saure des Phosphors bei der Reaktion gebildet wird.

100 cm3 0,l n-Bromwasser wur- den zu einer Losung von 0,9992 g Na2H,P,0,.6H,0 und 15 g NaHCO, Fig. 1

1) S. J. KIEHL u. H. P. COATS, Journ. Amer. chem. SOC. 49 (1927), 2180. 3"

36 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 215. 1933

in 100 em3 Wasser gegeben. Nach 15 Minuten Stehen bei 200 wurde auf 250 cm3 aufgefiillt und je 50 om3 analysiert.

Verbrauchtes Brom. Gef.: 13,14 em3 0,l n-NazS203; Ber.: 12,72 cm3. Entstandene Pyrophosphorsaure . Gef.: 0,1855, 0,1856 g Zn2P20,, ent-

sprechend 0,1084 g H,P,O,; Ber.: 0,1133 g €I,P20,. Es wurden also 95,7O/, der berechneten H,P,O,-Menge gefunden. Ahnliche

Versuche gaben: 95,2, 97,7, 96,4, 97,7OiO der Theorie. Da bei der Analyse von reinem Natriumpyrophosphat Werte von 97,2O/,, der Theorie gefunden wurden, liegen die Abweichungen von der Theorie im Bereich unserer Bestimmungsfehler. Wir versicherten uns durch qualitative Versuche, daB weder Unterphosphorsaure der Oxydation entgangen war, noch dal3 Orthophosphorsaure entstanden war. Der ctwas abgeanderte Nachweis von BOTTGER~) zeigte, daB kein bzw. hochstens 0,5O/,, des Phosphors als Orthophosphorsaure vorlag.

Wie aus den Versuchen hervorgeht , geht U n t e r p h o s p h o r - s a u r e be i de r O x y d a t i o n d u r c h B r o m q u a n t i t a t i v i n P y r o - phosphorsau re uber, wahrend eine Saure der Formel H,PO, Ortho- phosphorsaure geben miil3te. Dieser SchluB ist indessen nur dann stichhaltig, wenn Sauren mit einem P-Atom im Molekul durch Sauer- stoffaufnahme nicht zu Sauren doppelter MolekulgroBe gekoppelt werden. In der alten Literatur finden sich derartige Angaben, indem z. B. Silbernitrat die phosphorige Saure zu Unterphosphorsaure oxydieren ~011.~) Wir haben diese Angaben mit vollig negativem Ergebnis gepruft. Vor allem konnten wir unter den obigen Be- dingungen, unter denen Unterphosphors5ure glatt zu Pyrophosphor- saure oxydiert wird, aus phosphoriger Saure lediglich Orthophosphor- saure g e ~ i n n e n . ~ )

Nur Halogen oxydiert Unterphosphorsaure in derart glatter und ubersichtlicher Weise. Fast alle anderen Oxydationsmittel wirken auf Unterphosphorsaure nicht, sondern nur auf ihr Hydrolysen- produkt phosphorige Saure ein. Aus solchen Oxydationen, die mit einer hydrolytischen Spaltung des Molekuls verbunden sind, konnen keine Schlusse auf die MolekulgroSe der Unterphosphorsaure gezogen werden. So ist z. B. die Lehrb~changabe~), daS die Bestandigkeit der Unterphosphorsaure gegen Permanganat in kalter, stark schwefel- saurer Losung und die Reaktionsfahigkeit der kochenden Losung

l) H. MENZEL u. L. SIEG, Z. Elektrochem. 38 (1932), 283. 2) A. SANCER, Lieb. Ann. 232 (1886), 14. Diese ,,Darstellungsmethode"

fur Unterphosphorsaure gab uns in mehreren Versuchen keine Spur dieser Ver- bindung. Vgl. P. NYLEN u. 0. STELLING, 1. c., S. 175.

3, Bereits H. WIELAND u. A. WINGLER, Lieb. Ann. 434 (1923), 198 haben bei der Einwirkung von Brom auf phosphorige Saure unter anderen Versuchs- bedingungcn Orthophosphorsiure entsprechende Titrationswerte erhalten.

4, K. A. HOFMANN, Lehrbuch d. anorg. Chem. 7. Aufl. (1931), S. 248.

B. Blaser u. P. Halpern. Die Oxydation der Unterphosphorsaure USW. 37

auf eine Dissoziation der schwer oxydierbaren H,P,O, in reduzierend wirkende H,PO, zuriickzufuhren sei, deshalb unzulassig, weil stark schwefelsaure Losungen von Unterphosphorsaure beim Kochen nach Gleichung (1) schnelle Hydrolyse zu phosphoriger Saure und Ortho- phosphorsaure erleiden. Zur Beobachtung gelangt also bei diesem Vorgang nur die Oxydation der phosphorigen Saure. Allerdings wirken Permanganate auf Unterphosphorsaure auch unter Be- dingungen ein, unter denen keine Hydrolyse der Unterphosphorsaure erfolgt, und zwar unter Bildung eines Gemisches von Pyro- und Orthophosphorsaure, wie schon SALZER~) fand und wir bestatigen konnen. Die Reaktion verlauft jedoch selbst in der Hitze langsam, ahnlich wie auch unterphosphorige Saure und phosphorige Saure von Permanganat nur relativ langsam oxydiert werden. Das sich abscheidende Mangandioxydhydrat erhoht die Uniibersichtlichkeit der Reaktion.

Nicht nur fur die GroBe des Unterphosphorsauremolekuls, sondern auch fur seine S t r u k t u r lassen sich aus der Oxydation der Unterphosphorsaure zu Pyrophosphorsaure Schlusse ziehen. Die Struktur der Pyrophosphorsaure ist zu

0 0 sichergestelk2) Fur Unterphosphorsaure kommen dagegen die Formeln :

I I1 I11 I V

in Frage.3) Eine Saure der Formel IV mit zweifacher Sauerstoff- brucke konnte zwar durch Oxydation in Pyrophosphorsaure iiber- gehen, jedoch nur unter sekundar erfolgender, derart komplizierter innerer Wasserabspaltung, dal3 sie auszuschliekien ist. Ferner wiirde eine solche Formel schlecht die glatte Hydrolyse der Unterphosphor- saure zu phosphoriger Saure und Orthophosphorsaure ausdrucken. NYLEN entscheidet sich fur Formel I, wobei es fur ihn jedoch ein wesentliches Argument ist, dal3 Unterphosphorsaure von Halogenen nicht angegriffen wird. Uns scheint die glatte Oxydation durch Brom in bicarbonatalkalischer Losung diese Formel sehr unwahr-

I ) TH. SALZER, 1. c . 2, P. NYLEN, Z. anorg. u. allg. Chem. 212 (1933), 182. 3, P. NYLEN u. 0. STELLING, 1. c. Dort die betreffenden Literaturangaben.

38 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 215. 1933

scheinlich zu machen; denn eine Verbindung der Formel I konnte nicht ausschliefilich zu Pyrophosphorsaure oxydiert werden. Es ist schwer vorstellbar, da13 eine P-P-Bindung durch Oxydation quanti- tativ in eine P-0-P-Bindung ubergeht. Das fiir eine P-P-Bindung der Unterphosphorsaure benutzte Argument, daB alle Darstellungs- weisen der Unterphosphorsaure von elementareni Phosphor ausgehen, in dem bereits P-P-Bindung vorliegt, ist deshalb nicht stichhaltig, weil alle Darstellungsmethoden (Autoxydation des Phosphors, Oxy- dation dnrch Einwirkung von Salpetersaure bei Kupfergegenwart oder durch Hypochlorit) heterogene, aufierordentlich komplizierte Reaktionen darstellen, bei denen sich ein Gemisch von vielen Um- wandlungsprodukten des Phosphors bildet, in dem sich Unter- phosphorsaure durchschnittlich zu etwa 5-10°/,, hochstens zu etwa 25% vorfindet. Ohne in den Ergebnissen der Bromoxydation einen unbedingten Beweis fur Formel I1 oder IIP) zu sehen, scheinen uns diese Formeln alle Reaktionen der Unterphosphorsaure am besten wiederzugeben.2) Solche Formeln, nach denen Unterphosphorsaure eine aus Orthophosphorsaure und phosphoriger Saure gebildete ,,Pyre"- Saure darstellt, konnten auch ausdrucken, daB die pE-Abhangigkeit des Reduktionsvermogens bei Unterphosphorsaure und phosphoriger Saure ahnlich ist, indem phosphorige SBure ebenfalls in saurer Losung resistent gegen Oxydantien ist und ihre volle Reduktionskraft in sehwach alkalischem Medium aufweist .3) DaB Unterphosphorsaure ein wesentlich schwacheres Reduktionsmittel darstellt als phosphorige Saure, ist Bein Argument gegen die Auffassung der Unterphosphor- saure als einer ,,Pyro"-Saure. Wenn schon pH-Anderungen der Losungen wesentlichen EinfluB auf das Reduktionsvermogen der phosphorigen Saure haben, so konnen Kondensationen mit Ortho- phosphorsaure um so mehr ihr Reduktionsvermogen modifizieren. NYLEN verweist, um die P-P-Bindung zu sthtzen, auf die Analogie der Unterphosphorsaure mit der Dithionsaure, in der S-S-Bindung vorliegt. Dithionsaure ist jedoch gegen Brom bei jedem PH

resistent und unterscheidet sich so wesentlich von Unterphosphor- saure.

1) Eine Verbindung der Formel 111 driickt nicht die vierfache Basizitat der Unterphosphorsaure aus, ihre Existenz ist also zumindest in alkalischen Losungen ausgeschlossen.

2, Mit Ausnahme der jedoch offenbar sehr komplizierten Permanganat- einwirkung.

3, Vgl. B. BLASER U. I. MATEI, Ber. 64 (1931), 2286.

B. Blaser u. P. Halpern. Die Oxydation der UnterphosphorsSiure usw. 39

Es sei darauf hingewiesen, daB un te rphosphor ige S a u r e in bicarbonatalkalischer Losung von Brom fast nicht angegriffen wird.l) Dieses in sauren Losungen so auflerordentlich wirksame Reduktions- mittel wircl also im pH-Bereich 8-9 schwieriger oxydiert als die gegen fast alle Oxydationsmittel bestandige Unterphosphorsaure. Die Lehrbuchangabe, daB die Reduktionskraft der Sauren des Phos- phors mit steigendem 0-Gehalt abnimmt, gilt also nur dann, wenn man das Reduktionsvermogen der Sauren bei den fur ihre Wirkung optimalen Wasserstoffionenkonzentrationen vergleicht. Sie trifft nicht zu, sobald man die Reduktionswirkungen bei gleichem PH ver- gleicht .

Die Geschwindigkeit der Reaktion ist durch die Konzentrationen des Reduktionsmittels und des Oxydationsmittels bestimmt. Um die p~ - A b h a n g i g k e it d e r R e a k t ions g e s c h w i n d i g k e i t zu deuten, mu8 man also die Veranderungen des Reduktionsmittels Unter- phosphorsaure und des Oxydationsmittels Brom bei variabler Wasser- stoffionenkonzentration betrachten.

Die in stark mineralsaurer Losung undissoziierte Unterphosphor- saure wird bei steigendem PH in ihre Ionen zerfallen, und zwar werden bei den fur die Oxydation durch Brom gunstigen Wasserstoff- ionenkonzentrationen hauptsachlich H,P,O," und HP,O,"' vor- Iiegen. ,) Die Zusammensetzung waBriger Bromlosungen ist in doppelter Beziehung pH-abhangig, indem sowohl das Gleichgewicht der Bromhydrolyse als auch das der Salzbildung der unterbromigen Saure von der Konzentration der H' beeinfluBt wird.

Br, + H,O H' + Br' + HOBr (3) (4) HOBr + OH' tc H,O + OBr'

Man hat also bei steigendem PH mit freiem Brom, unterbromiger Saure und ihren Ionen zu rechnen.3) Die Konstanten von (4) sind nicht bekannt, so daB nicht genau zu berechnen ist, bei welchem P H keine unterbromige Saure, sondern nur noch ihr Alkalisalz vor- liegt. Man kann jedoch durch Benutzung der Konstanten der unter- chlorigen SBure abschatzen, daB der Abfall der Oxydations- geschwindigkeit der Unterphosphorsaure ungefahr ubereinstimmt mit dem Verschwinden der freien unterbromigen Saure und der zunehmen- den Hypobromitbildung. Da nun auch in anderen Fallen Hypo-

l) W. MANCHOT u. F. STEINHAUSER, Z. anorg. u. allg. Chem. 138 (1924), 304. 2, Wie aus den von W. D. TREADWELL u. G. SOHWARZENBACH, 1. c. be-

3, Falls man von Polybromidionen Big) bzw. Br,' absieht. stimmten Dissoziationskonstanten der SSiure zu berechnen ist.

40 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 215. 1933

bromite sclilechter oxydieren als Brom und freie unterbromige Saure, so erklaren wir das Absinken der Reaktionsgeschwindigkeit im alkalischen Gebiet durch das geringere Oxyclationsvermogen des Hypobromits. Den Bnstieg der Kurve konneri wir nicht mit der pH-Veranderung des Broms deuten, da andere Verbindungen durch Brom und unterbromige Saure etwa gleich schnell oxydiert werden, keinesfalls jedoch Geschwindigkeitsdifferenzen wie bei der hier vor- liegenden Realition auftreten.

Die Tatsache, daB mineralsaure Losungen der Unterphosphor- saure gegen Brom bestandig , schwach alkalische Losungen aber

Fig. 2

leicht angreifbar sind, erklaren wir vielmehr damit, da13 die undisso- ziierte Unterpliosphorsiiure ein ge- ringeres Reduktionsvermogen be- sitzt als ihre Ionen. W-ir setzen also die beobachtete pa-Abhangig- keit der Oxydationsgeschwindigkeit aus zwei Kurvenzugen, des Reduk- tionsvermogens der Unterphosphor- saure (- -- --) und des Oxydations- vermogens des Broms ( - - . . - a ) in der in Fig. 2 skizzierten Weise zusammen. Allerdings entscheiden unsere Versuche nicht, ob in stark

alkalischen Losungen nicht auch das Reduktionsvermogen der Unterphosphorsaure abnimmt.

Das geringe Reduktioiisvermogen der Unterphosphorsaure und das vielfach groBere der Ionen dieser SBure konnte damit gedeutet werden, daB undissoziierte Saure und ihre Ionen verschiedene Struktur besitzen, indem beicle einander t a u t o m e r sindlj, wie es z. B. durch die Formeln I1 und I11 ausgedruckt wird. Bevor die Reaktion jedoch iiicht liinetisch untersucht ist, betrachten wir solche Anschauungen als hypothetisch, da es auch moglich ist, da13 die Oxydationen Ketten- reaktionen darstellen, bei denen aus bestimrnten Ionen hervor- geheiide Radikale Kettentrager sind.2)

Die angegebene Tatsache, da13 alkalische Hypobromitlosungen auf Unterphosphorsaure nicht einwirken, bezieht sich nur auf reine Praparate dieser Saure. Wir stellten das zu unseren Versuchen ver-

1) B. BLASER u. I. MATEI, 1. c. 2) Im Sinne von F. HABER i t . R. WILLST~TTER, Ber. 64 (1931), 2844.

B. Blaser u. P. HaIpern. Die Oxydation der Unterphosphorsaure usw. 41

wendete Natriumsubphosphat nach dem Verfahren von ROSES- H E I M ~ ) dar, das in der Einwirkung von Salpetersaure auf farblosen Phosphor bei Gegenwart von Kupfer besteht. Trotz mehrfachem (5 fachem) Umkristallisieren aus heiBem Wasser halt das Natriumsalz hartnackig Kupf e r spuren fest, die durch Einleiten von Schwefel- wasserstoff in eine wafirige Losung einer groBeren Salzmenge nach- gewiesen werden konnen. Der geringe Kupfergehalt solchen Natrium- subphosphats bewirkt auch in stark alkalischer Hypobromitlosung Oxydation. Wir haben das zu den Versuchen verwendete Natrium- subphosphat stets mit Schwefelwasserstoff behandelt, die geringe Menge des kolloidal fallenden Kupfersulfids mit Tierkohle entfernt und das nunmehr liupferfreie Natriumsalz noch mehrfach aus heil3em Wasser umkristallisiert. Ein derartiges Praparat erleidet auch bei 2Ostiindiger Behandlung mit alkalischen Hypobromitlosungen bei 400 nur geringe Oxydation (Versuch a), wahrend Hinzufdgung ge- ringer Kupfersulfatmengen die Oxydationsgescliwindigkeit stark er- hoht (Versuch b).

Ein solcher a k t i v i e r e n d e r Einf luB ger inger Kupfe r - mengen auf das Oxydationsvermogen von Natriumhypobromit- losungen ist seit langem bekannt und hat neuerdings durch FEIGL interessante analytische Anwendung gefunden.2) Ebenso wie andere durch Kupfer katalysierte Reaktionen 1aBt sich auch die Oxydation der Unterphosphorsaure mit alkalischer Hypobromitlosung durch n e g a t i v e K a t a l y s a t o r e n hemmen bzw. verhindern. Wahrend wir rnit Mannit keine wesentliche Beeinflussung der Reaktionsgeschwindig- keit erzielen konnten, verhinderte Leim schon in Konzentrationen von 0,09 mg/cm3 die aktivierende Wirkung von Kupfermengen von 0,0003 mg/cm3 (Versuch c). Da auch der bereits geringe Umsatz moglichst kupferfreier Losungen durch Leimzusatz weitgehend auf- gehoben wurde (Versuch d) schlieaen wir, da13 diese geringen Um- satze nur dadurch zustande kamen, daB kleine, schwer zu ent- fernende Kupfermengen der angewendeten Reagenzien die Reak- tionsgeschwindigkeit erliohten.

Reaktionsvolumen 225 cm3. 40°. 20 Stunden. AIle Losungen waren in bezug auf KOH 0,065 n.; auf Brom 0,045 n.; auf H,P,O, 0,00976 m. MogIichst

l) J. CORNE, Jahresber. 1882, 246; A. ROSENHEIM u. J. PINSKER, Ber. 43 (1910), 2003; W. JUNG, Diss. Berlin 1930. Wir haben mehrfach nach diesem Verfahren in der Abanderung von W. JUNG mehrere hundert Gramm Natrium- subphosphat hergestellt, so daR auch wir diese Darstellungsinethode trotz ge- legentlicher Storungen empfehlen.

,) F. FEIQL u. E. FRANKEL, Ber. 65 (1932), 541.

42 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 215. 1933

reine Substanzen, sorgfiiltig gereinigte Glaser. Der Umsatz ist nicht durch den Hypobromitverbrauch mebbar, da unter diesen Bedingungen der Selbstzerfall des Hypobromits stark ist. Es wurde daher die erhalten gebliebene Unter- phosphorsaure bestimmt.

Nur im stark alkalischen Medium haben wir eine Wirkung des Kupfers feststellen Ironnen. In stark sauren Losungen trat trotz Zugabe groBerer Kupfermengen keine Oxydation ein, und die hohe Oxydationsgeschwindigkeit des schwach alkalischen Gebietes war weder durch Kupfer zu steigern, noch durch Leim zu verringern.

Das System Unterphosphorsaure-Hypobrornit erscheint geeignet zum Studium von Schwermetallkatalysen. Wir erwahnen hier nur eine Folgerung aus unseren Versuchen: FEIGL hat auf die Parallele der Aktivierung von Natriumhypobromitlosungen durch Cu, Ni, Co und ihrer durch die gleichen Metalle beschleunigten Selbstzersetzung hingewiesen und auf Grund seiner Versuche angenommen, ,,dai3 die sauerstoffiibertragende Wirkung bestimmter Metalle . . . . darauf beruht, daB . . . . die Zerlegung von Hypobromit gemal3 NaOBr -+ NaBr + 0 erfolgt und der gebildete atomare Sauerstoff die Oxy- dation . . . . bewerkstelligt." Gema13 dieser Anschauung mui3te in unseren Versuchen Unterphosphorsaure lediglich Akzeptor fur den aus dem Natriumhypobromit frei werdenden atomaren Sauerstoff sein. Kupferhaltige Losungen von Natriumhypobromit sollten unter sonst gleichen Bedingungen gleich starken Hypobromitverlust zeigen, gleichgultig, ob sie Unterphosphorsaure enthalten oder nicht. Unsere Versuche sprechen gegen diese Ansicht, da Losungen, die Unter- phosphorsaure enthalten, etwa lOfach starkeren Hypobromitverlust aufweisen.

Die Losungen, deren Volumen 250 cms betrug, wurden bei Zimmertempe- ratur im Dunkeln aufbewahrt. Alle Losungen waren in bezug auf KOH 0,18 n.; auf Brom 0,04 n.

B. Blaser u. P. Halpern. Die Oxydation der Unterphosphorsaure usw. 43

Die Parallelitat zwischen Oxydationsvermogen und Selbstzerfall von Hypobromit unter dem EinfluB von Kupfer, auf die FEIGL zuerst hingewiesen hat, mochten wir so deuten, daB Hypobromit durch Kupfer in ungeklarter Weise alrtiviert wird, und daB dieses aktivierte Hypobromit sowohl an oxydable Verbindungen leichter seinen Sauer- stoff abgibt, als auch leichter zerfiillt. Der aus der Selbstzersetzung stammende Sauerstoff ist jedoch nicht das Oxydans, sondern das aktivierte Hypobromit.

kinetisch untersucht werden. Die Arbeit wird fortgesetzt, insbesondere sollen die Reaktionen

Berlin, Chemisches lnstitut der UniversitBt.

Bei der Redaktion eingegangen am 24. August 1933.