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Michael Mader Die pflanzliche Vakuole aUS biochernischer Sicht Bei der Betrachtung der pflanzlichen Vakuole aus biochemischer Sicht stellt man zunachst fest, dai3 unsere Kenntnisse von ihr, verglichen mit denen anderer Zellbestandteile, noch sehr gering sind. Die Situation ist insofern paradox, als es sich bei der Vakuole urn das groflte und neben der Zellwand auffalligste Komparti- ment der pflanzlichen Zelle handelt, weshalb sie als morphologische Einheit schon lange bekannt und beschrieben ist [3]. Bis vor etwa cinem Jahrzehnt fehlten jedoch die techni- schen Moglichkeiten, dieses Organell in intak- tem Zustand zu isolieren und damit der direk- ten biochemischen und stoffwechselphysiolo- gischen Analyse zuganglich zu machen. 1 Vakuolentypen Werfen wir zunachst einen Blick auf die drei morphologischen Haupttypen der pflanzli- chen Vakuole, wie sie in ausdifferenzierten Zellen anzutreffen sind (Abbildung 1). Beim Grundtyp fiillt eine einzige zentrale Vakuole den griii3ten Teil der Zelle aus. Das Plasma mit den eingeschlossenen Organellen bleibt auf ei- nen diinnen Saum zwischen Vakuole und Zell- wand beschrankt (Abbildung la). Wegen seines einfachen Aufbaues und guten Isolier- barkeit ist dieser Typ zum Standardobjekt bio- chemischer Untersuchungen an Vakuolen hoherer Pflanzen geworden. Daneben gibt es Zellen, die mehrere Vakuolen unterschiedli- cher Groi3e enthalten (Abbildung Ib). Bei der Ausdifferenzierung wird von allen Zellen ein solches Stadium durchlaufen, da sich die zen- tralen Vakuolen durch Vereinigung vieler, anfanglich kleiner Vakuolen entwickeln. Beim dritten Vakuolentyp ist der Vakuolenraum durch zahlreiche Plasmastrange in komplexer Weise gegliedert (Abbildung Ic und 2). Die Plasmastrange, die nach Anznhl und Anord- nung stark variieren, sind in der lebenden Zelle in staiidiger Bewegung und Verinderung begriffen. Sehr haufig verbinden sie den inmit- ten der Vakuole in einer Plasmatasche gelager- ten Zellkern mit dem die Vakuole umschlie- Genden Plasma. Uber eine grundsatzlich un- terschiedliche Bedeutung der einzelnen Va- kuolentypen fur den Stoffwechsel der Zelle ist bisher nichts bekannt. Es mui3 aber mit einer solchen gerechnet werdcn. 2 Das Kompartiment Die Vakuole, von lat. vacuum, stellt keinen lee- ren Raum dar, wie man aufgrund der Bezeich- nung annehnien kiinntc - die Namensgebung kam dadurch mstande, dai3 die Vakuole im Mikroskop optisch leer gegenuber Plasma und Zellwand erscheint -, sondern sic ist mit Zell- saft angefiillt. In diesem befinden sich geloste, anorganische und organische Bestandteile wechselnder Zusammensetzung. Die Vakuole wird nach dem Plasma zu von einer spezifi- schen Membran, dem Tonoplasten, begrenzt. Der Tonoplast unterscheidet sich in Permeabi- litat und Struktur eindeutig vom Plasma- lemma, dem Membransysteni, das das Plasma nach a d e n , zur Zellwand hin abgrenzt. Durch diese beiden Membransysteme wird die Pflanzenzelle in drei groi3e Kompartimente unterteilt, namlich Zellwand, Plasma und Va- kuole (Abbildung 3). Wahrend Wasser und Gase weitgehend ungehindert von einem Kompartiment ins andere diffundieren konnen, ist dies fur die meisten anorganischen und organischen Ionen und Molekule nicht moglich. Da die Orte der energieabhangigen, Biologie in finserer Zcit / 14. Jahrg. 1984 / Nr. 6 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1984 04r-20rX/84/0612-0171 $ 02.rO/O 171

Die pflanzliche Vakuole aus biochemischer Sicht

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Michael Mader Die pflanzliche Vakuole aUS

biochernischer Sicht

Bei der Betrachtung der pflanzlichen Vakuole aus biochemischer Sicht stellt man zunachst fest, dai3 unsere Kenntnisse von ihr, verglichen mit denen anderer Zellbestandteile, noch sehr gering sind. Die Situation ist insofern paradox, als es sich bei der Vakuole urn das groflte und neben der Zellwand auffalligste Komparti- ment der pflanzlichen Zelle handelt, weshalb sie als morphologische Einheit schon lange bekannt und beschrieben ist [3]. Bis vor etwa cinem Jahrzehnt fehlten jedoch die techni- schen Moglichkeiten, dieses Organell in intak- tem Zustand zu isolieren und damit der direk- ten biochemischen und stoffwechselphysiolo- gischen Analyse zuganglich zu machen.

1 Vakuolentypen

Werfen wir zunachst einen Blick auf die drei morphologischen Haupttypen der pflanzli- chen Vakuole, wie sie in ausdifferenzierten Zellen anzutreffen sind (Abbildung 1). Beim Grundtyp fiillt eine einzige zentrale Vakuole den griii3ten Teil der Zelle aus. Das Plasma mit den eingeschlossenen Organellen bleibt auf ei- nen diinnen Saum zwischen Vakuole und Zell- wand beschrankt (Abbildung la). Wegen seines einfachen Aufbaues und guten Isolier- barkeit ist dieser Typ zum Standardobjekt bio- chemischer Untersuchungen an Vakuolen hoherer Pflanzen geworden. Daneben gibt es Zellen, die mehrere Vakuolen unterschiedli- cher Groi3e enthalten (Abbildung Ib). Bei der Ausdifferenzierung wird von allen Zellen ein solches Stadium durchlaufen, da sich die zen- tralen Vakuolen durch Vereinigung vieler, anfanglich kleiner Vakuolen entwickeln. Beim dritten Vakuolentyp ist der Vakuolenraum durch zahlreiche Plasmastrange in komplexer

Weise gegliedert (Abbildung Ic und 2). Die Plasmastrange, die nach Anznhl und Anord- nung stark variieren, sind in der lebenden Zelle in staiidiger Bewegung und Verinderung begriffen. Sehr haufig verbinden sie den inmit- ten der Vakuole in einer Plasmatasche gelager- ten Zellkern mit dem die Vakuole umschlie- Genden Plasma. Uber eine grundsatzlich un- terschiedliche Bedeutung der einzelnen Va- kuolentypen fur den Stoffwechsel der Zelle ist bisher nichts bekannt. Es mui3 aber mit einer solchen gerechnet werdcn.

2 Das Kompartiment

Die Vakuole, von lat. vacuum, stellt keinen lee- ren Raum dar, wie man aufgrund der Bezeich- nung annehnien kiinntc - die Namensgebung kam dadurch mstande, dai3 die Vakuole im Mikroskop optisch leer gegenuber Plasma und Zellwand erscheint -, sondern sic ist mit Zell- saft angefiillt. In diesem befinden sich geloste, anorganische und organische Bestandteile wechselnder Zusammensetzung. Die Vakuole wird nach dem Plasma zu von einer spezifi- schen Membran, dem Tonoplasten, begrenzt. Der Tonoplast unterscheidet sich in Permeabi- litat und Struktur eindeutig vom Plasma- lemma, dem Membransysteni, das das Plasma nach a d e n , zur Zellwand hin abgrenzt. Durch diese beiden Membransysteme wird die Pflanzenzelle in drei groi3e Kompartimente unterteilt, namlich Zellwand, Plasma und Va- kuole (Abbildung 3) . Wahrend Wasser und Gase weitgehend ungehindert von einem Kompartiment ins andere diffundieren konnen, ist dies fur die meisten anorganischen und organischen Ionen und Molekule nicht moglich. Da die Orte der energieabhangigen,

Biologie in finserer Zcit / 14. Jahrg. 1984 / Nr. 6 0 Verlag Chemie GmbH, 0-6940 Weinheim, 1984 04r-20rX/84/0612-0171 $ 02.rO/O

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mabolischen Prozesse im Plasma liegen, flieBt der Hauptstrom organischer Verbindungen vom Plasma in Richtung Zellwand und Va- kuole. Wir wissen aber heute, daf3 Stofftrans- port, in gcringercm Ausmal3, auch in umge- kchrter Richtung stattfindet (Abbildung 3).

3 Der Wasserhaushalt

Die Grundfunktion der Vakuole mug zweifel- 10s im Zusammenhang mit dem Wasserhaus- halt der Zelle und daruber hinaus der ganzen Pflanze gesehen werden. Die Vakuole wird als extrem wassriger Binnenraum aus dem Cyto- plmm ausgegliedert und von einer, wie oben bereits erwahnt, selektiv pernieablen Mem- bran, detn Tonoplast, abgegrenzt. Der Tono- plast M3t Wasser sehr leicht, darin geloste Stoffe hingegen nur selektiv passieren. Wie

der ganze Protoplast stellt die Vakuole fur sich ein osmotisches System dar, das je nach Kon- zentration der osniotisch wirksamen Teilchen der Umgebung Wasser entzieht oder umge- kehrt an die Umgebung Wasser abgibt. Durch die Bereitstellung genugender Mengen osmo- tisch aktiver Substanzen in den Vakuolen und auch im Plasma (durchschnittlich 0,2-0,8 mol . I-') entwickeln die einzelnen Zellen in bezug auf das Wasser Saugkrafte, die in ihrer Gesamtheit wesentlichen Anteil an der Wasseraufnahme der Pflanze haben. Der Saug- kraft der Zelle wirkt der Wanddnick entgegen, der der Ausdehnung von Vakuole und Plasma eine naturliche Grenze setzt. Befinden sich beide Krafte im Gleichgewicht, dann ist die Zelle voll turgeszent und tragt in diesem Zu- stand zur Stiitzung der griinen, nicht verhol- zenden Gewebe bei. Jedermann kennt das Er-

schlaffen gruner Pflanzenteile bei linger an- haltendem Wasscrmangel.

Auch beim Wachsen der Pflanzen, sofern es sich dm Zellstreckung handelt, ist die Vakuble entscheidend beteiligt. Das Nachgeben der Zellwand fuhrt im Zusammenhang mit dem osmotischen Druck der Vakuole zur Zellstrek- kung. Neben ihrer Bedeutung fur Zellstrek- kung und Zellstiitzung stellt die Vakuole auch einen Wasserspeicher fur die Pflanze dar. Das 1a13t sich besonders deutlich an den Sukkulen- ten erkennen, die eine typische Anpassungs- form an die Trockengebiete der Erde darstel- len. Neben den Einrichtungen, um Verdun- stung und damit unnotigen Wasserverlust ein- zuschranken, werden besondere Wasserspei- chergewebe parenchymatischer Art mit gro- Ben Vakuolen angelegt.

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4 Die Speicherfunktion

Mit der Wasserspeicherung haben wir bereits auf einen weiteren Funktionsbereich der pflanzlichen Vakuole hingewiesen, die Spei- cherfunktion. Neben Wasser konnen in der Vakuole namlich eine Vielzahl anderer Stoffe gespeichert werden. Wir mussen unterschei- den zwischen einer Vakuole als Endspeicher und einer Vakuole als Zwischenspeicher. End- speicher bedeutet, dai3 Stoffflui3 nur in einer Richtung erfolgt, in die Vakuole hinein. Re- mobilisierung und Rucktransport finden in diesem Falle nicht statt. Bei der Zwischenspei- cherung werden die Substanzen nur voruber- gehend in der Vakuole angereichert, um zu ge- gebener Zeit ins Plasma ruckgefuhrt zu wer- den. Eine Vakuole kann gleichzeitig Endspei- cher fur eine Substanz und Zwischenspeicher fur eine andere Substanz sein. Die Dauer der Speicherung in der Vakuole ist fur einzelne Verbindungen sehr unterschiedlich. Betragt sie Wochen bis Monate, wollen wir im folgen- den von Langzeitspeicherung, betragt sie je- doch nur Stunden oder Tage, von Kurzzeit- speicherung sprechen. Die Grenzen zwischen den Speichertypen sind nicht absolut (Abbil- dung 4).

Endspeicherung

Die Bedeutung der Vakuole als Speicher fur Stoffwechselendprodukte, fur die die Pflanze offenbar keine weitere Verwendung hat, wurde aufgrund indirekter Untersuchungs- methoden ( z . B. Histochemie und Mikrosko- pie) schon relativ fruh erkannt [ 8 ] . Vor allem Phenole und Phenolderivate liei3en sich wegen ihrer fluoreszierenden Eigenschaften und ih- rer farbigen Komplexbildung rnit Eisen gut nachweisen. Da die Pflanze nicht uber ein dem tierischen Organismus entsprechendes Exkre- tionssystem verfugt, wurde in dem Ausschei- den bestimmter Stoffe in die Vakuole (oder auch in die Zellwand) eine analoge Funktion gesehen [7] . Die Mehrheit der in die Vakuolen abgeschiedenen Stoffe gehoren der chemisch sehr heterogenen Klasse der sekundaren Pflanzenstoffe an. Dementsprechend vielfal- tig und verschiedenartig ist ihr Vorkommen im Pflanzenbereich. Neben den bereits er- wahnten phenolischen Verbindungen, zu de- nen auch hydrophile Farbstoffe wie Antho- cyane (rot, blau) und Flavonole (we& gelb) gehoren, werden vor allem Alkaloide in den Vakuolen gespeichert. Viele dieser Verbindun- gen werden vor dem Transport in die Vakuole glykosyliert, d. h. mit Zucker verbunden, was ihre Wasserloslichkeit stark erhoht. Unter den

Wasserhaushalt

Wasseraufnahme Wassertransport

Speicher

~ ~- ~~

Wasserspeicher Endproduktspeicher Reservestoffspeicher

Zellstutzung Ionenspeicher Zellstreckung

Wasserspeicher Entgiftung

in den Vakuolen gespeicherten Substanzen be- finden sich viele giftige Verbindungen wie z. B. Nicotin oder Digitalisglykoside, die hau- fig gerade wegen dieser Eigenschaften vom Menschen zur Heilmittelherstellung verwen- det werden. Viele dieser Giftstoffe sind jedoch nicht nur fur die tierische, sondern auch fur die pflanzliche Zelle von schadigender Wirkung, so dai3 ihre Absonderung in die Vakuole als Entgiftungsvorgang gesehen werden kann, eine Funktion, die auch mit der Exkretion in Zusammenhang steht [8].

Neben diesen organischen Verbindungen fin- den sich in den Vakuolen aber auch Ionen so- wie gelegentlich ungeloste Salze des Calciums mit Oxal- oder Kohlensaure. Diese Salze sind dann im Mikroskop als kristalline Einschlusse zu erkennen.

Zwischenspeicherung

D a es heute eindeutige Hinweise auf Abbm (also Turnover) sekundarer Pflanzenstoffe gibt [I], ist es denkbar, daR fur alle in den Vakuolen gespeicherten Stoffe grundsatzlich die Moglichkeit des Recycling besteht, unabhan- gig davon, ob im Einzelfall die Zelle davon Gebrauch macht oder nicht. Bei der im folgen- den zu besprechenden Art von Speicherung macht die Zelle auf jeden Fall Gebrauch da- von. Hierbei handelt es sich namlich neben an- organischen Ionen urn die Speicherung von organischen Verbindungen, die als Reserve- stoffe vorubergehend in den Vakuolen depo- niert werden, um bei Bedarf schnell verfugbar zu sein. Es zahlen hierzu vor allem einfache Kohlenhydrate (Mono- und Disaccharide) wie wir sie im Zuckerrohr, in der Zuckerrube aber auch in vielen Fruchten und anderen Speicher- organen ( z . B. Zwiebel) antreffen.

Wahrend die Speicherung der klassischen Re-

Lytisches Kompartiment

Abbau organischer Molekule und Strukturen

Export der anfallenden Bausteine

servestoffe Starke und Fette in besonderen Or- ganellen, dem Amyloplasten bzw. den Lipo- somen erfolgt [2], werden Proteine, wenn sie als Speicherstoffe auftreten, nach neuesten Er- kenntnissen ebenfalls in Vakuolen bzw. va- kuolenartigen Organellen, den Protein-& dies, abgelagert. Bei der Proteinspeicherung handelt es sich um einen Grenzfall besonderer Art. Die Vakuolen haben hier die Tendenz, in diese speziellen Speicherorganellen (Protein- Bodies) uberzugehen, wobei dieser ProzeD of- fenbar reversibel ist. Bei der Mobilisierung der Proteine, z . B. wahrend der Samenkeimung, verschmelzen die leeren Protein-Bodies unter erneuter Bildung von Vakuolen [5]. Die Pro- teine sind die einzigen bekannten Makromo- lekule, die zur Speicherung in die Vakuolen gelangen. Uber die Art und Weise ihres Trans- ports in die Vakuole ist nichts bekannt; grundsatzlich sind zwei Moglichkeiten denk- bar, direkter Transport vom Cytoplasma durch den Tonoplast oder Verschmelzen des Tonoplasten mit proteinhaltigen Vesikeln des E R oder Golgi-Komplexes.

Jungste Untersuchungen an Sojabohnenblat- tern haben gezeigt, dai3 Polypeptide voruber- gehend in Vakuolen bestimmter Blattzellen eingelagert werden konnen und mogliclien- falls als Stickstoffreserve dienen.

5 Vakuolenisolierung

Die quantitative Erforschung der in den Va- kuolen gespeicherten Verbindungen, die Se- lektivitat der Speicherung und des Transports sowie die Rolle der Vakuole als Kurzzeitspei- cher war erst nach der Entwicklung von Me- thoden zur Isolierung intakter Vakuolen moglich. Diese Techniken sollen daher im nachfolgenden wegen ihrer besonderen Be- deutung kurz dargestellt werden (Abbildung 5).

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Zur Isolierung von Vakuolen aus pflanzlichen Zellen wurden zwei grundsatzlich unter- schiedliche Wege beschritten. Die heute uber- wiegend praktizierte Methode nimmt ihren Ausgang von der enzymatischen Protopla- stenisolierung (Abbildung 5a). In einem leicht hypertonischen Medium werden die Zell- wande mit Hilfe von Pektinasen und Cellula- sen aufgelost und der nackte Protoplast freige- setzt. Es folgt die schonende Lyse der Plasma- membran, die meist bei p H 8 in hypotonischer Losung oder durch Verwendung von Poly- kationen wie z. B. Cytochrom c oder DEAE- Dextran durchgefuhrt wird [7]. Die freiwer- dende Vakuole kann jetzt durch Zentrifuga- tion iiber einen Ficoll-Gradienten gereinigt werden. Alternativ zur beschriebenen Lyse der Plasmamembran bietet sich die hochtou- rige Zentrifugation der Protoplasten uber 12,5%iges Ficoll an, wobei die Vakuolen eben- falls freigesetzt werden. Die Hauptvorteile der soeben skizzierten Techniken sind die relativ hohe Ausbeute an Vakuolen und die Moglich- keit, uber die zunachst isolierten Protoplasten Stoffverteilungen zwischen Plasma und Va- kuole zu bestimmen. Zusatzlich konnen mit Hilfe der Protoplasten zn vivo Aufnahme- und Transportstudien durchgefuhrt werden. Als nachteilig mui3 gewertet werden, dai3 nur be- stimmte Zelltypen fur diese Techiiik in Frage kommen, wie z. B. Blattmesophyll- oder Sus- pensionszellen und Gewebekulturzellen. Fer- ner 1a13t sich noch nicht voll abschatzen, wel- che Wirkung die osmotischen Manipulationen wahrend der Isolierung von Protoplasten und Vakuolen auf den Tonoplast und seine Funk- tionen ausiiben. Grundsatzlich mui3 jedoch mit einem EinfluQ des umgebenden Milieus auf die Membranfunktionen gerechnet wer- den [9]. Allerdings konnte man auch zeigen, dai3 zumindest die sekundaren Pflanzenstoffe wahrend der Vakuolenisolierung in dieser zuruckgehalten werden und nicht etwa aus- laufen.

Die zweite Moglichkeit der Vakuolengewin- nung beruht auf finer mechanischen Methode. In ihrer jetzigen Form wurde diese Technik speziell zur Gewinnung von Vakuolen aus der Roten Rube entwickelt [6]. Das Gewebe wird dabei maschinell oder auch von Hand mit sehr scharfen Messern zerschnitten (Abbildung 5b). Liegt der Schnitt giinstig, dann fallen un-

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und u c h in I’lastiden gefunden. Aufgrund der biochemischen Untersuchungen ergibt sich somit ein ganz anderes Bild des Transportwe- ges der Vakuolenstoffe. Es bleibt der Zukunft vorbehalten, hier fur Klarung der wider- spruchlichen Befunde zu sorgen.

Der Transport durch den Tonoplasten erfolgt erwiesenermaRen bei vielen Verbindungen mittels spezifischer Transportsysteme, die aber offensichtlich durch cytoplasmatische Faktoren kontrolliert werden, da die Stoffauf- nahme mit isolierten Vakuolen auch nach Zu- gabe von Energie in Form von ATP und an- deren Cofaktoren praktisch nicht gelang. Die Untersuchungen der Transportsysteme am To- naplasten sind, wie oben angedeutet, weitge- henel hwxeheriisrhes Neuland, so daB auf d i e sem Gebiet in der nachsten Zukunft mit neuen Erkenntnissen gerechnet werden kann.

Die Anstrengungen der letzten Jahre konzen- trierten sich vor allem auf den Nachweis ener- gieabhangiger Transportsysteme. Als sicher kann heute gelten, dai3 es tonoplastenspezifi- sche ATPasen gibt, die sich eindeutig von de- nen des Plasmalemmas unterscheiden lassen und die offensichtlich als Protonenpumpen fungieren. O b diese in der Lage sind, andere Transportsysteme zu energetisieren bzw. zu aktivieren und auf welche Weise das geschieht, ist noch vollig im Dunkel. Auch ist nichts be- kannt uber den molekularen Aufbau der ATPasen oder anderer Transportsysteme. Ne- ben dem Import, dem bisher alles Interesse galt, existiert naturlich auch Vakuolenexport, uber dessen Natur es uberhaupt noch keine Vorstellungen gibt [4].

8 Lytisches Kompartiment

Neben Wasserhaushalt und Stoffspeicherung verbleibt ein dritter Funktionsbereich der Va- kuole zu besprechen. Der Vakuole fallt offen- sichtlich eine wesentliche Rolle beim Abbau von organischen Strukturen und Molekulen zu, d. h. sie hat lytische Funktion. Durch elek- tronenmikroskopische Abbildungen lassen sich immer wieder strukturierte cytoplasmati- sche Einschlusse, manchmal von Membranen umschlossen, in Vakuolen nachweisen [6] . In allen daraufhin untersuchten Vakuolen hohe- rer und niederer Pflanzen wurden Hydrolasen der verschiedensten Art gefunden [7]. Es ist bekannt, dai3 Makromolekule meist hydroly- tisch abgebaut werden. Nichts ist jedoch be- kannt uber die Synthese dieser Enzyme und ihren Transport in die Vakuole [7]. Hydrolyti- sche Enzyme finden sich in der pflanzlichen

Zelle auch augerhalb der Vakuole, so z. B. im ER, im Golgi-Komplex, in der Zellwand und gelegentlich im Cytoplasma. Meist finden sich die unspezifischeren und dadurch gefahrliche- ren in der Vakuole und die spezifischeren und ungefahrlicheren aui3erhalb [7]. Zuwenig ist bis heute bekannt uber den Abbau definierter Strukturen und Makromolekule und den daran beteiligten Enzymsystemen, um eine klare Vorstellung vom lytischen Komparti- ment der Pflanzenzelle zu gewinnen. Jungste elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Biogenese der Vakuolen haben jedoch ge- zeigt, dai3 vom ER zunachst lysosomenartige Vesikel abgeschnurt werden, die sich dann uber komplizierte Umwandlungen zu auto- phagen Vesikeln entwickeln. Letztere widerum wm-hatelzen zu den dgentlichhm Vakuolen [6]. Ob der Abbau organischen Ma- terials in der pflanzlichen Zelle grundsatzlich uber die autophagen Vesikel erfolgt, bleibt vorlaufig noch ungeklart. Die enge Verknup- fung der Vakuolenfunktion mit den Abbau- prozessen in der pflanzlichen Zelle ist jedoch heute aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse deutlich aufgezeigt.

Gerade aufgrund der neueren Untersuchun- gen zeichnet sich mehr und mehr ab, dai?, der Vakuole eine aktivere und vielfaltigere Rolle im Stoffwechselgeschehen zukommt, als bis- her angenommen wurde. Neben den Spei- cher- und Remobilisierungsprozessen spielen sich in den Vakuolen jedoch uberwiegend ka- tabole Reaktionen ab.

Die vorliegenden Ausfiihrungen zeigen deut- lich, dai3 wir mit unseren biochemisch- molekularbiologischen Kenntnissen von der Vakuole, dem Tonoplast und den Transport- prozessen noch ganz am Anfang stehen. Da sich die Anzahl der Arbeiten zu diesem Thema in den letzten Jahren sprunghaft vermehrt hat, besteht berechtigte Hoffnung fur eine wesent- liche Erweiterung unseres Wissens auf diesem so lange vernachlassigten Gebiet.

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Michael Mader, geb. 1943, hat in Heidelberg Biologie studiert (Promotion 1974). Nach wis- senschaftlicher Assistenten-Zeit in Heidelberg war er 1981-1983 DFG-Stipendiat an der University of California in San Diego. Habi- litation 1984 in Heidelberg. Arbeitsgebiete: Zellbiochemie und vektorielle Proteinsyn- these.

Anschrift:

Priv. Doz. Dr. M. Mader, Botanisches Insritut der Universitat, Im Neuenheimer Feld 360, D-6900 Heidelberg.

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