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530 Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V ~). Von Wilhehn Anderson in Dorpat. (Eingegangen am 3. Juli 1926.) Unter gewissen Bedingungen kSnnen gewShnliehe Gase recht ausgedehnte kon- tinuierliehe Spektra zeigen. Es wird nun untersueht, ob nieht aueh das kontinuier- liche Koronaspektrum dureh gewfihnliehe Gase emittiert werden kSnne; dies erweist sieh abet als unm5glieh. Daraus folgt, daft die Korona nicbt aus gew~hnliehen Gasen bestohen kann. Dies sprieht, wenn aueh indirekt, zuguns~en der Elek- tronengastheorie. Kann ein gewShnliches Gas unter den Druck- und Temperatur- verhaltnissen, wie sle in der inneren Korona herrschen, ein ausgedehntes kon~inuierliches Spektrum zeigen? w 84. N. Bohr kommt zu dem Sehlu$, dal] bei Gasen an iede Serlen- grenze sieh ein kontlnulerllches Spektrum anschlieBen mud, hervorgerufen dutch das Einfangen (bzw. Verlieren) yon Elektronen mit ttberschttssiger Energie 2). Solche Seriengrenzspektra sind auch tats~chlich oft beobachtet worden, z. B. beim Na-Dampf yon R. W. Wood 8), beim Wasserstoff (bei den Protuberanzen) von J. Evershed 4), beim Helium yon T. Lyman 5). fdber die kontinuierllehe Absorption des Wasserstoffs in den A-Sternen hat neuerdings Ch'ing-Sung Yfi einen ausfiihrlichen Bericht ver- 5ffentlicht 6). Jedoeh ist das Aussehen der Seriengrenzspektra ein ganz anderes als dasienige des Koronaspektrums. Aueh an tin Zusammenfliel~en vieler Seriengrenzspektra ist nicht zu denken, wei] dann das Koronaspektrum kein gleichma~ig kontinuierliches w~re, sondern Maxima und Minima der Helligkeit au~weisen mii~te. Solche Maxima und Minima wollte N. Loekyer im Jahre 1882 auch tats~ehlich beobachtet haben (L Tell, w 12), jedoch J. Bosler und It. G. Block haben nachgewiesen, dal.~ Lockyer sich geirr~ hat (ebenda, w 13). 1) Der I. Toil in der ZS. f. Phys. 88, 273--301, 1925; der II. Toil ebenda 34, 453--473, 1925; tier III. Tell ebenda 35, 757--775, 1926; der IV. Teil ebenda 87, 342--366, 1926. 2) Phil. ~ag. (6) 26, 17, 1913. 3) Ebenda 18, 531, 1909. 4) Phil. Trans. Roy. See. London (A) 197, 389, 1901. ~') Nature 113, 785, 1924. 6) Lick Bull. 12, 104--121, 1926.

Die physikalische Natur der Sonnenkorona

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Page 1: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

530

Die p h y s i k a l i s c h e Natur der S o n n e n k o r o n a . V ~). Von Wilhehn Anderson in Dorpat.

(Eingegangen am 3. Juli 1926.)

Unter gewissen Bedingungen kSnnen gewShnliehe Gase recht ausgedehnte kon- tinuierliehe Spektra zeigen. Es wird nun untersueht, ob nieht aueh das kontinuier- liche Koronaspektrum dureh gewfihnliehe Gase emittiert werden kSnne; dies erweist sieh abet als unm5glieh. Daraus folgt, daft die Korona nicbt aus gew~hnliehen Gasen bestohen kann. Dies sprieht, wenn aueh indirekt, zuguns~en der Elek-

tronengastheorie.

K a n n e in g e w S h n l i c h e s Ga s u n t e r den D r u c k - und T e m p e r a t u r -

v e r h a l t n i s s e n , wie sle in de r i n n e r e n K o r o n a h e r r s c h e n , e in

a u s g e d e h n t e s k o n ~ i n u i e r l i c h e s S p e k t r u m z e i g e n ?

w 84. N. B o h r kommt zu dem Sehlu$, dal] bei Gasen an iede Serlen-

grenze sieh ein kontlnulerllches Spektrum anschlieBen mud, hervorgerufen

dutch das Einfangen (bzw. Verlieren) yon Elektronen mit ttberschttssiger Energie 2).

Solche Seriengrenzspektra sind auch tats~chlich oft beobachtet worden, z. B. beim Na-Dampf yon R. W. W o o d 8), beim Wasserstoff (bei

den Protuberanzen) von J. E v e r s h e d 4), beim Helium yon T. L y m a n 5).

fdber die kontinuierllehe Absorption des Wasserstoffs in den A-Sternen

hat neuerdings C h ' i n g - S u n g Yfi einen ausfiihrlichen Bericht ver- 5ffentlicht 6).

Jedoeh ist das Aussehen der Seriengrenzspektra ein ganz anderes

als dasienige des Koronaspektrums. Aueh an tin Zusammenfliel~en vieler

Seriengrenzspektra ist nicht zu denken, wei] dann das Koronaspektrum kein gleichma~ig kontinuierliches w~re, sondern Maxima und Minima der

Helligkeit au~weisen mii~te. Solche Maxima und Minima wollte

N. L o e k y e r im Jahre 1882 auch tats~ehlich beobachtet haben (L Tell,

w 12), jedoch J. B o s l e r und It. G. B l o c k haben nachgewiesen, dal.~

L o c k y e r sich geirr~ hat (ebenda, w 13).

1) Der I. Toil in der ZS. f. Phys. 88, 273--301, 1925; der II. Toil ebenda 34, 453--473, 1925; tier III. Tell ebenda 35, 757--775, 1926; der IV. Teil ebenda 87, 342--366, 1926.

2) Phil. ~ag. (6) 26, 17, 1913. 3) Ebenda 18, 531, 1909. 4) Phil. Trans. Roy. See. London (A) 197, 389, 1901. ~') Nature 113, 785, 1924. 6) Lick Bull. 12, 104--121, 1926.

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Wilhelm Anderson, Die physikalische Natur der Sonnenkorona. Y. 531

Andererseits kOnnte man ein Zusammenflie~en vieler kontinuierlicher Seriengrenzspektra sehon eher in den tie[eren Schichten der Sonnen- atmosphare erwarten, wo die Anzahl der verschiedenen Gasarten sicherlieh eine grSl3ere ist als in der Korona.

w 85. Unter gewissen Umstanden zeigen abet manche Gase kon- tinuierliehe Spektra, welehe niehts mit einem Seriengrenzspektrum zu

tun zu haben seheinen.

So hat J o h n A t t f i e l d gefunden, daft die Flammen yon CO nnd

yon CS~ kontinuierliche Spektra zeigen 1). Man kSnnte vielleicht meinen, da~] dies kontinuierliche Spektrum yon gltihenden Kohlenstoffpartikelchen herrtihrt, die sich mt~glicherweise in der Flamme ausgeschieden haben. Jedoch hat E. F r a n k l a n d gezeigt, dal] auch eine Wasserstoffflamme (wo doch an gliihende ~este oder fliissige Partikelchen nicht zu

denken ist) ebenfalls ein kontinuierliehes Spektrum zeigen kann. Eine etwa 1 Zoll hohe Wasserstoffflamme, welche in Sauerstoff unter 10 Arm. brannte, zeigte yon Rot bis u ein vollkommen kontinuierliches Spektrum. Dabei war die Flamme so hell, dal] man in 2 Fu~ Ent- fernung eine Zeitung lesen konnte~). E. F r a n k l a n d hebt aueh hervor,

dal] eine helle Flamme durchaus noch night das Vorhandensein gltihender fester oder tlttssiger Partikelchen beweist. Er weist auf die blendend weilJe Flamme des Phosphors bin, welcher in Sauerstoff (unter gewShn- lichem Druck) verbrennt. Hier kSnnen wei~gliihende Partikelchen unmSglich eine Rolle spielen, well ~a Phosphorsaureanhydrid (das Ver- brennungsprodnkt) schon bei Rotglut fltiehtig ist 3).

H. C. D i b b i t s finder, da~ das Spektrum einer Schwefel[lamme voll- standig kontinuierlich ist; nur ist die Helligkeitsverteilung eine ganz andere als im Spekrum eines festen oder fittssigen KSrpers yon gleicher Temperatur. Im Spektrnm der Schwelel~lamme ist namlich das Rot, Orange und Gelb sehr schwach, das Griin and Blau hingegen sehr stark 4). Auch bei der CO-Flamme ist das Grtin, Blau und Violett viel starker als das Rot, Orange und Gelb 5).

Naeh W. N. H a r t l e y erstreckt sich das kontlnuierliche Spektrum der C O-Flamme yon etwa X 5800 bis etwa X 3000 %

1) Phil. Trans. Roy. Soc. London 152 (I), 223, 1862. 2) Liebigs Ann. 6, Supplementband, 311, 1868. ~) Ebenda, S. 310. 4) Pogg. Ann. 122, 527, 1864. 5) Ebenda, S. 504. s) Phil. Trans. Roy. Soc. London (A) 185 (I), 176, 1894.

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532 Wilhelm Anderson,

Man k~nnte vielleicht meinen, daft alle diese ~lteren Beobachtungen

wenig vertrauenerweckend seien. Jedoeh hat ganz vor kurzem F r a n k

R. W e s t o n das Vorhandensein eines kontinuierliehen Spektrums bei der

C O-Flamme yon neuem best~tigt. Wenn CO in Sauerstoff unter dem

Druek yon 760ram brennt, ist das kontinuierliehe Spektrum intensiv.

Bel abnehmendem Druek wird das kontinuierliche Spektrum sehw~eher,

bis sehliel]lleh das Bandenspektrum zu dominieren anf~ngt. W e s t o n

h~lt das Vorhandensein yon festen Partikelchen in der C O-Flamme f~ir

ausgesehlossen; das kontinuierliehe Spektrum erkl~rt er dureh ,,direct interactions between carbon monoxide and oxygen" 1).

w 86. Bis ietzt haben wir iiber kontinuierliche Spektra b r e n n e n d e r

Gase gesprochen. Man k~nnte nun freilich einwenden, daft dies alles ffir

die Korona belanglos sei, well ia in der Korona sieherlieh niehts brennt

Jedoeh ist bei Gasen manehmal aueh dann ein ausgedehntes kontinuier-

liehes Spektrum konstatiert worden, wenn yon einem Brennen keine Rede

sein konnte.

H. W. D o v e war der erste, weleher beim positiven Pol einer

Oeisslerr0hre ein im Blau und Violett kontinuierliehes Spektrum kon- statiert hat 2).

J. P l i i eker und J. W. Hi t~or f haben gefunden, daft bei elektrisehen

Entladungen dureh Wasserstoff unter 60 mm ein kontinuierliehes Spek-

trum zu beobaehten ist. Letzteres wurde unter einem Druek yon 360 mm

sehr intensiv ~).

A. Wii l lner untersuehte das Spektrum des Wasserstoffs in Geissier-

r(ihren unter verschiedenen Drueken. Beim Druek yon 135ram war der

Widerstand des Gases zu grol3, urn einen gentigenden Strom durchzu-

lassen: die Helligkeit des Gases war daher fiir spektroskopisehe Unter- suehungen zu gering. Bei 30mm war das kontinuierliehe Spektrum

,,aul]erst brillant". Bei weiterer Verdtinnung des Gases nimmt die

Helligkeit des kontinuierlichen Spektrums ab, wMlrend die drei Wasserstoff-

linien immer glanzender werden. Bei 2mm slnd ]etztere sehr hell, w~hrend alles iibrige fast vollst~ndig versehwunden ist. Bei weiterem

Fallen des Druekes (bis auf Bruehteile eines Millimeters) wurden die Linien sehw~cher; es zeigte sich dann aber im Gr i in Bin n e u e s kon-

tinuierliehes Spektrum, welches aus fiinf hellen Feldern bestand 4~.

1) Proc. Roy. Soc. London (A) 109, 185, 1925. 2) Pogg. Ann. 10=t, 186, 1858. :~) Phil. Trans. Roy. Soc. London 155 (I), 22~ 1~65. 4) Pogg. Ann. 18~, 504 ft., 1868.

Page 4: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V. 533

In einem sp~teren Aufsatz hat W t i l ln e r das Wasserstoffspektrum

unter hSheren Drucken untersucht, wobei geniigende Spannungen ange-

wandt wurden. Bei steigendem Druck nimmt das Spektrum immer mehr d e n Charakter elnes gar nicht schattierten "kontinuierlichen an, das sich yon dem Spektrum eines gliihenden festen KSrpers nur durch andere IIelligkeitsverteilung, dureh geringere Ausdehnung und dutch die Dis-

kon~inuitat bei H~ unterscheidet. Aber auch letztere beginnt slch bel einem Druck yon 1703mm zu vermindern~). Bei Anwendung yon

Leidener Flasehen hat das Wasserstoffspektrum schon bei 300mm das- selbe Aussehen wie ohne Flasehen bei 3 Arm. ~). Aueh Sauerstoff zeigt

ein kontinuierliches Spekt, rum, ~edoch ist seine Itelligkeit betraehtlieh geringer als beim Wasserstoff s); desgleiehen Stickstoff 6).

O t t o k a r S e h e n k finder, dag bei 2200 mm das Wasserstoffspektrum vSllig kontinuierlich ist und sieh nut dutch eine andere Helligkeits-

verteilung ~'on dem Spektrum fester XSrper unterseheidet. Bei 5 mm

dagegen sieht man (auger den eharakteristisehen Linien) nut noch hier und

da im Gelb und Grttn helle Streifen aufblitzen. Betrggt der Druek einen Bruehteil eines Millimeters, so tr i t t das Banderspektrum au[ s).

Naeh G. C i a m i e i a n zeigt Chlor beim Druek yon 500 his 600 mm

ein sehwaehes kontinuierliehes Spektrum im Rot. Bei Atmospharendruek reieht das kontinuierliche Spektrum yon Rot bis Griin und wird deutlieh

siehtbar. Bei 1500 mm ist das kontinuierliehe Spektrum ,,yon fast blen- derider St~rke" s). Auch Brom und god zeigen kontinuierliehe Spektra.

Dasjenige des Jods ist sehon friiher yon G. S a l e t beobaehtet worden,

weleher dies Spektrnm mit demienigen eines festen KSrpers vergleieht 7).

Naeh G. 13. C l i n k s e a l e s ist das Absorptionsspektrum des Natrium- dampfes unter einem Druck yon 8 Arm. kontinuierlieh s).

T. R. M e r t o n nnd S. B a r r a t linden, dag bei 50mm das kontinuier- lithe Wasserstoffspektrum sieh bis ins Grtin erstreckt. Bei h~heren Drueken bedeekt es das ganze siehtbare Spektralgebiet 9).

1) Pogg. Ann. 137, 342, 1869. 2) Ebeada, S. 344f. a) Ebenda, S. 355. 5) Ebenda, S. 358. 5) ZS. f. an~lyt. Chem. 12, 387 f., 1873. 6) Wien. Ber. 78 [211 873 f., 1879. 7) Pogg. Ann. 1471 3201 1872. s) Phys. Rev. 30, 608, 1910. 9) Phil Trans. Roy. Soc. London (A) 222, 376~ 1922.

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534 Wilhelm Anderson,

w 87. Wie man Sieht, kSnnen Gase ausgedehnte und helle konti- nuierliche Spektra zeigen, wobei die dazu notwendigen Drueke gar nlcht

besonders grol] zu sein brauchen. Trotzdem tibersteigen letztere bei weitem das f~ir die Korona Zulassige: es kann gar keine Redo davon sein, dal] in der Korona ein Druck yon einigen Millimetern herrschen k(innte!

Es gibt aber auch noeh Gase, welche selbst bei einem sehr geringen Druek recht ausgedehnte kontinuierliche Spektra zeigen. So ~inden

J. K o e n i g s b e r g e r und K. K i i p f e r e r , dab Dampfe von Eisenehlorid ein kontinuierliches Absorptionsspektrum im Blan und Violett zeigen; des- gleiehen Dampfe yon Nickelehlorid im Blau. Selbst bei starkster spek-

traler AuflSsung und bel einem Druek yon nur 0,01 mm konnten keine

Linien odor Banden wahrgenommen werden. Sehwefeldamp[e bei tie[on

Temperaturen (und also auch bei sehr geringem Dampfdruck) zeigen eine kontinuierliehe Absorption yon Violett his Griin und sogar bis Rot. Bei

etwa 370 ~ (und bei etwa 0,001 ram) erseheint an Stelle des kontinuierliehen ein Bandenspektrum. "~hnlich verhalt sich Se len 1). Aueh die Dampfe

muncher organischer u zeigen mehr oder weniger ausgedehnte kontinuierliehe Absorptionsspektren, so die Dampie yon Indigoblan, yon

Indigorot, yon Alizarin, yon Purpurin u. a. m. ~). K o e n i g s b e r g e r und K ii p f e r e r glanben, daI] die yon ihnen untersuehten Dampfe, sowelt sie n i c h t dissoziiert sind, im sichtbaren Gebiet nur kontinuierliehe Ab-

sorptlon zeigen s).

Neuerdings haben W. H. MeVieke r , J. K. Mar sh und A. S t e w a r t die Tesla-Lumlneszenz yon Dampfen verschiedener organischer Verbin-

dungen spektroskopisch untersueht, wobei manchmal ein recht aus-

gedehntes kontinuierliches Spektrum konstatlert werden kormte. So gabon aliphutische Ketone nnd Aldehyde schwache kontinuierliehe Emlssionsspektra yon ~L 3500 bls ;L 4800 4) ; Dimethylanilin ein starkes

Spektrum etwa yon s 3025 his ~ 4300; a-Naphthylamln etwa yon s 3320

bis ~ 4700 u. a. m. s).

In allen diesen Fallen ist tier Trager des kontinuierlichen Spektrums ein mehr oder wenlger kompliziertes Molekiil; doeh ist die Existenz yon komplizierten Gasmolekiilen in der Korona nicht, anzunehmen. Selbs?~ das einfaehe und sehr stabile Wasserstoffmolekiil is~ dort zu Atomen

1) Ann. d. Phys. (4) 87, 627f., 1912. ~) Ebenda, S. 624 ff. s) Ebenda, S. 641. 4) Phil. Mug. (6) 48, 635, 1924. 5) Journ. Chem. Soc. London 129 (I), 18, 1926.

Page 6: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Soanenkorona. V. 535

dissoziiert (I. Teil, w 14). HSchstens vielleicht Stiekstoff kSnnte in der

Korona in molekularem Zustande existieren, wenn A. E u e k e n mit seiner

grol]en Zahl fiir die Dissoziationsw~rme des Stiekstoffs (fiber 400keal)

recht hatte. Jedoch sind in letzter Zeit gegen diese Zahl Einw~nde er- hoben worden. So h~lt M. N. Saha aus astronomisehen Grtinden E u e k e n s Zahl ftir unmSglieh groi] 1). Naeh H. S p o n e r liegt die Dissoziations-

warme des Stiekstoffs zwischen 260 000 cal und 296 000 cal 2).

w 88. Wenden wir uns noch einmal dem Wasserstoff zu, welcher

doch viel eher eine Rolle in der Korona spielen kSnnte, als die oben er-

wahnten D~mpfe yon Alizarin. yon Indigoblau u. dg].

H. E b e r t konnte ein kontinuier]iehes Spektrum beobaehten, wenn

verdiinnter Wasserstoff dutch Her tz sehe Strahlen zum Leuchten an- geregt wurde3). Leider sagt E b e r t niehts tiber die Ausdehnung dieses

Spektrums und tiber die Energieverteilung darin. Auch wird nicht mitgetdilt, under we]them Druek der Wasserstoff sieh befand. Da aber

E b e r t s Experimente bei gewShnlieher Temperatur ausgeftthrt wurden, so war der Wasserstoff sieherlich nieht dissozliert, sondern befand sleh

in molekularem Zustand.

H. E. W a t s on hat gleichzeitig mit dem sekundaren (mo]ekularen)

Wasserstoffspektrum tin koatinuierliehes Spektrum beobachtet, welches bei ~ 4570 beginnt und sieh his zum extremen Ultravlolett ausdehnt 4).

Dies Spektrum kann nieht identisch sein mit dem B a l m e r s c h e n kon- tinuierlichen Seriengrenzspektrum, well die B a l m e r sche Seriengrenze

bei s 3646 liegt. Zwar hat J . W . l ~ i e h o l s o n gezeigt, dab das ko~l- tinuierliehe Seriengrenzspektrum schon etwas vor der theoretisehen Grenze beginnen kannS), abet eine so grol]e Rotversehiebung (yon s 3646 his

4570) ist nicht anzunehmen.

J. S t a r k hat beim Wasserstoff zwei v e r s e h i e d e n e kontinulerllche Spektra beobachtet. Das eine (das ,,ultraviolette") war zwischen ~ 3600

und ~ 2000 sehr intensiv. Das andere (das ,,blauviolette") begann im Blau- grtin und erstreekte sieh unter aawaehsender Intensit~t bls tiber das Violett hinaus 6). Nach einer weiteren Untersuchung yon J. , ~ t a r k ,

I) Nature 117, 268~ 1926. 2) Z8. f. Phys. 84, 632, 1925. 3) Astronomy and Astro-Physics 12, 808, 1893. 4) Proc. Roy. Soc. London (A) 82, 192, 1909. ~) ~Ionthly Not. 8~, 253--256, 1925. 6} Ann. d. Phys. (4) 52, 258 f., 1917.

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536 Wilhelm Anderson~

M. G S r c k e und M. A r n d t soll das ,ultraviolette" kontinuierliehe Wasserstoffspektrum bei ~ 4000 beginnen 1).

Max Weth hat ein kontinuierliehes Wasserstoffspektrum beobuchtet, welches slch yon Blaugrtin bis jenseits s 2300 erstreckte 9).

R a g n a r H o l m und T h e a K r i i g e r berich~en, dal] die durch lung- same Elektronen (unter 18 Volt) erzeugten Ionen bei der Wieder- verelnigtmg zum neutralen Molekiil H~ eln blauliches Lich~ von ver- mutlieh kontinuierlichem Spektrum aussenden. Die durch etwas schnellere Elektronen entstandenen Ionen geben bei der Wiedervereinigung das Viellinienspektrum 8).

Nach R. See l i ge r und E. P o m m e r i n g betr~gt beim Wasserstoff das Anregungspotential der Bulmerlinien 27 bis 30 Volt, dasienige des molekularen Vielllnienspektrums weniger als 18 Volt, und dasienige des Kontlnuums 13 his 14 Volt4).

J. F r a n c k erklart das ,blauviolette" kontinuierliehe Wasaerstoff- spektrum dutch ,,Elektronenaffinit~t", d.h. durch das Einfangen yon freien Elektronen mit iiberschiissiger kinetischer Energie dureh n eut r ale Wasserstoffatome 5).

F r a n k I-Iorton und Ann C a t h e r i n e D a v i e s haben ein kon- tinuierliches Wusserstoffspektrnm beobaehtet, welches slch yon Gelb bis Violett erstreekte. Das zur Hervorrufung dieses Spektrums notwendige Anregungspotentiul ist geringer als ira Falle des Bulmerspektrums oder des Viellinienspektrums (was mit den oben erw~hnten Beobaehtungen yon S e e l l g e r und P o m m e r i n g iibereinstlmmt). H o r t o n und D av i e s schreiben das kontinuierliche Spektrum der Bildung yon Molekiilen (H~ oder mSglicherweise H3) aus neutralen (und teilweise angeregten) Atomen zu, die dutch den Zusammenstol] der Wasserstoffmolekiile mit den Elek- tronen entstanden seien 6). Das zur Dissoziution des Wasserstoffmolektils bei gleichzeitiger Anregung eines Atoms notwendige Potential soll 12,6 Volt betrugen 7).

H a r v e y B. L e m o n hat bei Anwendung yon Gliihelektroden ein kontinuicrliches Wasserstoffspektrum beobachtet, welches sich bis ins Gelbgriin verfolgen lie~ s).

1) Ann. d. Phys. (4) 54, 109, 1917. ~) Ebenda 62, 597.L, 1920. 8) Phys. ZS. 20, 3, 1919. 4) Ann. d. Phys. (4) 59, 607, 1919. 5) ZS. f. Phys. 5, 429 f., 1921. 6) Phil. Mag. (6) 46, 874, 1923. 7) Ebenda, S. 895. s) Nature 113, 127f., 1924; Naturw. 12, 252, 1924.

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Die physikalisehe Natur der Sonnenkorona. V. 537

F. H o r t o n und A. C. D a v i e s machen nun darau[ au~merksam, dal~

sie noch vor H. B. L e m o n das erwihnte kontinuierliehe Wasserstoff-

spektrum beobachtet haben 1). Daraufhin erkennt L e in o n den Prioritits-

anspruch yon H o r t o n nnd D a v i e s an, ist ~ber mit ihrer Erklirung des kontinuier]ichen Spektrums nicht einverstanden 2).

A g a t e C a r s t hat die Experimente yon J. S t a r k wiederholt. Sie beobachtete S t a r k s ,,ultravlolettes" kontinuierliches Wasserstoffspektrum, welches nach ihrer Beobachtung zwischen Ht~ and /-Iv begann. Bei

h(iherem Druck versehob sich die Grenze des Spektrums gegen Rot.

A. C a r s t kommt zu dem Sehlufl, dab ,,sein [des Spektrums] Trager das

Wasserstoffmolekill ist. Jedenfalls hat es mlt dem Bohrschen kon- tinuierlichen [Seriengrenz-] Spektrum niehts zu tun" 8).

E. G e h r e k e and E. L a u ~inden, da~ in RShren, welche die Balmer-

serie stark und das Viellinienspektrum schwaeh zeigen, das Kontlnuum sehwaeh ist. Dagegen ist im Falle eines starken Viellinienspektrums

auch das Kontinuum stark. ,Hiermit befindet sich das Spektrum eines gebremsten Kathodenstrahls in bestem Einklang" 4).

In elnem Spitteren Aufsatze wlederholt E. L au diese Hypothese, iedoeh nieht besonders kategoriseh: ,,Vielleieht erklirt sich das Kon-

tlnnum aus einem derartigen Bremsvorgang. Wir bi t ten dann elne kon- tinuierliche Bremsstrahlung, iihnlieh wie im RSntgengebiet, vor uns" ~).

K. Sch i l l e r and K. L. Wol f weisen darauf hin, dab die langwellige

Grenze des blauvioletten kontinuierlichen WasserstoHspektrums etwa bei

i 4800 liegt, was der Dissoziationswirme des WasserstoHs entspricht 6).

Deshalb sei dies Spektrum ein ,,Wiedervereinigungsspektrum". Es ent- stehe auf Kosten der Dissoziationsenergie and der kinetisehen Energie der Atome 7).

P. ~ . S. B l a e k e t t und J. F r a n c k zeigen, dab beim E]ektronensto~ das Wasserstoffmolekiil sich unter gewlssen Umstinden in zwei neutrale Atome treanen kann. Dabei werde sieh die iiberschilssige Energie teil-

weise in Translationsenergie, teilweise in Strahlang verwandeln. Dies miisse zu einem ausgedehnten kontinuierliehen Spektrum fiihren. Die

1) :Nature 113, 273 f., 1924. ~) Ebenda, S. 570. 5) Ann. d. Phys. (4) 75, 672, 1924. 6) Ebenda 76, 675, 1925. ~) Ebenda 77, 190 f., 1925. 6) ZS. f. Phys. 33, 43, 1925. 7) Ebenda, S. 46.

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538 Wilhelm Anderson,

Verfasser miichten aber ,der Vermutung, daft das Spektrum sich auf die angegebene Weise erkl~rt, nur mit aller Reserve &usdruek geben" I).

In einem neuen Art, ikel halten es H. Sch i l l e r und K. L. W o l f filr unmSglich, da$ das kontlnuierliche blauviolette Wasserstoffspektrum eln Elektronenafflnit~tsspektrum sei s). Sie halten es filr erwiesen, dal] das

erwRhnte Spektrum durch die W i e d e r v e r e i n i g u n g z w e i e r unan-

g e r e g t e r &tome e n t s t e h e , abe r nu r in e inem Raume, wo ein

m e r k l i c h e s e l e k t r l s c h e s F e l d v o r h a n d e n ist. Dann ist aber nicht anzunehmen, dal] das erwKhnte Wasserstoff-

spektrllm in der Korona eine merldiehe Rolle spielen k~innte: unter den dort herrschenden Bedingungen ist der Wasserstoff vollsiiindig disso- zilert, so dal] die Wiedervereinlgung der Atome zu Molekiilen sehr selten sein mull. Auch mil~te dort die Existenz eines genilgend starken elek- trischen Feldcs angenommen werden. SoUte man aber auch nut 1 Volt pro Zentimeter annehmen, so wiirde sich ftir 2 . 101~ eine unglaub- liche Potentialdifferenz yon 2.1.01~ V01t ergeben; 2.101~ cm bilden aber

noch nicht 1/~ des SonnenradiusI Sollte aber das ,,blauviolette" Wasserstoffspektrum einem ,,Brems-

vorgang" seinen Ursprung verdanken, wie es E. G e h r c k e und E. L a u annehmen, so k~innte es ebenfalls kelnen betrRchtlichen Tell der Korona- strahlung ausmachen. Sonst mill]re man annehmen, dal] ein merkllcher Teil des Energieverlustes der Korona dulch (yon der Sonne ausgehende) Korpuskularstrahlen gedeckt werde. Wir haben aber schon lrilher ge- sehen, daft dies anzunehmen nieht mOglich ist (I. T e i l , w 17 bis 21;

IL TeR, w 23 bis 28). Aueh S t a r k s ,,ultraviolettes" kontinuier]iches Wasserstoffspektrum

kann in der Korona keine merkliche Rolle spielen, da es nach A. Ca r s t dem Molekill angehSrt; in der Korona mul~ sieh aber der Wasserstoff in

afomarem Zustand befinden. SchlielSlich darf man nicht vergessen, dal] die erw~hnten kon~inuier-

lichen Wasserstoftspektra eine ganz undere Ausdehnnng und eine ganz andere Energieverteilung aufweisen als das kontinuierliehe Korona-

spektrum. w 39. Im Gegensatz zu L u d e n d o r ~ glaube ich nicht, da~ die

Helligkeitsverteilung im Spektrum der i n n e r e n Korona genau dieselbe ist wie ira Photosphiirenspektrum (IV. Tell, w 634.). Aber immerhin kann kein Zweifel dariiber bestehen, da~ die beiden Helligkeitsverteihngen

1) ZS. f. Phys. 84, 400, 1925. s) Ebenda 85, 485, 1926.

Page 10: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V. 53,9

mehr oder weniger ~hnlieh sind und demjenigen eines gli~henden festen KOrpers entsprechen (wenn aueh nieht yon genau derselben Temperatur). Aul]erdem zeigt die innere Korona auch noeh elnige helle GaslinJen, iedoeh ist die Strahlung tier letzteren nur gering ira Vergleieh mlt der kontinuierlichen Strahlung (I. Teil, w 16).

Wit haben oben gesehen, dal} gewOhnliehe Gase manehmal recht ausgedehnte kontinuierliehe Spektra zeigen. Jedoeh ist mir kein einziger Fall bekannt, dull ein Gas bei sehr h o h e r T e m p e r a t u r und sehr ge- r i nge m Dr uek eln kons Spektrum zeigt, welches gegeniiber dem Linienspektrum dominierte, und welches dabei in seiner Helligkeits- verteilung such nur ann~hernd demjenigen eines gliihenden festen KOrpers entspraehe.

In der inneren Korona befinden sieh die Gase fast ausschliel]liela in atomarem Zustund. Die ,,freien Wegl~ngen" sind dort natiirlieh grSl]er und die gegenseitigen Beeinf]ussungen der Atome geringer als in den tieferen Sehichten der Sonnenatmosph~re. Mit anderen Worten: die Atome in der Korona kOnnen viel ,,ungestSrter" leuchten als in der Chromosphere. Wenn also die Korona aus gewOhnl i chen Gasen (z. B. aus Wasserstoff) bestehen wiirde, so h~tten wit nieht den gerhlgsten

Grlmd zu erwarten, dai] deft eln a u s g e d e h n t e s kontinuierliches Spektrum gegeniiber dem Linienspektrum mehr dominieren sollte als in der Chromosphere.

F e s s e n k o f f s U n ~ e r s u c h u n g iibr die Korona .

w 90. Will man trotzdem das kontinaierliche Koronaspektrum einem gewShalichen Gase zuschreiben, so kann nur noeh die R a y l e i g h - sche Lichtzerstreuung in Betracht kommen, obgleich auch letztere eine merk]ieh andere Energieverteilung ergeben wiirde, als tats~ch]ich beim Koronaspektrum beobaehtet wird.

Neuerdings hat B. F e s s e n k o f f , yon der Hypothese der R a y l e i g h - schen Lichtzerstreuung ausgehend, die Diehte der Korona in 5' Entfernung yon der Photosphere bereehnet. Diese Dichte erweist sieh gleich der Dichte des Wasserstoffs under 0 ,43 .10 -5 his 0 ,22 .10-6ram bei 0~ 1).

Ein iedes Gas enbh~lt unter normalen Bedingungen 2,7075.1019 Mo- lek~ile pro Kubikzentimeter ~) ; unter 0 ,22 .10 -6 lnnl (bei 0 ~ C) kommen etwa 7,8375.109 Molekfile pro Kubikzentimeter. Wenn man nur ge-

l) Astron. Nachrichtea 219, 108, 1923. 3) Phys.-chem. Tabellen von Landol t BSrns te in , 5. Aufl., S. 799,

Berlin 1923. Zcitsch~ift fiir Phys ik . Bd. XXXVIII . ',:~5

Page 11: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

540 Wilhelm Anderson,

wi~hnliche Gase in Betracht zieht, so ist das Wasserstoffatom das leich- teste yon allen ,Molekfilen" ; seine Masse betragt 1 ,662.10-2~g 1).

Ein Wassersioffatom wird sicherlich nicht mehr (wahrscheinlich

aber weniger)Licht diffus zerstreuen als ein Wasserstoffmolekfil. Sollte also die Korona aus a t o m a r e m Wasserstoff bestehen, so kSnnfen in

5' Entfernung yon tier Photosphare jedenfalls nicht weniger als 7,8375.109 Atome im Kubikzenfimeter sich befinden. Dann kann aber

dort die Dichte nicht kleiner sein als

1 ,662.10 -24 . 7,125.109 ~ 1,303.10-1~ g. cm -3.

SoHte die Korona aus einem anderen g e w S h n l i c h e n Gase oder auch

aus molekularem Wasserstoff bestehen, so ware die Dichte noch griil~er.

In 5" fiber der Photosphtire ist die Anziehungsbeschleunigung gleich

15965 cm. see-2; das Gewicht eines Kubikzeutimeters Gas ist dort also

nicht kleiner als 1 5 9 6 5 . 1 , 3 0 3 . 1 0 - U D y n ; in tieferen Schichten wird

ein Kubikzentimeter na~iirlich noch mehr wiegen.

Nun bilden 5' mehr als 2 . 1 0 ~~ cm. Somlt driiekt an der Basis der

Korona auf ein Quadratzentimeter das Gewicht einer Saule yon fiber 2.101~ cm H(ihe. Dies Gewicht ist griifler als

2 . 1 0 l~ . 1 5 9 6 5 . 1 , 3 0 3 . 1 0 -1~ ~ 4,159 Dyn,

also iedenfaUs merklieh grSSer als 3 Dyn.

Die Korona sender der Erde etwa 800000 real weniger strahlende Energie zu als die Photosphiire. In Wirklichkeit wird die Korona mehr

Energie ausstrahlen (die Korona ist ja teflweise verdeckt; aueh fallt ein

Tell ihrer ausgestrahlten Energir auf die Sonne zuriick), aber immerhin wohl sicherlich nicht mehr als 10 -5 der Photosphiirenstrahlung (I. Teil,

w 7). Ein Quadratzentimeter der Photosphiirenoberflache strahlt be-

deutend weniger als 9 .101~ - 1 aus; davon erhiflt die Korona weniger ais 9.101~ 10 - 5 = 9.105 Erg. see -1. Der maximale Druck,

welehen diese strahlende Energie auf die Koronamasse ausiiben kann, ist

9 . 1 0 5 3.101~ - - 3 . 1 0 -5 Dyn. cm -~. Das ist natfirlich g~nzlich ungenfigend,

um das Gewicht unserer Gassaule, welches mehr als 3 Dyn betragt, lnerklich zu beeinfhssen. Im Falle der Ray le ighschen Lichtzerstreuung kann also der Strahlungsdruck neben der Gravitation ignoriert werden.

Zu einem iihnlichen Resultat sind wir auch schon frfiher gekommen,

als wir Ch. F a b r y s Zahlenwerte benutzten (I. Tell, w 10f.).

1) Siehe Anmerkung 2~ Seite 539.

Page 12: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V. 541

B e e i n f l u s s u n g der G r a v i t a t i o n d u r e h ein B o m b a r d e m e n t yon

K o r p u s k u l a r s t r a h ] e n .

w .~)1. Wir haben sehon friiher gesehen, dall die yon der Korona

ausgestrahlte Energie nicht dureh ein Bombardement yon Korpuskular- strahlen zum merklichen Teil gedeekt werden kann (I. Tell, w 17 bis 21 ; II. Tell, w 23 his 28). So]lte aber nicht wenigstens die (]ravita~ions- kraft der Sonne durch ein solches Bombardement merklich beeinflullt

werden kSnnen ?

A. B r e s t e r h~lt es fur m~glieh, dal] im Gleichgewicht der Sonnen- atmosphere der durch emporgesehleuderte Elektronen hervorgerufene

Druck eine Rolle spielen kSnnel). Auch D. B r u n t zieht ,the e~fects

o~ the emission of charged particles" in Betraeht~), ohne jedoeh dabei auf das Quantitative naher einzugehen. Sollte nieht bei der im vorigen

Paragraphen erwahnten Gass~ule die Gravitation durch ein Elektronen- bombardement aufgewogen werden kSnnen?

Um diese Frage quantitativ zu untersuchen, mfissen wi r die tat-

s~ehlich vorhandenen Bedingungen etwas vereinfachen und idealisieren.

Wit nehmen an, dall yon iedem Quadratzentimeter Photosph~ren- oberfl~che f rog.see-1 Partikelchen in senkrechter Richtung mit der

Anfangsgesehwindigkeit v o cm. sec -1 emittiert werden. H~tten die Par- tikelchen gar keinen Widerstand (Reibung) bei ihrer Bewegung zu iiber- winden, so mfillte ihre Geschwindigkeit nut infolge tier Gravitations-

wirkung der Sonne abnehmen; in der Entfernung 1' v o n d e r Photosphere mag sie in solehem Falle v l cm. see -1 betragen und die entspreehende

Masse der Part ikelehen/t 1 g. D a v 1 ~ v o ist, so mull aueh #1 ~ tto sein (weil ia bekanntlich die Masse der Elektronen mit abnehmender Ge- sehwindigkeit abnimmt). In Wirkliehkeit werden abet die Elektronen

beim Passieren durch die Koronagase einen Reibungswiderstand zu iiber- winden haben, weshalb ihre Gesehwindigkeit in der erw~hnten Ent[ernung

yon der Photosphare nur v~ cm. see -1 betragen wird und die entsprechende

Masse t~2 g ; nattirlieh ist v~ ~ v 1 und /t~ ~ th"

H~tten die Koronagase der Elektronenbewegung keinen Widerstand entgegengesetzt, so wiirden die yon 1 em ~ Photospharenoberflache in

1 sec emittierten Partikelehen nach dem Passieren der 1' hohen Gassehieht

die kinetische Energie ~v~/t~ haben. In Wirk]ichkeit wird ihre kinetisehe

1) A. Brester , Le Soleil, S. 158, La Haye 1924. ~) ~Ionthly Not. 78, 572, 1913.

35*

Page 13: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

542 Wilhehn Anderson,

Energie nur ~ betragen. Somit hat die yon den Elektronen passierte

1 Gasschicht ~ (#1 vi - - t~2 v~) Erg absorbiert. Infolgedessen wird sie einen

Druck yon 1~ ~ ttlvl - - tt~v~Dyn, cm -2 (1)

effahren, da der Druck gleich der Anderung der BewegungsgrSi]e in einer

Sekunde isk Ohne einen Reibungswiderstand ware v 1 ~ v ~ , it1 ~ ~.~

und daher 1o ---- 0, was auch selbstverstandlich ist.

w 92. Wir haben oben gesehen (w 90), dab die Korona von 1 cm ~ Photospharenoberflache weniger als 9.105 Erg. sec -1 erhalten muff (sonst

wtirde die Korona mehr Energie erhalten als sie ausstrahlt). Die yon

uns in Betracht gezogene 1' hohe Schicht ist nur ein T e l l der Korona, wird also yon ~edem Quadratzentimeter Pho~ospharenoberflache noch

weniger Energie erhalten. Wit kiinnen also schreiben

1 ~(tfiv~--tL~% ~ ) ~ 9 . 10 5

oder thv~ - - ~ v ~ ~ 1,8.106. (2)

Nun kann man schreiben

wo th v~ (v~ - - v~) ~1 vj --- #u v~

Es ist leicht einzusehen, dai} ~ immer posltiv sein muB. Jetzt er- ist. halten wir aus~(2):

(thv~ - - ~2v~) (vi + ~) ~ 118. lO ~ oder

1 ,8 .10 6 t h v l - - t t 2 % V l - k ~ '

und erst recht (da c~ posi t ivis t ) :

~ 1 , 8 . 1 0 ~ ~1 Vl - - ~2 Y$

q21

oder ira tIinblick au~ (1):

1O ~ 1,8.106 Dyn - - - - . c m - ~ . V 1

(~)

Aus (3) sehen wir, dal] ie gr(il]er die Geschwindigkeit der Elek- tronen ist, desto geringer der yon ihnen ausgeiibte Druck sein daft (sonst wiirde die Korona unzulassig viel Energie absorbieren).

Page 14: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V. 543

Wir haben gesehen, dal] unsere 5' hohe Saule fiber 3 Dyn wiegen 3

mnl~; eine Sau]e yon nur 1' ttShe wird mehr als =- ~ 0,6 Dyn wiegen. 0

Wollten wir dies Gewieht durch ein Elektronenbombardement balan-

eieren, so h~tten wir naeh (3):

1 ,8 .106 0,6 ~ - - - - ,

V 1

und daher : v 1 ~ 3 . l 0 s cm,

also erst reeht: % ~Q 3 . 1 0 scm.

Wenn aber die Elektronen sehon in 1' gntfernung yon der Photosphgre

eine so geringe GesGhwindigkeit besitzen, so werden sie sigh night ein-

mal um 3" welter bewegen kSnnen, wie dies night schemer zu bereehnen

ist. Die Elektronen werden also die Entfernung 1' 3" yon der Photo-

sphgre nieht erreichen; die wei%ren Koronateile werden veto Elektronen-

strom unberiihrt bleiben.

Soll~e man abet z. B. v 1 ~ 1 ,8 .10 l~ em annehmen, so wiirde naeh

(3) r ~ 10 -4DY n. Gin--2 sein. Dies ist natfirlieh ggnzlich ungenfigend,

nm die Gravitationskraf~ in unserem Falte (tiber 0,~i Dyn . em - s ) merklich

zu beeinflussen. Dabei ist die ZaM 10-~ Dyn . Gin-- 2 noch eine ungeheure

Uber~reibnng. Bei der Ablei{ung yon (3) haben wit ia nur vorausgese~zt,

dal~ die Korpusknlars~rahlen nicht mehr Energie der Korona zuftihren dfirfen, als letztere auss~rahlt. In Wirklichkeit wird der Energieverlust

der Korona zum weitaus grSl~ten Teil dureh die l)hotospharenstrahlung

direkt ersetz~. Die Korpuskularstrahlung kann in der Energiebilanz der

Korona eine nut ganz geringe Rolle spielml, wie wit dies bereits frtiher

gesehen haben. Dann wird abet auch in unserem Falle der veto

Elektronenbombardement herrtthrende Druek sehr viel kleiner Ms

l0 - 4 Dyn . em - s sein; wahrseheinlich ist dieser Druck noeh viel kleiner als der Strahlungsdruck.

w 93. In der yon mir vertretenen Elek~ronengashypo~hese wird (las (;ewicht einer jeden Koronaschieht durch den Gasdruek der tiefer ge-

leg'enen Sehicht aufgewogen. Nan wird nach der kinegischen Theorie

der Gasdruek durch 3[olekularstSl3e (in unserem Falle ElektronenstS/~e) verursach{. V o n d i e s e m S t a n d p u n k t aus kSnnte man sagen, dab in

einer Elektronengaskorona das Gewieh~ einer .ieden Sehicht dureh ein Eld<tronenbombardemmtt, welches vr,n der tiefer geleg'enen Sehich{ aus- geht, a tdgew,)g'en wird.

Page 15: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

544 Wilhelm Anderson,

Aber selbstverst~ndlieh haben A. B r e s t e r und D. B r u n t gar nieht

dies gemelnt: nieht ,,]~olekularstSl~e" der in der Korona herumfliegenden Elektronen hasten sie im Sinn, sondern Elektronen, die yon der Photo-

sphere ausgehen und die Korona mit grol]er Geschwindigkeit durchsetzen.

R. E m d e n s A n s i e h t e n f iber die K o r o n a

w 94. R. E m d e n nimmt an, da~ die Korona aus Wasserstoff be- s~ehe, au~ welchen nur die Gravitation wirke. Natfirlieh mfil]ten dann

schon in ganz geringer Entfernung yon tier Photosphere nnmSglieh kleine Dichten sieh ergeben. E m d e n nimmt nun an, dal], we die Gasdlehte

sehr gering ist (naeh seiner Meinung yon etwa 10 -3~ oder 10-2~g. cm -3 an), man die gegenseitigen ZusammenstOl~e der Molekfile ignorieren kOnne.

Die elnzelnen ]golektile wiirden dann um die Sonne naeh den Gesetzen der Planetenbewegung rotieren 1). Diese Verhaltnisse mfill~en natfirlich

sehon in sehr geringer Entfernung yon der Photosphere eintreten. Nun haben wir (auf Grund yon B. F e s s e n k o f f s Untersnehung)

gesehen, dal] im Falle einer Wasserstoffatmosph~re die Diehte in 5' Ent-

fernung ,:on der Photosphare mehr als 10-1~g .em -3 betragen miillte (w 90), d.h. fiber eine Million real mehr als Era d e n s grOJ]ere Zahl (10-2~ Bei 10-1~g .em -'~ ist die ,freie Wegl~nge" kleiuer

uls I kin; wenn nun die Molekiile mit etwa 4 0 0 k m . s e c -1 Oeschwlndig- keit um die Sonne rotierten, so mfi~ten sie in der Sekunde sehr viele

Male miteinander zusammenstol]en. E m d e n s Korona wttrde daher schon

naeh ganz kurzer Zeit zusammenstfirzen. Und sollte Emdens Korona nicht aus Wasserstoff bestehen, Sol]dern

aus irgendeinem anderen (hypothetisehen) Gase, bei dem die Molekular- zusammenstSl]e ungewShnlich selten sflld, so miil]ten die Koronamassen dennoch (wenn auch ganz langsam) z u r Sonne herabslnken. Die Beob- aehtung von J. tI. Moore zeigt aber das Gegenteil: die Koronamassei~

bewegen sieh y o n der Sonne weg (IV. Teil, w 83). Aueh ware es nieht leieht, die bekannte strahlenfSrmige Struktur der Korona zu erklaren, wenn die G asmolel~file der Korona mn die Sonne wie Planeten rotieren

sollten. ])eshalb glaube ich, dat3 E.mdens Hypothese unhaltbar ist. Ubrigens

scheint dieselbe yon keinem anderen Forseher akzeptiert worden zu sein. w 95. Hier sei noch eine neuere Untersuehung E m d e n s fiber die

Liehtbrechung in den Koronagasen erw~hnt 3). Diese Untersuchung mul3

~) R. Emden, Gaskugeln, S. 420, Leipzig und Berlin 1907. '2) Sitz.-Ber. der math.-phys. Klasse der Bayer. Akad. 1920, S. 387--39~.

Page 16: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Sonneakorona. V. 545

hier ausifihrlicher besprochen werden, well ich mit E m d e n s Beweis-

[fihrung und mit seinen Ansichten fiber die Koron~ durchaus nicht ein- verstanden bin.

E m d e n nimmt an, daft die Korona aus Wasserstoff bestehe, und dal~ die Gravitation weder durch Strahlungsdruck noch durch ein Elek- tronenbombardement kompensiert werde; er betrachtet also die Korona als eine reine Gravitationsatmosph~re (seine ~riihere Hypothese, dal3 die

Koronamolekfile um die Sonne wie Planeten rotieren, wird diesmal nicht erwahnt). Natfirlich erglbt sich unter solchen Bedingungen ein ganz enormer Dichteabfall (welcher, wie hier bemerkt sein soll, allen Beob-

achtungen widerspricht): in der Entfernung elnes Sonnenradius yon der Photosphere mu~ die Dichte yon der GrS~3enordnung 10-1OOOg.cm -3

sein. Selbstverst~ndllch k~nnen Gase yon solcher Dichte keine merk- liche Lichtbrechung ergeben. Auf diese Weise glaubt E m d e n bewlesen

zu haben, dal~ der Einsteineffekt nicht dutch Refraktion in einer normal geschichteten Sonnenatmosphare erklart werden kann.

Ich habe selnerzeit darauf hingewiesen, dal~ eine Dichte yon

10-1~176176 cm - 8 in der Entfernung eines Sonnenradius yon der Photo- sphare eine geometrische UnmSgllchkeit ist (well bei so geringer Gas- dichte die gegenseitigen Abst~nde der Molekfile sehr viel grS~er sein

mfil~ten als der Durchmesser der ganzen Korona), und da~ eine Korona- theorie, die zu solchen Dichten ffihrt, falsch sein mul~ 1).

E m d e n erwidert, da~ die Dichte 10-1~176176 cm -8 keine physikalisch wohldefinierte GrSl]e bedeuten solle, sondern nur, daft in der Entlernung

eines Sonnenradius yon der Photosphare die Dichte praktisch ver- schwindend klein sei. Er welst auf die ,,tausendfach bewithrte" baro-

metrische ttShenformel bin, welche ffir sehr grol]e Entfernungen yon der Erde ebenfalls zu ungeheuer kleinen Dichten ffihrt; deshalb dfirfe man

aber doch die barometrisehe Hfihenformel nicht ffir falsch erklaren. Anch bestreitet E m d e n fiberhaupt, dat] 10-1OOOg.cm-.~ eine fiir die

Korona geometrisch unm~gliche Dichte sei. Er sagt, dal3 die geringste Dichte in einer Kugelschale dadurch bestimmt ist, dal~ sich dort nut ein

einziges Molekfil befindet. Ein gegenseitiger Abstand zweier Molekfile

komme dann fiberhaupt nicht in Betracht. Dies gilt ffir ein ruhendes

Molektil. Nimmt man diese iedoch wie Gasteilchen umherschwirrend an, so kSnne man nur sagen, dal] die Dichte zwischen diesem kleinsten Werte und dem Werte Null abwechselt. Wenn aber, wie iiblich, bei tier

1) Astron. Nachrichten 215, 197--200, 1922.

Page 17: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

546 Wilhelm Anderson~

Bildung der Dichte noch fiber die Zelt gemittelt wird, so kSnne man fiber die Dichte fiberhaupt gar niehts aussagen 1).

Alle diese Einwande E m d e n s mul3 iGh ~edoch zurfiGkweisen.

Nehmen wir beispielsweise den Koronateil, welcher zwischen 1 und

11/2 Sonnenradien yon der Photosphare entfernt liegt. Das Volumen

dieses Raumes betragt etwa 1,0726. 103~em 3. Sollte sigh in diesem Raume nur ein elnziges Wasserstoffatom (dessen Masse 1 , 6 6 2 . 1 0 - 2 t g

ist) befindGn, so waren wlr berechtigt zu sagen, dal3 die m i t t l e r e Dichte unseres Raumes gleich

1,662.10--2t /1,0726. l0 st = etwa 1,55. 10 -~s g . cm - 3

ist. Sollte start dessen nur ein einziges Elektron sleh dort befinden, so

w~re die durehschnittliehe Diehte unseres Raumes immerhin noeh grSl]er

als 7 . 1 0 - ~ g . em -3. Aber dann wfirden wir aueh mit keiner photo-

graphischen Platte irgendwelehe Spur der Korona welter als ein Sonnen-

radius yon der Photosphare wahrnehmen kSnnen. In Wirkliehkeit mul3

daher unser Raum in iedem Moment sehr v ide Atome (oder Elektronen) enthalten. D a n n a b e r i s t 10-1o0og.cm - 3 e ine fi~r u n s e r e n R a u m

g e o m e t r i s c h u n m S g l i c h e G r S ~ e : da ja unser Raum niemals ,,leer

s~eht", sondern in j e d e m M o m e n t eine grol~e Anzahl yon Atomen oder

E1ektronen enthalt, so mul~ die durchschnittliche Dichte viel gr~$er als

7 . 1 0 - 6 ~ g . c m - z sein; die Atome oder Elektronen m~gen dabei still stehen, oder sich wie sie wollen bewegen.

Wenn aber 10-100Og.cm - 3 keine wohldefinierte GrSl~e bedeuten

soll, sondern nur, dal3 dig Diehte versGhwindend klein sei, so bin ich

dennoeh mit E m d e n s Beweisifihrung night einverstanden. Ich gebe

zwar zu, dab der Einstelneffekt nieht durch Refraktion in g e w f h n -

l i c h e n Gasen zu erklaren ist2), aber E m d e n s Beweisfiihrung halte ich

trotzdem fiir unriehtig.

Bezeichnen wir die Diehte an der Koronabasis dutch Pound in der

Entfernung eines Sonnenradius yon der Photosphare durch q, so kSnnen

wit sehreiben: ~ = ~Po" Nun is~ nach E m d e n ~ datum sehr klein,

well a von der GrSl]enordnung 10 -1~176 sein soll, oder iedenfalls ein ver- schwindend kleiner Bruch. Ich aber behaupte, da$ q darum sehr klein

ist, well ~o klein ist; dagegen ist a naeh meiner ~einung gar nicht be-

sonders klein: wohl kaum kleiner als 10 -2 .

1) Astron. Naehriehten 215, 397--400, 1922. u) Dazu miillte die Dichte der Koronagase in der Entfernung eines Sonnen-

radius yon der Photosph/~re etwa 10 -8 g. em -3 betragen; eine so gro•e Diehte st nieht nur fiir die Koroaa, sondera sogar fiir die Chromosphere ganz unzul~ssig.

Page 18: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V. 547

Nach B . ' F e s s e n k o f f mu~ im Falle der R a y l e i g h s c h e n Licht-

zerstreuung 1) in 5' Entfernung yon der Photosphere die Dichte mehr als

10-14g .cm - 3 betragen (w 90). Dagegen ergeben E m d e n s Fonneln

schon ftir sehr viel kleinere En~fernungen vie1 gerlngere Dichten. Daraus folgt, d all E m d e n s Voraussetzung, die Korona sei eine reine Gravitations- atmosphere and bestehe dabel aus Wasserstoff, unmSglich richtig sein

kann. E m d e n miiBte entweder annehmen, dal~ die Gravitation durch

Strahlungsdruck (oder dutch andere Krafte) nahezU aufgewogen sei, oder, wenn das nicht geht, fiberhaupt die Wasserstofftheorie der Korona aufgeben und zur Elektronengastheorie iibergehen. In beiden F~llen

wiirde E m d e n eine Polytrope yon einer niedrigen Klasse n erhalten

und einen relativ geringen Dichte- und He]ligkeitsabfall (wie er auch

tatsachlich beobachtet wird).

Was die barometrische HShenformel anbetrlfft, so kSnnen wit ihre Richtigkeit bei sehr grol]en HShen nicht ebensogut kontrollieren wie die

Richtigkeit tier verschiedenen Koronatheorien bei tier Korona. Die

barometrlsche ]=[Shenformel wird abgeleitet unter der Annahme, dal] die irdische Atmosphare aus gewShnlicher Luft besteht. 0b diese Annahme

auch bei sehr grol]en tt~hen richtig ist, mag dahingestellt sein. Es ist jedenfalls eine recht verbreitete ~[einung, dal] die hSchsten Schichten der

irdischen AtmosphEre aus Wasserstoff bestehen. Dann freillch mfil]te unsere barometrische Formel f~ir solche HShen als grSblich falsch be-

~rachtet werden (w~hrend sle fiir geringere H~hen unzweifelhaft

richtig ist).

Es s~i hier noch darauf hingewiesen, dal3 K. S c h w a r z s c h i l d beim

Referieren tier ,Gaskugeln" yon E mden mit den Ansichten des letzteren

fiber die Korona ebenfalls nicht einverstanden war: ,Ferner scheint es

mir nicht m~glich, das T u r n e r s c h e Gesetz der Helligkeitsverteilung

tier Korona . . . durch eine Gasvertelhng zu erklaren, die nur dem Gas-

druck und der Schwere ~olgt und natiirlich nach auSen nicht an Tempe- ratur zunimmt. Die Dichteabnahme wird zu rapide. Auch wenn man

das AufhSren der Gasgesetze und das Beschreiben freier Kegelschnitte durch die Yfolekiile in den ~ul~eren Teilen beriieksichtigt, w~rd die

Dichteabnahme nlcht geni]gend verringert. Hier miissen andere Krafte

im Spiele sein" 2).

1) Und wie sollte man bei einer Wassers toffkorona das ausgedehnte kontinuierliche Spektrum anders erkl~ren kSnnen?

2) Vierteljahresschr. d. Astron. Gesellsch. 43, 53, 1908.

Page 19: Die physikalische Natur der Sonnenkorona

548 Wilhelm Anderson, Die physikalische Natur der Sonnenkorona. V.

S c h l u f l f o l g e r u n g e n .

w 96. Unter gewissen Umstanden kSanen gewShnliche Gase aus-

gedehnte kontinuierliche Spektra zeigen, aber nieht under den Be- dlngungen, wle sie ia der Korona herrschen. Wenn die Korona aus gew(ihnlichen Gasen bestehen sollte, so ki~nnte ihr ausgedehntes kon-

tinuierliehes Spektrum nur dutch R a y l e i g h s e h e Lichtzerstreuung erkl~rt werden. Doch im Falle der R a y l e i g h s c h e n Liehtzerstreuung wiirde die spektrale Helligkeitsverteilung nicht mit der tatsachlich beobachteten iibereinstimmen. Aueh kSnnte dann die Gruvitatlonskra[t weder dutch

Strahlungsdruck noch dutch ein Elektronenbombardement kompensiert werden. Wollte maa die Gravitation durch eln Bombardement yon

Korpuskularstrahlen aufwiegen , so wiirde man dadurch sehr viel mehr

Energie der Korona zuiiihren als letztere uusstrahlt. Auch R. E m d e n s Hypothese, daft die Koronamolekiile um die Sonne wie Planeten rotleren,

mu] zurtickgewiesen werden. Somit gibt es im Fulle der R a y l e i g h - schen Liehtzerstreuung nichts, was (lie Gravitation merklich beeinflussen k(innte. Dann miil]te aber der Dichte- und Helligkeitsabfall so enorm

gro~ sein, dai] die Korona schon in gauz kleiner En•ernung vom Sonnen- rande unsiehtbar ware. Daraus mui] der Schlu~ gezogen werden, da~

die Koronu unmiiglich aus g e w S h n l i c h e n Gasen (z. B. aus Wasserstoff) bestehen kann.

30. Junl 1926.