13
§1.9 Das Substrat für die Gegensätze – Ph. 1.6, 189a34–b16 163 sein ergänzendes Gegenstück („ὅσοι δέ…“), das dasselbe für die Gruppe der dem Logos nach bekannten Gegensätze durchführt. Als Beispiele für der Wahrnehmung nach bekannte Gegensätze werden in Th 451 drei Gegensatzpaare genannt: „das Warme und Kalte“, „das Dünne und Dichte“⁴³⁶ und „das Große und Kleine“, die Parmenides, Thales bzw. Platon zu- geschrieben werden. Die Zuschreibung des Gegensatzpaares „dünn – dicht“ an Thales stimmt mit Philoponos’ Exegese des Ausdrucks „οἱ μανὸν καὶ πυκνόν“ am Anfang von Ph. 1.5 (188a22) überein (vgl. Th 449, Th 450; vgl. oben §1.7.3 u. §1.7.4), wo es ebenfalls Thales war, dem die Lehre von der Entstehung der Dinge durch Verdichtung und Verdünnung des einzigen Elements (in Th 450 der Luft) zuge- schrieben wurde. Die hier nicht genannte Position des Gegensatzpaares in der nur allgemein angesprochenen vertikalen Anordnung nach dem Grad der Allge- meinheit wurde von Philoponos kurz zuvor (In Ph. 123.8‒11; vgl. auch 127.10‒15) genauer bestimmt: Er hält das Paar für allgemeiner als das „warm – kalt“ des Parmenides, aber konkreter als das Große und Kleine des Platon (vgl. die Tabelle oben). In dem weiteren Textabschnitt, in dem er den analogen Charakter der Gegensätze bespricht und die einzelnen Gegenteile unter „das Gute“ bzw. „das Schlechte“ subsumiert (In Ph. 123.23‒125.7), wird der Gegensatz „dünn – dicht“ nicht mehr erwähnt (seine Stelle in der vertikalen Ordnung zwischen den Ge- gensätzen „das Große – das Kleine“ und „das Warme – das Kalte“ nimmt der Ge- gensatz „Verbindung – Trennung“ ein); es lässt sich aber auf der Grundlage von Ph. 187a16‒17 erkennen, dass „dünn“ unter „Übermaß“ und somit unter „gut“, „dicht“ unter „Mangel“ und somit unter „schlecht“ zu subsumieren wäre⁴³⁷. §1.9 Das Substrat für die Gegensätze – Ph. 1.6, 189a34–b16 Kommentare zur Stelle: Iohannes Philoponos: Th 452 / Ar 210 / As 172 (§1.9.2) Simplikios: Th 416 / As 144 (§1.9.3) Michael Psellos: Th – Add. (§1.9.4) 436 Dass das Gegensatzpaar „das Dünne und Dichte“ von Philoponos zu den der Wahrnehmung nach bekannteren Gegensätzen gezählt wird, scheint zwar mit der aristotelischen Klassifizie- rung von Ph. 189a8‒9 („τὸ δὲ μανὸν καὶ τὸ πυκνὸν [sc. γνωριμώτερον] κατὰ τὴν αἴσθησιν“) über- einzustimmen; die aristotelische Aussage in Ph. 189a4‒9 bezieht Philoponos jedoch nicht auf die Zugehörigkeit der Gegensätze zu der Gruppe der der Wahrnehmung bzw. dem Logos nach bekannten Gegensätze, sondern auf die Stufe ihrer Allgemeinheit im Rahmen der jeweiligen Gruppe (s. In Ph. 127.1‒17). 437 Zur Begründung der Reduktion von „dünn“ und „dicht“ auf „Überfluss“ und „Mangel“ vgl. Philop., In Ph. 92.2‒10. Brought to you by | New York University Bobst Library Technical Services Authenticated Download Date | 12/7/14 11:09 PM

Die Prinzipienlehre der Milesier (Kommentar zu den Textzeugnissen bei Aristoteles und seinen Kommentatoren) || §1.9 Das Substrat für die Gegensätze – Ph. 1.6, 189a34–b16

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 163

    sein ergnzendes Gegenstck ( ), das dasselbe fr die Gruppe der dem Logos nach bekannten Gegenstze durchfhrt.

    Als Beispiele fr der Wahrnehmung nach bekannte Gegenstze werden in Th 451 drei Gegensatzpaare genannt: das Warme und Kalte, das Dnne und Dichte und das Groe und Kleine, die Parmenides, Thales bzw. Platon zu-geschrieben werden. Die Zuschreibung des Gegensatzpaares dnn dicht an Thales stimmt mit Philoponos Exegese des Ausdrucks am Anfang von Ph. 1.5 (188a22) berein (vgl. Th 449, Th 450; vgl. oben 1.7.3 u. 1.7.4), wo es ebenfalls Thales war, dem die Lehre von der Entstehung der Dinge durch Verdichtung und Verdnnung des einzigen Elements (in Th 450 der Luft) zuge-schrieben wurde. Die hier nicht genannte Position des Gegensatzpaares in der nur allgemein angesprochenen vertikalen Anordnung nach dem Grad der Allge-meinheit wurde von Philoponos kurz zuvor (In Ph. 123.811; vgl. auch 127.1015) genauer bestimmt: Er hlt das Paar fr allgemeiner als das warm kalt des Parmenides, aber konkreter als das Groe und Kleine des Platon (vgl. die Tabelle oben). In dem weiteren Textabschnitt, in dem er den analogen Charakter der Gegenstze bespricht und die einzelnen Gegenteile unter das Gute bzw. das Schlechte subsumiert (In Ph. 123.23125.7), wird der Gegensatz dnn dicht nicht mehr erwhnt (seine Stelle in der vertikalen Ordnung zwischen den Ge-genstzen das Groe das Kleine und das Warme das Kalte nimmt der Ge-gensatz Verbindung Trennung ein); es lsst sich aber auf der Grundlage von Ph. 187a1617 erkennen, dass dnn unter berma und somit unter gut, dicht unter Mangel und somit unter schlecht zu subsumieren wre.

    1.9 Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16

    Kommentare zur Stelle: Iohannes Philoponos: Th 452 / Ar 210 / As 172 (1.9.2) Simplikios: Th 416 / As 144 (1.9.3) Michael Psellos: Th Add. (1.9.4)

    436Dass das Gegensatzpaar das Dnne und Dichte von Philoponos zu den der Wahrnehmung nach bekannteren Gegenstzen gezhlt wird, scheint zwar mit der aristotelischen Klassifizie-rung von Ph. 189a89 ( [sc. ] ) ber-einzustimmen; die aristotelische Aussage in Ph. 189a49 bezieht Philoponos jedoch nicht auf die Zugehrigkeit der Gegenstze zu der Gruppe der der Wahrnehmung bzw. dem Logos nach bekannten Gegenstze, sondern auf die Stufe ihrer Allgemeinheit im Rahmen der jeweiligen Gruppe (s. In Ph. 127.117).437Zur Begrndung der Reduktion von dnn und dicht auf berfluss und Mangel vgl. Philop., In Ph. 92.210.

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  • 164 Physica

    1.9.1 Aristoteles, Physica 1.6, 189a34b16 (ed. Ross)

    , , , , , . . , . , . , . , , , , .

    In Ph. 1.6 unternimmt Aristoteles den Versuch, die Zahl der Prinzipien zu bestim-men (vgl. Ph. 189a1112). Nach der Ablehnung der These, dass es nur ein einziges Prinzip gibt (Ph. 189a12), und der These, dass es eine unendliche Zahl von Prin-zipien gibt (Ph. 189a1220), argumentiert er fr die Auffassung, dass die Zahl der Prinzipien hher als 2 ist. Er zeigt, dass die Gegenstze, allein genommen, die Funktion von der Dinge nicht erfllen knnen (Ph. 189a2034), und weist die Notwendigkeit nach, ein Substrat der Gegenstze als drittes Prinzip anzuneh-men (189a34b1). Diese Annahme wird der ersten Gruppe der Naturphilosophen aus Ph. 187a1220 zugeschrieben ( , Ph. 189b2); in Ph. 189b28 werden die verschiedenen, von den Vertretern der Gruppe als Substrat postulier-ten Stoffe genannt und bewertet:

    (1) Am hchsten bewertet wird die Annahme des in der Phrase (Ph. 189b3) genannten Mitteldings. Die Beschreibung das Mittelding zwischen Wasser und Feuer ist jedoch problematisch: In allen an-deren Erwhnungen des Mitteldings in Aristoteles Schriften wird es zwischen Feuer und Luft oder Luft und Wasser, d.h. jeweils zwischen zwei (der aris-totelischen Elemententheorie zufolge) benachbarten Elementen platziert; dies erklrt sich damit, dass der mittlere Status des Mitteldings in seiner mittleren Dichte (hher als die des Feuers bzw. der Luft, niedriger als die der Luft bzw. des

    438Ph. 1.4, 187a1415; GC 2.5, 332a2022; Metaph. 1.7, 988a3031; GC 2.1, 328b35.439De cael. 3.5, 303b12; De cael. 3.5, 303b1415; GC 2.5, 332a2022; Metaph. 1.8, 989a1415; Ph. 3.4, 203a18; Ph. 3.5, 205a27.

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 165

    Wassers) besteht. Da jedoch die sich aus Ph. 189b3 ergebende Bestimmung dichter als Feuer, dnner als Wasser laut der aristotelischen Elemententheorie auf die Luft zutreffen wrde, ist der Sinn der Bezeichnung an dieser Stelle unklar. Will man in der Bestimmung zwischen Feuer und Wasser weder mit Kirk (1955, 27, Anm. 1) einen einfachen Lapsus sehen noch sich auf Speku-lationen darber einlassen, ob ihr vielleicht eine nicht-aristotelische entweder eine unspezifische und allgemein akzeptierte oder die ursprngliche, d.h. von dem Autor des Konzepts vertretene Elemententheorie zugrunde liegt, bleibt wohl nur die Mglichkeit, anzunehmen, dass das der Phrase nicht speziell auf , sondern im Allgemei-nen auf die regulren Elemente zu beziehen ist.

    Ph. 189b36 ist die einzige Stelle im Corpus Aristotelicum, an der das Kon-zept des Mitteldings positiv bewertet wird. Die Begrndung dieser Bewertung ist allerdings nur indirekt und negativ: . . Die vom Leser selbst zu ziehende Schlussfolgerung hieraus ist, dass das Mittelding, als von den vier Elementen verschieden ( ), mit den Gegenstzen, die diese charakterisie-ren (laut Aristoteles: hei + trocken, hei + feucht, kalt + feucht, kalt + trocken), noch nicht verflochten ist. Die Formulierung der Begrndung lsst dabei die Auffassung zu, dass die Prmisse

    440Dichter als Feuer und dnner als Luft: Ph. 1.4, 187a1415; GC 2.5, 332a2022; Metaph. 1.7, 988a3031; dichter als Luft und dnner als Wasser: De cael. 3.5, 303b12; De cael. 3.5, 303b1415; GC 2.5, 332a2022; Metaph. 1.8, 989a1415.441Vgl. Cherniss (1935, 54, Anm. 1).442Vgl. auerdem Schleiermacher (1815, 111, Anm. 1), der die Phrase folgendermaen ergnzt: [ ] .443Die Platzierung des Mitteldings zwischen Feuer und Wasser, die nicht nur laut der aristo-telischen Elemententheorie (hei trocken (Feuer) vs. kalt feucht (Wasser)), sondern auch nach allgemein verbreiteter Vorstellung gegenstzlich sind, knnte im Kontext des Nachweises der Gegenstzlichkeit der Prinzipien zur Verdeutlichung der These dienen, dass das Mittelding von den gegenstzlichen Qualitten der Elemente frei ist. (Vgl. Whitby 1982, 240f., der allerdings ohne plausible Begrndung annimmt, dass in Aristoteles Augen nur die Variante des Mittel-dings zwischen Feuer und Wasser frei von den Gegenstzen sei, weil die beiden brigen Vari-anten (zwischen Feuer und Luft, zwischen Luft und Wasser) die den jeweiligen zwei Elementen, zwischen denen sie sich befinden, gemeinsame Qualitt besitzen.)444Die Hypothese, dass die Bestimmung zwischen Feuer und Wasser etwas widergibt oder przisiert, was Aristoteles in der Lehre des gemeinten Autors gefunden zu haben glaubt, ist inso-fern interessant, als sie eine Erklrung fr die doppelte Bestimmung des Mitteldings (zwischen Feuer und Luft oder zwischen Luft und Wasser) an den brigen Aristoteles-Stellen, nmlich als zwei alternative Adaptationen dieser Lehre an die aristotelische Ordnung der Elemente (Feuer Luft Wasser), ermglichen knnte.

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  • 166 Physica

    ausschlielich auf der Grundlage der aris-totelischen Elemente formuliert ist; in diesem Fall wre es mglich, dass auch der gezogene Schluss, d.h. die Annahme der Gegensatzfreiheit des Mitteldings, keine von den Vertretern dieses Konzepts explizit postulierte These, sondern lediglich eine aristotelische Interpretation darstellt. Eine stark aristotelische Frbung des Arguments zeigt sich auch in dem Ausdruck , der impli-ziert, dass das Mittelding gegenber den vier Elementen als (logisch und zeitlich) frher verstanden wird und dass die vier Elemente erst dann entstehen, wenn sich das Mittelding durch die Annahme der sie konstituierenden Gegenstze in sie umwandelt. Das Mittelding wird hier also offenbar als Antizipation der aristo-telischen Hyle betrachtet.

    Das mit ausgedrckte Lob ist nicht uneingeschrnkt (vgl. auch ): Die Lehre wird nicht als richtig, sondern nur als aus gewisser Perspektive argumentativ berechtigt angesehen. Dieser Vorbe-halt wird im Lichte der in GC 2.1 und 2.5 entwickelten Kritik am Mittelding ver-stndlich: Die Materie der sinnlich wahrnehmbaren Krper knne selbst kein abgetrennt existierender Krper sein; werde das Mittelding als ein solcher Krper begriffen, dann msse es entweder gegenstzliche Eigenschaften besitzen (und stelle somit keinen von den vier Elementen verschiedenen Stoff dar) oder sei gar nicht vorstellbar (s. Ar 11 u. Ar 12, 3.3.1 u. 3.5.1).

    (2) Die brigen Elemente sind Aristoteles zufolge mit den Gegenstzlichkeiten verflochten und somit fr die Rolle des Substrats wesentlich weniger geeignet (vgl. GC 2.5). Hier werden sie jedoch im Hinblick darauf bewertet, wie sehr sie sich der aristotelischen Hyle, die ganz ist (vgl. GC 332a35), annhern. Demnach wird die Annahme der Luft als die (nach der des Mitteldings) zweit-beste, die des Wassers als die drittbeste bezeichnet. Die Begrndung lautet, dass die Luft bzw. das Wasser im Vergleich mit den brigen drei Elementen in geringe-rem Mae mit den sinnlich wahrnehmbaren Unterschieden versehen sei. Es wird damit nicht auf eine bestimmte Theorie des Aristoteles (dem zufolge Luft und Wasser im selben Grad durch sinnlich wahrnehmbare Merkmale gekennzeichnet sind wie die beiden brigen Elemente) oder seiner Vorgnger Bezug genommen, sondern auf die allgemein verbreitete Auffassung von Luft (und in geringerem Ausma von Wasser) als eines Stoffes, der keine oder fast keine der auf die fnf Sinne bezogenen Eigenschaften hat (da er als solcher durch keine konkrete Farbe und tastbare Konsistenz, keinen bestimmten Geruch, Geschmack und Klang cha-

    445 ist eine Abschwchung des Ausdrucks , zu diesem vgl. Le Blond (1838).

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 167

    rakterisiert ist). Aristoteles deutet also die Annahme der Luft bzw. des Wassers als Ergebnis des Versuchs, zum Substrat der Gegenstze einen an sich mglichst neutralen Stoff zu whlen.

    In Ph. 189b816 wird das Gemeinsame der genannten Lehren hervorgeho-ben, d.h. auf das ihnen zugrunde liegende Schema verwiesen, in dem von den geformt wird. Nach der Subsumption von und unter und werden diese Annahmen, wie schon in Ph. 1.4, 187a1620 (Ar 1, s. oben 1.5.1) und Ph. 1.5, 189a89 (s. oben 1.8.1), mit dem pla-tonischen Konzept verglichen. Wie in Ph. 187a1620 werden die beiden Kon-zeptionen (die vorsokratische und die platonische) an unserer Stelle als spiegel-verkehrt charakterisiert; diesmal wird jedoch nicht der formale bzw. materielle Charakter der jeweils angenommenen Prinzipien, sondern dem vernderten Kontext entsprechend ihre Aktivitt bzw. Passivitt zum unterscheidenden Punkt gemacht:

    das Eine die unter fallenden Gegenstze

    die alte Lehre (= die vorsokratischen Naturphilosophen)

    die neue Lehre (= Platon)

    Die Funktion des Verweises auf seine Vorgnger an unserer Stelle wird von Aris-toteles nicht explizit bestimmt. Die Stelle befindet sich formal im Rahmen des Nachweises, dass neben zwei Gegenstzen etwas drittes angenommen werden msse (Ph. 189a20b16); der Hinweis darauf, dass es schon frher Denker gab, die diese Notwendigkeit erkannten, knnte entweder zur Verstrkung des Argu-ments oder als vorlufige Illustration der Lsung der Aporien von Ph. 189a2034 dienen eine solche Illustration knnte besonders angesichts der Tatsache als ntzlich empfunden werden, dass die Identitt der Prinzipien, die Aristoteles an-nehmen wird, immer noch nicht bestimmt wurde. Charlton (1992, 69) betrachtet

    446Vgl. Horstschfer (1998, 239 mit Anm. 47). 447Die Subsumption erfolgt ber den explizierenden Zusatz (Ph. 189b910), mit dem die Verdichtung und Verdnnung als graduierbar charakterisiert werden; vgl. Horstschfer (1998, 239). Vgl. auch Metaph. 8.2, 1042b3335 (s. unten 5.12.1). Zum Verhltnis zwischen und vgl. Hist. anim. 1.1, 486b1617, De part. anim. 1.4, 644a1618.448Vgl. auch 5.1.1 (III), ad (9).449Zum Platonischen als der wirkenden Ursache vgl. Gaiser (1968, 193195).

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  • 168 Physica

    die Passage als mglicherweise slightly ironical, was mit der letzteren Auf-fassung ihrer Funktion wahrscheinlich vereinbar wre.

    1.9.2 Th 452 /Ar 210 / As 172Philoponos, In Aristotelis Physicorum libros tres priores commentaria 139.1024 (= Th 452) / 139.1116 (= Ar 210) / 139.1617 (= As 172) (CAGXVI, ed. Vitelli)

    Lit.: Osborne (2009, 81f.)

    KontextPhiloponos Kommentar zu Ph. 1.6, 189b28 im Rahmen des allgemeinen Teils seines Kommentars zu Ph. 1.6, 189a21b16 (Lemma: , [= Ph. 189a2122]). Zu der Aristoteles-Stelle s. oben 1.9.1.

    KommentarIn seinem Kommentar zu Ph. 189b28 bespricht Philoponos die Funktion von Aristoteles Verweis auf seine Vorgnger an dieser Stelle (1), identifiziert die Grup-pen von Denkern, die die Notwendigkeit der Annahme eines Substrats fr die Gegenstze erkannt haben (2), und kommentiert Aristoteles positive Bewertung der Annahme des Mitteldings in Ph. 189b36 (3) sowie von Luft und Wasser in Ph. 189b68 (4).

    ad (1) Philoponos zufolge hat Aristoteles in Ph. 189a2134 argumentativ nachgewiesen ( , In Ph. 138.31; vgl. , In Ph. 139.5), dass die Materie ein drittes Prinzip ist, und will dieses Resultat nun auch durch die Anfhrung des Zeugnisses der lteren Philosophen untermauern ( , In Ph. 139.6).

    ad (2)Ein solches Zeugnis sieht Philoponos nicht nur in den in Ph. 189b216 erwhnten Lehren der Monisten, sondern auch in denen der Pluralisten, die bei Aristote-

    450Vgl. auch Whitby (1982, 240), der das aristotelische Lob fr die Vorsokratiker als back-handed betrachtet.

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 169

    les nur kurz nach der Darstellung der ersten Aporie (189a2226: die Gegenstze knnen nicht aufeinander wirken) erwhnt werden (Ph. 189a2627: ). Daher nennt er im Kommentar zu der Stelle sowohl die Anhnger eines einzigen Elements (ei-nerseits den Anhnger des Mitteldings, andererseits die Anhnger eines der vier Elemente) als auch Anhnger von zwei (Parmenides), drei (keine Namen) und vier (Empedokles) Elementen. In der Annahme mehrerer materieller Prinzipien drckt sich Philoponos zufolge das Verstndnis der Notwendigkeit der Annahme von Substrat sogar besonders stark aus. Die pluralistische Annahme selbst sei jedoch nicht korrekt, daher komme das Lob des Aristoteles in erster Linie den Anhngern eines einzigen Substrats zu (In Ph. 139.1113).

    ad (3) Aristoteles positive Bewertung des Konzepts des Mitteldings in Ph. 189b36 wird bei Philoponos dadurch verstrkt, dass das Konzept als die beste aller sowohl der monistischen als auch der pluralistischen Stoffannahmen von Aristoteles Vorgngern identifiziert wird. Wie Philoponos Begrndung dieser hohen Bewer-tung zeigt, ist jedoch die hnlichkeit des Mitteldings mit dem aristotelischen -Konzept, der es seine besondere Stellung verdankt, sehr begrenzt: Das Mittelding sei der Materie nur irgendwie nher ( ) als die anderen Stoffe, und zwar dadurch, dass es keine Form der aus ihm entste-henden Dinge besitze ( ). Diese Formulierung schliet nicht aus, dass das Mittelding ein eigenes hat, was es von der aristotelischen wesentlich unterscheidet und die mit

    451Vgl. auch die (weiter unten zitierte) Aussage des Philoponos in In Ph. 140.24. Philoponos Bercksichtigung der Pluralisten wird dadurch ermglicht, dass Aristoteles bisher nicht gezeigt hat, dass es ein einziges Substrat geben muss (dazu vgl. Ph. 189b1819).452Dass Philoponos hier explizit von vier (nicht drei, vgl. Ph. 187a1314: ) Ele-menten ( , In Ph. 139.10) spricht, hngt wahrscheinlich damit zusammen, dass er sich bei der Beurteilung dieser Konzeptionen an der aristotetelischen Lehre von den vier Elementen orientiert und die zuvor (In Ph. 23.2728, 90.1718) von ihm selbst erwhnte Tatsache aus dem Blick verliert, dass Aristoteles die Annahme der Erde keinem Monisten zuschreibt.453Vgl. In Ph. 139.69: , , , , , , , , (); vgl. auch Komm. zu 189a2627: , (In Ph. 140.1112). Die Schwierigkeit, die damit verbunden ist, dass die vielen als Substrate fungierenden Stoffe zueinander gegenstzlich sein knnen (vgl. z.B. die zwei Elemente des Parmenides, die in Ph. 188a2022 als Beispiele fr Gegenstze genannt wurden; vgl. Philop., In Ph. 110.1724), thematisiert Philoponos nicht.454Vgl. Ph. 189b1819 und Philop., In Ph. 143.28144.4 u. 148.2830.

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  • 170 Physica

    ausgedrckte Einschrnkung erklrt (vgl. Ar 203, wo als eine Unzulnglich-keit der anaximandreischen Lehre der Umstand genannt wird, dass das Mittel-ding , d.h. dichter als Luft und dnner als Wasser, ist).

    Als einziger der drei Autoren erhaltener antiker Physik-Kommentare vertritt Philoponos in seinem Komm. zu Ph. 189b28 explizit die (frher mehrmals geu-erte) Auffassung, dass das Mittelding von Anaximander postuliert wurde (vgl. oben Ar 203207, Ar 209). hnlich wie Themistios und Simplikios hlt er dabei den Ausdruck (Ph. 189b3) offenbar fr un-problematisch (vgl. oben 1.9.1 zu dessen mglichen Bedeutungen). Er bemht sich auch nicht, die Freiheit des Mitteldings von den die vier Elemente konsti-tuierenden Gegenstzen mit der in seinem Kommentar zu Ph. 187a2021 Ana-ximander mehrmals (s. Ar 204205, 207208 sowie 209) zugeschriebenen Lehre von der Genesis durch Aussonderung der dem Mittelding inhrenten Gegenstze aus diesem zu vereinbaren. Aristoteles pauschale Zuschreibung der Verdnnung und Verdichtung an alle Monisten in Ph. 189b811 (die in Widerspruch mit Phi-loponos Auffassung gert, dem zufolge in Ph. 187a1221 Anaximander die Ver-dnnungs- und Verdichtungslehre eindeutig abgesprochen werde) wird bei Phi-loponos durch die Einbeziehung der Pluralisten und der von ihnen postulierten Gegenstze verdunkelt; vgl. Philoponos Aussage, die die Besprechung von Ph. 189a34b16 zusammenfasst: , , , , , , In Ph. 140.24.

    ad (4) Die Annahme der Luft als Substrat wird von Philoponos Anaximenes, die des Wassers Thales zugesprochen. Die aristotelische Begrndung fr die relativ hohe Bewertung der ersteren ( , Ph. 189b7) wird von Philoponos nicht nher erlutert, sondern nur wiederholt ( ). Aristote-les kurze Erwhnung der Annahme des Wassers als Substrat ( , Ph. 189b8) wird von ihm dagegen etwas erweitert: Er bezeichnet das Was-ser als qualittslos (), was jedoch sicherlich nicht in uneingeschrnktem Sinne zu verstehen ist. Die Erwhnung der vier Vernderungen, denen es un-

    455So im allgemeinen Teil des Kommentars zu Ph. 189a34b16, wo Anaximander namentlich erwhnt wird; das genannte Problem wird aber auch in Philoponos detailliertem Kommentar zu der Stelle (vgl. 142.1020) nicht thematisiert.456hnlich Them., In Ph. 22.1112; vgl. Simpl., In Ph. 203.1719 (unten 1.9.3).457Die Einschrnkung wird von Osborne (2009, 82) in ihrer bersetzung des Satzes (In Ph. 139.1819) als for this too

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 171

    terliegt, ohne seine Identitt aufzugeben ( , ), kommt in einer sehr hnlichen Form bei Themistios ( , In Ph. 22.1314) und Simplikios ( , In Ph. 203.2022) vor, was mglicherweise auf eine gemeinsame Quelle der drei Kom-mentare hindeutet. Die auch von Simplikios vertretene (aber etwas vorsichtiger formulierte, vgl. Simpl., In Ph. 203.22) Auffassung, dass das Wasser in Form von Eis trocken ist, sttzt Philoponos mit der Definition des Trockenen aus GC 329b3031.

    1.9.3 Th 416 / As 144Simplikios, In Aristotelis Physicorum libros quattuor priores commentaria 202.32203.5 (CAG IX, ed. Diels)

    Lit.: Laks (1983, 12, Anm. 1); Atkinson in: Baltussen Share Atkinson Mueller (2012, 43)

    KontextSimplikios Kommentar zu Ph. 1.6, 189a34b8 (Lemma: , , , [= Ph. 189a34b1]). Zu der Aristoteles-Stelle s. oben 1.9.1.

    KommentarIn seinem Kommentar zu Ph. 1.6, 189a34b16 nennt Simplikios kurz die Funktion von Aristoteles Verweis auf seine Vorgnger (1), identifiziert die als (Ph. 189b2) bezeichnete Gruppe von Denkern (2) und kommentiert Aristoteles positive Bewertung der Annahme des Mitteldings in Ph. 189b36 (3) sowie von Luft und Wasser in Ph. 189b68 (4).

    tends towards the quality-less and endures through contrary effects explizit ausgedrckt. Zu einer alternativen Auffassung von im Sinne von zustzlich zu vgl. die bersetzung von Whrle (2009, 355); fr diese Konstruktion des Satzes lassen sich bei Philoponos enge sprachli-che Parallelen anfhren (z.B. In Ph. 362.13 u. 367.1112).

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  • 172 Physica

    ad (1) Simplikios zufolge verweist Aristoteles in Ph. 1.6, 189b28 auf eine formale ber-einstimmung zwischen der eigenen Lehre von der Notwendigkeit der Annahme des Substrats fr die Gegenstze und den Lehren der frheren Naturphilosophen (vgl. ). Sowohl diese als auch die in Ph. 1.6, 189b816 thematisierte Konvergenz zwischen den Lehren der Naturphilosophen und der des Platon konstituieren in Simplikios berzeugung ein Zeugnis (, In Ph. 203.28), das fr die Richtigkeit der aristotelischen Theorie des Substrats fr die Gegenstze und der Annahme dreier Prinzipien spricht. Damit wird Simplikios zufolge eine zum logischen Beweis hin-zutretende Untermauerung der aristotelischen Lehren geliefert (vgl. In Ph. 203.28ff; 204.26ff.). Vgl. eine hnliche, aber nicht auf den Begriff rekurrierende Auffassung der Funktion von Ph. 189b216 bei Philoponos (vgl. oben 1.9.2).

    ad (2)Simplikios identifiziert (Ph. 189b2) mit den naturphilosophischen Monisten, wobei er ihre Lehre von der einzigen Natur zunchst mit dem eleatisch anmutenden Ausdruck wieder-gibt, den er jedoch durch die anschlieende Erwhnung der Genesis modifiziert: Mithilfe der Gegenstze Verbindung und Trennung oder Verdnnung und Ver-dichtung ( ) htten die Monis-ten alle anderen Dinge aus dem Einen entstehen lassen (In Ph. 202. 12; 203.35). Die Zuschreibung des Gegensatzpaares , das von Simpli-kios hauptschlich als Prinzip pluralistischer Lehren betrachtet wird, an die Monisten ist berraschend. Zwar hat er etwas frher von als von einem allgemeinen Gegensatzpaar gesprochen, auf das auch der Gegensatz reduziert werden kann (In Ph. 196.32197.21); dass jedoch an unserer Stelle als Ergebnis einer Reduktion von auf das Allgemeinere fungiert, ist keineswegs klar. Dass Simplikios manchen Anhngern von eindeutig den Gegen-satz zuschreibt, besttigt sein Kommentar zu Ph. 189b8ff.

    458Vgl. z.B. In Ph. 163.924 v.a. zu Anaxagoras; In Ph. 235.2022 (= Ar 171) zu Demokrit und Empedokles; vgl. Arist. GC 1.1 (unten 3.1.1).459Auch deutet nichts darauf hin, dass er hier wie in In Ph. 1266.2829 (vgl. 1.19.2) und als zwei verschiedene Bezeichnungen derselben Sache betrachtet.460 , , ., Simpl., In Ph. 204.58.

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 173

    An keiner der beiden Stellen sagt er jedoch, welche Denker er dabei genau im Sinne hat.

    Simplikios nennt namentlich vier Vertreter der Monisten, und zwar jeweils einen fr jeden der vier in Frage kommenden Stoffe: Thales (Wasser), Heraklit (Feuer), Anaximenes (Luft) und Diogenes (Mittelding). Fr die drei regulren Ele-mente nennt er also jeweils den ltesten der sechs in Metaph. 1.3, 983b18984a8 genannten Denker; dass er Diogenes von Apollonia als Anhnger des Mitteldings nennt, ist jedoch verblffend. Zwar hat er in seinem Kommentar zu Ph. 187a1415 Alexanders Zuschreibung des Mitteldings an Anaximander nicht zugestimmt (Ar 168, vgl. oben 1.5.11), er hat aber die alternative Theorie des Porphyrios, dem zufolge das Mittelding von Diogenes postuliert wurde, in seiner Untersuchung der Prinzipienlehre des Diogenes (In Ph. 151.20153.24) nicht besttigt, sondern ausdrcklich festgestellt, dass sich in der ihm zugnglichen Schrift des Diogenes keine ausreichende Basis fr sie findet (As 141, vgl. oben 1.5.14). Die Auffassung, dass Simplikios hier ein Lapsus unterlaufen ist, ist daher nicht ganz unplausi-bel; die Stelle besttigt aber vor allem, dass er hinsichtlich der Frage des Mittel-dings wirkliche Zweifel hegte (vgl. oben 1.5.11 (IV)).

    ad (3) hnlich wie Philoponos (Ar 210, vgl. oben 1.9.2) schenkt Simplikios der auffal-lenden Formulierung keine Aufmerksamkeit; da er das Mittelding nicht nher bestimmt, lsst sich sein Verstndnis der Phrase seinem Text auch nicht indirekt entnehmen. In seiner Erklrung des aristoteli-schen Lobs fr das Mittelding als Substrat begrndet Simplikios sehr ausfhrlich das Postulat, dem zufolge das Substrat von jeglichem Gegensatz und jeglicher Form frei sein msse; er argumentiert, dass ein durch einen der Gegenstze qua-lifizierter Stoff entweder zu einer Umwandlung dieser Qualitt in ihren Gegensatz unfhig sein bzw. bei der Annahme des Gegensatzes vernichtet werden oder aber zugleich gegenstzliche Qualitten aufweisen msste (In Ph. 203.914); dar-ber hinaus weist er nach, dass etwas, was eine gegenstzliche Qualitt besitzt,

    461Vgl. darber hinaus Ar 181 (vgl. unten 1.20.2) zu Ph. 265b3032 (wo im Gegenteil nahe ge-legt wird, dass die Monisten explizit nur von und gesprochen htten) u. Ar 180 (vgl. unten 1.19.2) zu Ph. 8.7, 260b11 (unmittelbar zuvor erklrt Simplikios und fr zwei verschiedene Bezeichnungen derselben Prozes-se). Heidel (1906, 349, mit Anm. 40) sieht in Th 416 / As 144 ein Zeugnis dafr, dass die frhe (v.a. anaximenische) Auffassung der Verdichtung und Verdnnung keine qualitative Vernderung involviere, sondern rein mechanisch sei (sifting and winnowing of like to like).462Von einem unthinking moment spricht in Bezug auf Th 416 / As 144 Drossaart Lulofs (1969, 18).463Vgl. GC 2.5, 332a320 (vgl. unten 3.4.1).

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  • 174 Physica

    nicht einfach und daher kein Prinzip ist (In Ph. 203.1416). Den entscheidenden Punkt diskutiert er jedoch nicht: die Frage, ob und (wenn ja) auf welche Weise das Mittelding selbst das Postulat der Freiheit von den Gegenstzen (und von der Form berhaupt) erfllt.

    ad (4)Simplikios betont, dass die immer noch positive Bewertung der Annahme von Luft oder Wasser eine sehr bedingte und eingeschrnkte ist (der aristotelischen Theo-rie zufolge sind alle vier Elemente durch gegenstzliche Qualitten bestimmt). Er bringt mehrmals zum Ausdruck, dass die ihnen an der Physik-Stelle zugeschrie-bene, relative Qualittslosigkeit eine nur scheinbare ist (, 203.18; 203.22). Die Luft scheine berhaupt keine sinnlich wahrnehmbaren Merkmale und damit auch keine der gegenstzlichen Qualitten warm kalt und feucht trocken zu besitzen; das Wasser werde sowohl warm als auch kalt und knne in Form von Eis sogar der Feuchtigkeit entbehren, scheine also an sich ebenfalls frei von den vier gegenstzlichen Qualitten zu sein. Diesen Ele-menten stellt Simplikios erluternd das Feuer gegenber, das bekanntlich weder seine Wrme noch seine Trockenheit aufgeben knne.

    1.9.4 Th Add.Michael Psellos, Commentaria in Aristotelis Physicam 41.2142.9 (CPhMA: CAB V, ed. Benakis)

    Kontext[Ps.-]Psellos Kommentar zu 1.6, Ph. 189a34b13 (Lemma: [= Ph. 189a3435]). Zu der Aristoteles-Stelle s. oben 1.9.1.

    KommentarNach einer Paraphrase von Ph. 189a34189b1 (In Ph. 41.2142.2) wendet sich [Ps.-]Psellos dem folgenden Text zu, in dem Aristoteles seine These von der Notwen-digkeit der Annahme des Substrats fr die Gegenstze mit den Lehren der vorso-kratischen Monisten vergleicht. [Ps.-]Psellos identifiziert die von Aristoteles mit-hilfe der Phrase bezeichneten Denker nicht als eine einheitliche Gruppe, sondern nennt im Anschluss an Aristoteles Aussage drei Gruppen von Denkern: die

    464Vgl. Whrle (2012, 524).

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  • 1.9Das Substrat fr die Gegenstze Ph. 1.6, 189a34b16 175

    Anhnger von Wasser, Feuer und dem Mittelding. Als Vertreter der ersten Gruppe nennt er Thales, als Vertreter der zweiten Heraklit; anschlieend versucht er, die Phrase zu deuten, und bietet hierzu zwei verschiedene Inter-pretationen:1. Der ersten Interpretation zufolge ist mit dem Mittelding zwischen Wasser

    und Feuer die Luft gemeint das Element, das laut der aristotelischen Ele-mentenlehre zwischen Wasser und Feuer liegt (vgl. z.B. De cael. 1.8, 276b12: ; vgl. GC 2.4, 330b33331a1). In diesem Fall wren so [Ps.-]Psellos als Anhnger des Mitteldings Diogenes und Hippon zu nennen (der letztere erscheint auch in In Ph. 6.9 als Anhnger der Luft, vgl. oben 1.3.2). Der Kommentator nennt hier als Vertreter dieser Inter-pretation des aristotelischen Textes (die weder bei Themistios, Philoponos oder Simplikios noch bei Averroes vorkommt) nur allgemein .

    2. Der zweiten Interpretation zufolge ist mit dem das Mittelding zwischen zwei benachbarten Elementen gemeint; mit dem Ausdruck [sc. ] wrden also zugleich zwei Zwischen-elemente erfasst: dasjenige zwischen Wasser und Luft und dasjenige zwi-schen Luft und Feuer (die Anhnger der beiden Varianten des Mitteldings werden, wie in [Ps.-]Psellos Kommentar zu Ph. 187a1415, nicht identifiziert). Der Ausdruck sei also absichtlich gewhlt, um die beiden gut bekannten Va-rianten des Mitteldings kurz (vgl. , In Ph. 42.9) anzugeben. Auch diese Auffassung des aristotelischen Ausdrucks kommt bei Themistios, Philoponos, Simplikios und Averroes nicht vor; [Ps.-]Psellos stellt sie als die von ihm bevorzugte, vielleicht auch als von ihm selbst stammende Interpre-tation dar ( ).

    Damit erweist sich [Ps.-]Psellos als der einzige Kommentator, der in seinem Kom-mentar die Bedeutung des aristotelischen Ausdrucks unter-sucht. Seine Erklrung von Aristoteles Prferenz fr die Annahme des Mitteldings als Substrat in Ph. 189b36 enthlt dagegen nur eine (um eine kurze Darstellung der aristotelischen Elemententheorie erweiterte) Paraphrase des vorliegenden Textes (s. In Ph. 42.1020). Auch Aristoteles Beurteilung anderer Elemente aus Ph. 18b68 wird von [Ps.-]Psellos lediglich paraphrasiert.

    465Vgl. auch Cherniss (1935, 54, Anm. 215).466Vgl. den Groen Komm. 32v I33r E und den Mittl. Komm. 439r E 439v G (Harvey 1977, 270f.).467 (In Ph. 42.2023).

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