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1 FORUM • KLIMAWANDEL 2010 | Juni erziehungskunst online ›› Aber die Kommentatoren haben eine Kritik über das ge- schrieben, was sie gar nicht näher ins Auge fassen wollten. Leider typisch für das Aneinandervorbeireden in der Klima-»Diskussion«. Selbst das trifft daneben: ich habe nicht Gerda Brändles Artikel mit seinen vernünftigen Vor- schlägen »angegriffen«, sondern auf einzelne meines Er- achtens falsche Aussagen Bezug genommen. Das viele Leid – mir ging es in meiner Argumentation gegen die herrschende Auffassung vom anthropogenen Klimawandel und dem vermeintlich einzigen Lösungsweg genau darum: statt Pressesensationen und burschikose Forderungen zum tausendsten Mal zu wiederholen, trag- fähige Gedanken aufbauen und so verantwortungsvolle Entschlüsse vorbereiten. Meine Grundlagen habe ich dabei angegeben. Alles auf das Eigenrisiko hin, sich zu irren. Das bleibt einem aber auch nicht erspart, wenn man sich an »Mehrheitsmeinungen« hält, nur dass man sich dann im Kollektiv verstecken kann. Einen Vollkommen- heitsanspruch hatte ich dabei nicht. Das Wesentlichste scheint mir Bewusstheit, und das erfordert, nicht nur das zu verinnerlichen, was von führenden Gruppen lanciert wurde (ein Phänomen, das sich nicht auf die Klimatologie beschränkt), sondern • auch Gegenthesen zur Kenntnis zu nehmen, • übersehene oder falsch dargestellte Empirie ins Blickfeld zu rücken, • die Entstehung der Paradigmen bis zu ihren Wurzeln zu verfolgen, • die Soziologie des Wissenschaftsbetriebes zu berücksichti- gen, • den Einfluss der Verquickungen von Politik, Wirtschaft, Finanzwesen und Wissenschaft zu erwägen, • die eigenen inneren Haltungen, Erwartungen, Ängste und Vorurteile zu prüfen. Was wäre zu sagen, was ich nicht bereits gesagt habe? Es steht alles in meinen Artikeln und der dort zitierten Litera- tur. Ich fühle mich aus sachlichen Gründen trotzdem genö- tigt, auf einige Behauptungen in der online-Replik von Schad & Kümmell hier zu antworten. Ein grundsätzlicher Einwand | Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die Globallösung der weltweiten »drastischen CO2-Reduktion« (eine beliebte Redefigur) immense Kosten verschlingen und noch zusätzliche Not erzeugen wird; die Alternativen wären: A. Maßnahmen vor Ort in konkretem Bezug auf reale Ursachen, die zur Bewältigung oder Abmilderung heute stattfindender »kli- matischer« Katastrophen ergriffen werden können. Dieser Weg scheint auch allein erfolgversprechend im Gegensatz zum »Drehen an der großen Schraube«. Man wird diese Große Schraube mit riesigem Aufwand nur ein winziges Stück wei- terbringen, wenn überhaupt (viele bezweifeln das grund- sätzlich, CO2 ist nur ein Triangel im großen Orchester der Atmosphärenvorgänge), doch man kann an vielen Orten mit kleinerem Kraftaufwand – aber mehr Einsatz von Hirn- Duplik auf Schad & Kümmell: »Warum so ideologisch?« von Michael Kalisch, Diplombiologe, Tübingen »Verantwortungslos«, weil ich »das viele Leid« ignoriere, ist ein starker Vorwurf, den Schad und Kümmel in Heft 4 / 2010 dieser Zeitschrift (S. 51 f.) gegen mich aussprechen. Was kommt als nächstes: der Aufruf zu einem Berufs- verbot oder die Bitte an Redaktionen, Kalisch künftig nicht mehr zu veröffentlichen? Übergänge Von Nestflüchtern und Zahnwechslern Wirtschaften für Entwicklungshilfe Wir brauchen keine Gewächshäuser, sondern offene Schulen Dogma und Wahrheit erziehungskunst 04| 2010 April | 4,90Waldorfpädagogik heute

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Aber die Kommentatoren haben eine Kritik über das ge-schrieben, was sie gar nicht näher ins Auge fassen wollten.Leider typisch für das Aneinandervorbeireden in derKlima-»Diskussion«. Selbst das trifft daneben: ich habenicht Gerda BrändlesArtikel mit seinen vernünftigen Vor-schlägen »angegriffen«, sondern auf einzelne meines Er-achtens falsche Aussagen Bezug genommen.Das viele Leid – mir ging es in meiner Argumentationgegen die herrschende Auffassung vom anthropogenenKlimawandel und dem vermeintlich einzigen Lösungsweggenau darum: statt Pressesensationen und burschikoseForderungen zum tausendsten Mal zu wiederholen, trag-fähige Gedanken aufbauen und so verantwortungsvolleEntschlüsse vorbereiten. Meine Grundlagen habe ichdabei angegeben. Alles auf das Eigenrisiko hin, sich zuirren. Das bleibt einem aber auch nicht erspart, wenn mansich an »Mehrheitsmeinungen« hält, nur dass man sichdann im Kollektiv verstecken kann. Einen Vollkommen-heitsanspruch hatte ich dabei nicht. Das Wesentlichstescheint mir Bewusstheit, und das erfordert, nicht nur daszu verinnerlichen, was von führenden Gruppen lanciertwurde (ein Phänomen, das sich nicht auf die Klimatologiebeschränkt), sondern

• auch Gegenthesen zur Kenntnis zu nehmen, • übersehene oder falsch dargestellte Empirie ins Blickfeldzu rücken,• die Entstehung der Paradigmen bis zu ihren Wurzeln zuverfolgen,

• die Soziologie des Wissenschaftsbetriebes zu berücksichti-gen, • den Einfluss der Verquickungen von Politik, Wirtschaft,Finanzwesen und Wissenschaft zu erwägen, • die eigenen inneren Haltungen, Erwartungen, Ängste undVorurteile zu prüfen.

Was wäre zu sagen, was ich nicht bereits gesagt habe? Essteht alles in meinen Artikeln und der dort zitierten Litera-tur. Ich fühle mich aus sachlichen Gründen trotzdem genö-tigt, auf einige Behauptungen in der online-Replik vonSchad & Kümmell hier zu antworten.

Ein grundsätzlicher Einwand | Bei genauerem Hinsehenzeigt sich, dass die Globallösung der weltweiten »drastischenCO2-Reduktion« (eine beliebte Redefigur) immense Kostenverschlingen und noch zusätzliche Not erzeugen wird; dieAlternativen wären:

A. Maßnahmen vor Ort in konkretem Bezug auf reale Ursachen,die zur Bewältigung oder Abmilderung heute stattfindender »kli-

matischer« Katastrophen ergriffen werden können. Dieser Wegscheint auch allein erfolgversprechend im Gegensatz zum»Drehen an der großen Schraube«. Man wird diese GroßeSchraube mit riesigem Aufwand nur ein winziges Stück wei-terbringen, wenn überhaupt (viele bezweifeln das grund-sätzlich, CO2 ist nur ein Triangel im großen Orchester derAtmosphärenvorgänge), doch man kann an vielen Orten mitkleinerem Kraftaufwand – aber mehr Einsatz von Hirn-

Duplik auf Schad & Kümmell: »Warum so ideologisch?«

von Michael Kalisch, Diplombiologe, Tübingen

»Verantwortungslos«, weil ich »das viele Leid« ignoriere, ist ein starker Vorwurf, den Schad und Kümmel in Heft4 / 2010 dieser Zeitschrift (S. 51 f.) gegen mich aussprechen. Was kommt als nächstes: der Aufruf zu einem Berufs-verbot oder die Bitte an Redaktionen, Kalisch künftig nicht mehr zu veröffentlichen?

ÜbergängeVon Nestflüchtern und Zahnwechslern

Wirtschaften für Entwicklungshilfe

Wir brauchen keine Gewächshäuser, sondern offene Schulen

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schmalz – viele kleine »Schrauben« bewegen. Ähnlich wiebeim Hebelgesetz. Man darf sich nur nicht den Blick dafür vernebeln lassen,wie tatsächlich solche »klimatischen« Katastrophen zustan-dekommen. Die Wetterereignisse sind häufig nur eineRandbedingung, während die primären Faktoren andere sind,und die hat der Mensch verursacht (die beiden Kritiker schei-nen meine wiederholten Hinweise auf die Verantwortungdes Menschen übersehen zu haben). An diesen Primärfak-toren müsste man ansetzen – und das wird auch getan,durchaus auch mit Erfolg. Zu ihnen zählen unter anderem(ich wiederhole)

• Bodendegradation (Beispiel: in einem Areal, wo dieWüste real nicht wächst, sondern sich seit einigen Jahrenwieder Savannenvegetation ausbreitet, dem Sahel, ist Be-völkerungsexplosion, Überweidung, zu hoher Holz- undWasserverbrauch der eigentliche Grund für das, was laxals »Wüstenbildung« bezeichnet wird, weshalb viele esfür einen klimabedingten Vorgang halten);• Überdüngung, Verschmutzung, Überfischung, mechanischeZerstörung gehören zu den Gefährdungen tropischer Ko-rallenriffe; es ist äußerst schwer, davon die klimabe-dingten Einflüsse abzutrennen.• Siedeln und Wirtschaften in primär sowieso von Unwet-tern, Überschwemmungen oder von unzuverlässigenNiederschlägen geprägten Regionen (Beispiele: Küsten,Flussauen, Flussdeltas, Muren-gefährdete Regionen.Ausgerechnet in den Getreideanbauregionen Australiensbesteht z.B. eine natürliche Unregelmäßigkeit der Nie-derschläge, mit Dürreperioden muss also gerechnet wer-den).

Auf all das wies ich bereits mehrfach hin, aber es wird vonmeinen Kritikern ignoriert. Stattdessen pochen sie darauf,dass das »Aufhören mit dem CO2-Ausstoß« der einzige Wegsei, um gerade diese Probleme zu lösen. Das ist nicht halt-bar. Und es ist schwer zu übersehen, dass dies die politischgegen alle vernünftigen Einwände aufrechterhaltene Bot-schaft ist. Gegen dieses Gewicht der Politik im Klimaschutzspricht auch nicht die ölfreundliche Bush-Ära, denn auchwährenddessen erhielt die US-Klimaforschung millionen-kräftige Förderung.

• Es gibt noch weitere Gründe für menschliches Leid, diedurch die einseitige Fixierung auf das Kohlendioxid ausdem Bewusstsein zu schwinden drohen: Menschen inder Dritten Welt leiden Mangel an Nahrungsmitteln undsauberem Trinkwasser, an Medikamenten und medizi-nischer Versorgung, weil sie arm sind, weil sie zwischendie Fronten von Bürgerkriegen geraten, weil Regierungenkorrupt sind, weil man auf diese Menschen wegen ihrer»Bedeutungslosigkeit« einfach keinen Gedanken ver-schwendet. Oder es liegen Formen des »Bodenrechts« vor,die permanentes Unrecht, Leid und in der Folge auchgrauenvolle Umweltzerstörung generieren (--> BrasiliensRegenwald).• Meine Kritiker schlagen mir den UNO-Bericht (Annan2009) um die Ohren. S.14 findet sich aber ein Beispiel,das genau mein Anliegen unterstützt: erwähnt werdenvorsorgende Maßnahmen in Bangladesch, die die To-desopfer und die ökonomischen Schäden durch TaifunCidr 2007 (ein Naturvorgang, den wir nicht stoppen kön-nen) im Vergleich zu Nagris (Myanmar 2008, keine Vor-beugemaßnahmen) um ein Vielfaches reduzierenkonnten. Hier waltete Vernunft. Annan betont in derEinleitung die Notwendigkeit internationaler Hilfe für Vor-beuge- und Anpassungsmaßnahmen. Auch das ist ver-nünftig.

Die Stimme eines anderen Landes | Um meine »Verharm-losungen« und »Ablenkungen« von notwendigem Handelnzu krönen, verweise ich hier auf einen Kommentar vonFiona Kobusingye, Präsidentin der ugandischen Menschen-rechts- und Entwicklungs-Organisation CORE.1 Nicht dassich alles unterschreiben würde, was sie sagt – das sei aus-drücklich hinzugefügt. Kobusingye ist empört über die Rhe-torik der »Klimapolitik« der westlichen Länder. Für sieliegen die Gewichte des notwendig zu Tuenden in Afrika anganz anderer Stelle als beim CO2-Sparen. Für sie stehenHunger, schmutziges Wasser, fehlende Medizin und Hy-giene und die damit zusammenhängenden jährlichen Mil-lionenopfer epidemischer Krankheiten an erster Stelle. Fürdie Lösung dieser Probleme bräuchte es ihrer Ansicht nachdringend – nicht erst in Jahren, sondern jetzt – verfügbareEnergie, vor allem Strom, aber auch fossile Brennstoffe (of-fenes Herdfeuer ist eine Ursache der weit verbreiteten chro-nischen Lungenerkrankungen). Hier könnte Kobunsingye

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sogar bei Annan Gehör finden, denn er schrieb, dass es zurVerminderung des Rußausstoßes notwendig sei, den Armenbessere Kochstellen verfügbar zu machen. (Annan erwähntallerdings nur, dass Ruß zur Erderwärmung beiträgt.)

B. Der zweite Ast der Alternativen zu »Kioto« wäre: gezielteFörderung der Forschung und Entwicklung nichtfossiler Ener-

gienutzung, wegen der Endlichkeit des Erdöls und wegen seiner

Kostbarkeit!, wegen der politischen Abhängigkeiten, die es schafft,

wegen der Umweltschäden (Bohrinseln, Tankerunglücke), diemit seiner Förderung leider verbunden sind. Hinzukommenmüssten sinnvolle Subventionen für die Verbraucher, umeinen Umstieg auf Energiealternativen überhaupt zu er-möglichen – statt strangulierender Steuermodelle. Im Effektwürde das von alleine dazu führen, dass der Bedarf an fos-silen Brennstoffen immer weiter zurückgeht, aber ohne eineinkonsistente Klimarhetorik, die an den Fakten vorbeiredet.Von einem »nur weiter so« kann also keine Rede sein!

Es gibt Probleme, die gelöst werden sollen – es ist eine haltloseUnterstellung, die leider immer wieder in der Presse ge-macht wird, den sog. Skeptikern gegenüber der Treibhaus-doktrin läge nicht daran, diese Probleme zu lösen, siewollten nur weiter ungestört mit überdimensionierten Mo-toren über die Autobahn donnern. Hier fehlt im übrigen eingehöriges Maß an Selbsterkenntnis – wie viel wirtschaftli-che Interessen spielen nicht auch in die »klimarettenden«Bemühungen hinein?

Um wirklich weiterzukommen, ist es allerdings auch not-wendig, die mit der Klimadiskussion transportierten Ideen, Ziel-vorstellungen und Motive, die innerlich zusammen hängen, klar

ins Auge zu fassen:

•Sie betreffen unser Verhältnis zur Natur, – wer sollte dasnoch nicht bemerkt haben. Aber ist die Aufgabe nichtein bisschen vielschichtiger als nur die Vermeidung von»Dreck«? Und geht darob möglicherweise die Aufmerk-samkeit für die menschlichen Bedürfnisse in unserer eige-nen sozialen Umwelt verloren? Und wie sieht es dennmit unserem Selbst-Bild aus – der Mensch eine Pest desPlaneten? »Wir brauchen die Natur, aber die Naturbraucht uns nicht« (ein alter Slogan von Umweltverbän-den)? Ist das richtig?

• Es geht auch – noch viel weniger reflektiert – um unserVerhältnis zum Kosmos, und schon hier muss man fest-stellen, dass die Sonne zwar als potenzieller Energielie-ferant ernstgenommen wird, aber nicht als einKräftezentrum, das in alle kleinen und großen irdischenProzesse hineinwirkt, nicht nur, dass es die Fotosyntheseder Pflanzen ermöglicht: es beeinflusst die Art, wieKeime wachsen, sogar wie Kristalle sich entwickeln, be-einflusst die Wellen von Krankheitsepidemien, regiertdie klimatischen Rhythmen, zeigt seinen Einfluss sogarin geschichtlich-psychologischen Prozessen – wobeiKlima, Psyche und Geschichte miteinander verwobensind. Das Ignorieren oder gar Lächerlichmachen dieserSeite der solaren Wirkungen ist ein besorgniserregendesPhänomen in der heutigen Diskussion.• Es geht natürlich um die Energiefrage, aber in einer dop-pelten Form – auch das sicherlich kaum bewusst: wir be-ziehen notwendigerweise Energien aus der Erde, um alsMenschen unsere Kultur aufrechterhalten zu können,und diese Energiequellen sind endlich. Aber wir bezie-hen als individuelle Menschen auch spirituelle »Ener-gien« aus dem Kosmos, und hier herrscht ein wirklichexistenziell bedrohlicher Hungerzustand, ein Ergebnisder allgemeinen Erziehung von klein auf bis zur Uni-versität – gerade bei uns Menschen der westlichen Zivi-lisation, die die ganze Welt mit ihren Orakeln ausKlimarechnern retten zu müssen glaubt. Dieser seeli-sche Hunger führt zur Ersatzbefriedigung und Surroga-tanbetung – die Sucht nach Bildern (aber bitte einfach,ohne Anspruch an das Denken) ist eine davon, der Hun-ger nach Musik (die ständig rieselnde Kraft- und Inspi-rationsdusche) eine andere. Es hilft nichts, denverschwenderischen Konsum der westlichen Zivilisationzu geißeln, wenn man seine Wurzeln nicht versteht:Selbstbetäubung.• Es stecken im Fundament der Klimadiskussion Vor-stellungen über neue Gesellschaftsordnungen, andere Le-bensformen – ein hochbrisantes Politikum. Glauben die»Klimaretter« allen Ernstes, sie seien die Einzigen, diedamit schwanger gehen? Oder glauben sie, sie allein hät-ten die Legitimation, die Lösungswege anzugeben? Woist der Dialog? Wenn sich eine Gruppierung Ideen aufdie Fahnen schreibt und dabei sich gegen Kritik undsorgsames Nachdenken immunisiert und gegen einen ›

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erziehungskunst online Juni | 2010

vermeintlichen Feind zu Felde zieht, ist es genau das,was als Ideologie bezeichnet werden muss. Und in Ver-bindung mit einem Geltungsanspruch für alle Men-schen und als globale All-Lösung kann so etwas totalitärwerden.

Klimapolitik keine Politik?

Meine Kritiker fragen: »Welche Politik könnte an der Pro-klamation des Klimawandels ein Interesse haben?« DieFrage erscheint mir naiv. Allerdings wird die Antwort kom-plexer ausfallen. – Zunächst ist nicht zu leugnen: mit Hilfestaatlicher und privatwirtschaftlicher Förderung von Insti-tuten, Projekten und superteuren Klimarechnern kommt imwesentlichen eine Strömung der Klimaforschung öffentlichzu Wort. Das wortführende PIK (zu Deutsch: Potsdam-In-stitut für Klimafolgenforschung) zum Beispiel wird von derBundesregierung finanziert und berät sie in Klimafragen,genießt dabei offenbar ein Privileg (mir sind keine Gegen-gutachten anderer Institute bekannt). Und es erhält meinesWissens auch Gelder von der »Münchner Rückversiche-rung«, der daran gelegen ist, bei ihren Klienten die Bereit-schaft zu höheren Beiträgen zu fördern; hierbei ist dieVorstellung einer drohenden Klimakatastrophe natürlichförderlich. – Des Weiteren wirken die Medien, die Redak-tionen führender wissenschaftlicher Publikationsorganemit, um dieses Ungleichgewicht weiter zu verstärken. Manmuss sich aber nicht wundern: Parteinahme der Politik liegtgenauso auf anderen Gebieten vor, denken wir an die Ho-möopathie (die Zeiten der Gleichberechtigung der »beson-deren Therapierichtungen« mit der Schulmedizin scheinenzu Ende zu gehen), die biologisch-dynamische Landwirt-schaft – die Waldorfschulen. Politik, Medien, Lehrstühle,wissenschaftliche Untersuchungen sind parteiisch, eineGleichberechtigung konträrer Paradigmen herrscht wohlkaum irgendwo.Ein sehr wesentlicher Faktor ist der folgende: es gibt keineklare Trennung von Staat, Wirtschaft und Geistesleben – einPrinzip, das Rudolf Steiner nach dem Ersten Weltkrieg imRahmen seiner »sozialen Dreigliederung« als grundlegendfür die Gesundheit sozialer Prozesse charakterisierte! Im Ge-genteil, die Globalisierung macht vieles noch filziger undundurchschaubarer – und die Ohnmacht des Einzelnenscheint zu wachsen. Allein diese ungesunde Mykorrhiza aus

zu trennenden Funktionsgliedern, die zu vielfältigen Ab-hängigkeiten und Interessenkonflikten führt, nötigt schonden Verdacht auf, dass die auf globalem Niveau angestrebteKlimapolitik kaum eine reine Angelegenheit »gesicherter Er-kenntnisse« sein kann und dass der als Stütze zugelasseneTeil der Klimaforschung kein vollkommen unabhängigerund unbeeinflusster sein kann. Konnte doch sogar ein Voll-blutpolitiker, aber Nichtklimatologe wie Al Gore den Nobel-preis für ein Buch und einen Film über den angeblich vomMenschen verschuldeten Klimawandel erhalten, wobei diesachliche Fehlerhaftigkeit seiner Argumentation kein Hin-dernis darstellte. Die »Botschaft« war das Entscheidende!Ein sprechendes Symptom dafür, wie hier Politik das Sagenhat.Damit soll kein Generalvorwurf der Korruption gegen alle»führenden« Klimaforscher erhoben werden – nur der, dasseben jede politische und/oder wirtschaftliche Abhängigkeitdes Geisteslebens korrumpierende Rückwirkungen habenkann, weil der Brotgeber bestimmte Ergebnisse erwartet.Und das ist der Fall, wie wir sehen werden. – Das eigentlicheProblem steckt in der strukturellen Beschaffenheit der For-schungslandschaft: die Abhängigkeit vom Wohlwollen staat-licher Unterstützung und Drittmittelgebern bei der Sorgeum den Arbeitsplatz und die Finanzierung der teuren Ein-richtung, und die immer stärkere Kettung der Forschungs-ziele an die jeweilige Verwertbarkeit. Es steckt in der»bedingten Liebe« der über Geld Verfügenden zum Geis-tesleben: Gib mir, was ich haben will, dann lasse ich dichleben. Man hält es heute für selbstverständlich, aber es führtzum Erstickungstod eines Geisteslebens, dessen Lebens-prinzip »Freiheit« heißt. Wie anders sähe es in Wissenschaft,Bildung und Kunst aus, wenn ihre Förderung auf bedin-gungslosem Schenkungsgeld basieren würde! – Klimatologensind auch nur Menschen – und sie arbeiten in diesem skiz-zierten gesellschaftlichen Kontext.Meine Kritiker übersehen, dass man außer den inhaltlichenFragen auch die wissenschaftssoziologischen »Mechanismen«in Betracht ziehen muss, um das Unternehmen »Klima-schutz« ausloten zu können. Nach welchen Regeln funktio-niert das Leben öffentlich und von Drittmittelsponsorengetragener Universitäten und Institute? Wie läuft Kollektiv-bildung ab und wie entstehen Meinungstrends, Konsensund gleichzeitig Abgrenzung und Lagerbildung? Es gibtviele soziale und psychologische Faktoren, die außer dem

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»Streben nach Wahrheit« mitwirken bei der Ausbildung vonKonzepten, Theorien, Lehrsätzen. Um Förderung zu be-kommen, muss ich fragen: Mit welcher These formuliereich erfolgversprechende Anträge?, was sollte im Ergebnis-bericht angedeutet oder »vermutet« werden, um weitere För-derung zu erhalten? Ich erlebe es täglich beim Lesenwissenschaftlicher Artikel, Reviews und Interviews: als Fazitsteht in den weit überwiegenden Fällen das drin, was vomallgemeinen »Konsens« bereits angenommen wird – aberin der jeweiligen Arbeit nicht noch einmal überprüft wird,was grobe Denkfehler und falsche Zahlenangaben nicht aus-schließt –, und daraus werden oft weitreichende »Ausbli-cke« und zunehmend auch politische Forderungenabgeleitet.- »Wes Brot ich esse, des Lied will ich (muss ich)singen!«, das infiziert die wissenschaftliche Literatur in Be-reichen, wo es um große wirtschaftliche Perspektiven undum hohe Summen für die Technik geht: zum Beispiel Gen-technik, Kernenergie, Bereiche der Medizin und Pharmazie,und eben Klimaforschung. Aus der Geschichte der Kern-energie wissen wir, was wissenschaftliche »Gutachten« allesbehaupten konnten; Fälschungen in der Gentechnik (Klo-nen) oder in der Pharmaforschung sind nichts Erstaunli-ches. – Warum überhaupt eine Klimapolitik, und dies mitbestimmten Lehrsätzen sowie Strategien, das kann man erst er-messen, wenn man alle gesellschaftlichen, sozialen undsogar historische Faktoren in Betracht zieht; eine einzige Er-klärung genügt nicht.Das Zusammenwirken aller kann dann den Eindruck erwe-cken, als habe man es mit einer aus dem Hintergrund ziel-bewusst geführten Entwicklung zu tun: einer»Verschwörung«. Der berechtigte Widerwille gegen leicht-fertigen Umgang mit Verschwörungstheorien ist aber keinGarant dafür, dass es »Verschwörerisches« im Hintergrundder Weltpolitik nicht auch gebe! Es funktioniert wohl seit Be-ginn der Hochkulturen, dass Machtmenschen sich geschicktderjenigen Tendenzen und Kräfte bedienen, die in der brei-ten Masse herrschen – ohne dass sie merkt, wie sie genas-führt wird. Die Mittel, um die Leute das denken zu lassen,was sie denken sollen, sind heute gigantisch – vor allemweltumspannende Medien. Und die Inhalte? Am besten eig-nen sich Halbwahrheiten, als Strategie eignet sich der Appellan Ideale und Visionen, die in der breiten Masse halbbe-wusst leben. Und an tiefe Ängste.

Klimapolitik – oder Wissenschaft aus reiner Quelle?

Fragen wir doch, wie das wortführende IPCC entstand, aufdessen Aussagen sich die Klimapolitik stützt. IPCC heißt»Intergovernmental Panel on Climate Change«. Als »Zwi-schenregierungs«-Gremium zum Klimawandel steht es ineinem politischen Rahmen. Das IPCC untersteht der UN,auch das ist politisch. Das IPCC ist kein »von unten« gebil-deter Ausschuss unabhängiger Klimatologen – auch wennWurzeln zur Umweltbewegung der 1970er, 1980er zurück-reichen –, sondern wurde eingesetzt, seine Schlüsselfigurenund Leitautoren wurden von Regierungen bestimmt. Bedeu-tenden Einfluss hatte z.B. Margaret Thatcher, und sie sorgtedafür, dass das meteorologische Amt ihres Landes einenführenden Einfluss innerhalb des IPCC bekam. Ihr politi-sches Ziel war, die Kernenergie nach Tschernobyl wieder zustärken, und dazu war es taktisch günstig, die fossilenBrennstoffe zu diskreditieren: durch den Vorwurf der Um-weltschädlichkeit des CO2. Dazu musste man nur die ältere(aber nie bewiesene) Theorie vom Treibhauseffekt durchCO2 wieder aufgreifen sowie die Beobachtung seines kon-tinuierlichen Anstiegs parallel zu den zivilisatorischen Tä-tigkeiten. – Dem IPCC wurde ein klarer Auftrag erteilt: denNachweis zu erbringen, dass die stattfindende Erwärmung aufden Ausstoß von Treibhausgasen durch die menschliche Zivili-

sation zurückzuführen ist. Die Aufgabe des IPCC ist »…to as-sess on a comprehensive, objective, open and transparent basis

the latest scientific, technical and socio-economic literature pro-

duced worldwide relevant to the understanding of the risk of

human-induced climate change, its observed and projected im-

pacts and options for adaptation and mitigation« (IPCC 2008).Genauer besehen lautet die Zielvorgabe also nicht, allesWis-sen über die verschiedenen Ursachen einer Klimaerwär-mung zusammenzutragen, sondern die Literatur zu einerbestimmten Frage zu sichten: zum Risiko einer anthropogenenKlimaerwärmung. Daher ist es verständlich, dass alle Litera-tur, die sich positiv zu dieser These äußert oder in dieserRichtung verwendbar ist, das Übergewicht hat, während Ge-genthesen – etwa die Erklärung der jüngsten Erwärmungdurch die Veränderungen auf der Sonne –, oder grundle-gende physikalische Kritik am Treibhausmodell, oder auchökonomische Kritik an den vorgeschlagenen Strategien un-terrepräsentiert sind oder ganz unter den Tisch fallen. ›

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erziehungskunst online Juni | 2010

Man beachte ferner, wie der Weg von der gewiss verdienst-vollen wissenschaftlichen Aufarbeitung der vorhandenen Li-teratur (vergleichbar mit Übersichtsartikeln) zur offiziellenVerlautbarung des IPCC verläuft, die ja gefordert ist: der Tau-sende Seiten dicke Gesamtbericht mündet in eine Kurzfas-sung, die »Summary for Policymakers« (SPM). DieserSchritt ist problematisch, denn er ist verbunden mit (er-zwungener) Vereinfachung und Verkürzung, und am Zu-standekommen der Formulierungen wirken Politiker selbstmit (»Zeile für Zeile«), denn dieser Text soll mundgerechtfür deren Belange sein. Politiker sind selten interessiert antiefschürfenden Problemdiskussionen, sie wollen einfacheAussagen. Klimatologie ist geradezu der Gegenpol von ein-fach. – Die SPMs wurden seit Anfang der 1990er in derWeltöffentlichkeit als »letzte Wahrheit« verbreitet, und Poli-tiker fanden es richtig, auf dieser für sie beweisenden BasisAussagen zu machen wie »die Diskussion ist beendet!« –zugleich ein deutliches Warnsignal an jede Art der Kritikund der Versuch, eine politische Diskussion zu ersticken!Aber die SPM spiegelt kaum den Konsens aller Fachleutewider, viele von ihnen haben nämlich gar keinen Einflussauf die Endformulierungen, etwa bei sachlichen Einwänden(die teilweise nicht einmal in den Übersichtskapiteln be-rücksichtigt wurden). Der Wirkeffekt auf die Atmosphäreder öffentlichen Klimadiskussion: eine zunehmende Pola-risierung in »gute Klimaschützer« und »böse Klimaleugner«(deren Behauptungen im offiziellen Bericht nicht erwähntsind). Besonders eifrige »Rechtgläubige« ermutigt es sogar(s. soziologische Mechanismen) zur Kriminalisierung vonKritikern, für die sie internationale Gerichtstribunale »nachNürnberg-Art« fordern (der Geschmacklosigkeit sind keineGrenzen gesetzt; solche Anspielungen auf die Naziverbre-cher sowie auf Holocaust-Leugner – der Terminus »Klima-leugner« verdient eigentlich den Rang »Unwort desJahrzehnts« – haben bereits Tradition; Al Gore verwendetefür die von ihm erwartete Klimakatastrophe des 21. Jahr-hunderts den Begriff »Kristallnacht«).– Die Presse stellt sichauf die Seite der offiziellen Verlautbarung, zitiert Politikermit wissenschaftlichenAussagen, verschärft die Polarisierungweiter. Dabei verzichtet sie immer häufiger auf den investi-gativen Journalismus, sie interessiert sich nur noch wenigfür Kontroversen, Widersprüche und ungelöste Probleme,teilweise weiß sie nicht einmal, was in von ihr selbst zitier-ten wissenschaftlichen Arbeiten wirklich drinsteht. Und so

�› passiert es immer wieder, dass Wissenschaftsjournalismusgroben Unfug über Klimafragen verbreitet.Als jüngstes Exempel für die Parteilichkeit der Presse leseman, bitte, wie Professor Schellnhuber (Berater der Bundes-regierung), Claus Leggewie und Renate Schubert im Interviewmit der ZEIT (15.4.10) die Kritik am »Klimaschutz« pauschalals »haltlos und verlogen« verunglimpfen durften – getrof-fen werden sollte damit aber zugleich die Kritik an Mängelnund Fehlern der offiziellen Klimaforschung, die in letzterZeit aufgewiesen wurden! Dass so etwas in der ZEIT steht,hat mich tief erschreckt. Die Skandale der Klimaforschungdes letzten halben Jahres erzeugten tatsächlich bei bisherstromlinienförmig mitschwimmenden Zeitungen eine Be-reitschaft, Kritik offen wiederzugeben und Autoritäten inFrage zu stellen; eine Öffnung zeichnete sich ab und eskeimte die Hoffnung, dass der Journalismus sich auf seinEthos rückbesinnt – auf die Prinzipien der investigativen Be-richterstattung, die gerade dort weiterbohrt, wo eine Bret-terwand errichtet wird; die Raum gibt für konträreAnsichten ohne Parteinahme des Berichterstatters, undwenn, dann so, dass der Leser erkennen kann, dass hier per-sönliche Meinungen einflossen. Aber bereits jetzt ist eineRestauration im Gange, die nicht mehr zurückrudert undVersagen eingesteht, sondern zur Aggression übergeht; dieFehler werden verharmlost, die »Klimaskeptiker« sind dereigentliche Skandal! Sie schaden dem guten Projekt, indemsie seine Diener mit belanglosen Vorwürfen besudeln! – Esgemahnt irgendwie ein bisschen an Vorgänge in stalinisti-schen Zeiten und Ländern. – Die genannten Skandalehaben meine beiden Kritiker wohl ignoriert – falsche Anga-ben über das Schicksal der Gletscher im Himalaya, relevantfür Millionen Menschen in Indien und Bangladesch; nichtbelegbare Aussagen über die Zukunft des Amazonasregen-walds u.v.a. Dabei handelt es eben gerade nicht um kleineSchnitzer, denn damit verlieren zentrale Aussagen ihreStütze.

Bedingt durch den Verfahrensverlauf einer UN-beauftrag-ten Auswertung der Klimaforschung in Verbindung mit denpolitischen, wirtschaftlichen, soziologischen und psycholo-gischen Faktoren scheint es dann, als sei hier alles ganz an-ders als es sonst eigentlich selbstverständlich ist: in jeder(anderen) Wissenschaft wurde und wird kontrovers um De-tails und Interpretationen bis hin zu grundlegendsten An-

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2010 | Juni erziehungskunst online

schauungen diskutiert. Eigentlich kann man sonst nicht er-warten, dass es nur eine Meinung gibt. Und zu glauben,dass die Politik konträre Strömungen unparteiisch großzü-gig fördert, wäre naiv. Politiker sind auch nur Menschen –und nicht selten an persönlicher Profilierung, Einfluss undMacht interessiert. Dafür sind ihnen bestimmte Botschaf-ten sachdienlich – hier geht es um Massenpsychologie. DasAppellieren an Zukunftsängste ist sicherlich eines derstärksten Mittel.

Demokratie am falschen Ort

Die Wirkungsmacht der offiziellen Verlautbarung (von vie-len Medien verstärkt) täuscht über eine Fehlentwicklunghinweg: das Gesetz der Demokratie hat sich des Geisteslebensbemächtigt. »Wahrheit« soll durch Mehrheit ihr Gewicht er-halten; und wenn wir es nicht genau wissen (können), dannkann wenigstens dieses Gewicht als solches erdrückend wirken –und das ist das Gewicht nicht anzweifelbarer Autorität! AberWahrheit findet man nur durch Evidenz, ein im Grunde sehrintimes Erlebnis, das in reinster Form beim richtigen Löseneiner mathematischen Aufgabe erfahren wird. Wenn manan einem Zipfel mal ein Evidenzerlebnis hatte, kann das einganzes, vorher als ewig verehrtes Gedankensystem zum Ein-sturz bringen!Das demokratischeWahrheitsprinzip manifestiert sich in denVerfahrensweisen des IPCC: viele Aussagen sind als Wahr-scheinlichkeitsangaben formuliert, wobei standardisierte For-meln den Grad der Wahrscheinlichkeit aussagen: 50%,90%, 95% usw. Aufgefasst wird es aber allgemein wie Aus-sagen über »Naturgesetze«. Bei oberflächlichem Hinhörenklingt es so, als wüsste man etwas fast mit Sicherheit, ge-nügt das nicht? Es marginalisiert die verbliebene Unsicher-heit – manche werden den Vergleich deplatziert finden, aberebendiese Methode haben die Kernenergiebefürworter mitdem »Restrisiko« verfolgt: marginalisieren, als könne mandurch Kleinreden den möglichen und dann leider sehr kon-kreten Doch-Unfall bannen. In dieser Weise werden zumBeispiel die möglichen Doch-Einflüsse der aktiven Sonneauf die Erwärmung der letzten Jahrzehnte permanent klein-geredet (und die gesamte hierfür relevante Literatur bleibtunberücksichtigt). Das Wahrscheinlichkeitsverfahren ist ge-fährlich, es kann falsche Urteile zementieren und würgt deneigentlichen Lebensprozess der Wissenschaft ab, das unbe-

queme Ringen mit den leidigen Widersprüchen und demUngeklärten, das einfach nicht verschwinden will – das abereinmal zu einer neuen, vielleicht fundamentalen Einsichtführen könnte. Denn wenn neun Aussagen (Ansichten) über-einstimmen, aber objektiv falsch sind (sie gingen von un-richtigen Voraussetzungen aus), und ihnen nur eineAussage gegenübersteht (sie wird sich später als richtig er-weisen), muss die Aussage im SPM-Text dennoch lauten:»mit 90%iger Sicherheit«.Fazit: Man mag noch so oft auf ihn pochen, ein Mehrheits-konsens sagt über den Wahrheitsgehalt einer Doktrin alleinnichts aus. Solche dann »anerkannten« Doktrinen sind zu-nächst einmal wissenschaftshistorische, geistesgeschichtli-che Tatsachen – keine Naturgesetze. Dass das Herrscheneiner gemeinsamen Ansicht kein Kriterium für den Besitzder Wahrheit ist, dass sogar fundamentalste Irrtümer auf dieseArt auch in moderner Zeit Jahrzehnte lang überleben kön-nen, dafür gibt es ein interessantes Beispiel: die über 40Jahre währende Abwehr der »führenden« Geologen gegenAlfred Wegeners geniales Konzept der Kontinentalverschie-bung (Rudolf Steiner gehörte zu den wenigen, die es frühgewürdigt haben). Interessant ist es auch deshalb, weil dieakademische Mauer gegen diese »verrückte« Außenseiter-auffassung von der Erde (Wegener war Meteorologe) sichauf eine Vorstellung unverrückbar verankerter Kontinentegründete – hier prallten also zwei Welten aufeinander, wieman sich den Boden unter den Füßen denkt (oder wünscht).Ein »Paradigma« hat immer auch Wurzeln im Unbewuss-ten, die in der ganzen Weltanschauung, im Lebensgefühl,in der Seele der Menschen verankert sind, es ist nicht pri-mär eine Angelegenheit der »Wissenschaft« (der Quanten-physiker Wolfgang Pauli förderte Wesentliches zu diesemThema zu Tage.) Diesen Aspekt haben in der Diskussionum den Klimawandel bisher nur wenige berücksichtigt;man müsste insbesondere die Vorstellungswelt des »Treib-hauseffektes«, das Bild von der Atmosphäre und vieles wei-tere befragen – eine Symptomatologie der »Bilder« also!Würden in der Klimaforschung die sonst geltend gemachtenRegeln wissenschaftlichen Arbeitens befolgt, wie sie KarlPopper formuliert hat, dann wäre es selbstverständlich, dassman die eigenen Thesen mit Antithesen konfrontieren unddem Verfahren der Falsifikation unterwerfen würde: demVersuch, sich selbst zu widerlegen, bis alle Waffen zerbro-chen sind – auf die Gefahr hin, dass die eigene These auf- ›

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�› gegeben werden muss. Aber dagegen stemmt man sich.Daher hat sich ein unabhängiges Gremium gebildet, das als»NIPCC« (non-governmental) die Forschungsergebnisseund kritischen Überlegungen der wissenschaftlichen Op-position auswertet, die pauschal und abwertend als »Kli-maskeptiker« tituliert werden. Diese Opposition ist absolutheterogen und keineswegs einer Meinung. Ihre Etikettie-rung schafft aber ein klares Feindbild und erspart es, ernst-haft auf einzelne Argumente einzugehen. Ergebnis ist einebedenkliche Einseitigkeit und nicht selten an Verleumdunggrenzende Unterstellungen.Gibt es wenigstens einen Konsens der Mehrheit? Es trifftnicht einmal zu, dass das IPCC von Anfang an die gesamteVielfalt der relevanten Wissenschaftler und alle Länder glei-chermaßen repräsentiert hätte. Nigel Calder, ein namhafterWissenschaftsjournalist und Autor vieler wissenschaftlicherBücher, der sich bewusst von jeglichen Interessen- und Ak-tivistengruppierungen innerhalb der Klimadiskussion fern-gehalten hat, beschreibt das Zustandekommen des erstenIPCC-Berichts 1990, der laut Vorwort »in autorisierter Formdie derzeit gültigen Ansichten der internationalen Gemeinschaft

der Wissenschaftler« wiedergeben sollte: an ihm wirkten nur34 Autoren aus 12 Ländern maßgeblich mit, wovon 23 ausden USA und Großbritannien stammten. Und unter den200 Fachgutachtern (zuständig für den Prüfungsvorgangdes »Peer-Review«) waren mehr Beamte als Wissenschaft-ler, und 72 davon stammten aus den USA, 56 aus Austra-lien, je einer aus Indien und Brasilien. (Nigel Calder, »Dielaunische Sonne«, S.48). Kommt so ein Konsens zustande?Schon möglich.

Zum behaupteten Stand der Klimakatastrophe und den er-warteten Entwicklungen

Einleitung |Eine sachliche Diskussion ist aus bestimmtenGründen kaum möglich:Es werden nur bestimmte Quellen zitiert, ohne Überblicküber die Kontroverse; es werden Behauptungen übernom-men, sogar ohne Prüfung auf Plausibilität; auch falscheNachrichten werden weiter und weiter kolportiert; es wer-den an sich stattfindende Veränderungen übertrieben, Ein-zelphänomene verallgemeinert, unzulässige Schlüssegezogen, es werden Vorsichtsmaßregeln für einen wissen-

schaftlichen Umgang mit Zahlen und Statistikaussagenmissachtet. – Ich unterstelle nicht, dass dies bewusst ge-schieht. Es passiert auch deshalb, weil man sich auf ausge-wählte Zeitschriften und Organisationen (Spektrum derWissenschaft, Wikipedia, Umwelt-NGOs) oder bekannte Wis-senschaftler (Schellnhuber, Trenberth) verlässt, andere dafürignoriert. Dass diese Quellen einseitig sein könnten, wirdgar nicht erwogen. Dass z.B. die klimarelevanten Wikipedia-Artikel jahrelang von einem Administrator in tendenziöserWeise »überarbeitet« wurden, ist kaum bekannt.

Der Treibhauseffekt

• Meine Kritiker dozieren noch einmal, wie der Treib-hauseffekt funktioniert, nachdem ich seit Jahren in Arti-keln auf Mängel dieser Theorie hingewiesen habe (daswuchs nicht auf meinem Mist, es wurde mit Quellenan-gabe belegt). Einräumen muss man, dass dieses Modelldazu herhält, vieles zu erklären. Wenn diese Erklärungwankt, müsste all das neu überdacht werden. An sichkeine Katastrophe, doch jedem fällt es schwer, liebge-wordene Vorstellungen aufzugeben. • Einer der Beweise für die Bedeutung des sog. natürli-chen Treibhauseffekts soll die Leben ermöglichendeTemperatur der frühen Erde sein, die aufgrund der zuschwachen Sonne zu kalt gewesen wäre und von Eis be-deckt, wäre da nicht viel CO2 in der Atmosphäre gewe-sen; nun wurde kürzlich ausgerechnet in Nature dieses»langjährige Rätsel der Klimageschichte gelöst«: nichtTreibhausgase, sondern größere Ozeane und fehlendeWolken sollen die höheren Temperaturen ermöglichthaben (Minik Rosing u.a., Bd.464, Nr.7289). Ob dieseAutoren von der Ölindustrie gekauft wurden?

Die Unsicherheiten und Unstimmigkeiten der Treibhaus-theorie in Kürze:

• Dass Luft durch direkten Kontakt mit dem Boden undsofort einsetzende Konvektion sich erwärmt und dieseWärme nach oben abführt, hält man für marginal, ist esaber nicht. • Die »Wärmerückhaltung« in Bodennähe soll durcheine Rückstrahlung der Treibhausgase geschehen, die

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Temperatur dieser bodengerichteten Strahlung beträgtaber weit unter Null Grad. Erster physikalischer Fehler:Wärme fließt nie vom kälteren zum wärmeren Körper;zweiter Fehler: hier wird Wärmestrahlung mit »Wärme«gleichgesetzt.• Ein weiteres Missverständnis: Die Computermodelleliefern keinen Beweis für das Treibhausmodell. Sie lie-fern Indizien; aber wie? Indem man einen hypotheti-schen Wert für die CO2-Treibhauswirkung einsetzt(»Parametrisierung«) und prüft, ob sie vergangene Kli-maentwicklungen reproduzieren können; wenn nicht,muss der Wert nachjustiert werden. Das geschieht zwarnach vernünftigen Erwägungen, aber es ist ein willkürli-cher Eingriff.2 – Funktioniert das? Die Modelle machenauch Voraussagen über die Zustände verschiedener At-mosphärenschichten, z.B. sagten sie sogenannte HotSpots in der höheren Atmosphäre über den Tropen vo-raus; die konnten nicht gefunden werden. Sie scheiternalso am Widerspruch der Empirie. Was nun? Normaler-weise müsste man deshalb die Theorie (Hypothese) vonGrund auf überprüfen. Doch das geschieht nicht. Statt-dessen werden auf dieser Basis Zukunftsszenarien ent-worfen. Aber wie teilte das IPCC noch im 3. Bericht von2001 mit?• »In climate research and modelling, we should recognizethat we are dealing with a coupled non-linear chaotic system,

and therefore that long-term prediction of future climate states

is not possible.« (Kap. 14.2.2.2, S. 774) Kurz gesagt aufDeutsch: eine langfristige Voraussage der Klimaentwicklungist aus prinzipiellen Gründen nicht möglich – denn wirhaben es mit einer Kopplung von mehreren Systemenzu tun (Luft, Meere, Böden, Lebewesen usw.), die nicht li-near berechenbar sind; ihr Zusammenwirken scheintchaotisch.3 Da sich seit 2001 die Natur der Atmosphärenicht geändert hat, behält dieser Satz des IPCC seineGültigkeit – eine Langzeitvoraussage der Klimaentwicklungwird nicht möglich sein. Dennoch wird uns genau das vonWissenschaftspopularisierern und Politikern verkauft,Tag für Tag, mit wachsender Aggressivität im Ton sowiein den damit verknüpften Forderungen und Vorwürfen.

Orientiert man sich an diesem IPCC-Satz, darf man fragen,welche Substanz eine Aussage wie »7° Erwärmung bis

2100« haben kann. Angst macht sie auf jeden Fall. – Es istäußerst bedauerlich, dass dieser grundsätzliche Warnhin-weis bezüglich der Grenzen von Klimasimulationen nichtin der SPM von 2007 steht, und daher auch nicht in diebreite Öffentlichkeit getragen wurde. Sondern genau das Ge-genteil.

• Was für das Klima als Gesamtes gilt, trifft folglich auchauf die modische Diskussion über die »Tipping Points«(Kipp-Punkte) zu – die gefährlichen Schwellenwerte, diewir zu vermeiden hätten: hier werden Aussagen übereinzelne Entwicklungen gemacht, die nicht möglichsind. Hypothetische Überlegungen kann niemand ver-bieten, man sollte sie aber als solche kenntlich machen.Doch das bleibt aus. Daher ist es erschreckend, welchenCharakter die Diskussion über die Tipping-Points bereitsangenommen hat. Es wird der Eindruck der Gewissheitverbreitet. Dabei zitiert man Behauptungen aus zweiterund dritter Hand. Indem das seine Eigendynamik ent-faltet, ist alles bereits abgemacht. Was braucht es weitereBeweise? Wieder einmal wird Nachdenken, Innehaltenzum kriminellen Akt – weil es doch rasches, notwendi-ges Handeln blockiert: Wir müssen die Erderwärmungmöglichst auf 1.5° stabilisieren! Wer hat aber auch nur eineder Originalarbeiten gelesen, hat zur Kenntnis genommen,

wie offen und widersprüchlich die Aussagen der verwendeten

Klimamodelle waren?4 Hätte das jemand, könnten Be-hauptungen wie die über eine zu erwartende Umwand-lung des Regenwaldes in Savanne durch den Klimawandelnicht in Umlauf geraten.

Es leuchtet auch nicht ein, dass eine Erwärmung den Re-genwald in Savanne verwandelt, da genau dies während derregenarmen Eiszeiten geschah; Amazonien hat sich auseinem Flickenteppich von Waldinseln und Galeriewäldernentlang der Flüsse erst mit der »drastischen« Erwärmungnach der Eiszeit zum geschlossenen Wald entwickeln kön-nen. Etwas anderes sind allerdings die massiven Eingriffedes Menschen durch die Brandrodungen, das Zerstückelnder Waldfläche. Sie könnten zu verstärkten Dürreperiodenführen und hier kann der Mensch negativ auf das Klima ein-wirken, vielleicht sogar eines Kontinents, einer Klimazone.Hier sollten sich daher das Bewusstsein und der Wille, etwaszu ändern, bündeln.

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�› In einer weiteren Arbeit (Lenton, s. vorige Fußnote) lesen wirauch das folgende bezüglich des indischen Sommermonsuns,von dem Schad & Kümmell schrieben, dass er bereits in Un-gleichgewicht gekommen sei. Seine kritische Schwelle für dasUmkippen in einen anderen Zustand oder ein Zum-erlie-gen-Kommen lasse sich nicht sinnvoll mit der globalen Er-wärmung verknüpfen.5 Von einer bedenklichen Störungsteht in diesen Originalarbeiten nichts. Die Hypothesenüber das, was geschehen könnte, beziehen sich allerdingsauf eine Erwärmung von über 3° bis 2100. Es wird sogar dieAnnahme geäußert, eine »Treibhauserwärmung« könneden indischen Sommermonsun verstärken. – Auch derwestafrikanische Monsun ist nicht zusammengebrochen. –Auch der Monsun ist von beträchtlichen Schwankungen ge-prägt, eine Aussage über wenige Jahre beweist also keinenKlimatrend.

• Die verschiedenen Prozesse in der Atmosphäre, die diedirekte Wärme der Sonne und die vom Boden empfan-gene wieder in den Weltraum tragen, sind schwer zuquantifizieren. Früher wurde der direkten Ausstrahlungdes Bodens ein großer Wert zugeschrieben (das, was dieWärmestrahlung absorbierenden Gase CO2, Methanusw. abfangen, umwandeln und weitergeben können),heute wird er viel kleiner angesetzt, dafür nimmt manan, dass der direkte Transport durch am Boden erwärmteLuft und Wasserverdunstung viel bedeutender ist. Ent-sprechend ist der Strahlungsterm verkleinert worden.• Man weiß zwar, wie winzig der Spielraum für eine hy-pothetische Wärmezunahme in der Atmosphäre selbstbei verdoppeltemCO2 wäre (wovon wir noch weit entferntsind, und über das Schicksal dieser Wärme in der At-mosphäre ist damit noch nichts gesagt). Denn das vor-handene Kohlendioxid absorbiert bereits jetzt praktischdie gesamte Strahlung, die es überhaupt aufnehmenkann (in seiner sog. Hauptbande, in anderen Frequenz-bereichen lässt das CO2 ein »Fenster« offen, hier spieltseine Menge keine Rolle). Man argumentiert aber, die-ser kleine Effekt werde durch den Wasserkreislauf um einVielfaches verstärkt.Diese Hypothese konnte bisher nichtbewiesen werden, und es gibt sogar gegenteilige An-nahmen (Wasserdampf wirkt als Kühlfaktor). Jedenfallsist die Vorstellung unrichtig, dass es hier um ein lineares

»je mehr, desto schlimmer« geht. Die Wirkungskurveverläuft asymptotisch.Vergangene Erdepochen mit hohen CO2-Werten undhohen Temperaturen werden selektiv als Exempel für»Treibhausepochen« herangezogen. Allerdings picktman sich das Passende heraus, das Unpassende lässtman weg. Vor Gericht wäre so etwas nicht erlaubt; es seidenn, das Urteil steht sowieso schon fest. Auch mit einerParallelisierung von Temperaturverlauf und CO2-Kurveder Erdgeschichte (würde man die schon so genau ken-nen!) wurde ein Beweis nicht erbracht.

Zusammengenommen ergeben diese Kritikpunkte amTreibhauskonzept eine solche Unsicherheit, dass sie keinesolide Stütze einer globalen CO2-Reduzierungspolitik zumSchutze des Klimas abgibt. Vor allem steht die bestmögli-che Doch-Wirkung solcher Maßnahmen in krassem Miss-verhältnis zu den immensen Kosten (und sozialen Folgen)– und es bindet Vermögen, das für andere Strategien dannnicht mehr verfügbar ist.

Fortsetzung Klimamodelle

Die Berufung auf die große Zahl der Klimainstitute / Klima-rechner weltweit:

a. Verschiedene Klimamodelle weichen in der Bemühung,bereits stattgefundene Klimaveränderungen zu rekonstru-ieren, stark voneinander ab, und zwar weit außerhalb der to-lerierten Fehlergrenze; ihre »Rekonstruktionen« weichenauch von den tatsächlichen Temperaturverhältnissen in derAtmosphäre ab (s. nicht verifizierbare Voraussage der hotspots). Dem kann nur mit einem nachträglichen abschät-zenden Feintuning abgeholfen werden (manche nennen esboshaft den »fudge factor«).b. Auf die Gefahr hin, zu langweilen: es gibt da noch dieSonne… Wenn der hypothetische CO2-Effekt nur als Zah-lenwert in die Klimamodelle eingefügt werden kann (Para-metrisierung), könnte derselbeWert auch stellvertretend fürden Einfluss einer Zunahme der Sonnenaktivität stehen.Dafür spricht sehr vieles, diese Aktivität hat im 20. Jahr-hundert ein einzigartig hohes Niveau erreicht.6

c. Schad & Kümmell verwiesen auf die große Zahl der Insti-

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tute und Modelle. Damit wird nur an den uralten Autori-tätsglauben appelliert, und an den neuen Glauben in die All-macht der Computer.

Der Vergleich der heutigen Zeit mit dem Perm

Laut Schad & Kümmell soll ein starker Vulkanismus amEnde der Perm-Epoche den Treibhauseffekt erhöht haben,der zu einer globalen Erwärmung führte, was ein großes Ar-tensterben auslöste. Wirklich? – In geologischer und klima-tischer Hinsicht kann man die heutige Zeit nicht mit demPerm vergleichen. Vergleichbar war nur ein vermutlich ähn-licher CO2-Wert in der Atmosphäre. Aber im Perm gab esnur einen einzigen Superkontinent »Pangäa«, in dessen In-nern trockene Hitze (sog. Kontinentalität) geherrscht habenmuss. Pangäa schloss ein großes Binnenmeer ein (Tethys),und die restliche Erde war meerbedeckt. Dieser Land-Meer-Dualismus muss sich auf die Strömungsverhältnisse in derAtmosphäre und in den Meeren ausgewirkt haben. Charak-teristische Tiefseegesteine dieser Epoche sind Indizien fürSauerstoffmangel am Meeresboden. Das deutet darauf hin, dassdie Zirkulation zwischen oberen und tiefen Meeresschichtengeschwächt wurde. Eine Erklärung für das Artensterben amEnde des Perms könnte also lauten: Sauerstoffmangel in denMeeren ließ Meeresorganismen sterben; die auf Pangaea le-benden Tiere kamen durch Hitze und Wassermangel in Be-drängnis. Aber ob das alles ist? Der Geologe Ján Veizerschrieb mir, dass bisher keiner die exakten Gründe für dasArtensterben am Ende des Perms oder irgendeine vergleich-bare Aussterbewelle angeben kann. (Selbst für das Erlöschender Dinosaurier am Ende der Kreidezeit gibt es nicht nur dieheute gängige Theorie des Meteoriteneinschlags, sonderneine Reihe konkurrierender oder sich ergänzender Erklä-rungen!7) Veizer wies auch darauf hin, dass die Erwärmungbereits lange vor dem Vulkanismus früher im Perm einsetzte.Und es ist nicht sicher, ob die damalige vulkanische Aktivi-tät durch den Kohlendioxidausstoß wirklich zur Erwärmungführte, oder ob nicht deren Aerosole abkühlend gewirkt haben– diese Auffassung wird jedenfalls für Abkühlungsphasenimmer geltend gemacht, etwa die nach dem Pinatobu-Aus-bruch 1991! Ein anderer Geologe untermauert diese Ansichtund bringt das Artensterben sogar mit einer Abkühlung inZusammenhang (Christoph Korte).

Der Meeresspiegelanstieg

Meeresspiegelanstieg und »Beginn des Industriezeitalters«in einem Atemzug genannt sollen implizieren, dass derMensch (als Industrie Betreibender) der Schuldige ist. Die-ser Anstieg kann aber nur Folge des natürlichen Endes derKleinen Eiszeit sein. Auch Hardliner unter den Gegnern derTheorie einer maßgeblich klimabestimmenden Sonnenakti-vität räumten ein, dass höchstens die letzten 2-3 Jahrzehnte»anthropogen« sein könnten (auch dies bleibt nicht dasletzte Wort). Alles davor Liegende an Erwärmung verdankenwir der Sonne. Dabei setzt ein bedeutender Anstieg desCO2-Wertes in der Atmosphäre erst nach dem Zweiten Welt-krieg ein. Die Erwärmung seit dem Ende des 19. Jahrhun-dert (und den teilweise schon früher einsetzendenGletscherrückzug) dem Menschen zuzuschreiben, diese Ge-schichtsversion ist Schnee von vorgestern. Aber manche fal-schen Ansichten haben sich durch ständige Wiederholungim Bewusstsein verankert.Im Detail scheint der »dramatische Pegelanstieg« nicht dasherbeizuführen, was man behauptet. Im großen Deltabe-reich von Bangladesch findet kein Landverlust statt, da dieFlüsse jährlich Millionen Tonnen Sediment aufschütten; da-durch wächst das Delta. Das haben Wissenschaftler diesesLandes selbst festgestellt. Die Ölindustrie ist wirklich über-all.

Dramatische Meeresversauerung

Das IPCC spricht von einem pH-Abfall um 0.1 seit ca. 200Jahren, der in Zusammenhang mit der Aufnahmefähigkeitder Meere für Kohlendioxid aus der Luft steht. Spekuliertwerden über 0.3 pH weiteren Abfalls in diesem Jahrhundert.Das entspräche insgesamt etwa der Spanne zwischen demMeeres-pH während der Eiszeit und der folgenden Warm-zeit. Um hier etwas tiefer in das Zustandekommen solcherAussagen hineinzublicken: direkte Messung historischerMeeres-pHs ist nicht möglich, man bedient sich der»Proxy«-Methode. Veränderungen anderer chemischer Ele-mente sind geologisch dokumentiert, von ihnen schließtman zurück auf den gleichzeitig herrschenden Säuregrad,aufgrund eines bekannten Zusammenhangs zwischen bei-den Prozessen.- Der Meeres-pH liegt im Durchschnitt bei

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�› ca. 8.2, also im Basischen. Er ist weder räumlich noch imZeitverlauf konstant. Räumlich schwankt er um 0.5 pH. ImJahreslauf kann er lokal um 0.1 schwanken, und zwar geradedurch die fotosynthetisierende Lebenstätigkeit im Meer; unter-halb der durchlichteten Zone bleibt nämlich der pH fastkonstant. Alte Tiefenwässer sind interessanterweise die amwenigsten alkalischen, die alkalischsten sind sommerlicheOberflächenwässer hoher Breiten. Was ist nun in unserem Jahrhundert hinsichtlich der Ver-sauerung der Meere zu erwarten – eine Abnahme um 3 pH-Zehntel? So steht es in dem Spektrum-Artikel, den Schad &Kümmell zitieren – »das kann bis 2100 passieren«, denkenwir! Der Autor bedient sich auch des drastischen Beispielseiner Kalkschale, die in einem Glas Essigwasser aufgelöstwird. Deutlich! »Das muss passieren«. – Worauf stützensich solche Aussagen? Der Autor im Spektrum führt in sei-ner üppigen Literatur (2 Stellen für ein so komplexesThema) eine Quelle in Nature von 2005 an (J.C. Orr), derwiederum zitierte eine Arbeit von 1996, wo wir fündig wer-den: dort wurden verschiedene Szenarien von CO2-Emis-sionen aufgelistet, die in einer vierten Quelledurchgerechnet worden waren.8 Das schlimmste dieser Sze-narien sagte für 2100 eine Abnahme um 0.32 pH voraus,für kalte Gewässer mit einer Jahrestemperatur von 5° – alsogerade nicht dort, wo die von Säureauflösung bedrohten Ko-rallen wachsen (dort würden 0.29 erreicht). Unter welchenBedingungen? Bei einem Zuwachs von 45 ppm CO2 in derLuft pro Dekade (fortlaufend über 100 Jahre). In den letzten10 Jahren lag dieser Wert aber bei 1.9 ppm pro Jahr (in den1980ern bei 1.5 ppm), was 19 ppm pro Jahrzehnt ergäbe, wasalso bei etwa zwei Fünftel dieser Maximalannahme liegt. DieKurve des jährlichen Zuwachses an atmosphärischem CO2scheint stetig zu verlaufen, nicht exponentiell (s. Homepagedes Umweltbundesamtes). Aber wird der fossile Verbrauchals Quelle von atmosphärischem CO2 auch wirklich 100Jahre konstant so weiter gehen, wenn das Erdöl schon nach4-5 Jahrzehnten auslaufen soll? – Was liegt hier also vor an»Wissenschaft«, wenn man von einer drohenden Versaue-rung der Meere einschließlich weitreichender Konsequen-zen etwa für tropische Korallen hört? Von Unsicherheiten,offenen Fragen soll gar keine Rede sein, so wenig wie vonhistorischen Vergleichen, der Brauchbarkeit von Laborver-suchen mit Meerestieren in künstlich angesäuertem Meer-

wasser usw. Das Szenario bezieht sich auf eine Ausgangslage,die gar nicht besteht. Für die Korallen wäre vielleicht (ich in-terpoliere aus der Tabelle von Haugan) eine Abnahme um0.14 pH bis 2100 zu vermuten. Ob das ein »unglaublichschneller« Wechsel der Biotopbedingungen ist, wie Schad &Kümmell schrieben? »Verantwortungslos«? Damit ist nicht das allergeringste gesagtgegen brauchbare Alternativen zu Kohle oder Öl. Nur gegen kri-

tikloses Zitieren und Übertreibungen. – Das Thema liefert bei-läufig auch ein Exempel, von welcher Qualitätklimabezogene Artikel in Spektrum der Wissenschaft sind. Lei-der.

Extremwetterereignisse

Mehr und stärkere Hurrikans, Tornados, mehr Sturmfluten,

mehr Dürren, Hitzewellen, Starkregen, Blizzards, Lawinen,

Muren… Die Annahme, dass die Extremwetterereignisse all-gemein zugenommen haben, ist geradezu eine der Säulender Vorstellung, der Klimawandel habe bereits jetzt schlimmeFolgen. Da es bei Schäden durch Extremwetter um Men-schenleben, um Sachwerte, ja, um ganze Ökosysteme geht,ist gerade an diesem Punkt die Angst groß, und die Scheu,noch mal genauer nachzufragen, auch – aber Angst frisstHirn. Leider wäre gerade hier ein nüchternes Betrachten derVorgänge erforderlich, das bloße Argumentieren mit Zah-len ist wertlos. Wenn man das trotzdem tut, weil man die»Botschaft« für wichtiger hält, den mahnenden Appell, dannist das jedenfalls nicht mehr Wissenschaft – sondern Politikoder Predigt. Zunächst müsste man überhaupt durch-schauen, wie diese Zahlen zustande kamen: Wie groß warder betrachtete Zeitraum der beobachteten Veränderung,und welches war der Referenzzeitraum?9 Sind ähnliche An-gaben miteinander vergleichbar (homogen), oder beruhensie auf verschiedenen Methoden? Was an Rahmenbedin-gungen hat dazu geführt, dass größere Schäden und Opfer-zahlen entstanden? Wie hat sich das wirtschaftlicheVerhalten, das Siedeln, die Bauweise, die Vorbeugungs-maßnahmen, der Umgang mit Risiken verändert, welcheRolle spielt das Bevölkerungswachstum? usw. usw. Erstwenn man all diese Einflüsse beziffern könnte, und dannnoch angeben kann, was das langfristig gesehen normaleVorkommen extremer Wetterereignisse ist, dann wüsste

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man genau, was letztlich auf Klima-Veränderungen allein zu-rückzuführen ist. Bloße Opferzahlen zu zitieren, das gehtzwar unter die Haut, hat aber mit einer wissenschaftlichenArgumentation wenig zu tun. Ist die überhaupt noch ge-wollt? Aber was soll das werden, wenn Wissenschaftler denPolitikern (und den Bürgern) ins Gewissen reden, mit Be-rufung auf ihre Wissenschaft, dabei aber glauben, es kämenicht so genau mehr darauf an, weil es doch nun darumginge, endlich zu handeln, sofort, ohne noch lange zu über-legen? Und die Politiker stoßen dann in´s selbe Horn undberufen sich auf den Konsens der Wissenschaftler!Zurück zu den Extremereignissen: viele Probleme mit ex-tremen Wetterereignissen wären nicht lösbar oder milder-bar, selbst wenn man am Klima »drehen« könnte.Es gibt nun zweifellos – laut letztem IPCC-Bericht – regio-nal Veränderungen, vor allem bei den Niederschlagsmen-gen und -verteilungen. Die Auswirkungen sindunterschiedlich. Aber zu einer Globalaussage über alle Ex-tremereignisse und ihre Verursachung durch den Klima-wandel berechtigt das nicht:Meteorologen haben nachgewiesen, dass es für viele der auf-geführten Extremereignisse entgegen der Annahme keinen lang-

zeitigen Trend einer Zunahme gibt, etwa für den Zeitraum derletzten 100 Jahre. Das steht nicht auf Internetseiten erdöl-gesponserter Klimaleugner, sondern etwa in dem Bucheines Meteorologieprofessors und Lehrbuchautors, erschie-nen beim wissenschaftlichen Springer-Verlag (HelmutKraus & Ulrich Ebel, 2003: »Risiko Wetter. Die Entstehungvon Stürmen und anderen atmosphärischen Gefahren«).Man beachte: über Jahre oder Jahrzehnte kann es durchausTendenzen geben, dass bestimmte meteorologische Ereig-nisse zunehmen oder abnehmen, sich verstärken, wiederabschwächen. Verteilt auf verschiedene Erdregionen kannso etwas auch gleichzeitig (gegenläufig) geschehen; das Bud-get an verteilbarem Regen ist schließlich begrenzt, aber dieZugbahnen der verteilenden Tiefdruckgebiete können sichin größeren Rhythmen verlagern, was der einen Regionmehr beschert, einer anderen dafür weniger – nach Jahr-zehnten kehrt sich der Trend dann um. Das ist aber kein An-zeichen einer globalen Erwärmung. Schwankungen mitmittlerer »Wellenlänge« sind natürlich. Es gibt natürliche Zy-klen zum Beispiel von etwa 30jähriger Länge – auf und ab.Ohne Überblick über größere Zeiträume (mehrere Wellen)

ist eine Zuordnung der Welle zum Klimawandel nicht mög-lich! Um sie dem Klimawandel zuschreiben zu können, derim 19. Jahrhundert einsetzte, müsste sich der Trend überdenselben Zeitraum erstrecken wie der Trend der Erwär-mung (der außerdem nach der Mitte des Jahrhunderts eineAbkühlungsphase bis etwa Anfang der 1980er durchlief),und man müsste den Zusammenhang zwischen der Er-wärmung und jener Veränderung auch verstehen können.Selbst bei den vom IPCC angegebenen Trends (mehr oderweniger Niederschläge) ist vermutlich der betrachtete Zeit-raum zu gering – meistens nur die letzten Jahrzehnte –, umsie als Klimaänderungen identifizieren zu können. Der Stan-dard in der Klimaforschung ist ein Trend über mindestens30 Jahre. Für die Behauptung eines Zusammenhangs mitder Erwärmung reichen einige Jahre oder Jahrzehnte nichtaus. Viele Beobachtungen sind aber von dieser Güte.10

Zitiere ich nur eine Einzelstimme? Andere Wissenschaftlerstellten fest, dass das 20. Jahrhundert weder das wärmstenoch das mit dem extremsten Wetter der letzten 1000 Jahrewar. Die Windgeschwindigkeiten in der Deutschen Buchtzeigen über den Zeitraum 1879-2004 keine Parallele zur Kli-maerwärmung, ebenso wenig die Häufigkeit der Sturmflu-ten. Die Orkane haben in den entscheidenden 30 letztenJahren nicht zugenommen, und Ereignisse wie Cyril seienalle 10-20 Jahre natürlich zu erwarten; so sehen es deutscheMeteorologen. Es existieren »keine schlüssigen Beweise fürÄnderungen bei den Mittelbreiten-Zyklonen«, »keine Be-weise für die Zunahme von … Gewittern und Staubstür-men«, »keine Anhaltspunkte für die Vermutung, dieBedrohung durch Tornados hätte mit der Erwärmung derAtmosphäre zugenommen«, nicht einmal die wirtschaftli-chen Tornadoschäden haben zugenommen (Kraus & Ebel).Damit werden Probleme nicht kleingeredet – es ist Realität,dass Menschen in China unter Dürre leiden, dass in man-chen Regionen die Starkregen zugenommen haben, dassviele bei Überschwemmungen ertrinken oder im Sahel ver-dursten (Gründe für letzteres wurden bereits genannt). Aberhier geht es darum, ob man diese Vorgänge pauschal auf den(anthropogenen) Klimawandel zurückführen kann. Diese Be-hauptung geht eindeutig zu weit.Die Behauptung von der allgemeinen und vor allem »wieerwartet« eintretenden Zunahme der Extremwetterereig-nisse ist also alles andere als sicher! Damit wackelt aber ein

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�› Hauptargument für die globale Klimaschutzpolitik in Ge-stalt von CO2-Restriktionen. Was sollen sie helfen? Anderes könnte allerdings helfen, denn man kann eine Mengeandere soziale, ökonomische, infrastrukturelle Bedingungen an-geben, wodurch aus extremen Wetterereignissen, die an sichein Teil der natürlichen Vorgänge und ihrer Variationsbreitesind, Katastrophen werden können. Wer also immer noch be-hauptet, es sei verantwortungslos, vom CO2 abzulenken, hatnicht zugehört. Meine Frage ist, weshalb man von diesenmöglichen Handlungsoptionen ablenkt und nur vom CO2redet – eine Erklärung wäre wohl das allzumenschliche Be-dürfnis, von den eigenen Fehlern abzulenken und den Restder Menschheit zur Verantwortung zu ziehen. – Dabei darfman sich auch diese Handlungsoptionen nicht zu einfachvorstellen! Man kann nicht ohne weiteres in Entwicklungeneingreifen, die in anderen Ländern ablaufen – man will al-lerdings heute in die Entwicklungen aller Länder eingreifen,um sie zu CO2-Restriktionen zu zwingen, ungeachtet derwirtschaftlichen und sonstigen Bedingungen (wie das inAfrika ankommt, zeigt der Kommentar von Fiona Kobusin-gye). Aber man kann zumindest aufklären – auch sich selbst,kann Hilfe anbieten, man kann dafür sorgen, dass nicht die-selben Fehler immer wiederholt werden. Wie schwer dasselbst im eigenen Lande ist, zeigt der zähe Kampf ökologi-scher Aktivisten gegen kurzsichtige »Flusspolitik« in Mit-teleuropa, die zu immer verheerenderenÜberschwemmungen geführt hat. Ein anderes – trauriges– Beispiel sind die missachteten Warnungen von US-Wis-senschaftlern hinsichtlich einer denkbaren Hurrikankata-strophe im Mississippidelta. Die vorgeschlagenenSchutzmaßnahmen und Veränderungen im Delta und amUnterlauf fand man zu teuer, oder sie verloren sich im Irr-garten des Marsches durch die Institutionen. Dann wurdeaus plausiblen Erwägungen plötzlich der Ernstfall: Katrinazerstörte New Orleans. Plötzlich wussten alle, dass daran der»Klimawandel« schuld war.

Aber die Hurrikans nehmen doch zu! | Hier hat Kalisch si-cherlich einen Bock abgeschossen. Seine Kritiker zitiertenhier den tonangebenden IPCC-Wissenschaftler Kevin Tren-berth (2009) als Gewährsmann: die Intensität der Hurrikanshat zugenommen und wird es weiterhin. – Zufällig stieß ichkürzlich auf einen Offenen Brief des Hurrikan-Fachmanns

in den USA, der ursprünglich beauftragt war, das Hurrikan-Thema für den IPCC-Bericht 2007 aufzuarbeiten. In die-sem Brief teilte Chris Landsea am 17.1.2005 mit, dass er vonder Arbeit am 4. Sachstandsbericht des IPCC zurücktrete,weil der Teil, für den seine Fachkenntnisse relevant seien,nicht den realen Stand der Forschung wiedergebe, und dieIPCC-Führung seine dazu geäußerten Bedenken sogar ab-getan habe. Landseas Wissen beinhaltet die Erkenntnis, dasskeine verlässlichen langfristigen Trends in der Häufigkeit oder In-

tensität tropischer Zyklone im Atlantik oder in irgendeinem an-

deren Meeresbecken aufgezeigt werden konnten. Es scheintsogar plausibel, dass eine Erwärmung sich eher mäßigendauf Hurrikans auswirken wird (auch das habe ich mal dar-gestellt, ich verzichte auf die Wiederholung). Während Land-sea noch seinen Bericht ausarbeitete, hatte der in der Tatführende (!) IPCC-Autor Trenberth schon in einer Presse-konferenz behauptet, die globale Erwärmung führe wahr-scheinlich zu vermehrtem Auftreten heftiger Hurrikans! –mit den wissenschaftlichen Grundlagen stand das zwarnicht ein Einklang, aber die IPCC-Leitung hatte offenbarnichts gegen diese Aussage vor der Öffentlichkeit! – Das hatLandsea veranlasst, diese Diskussion als »politisiert« anzu-sehen und war der Grund, weshalb er am letzten IPCC-Be-richt nicht mehr mitarbeitete. Und deshalb zitiert manTrenberth, wenn es um den Hurrikanalarmismus geht – nicht

Landsea!

Kioto bezahlbar? Der Stern-Report

Leider sind wir noch nicht fertig mit dem Säulenumstoßen:Der sog. Stern-Report von 2006 – Schad & Kümmell erwäh-nen ihn nicht explizit, aber er gilt als eine der zementenenGrundlagen der ganzen Kioto-Politik (er steht auch im Hin-tergrund von Artikeln in dem zitierten Dossier 4-09 vonSpektrum der Wissenschaft). Dieser wurde schon kurz nachVeröffentlichung von einem halben Dutzend erfahrenerÖkonomen kritisiert und »zerlegt« (Björn Lomborg fasstedie Literatur zusammen, auch das nimmt keiner zur Kennt-nis, obwohl Lomborg ein bedachtsamer und zukunftsorien-tierter Denker ist, dem nicht an »weiter wie bisher« gelegenist, sondern an echten Problemlösungen). Jüngst erschiennun eine weitere Kritik eines Ökonomen (Richard S.Tol), diedetailliert aufzeigt: Stern hat übertrieben, untertrieben, verzerrt,

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selektiv zitiert oder unterschlagen, je nach dem, um zu errei-chen, was erreicht werden sollte – es war ja ein Gutachten zuDiensten von Politikern, das »Kioto« sanktionieren sollte. Inkritischer Beleuchtung wird nun erneut deutlich: »Kioto«erscheint unverhältnismäßig günstig (»wir können uns dasleisten, es ist bezahlbar!«), die Kosten des (erwarteten) Kli-mawandels werden dagegen stark übertrieben, positive Be-wertungen der Möglichkeit des Ausbaus der alternativenEnergien wurden herausgepickt, während kritische Bewer-tungen (sogar Einwände der zitierten Autoren selbst) unter-schlagen wurden, und Stern übertrieb die Kosten für dieStrategie der Anpassung an den Klimawandel im Vergleich zudenen der Vermeidung (CO2-Reduktion).Und im Extrakt fand das seinen Eingang in Teil III des Weltkli-

maberichts von 2007. Der ist hiermit auch in diesem Punktnicht vertrauenswürdig. – Aber wen interessiert das? Nur»weiter so!« mit dem Klimaschutz durch Kioto-Maßnah-men. Kritik ist »Gedankenverbrechen«.

Artensterben

Zu behaupten, zwischen 1970 und 2000 seien 30% aller Tier-und Pflanzenarten ausgestorben, und dies habe im wesentli-chen der Klimawandel bewirkt, schockiert, aber es ist inmehrfacher Hinsicht unbrauchbar. Da es keinen genauenNachweis gab, müssen allgemeine Erwägungen genügen.Zunächst fehlt ein Bezug:a. Wer weiß genau, wie viele Arten es gibt? Keiner! Manschätzt die Gesamtzahl sehr unterschiedlich (von wenigenMillionen bis nahe um 100 Millionen).b. Das Gros der vernichteten Arten ist ganz sicherlich den Re-genwaldbrandrodungen zuzuschreiben – das könnten Aber-tausende sein. Aber wie viele im Regenwald zugrundegingen, weiß man nicht, da sie bisher noch gar nicht alle be-stimmt worden waren! Es ist ein Verbrechen an der Erde,dem wir aus der Ferne zuschauen (müssen). Und solchePerversitäten wie Ölpalmenplantagen auf Borneos ehema-ligen Regenwaldböden zur Produktion von »Biodiesel« sindein schlimmer Rückschlag. – Mit den Folgen des Klima-wandels hat das allermeiste an Artenausrottung höchst-wahrscheinlich nichts zu tun.c. Historisch gesehen: wenn dem so wäre mit dem Arten-sterben durch die Erwärmung, dann hätte dasselbe auch

schon während des Anstiegs der Erwärmung zum Hoch-mittelalter, aber auch zur Römerzeit und geradezu in ver-heerendem Ausmaß während des weit wärmerenKlimaoptimums vor 7-5000 Jahren geschehen müssen (»At-lantikum«). Das ist aber nicht der Fall. Klimaoptima tragenaus guten Gründen ihren Namen. Wenn also jetzt in denletzten Jahrzehnten so viele Arten ausstarben, dann musses, wie schon vorher, durch andere Einflüsse des Menschengeschehen sein – außer durch die Brandrodungen: durch In-tensivlandwirtschaft, Monokulturen, Versiegeln von Böden, Über-

düngung, --> tote Zonen auf dem Meeresgrund, chemische

Belastung, Vergiftung, Zerstückelung oder Vernichtung eines Bio-

tops, Überfischung, Wilderei, Einschleppen fremder Arten, dieeinheimische verdrängen (invasive Arten). Alte Themen derökologischen Bewegung also… langweilig? Aber sie bleibenkonkret, hier könnte man wirklich verantwortungsvoll Maß-nahmen ergreifen, könnte Verhaltensweisen ändern. Es istallerdings viel mühsamer als die Propagierung einer All-Lö-sung oder das Anprangern eines einzigen Schuldigen.d. Dass das »rasante« Tempo der Erwärmung der letzten Jahr-zehnte verantwortlich sein soll für dieses Artensterben,leuchtet ökologisch nicht ein, außerdem bleibt dieses »ein-zigartige Tempo« der Erwärmung eine Behauptung – nurdie ständige Wiederholung macht sie zur anerkannten Tat-sache (aber Klimahistoriker widersprechen). Die natürlicheSchwankungsbreite der Temperaturen am Tag, im Jahres-lauf, die eine Pflanze oder ein Tier verkraftet, ist enorm, undwesentlich relevanter als die »globale Durchschnittstempe-ratur«, die sich seit 100 Jahren um max. 0.7° erhöht hat,dürfte das Mikroklima sein, das von vielen Faktoren abhängt.Es kann allerdings das Zusammentreffen von mehreren Fak-toren aus der oben aufgeführten Liste menschlicher Verant-wortlichkeiten mit ungünstigen Klimaveränderungen (eherbei den Niederschlägen als bei den Temperaturen?) zueinem Aussterben geführt haben, wenn die Möglichkeiteiner Abwanderung oder Arealverlagerung nicht mehr ge-geben war.

Was kann man noch hinzufügen? Vielleicht zum fünfzigs-ten Mal: »Stoppt die Brandrodungen im Regenwald, sorgtdafür, dass keine Tropenhölzer illegal eingeschlagen und imBaumarkt angeboten, keine Rinderweiden, keine Soja- undÖlpalmenplantagen anstelle von tropischem Regenwald an-

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�› gelegt werden!« Wie schwer auch das ist, zeigen die Kaum-Fortschritte in Verhandlungen mit den Ländern, in denenes geschieht.Man kann fortfahren: »Wenn es um den Erhalt der tropi-schen Korallenriffe geht, dann stoppt die Überfischung, ihreÜberdüngung und Schädigung durch Wasserverschmut-zung und zu viel Tourismus!« Da diese Riffe extrem oligo-troph sind, vertragen sie keinen hohen Nährstoffeintrag(Phosphor und Stickstoff aus Düngemitteln, die über dieFlüsse in die Meere gelangen, ebenso Sedimente). Auch daswurde bereits gesagt. Nun behaupteten Schad & Kümmell,infolge des Klimawandels sei ein Großteil der Korallenriffe (wahr-

scheinlich irreversibel) ausgestorben. Wirklich? Es gab 1997-98durch das große El Niño-Ereignis in der Tat an vielen tropi-schen Riffen Absterbevorgänge oder ein Ausbleichen. Dassdas Bleichen aber nicht das unvermeidliche Ende sein muss,sondern ein umkehrbarer Vorgang sein kann, geht aus derLiteratur hervor; es kann das Anzeichen eines Wechsels derEndosymbionten sein (in den Korallentieren leben Fotosyn-these betreibende, grüne Einzeller; ihre Art ändert sich ver-mutlich mit den Umgebungsveränderungen). In einemBuch über die Meere, in dem viele große tropische Riffe por-trätiert sind, finden sich bei den meisten Kommentare wie:»Zustand im Allgemeinen gut / lokale Schäden / erholt sichvon Korallenbleiche 1998«. Offenbar ist das nicht bekannt.11

Das Bleiche-Phänomen wird übrigens erst seit wenigenJahrzehnten überhaupt systematisch beobachtet und doku-mentiert. Für weitreichende Aussagen ist es daher zu früh. Es gab in den letzten Jahren mehrere El Niño-Ereignisse (dieSchwankung ihrer Häufigkeit ist beträchtlich, zwischen 2und 7 Jahren). Korallen reagieren offenbar besonders emp-findlich auf sprunghaftes Ansteigen der normalen Meeres-temperatur, was mit den El Niño-Anomalien einhergeht.Das hat ihnen zugesetzt, El Niño von 1998 war ein heraus-ragendes Ereignis auf dem Gipfel einer Wärmephase, waralso ein Phänomen, das mit dem Klimawandel in Verbin-dung stand. Aber damit ist nicht gesagt, »der Mensch istdaran schuld«, ebenso wenig, dass er weitere solche Ereig-nisse unterbinden könnte. Allerdings könnte es sein, dassdurch die Häufung schädigender Einflüsse des Menschensich Korallenkrankheiten ausbreiten, die zusätzlich deren Wi-derstandskraft herabsetzen.Der IPCC-Bericht 2007 macht keine Globalaussage, der Kli-

mawandel sei schuld an dem teilweisen Korallensterben oder-bleichen, abgesehen von den Stress ausübenden El Niño-Ereignissen. Vielmehr sei die »Korallenriffkrise« fast sicherdas Ergebnis des komplexen Zusammenwirkens solcher kli-matischen Stressbedingungen mit den genannten, lokalvom Menschen ausgehenden Faktoren (Teil II, S.854). Aufjeden Fall wird die Anpassung der Korallenriffe an Klima-veränderungen erleichtert, wenn die menschlichen Störein-flüsse reduziert werden können. Deren Ausmaß stelltallerdings eine beträchtliche Gefährdung des weltweiten tro-pischen Korallenbestandes dar! Im riesigen südostasiati-schen Riffbereich ist es zum Beispiel immer noch üblich,mit Gift oder mit Sprengstoff zu fischen!Kalisch hat übersehen: die Korallen werden durch die Ver-sauerung der Meere aussterben… Wer das meint, muss wie-der zurück, wie beim »Mensch-ärgere-dich-nicht«: sieheKommentar zu »Meeresversauerung« und der wissen-schaftsjournalistischen Ente von den 0.3 pH bis 2100…

»... weitere CO2-Emissionen verhindern«

Sollte das wirklich so gemeint sein, dann lasse man diesenSatz doch, bitte, auf der Zunge im Ohr zergehen: Das be-deutet »hört auf zu wirtschaften, zu handeln, zu heizen, zukochen. Und zwar sofort!« Aber was dann? Reicht es, demallgemeinen menschlichen Egoismus (unser aller Egois-mus) ein Ideal entgegenzuschleudern, indem der Satz »erstkommt das Fressen, dann die Moral« einfach auf den Kopfgestellt wird: die (Umwelt-)Moral an erster Stelle, dann dieBedürfnisse der Menschen? Ist das ein wirklich humanesDenken? Ich finde nicht. (Selbst wenn es eine wirklich über-zeugende wissenschaftliche Basis hätte!) Es entspricht demheute üblichen ökologischen Denken »für die Erde«, dassder Mensch als Kulturwesen im Grunde keine Rolle spielt –außer als Zerstörer, als Gleichgewichtsbrecher.Befürchtungen eines zivilisatorischen Harakiri wird natür-lich das Postulat entgegengehalten, das Fossile könne allesrasch durch Solarenergie, Wasserstoff, Windkraft usw. ersetztwerden – aber bei genauerer Prüfung stößt man auf den Wi-derspruch, dass das »drastisch sofort« im Grunde nur in 40Jahren zu bewältigen sei. Und wenn das wirklich so wäre,dass die fossile Lücke ganz ausgefüllt werden kann, worüberdiskutieren wir dann eigentlich hier? Diesen Übergang zu

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ermöglichen wäre in erster Linie eine Aufgabe der kapital-erwirtschaftenden Energieerzeuger, der Autobauer usw., dieihr eigenes Investitionsvolumen dafür einsetzen können –denn der sog. »Mehrwert« hatte nach dem kapitalistischenUrverständnis nicht nur die Aufgabe, Reisen nach Bali zufinanzieren, sondern Investitionsvermögen zu bilden. Da lie-gen Milliarden in petto. Die Predigt vom »es muss aufhö-ren mit dem CO2-Ausstoß« dröhnt aber in unsere Ohren. Esdröhnen die Politiker, die UN-Vertreter, die wissenschaftli-chen Berater (Schellnhuber), die Presseleute. Jeder Erden-bürger soll das Klimaproblem lösen – man will ihm dabeihelfen, indem man ihm ein »gerecht« an alle verteiltes,gleichgroßes CO2-Verbrauchspäckle zuteilt, das »Budget«des Erlaubten. Aber was ist die Strategie? Der Durchschnitts-Erdenbürger soll durch Sparen, Steuerzahlen (immer hö-here Energiepreise nebenher verkraftend) ein neuesHybridauto, Verzicht auf Fleisch und Milchprodukte, mitRadfahren (alters- und regionenunabhängig) und vieles wei-tere – sogar von Hülsenfrüchten und blähenden Zwiebel-gewächsen wurde schon abgeraten – diese Klimarettungermöglichen. Er soll sein Haus sanieren (was machen dieMillionen Mieter, die das gar nicht dürfen?). Sparen an sichist absolut vernünftig und verantwortungsvoll, nur: das al-lein führt noch zu keiner Energiewende! Der Standarder-denbürger soll also gleichzeitig genötigt werden, von derNachfrageseite her die flächendeckende Ausbreitung alter-nativer Energienutzung herbeizuführen. Aber man wird unsdie Solarpanele, die Wärmedämmung des leider in den 1950er

Jahren gebauten Hauses, die Elektroautos und Hybridfahrräder

nicht schenken.Neue Techniken – viele stecken erst in der Er-probungsphase! – fordern Investitionsvermögen zur An-schaffung, daran führt kein Weg vorbei. Wer hilft dabei mitMillionen von individuellen Krediten? Es sieht so aus: eineWunderquelle, nämlich die Geldbeutel der zunehmendmehr gebeutelten Beutelträger-Bürger soll die Energiewendeherbeiführen und die Forschung und Entwicklung speisen – stattder gleichzeitig im Hintergrund unbehelligt ihre Milliardenabschöpfenden Spekulanten, aber sehr wohl auch der Ener-giekonzerne. – Die öffentliche Förderung für »klimaschüt-zendes Bauen« soll von der Bundesregierung übrigensgerade heruntergefahren werden.Es gibt noch einen Wunderweg, der heißt: Verhaltensände-rung, Änderung des Lebensstils. Das klingt nach einem sehr

schönen Ideal. Aber, bitte, es geht nicht um Worte, sondernum das, was im Kontext gemeint ist: Als Alternative zu alldem, was man doch nicht bezahlen wird können (oder nureine Elite), kann man dafür auch ein schlichteres Wort wäh-len: Verzicht. Was alles dem Verzicht zum Opfer fallen soll,überlasse ich Ihrer Fantasie. Es geht ja nicht um Verzichtauf Luxus, um das Aufgeben unnützer Konsumgewohnhei-ten – denn die machen den Kohl nicht fett. Es geht um dengesamten Lebensstil, der nun einmal zur Zeit wesentlich vonden Kräften der fossilen Brennstoffe getragen wird.Auf einer Basis, die wissenschaftlicher Moorboden ist, be-deckt mit morschen Planken zwischen spiegelnden Ober-flächen, unter denen nichts einen Halt bietet – auf dieserBasis von den Menschen pauschal und mit moralischemNachdruck Verhaltensänderungen zu verlangen, das heißt dieBereitschaft, das bisherige Leben ganz aufzugeben, um ein»sehr wahrscheinlich« eintretendes Problem abzuwenden,das ist ja doch der Versuch einer Revolution von oben. Werandere Zukunftsvisionen hat, und vielleicht doch einen Wertdarin sieht, ein Auto zu besitzen, der auch seelisch von Rei-sen große Bereicherung erfährt und der froh ist über Gas-heizung und Gasherd – ist der dann ein Konterrevolutionär?Wenn jetzt eingewendet wird, das sei überhaupt nicht ge-meint, dann kann ich nur sagen: Die Leute, die das Schlag-wort vom »sofort drastisch und weltweit CO2-Ausstoßreduzieren« in die Welt posaunen, denken nicht nach. Unddas ist kaum verantwortungsvoll.

Ein fragwürdiges Werkzeug | Das Modell einer neuen CO2-Steuer zieht am Horizont auf, die Ideen dazu sind schon alt;in Frankreich sollte sie jetzt am 1.1.2010 in Kraft treten (dasVerfassungsgericht hat es blockiert). Wozu diese Steuer? Siesoll zur Sparsamkeit zwingen, um auf diese Weise immerweniger CO2 auszustoßen; andererseits stellt sie Investiti-onsvolumen zur Verfügung – das der Staat dann wieder ver-teilen könnte (anstelle des kapitalistischen Mehrwerts ausder Energiebranche). Diese Besteuerung fängt an mit viel-leicht 30 ¤ pro Tonne CO2-Ausstoß – bei ca. 9 Tonnen proJahr und Kopf im Bundesdurchschnitt sind das, laut einemDossier der ZEIT, 270 ¤ neue Steuer pro Jahr (während all-gemein die Einkünfte bei gleichbleibender Arbeit sinken,z.B. machte unlängst wieder eine namhafte große Firmaihren Angestellten das »großzügige Angebot«, sie weiter zu ›

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beschäftigen, wenn sie mit 25% Einkommensreduktion ein-verstanden sind). Für eine vierköpfige Familie wären es alsorund 1100,- ¤ einer neuen CO2-Steuer jährlich. Dannkommt aber der Progress: 40, 50 ¤ pro Tonne usf., so siehtes das Modell der Theoretiker in Großbritannien und denUSA vor – letztlich als Zwangsinstrument, um die »klima-schädlichen« Techniken aufzugeben und in nachhaltige Al-ternativen zu investieren (aber woher das Geld dafürnehmen?). Dieses Modell des »Klimaschutzes« wird gebetsmühlenartigwiederholt, aber wie unbrüderlich ist der dahinterstehende»globale« Humanismus eigentlich? Natürlich herrscht überdie Erde hin krasse Ungerechtigkeit in der Verteilung derGüter. Aber nicht deshalb, weil das Prinzip Gleichheit ver-letzt würde – das gehört eigentlich dem Rechtsleben an –,sondern weil sich die wirtschaftliche Produktion und Ver-teilung an anderen Prinzipien statt der primären Aufgabedes Wirtschaftslebens orientiert, der Deckung von Bedürf-nissen – das wäre ein gesundes Ideal anstelle der neuen ega-litären »Klimagerechtigkeit«, wie es Rudolf Steiner in seiner»Dreigliederung« dargelegt hat!Die CO2-Steuer ist kein Weg zu mehr Gerechtigkeit, son-dern ein Instrument des Bedarfsdiktats.

Das böse Auto | Übrigens: das Auto hat am gesamten CO2-Ausstoß eines Bundesbürgers nur einen Anteil von ca. 14%,der Konsum und das Heizen viel mehr, auch das stand imoben zitierten ZEIT-Dossier. Würde ich nun verzichten aufdas Auto, so könnte ich als Familie vielleicht 150,- ¤ CO2-Steuer einsparen – das versetzt mich allerdings nicht in dieLage, eine brauchbare Alternative zu finanzieren, beschnei-det jedoch mein Leben in vielen Fällen drastisch. Und dasUmsatteln auf ein sparsameres Auto hilft vielleicht denCO2-Anteil des Autos (ca. 14%) um ein Drittel oder besten-falls die Hälfte zu reduzieren. Aber erst muss man dafüreine große Summe investierten! – Vielleicht zwingt die neueSteuer überhaupt dazu, auf die Haltung eines eigenen PKWzu verzichten (auf Heizen kann ich nun mal nicht verzich-ten)? Dann wirkt sich das auch aus auf mein Geistesleben, aufdie Bildung meiner Kinder: das Fahren zur Waldorfschule,die Sportaktivitäten, die Reisen! Und das in den sogenann-ten »reichen Industrienationen«.Meine Schlussfrage lautet daher: Warum denkt man nicht

nach über andere Wege anstelle von Emissionshandel und CO2-

Steuern, um die notwendige Umwandlung unserer zivilisatori-

schen Energienutzung vernünftig und in einem brüderlichen

Sinne zu gestalten? Und welchen Sinn hat eigentlich der teil-

weise hasserfüllte Kampf gegen die »Klimaskeptiker«, wenn sie

doch selbst auf die Notwendigkeit der Energiewende, auf ökologi-

sche und soziale Missstände hinweisen – und eine transparente

und diskussionsbereite Klimaforschung fordern?Und vieles wirdja bereits getan im Energiebereich! Nur braucht diese fun-damentale Wende eben Zeit, und manches ist nicht das, wases zuerst versprach. Mit einer Revolution von oben ist daskaum zu bewältigen.Andere Wege und offene Diskussion – das ist mühsam undunspektakulär, und soziale und ökologische Missständeüberall auf der Welt, das bedeutet Drecksarbeit. Geltungs-bedürftige Politikerpersönlichkeiten können damit keinenStaat machen. Aber mit »Klimapolitik« und »2°-Leitplan-ken« – und dazu braucht es ein klares Feindbild, damit mansich selbst den Ruhm des Klimarettertums sichern kann. Undvielleicht spielen die riesigen Löcher in den Staatsbudgets jadoch eine Rolle: eine CO2-Steuer wäre Balsam.

PS: Zuletzt noch etwas zum Ökologen James Lovelock, derselbst auf die Idee kam, die Erde müsste ein Organismussein: wussten die beiden Kritiker, dass für Lovelock einer derletzten Rettungswege aus dem »CO2-Fieberzustand derErde« der massive Ausbau der Kernenergie ist?

Anmerkungen1 http://planetdaily.ws/index.php/more/299 , auf Deutschhier zu finden, http://www.eike-klima-energie.eu/news-an-zeige/klimarevolte-in-afrika-die-wahre-klimakrise-von-afrika/, allerdings ist das die Internetseite von‹Skeptikern›, also nicht verwendbar.2 Der Meteorologe H.Kraus machte dazu die interessanteBemerkung, dass diese Anpassung »Wellen kaputtmacht«,also die natürlichen Schwankungen (persönliche Mittei-lung).3 Dass dennoch Ordnungen auftreten, Rhythmen unter-schiedlicher Länge, ist noch ein weites Feld offener Fragen– allerdings verlaufen diese Rhythmen nicht harmonisch,nicht wie Sinuskurven auf dem Papier.4 Lenton T.M., St. Rahmstorf, H.J. Schellnhuber et al.,

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»Tipping elements in the Earth´s Climate System”, PNAS105/6, 12.2.2008. 5 Lenton, T.M., 2009: »Tipping points in the Earth sys-tem”, http://researchpages.net/ESMG/people/tim-lenton/tipping-points/ 6 Solanki, Usoskin et al., Nature 431, 1084-1087(2004)7 Eine frische Diskussion darüber findet man in ScienceBd. 328, S.973-76: »Cretacious Extinctions: Multiple Cau-ses«.8 Haugan, P. M. & Drange, H.: »Effects of CO2 on theocean environment.« Energy Convers. Mgmt 37, 1019-1022 (1996). Ironischerweise wurde diese Arbeit von dernorwegischen StatOil gesponsert. Sie behandelt auch dieFrage, wie man CO2 mit einem Rohr in die Tiefsee ver-bringen könnte, und welche Auswirkungen das hat.9 Worauf man sich bezieht, spielt eine entscheidendeRolle! In diesem Sinne sollte man auch bedenken, wennwieder von einem neuen Wärmerekord »seit Beginn derAufzeichnungen« die Rede ist, dass dieser Beginn aller-meistens im 19. Jh. lag und damit noch in der letztenPhase der Kleinen Eiszeit – mit einem entsprechend nied-rigeren Durchschnittsniveau der Temperaturen. Diese Käl-teepoche (etwa im 14. Jh. einsetzend) wurde durch dieSonne beendet. Besonders warm waren bereits die 1930erJahre.10 Diesem Abschnitt liegt auch ein kürzlich stattgefunden-des Gespräch mit Prof. Helmut Kraus zugrunde.11 Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics, »20thCentury Climate not so hot«, 2003.12 Herausgeber dieses über 500 Seiten starken, exzellentbebilderten Buches ist das American Museum of NaturalHistory New York.- Oder hier hineinschauen:http://www.wri.org/map/threatened-reefs-and-signs-pro-mise-reef-locations, http://pdf.wri.org/reefs.pdf (Bryant &Burke, 1998: »Reefs at Risk«). «