Die Rechenpfennige und die operative Arithmetik / von Alfred Nagl

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    clienpfennie und ie operative ArithmJLM

    von

    Dr. Alfred Nagl.

    Hit drei Tafel H.

    Wien-ISSaI m S e 1 b s t v e:r 1 a g e cl,e;s V er f a 's se r s

    Aus der k. k. Hol- und Staatsdruckerei,

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    Die Rechenpfennige und die operative Arithmetik.Ton

    Dr. Alfred Nagl.

    Die moderne Numismatik umfasst mit der Bezeichnung Jetonseine Classe von Erzeugnissen der Mnzkunst, deren gemeinsameKennzeichen sich etwa dahin bestimmen lassen, dass sie, in derRegel aus minderwertig gern Metalle: Kupfer, Bronze oder Messing,auch Blei erzeugt, in ihrer Ausfhrung den Charakter einer flch-tigeren Kunstbung aufweisen. Sie unterscheiden sich von denGeldmnzen schon durch den Abgang der Geldqualitt, von diesenund den Medaillen jedoch hauptschlich dadurch, dass sie denstrengen Kunststil derselben ablegen und sich auch in ihren bild-lichen Darstellungen von der strengen, hufig eintnigen Frmlich-keit der ersteren entfernen und mehr der Mannigfaltigkeit deswirklichen Lebens nhern. Alle diese Momente gengen allerdingsnicht, um den Gegenstand hinlnglich genau zu bestimmen, ja siesind zudem in allen Punkten von gegenteiligen Erscheinungenbegleitet. Es ist hiezu durchaus nthig, auf den Zweck dieserGebilde nher einzugehen. Hiebei ergibt sich jedoch die Wahrneh-mung, dass die Numismatik nach ihren wissenschaftlichen Zielenfr diese Untersuchung nicht ausreicht. Denn wie die Geldmnzendurch ihre ussere Erscheinung, deren Beobachtung sich die Numis-

    (Dr. Alfred Nagl .) 1

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    ^ Dr. Alfred Nagl : Die Rechenpfennige

    matik zunchst zur Aufgabe gemacht hat, weitaus nicht vollstndig*bestimmt werden knnen, eine Betrachtung derselben aber hinsicht-lich ihres eigentlichen Zweckes mitten in das beraus schwierigeund umfangreiche wissenschaftliche Gebiet des Geldverkehrs undin weiterem Verfolge in die Lehre von dem Verkehre der Gter-werthe berhaupt hineinfhrt, Gebiete also, die den wissenschaft-lichen Zielen der Numismatik schon ferne liegen, so gelangen wirauch bei unserem Gegenstande mit der Herbeiziehung seiner wirk-lichen Bestimmung auf ein der Numismatik ziemlich fremdartigesFeld, nmlich auf das der praktischen operativen Arithmetik. DieJetons sind nmlich, was insbesondere ihr deutscher Name Zahl-,Rait- oder Rechenpfennige sofort deutlich macht, eine technischeEinrichtung fr das praktische Rechnen und wir werden nachzu-weisen haben, dass mich der franzsische Name ..jeton durchausin enger Beziehung zu dieser Einrichtung steht. Wir werden desweiteren finden, dass diese praktische Bestimmung der ganzenClasse von Erzeugnissen, von welcher hier die Rede ist, zunchstihre Entstehung gegeben hat und dass sich die anderen hnlichenErzeugnisse der Mnzkunst hieran nur als ein gelegentlicher,grsstenteils ziemlich nebenschlicher, oder aber als ein zeitlichjngerer Auswuchs anschliessen. Diese enge Beziehung zu deroperativen Arithmetik ist es denn auch, welche den eigentlichenAngelpunkt dieser Besprechung bilden soll und wir mssen dahervon unserer Betrachtung, welche einen ziemlich reichhaltigen undkulturgeschichtlich nicht unwichtigen Gegenstand umfasst, alleanderen Erzeugnisse hnlicher Art ausschliessen. Dazu gehren allesogenannten Marken, das sind reprsentative Zeichen, sei es frdas wirkliche Geld, wie z. B. die englischen token, sei es als An-weisung fr Lebensmittel, fr Zuschauerpltze in Theatern u. dgl.;ferner alles was in das Gebiet der Medaillen, Erinnerungszeichen,Amulette u. dgl. gehrt.

    Da diese Beziehung der Rechenpfennige ohne eine, wenigstensallgemeine Kenntnis ihrer technischen Verwendung nicht vllig zuverstehen ist, so wollen wir ber diesen Gegenstand, das sogenannteRechnen auf den Linien, wie es namentlich aus einer zahl-reichen Menge von Rechenbchern des 16. Jahrhunderts zu entneh-men ist, hier das allernthigste angeben. Nach diesen Lehrbchern

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    und die operative Arithmetik.

    wird die Darstellung der arithmetischen Zahlengrssen durchZuhilfenahme eines Schemas wagrechter, paralleler Linien erzielt,

    welche, wie in nebenstehender*' ' Figur 1. ersichtlich, durch eine

    oder mehrere senkrechte Linienin sogenannte Feldungen oder

    *-

    Cambiere untertheilt sind. Jenewagrechten Linien vertretennun die Zahlenstellen des deka-dischen Systemes in der Weise,

    ______ dass die unterste Linie fr dieEiner, die zweite darber frdie Zehner, die dritte fr dieHunderter, die vierte, welche

    durch ein Kreuz kenntlich gemacht wird, fr die Tausender u. s. w.bestimmt ist. Demzufolge bedeutet z. B. ein Rechenpfennig, welcherauf die unterste Linie gelegt wird 1, drei Rechenpfennige auf derzweiten Linie die Zahl 30 u. s. w. Eine Stelle, welche keine Ein-heiten enthlt und in der dekadischen Ziffern arithmetik durch zubezeichnen ist, wird beim Rechnen auf den Linien einfach durchdas Leerlassen der betreffenden Linie dargestellt. Da ein Anhufenvon mehr als vier Pfennigen auf einer Linie die Numcration unber-sichtlich machen wrde, so besteht in dieser Rechentechnik dereinfache Ausweg, dass jeder Zwischenraum zwischen zwei Linien(Spazium) das fnffache der darunter, beziehungsweise die Hlfteder darber liegenden Linie an Stellenwerth reprsentirt, so dassein Pfennig im ersten Spazium die Zahl 5, im zweiten die Zahl 50

    n. s.w. darstellt. In der neben-* lg# 2 * stehenden Figur 2 stellen also

    die Pfennige rechts von der senkrechten Linie die Zahl1076, die links liegenden

    ~ aber die Zahl 329 vor. Mansieht, dass hiebei das Addiren

    zweier Zahlen lediglich durchZulegen (addere) der einerZahl entsprechenden Pfennige

    1*

    *--o-O-O-Oo ooo-o-o

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    4 Dr. Aii'rcd Xa-1: 'Die Rechenpfennigezu der anderen schon angestellten Zahl bewerkstelligt wird und esist dann nur die weitere Aufgabe, die hiebei sich ergebendeNumeration zu ordnen, d. h. fr je 5 Pfennige auf einer Linie1 Pfennig in das darber befindliche Spazium, und fr je 2 Pfennigein einem Spazium einen auf die darber liegende Linie zu legen.Das Subtrahiren ergibt sich dann ganz einfach durch ein Weg-nehmen (subtrahere) von Pfennigen, *) wobei natrlich nach Um-stnden vorher ein Pfennig einer hheren Stelle in die entspre-chende Anzahl auf der nchst niedrigeren aufzulsen ist. Eine sehreinfache und in den alten Lehrbchern stets vorkommende Operationist ferner das Halbiren und Verdoppeln, das sogenannte Medirenund Dnpliren einer Zahl. Es wird beim Mediren von je 2 Pfen-nigen 1 weggenommen, ein einzelner brig bleibender jedoch inder Weise medirt, dass er, auf einer Linie liegend, in das darunterliegende Spazium gerckt, oder der in einem Spazium brig blei-bende durch 2 Pfennige auf der darunter liegenden Linie und durcheinen weiteren Pfennig im Spazium unterhalb dieser Linie ersetztwird. Beim Multipliciren handelt es sieb, wie auch beim Divi-diren, vor allem um die sogleiche Bestimmung des Stellenwerthesfr die einzelnen Zahlenergebnisse und es ist hiebei ein wichtigertechnischer Anhalt, dass jeweils eine Linie einer hheren Stelledurch das Auflegen des Zeigefingers der linken Hand als Einheits-linie markirt wird, bis die Operation wiederum weiter nach untenrcken kann. Denn im Allgemeinen vollziehen sich alle diese Opera-tionen mit gleicher Einfachheit von der niedrigsten zur hchstenStelle vorschrcitend, oder umgekehrt. Auch ist noch das Momentbesonders bemerkenswert-]), dass bei der Division der Linienrech-nung die Wahl eines zu kleinen Divisors nicht wie beim Ziffern-rechnen sich als ein Fehler darstellt, weil auf den Linien die ein-fache Fortsetzung der Operation zuletzt ohne alle technische Unzu-kmmlichkeiten zu der richtigen Quotientensumme fhrt.

    Diese arithmetische Technik weist das sofort sich aufdrngendeMerkmal, dass sie der Zuhilfenahme des Schriftwesens und derschriftlichen Zeichen sich gnzlich entschlgt, wesshalb denn diese

    1 ) Durch Aufheben der Pfennige, wie die altn Kechenbehel sagenDaher stammt sieher auch unser arithmetischer Terminus: Hebt sich auf.

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    und die ganze Classe der Melier gehrigen Rechenmethoden wissen-schaftlich als das Rechnen mit den u nbezeichne t en Rechcn-steiiien am genauesten bestimmt wird. Die ganze Methode machtden Eindruck eines sehr primitiven Zustandes der Rechenkunst 2),obwohl nicht unbemerkt bleiben kann, dass sie eine durchaus ent-sprechende, ja sehr anschauliche Darstellung des dekadischenZaklensystemes bietet, und dass ihre Anwendung nach einzelnenLehrbchern des 16. Jahrhunderts (z. B. Kbel) sich sogar auf dasAusziehen der Quadrat- und Kubikwurzeln erstreckt hat.

    Bei der gnzlichen Vergessenheit, in welche diese Rechen-methode in neuerer Zeit verfallen ist, so zwar, dass mit Ausnahmedes Ausdruckes Eait- oder Rechenpfennig im Volke nicht diegeringste Erinnerung daran mehr lebt, und im Zusammenhange mitdem Umstnde, dass erst mit Ende des fnfzehnten Jahrhundertsund hauptschlich nur im sechzehnten sich praktische Lehranwei-sungen fr diese Rechenmethode vorfinden, hat es den Anscheinund hat man wohl auch geglaubt, als ob wir es hier nur mit einerdamals zufllig aufgekommenen Rechenweise von geringer Bedeu-tung und beschrnkter Anwendung zu thun htten. Wir werdenaber die Wahrnehmung machen, dass dieselbe das ganze Mittelalterhindurch und bis in neuere Zeit die hauptschlichste, ja vielfachgewiss ausschliessliche praktische Eechenmethode in der ganzenScala der ffentlichen Aemter und der brgerlichen Gesellschaftgewesen ist und dass wir es daher hier mit einer gesellschaftlichenEinrichtung von nicht unbetrchtlicher kulturhistorischer Wichtig-keit zu thun haben. Zur richtigen und allseitigen Wrdigung dieserVerhltnisse sind nun die Rechenpfennige in ihrer usseren Gestaltnicht wenig dienlich und es lohnt sich daher gar sehr der Mhe,sie in diesem Zusammenhange speciell zu betrachten und mit den

    2) Sie hatte fr gemeine Brche, mit Ausnahme von Va , welcher durcheinen Pfennig unterhalb der ersten Linie auszudrcken war, kein Darstellungs-mittel. Auch auf die Decimalbrche, welche durch Fortsetzung' des Linien-schemas unterhalb der ersten Linien so naheliegend gewesen wren, ist mannicht gerathen. Fr complexe Zahlen (Gulden, Groschen, Pfennige- Centnei\Pfunde 11. s. w.) dienten eben die Feldungen, welche auch das Nebeneinander-stellen mehrerer mit einander operirenden Zahlen gestatteten.

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    G Alfred Nagl : Die llechenpfennigebrigen Herauf bezglichen Erscheinungen in Verbindung zubringen.

    Die obige kurze Darlegung der Kechenmetliode ergibt aller-dings, class fr dieselbe die Verwendung eines Zeichens, einer bild-lichen Darstellung auf den echenplttchen eine vllig gleichgltigeSache war, allein es ist ebenso naheliegend und dem historischenSachverhalte auch entsprechend, class diese Decoration, einmal inUebung gekommen, sich in mannigfache Beziehungen zur Bestim-mung des Gegenstandes selbst setzte und eben hiedurch uns berdenselben in den erhaltenen Monumenten die vielseitigstengeschichtlichen Aufklrungen vermittelt.

    Die Rechenmethode selbst bestand erwiesenermassen im Alter-thume schon bei den Egyptern, den semitischen Vlkern, den Grie-chen und Rmern. Die technischen Ausdrcke a|3a, abacus, aba-culus fr das Rechenbrett, dann foog und calculus fr den Rechen-stein, den spteren Rechenpfennig, wie endlich ipr^iteiv fr Rech-nen und calculator Rechenmeister, Rechnungsfhrer, stehen hiemitin unmittelbarem Zusammenhange. Die alten Vlker haben, wiediejenigen des Mittelalters, mit unbezeiclmeten, und zwar wie esscheint, stets nur mit thatschlich unbezeichneten Rechensteinen s)

    -) Die Ausdrcke tJ/yj?oc und calculus bedeuten beide einen geglttetenStein, Nach Juvenal XI., 131 s.

    Adeo nulla uncia nobisEst eboris nee tessellae nee calculus ex hacMateria. . . .

    hat der fortschreitende Luxus Kechenplttchen aus Elfenbein in Gebrauchgebracht, wenn darunter nicht eher, wie bei Martini 2, 48, bloss Spielsteinezu verstehen sind. Das gewhnliche Material drfte frbiger Glasfluss, unddann natrlich ohne jede weitere Decoration oder Bezeichnung gewesen sein,nach Plinius, Nat. bist. 36, 26, Gl, Avelcher, daselbst von den verschiedenenGlasflssen handelnd, die Bemerkung macht: Fragmenta teporata fundi nonqueunt praeterquam abrupta sibimet in guttas, veluti cum calculi fiunt, qnosquidam abaculos appellant, aliquos et pluribus modis versicolores. Zu Cicero'sZeit ist der Ausdruck aera fr die calculi gangbar und deutet daraufhin, dassdamals Erzplattchen hiezu verwendet worden. Vergl. Konius v. aera neutri,aus Cicero in llortensium: Quid tu, inquam, soies, cum rationein a dispen-satore aeeipis, si aera singula probasti, summam, quae ex bis confeeta est, nonprobare V und aus Lii eil ins: llaec est ratio? perversa aera, summa subduetaimprobe u Das rmische Alterthum hat uns eine Serie von Gegenstnden

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    gerechnet; sie haben hiebei das uns schon bekannte System derVeifnffaehung (durch das Spazium bei der Linienrechnung) in An-wendung gebracht und ihre Methode unterscheidet sich von dermittelalterlichen im wesentlichen nur dadurch; dass die Stellen-linien oder Columnen nicht von unten nach oben, sondern wie beider arabisch-indischen Ziffernarithmetik von rechts nach links auf-steigen. Zahlreiche Stellen der griechischen und rmischen Autorengeben uns ber diesen Gegenstand vllige Gewissheit und Klarheitund ihre Aufschlsse werden auf das glcklichste durch einigeerhaltene Monumente ergnzt, wovon hier nur zu erwhnen diesogenannte Salaminische Tafel, jetzt im Museum zu Athen, undmehrere erhaltene Monumente eines rmischen Abacus. Vonliterarischen Nachrichten aus dem .Altertkume sei hier nur bezglichder Rmer auf die oftmals vorkommende Redeweise caleulosponere fr Rechnen berhaupt, und bezglich der Griechen aufzwei besonders interessante Stellen verwiesen; hievon findet sichdie eine bei Herodot IL 36.: Was das Schreiben mit den Buch-staben und das Rechnen mit den Rechensteinen anbelangt, so haltenes die Hellenen zunchst hiemit so, dass sie die Hand von linksnach rechts fhren, die Egypter aber von rechts nach links und dieletzteren, indem sie es so machen, behaupten dennoch, dass sie von

    hinterlassen, die hier zu erwhnen sind: beinerne und elfenbeinerne kreisrundeStcke, unseren Spielsteinen sehr hnlich und sofort an die calculi ex hacmateria des Juvenal erinnernd. Von ihnen sind indes die mit griechischen undden entsprechenden rmischen Zahlzeichen versehenen ziemlich sicher alsPlatzmarken fr ffentliche Schauspiele erkannt. Dagegen erlauben jene,welche einerseits eine rmische Zahl und anderseits die entsprechende Zahl-darstellung mit der Hand (Fingerrechnung) tragen, keine solche Deutung. Sieweisen ziemlich deutlich auf das Rechenwesen hin. Gleichwohl mchte ich siedorn Abacus nicht vindiciren, da sie hier mit ihrer Zahlenmarke nur Verwirrunganrichten knnten und wohl auch zu schwerfllig sind, Sie gehren wahr-scheinlich dem Judus duodeeim scriptorum (Trik-Trak) an, was ich insbeson-dere daraus schliesse, dass keines der erhaltenen Stcke eine hhere als dieZahl fnfzehn trgt. (Das Spiel hatte, wie noch heute, je sechzehn Steine.)Vergl. Monumenti dell'Instituto, Tom. IV. tav. LH. LIIL Wie sei er: Detesseris ebumeis osseisque theatral. q. f. im Gott. Univ. Prog. 186G und 18GG 1867. Frhner imAnnuaire de la Soc. fr. de Num. et d'Archeol. VIII. 1884,p. 232 und in Zeitschr. d. Mttnch. Alt V. 18S7, Heft 2 ; 3.

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    Dr. Alfred Nagl : Die Kechenpfunnisjc

    der rechten, die Hellenen aber von der linken aus anfangen , 4) undeine zweite Stelle bei Polybius V., 26.: Denn ganz und gar sindjene (die Hflinge an den Hfen der Knige) hnlich den Rechensteinen auf den Rechentafeln; denn diese gelten ganz nach demWillen des Rechnenden, bald bloss einen Chalkus und allsogleichwieder ein Talent . 5) Dieses schne Gleichniss hat, wie wir sehenwerden, im Mittelalter mehrfach Wiederholung und Anklngegefunden, und zwar immer mit unmittelbarer Beziehung auf diedamaligen Rechenpfennige.

    Es klafft von diesen antiken Nachrichten an eine Lcke vonvielen Jahrhunderten in der Geschichte unseres Gegenstandes undder praktischen Arithmetik berhaupt. Sie wrde sich nochbetiohtlich vergrssern, wenn nicht eben die im 13. Jahrhundertauftretenden Jetons zuerst wieder einen festen geschichtlichenAnhaltspunkt bieten wrden. Wir sind, abgesehen von der Finger-rechnung, gnzlich im Unklaren darber, wie man im Abendlandebei Beginn des Mittelalters gerechnet hat, und welcher Methodensich Beda Venerabilis und die Lehrer an den Schulen Karls desGrossen bedient haben. Nur so viel lsst sich mit allem Grundevermuthen, dass die Methode mit dem unbezeichneten Rechensteine,welche im 13. Jahrhundert pltzlich wieder als eine allgemeinbliche Einrichtung hervortritt, auch in der vorhergegangenenZwischenzeit die berwiegende Regel im praktischenLeben gebildethabe. Nur erscheint nun das Linienschema des Rechenbrettesanstatt in der alten senkrechten, in der wagrechten Lage, also um90 gedreht. Wann diese Vernderung eingetreten und aus welchenUrsachen, darber fehlt uns jeder Anhaltspunkt.

    Die ltesten, bisher bekannt gewordenen Jetons treten inFrankreich auf und datiren ungefhr aus der Mitte des 13. Jahr-hunderts. Bald nachher finden wir sie in den franzsischen Nieder-landen. Es scheint eben damals die Mode neu aufgekommen zu seindie Rechenpfennige mit einer bildlichen Verzierung und mitInschriften nach Art der Mnzen zu versehen.

    '*) F rj a.y,ara rio rloo-jai xal Xo cjiov7ou -br/joiui EXX'/jVzg p.sv y,. r. X.5 ) Ovrwc r/o cIglv oijvG r. TraparrAvjs'iot 7au im 7od a^c/.yJ.OD tyr/joig' Exscva''

    72 *yp, xara txjv 70O ^yj'ji^avroc ^o-jX^aiv a',071 ya/.xoOv, xal rrapaur-xa raXavrovr>jvavrat. Vcrg'I. iiuch Diogenes Ljieit. I, 50.

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    und die operative Arithmetik. ''

    Wir werden zunchst die franzsischen Jetons in Betrachtziehen, denn es bestehen triftige Grnde fr die Annahme, dass vonFrankreich aus der Rechenpfennig und diese Rechenmethode selbstsich im Abendlande verbreitet haben und berdies hat diese Ein-richtung nirgend so lange sich erhalten und nirgend so vielseitigeBedeutung angenommen, wie eben in Frankreich und den von sei-nen gesellschaftlichen Einrichtungen zunchst beeinflussten Ln-dern. Als der lteste der erhaltenen Jetons wird ein solcher ausBronze bezeichnet, welcher der Knigin Blanche (f 1252), Tochterdes Knigs Alphons IX. von Castilien und Mutter Ludwigs IX. desHeiligen zugeschrieben wird (Rouyer-Hucher, p. 78). Er zeigt aufder Vorderseite die Lilie, auf der Rckseite ein gethrmtes Schlossmit je einer Lilie rechts und links (dem Wappen der Knigin)ohne alle Inschrift. Die Bestimmung dieses Stckes als Rechen-pfennig wrde kaum mglich sein, wenn sich nicht an denselbeneine reichliche Serie von solchen Monumenten anschlsse, derenBestimmung keinem Zweifel unterliegt. Wir begegnen von jenerZeit an den Jetons in Frankreich als einer stndigen und allge-meinen Einrichtung. Ihre bildlichen Darstellungen und die Um-schriften belehren uns, dass die smmtlichen Rechnungsmterdes kniglichen Hofes von Frankreich und des Staates regelmssigmit solchen Jetons zum Zwrecke des praktischen Gebrauches imRechnungswesen clotirt wurden und somit, dass die hier bespro-chene Rechnungsmethode bei ihnen als die regelmssig gebte ein-gefhrt war. Wie nicht anders zu erwarten, treffen wir die so aus-gestatteten Jetons alsbald auch in den Rechnungskanzleien dergrossen Feudalherren und der stdtischen Verwaltungen und sokann es als eine ganz selbstverstndliche Sache gelten, dass manim grossen Volke nach keiner vollkommeneren Methode gerechnethat, so dass wir dieselbe mit voller Sicherheit als die allgemeinund jedenfalls berwiegend gebte, fr die damalige Zeit annehmenknnen und mssen. Von einer damals oder in irgend einem fr-heren Zeitpunkte pltzlich geschehenen allgemeinen Einfhrungder hier zu Grunde liegenden Rechnungsmethode kann nach derNatur der Sache keine Rede sein und so lsst sich das Fehlen vondecorirten Jetons fr die frhere Zeit wohl nur dadurch erklren,dass man vordem eben bloss mit undecorirten zu rechnen pflegte.

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    10 ])r. Alfred Nu gl: Die Ucchenpfoiinigt1

    Die Schrift von Jules Bouyer et Eugene Hu eher:Histoire du jeton au moyen ge a , Paris 1858, gibt eine Zusammen-stellung der mittelalterlichen Jeton s des kniglichen Hauses vonFrankreich und einige stdtische und auslndische Stcke, wogegenwir aus einer Reihe von darin aufgefhrten Werken (p. 7, 8) Auf-schluss ber die Jetons mehrerer Stdte und Provinzen, wienamentlich von Cambrai, von Saint-Omere und Douai, sowie vonden Landschaften Berry und Maine erhalten. Die Darstellungender franzsischen Jetons des Mittelalters beginnen mit einem ein-fachen in Lilien auslaufenden Kreuze und halten sich sonst imwesentlichen auf dem heraldischen Gebiete. Ihre Umschriften, wennsie eine solche tragen, weisen zumeist ihre Bestimmung genau aus,sei es mit Bezug auf das einzelne Bechnungsamt, sei es wenigstensdurch eine auf das Bechenwesen bezugnehmende Devise. Aber esliegt in der Natur der Sache, dass hiezu auch mannigfache Devisenreligisen, moralischen oder sonstigen allgemeinen Inhaltes traten.Denn man muss hiebei festhalten, dass Verzierung und Inschriftenbei den Jetons, im Gegensatze zu den Geldmnzen, fr derenBestimmung ganz und gar gieichgiltig waren, und dass es sich hie-bei lediglich um eine Geschmackssache handelte. Wir finden dieJetons in den Inschriften selbst als solche bezeichnet in vielfachwechselnden Wortformen, wovon die wesentlichsten etwa folgendesind: gectoirs, gettoirs, gitoers, gietouoirs, gettons u. s. w. DieFormen jettons und jetons finden sich aber erst vom 16. Jahrhundertan. Von den Umschriften seien hier nur beispielsweise einigeangefhrt

    a) amtliche:Getoirs de la chambre des comptes. Le roi.Gietovoirs de la canbre au denies nost. sire. Le roy,Ce sont les getoirs des gtes (Comptes). La, Boinne.Getovert de la chambre au dens. Mons. de la Marche.Ce sont les getoers de la can. (chambre) au meslres desMonaies.(Stadt Paris:) Karolus dns. deGaueourt Locteneiis.G c n 1 i s . P a r i s i' (e n sis).

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    und die operative Arithmetik. x '

    $ Kegnante. Dn. Nro. Ludovico XI Anno DmM.CCCC.LXXII.

    (Stadt Ronen :) DuxNorraannovum.^ Civitas Rothomagensis.

    b) sprichwrtliche, auf das Rechnen bezgliche Inschriften:Getes, contes, somes bein. Getes bien, sevrement. Qui bien

    gettera, le compte trouvera;c) sonstige Inschriften, besonders hufig in alter Zeit:

    Ave Maria, gratia plena. Oi, voi, te (ecoute, regarde, tais-toi), Se tu veux vivre en pes (paix). Je suis de laton(laiton). Faus sai comme limon.

    Es ist hier der Ort, in die Bedeutung des Wortes Je tongenauer einzugehen. Es ist naheliegend, diesen Ausdruck, der imVlmischen als werpgeld (Wurfgeld) erscheint, mit der Uebungdes Geldauswerfens bei feierlichen Gelegenheiten, die ja im Mittel-alter so hufig war, in Zusammenhang zu bringen. Dennoch wredies ganz irrig. Die Wortform jeter in diesem Znsammenhange istdurchaus nur als technische Bezeichnung fr das Rechnen auf denLinien zu verstehen, wie dies aus zahllosen Anwendungen in denmittelalterlichen Schriften hervorgeht. 6) Man sagt: Jetes moi cessommes l, jetes bien u. s. w., stets vom operativen Rechnengebraucht, und zwar in dem Sinne, dass das Hinlegen der Rechen-pfennige auf die Linien und Spazien mit etwas verschrfter Aus-drucksweise als ein Werfen bezeichnet wird. 7) Eine Stelle, dieden Ausdruck in diesem Sinne gebraucht und berhaupt dasGebaren in den Rechnungsmtern zu Ende des 15. Jahrhundertsrecht anschaulich macht, sei deshalb hier angefhrt. Sie handeltvon Carl dem Khnen von Burgund: La vient le duc (cn la Chambredes finances) bien souvent et ne se cloent mils comptes sans livy ousans son scen. Luy mesmes il sied au bout du bureau, jeete et

    e) Mit dieser franzsischen Ethymologie hngt es wohl auch zusammen,dass in den arithmetischen Schriften des 15. und 16. Jahrhunderts der tech-nische Ausdruck fr die Kechenpfennige allgemein calculi proie etileslautet.

    7) Etwa wie unsere Wortformen: entwerfen, auswerfen.

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    12 Dr. Alfred Nagl : Die Reclienifeuni-

    cal etile comme les autres, et n'y a difference en eux, en iceluyexercice, sinon que le duc jeete en jeets d'or, et les autres dejeets d'argent . (Glossaire de M. Laborde p. 329 nach Olivierde la Marche, Estat du duc de Bourgogne.)

    Es finden sich, in zahlreichen Rechnungen des MittelaltersAusgabeposten fr die Dotirung der Reehnungsmter mit Jetons,regelmssig in Partien zu 100 oder 1000 Stcken, wie namentlicheine Partie von 100 Stcken sich praktisch in der That als eineangemessene Dotirung fr ein einzelnes Rechenbrett darstellt.Aber diese amtliche Verwendung und regelmssige Dotirung hattebald Hebungen zur Folge, welche ber das Rechnungswesen hinaus-gingen. Wir haben schon in der eben angefhrten Stelle gesehen,dass man fr hochgestellte Personen Jetons aus Gold und Silberherstellte und bald wurde es Uebung, die Jetons aus Edelmetallgeradezu als Gegenstand fr die zur Jahreswende gebruchlichenGeschenke, etrennes, daher jetons d'etrennes, zu verwenden.Diese Uebung nimmt in Frankreich mit der Zeit immer weiterenUmfang, immer grssere sociale Bedeutung an und war zugleichvon wesentlichem Einflsse auf die ussere Form des Gegenstandes.Sie lsst darum zugleich einen wichtigen Schluss auf die Allgemein-heit der Rechnungsmethode selbst, der sie ihren Ursprang verdankt,ziehen. Wie weit die Einrichtung der jetons d'etrennes zurckgeht,wird schwer zu bestimmen sein. ) Wir sehen sie aber namentlicham Ende des 17. Jahrhunderts unter dem glnzenden KnigeLudwig XIV. in voller, ja geradezu verschwenderischer Uebung.Die verschiedensten Hofmter, ihre Vorstnde und sonstige Per-sonen erhielten jhrlich eine bestimmte Anzahl von Jetons aus Goldoder Silber aus dem kniglichen Schatze und die bedeutendenSummen, welche hiefr aufgewendet wurden, finden sich in denofficiellen Rechnungen verzeichnet. Bei dieser kostbaren Beschaffen-heit des Materiales war denn selbstverstndlich auch die ornamen-tale Herstellung eine sorgflligere geworden, und die Wahl derDevisen fr Inschriften bildete nachgerade eine ernste Angelegen-heit und den Gegenstand ffentlicher Errterungen. Die damals

    8) Vergl. Kouyer-Ii u eher p. 21 und namentlich Van Loon Redend.Pk. S. 151 f, und dessen Ilisf. met, preface.

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    1 9und die operative Arithmetik, -*-^

    eben gegrndete Acadeinie des Inscriptions sogar hatte nach ihrenStatuten) zugleich die Aufgabe, fr die Erfindung passenderDevisen fr die jeweils zur Jahreswende auszugebenden JetonsSorge zu tragen. Ein in den hheren Kreisen vielgelesenes Journalder damaligen Zeit, der Mercur galant, unterlsst nicht, in seinenJanuarheften alljhrlich die neuesten Jetons in bildlicher Dar-stellung zu bringen und ber ihre Erfinder und Empfnger Auskunftzu geben. So im Januarhefte 1683, p. 258: Je viens l'article desJetons, que Ton fait batre pour estre distrubiez ie premier jour del'An et dont je vous envoye toujours une Planche gravee dans maLettre de Janvier . Hier ist also von einer allgemeinen gesellschaft-lichen Hebung die Rede. Es ist selbstverstndlich, dass diese Ein-richtung der Jetons d'etrennes, nachdem sie einmal einen so bedeu-tenden Umfang angenommen hatte, bei dem Charakter der dama-ligen franzsischen Gesellschaft und der Staatsverfassung schlechter-dings nicht mehr abzustellen war. Die Regelmssigkeit der Uebungmochte fr die einzelnen Amtsstellen und Empfnger ein frmlichesGewohnheitsrecht, eine Art systemisirten Amtsbezug herausgebildethaben und so finden wir in der That diese Einrichtung bis an dasEnde des Knigthums in Frankreich fortbestehend. Natrlicherweiselst sie sich nach und nach in dem Masse, als der Gebrauch desLinienrechnens zurcktritt, von der alten technischen Bestimmungder Jetons los und die Rechnungsmethode, die ihr ursprnglichzugrunde lag, konnte ganz gut allmlig verschwinden, ohne des-halb der Uebung der jetons d'etrennes, wenigstens was die in Edel-metall ausgeprgten Stcke anbelangt, einen Eintrag zu thun. Soist es gekommen, dass auch der Ausdruck Jeton nach und nachden Zusammenhang mit seiner eigentlichen ethymologischen Ab-stammung verlor. Durch die erhhte knstlerische Darstellung derOrnamentation, durch die Mannigfaltigkeit ihrer Gegenstnde undDevisen, welche dem steifen Einerlei der Whrungsmnzen einencharakteristischen Gegensatz bot, wurden die jetons auch baldein Lieblingsgegenstand der Sammler, denen hiebei lediglich dieussere Erscheinung als Anziehungspunkt diente und die ursprng-liche praktische Bestimmung zum operativen Rechnen gnzlich

    > Vom IG. Juli 1701. Art. XV. VergL Dt- Schodt, p. IS.

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    14 Dr. Alfred Nagl : Die Rechenpfennigegleichgltig war. Es ist natrlich, dass dies letztere Publikumunseres Gegenstandes denselben nunmehr mit allen anderen numis-matischen Stcken in eine Kategorie zusammenwarf welcheusserlich von hnlicher Erscheinung waren, und so hatte allmligder Ausdruck Jeton in der numismatischen Liebhaberei und Wissen-schaft eine Gesammtbedeutung erhalten 7 welche ihm ursprnglichgnzlich ferne lag. Im Hausrate aller Aemter und vieler Privat-huser waren nach dem Verschwinden der Rechnungsmethode mitden Linien eine Menge derartiger Stcke brig geblieben, welcheman nun, da man etwas anderes hiemit eben nicht anzufangenwusstc, zum Spielen verwendete und auch diese Bedeutung desWortes Jeton als Spielmarke ist, wie der Gebrauch selbst, franzsi-schen Ursprunges.

    Die so bezeichnende Einrichtung der Geschenkjetons wurdebrigens nicht bloss von den Knigen von Frankreich, sondern auchihnen gegenber gebt. So wird berichtet, dass Knig Ludwig XII.im Jahre 14U8 bei seinem feierlichen Einzge in die Stadt Toursvon dem Brgermeister und den Schffen der Stadt mit 60 Stckengettoirs in Gold beschenkt wTorden. *) Sully erzhlt an verschie-denen Stellen seiner Memoiren, dass er alljhrlich in seiner Eigen-schaft als Superintendent der Finanzen am Neujahrsmorgen demKnige, seinem Herrn, ein Geschenk in Goldjetons dargebrachthabe, n) Selbstverstndlich hat diese Uebung in den Hofkreisenberhaupt, sowie auch in den Husern der Feudalherren bestandenund wird im Volke nicht ohne Nachahmung geblieben sein.

    Die Regelmssigkeit dieser Einrichtung hat fr die jetonsd'etrennes der franzsischen Knige einen ganz bestimmten Typusan Grsse, Technik und Darstellungsart herausgebildet, wovondann natrlich die Jetons im allgemeinen stark beeinflusst wordensind. Es ist eine imposante Serie von Jetons in gutem Silber,welche uns in den grsseren Sammlungen, wie z.B. in der berhmtendes k. k. Mnz- und Antikencabinets fr die Knige Ludwig XIII.,XIV., XV. und XVI. entgegentritt. Den breitesten Raum nimmt

    10) In den Jahrbchern der Stadt. Vcrgl. die Abbildung in der Revuermmism. 1856, p. 130 und 141.

    n) Ebenda, p. 24.

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    und die operative Arithmetik. ^3

    hierunter natrlich Ludwig XIV. ein mit seinem Brustbilde und derUmschrift Lud. XIIIL D . G . FR . ET . NAV . REX auch wohlLVDOVICVS MAGNV8 REX. ) Der Revers enthlt jetzt nurmehr in ganz ausnahmsweisen Fllen eine Hindeutimg auf dieursprngliche Bestimmung, is) welche ja bald nach der Mitte des18. Jahrhunderts verschwindet. Es sind jetzt immer symbolischeDarstellungen, von oft sehr malerischem Effecte, denen eine, gewhn-lich lateinische Devise zur Umschrift dient. Sie spielen auf die Zeit-umstnde und Ereignisse hufig an. Charakteristisch fr die ganzeSerie ist aber der auf dem Revers am Fusse des Mittelbildes regel-mssig angebrachte Abschnitt, ein Kreisabschnitt, welcher dieBestimmung des Jetons und die Jahreszahl enthlt, i*) In dieserForm ist dann derselbe mit der Zeit zur Erinnerungsmeda : llegeworden und wir finden so noch welche auf den Tod Louis XVI.ja aus der Kaiserzeit Napoleon's 1. 1&)

    Man wird aber irre ber den Zeitpunkt des Verschwinde ns derRechnung auf den Linien, wenn man Jetons vorfindet, wie NeumannNr. 30097: fy CAISSE DE COMPTES COURANTS. AbschnittPARIS LE II MESSIDOR | AN4; vergl. 30103, dann hnlich dmersteren, jedoch mit dem Abschnitte IETTON | 177 (30109)

    12) Vergl. das Verzeichniss der kniglichen Jetons bei Neumann voNr. 29393 an. Beide Umschriften kommen auch franzsisch vor.

    ts) So ein Silberjeton im k. k. Mnz- und Antikencabinet: LudovicusMagnus- Rcx. Kev. Intactas Reddit. Im Abschnitte: Aerarj. Reg.Calculus 1681.

    i*) Vergl. z. B. Neumann Nr. 29514 ff. z. B. Ludovicus Magnus Rex, mitden Abschnittinschriften: Aerarium Milit. Extr. 1688. Chambre AuxDeniers 1689. Marine 1712, dann noch: Louis XVI. Extraordinaire desGuerres 1778 u. s. w. Aehnlich, aber immer nur die Jahreszahl enthaltendschon vor Ludwig XIV. z. B. 1566 und 1601 (Nil nisi consilio, Silber), 1585,(Ysabel, P. L. G-. D. DieuEoyne Douairiere de France. Silber). Die franz-sische Bezeichnung fr den Abschnitt ist exergue.

    is) Silberjeton: Lous XVI. Roi de Er. Immole par les Factieux. Rcv.Pleures et Venges le Abschnitt: Le XXI Janvier MDCCXCIII. Dann in derschon ungewhnlichen Grsse 15 16. Neumann: Ludwig D. 16 Koenig V.Frankreich, M. Antonia Koenigln. Abschnitt: Maertyrer Durch UngeheuerIhres Volks. Rev. Schaudern Und Abscheu Erregende That. Abschnitt: D.21 Januar. D. 16 Octob. 1793.

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    IG Dr. Alfred Nagl : Die Rechenpfennig

    Vergl. Hennin, Hist. numism. de la revol. franc. Paris 1826. Mankann hierin wohl nichts anderes erblicken, als die Fortfhrung eineralten Uebung, vielleicht in Rcksicht darauf, dass die Comptoiristennoch immer zum Neujahre in der alten Weise mit Jetons beschenktworden waren.

    Von sonstigen fr die Sache wichtigen Anhaltspunkten kommennun die literarischen Quellen, und zwar in erster Linie die Lehr-anweisungen, im Deutschen sogenannten Rechenbchlein in Betracht.Wir werden letztere aber fr Frankreich unten mit den deutschen,welche fr diesen Gegenstand eine auffallend reiche Literaturbilden, zusammen erwhnen. Sonst wre zu den obigen Nachweisenber das Wort jeton und seine Etymologie nachzutragen das Wortjet (gect, ject) 1), nach Littre h. v.: calcul qui se fait par les jetons;sens qui a vieilli, fgt der Lexikograph bei und fhrt hiezu an ausdem 16. Jahrhundert Mont. (Montaigne?) III ? 59: 11 ne scais compterny a ject ny plumes; genau entsprechend der im Deutschen all-gemein gebruchlichen gegenstzlichen Zusammenstellung : Rechnenauf den Linien und mit der Feder. Die media et infima latinitashat fr diesen Gegenstand die. termini: Jactare fr jeter, Jactatorfr jeton und Jactus fr jet, worber Du Gange zu vergleichen, wieauch s. v.Artificium 7 undGitta, nebst dem Citate daselbst aus Reg.161 eh. 285 anni 1407: DeuxpetitsGetoiers a compter et sommer etc.

    An jene schne Stelle des Polybius schliesst sich an eine Stellebei Edme Boursault (1633 1701), Esope a la cour II, 5: Solondisoit que . . . les gens des cours ressembloient aux jetons, dont onse sert pour compter: qu'ils representoient plus ou moins selon lafantaisie du prince, und hnlich auch Fenelon, Vie des plus ill.philosophes. Paris 1823, Solon, p. 28.

    Eine wichtige Frage, wie lange diese Rechenmethode in Frank-reich ihre Herrschaft behauptet hat und wann sie ungefhr ausserGebrauch gekommen, ist aus einem schon oben angedeutetenGrunde weniger aus der fortdauernden Erzeugung von Jetons, als

    i 6) Ich stimme Rouyer-Hucher darin bei, dass die Formen geetz, giets inden Umschriften der Jetons bloss als Abkrzungen fr gectoirs u. s. w. zunehmen sind. Die spanisch-niederlndischen haben bis auf Kaiser Carl VI.herab die Formen GECT. und GECT^.

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    1 7und die operative Arithmetik. L *

    vielmehr aus gelegentlichen literarischen Aeusserungen zu ent-nehmen.Der franzsische Boden hat in der Geschichte der praktischenArithmetik hohe Bedeutung. Es muss hier daran erinnert werden,dass schon in der glcklichsten Periode der rmischen Kaiserzeit,in den Tagen eines Trajan und Hadrian Italien die Fhrung aufdem Gebiete der Literatur und der Wissenschaft verliert und dassvon da an Gallien hauptschlich die Sttte ist, wo die antik-rmi-schen Culturelemente noch eine Weiterbildung erfahren. Hier findensich im Mittelalter auch bedeutsame wissenschaftliche Anstren-gungen auf dem Gebiete des Rechnungswesens. Die Schule Ger-bert's (Papst Sylvester IL, f 1003), welche die auf Boetius zurck-weisende Arithmetik mit den novem caracteres auf demabacus lehrt, tauchte im 11. und 12. Jahrhunderte in den Bene-dictiner-Klstern von Lothringen auf, und wenig spter kmmt inFrankreich und England, ebenfalls durch die wissenschaftlichenStrebungen der Mnche, die indisch- arabische Arithmetik unter demNamen des Algorismus oder Algorithmus zum Vorschein. Aberdas Alles waren Errungenschaften der Gelehrten und ihrer Schler,die im Alltagsleben nur schwache Spuren einer Anwendung zeigenund eine solche in grsserem Massstabe sicherlich niemals erhaltenhaben. Die indische Arithmetik wird dann allerdings durch dasWerk des Fi bonacci (Leonardo Pisano) von 1202 in viel voll-kommenerer Weise und mit eingehender Beziehung auf das prak-tische, insbesondere auf das Handelsleben gelehrt und findet aufdem Boden des mittel- und norditalischen Handelslebens jener Zeitgnstige Vorbedingungen, welche ihr daselbst auch alsbald zurausschliesslichen Herrschaft verhalfen. Aber der hier angedeuteteZusammenhang der Culturgeschichte lsst ahnen, wie sich in Frank-reich die antike Rechenweise mit dem abacus und dem zeichenlosencalculus erhalten und nach nationalem Geschmacke umwandelnkonnte, um auch im Mittelalter noch ausschliesslich das Feld in derPraxis des Alltagslebens zu behaupten, nachdem diesem letzterendoch die Bestrebungen und Lehrformen der damaligen Schule vielzu ferne lagen.

    Welches Gewicht man in Frankreich noch im 16. Jahrhundertauf die Lehre dieser uns so primitiv erscheinenden Keehenmethode

    (Dr. Alfred Nagl. 2

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    18 Dr. Alfred Nagi : Die RechenpfennigeIcgie, zeigt z. B. der Umstand, dass ein Jodocns Clichtovaeus(oetor der Sorbonne, t zu Chartres 1543) derselben eine eigeneSchrift widmet. Vielleicht am prcisesten geht die Sachlage hervorans der Bemerkung des Joannes Martinas Siliceus in seiner AisArithmetica von 1514, tract. V.: De numeris integris seeundumealculos snpputatorios: Ut autem praesens traetatus, in quo denumeris tarn simplieibus quam mixtis per snpputatorios numerospertraetare intendimus, utilis admoclum illis omnibus, quos carac-teruni cognitio deficit, ut sunt plerique mercatores ( ) trapezitae ( )caupones et alii quam plnrimi parvae conditionis viri . . .

    Freilich machte sich neben der nun schon allgemein bekanntenZiffernarithmetik der Umstand fhlbar, dass das Rechnen mit denJctons der Schriftkunde entbehren konnte, daher auch einen wich-tigen Antrieb fr die Aneignung der letzteren fernehielt. DieSchwierigkeit, sich die Kenntniss und den Gebrauch der Schrift, jaselbst der zehn Zahlzeichen anzueignen, war zu allen Zeiten eineviel betrchtlichere, als wir dieselbe uns heutzutage vorzustellengeneigt sind. Samuel Tennulius (1667) tadelt in seinen Notae adJamblichum (p. 100) die Gelehrten ( ) 7 dass sogar sie sich nochimmer der Jctons bedienen: Sic etiam hodie calculum ridieuleponunt clocti viri et post inventas fruges glandibus veseuntur . Ermeint unter den fruges natrlich die Ziffernarithmetik. Aber eineVorstellung von der andauernden Popularitt dieser Einrichtung inFrankreich gibt eine Acusserung Mahudel's aus dem Jahre 1824-(nach einem Referate in Hist. de TAcad. des Inscr. et b. 1. V. IS 27,]). 250), qu'il n'y avait pas un siecle, qu'on employait encore dansla dot d'tinc fille a marier la science, qu'elle avait dans cette sorte decalcul . Die franzsischen Frauen haben sich auch die bse Nach-rede zugezogen, dass sie der Erlernung des Schreibens am lngstenwiderstanden und deshalb auch am lngsten diese Rechenart inUebung erhielten. Schon F. Legen dre in seiner zum erstenmalevor 1729 erschienenen Arithmetiquc en sa perfection, macht dieBemerkung: Cette manierc de cal etiler est plus pratiquee par lesfemmes que par les hommes. Cependant plurieurs personnes quisont employees dans les finances et dans totttes les Juris-diction s s'en servent avec beaueoup de sticces . Als die letztecharakteristische Acusserung, die zugleich die letzten Tage dieser

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    so alten Cultureinrichtung bezeichnen drfte, erscheinen die WorteBuffons (1707 1788) in der Abhandlung* Essai d'arithinetiqiiemorale (Pariser Ausgabe der Hist. nat. von 1841 1842, III 7p. 420): Cette fagon de compter est tres ancienne et eile ne laissepas etre utile. Les femmes et tant d'autres gens, qni ne saventpas ou ne veulent pas ecrire, ainient nianier des jetons; ils plai-sent par l'habitude, on s'en sert au jeu ; c'en est assez pour lesmettre en faveur . Moliere fhrt seinen Malade imaginaire (beidessen Darstellung ihn im Jahre 1673 der Tod ereilte) ein, wie erdie Apothekerrechnung berprft, ayant une table devant lui,comptant avec des jetons . Man nimmt an ; dass er mit dieserRechentafel seinem Helden schon einen Zug des Lcherlichen zu-theilen wollte. Allein es ist schwer daran zu glauben, dass dieseWirkung im franzsischen Publikum erzielt werden konnte zu einerZeit, wo man noch die docti viri des Tennulins und die employesde finance des Legendre mit dieser Rechenmethode beschftigetsieht, ja wo selbst ein Leibnitz noch sich des Vergleiches bedienenkonnte: Cornme si en calculant, on ne marquait pas bien la placedu jeton (Nouveaux essais sur rentendement hnmain). Wenngleichnun die franzsischen Rechnungsmter und Comptoire sich derJetons um die Mitte des 18. Jahrhunderts entlediget haben drften,so haben sich diese erwiesenermassen im Volke bis tief in diezweite Hlfte desselben Jahrhunderts hinein erhalten und sind dannallerdings der weit vollkommeneren Ziffernarithmetik vollstndiggewichen, um sohin auch alsbald in vllige Vergessenheit zugerathen.

    Von den Lndern romanischer Zunge finden wir unsere Rechen-weise zunchst auch in Portugal und Spanien, wo sie sich zu-nchst durch Jetons mit den Devisen: Contos pera Contar, Contospera Venda etc. 17) und durch gedruckte Lehrbchlein (s. u.) kund-

    ig) Neumanu II, S. 229 und Nr. 14934. Die Jetons der spanischen Knigebeziehen sich insgemein ausdrcklich auf die Niederlande. Als sicher frSpanien selbst bestimmt, mchte ich einen silbernen Jeton im k. k. Mnz- undAntikencabinete betrachten: PHIL1PPVS D.G HISPANIARVM REX KopfPhilipps IL Kev. im Abschnitte CI3IJLXX1III IN DEO und Darstellungeines Globus, welcher an denjenigen auf dem eben angefhrten portugiesi-schen Jeton erinnert.

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    ^'J Dr. Alfred Nagl : Die Rechenpfennige

    gibt. Strker waren die burgundischen, die flandrischenund Br ab anter Lande, ^) mit welch' letzteren wir schon dengermanischen Boden betreten, von den franzsischen Gewohnheitenbeeinflusst. Herzog* Carl den Khnen von Burgund haben wir schonoben mit goldenen Jetons in seiner Finanzkammer beschftigtgefunden. Nnch De Schodt finden sich die Erwhnungen der Jetonsstdtischer Bechnungsniter schon im 13. Jahrhundert fr die StadtBrgge, so in einer Ausgabenpost einer Eechnung von 1284, dannvon 1303, 1331 1332 u. s. w. In solchen auch in Frankreich inzahlreichen Beispielen vorfindlichen Rechnungseintragungen kommenauch die Preise der Jetons, welche fr den praktischen Gebrauchgewhnlich aus Kupfer oder Messing, selten aus Blei (gegossen)waren, zum Vorscheine, sowie fr die Herstellung der Prgestcke,(Vergl. Kouyer-Hucher p. 201, De Schodt p. 151.) In Flandernfinden sich auf diesem Wege auch die frhesten Erwhnungensilberner Jetons; so zuerst in einer Rechnung der Mnze vonGent von 13341337: A Nicolay Gnicluche recheveur de Flandres,bailliet vjxx (d. i. six-vingt = 120) getoirs d'argent; cousterent xsols viij deniers de gros, valent pour xij parisis la pieche: vj 1.viij s. (Rev. de la Numism. beige 1851, p. 301.) Zwlf sols wurdenim Jahre 1396 zu Lille fr 100 Jetons gewhnlicher Art bezahlt,nmlich jettoirs pour les comptes de le hanse et 4 sols pour gietonsen le halle, pour gieter les comptes des charites. Vergl. DeSchodt, p. 15.

    In den Niederlanden hat der Rechenpfennig eine besonderein den mannigfaltigsten Prgungen zeitgeschichtlichen Inhaltes sichausdrckende Popularitt gewonnen und am frhesten auch lite-rarisch-numismatische Darstellung 19) gefunden. Aber das Werk

    18 ) Vergl. Alph. de Schodt: Le Jeton consiclere comme instrument decalcul, Bruxelles 1873.

    * 9) Meteren (f 1612) in seiner Geschichte der Niederlande, Bizot inIlist. metallique de la Hollande (Paris 1687, dann Amsterdam 1688), Gerardvan L 0(311: Beschryving de Nederlandsche historiepenningen, S'Gravenlmgo1728 f. (auch franz. Histoire met. des XVII prov. des Pays-Bas, daselbst 1732 f.Auf Fol. XXX. 2, recto der preface sagt der Verfasser: l'annee 1723, qui estcelle 011 j'ecris); desselben Heclendaagsche Penningkunde, enthaltend auchden aardt en de Bekenwyze der Legpenningen , eb. 1734; Van Mieris:

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    91und die operative Arithmetik. *-, --L

    Van Loon's; Hedendaag. Penk. ; enthlt in den Hauptstcken 9 11auch noch eine wissenschaftliche Darstellung seiner Beziehungenzur praktischen Arithmetik.

    Obgleich diese Einrichtung in den Niederlanden zweifellos vonFrankreich aus sich eingebrgert hatte, so hat sie doch in dem krf-tigen politischen Leben dieser Lande eine eigenartige, ja politischsehr bedeutsame Geschichte gefunden, die uns veranlasst, die ver-lsslichen Ausfhrungen Van Loon's hierber in der Vorrede zuseiner Histoire metallique hier zu wiederholen. Er gibt zunchstdie bezeichnende Nachricht ber das Werk des Franzosen Bizot(A. 19), dass dieser, um seinem Werke mehr Glanz zu verleihen, alleJetons ber ihre wahre Grsse und wie grosse Medaillen hat ab-bilden lassen, ohne seine Leser hievon in Kenntniss zu setzen, ein Vorgang, der den Numismatikern viel nutzloses Nachforschenverursacht und einige Sammler sogar veranlasst habe, echte Jetonsauf die Grsse wie bei Bizot umgiessen zu lassen ( ). Van Loonbemerkt ferner zur Sache selbst, dass die Jetons vor alters, da diearabischen Ziffern noch nicht so allgemein verbreitet gewesen, zumRechnen gedient haben (on s'en servoit pour les calculs) unddeutet hiemit unzweideutig an, dass damals (1723) ihr Gebrauchin den Niederlanden schon veraltet gewesen. Von den Rmernerwhnt er dann weiter, dass sie hiezu kleine Steinchen verwen-deten, die unsere Vorfahren sodann durch kleine Metallstcke,rund, 20) abgeplattet und polirt, ersetzten, auf denen man sptermit der Zeit Blumen, Bltterwerk und andere Verzierungen zugravi ren begann. Solcherart waren die Jetons, welche ich selbstin Brabant, in der alten Abtei von Groenendaal entdeckt habe, woich deren eine ganze Dose 21) voll auffand. Aber nachdem Philippder Gute, Herzog von Burgund, die vernehmlichsten Theile der

    Historie der Nederlandsche vorsten, eb. 1733 f. W. J. de Voogt Aantee-keningen betr. de Leg of Rekenpenningen van de Geldersche Rekenkamer.In Frankreich hat Mahn de] ein im J. 1724 der Akademie vorgelegtes Werk:Sur l'origine et l'usage des jetons geschrieben, wovon aber lediglich eine kurzeAnalyse in der Hist. de l'Acad. des Insc. V, 27, p.17 259 s. erschienen ist.

    so) Carol. Patini: Hist. numism., p. 94.2I ) Der Gebrauch der Jetondosen, (s.u.) ist also in den Niederlanden

    sehr alt.

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    99J Dr. Alfred Nag'l : Die RechenpfennigeNiederlande unter seiner Herrschaft vereiniget hatte (1433), fingman an, die Jetons zu prgen und auf dieselben Namen, Wappenund Titel dieses Frsten zu setzen, in Begleitung einer Legende,welche Genauigkeit bei den Rechnungen anempfahl. Endlich unterPhilipp dem Schnen, besonders aber unter Karl V., wurde derGebranch eingefhrt, auf den Rechenpfennigen die wichtigstenStaatsereignisse zu verewigen. Damit waren selbe zu Monumentengeworden, die durch die hchste Staatsgewalt gehoiliget waren.Denn auch die Wahl der Embleme und der Inschriften hing jetztkeineswegs mehr vom Stempelschneider ab; es wurden vielmehrjedes Jahr den Generalstaaten sowohl wie den Stnden der einzelnenProvinzen und dem Staatsrate (Resol. van den Raad van Staate,22 Jan. 1595), verschiedene Zeichnungen vorgelegt, wovon manjeweils diejenige auswhlte, welche den Umstnden des Zeit-punktes am besten entsprach. So hatte man im Jahre 1578, als denGeneralstaaten herkmmlicherweise verschiedene Projecte fr dieneuen Rechenpfennige des laufenden Jahres vorgelegt wordenwaren, dieselben dem Vorstande der Reclmungsmter von Holland,De Eye (Resol. der Staat. General, 4 April 1587) zur Auswahlderer, die er als die ntzlichsten fr den Staat und die nach denUmstnden angemessensten erkennen wrde, berlassen, damit,nachdem der Staatsstempelschneider die Prgestcke hergestellt,sohin der Mnzmeister zu Dortrecht die erforderliche Anzahl vonRechenpfennigen schlagen lasse und der Greffier (ibid. 23. April1592) sie unter die verschiedenen Personen, welche den Staats-mtern vorstanden, vertheile. Diese Vertheilung geschah auf Kostendes Staatsschatzes, eine Uebung, die schon seit langer Zeit in Gangwar; denn die Bequemlichkeit der Rechenweise mit den Rechen-pfennigen hatte deren Gebrauch alsbald bei allen Rechnungsmternund bei allen andern Stellen der Staatsverwaltung eingebrgert.Nachdem nun aber diese Rechnungen in ffentlichem Interessegeschahen, so begann man schon vor Ende des 15. Jahrhundertsalljhrlich als Neujahrsgeschenke (Etrennes) auf ffentliche Kosteneine grosse Anzahl von Rechenpfennigen aus Silber und aus Kupferan jedes Mitglied der Staatsverwaltung zu vertheilen, wie manheutzutage die Almanache vertheilt: so an den Generalgouverneur,an die Gouverneure der einzelnen Provinzen, die Mitglieder der

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    und die operative Arithmetik. ^ r)

    Stnde der einzelnen Provinzen, diejenigen der Kechniingskammernvon Brssel, von Flandern, Holland, von Geldern, die Canalinspec-toren von Brssel und andere ffentliche Amtspersonen. DieseRechenpfennige waren eingeschlossen in eine prchtige Doseoder in eine Silberbchse, deren Deckel verziert war mit demWappen der Provinz, der Stadt oder der betreffenden Krperschaft . 22)Van Loon gibt sodann detaillirte Nachrichten ber die jhrlicheVertheilung der Jetons und berichtet, dass zu seiner Zeit, da dieseRechenweise nun seit einer Reihe von Jahren in den General Staatenausser Gebrauch gekommen, die jhrlichen Jetonspenden seit 1654in Geldspenden umgewandelt und zwar nach altem Gebrauche aufGrund einer sogenannten Jetonliste(Resol. der Staat. General vom28 December 1713, Fol. 1659) vertlieilt worden seien. Die Kostenfr diese Jetons d'etrenncs waren schon im Jahre 1619 auf dreissig-tausend zweihundert zweiundzwanzig hollndische Gulden gestie-gen. Was die katholischen Niederlande 2^ anbelangt, so istdaselbst der Gebrauch der Rechenpfennige aus Kupfer und Silberseit langer Zeit eingefhrt und besteht hier noch immer in sei-nem ganzen Umfange. Unter Carl IL Hess das Finanzconseil amNeujahrstage durch den Generaleinnehmer, dem Gouverneur dieserProvinzen, welcher zu Brssel residirte, eine prachtvoll gestickteBrse, welche hundert Stck Silberjetons, geziert mit verschiedenenEmblemen und Devisen enthielt, prsentiren. Dasselbe geschahunter Philipp V. .. . Aber se : t 1717 wurden diese Etrennes ver-doppelt und der Generaleinnehmer hatte damals ber Auftrag desFinanzconseils dem Marquis v. Prie zweihundert Jetons bergeben

    22) Van Loon bringt in seinem Werke Hedend. P. K. S. 152 eine Abbil-dung solcher Dosen, die darum nicht ohne Bedeutung sind, weil sie die prak-tische Handhabung unseres Gegenstandes nach einer weiteren Seite hin illu-striren. Es sind cylindrische Gefsse im Durchmesser der Jetons undbestimmt, je ein Jet de Jetons aufzunehmen. Vau Loon selbst erklrt denAusdruck Jet als eine bestimmte Anzahl von Stcken, wie sie fr einenKechentisch erforderlich war.

    23 ) Also den spanisch-sterreichischen Besitz. Wellenheim fhrtNr. 8828 einen Kupferjeton noch mit got bischer Schrift und in vlmischerSprache an: Legpenninghen Ome. T. Burgel: Kev. Van Der Eeheninghen Va.VJandre (also wohl vor 1500 zu setzen),

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    24 Dr. Alfred Nagl ; Die Rechenpfennigeund ebensoviel dem Seeretr des Prinzen Eugen v. Savoyen, alsGeneralgouverneur der katholischen Niederlande, damit er sie demPrinzen nach Wien bersende. . . . 24) Der Verfasser weist dann nochauf die Wichtigkeit hin, welche diese Monumente als Quellen frdie allgemeine Geschichte haben. In der That spiegeln sie mitihren mannigfaltigen Darstellungen und bedeutsamen Devisennamentlich die Vorflle und Stimmungen whrend der politischenBewegungen des 16. und 17. Jahrhunderts in hchst bedeutsamerWeise wieder und gewinnen hierdurch besonderes allgemeinesInteresse. Whrend der niederlndische Rechenpfennig die Wand-lungen des franzsischen Jetons in Materiale und Form getreulichmitgemacht und im 17. Jahrhunderfc mit den letzteren die nunstereotyp gewordene Grsse und Ausstattung angenommen hat,drckt sich in der Wahl der Darstellungen und der Devisen dieweitreichende Verschiedenheit der politischen Entwicklung beiderLnder in einer fr die Culturgeschichte sehr bedeutsamen Weiseaus. Dort eine nichtssagende, von dem Modegeschmacke odereiner lhmen Moral dictirte Phrase, wenn nicht eine rein formelleamtliche Bezeichnung, hier ein stetes Rckerinnern an die letztenpolitischen Ereignisse, welches nach der Bewegung der Verhltnissebis zum khnen Ausfalle und zur beissenden Satyre sich steigert.In den katholischen Theilen der Niederlande macht sich die spa-nische Herrschaft in den Jetons natrlich durch eine rein formell-staatsrechtliche, den Geldmnzen sich annhernde Behandlungbemerklich.

    Uebrigens sei bemerkt, dass Mieris a. a. 0. L, pag. 120noch folgende Daten zur Geschichte des Rechenpfennigs in denNiederlanden beibringt:

    1. dass dessen Gebrauch in Frankreich zur Zeit Philipps VI.(f 1350) schon bekannt war (nach Jobert, Science des medail-les, pag. 17);

    2. dass dessen Enkel, Philipp der Khne, Herzog von Burgund,(f 1404 Sohn Knis Johanns,) dessen Gebrauch zuerst in dieNiederlande verpflanzt und dass dieser Gebrauch zuerst zu Ryssel(d. i. Lille) platzgegriffen habe

    H) Vcrgl. unten ber die belgischen Jetons Kaiser KriTs VI.

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    3. dass Anton, Herzog' von Brabant, Sohn des vorigen (f 1450),diesen Gebrauch im Jahre 1404 bei der Rechenkammer von Brsseleingefhrt habe (nach Butgens, Suppl. aux trophees de BrabantI, Fol. 205);

    Hievon ist nun aber 2. nachweislichermassen falsch und 3.sehr unwahrscheinlich oder missverstndlich.

    Auch in Engl and war der Rechenpfennig stark in Gebrauch.Das Werk von Snelling, 2 s) welches hievon ausfhrlich handelt, istmir leider nicht zugnglich geworden. 26) Fr die Volkstmlichkeitder Rechenweise kann ich indess eine Stelle von Shakespeare, Thewinters tale, act IIIT, sc. II anfhren. Clown: I cannot do't withoutcounters. Let me see; what am i to buy for our sheepshearingfeast? Three pound of sugar ; five pound of aurrants etc.

    Wir haben jetzt noch von Deutschland zu sprechen, wo derGegenstand die Namen Rait- oder Rechenpfennig, auch Zahl-pfennig trug und also eine ebenso bestimmte Beziehung zu seinerBestimmung ausdrckte wie das franzsische gectoir, jeton und dasenglische counter. Das hollndische worpgeld, werpgeld, auch leggeltoder legpenning ist hiefr nicht minder bezeichnend, 27) jedoch insHochdeutsche nicht aufgenommen.

    Die Rechenweise selbst findet sich in den mittelalterlichenSchriften ber das Rechenwesen, die brigens zu den grsstenSeltenheiten gehren, nirgends behandelt Auch ,die Schulen desJohann von Gmunden (f 1412) und des Franz Peurbach (f 1461)zu Wien, ss) welche als Pflegesttte der mathematischen Wissen-schaften im 15. Jahrhundert zu hohem Ansehen gekommen waren,haben das Rechnen auf den Linien nicht gelehrt; wenigstens enthlt

    25) A View of the origin, nature and use of jettons or counters, Lon-don 1767.

    26) Yergl. auch die bei Rouyer-Huclier mit aufgenommenen englischenJetons.

    27) In Rechnungen des 14. und 15. Jahrhunderts von Brgge heisst es:Werpgelde daer de rekeninge gheleit en geverpen is. Man sagte auch: eenesomrae legghen und legghen en rekenen met penuingen. Melleina Dict.flameng-frangais Rott. 1591 und Kilianus, Etymol. teutonicae linguae ed. 1598v. Legghen. De Schodt p. 9.

    2 8) Siehe ber dieselbe Dr. nton Mayer, Geschichte der geistigen Culturin Niedersterreich. I, Wien 1878, S. 91 und 375 f.

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    ^U Dr. Alfred Nagl: Die Rechenpfennigedas bekannte Sammelwerk des Georg* Tannstetter vom Jahre 1515nur Schriften, die sich auf die indisch-arabische Arithmetik bezie-hen. Aber die Erfindung der Buchdruckerkunst und das damalspltzlich sich steigernde Bedrfniss nach Unterricht 29) riefen,namentlich in Deutschland, eine sehr zahlreiche Keihe von Schriftenhervor, in denen die Linienrechnung' gewhnlich zusammen mit derZiffernrechnung gelehrt wird. Die lteste bisher bekannte Dar-stellung ist die in der Margaritha pliilosophica des Gregor Reisch,zuerst erschienen zu Heidelberg mit einer III. Kai. Jan. 149Gdatirten Vorrede, so) dann erschienen aber in rascher Folge dieRechenbchlein von Balthasar Licht, Joannes Cusanus, Jacob Kbel(in den sptem, erweiterten Auflagen, von 1531 an, eines der besten),von Adam Ryse oder Riese, zahlreiche Male aufgelegt 31) und selbstsprichwrtlich geworden, von Otto Khler, Ch. Rudolff, JohannJung, Marx Hoff, Johann Albrecht, Johann Eysenhut, BalthasarWrendt, Georg Reichelstein, Hans Bock u. A. mit Ausnahme desReisch und Cusanus smmtlich in deutscher Sprache. 32) Dem GeorgReisch folgte der Zeit nach zunchst in Frankreich Jodocus Clichto-vaeus, Doctor der Sorbonne, j zu Chartres 1543, mit der Ars

    29) Nach Kriegk: Deutsches Brgerthum i. M. A. n. F. S. 66, errichteteder Rath von Nrnberg schon im 15. Jahrhundert einen mathematischen Lehr-stuhl, bloss damit die des Lateinischen unkundigen jungen Handwerker diesefr ihren Beruf wichtige Wissenschaft grndlich zu erlernen Gelegenheithtten. Ob daselbst auch das Rechnen auf den Linien gelehrt wurde, ist nich ;gesagt.

    so) Vergl. ber diese sehr seltene erste Ausgabe, Magazin Pittoresque1849, p. 189, wo der Holzschnitt mit der Darstellung der beiden Rechenmeister(der eine rechnet mit Ziffern, der andere auf den Linien) wiedergegeben ist.Nicht eben selten sind die Basler Ausgaben aus dem Anfange des IG. Jahr-hunderts.

    si) Vergl. Bruno Beriet, Adam Riese. Im Berichte des Progymnasiumsvon Annaberg fr 1855 mit Portrt nach der Ausgabe von 1530. Die ersteAusgabe ist von 1518 (Graesse), dann erschienen solche von 1522, 1525, 1529(darnach ein theilweiser Abdruck in einer Festschrift zum 17. Mai 1883 des k.Wilhelms-Gymnasiums zu Berlin) u. s. w. Beriet fhrt noch eine Ausgabe desgrsseren Rechenbuches (Practica von 1550) aus dem Jahre 1611 an.

    32 ) Von lateinisch geschriebenen wren noch anzufhren: ein anonymerAlgorithmus linealis s. a. Lips. p. Mart. Ilerbipolensem, dann Georgias Heni-chiiis l, J. IL Alstedius HUI.

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    siipputantli tarn per calculos quam per notas aritlimeticas. 33) Ausserdiesem Werke sind mir von Schriften franzsischer Arithmetikerber die Linienrechnung nur noch bekannt: Joann. Mart. Siliceus:Ars arithmetica 1514, Jean Trenchant Arithmetique, 15571608,endlich die auffallend spte Darstellung in F. Legendre's Arith-metique von 1729 (der allerdings schon mehrere Auflagen voran-gingen) bis 1753. Von Werken anderer Lnder seien hier zum Nach-weise der Allgemeinheit dieser Disciplin noch erwhnt (ich kennesie nur aus der Aufzhlung bei Van Loon, Hedend. Pk. S. 158),Spanisch: Juan de Moija 1573; Englisch: Robert ecord, Johnl)ea und John Mellis 1624, ein anonymer Algorisme, London 1539und ein hnlicher von 1581 (Graesse); Dnisch: Niels Mickelson1624, dann eine Reihe von niederschsischen und niederdeutschenWerken aus dem 16. und 17, Jahrhundert. Die Betrachtung dieserreichen Literatur gibt allein schon eine Vorstellung von der prak-tischen Wichtigkeit, die dieser Gegenstand damals gehabt hat.

    Gelegentliche literarische Beziehungen auf denselben findensich nun auch in Deutschland. So wird namentlich in KirchhofsWendunmuth (Stuttg. Ausg. I. S. 59) des 16. Jahrhunderts das alteGleichniss des Polybius des breiten variirt: Das Leben dieser zer-gengklichen Welt und alle Menschen darin sein wie ein rechen- oder

    33^ Herausgegeben in dem Sammelwerke des Joannes Cesarius.Juliacensis1507 (nicht 1503 wie Graesse : Livres rares infolge irrthmlicher Auffassungder Datirung angibt); dasselbe nennt in der Vorrede die Schrift des Clichtoveeein opusculum nuper editum. Laplane in seiner Histoire de Sisteron (vergl.De Schodt p. 24) erwhnt einer anonymen Druckschrift: Le livre des Getzaus dem Anfange des 16. Jahrhunderts, in welcher gelehrt wird: la practiquede bien sQavoir conter aux getz commc a la plumc. Wenn Mr. Laplane sagt, eshandle sich hier um eine Wissenschaft, qu'on n'enseignait point dans les ecole,so muss bemerkt werden, dass das Rechnen in den unteren Schulen damalsberhaupt noch ein Ausnalimsgegenstand war. Zu Ueberlingen wird derdeutsche Schulmeister in seiner Bestallung vom 11. Juni 1511 bloss verpflichtet,Lesen und Schreiben zu lehren, dann heisst es in Art. 13: Wlcher aber dieseinen (Kinder) auf den linien oder mit der ziffer zu rechnen, dergleichen cantz-leyisch Schriften lernen lassen wolt, dieselben sollen sich mit mir uinb diebelohnung vergleichen, und ich die iren hier immer auch ziemblich halten.Lbenso noch in einer Bestallung vom 19. December 1618 (Mono: Zeit^chr. frdie Geschichte des Oberrheins II., S. 15S und 161).

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    28 Dr. Alfred Nagl : Die Rechenpfennigezalpfennig, auff welche linien derselbige gelegt soviel und (nicht?)mehr gilt und zeigt er ein summ an. Jetzt ist er auff der oberstenlinien . . . Was darffs viel wort? Ehe sich einer umbsieht, hebet derrechenmeister solchen Pfenning gar hinweg, so ist er nichts mehr,denn ein ander pfennig und ein stck messing. Ein anderer Zugder Volksthmlichkeit ist z. B. die Darstellung des Weisen Mannesvor dem Rechenbrette und den Pfennigen in dem Flugblatte desVirgil Solis und Hans Sachs: Ein ntzlicher rath den jungengsellen So sich verheyraten wollen. Gedruckt von Hans Gulden-mund 1549 (S. Knnecke, Bilderatlas zur Geschichte der deutschenN. Lit. 1885 unter Nr. 354). Im Jahre 1593 schreibt der AugsburgerHumanist Marcus Welser (Opp. pag. 818): Scis ductis lineis etpositis calculis rationes nunc vulgo subduci.

    Doch auch hier mssen uns die Raitpfennige selber zu Hilfekommen ; um eine annhernd richtige Vorstellung von der Wichtig-keit dieser Einrichtung in deutschen Landen zu gewinnen. Von denerhaltenen Stcken gehen allerdings nur wenige in das 15. Jahr-hundert zurck und nur ganz vereinzelte Nachrichten hierber sindmir zur Hand, welche indess bei nherer Untersuchung namentlichder stdtischen Rechnungen, sich bedeutend vermehren drften.So fhrt Kriegk: Deutsches Brgerthum i. M. A. N. F. S. 81 ausden Rechnungen der Stadt Frankfurt a. M. Ausgabenposten an frdie Anschaffung von Rechenpfennigen und zwar von den Jahren 1399(10 a& 3 Heller umb ein hundert rechenpfennige und ein Dintenhornvnd Kaiemaren ), 1402, 1431 (fr 100 rechenpfennige derniessinge gestempter 9 Schill.) u. s. w. In den Rechnungen derStadt Wien findet sich zwischen 1424 und 1571 nur einmal einehierauf bezgliche Eintragung in der Oberkammeramtsraitung von1569, Fol. 333 a : Item den 29. november Niclasen Einigl sigil-schnei(der) alhie von stockh und eisen zu gemainer statt raitphe-ningen so in der mnz umbgestanden, widerumben zum andern vnddriten mal davon zu schneiden und zuezurichten inhalt quitungbezalt. . .4 fl. ^) Man sieht, dass sich der Raitpfennig auf deutschemBoden, obwohl auch hier allgemeiner Hausrat, doch mit einer viel

    34) Nach einer gtigen Mittheilung des Herrn /Dr. Carl Schalk von derk. k. Universittsbibliothek,

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    bescheideneren Rolle begngen musste, wie sein wllscher Bruderder Jeton und selbst der hollndische Rechenpfennig.Man hat in Frankreich lange Bedenken getragen, das Bild desSouverains auf den Jeton zu bringen und mancherlei Devisen wie:Faux suis comme limon? Je suis de laiton ; Je ne suis pasd'argent u. dergl., enthielten eine unmittelbare Warnung vor derVerwechslung mit den Geldmnzen, welche oft genug vorgekommensein mochte. Bemerkenswerth ist darum der Jeton mit den wohl-gelungenen Portrtbsten Maximilian^ I. und seines Sohnes Philippdes Schnen von Burgnnd, 35) als der lteste mit solcher Dar-stellung.

    Von der Zeit Maximilian^ an erscheinen die Raitpfennige auchbei der deutschen Reichskammer und in den smmtlichen sterrei-chischen, wie sonstigen landesherrlichen und stdtischen Rechnungs-mtern. Es liegt die Annahme nahe, dass die burgundische Heiratauf die Hebungen in diesem Gegenstande gewisse Einflsse gehabthat. Der Gebrauch der Rechenpfennige selbst aber in Deutschlandist keinerdings darauf zurckzufhren. Wie die Eechenpfennigeallerwrts in Deutschland gehandhabt waren, das mge aus derreichhaltigen Aufzhlung bei Neumann, Kupfermnzen s) I, S. 160,293347, 437, 481; V, S. 83, 91, 341462 und ff. entnommenwerden. Wir mssen uns hier berwiegend auf die sterreichischenLande beschrnken, die allerdings wegen des Sitzes der kais.Kammer und auch durch sonstige Umstnde fr unseren Gegen-stand besonderes Interesse bieten.Es findet sich kein sterreichisches Stck, welches vor Maxi-milian zurckginge. Es scheint also, dass damals erst bei uns dieUebung aufgekommen ist, die Raitpfennige gleich den Mnzen mi

    35) Eouyer-Hucher, p. 145 und pl. XII, Kr. 105. Herr EegiernngsrathEitter v. Ernst in Wien besitzt einen Kupferjeton, welcher das Bildniss Maxi-milians und im Eevers das sterreichisch-burgundisch-spanische Doppelwappentrgt. Beide jedenfalls aus der Zeit der Vormundschaft um 1490.36) Dieses unentbehrliche Werk enthlt ausser den Mnzen auch dieJetons im weitesten Sinne des Wortes und trotz seines Titels auch die ausMessing, die franzsischen Jetons in Band V, S. 9.)341, die Nrnbergereb. von S. 402 jm. Im allgemeinen finden sich die landesherrlichen in Bei. Iund II, die privaten in Bd. V.

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    '>'^ Dr. Alfred Nagl - Die Rechenpfennige

    bildlicher Darstellung und Schrift yai verzieren. Aber von jener Zeitan werden die Serien der Erblande sehr reichlich. Wir finden derenfr Nieder- und Obersterreich, Steiermark, Krnthen, Tirol, Bh-men, Mhren und Schlesien. Was die Stellen und Personen anbe-langt, denen die Inschriften und sonstigen Kennzeichen sie zueignen,so tritt auch hier dieselbe Serienfolge hervor wie in Frankreich.Wir haben vor allem die amtlichen Stcke fr die Rechnungs-mter des Landesfrsten und der Landstnde. Niedersterreich isthier ausgezeichnet durch den Sitz der kais. Kammer, fr welcheein Raitpfennig noch mit gothischer Schrift, also wohl noch dem15. Jahrhundert angehrig, sich findet:

    Raitphening E(iner) R(misch) K(aiserlichen) M(ajcstt) Camer(in der Mitte) M(aximilian). ty Halt Maas in allen Dingen. (Neu-mann I, Nr. 969).

    Dann fr die niedersterreichische Kammer (Neumnnn I,Nr. 970 f., 1226), die obersterreichische (Nr. 981), die steirischeNr. 1220 f.), insbesondere aber die bhmische (Nr. 208 f.), derenSerie besonders reichlich und fr die Geschichte dieser Einrichtungvon grosser Wichtigkeit ist. s?) Sie erscheinen mit Erzherzog Fer-dinand I. (1526 1.564), im Mittelfelde den Namenszug des jeweiligenRegenten aufweisend, in zwei numismatisch geschiedenen Ausmn-zungen, als Raitpfennige und als Raitgroschen der beimi-schen Kamer, letztere im Revers immer mit czechischer Um-schrift^), auch als Raitpfennige der Kammer-Buchhaltungbezeichnet, stets bloss mit dieser amtlichen Umschrift ohne Devise.Die jngsten Stcke (Neumann Nr. 438439) ein Raitgroschender behm. Camer und ein Raitpfennig der Camer im Kunigreich

    37; Vergl. Voigt: Beschreibung bhmischer Mnzen III, S. 219, danninsbesondere den Excurs bei Neumann I, S. 31 ff. und Hanka in Verhandl.des bhm. Museums 1837.

    38) Der Name Groschen (ital. grossi) ist bekanntlich durch das Czechischegros in's Deutsche gelangt und daher stammt offenbar auch jene oben erwhnteBenennung der bhmischen Rechenmnzen. D,er ganze Unterschied beiderArten kmmt also darauf hinaus, dass die Stcke mit czechischer Umschriftauch im Deutschen als Groschen bezeichnet wurden, die rein deutschen aberdie Bezeichnung Pfennig behielten.

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    Behaim zeigen den Namenszug L 7 Kaiser Leopolds I. mit derJahreszahl 1662 und beweisen also ; dass noch damals bei denlandesherrlichen Kammern mit dem Raitpfennig gerechnet worden.(Vergl. unten bei Oher-Oesterreich.) Ueber die numismatischenEinzelnheiten verweise ich hier lediglich auf Neumann a. a. 0. ;wovon an dieser Stelle nur von besonderem Interesse eine dort(S. 31) angefhrte Verordnung vom 16. Mrz 1608 (aus demKuttenberger Archive) ist; in welcher befohlen wird, dass, nachdembei den Prgerischen und anderen Mnzwerken in Behaimb dieVerordnung* gethan 7 dass jederzeit mit Eingang des neuen Jahreseine Anzahl von 23 Tausend Kupferrechenpfennige angefertigtund auf die Kammer und Buchh alterei berschickt werdensollen, diesem Befehle unverzglich nachgekommen werden solle.Die praktische Wichtigkeit der Sache kommt also auch hier zumAusdrucke, aber wir machen in Oesterreich und Deutchland keineWahrnehmung von der in Frankreich so umfangreich und freigebiggebten Sitte der Geschenk-Jetons, noch von dem ernsten histori-schen Charakter, den die Niederlnder dem Rechenpfennig aufzu-drcken bestrebt waren. Solche aus Edelmetall finden sich inOesterreich und wohl berhaupt in Deutschland nur ausnahmsweise,sie sind hier lediglich amtliches Kanzleimateriale, so)

    Ganz nahe kommen den Raitpfennigen der kaiserlichen undlandesherrlichen Rechnungskanzleien *) diejenigen der landstn-dischen. Wir finden z. B. Ainer Ersa(m) Land(chaft) DitzErtz. Osterreic. fy Under Der Ens Her. Verorend.Raitphe.von 1571 (Neumann 984986, wohl auch 1015 vom Jahre 1605)und: Erzherzogthuinbs Osterreich ^ Ob Der Enns Rechen-

    3) Ich habe im k. k. Mnz- und Antikencabinete folgende silberne.Rechenpfennige gesehen: Den tyrolischen mit dem MC, dann die StckeNeumann 976(?), alle aus schlechtem, etwa achtltliigcm Silber; dann aus fei-nerem Silber: Neumann 1230, 1231, hnlich 983, 981, 982, hnlich 1605, 1223,dann 1252 (nur 1584). S. auch Anm. 41.

    4o) Bemerkenswert ist noch: Zipserischer Chamer Raitphening,auf einer Tafel : T hu R e c h n u n g vonDeinem H a u s h a 1 1 e n 1578. ReRo, Kai. Auch Z. Hiing. V. Bo. Ku. Maitt. rNeumann, Nr. 155).

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    32 Dr. Alfred Nagl : Die Rechenpfennigphenning 1555, 41) Dann von der Landschaft Steiermark (Neu-mann, Ni\ 1227, 1228. 1232 f.), Krnthen (nb. 1288 f.). Die Rait-pfennige mit dem Wappen von Tirol beginnen schon mit Maximi-lian. Sie tragen bis zu Ferdinand (1521 1564) keine amtlichenInschriften, sondern regelmssig den Spruch:

    Der Hat Selten Guten Muet^ Der Verlorn Schuld Raiten Tuet.Auch stdtischeVerwaltungen hatten fr ihre Rechnungs-

    mter Raitmnzen. Eine Nachricht hierber bezglich der StadtWien haben wir schon angefhrt. Bekannt ist mir nur der Rait-pfennig mit der Inschrift: Guete Raitung Befurderet Gemai-nen Nuz 1571. fy Gemainer Stat Wien Rechenphening(Neumann, Nr. 1202, stdtisches Museum zu Wien, Inv. Nr. 708).Sonst scheinen sich die sterreichischen Stdte auch diesen beschei-denen Luxus nicht gegnnt und sich entweder mit unbezeichnetenPlttchen oder mit den landesherrlichen und stndischen Raitpfen-nigen beholfen zu haben.

    Es liegt in der Natur der Sache, dass die Mnzsttten, denenselbstverstndlich auch die Anfertigung der amtlichen Raitpfennigebertragen war, besonders hufig solche herstellen Hessen, die zumGebrauche des Mnzamtes selbst bestimmt waren und dann dieBezeichnung der Mnzsttte oder ihres amtlichen Vorstandes, desMnzmeisters trugen. Dies ist eine in Frankreich, den Niederlandenund Deutschland- Oesterreich allerwrts hervortretende Erscheinung.Man pflegt die Serien, welche die Namen oder Wappen von Mnz-meistem tragen, auch als Mnzmeister- Jetons im engerenSinne zu bezeichnen.

    4 *) Das k. k. Mnz- und Antik encabinet besitzt zwei Rechenpfennige mitdem Bildnisse Kaiser Leopolds I. und der Umschrift Rai dtpfening AinerLoblichen Landschaft Des Rev. Erz herzogthumbs sterreichOb Der Ens (Obersterreichisches Wappen) in Silber, einmal geprgt undeinmal gegossen (letzterer hat En fr Ens). Vergl. Appel IV, Nr. 1786 und 1787(mit der Jahreszahl 1705). Letzterer fhrt Nr. 1788 noch auf: Carols VI. D.O.K.I.S A.G.H.H.B.E. Ar. Aust. (Brustbild). I.G.B. Rev. Ertzherzog-thumb Oesterreich Ob Der Enns (Wappen). Grsse 18. Es scheint dem-nach, dass in Ober-Oesterreich die Rechnungsweise auf den Linien weit lngerals in den brigen deutschen Landen blich gewesen.

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    und die operative Arithmetik. 33Hiemit ist aber schon das persnliche Feld beschritten, wel-

    chem dann auch die Rechenpfennige von Privatpersonen, mitihren zahllosen Wappen- und sonstigen Darstellungen, sowie man-nigfach gewhlten Sprchen oder Erinncrungsinschriften zuzu-rechnen sind. Whrend bei den amtlichen Stcken Inschrift undVerzierung gewhnlich noch einen offiziellen Zweck verfolgt habenwerden, haben sie bei Privatpersonen keine andere Bedeutung, alsetwa heute die hnliche Verzierung eines Schreibzeuges. Alle jeneMnzmeister-, Bergwerks-, Familien- und sonstigen halbamtlichenoder Privat-Rechenpfennige sind numismatisch und localgeschicht-lich oft von nicht geringem Interesse; hier fr uns haben sie jedochnur die Bedeutung, dass auch aus ihnen die Allgemeinheit desGebrauches der Rechenmethode mit den Linien und deren Ver-flechtung in die Gewohnheiten des tglichen Geschfts- und Privat-lebens hervorleuchtet. Ein reichhaltiges Verzeichniss von Privat-um Rechenpfennigen aus den sterreichischen Erblanden siehe beiNeumann V, S. 381. Auch hier spielt Bhmen eine bedeutsameRolle in den daselbst besonders hufig erscheinenden sogenanntenFamilien-Jetonen, Stcke, welche die Wappen einerseits desMannes, andererseits der Gattin mit den bezglichen Namens-umschriften aufzeigen. Die numismatische Systemisirung unterdieser Bezeichnung beruht aber auf einem durch die Aeusserlich-keiten veranlassten MissVerstndnisse. Man hat sie gewhnlich alsErinnerungszeichen an Vermlungen angesehen (Neuman V, S. 2).Das Richtige ber die Sache hat aber schon W. Hanka in den Ver-handlungen des bhmischen Museums 1837, S. 70 berichtet: DieGutsbesitzer haben nach Art der bhmischen Kammer fr ihre Rent-eassen und Kanzleien, da es bei der damaligen Rechenmethodenothwendig war, solche Jetons machen zu lassen mit ihren Wappen,Namen und Devisen und wo von dem Gute auch die Frau Mit-besitzerin war, wurde auf dem Reverse anstatt der Devise auch ihrWappen und Name angebracht. Dies letztere veranlasste bei einigenMnzliebhabern die Vermuthung, als wren die KupferpfennigeTrauungsmnzen gewesen. Indem ich den sterreichischen Bodenverlasse, will ich nur eines Stckes Erwhnung thun, welches umseiner spten Datirung willen bemerkenswerth ist: ein schngeprgter Kupferjeton von ganz modernem Aussehen in der auf-

    (Dr. Alfred Nfigl.) o

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    ;) ~^ Dr. Alfred Nal : Dir Ilechenpfiinige

    fallend geringen Grsse von etwas ber 8 ; Neumann. DaselbstNr. 28640.

    Umschrift: Dcnarius Ration um. Fllnfspitzige Krone, umwelche vertheilt die Buchstaben PI NR T Z

    Rev. Aequabilir (sie) .Merces. Talionis . Eine Hand ausWolken eine Wage haltend. Nach Neumann a. a. 0. hchst wahr-scheinlich dem Job. Ig. Printz, Stadtrath bei der bhmischenKammer und seit 1755 Buchhalter bei dem k. k. obersten Mnz-meisteramte, angehrig. Dieser Jeton ist ohne Zweifel nicht mehrfr den praktischen Gebrauch, sondern nur als eine antiquarischeErinnerung geprgt, in diesem Sinne aber charakteristisch.

    Die Verbreitung der geprgten Rechenpfennige ber ganzDeutschland zu belegen, gengt es wohl im allgemeinen, auf die beiNeumann katalogisirten Stcke zu verweisen, wie z. B. fr diepreussischen Lnder Nr. 4806 ff., 31446 ff.; fr Hannover Nr. 31643ff. (auch hier ist die Sitte der Privatjetons durch die Mnzmeisterbis gegen Ende des 18. Jahrhunderts erhalten worden, vergl.Nr. 31764 31776, wahrscheinlich beeinflusst durch das naheHolland); fr Kln Nr. 5925, Sachsen 32777, Franken 64486454,Bayern 32041, Wrttemberg 7043 ff.) u. s. w. Vielleicht gebendiese Andeutungen Veranlassung zur Verffentlichung der weiterenbisher unbekannten Notizen ber diesen Gegenstand, den manbisher in Deutschland keiner Aufmerksamkeit gewrdiget hat.

    4-i) Umschrift: Der Welthandel Iberal Stet In Gewicht Mas4Vnd Zal. Die Zifferndaistellung 736(32 bedeutet das Rechenexempel23

    73G : 23= 32 (nach der Federnrechnung bei Adam Kiese). Aehnliches auf dun80Tiroler Pfennigen, Neumann, Nr. 13261329: 3 5 1(39, d. i. 351 : 9 = 39.

    9 96 1 8Die andere Darstellung 7 5 3 , n sogena nntes magisches Quadrat, findet7 9~ T

    sich ebenfalls fter auf deutschen Rechenpfennigen. (Die Zahlen ergeben nachallen Richtungen die gleiche Summe 15.) Vergl. Adam Riese, Pratica von1550, S. 103: Zaln in ein gevierdt das berall gleich kompt.

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    und tiie operative Arithmetik. '-*''

    Erwhnenswert } ist endlich noch, dass das deutsch-sterrei-chische Herrscherhaus, welches die Sitte der Jetons d'etrennes inDeutschland allem Anscheine nach nie gebt hat, sich in seinemflandrisch-brabantischen Besitze zu ihrer Uebung, offenbar durchaltes Herkommen aus den spanischen Zeiten, noch im 18. Jahr-hunderte veranlasst sah. Das k. k. Mnz- und Antikencabinetbewahrt aus dem Ende des 17. und Anfange des 18. Jahrhundertseine Eeihe von Kupferjetons fr die dortigen Kammern von ganzeigenartigem Typus. Darunter bemerkenswert mehrere mit demBildnisse KarPs VI. und der Urnschrift:

    Carolus VI. Rom. Imp.Dux Brabantiac C. Fland.# VICtorla PaCcM TaVrVnaea Dablt,)im Abschnitte: Strena Kalend. Januar.Ein anderer mitIJ? Constantia et fortitudine,im Abschnitte: 1717.Ein dritter mit: Eestaurata et proteeta,im Abschnitte: Strena Kalend. Januar: 1722.Hier bezeichnen sich also die Stcke selbst ausdrcklich noch

    als Jetons d'etrennes. Wir haben endlich aus Deutschland noch einer Serie von

    Privatrechenpfennigen zu gedenken, welche weniger durch ihreMache, als durch die ihre Herstellung begleitenden Umstndebesonderes Interesse gewinnt. Ich meine jene beraus zahlreicheSerie, welche dem Gewerben eisse zu Nrnberg ihr Entstehenverdankt. Neumann fhrt sie im V. Bande, von S. 402456 aufund berschreibt sie mit: Jetone alter Mnzmeister. Hierin liegtein bemerkenswerther Irrthum. Dass die Namen, welche auf diesenEechenpfennigen genannt sind, nicht den amtlichen Mnzsttten,sondern dem znftigen Gewerbebetriebe angehren, wird aus demZusammenhange der kurzen Besprechung, welche wir diesem Nrn-berger ZwTeige wTidmen wollen, auf das Klarste erhellen.

    ^ 3 ) Chronogmmni 1.718 auf die Einnahme von Belgrad (1717),3*

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    *J V Dr. Alfred Nagl: Die Rechenpfennig,

    Ein Jrg Schultes bezeichnet sich 1555 auf einem Stcke(Neumann, Nr. 3212832131) als Spengler und es geht hieraushervor, in welchen Gewerbezweig die Erzeugung dieses, wie wirsehen werden, kaufmnnisch sehr wichtig gewordenen Artikels fllt.

    Aber spterhin, zu Anfang des 17. Jahrhunderts, bezeichnetsich ein Hans Laufer geradezu als Eechenpfen nigmacher undes hat demnach die Erzeugung dieser gangbaren Waare in Nrn-berg hinlngliche Bedeutung angenommen, um daselbst einen ganzgesonderten Erwerbszweig abzugrenzen. In der That hat sich dieseIndustrie, welche so recht eigentlich in die Nrnberger Kurzwaaren-erzeugung passte (Nrnberger Tand Geht durch alle Landsagte man in alten Zeiten sprichwrtlich), auch nach dem Ver-schwinden der alten Kechnungsmethocle, als die Rechenpfennigenur noch als Spielmarken u. dergl. dienten, mit dem alten Namenlebendig erhalten. Das k. k. Mnz- und Antikencabinet besitzt eineMessingmedaille aus dem Anfange dieses Jahrhunderts mit derUmschrift: Nrnberger Spiel- und Rechenpfennig , eine andere,ganz moderne mit: L. Ch. Lauer's Rechenpfennig-Fabrik 1J Spielmarke u. s. w. (Sammlung Neumann, handschriftlicherKatalog Nr. 18243 ff.). Die Lauer'sche Rechenpfennig-Fabrikblht unter dieser Bezeichnung noch heute zu Nrnberg.

    Es fhrte hier zu weit, allen aus den Nrnberger Pfennigenbekannten Rechenpfennigmachern, den Schultes, Krauwinckel,Koch, Laufer, Hofmann, Dietzel u. s. w. nachzuforschen. Frihre geschftliche Bedeutung sprechen mancherlei Anzeichen: diemassenhafte Verbreitung ihrer Waare in ganz Mitteleuropa, wie siedurch vielfache Funde besttiget wird, die fortdauernde Blthe ein-zelner, auf diesen Gegenstand gegrndeter Unternehmungen. 4 -)Krauwinckel sagt von sich auf einem Stcke (Neumann V.Nr. 32248) Hans Krauwinkel Bin Ich Bekont

    I}? In Frankreich Vnd Auch In Niderlont. ***) Im 17. Jahrhunderte haben namentlich die Lufer eine ganze Reihe

    von Persnlichkeiten gestellt, welche als Kechenpfennigmacher auf ihrenErzeugnissen verewigt sind.

    4 ^) Dieses Stck ist auch erwhnenswerth wegen seiner Darstellungen.Es weist auf der Vorderseite eine schildartige Zeichnung, in welcher das mit

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    Es bestehen mehrfache Anzeichen dafr, dass nach Frankreicheine starke Ausfuhr in diesem Nrnberger Erzeugnisse stattgefundenhat. Dort und in Belgien hat allerdings die Privatindustrie schonfrher sich dieses Gegenstandes bemchtiget. Es werden nament-lich die Stadt Saint-Omer schon fr das 14. Jahrhundert und dannfr das 15. auch Tournay als Erzeugungsorte fr Privetjetonsgenannt. ^e) Auch haben deren Erzeugnisse an knstlerischemWerthe diejenigen von Nrnberg berschritten. Es scheint aber frdie letzteren ein hnlicher Vorsprang sich geltend gemacht zuhaben, wie wir dies auch heutzutage wahrnehmen. Die franzsischenNumismatiker ussern sich, und wohl nicht ohne einen gewissenGrund, in absprechender Weise ber den knstlerischen Unwerthund das schlechte Material e der Nrnberger Jetons und bedauern,class in der Privatindustrie seinerzeit die hherstehende franzsischeWaare von ihnen verdrngt worden sei. Aber einem allgemeinen,tglichen Bedrfnisse gegenber sind derlei Klagen nur vonbeschrnkter Berechtigung.Was das Materiale anbelangt, so erheben sich die Nrnbergerallerdings niemals zu den Edelmetallen. Ihr Rechenpfennig bleibtstets in den Grenzen der Nrnberger Waare und darnachbestimmt sich denn sein ganzer Charakter. Die Darstellung hatwenig Mannigfaltigkeit, ihr fehlt eben das hhere gesellschaftlicheMoment der franzsischen und das politische und historische derNiederlnder. Ausser den oft vorkommenden Bildnissen der Erzeu-ger suchen sich die Nrnberger Darstellungen nach Thunlichkeitdem Geschmacke ihrer verschiedenen Abnehmer anzupassen. WirPfennigen belegte Linienschema-, rckwrts eine Rechnungsoperation in Ziffern,808 19 9 9, das ist 819 recte 891:9 = 99. Vergl. oben Anmerkung 42.

    9Auch die Darstellung des mit den Pfennigen rechnenden Mannes auf demHans KrauwinkePschen Stcke, Neumann, Nr. 32249, welches im Revers ein-fach das vollstndige Alphabet enthlt, muss als charakteristisch besonderserwhnt werden.

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  • 8/12/2019 Die Rechenpfennige und die operative Arithmetik / von Alfred Nagl

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    38 D: . Alfred Nagl : Die Rechenpfennigefinden daher solche mit englischen, aber namentlich hufig- mit fran-zsischen Darstellungen, sowie die Bezeichnungen Counter, Jetonund Eechenphenig. Ueberaus hufig sind solche mit den Bildnissender Knige Henri IV, Louis XIII, XIV und selbst noch XV,gewhnlich mit frmlich numismatischer Umschrift Henricus IV.Francorum (sie) Et Navarra(e) Rex, auf der andern Seite dasbescheidene Hans Laufer Rechenpfen. M., gewiss eine bizarreLaune der Kulturgeschichte. Auch der Dauphin gerth hier nichtselten mit seinem Bildniss und dem sinnbildlichen Delphin in dieGesellschaft der Nrnberger Spengler. Conrad Laufer namentlich(um 1660) weist in seiner Serie ausser diesem franzsischen, auchRechenpfennige mit den Bildnissen der Knige Karl II. von Eng-land und Philipp IV. von Spanien mit den entsprechenden Um-schriften auf. (Neumann, Nr. 32386 f.) Sie waren ohne Zweifel frden Handel in die betreffenden Lnder bestimmt.

    In den Umschriften sind die lteren Nrnberger Pfennige ausdem 15. Jahrhunderte und selbst noch manche sptere dadurchbemerkenswert ], dass sie in gothiseher Schrift hufig eine ganzsinnlose Zusammenstellung von Buchstaben zeigen. Man hat nichtohne Grund bemerkt, dass die Nrnberger hieb ei darauf rechneten,dass beim Gebrauche der Pfennige das Lesen berhaupt nicht inBetracht komme. Sonst finden sich ausser diesen Umschriften auchhier Sprche von mancherlei Art und oft haarstrubender Ortho-graphie, und zwar in lateinischer, franzsischer und vornehmlichnatrlich in deutscher Sprache, wie: bei Hans Schubes: Gotes BortBleibt Ebigli (Neumann 32173), bei Kilian Koch: SobducendisRationibus (eb. 32218). Fleissige Rechnung macht Richtigkeit. Ich hab die angeneme Kunst, die macht Gerechtigkeit undGunst (Wolf Laufer eb. Nr. 32354) u. dgl.

    Wir schliessen hiemit unsere Ausfhrungen ber das berausmannigfache Bild, welches die Rechenpfennige gewhren. Das Vor-stehende wird gengen zu dem hier beabsichtigten Beweise, dassder Rechenpfennig eine Bedeutung hat, welche ihm eine gewisseStellung in der allgemeinen Kulturgeschichte, anweist. Wenn mandie verschiedenen Nachrichten und Erscheinungen, die sich an den-selben knpfen, erwgt, so mchte man daran zweifeln, ob dennim 16. Jahrhunderte noch im praktischen Alltagsleben berhaupt

  • 8/12/2019 Die Rechenpfennige und die operative Arithmetik / von Alfred Nagl

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    anders gerechnet worden, als auf dem Linienschema.* ') Diess istein Umstand, welcher gewiss von erheblichem kulturhistorischenInteresse ist, ans welchem sich auch in Hinsicht anderer Verkehrscinriebtungen nicht unwichtige Folgerungen und Wahrnehmungenergeben, die wir jedoch hier nicht weiter verfolgen knnen.

    Betrachten wir die geographische Verbreitung dieser Eechen-metbode von Portugal und Spanien an ber den ganzen Westenund Norden von Europa, sowie ber Deutschland, so fallen als einebemerkenswerthe Lcke auf die italienischen Lande, selbst dienrdlichen, zu Oesterreick gehrigen Gebiete italienischer Zunge.Wir finden auf italienischem Boden keine Rechenpfennige. Ganzvereinzelte dahin weisende Darstellungen sind entweder auf Nrn-berg oder auf die Anjou s in Neapel, die voraussichtlich den Jetonaus Frank