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www.fsv.at 1 Seminar der Forschungsgesellschaft Straße - Schiene - Verkehr (FSV) „Zeitbewertungen im Verkehrswesen – eine Methodendiskussion“ am 25. 4. 2007 in Wien Die Rolle der Erreichbarkeit für die Raumentwicklung Hans Kramar [ TU Wien ] [ Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung ] [ Fachbereich Stadt- und Regionalforschung ] http://www.srf.tuwien.ac.at/kramar

Die Rolle der Erreichbarkeit für die Raumentwicklung · (private Haushalte, Industriebetriebe, Dienstleister, ... – Ermittlung des Einflusses der einzelnen Produktionsfaktoren

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Seminar der Forschungsgesellschaft Straße - Schiene - Verkehr (FSV)

„Zeitbewertungen im Verkehrswesen – eine Methodendiskussion“

am 25. 4. 2007 in Wien

Die Rolle der Erreichbarkeit für die Raumentwicklung

Hans Kramar[ TU Wien ]

[ Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung ]

[ Fachbereich Stadt- und Regionalforschung ]

http://www.srf.tuwien.ac.at/kramar

Die Rolle der Erreichbarkeit für die RaumentwicklungUniv.-Ass. Dipl.-Ing. Dr. Hans KRAMAR

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Die Dimension „Erreichbarkeit“

• Zusammenhang zwischen Verkehrsangebot und Raumentwicklung– Verkehrsangebot → Erreichbarkeit → Standortqualität → Raumentwicklung

• Definition der Erreichbarkeit– relative Standortgunst hinsichtlich des Aufwands für Raumüberwindung

(→ Reisezeit, Transportkosten), der notwendig ist, um bestimmte Angebote oder Gelegenheiten wahrzunehmen

– Die Erreichbarkeit bestimmt den Handlungsspielraum der Akteure auf einem Standort

• Je nach Untersuchungsgegenstand spezifische Erreichbarkeiten – Wer will etwas erreichen ? (private Haushalte, Industriebetriebe, Dienstleister,

Verwaltung,…)

– Was soll erreicht werden? (Geschäfte, Öffentliche Einrichtungen, Ressourcen, Absatzmärkte,…)

– Womit soll das Ziel erreicht werden ? (MIV, ÖPNV, Bahn, Flugzeug, kombinierter Verkehr,…)

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Bedeutung von „Erreichbarkeit“

• Haushalte– Erreichbarkeit definiert den Handlungsspielraum der privaten Haushalte (Zahl der

alternativen Angebote an Arbeitsplätzen, Versorgung, Erholung, Ausbildung,…)

– Erreichbarkeit bestimmt den Zeitaufwand / die Höhe der Transportkosten

• Betriebe– Erreichbarkeit bestimmt die Transportkosten für die Beschaffung von Rohstoffen

und Vorleistungen

– Erreichbarkeit bestimmt die Transportkosten für den Absatz der Produkte

• Bedeutungsverlust der Erreichbarkeit?– „Entmaterialisierung“ der Wirtschaft (wachsender Anteil an wissens- und

informationsbasierten Dienstleistungen)

– Ortsungebundene Verfügbarkeit von kodierter Information („codified information“) durch Telekommunikation

– Der Austausch von personengebundenem Wissen („tacit knowledge“) verlangt auch weiterhin „face-to-face“-Kontakte und damit physischen Verkehr

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Operationalisierung von „Erreichbarkeit“

• Gravitationsbasiertes Potentialmodell• Einbeziehung aller potentiellen Zielstandorte (Wahlfreiheit!)• Abgewichtung der Angebote nach dem Aufwand für die

Raumüberwindung (Transportkosten / Reisezeit) und den Distanzwiderstand ß

• Die Reisezeit bezieht sich stets auf ein bestimmtes Verkehrssystem →Erreichbarkeiten sind systemspezifisch

• Die Reisezeiten sind idealtypische Durchschnittswerte• Erreichbarkeit wird bestimmt durch

– Verkehrsangebot (Verkehrsinfrastruktur)

– Siedlungsstruktur (Verteilung der Nutzungen im Raum)

∑=

×−×=n

1j

tßji

ijeAErrAj ..... Angebot am potentiellen Zielstandort jß ….. Distanzwiderstand tij ..... Reisezeit zwischen i und j

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Beispiele für Erreichbarkeitsindikatoren

Erreichbarkeit von Kaufkraft im ÖV („Kaufkraftpotential“)

Europa Österreich

Die räumliche Verteilung der Erreichbarkeiten hängt stark vom gewählten Distanzwiderstand ab!

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Absolute Erreichbarkeitseffekte der Verbesserung des Verkehrsangebots

• Kurz- bis mittelfristig: absolute Erhöhung der Erreichbarkeit (Ausmaßder Erhöhung lokal/regional unterschiedlich)

• Langfristig: Erreichbarkeitsbedingte Veränderungen im System– Veränderungen der Siedlungsstruktur (Standortverlagerungen, Konzentrationen,…)

– Zunahme der Verkehrsströme → Überlastung / Stau / Höhere Fahrzeiten

→ Verringerung / Verlust der positiven Erreichbarkeitseffekte

Verbesserung der regionalen Erreichbarkeit

Bezirksgrenzen

sehr starkstarkdeutlichgeringvernachlässigbar

20 0 20 40 60 KilometerBearbeiter: DI Hans KramarDatengrundlage: eigene BerechnungenJuli 1999

N

Die Karte stellt die relativen Veränderungen der regionalen Erreichbarkeiten in bezug auf die Bahn nach Verwirklichung der Maßnahmen des Masterplans im Vergleich zum Bestandsnetz dar.

BVWP Österreich: absolute Erreichbarkeitseffekte

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Relative Erreichbarkeitseffekte der Verbesserung des Verkehrsangebots

• Im Wettbewerb konkurrierender Regionen gibt es bei jeder Verbesserung des Verkehrsangebots relative Gewinner und Verlierer

TETN: relative Erreichbarkeitseffekte– Standortwettbewerb der

Regionen und Städte um Marktanteile (nicht vermehrbare Nachfrage!)

– Regionen, die unterdurchschnittlich an Erreichbarkeit gewinnen, verschlechtern ihre Position im Wettbewerb

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Mikro-Effekte von Erreichbarkeitsveränderungen

• Konsumenten (Haushalte)– Kurzfristig

• Vergrößerung des Handlungsspielraums durch Zunahme der alternativen Angebote (Arbeitsplätze, Versorgung, Erholung, Ausbildung,…)

• Einsparung von Reisezeiten / Transportkosten für bestehende Angebote

– Langfristig

• Verbesserte Erreichbarkeit ermöglicht stärkere räumliche Konzentration der Angebote (Nutzung von Großbetriebsvorteilen)

• Verringerung der positiven Erreichbarkeitseffekte durch Veränderungen der Raumstruktur

• Produzenten (Betriebe)– Wachsende Absatzchancen (größere Einzugsgebiete, Erschließung neuer Märkte,

niedrigere Transportkosten,…)

– Steigende Konkurrenz durch andere Betriebe (Verlust regionaler Monopole)

– Nur relative Verbesserung der Position bringt zusätzliche Wachstumspotentiale

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Makro-Effekte von Erreichbarkeitsveränderungen

• Raumentwicklung– Wachsende Standortqualität → Siedlungsentwicklung (auf allen Maßstabsebenen!)

– Wachsende Standortqualität → Zunehmende Zahlungsbereitschaft anderer potentieller Nutzer → Steigerung der Bodenpreise → Verdrängung von Nutzergruppen (→ wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme: nachhaltige Raumentwicklung?)

• Wirtschaftliche Entwicklung– Wachstumsimpulse (Neue Absatzchancen)

– Verstärkung des Wettbewerbsdrucks (Verlust regionaler / lokaler Monopole)

– Wirtschaftliche Spezialisierung (Economies of Scale)

– Standortsplitting (Räumliche Trennung z.B. von Leitungsfunktionen, F&E, Fertigung)

– Beschleunigung des Strukturwandels

– Gefahr der Verstärkung räumlicher Ungleichgewichte

– Gesamtwirtschaftliche Wachstumseffekte durch Spezialisierung der Produktion (→Rationalisierung → Economies of Scale)

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Modellierung: Verkehrssystem, Erreichbarkeit und Regionalentwicklung I

• Entwicklung eines regionalwirtschaftlichen Modells zur Simulation der Effekte des Verkehrsinfrastrukturausbaus

– „SASI“: Socio-Economic Impacts of Trans-European Transport Networks (im 4.Forschungsrahmenprogramm der EU)

– Wirtschaftliche Effekte des Österreichischen Bundesverkehrswegeplans (im Auftrag des BMVIT)

– Regionalökonomische Effekte der „Magistrale für Europa“ (im Auftrag der Initiative „Magistrale für Europa“: Zusammenschluss von Gebietskörperschaften und Intessensvertretungen in Ö, D und FR)

– Bewertung des Verlustes an Standortqualität durch Verkehrsstau in Oberösterreich (im Auftrag des BMVIT und der OÖ Landesregierung)

• Modellierung der regionalen Erreichbarkeit– Aufbau digitaler Verkehrsnetze (ÖV, MIV, Flugverkehr, Wasserstraßen)

– Berechnung von Kürzesten-Wege-Matrizen (Minimale Fahrzeit zwischen allen betrachteten Standorten/Regionen)

– Ermittlung spezifischer Erreichbarkeitsindikatoren (je nach Fragestellung)

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• Schätzung regionaler Produktionsfunktionen– Die Wirtschaftsleistung einer Region ist eine Funktion der dort verfügbaren

Produktionsfaktoren (Arbeit, Kapital, Naturraum, Erreichbarkeit,…)

– Differenzierung nach Branchen (andere Produktionsfaktoren, andere Erreichbarkeitsindikatoren, andere Elastizitäten)

– Multiplikative Verknüpfung (beschränkte Substituierbarkeit der Faktoren)

– Kalibration der sektoralen Produktionsfunktionen anhand von regionalen Indikatoren (Querschnittsanalyse)

– Ermittlung des Einflusses der einzelnen Produktionsfaktoren auf die verschiedenen Branchen

• Simulation der regionalwirtschaftlichen Effekte der Verbesserung des Verkehrsangebots

– Implementierung der Angebotsveränderungen in die digitalen Verkehrsnetze

– Ermittlung der veränderten Reisezeiten und regionalen Erreichbarkeiten

– Neuverteilung der gesamten Wirtschaftsleistung auf Regionen und Branchen unter ceteris-paribus-Bedingungen

Modellierung: Verkehrssystem, Erreichbarkeit und Regionalentwicklung II

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Modellierung: Verkehrssystem, Erreichbarkeit und Regionalentwicklung III

Systemisches Modell zur Simulation der sozio-ökonomischen Effekte von Verbesserungen im Verkehrssystem

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• Modell berücksichtigt– wachsende Absatzchancen

– steigende Konkurrenz

– Spezialisierung / Strukturwandel

– Sektoral unterschiedlichen Grenznutzen von Erreichbarkeitsveränderungen

• Modell vernachlässigt– Gesamtwirtschaftliche Effekte (reine Umverteilung der gesamten

Wirtschaftsleistung, keine Berücksichtigung von Großbetriebsvorteilen durch regionale Spezialisierung)

– Zeitliche Wirksamkeit der Effekte (Ankündigung, Akzeptanz, Gewöhnung)

– Nutzen der privaten Haushalte

– Tatsächliche Reisezeiten (Berechnung anhand von idealtypischen Durchschnittszeiten, keine Berücksichtigung von Bedienungshäufigkeiten)

– Alle negativen externen Effekte des durch die Erreichbarkeitsverbesserung induzierten Mehrverkehrs

Modellierung: Verkehrssystem, Erreichbarkeit und Regionalentwicklung IV